Gesellschafter-Exithaftung im Personenverband: Einstandspflicht gemäß 128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung. Habilitationsschrift 9783161606397, 9783161606403, 3161606396

In Ermangelung von Kapitalsicherungsvorschriften bedarf es im Recht der Personenverbände einer unmittelbaren Primärhaftu

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German Pages 529 [554] Year 2021

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Einführung
§ 1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung
A. Anlass der Untersuchung und Verhältnis zu den geplanten Neuerungen durch das MoPeG
B. Problemstellung
I. Gläubigerschutzkonzept der persönlichen Haftung
1. Kapitalersatzfunktion
2. Gläubigerbenachteiligung durch Rechtsverfolgungskosten
3. Kreditwürdigkeit der Gesellschaft und Erfüllungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger
II. Folgen der Gesellschafterinanspruchnahme
III. Privilegierung von Gesellschaftsgläubigern auf Kosten der Gesellschafterinteressen
1. Zusammenziehen von Vermögensverbindungen zu einheitlicher Haftungsmasse
2. Wirtschaftliche Schlechterstellung des Gesellschafters im Rechtsverkehr
IV. Ansatz: Einschränkung vom Grundsatz „wer herrscht, der haftet“
C. Gang und Gegenstand der Untersuchung
Kapitel 1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß § 128 HGB
§ 2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch § 128 HGB
A. Vermögenstrennung im Personenverband
I. Die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft am Beispiel der oHG
1. Traditionelle Gesamthandslehre: Gesamthandsvermögen als Sondervermögen der Gesamthänder
2. Vermögensträgerschaft der Gesamthands-Personenaußengesellschaft
3. Verbandsrechtliche Rechtssubjektivität der Gesamthands-Personenaußengesellschaft
4. Konstituierender Verbandszweck und gleichartige Struktur der Mitgliedschaft
5. Verbleibende „strukturelle“ Unterschiede zu verbandsrechtlichen juristischen Personen
a) Personengesellschaftsrechtliches Sozietätsmodell
aa) Problematik der alleinigen Eigenbeteiligung des Personenverbandes
bb) Normative Beschränkungen durch das Sozietätsmodell
cc) Sozietätsfundament der Personenaußengesellschaft
dd) Sonderzuordnung von Mitgliedschaften
ee) Keine Auswirkungen des Sozietätsmodells auf die verbandsrechtliche Mitgliedschaft
ff) Zwischenergebnis
b) Vorinsolvenzlicher Kapitalschutz durch realstrukturelle Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung
aa) Unzulässigkeit mitgliedschaftlicher Beteiligung des Personenverbandes am eigenen Vermögen
bb) Verfestigung der Vermögenstrennung durch ein notwendig kollektives Gesellschaftsinteresse
cc) Zwischenergebnis
c) Firmen- und registerrechtliche Verfestigung der Vermögenstrennung
d) Sonstige Organisationsunterschiede als bloße Frage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses
aa) Einheitliche verbandsrechtliche Organisationsverfassung
bb) Fortwirkung der Sozietätskonstruktion im Prinzip der Selbstorganschaft
cc) Normative Verankerung der Sozietätskonstruktion im Prinzip der Anwachsung
dd) Rechtfertigungsbedürfnis jeglicher Verbandshaftungsverfassung
ee) Zwischenergebnis
6. Abgrenzung der verbandsrechtlichen Gesamthand zu anderen Personenmehrheiten
7. Zwingender Zusammenhang zwischen der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft und einem Gesellschaftsvermögen
8. Volkswirtschaftlicher Vorteil der Vermögenstrennung
9. Zusammenfassende Thesen zur Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft
II. Wirkungen der Vermögenstrennung im Personenverband
1. Folgen der Vermögensträgerschaft des Personenverbandes
2. Beziehung der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen
a) Gesellschaftsanteil, Vermögensanteil im Sinne mitgliedschaftlicher Wertbeteiligung und Kapitalanteil
aa) Die mitgliedschaftlich vermittelte, rechtliche Wertbeteiligung am Gesellschaftsvermögen
(1) Bildung des Vermögensanteils durch Einlagenleistung
(2) Wertmäßiger Anteil am Gesellschaftsvermögen
bb) Innenrechtliche Abbildung der mitgliedschaftlichen Wertbeteiligung durch die Bilanzziffer Kapitalanteil
b) Bilanzielle Abbildung der materiellen Rechtslage durch das Drei-Konten-Modell
c) Vermögenstrennung und abweichende Interessen aufgrund eingeschränkter Zugriffsmöglichkeit der Gesellschafter auf das Verbandsvermögen
d) Gewinnermittlung, Gewinnverwendung sowie mehrheitliche Thesaurierung als Ausdruck der getrennten Vermögensverbindungen
e) Zwischenergebnis
3. Insolvenzschuldnerschaft des Personenverbandes und Vermögenssonderung
a) Insolvenzrechtliches Haftungsvermögen und Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens
aa) Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens ungeachtet normativ angelegter Freigabemöglichkeit
bb) Von der Stellung des Insolvenzverwalters unabhängige Funktion zur Drittliquidation
cc) Insolvenzrechtliche Verwirklichung der Vermögenshaftung
b) Insolvenzrechtliche Vermögenssonderung
aa) Beschränkte Reichweite des Insolvenzbeschlags auf das Schuldnervermögens
bb) Liquidationsrechtliche Verlustdeckungsansprüche als Teil der Insolvenzmasse
cc) Keine Einstandspflicht der Gesellschafter gemäß § 128 HGB für Masseverbindlichkeiten und Verfahrenskosten des Insolvenzverfahrens
dd) Erfordernis rechnerischer Vermögenssonderung
III. Zwischenergebnis
B. Begründung einer Verbindlichkeit des Personenverbandes im Sinne von § 128 HGB
I. Willensbildung und Handeln des Personenverbandes
1. Innere Willensbildung des Personenverbandes durch Gesellschafterbeschluss sowie dessen originäres Willensbildungsorgan der Gesellschafterversammlung
2. Eigenhandeln der Gesellschaft und das Kompetenzgefüge der Organe
II. Das schuldrechtliche Rechtsverhältnis des Personenverbandes zu seinen Gläubigern
1. Die ein Schuldverhältnis im engeren Sinne prägende Verbindlichkeit
2. Schuldrechtliche Relativität der Leistungspflichten
a) Die vermögensorientierte Verbindlichkeit als konstituierendes Element des Schuldverhältnisses
b) Relativität schuldrechtlicher Leistungsverpflichtungen
aa) Rechtsbeziehungen in Mehrpersonenverhältnissen
(1) Gesetzliche Anerkennung von mehreren Rechtssubjekten in einer Gläubigerstellung
(2) Aus der Haftungsfunktion des Schuldnervermögens folgende Unzulässigkeit echter Schuldnermehrheiten
(3) Zwischenergebnis
bb) Synallagma gegenseitig verpflichtender Schuldverhältnisse als normativer Ausdruck vermögensausgleichender Äquivalenzverhältnisse
3. Auf den Schuldner beschränkte Vermögensberechtigung
4. Zwischenergebnis
III. Repräsentationshaftung von Verbänden für ihr organvermitteltes Eigenhandeln
1. Eigenhandeln des Verbandes durch organschaftliches Verhalten
2. Keine Anwendung des § 278 BGB auf Organhandeln
3. Eingeschränkter Vorrang der Vertretungsordnung
4. Deliktische Eigenhaftung des handelnden Organwalters neben dem organschaftlich vermittelten Verbandshandeln
IV. Zwischenergebnis
C. Haftung der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit des Personenverbandes
I. Tatbestandselement und Rechtswirkung
II. Schuld und Vermögenshaftung
1. Vermögensrechtliche Haftung durch funktionale Gläubigerbeteiligung am Schuldnervermögen
2. Verfahrensmäßige Einbettung der Haftung in Einzelund Gesamtvollstreckung
3. Das haftungsrechtlich in Bezug genommene Schuldner-Aktivvermögen
4. Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung
a) Schuldrechtlicher Normalfall gesellschaftsrechtlicher „Haftungsbeschränkungen“
b) Durchbrechung des Grundsatzes unbeschränkter Vermögenshaftung kraft echter Sondervermögen
5. Rechtfertigungsbedürftigkeit der Inanspruchnahme schuldnerfremder Vermögensverbindungen
6. Verteilung von Insolvenzrisiken
7. „Haftung“ der Gesellschafter führt zu funktionaler Beteiligung der Gesellschaftsgläubiger an schuldnerfremdem Vermögen
III. Gesetzlicher Istzustand materieller Außenhaftung
IV. Unterschiede zu privatrechts-typischen gesetzlichen Schuldverhältnissen
V. Beschränkte Reichweite privatautonomer Rechtfertigung der Gesellschafterhaftung
1. Gläubigerseitige, privatautonome Berücksichtigung des § 128 HGB bei Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit
2. Reichweite privatautonomer Inbezugnahme des § 128 HGB im Rahmen der Verbandsbeteiligung
VI. Verhältnis von Haftung und Nachschusspflichten
VII. Akzessorietät der Haftung im Personenverband
1. Einseitige Wirkungsweise der akzessorischen Gesellschafterhaftung
2. Keine Gesamtschuld zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern
3. Modellcharakter des § 110 HGB steht einem Totalregress des akzessorisch haftenden Gesellschafters entgegen
4. Erlöschen der Gesellschaftsverbindlichkeit
VIII. Zwischenergebnis
D. Annahmen über die von § 128 HGB betroffenen bzw. angeordneten Rechtsverhältnisse
E. Arbeitshypothese für die weitere Untersuchung
§ 3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung einer primären Gesellschafterhaftung
A. Die Annahme primärer, inhaltsgleicher Einstandspflicht der Gesellschafter
I. Normverständnis der herrschenden Meinung
II. Entwicklung des Haftungsregimes nach § 128 HGB mit Blick auf eine primäre Einstandspflicht
III. Inhalt der Gesellschafterhaftung
1. Meinungsspektrum zum Inhalt der Gesellschafterhaftung
2. Bewertung des Meinungsstreits: Vernachlässigung der rechtlichen Entwicklungen hinsichtlich der Rechtsnatur von Personenverbänden
3. Zwischenergebnis
IV. Einstandspflicht für vertragliche und gesetzliche, einschließlich deliktischer Verbindlichkeiten
B. Unzureichend legitimierter Haftungsumfang einer primären Erfüllungshaftung nach § 128 HGB
I. Rechtsfähigkeit von Personenverbänden als normative Hürde eines vorrechtlichen Grundsatzes der unbeschränkten Gesellschafterhaftung nach dem Ansatz „keine Herrschaft ohne Haftung“
II. Sinn und Zweck der persönlichen Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB
1. Konkretisierung des von § 128 HGB verfolgten Gläubigerschutzes
a) Kapitalersatzfunktion durch die Erhaltung des Haftungsvolumens
b) „Weicher“ Kapitalschutz im Personenverband
c) Berücksichtigung der Gläubigerinteressen durch das personenhandelsgesellschaftsrechtliche Liquidationsrecht
aa) Rechtsstellung der Gläubiger während des Liquidationsstadiums
bb) Aufrechterhaltung der verbandsrechtlichen Vermögenstrennung während des Liquidationsverfahrens
cc) Zwingendes Gesellschaftsvermögen bei noch nicht getilgten Verbindlichkeiten steht Vollabwicklung des Verbandes entgegen
dd) Zwischenergebnis: Kein spezifisch liquidationsrechtliches Gläubigerschutzdefizit
ee) Auswirkungen der Liquidationsbefangenheit auf die Vermögenszuordnung
d) Annahme einer Erfüllungsfunktion der Gesellschafterhaftung
aa) Schutzwürdigkeit von Gläubigererfüllungsinteressen
(1) Befriedigung des Erfüllungsinteresses bei Vermögensverbindlichkeiten
(2) Schuldrechtliches Nichterfüllungsrisiko bei Nichtvermögensverbindlichkeiten
bb) Das Verhältnis eines Gläubigererfüllungsinteresses zu der durch § 128 HGB gesteuerten Verteilung der Regressrisiken
cc) Zusammenhang von Erfüllungshaftung und Akzessorietät
(1) Gewährleistung der Durchsetzungsakzessorietät durch § 129 Abs. 1 bis 3 HGB
(2) Durchbrechung der Durchsetzungsakzessorietät
(3) Wechselwirkung von materieller Akzessorietät nach § 128 HGB und Durchsetzungsakzessorietät nach § 129 HGB
dd) Vollstreckungsrechtliche Fortwirkung der Vermögenstrennung
ee) Zusammenfassung: Keine aus dem Normzweck folgende Erfüllungsfunktion
2. Kreditwürdigkeit von Personengesellschaften
3. Zusätzliche aus der Rechtsnatur des Personenverbandes folgende Argumente zur Bestimmung des Regelungszwecks von § 128 HGB
4. Präventive Verhaltenskontrolle durch mittelbare Außenhaftung
5. Haftungsrechtlicher Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung
III. Am Nutzen orientierte Konkretisierung des normativ angelegten Gleichlaufs von Haftung und Herrschaft
1. Einschränkung der Gesellschafterhaftung angesichts des Grundsatzes „keine Haftung ohne Herrschaft“ unter dem Regime der InsO
a) Haftungsbeschränkung gegenüber Masseverbindlichkeiten
b) Haftungsbeschränkungen außerhalb des Regelverfahrens
c) Kompensation der Haftungsbeschränkung durch die Haftung des Insolvenzverwalters
2. Am Nutzen orientiertes Zusammenspiel von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung
a) Interessenwahrnehmung durch den insolvenzrechtlichen Drittliquidator
b) Keine eigennützige Ausübung von Herrschaft der Gesellschafter im Eigeninteresse
c) Teleologische Reduktion des § 735 BGB hinsichtlich Masseverbindlichkeiten
d) Zwischenergebnis
IV. Stellung der personengesellschaftsrechtlichen Haftungsverfassung im System des verbandsrechtlichen Gläubigerschutzes
1. Trennungsprinzip in der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
2. Kapitalgesellschaftsrechtliches System materieller Innenhaftung und verbandsrechtliche Auffangfunktion des § 128 HGB
3. Überschießende Anhäufung von Kapitalschutzvorschriften und Gesellschafterhaftung im Rahmen des Konzernrechts
4. Umwandlungsrechtlicher Einzelfallausgleich von Schäden identitätswahrender Rechtsnachfolge
C. Zwischenergebnis
I. Schuldrechtliche Wertungskonflikte im Rahmen von § 128 HGB
II. Keine Notwendigkeit primärer Einstandspflicht im Personenverband
Kapitel 2: Einstandspflicht gemäß § 128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung (Gesellschafter-Exithaftung)
§ 4 Auslegung des § 128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung für Verbindlichkeiten des Personenverbandes
A. Der Gläubigergesamtheit verpflichtete Haftungsanordnung des § 128 HGB
I. Tatbestandliche Orientierungspunkte im Rahmen einer die Gläubigergesamtheit schützenden Unterdeckungshaftung
II. Überwindung des artikulierten Willens des historischen Gesetzgebers kraft dogmatischer Weiterentwicklung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft
III. Prägung der Gesellschafterhaftung durch den die Gläubigergesamtheit vor verbandsspezifischen Gefahren schützenden Regelungszweck von § 128 HGB
1. Hinreichende Kreditwürdigkeit bei Vollwertigkeitsgarantie für das Haftungsvolumen
2. Sozietätsvermittelte Vermögensbindung
3. Faktische insolvenzrechtliche Vorwirkungen der Gesellschafterhaftung
B. Anbindung der Gesellschafter-Exithaftung an die gesellschaftsrechtliche Systematik
C. Gesetzesübergreifende Legitimation der Gesellschafter-Exithaftung
I. Bürgerlich-rechtliche Rahmenbedingungen
II. Abgrenzung der Gesellschafter-Exithaftung zum kapitalschützenden Institut der Existenzvernichtungshaftung
III. Teilweiser Vollzug des Paradigmenwechsels durch die InsO
1. Verhältnis von Gesellschafts- und Insolvenzrecht im Rahmen (besonderer) Liquidation
2. Haftungsrechtlicher Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung
3. Vermögenszuordnung und Haftungsverwirklichung im eröffneten Insolvenzverfahren
a) Stichtagsbezogene Beschränkung der Einstandspflicht auf Altverbindlichkeiten
b) Aus der Ermächtigungswirkung folgende relative Gläubigergleichbehandlung
IV. Materielle Innenhaftung im Recht der Kapitalgesellschaften
§ 5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung
A. Haftungsvolumen: Gläubigerschutz durch Vollwertigkeitsgarantie
B. Haftungsrichtung: In ein dem Interesse der Gläubigergesamtheit verpflichtetes Innenverhältnis verlagerte materielle Außenhaftung
C. Stichtagsbezogene Haftungsfälligkeit
D. Liquidationsrechtliche Umwandlung des insolventen Personenverbandes in eine Abwicklungsgesellschaft sui generis („haftungsbeschränkt“)
E. Haftungsinhalt: Unterdeckungsausgleich in Geld
F. Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Gesellschafter
Kapitel 3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung
§ 6 Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung im werbenden Stadium des Personenverbandes
A. Aktualisierung des Haftungs-Istzustandes bei originärer sowie abgeleiteter Mitgliedschaft
B. Nach- und Enthaftung bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus werbender Gesellschaft
C. Gesellschaftsrechtliche Auflösung und Liquidation
§ 7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft
A. Haftungsabwicklung im eröffneten Insolvenzverfahren
I. Unerheblichkeit begleitender Verfahrensziele sowie der „Person“ des Drittliquidators
II. Auswirkungen der Gesellschafter-Exithaftung auf die insolvenzrechtliche Haftungsverwirklichung
1. Reichweite der Sperrwirkung des § 93 InsO
2. Auf den Unterdeckungsbetrag angemeldeter Forderungen beschränkte Ermächtigungswirkung
3. Auf das insolvenzrechtliche Planverfahren beschränkte materielle Befriedungsfunktion
a) Aus der Anmeldeobliegenheit folgende Relativität der Stellung als Gesellschafterhaftungsgläubiger sowie deren Überwindung durch den Insolvenzplan
b) Bekanntmachungspflicht analog §§ 50, 51 BGB und Befriedungsfunktion des Planverfahrens
4. Unzulässigkeit der Freigabe von Haftungsforderungen an Gläubiger
III. Zwischenergebnis
B. Liquiditätsorientierte Verfahrenseröffnung
C. Die Abschlussentscheidung des Eröffnungsverfahrens als Weichenstellung für das anzuwendende Liquidationsregime
D. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse bzw. Einstellung des Verfahrens mangels Masse
I. Genese von §§ 26, 207 sowie § 93 InsO
II. Abhängigkeit der Verfahrenseröffnung von der „Kostenmasse“-Deckung
1. Vermögensbezogene Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung
2. Rechtspolitisches Bestreben einer Einbeziehung der Gesellschafterhaftung zur „Überwindung von Massearmut“
a) Keine Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB für Kosten des Insolvenzverfahrens
b) Keine Beleihung der Gesellschafterhaftung zum Zwecke der vorläufigen Verfahrenskostendeckung
c) Keine rechtliche „Überwindung von Massearmut“ unter Einbeziehung der Gesellschafterhaftung
d) Faktische Bereicherung der Masse durch die Gesellschafterhaftung
III. Rechtsfolge der Überleitung in das masselose Liquidationsverfahren
1. Gläubigergleichbehandlung im Stadium masseloser Liquidation
2. Dem Regelungszweck des § 128 HGB immanente Sperr- und Ermächtigungswirkung
3. Im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit durchzuführende Haftungsverwirklichung durch einen Drittliquidator
4. Haftung der (Dritt-)Liquidatoren
5. Problematik fehlender organisierter Gläubigerbeteiligung
IV. Zusammenfassung
E. Verfahrenskostenvorschuss nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 InsO zur Aktivierung insolvenzrechtlicher Befugnisse
I. Gläubigervorschussberechtigung zur Aktivierung der insolvenzrechtlichen Befugnisse zwecks Masseanreicherung
II. Kein Bedürfnis personengesellschaftsrechtlicher Vorschusspflicht
F. Gesellschaftsrechtliche Nachtragsliquidation nach Abschluss des Insolvenzverfahrens
G. Primärhaftung der Gesellschafter im Interesse der Gläubigergesamtheit bei mitgliedschaftlichem Missbrauch der Vermögenstrennung
H. Gewährleistung des Gläubigerschutzes hinsichtlich verschiedener Gläubigergruppen im Rahmen von parallel verlaufenden Insolvenzverfahren
I. Verfahrenseingebettete Berücksichtigung der unterschiedlichen Gläubigerinteressen unter insolvenzrechtlichem Regelungsregime
II. Masselose Liquidation
I. Teleologische Einschränkung von § 110 HGB im Hinblick auf den Gesellschafterregress
I. Nichtanwendung von § 110 HGB im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens
II. Beschränkung des Gesellschafterregresses auf kontenmäßigen Innenausgleich im Rahmen der liquidationsrechtlichen Schlussabrechnung
III. Inanspruchnahme ausgeschiedener Gesellschafter
§ 8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung
A. Ausschließliche Prozessführungsbefugnis des im Gläubigerinteresse agierenden Drittliquidators
I. Variable Streitgegenstandsbestimmung der dynamischen Unterdeckungsausfallhaftung
II. Antragsformulierung
III. Keine prozessualen Gläubigerbeteiligungsrechte
IV. Gewandelter Anwendungsbereich des § 736 ZPO als Folge der Rechtssubjektivität von Personenverbänden
B. Erscheinungsformen der Einwendungspräklusion entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO bei Annahme einer Gesellschafter-Exithaftung
I. Auf die der Unterdeckung zugrundeliegenden Einzelverbindlichkeiten bezogene Gesellschaftseinwendungen
1. Gesellschaftereinwendungsausschluss im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens
a) Einem Ausscheiden entsprechendes Informationsdefizit der Gesellschafter im Rahmen des Insolvenzverfahrens
b) Einwirkungsmöglichkeit der Gesellschafter im Forderungsfeststellungsverfahren entsprechend § 178 Abs. 2 InsO
2. Einwendungspräklusion im Rahmen masseloser Liquidation
II. Beurteilung persönlicher Einzeleinwendungen im Rahmen der dem Interesse der Gläubigergesamtheit verpflichteten Unterdeckungshaftung
III. Berücksichtigung von Gestaltungsrechten im Rahmen der Unterdeckungsermittlung
§ 9 Gesellschafter-Exithaftung und Gesellschaftersicherheiten
A. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens
I. Keine Erstreckung des § 93 InsO auf Gesellschaftersicherheiten bei isolierter Gesellschaftsinsolvenz
II. Verfahrensmäßige Behandlung von Gesellschaftersicherheiten im Rahmen paralleler Insolvenzen
1. Personengesellschaftliches Problem der sog. Doppelberücksichtigung
2. Die Gesellschafter-Exithaftung im Gemenge der vertretenen Lösungsmodelle: Unzulässigkeit der Vollanmeldung einer Haftungsforderung im Gesellschafterinsolvenzverfahren
3. Bestimmung der Unterdeckung vor dem Hintergrund der §§ 43, 44 InsO
a) Keine bloß relative Unterdeckungsberechnung
b) Keine notwendige Ergebniskorrektur anhand von § 44 InsO
aa) Regelungszweck des § 44 InsO erfordert wirtschaftliche Identität
bb) Konsequenzen bei Annahme einer Ausschlusswirkung der Anmeldung einer Parallelsicherheit im Gesellschafterinsolvenzverfahren
cc) Keine verfahrensrelevante Doppelanmeldung bei konsequenter Beachtung der Vermögenstrennung sowie der privatautonomen Haftungsunterwerfung
4. Zwischenergebnis
B. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen masseloser Liquidation
Schluss
§ 10 Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Sachregister
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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band  250

Daniel Könen

Gesellschafter-Exithaftung im Personenverband Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

Mohr Siebeck

Daniel Könen, geboren 1985; Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Köln und Kopenhagen; 2010 erste juristische Staatsprüfung; Wiss. Mitarbeiter am Institut für das Recht der Europäischen Union der Universität zu Köln; 2012 Master des Wirtschaftsrechts; 2013 Promotion; Rechtsreferendariat am LG Köln; 2015 zweite juristische Staatsprüfung; Wiss. Mitarbeiter am Institut für Europäisches Wirtschaftsrecht; seit 2017 Akademischer Rat a.Z.; 2021 Habilitation. orcid.org/0000-0002-4351-0380

ISBN  978-3-16-160639-7 / eISBN  978-3-16-160640-3 DOI 10.1628/978-3-16-160640-3 ISSN  0940-9610 / eISSN  2568-8472 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio­ nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Stempel Garamond gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/21 von der Juristischen Fakultät der Universität zu Köln als Habilitationsschrift angenommen. Das Manuskript ist im Oktober 2020 abgeschlossen worden. Für die Veröffentlichung wurden Schrifttum und Rechtsprechung auf den Stand von Februar 2021 gebracht sowie der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) vom 20. Januar 2021 eingearbeitet. Dieser geht – ebenso wie die ganz herrschende Meinung – von der Prämisse aus, dass es im Recht der Personenverbände in Ermangelung von Kapitalsicherungsvorschriften einer Primärhaftung der Gesellschafter bedürfe, um einen erwünschten Gleichlauf von Herrschaft und Haftung herzustellen. Mit der dogmatischen Weiterentwicklung der Rechtsnatur von Personenaußengesellschaften führt dieser gedankliche Ansatz zu schuld- und haftungsrechtlichen Konflikten, indem den Gläubigern eine schuldnerfremde Vermögensverbindung haftungsrechtlich zugewiesen wird – dies erfolgt allerdings überschießend zulasten der Gesellschafter. Ziel der Untersuchung ist eine rechtsformüber­ greifende und widerspruchsfreie Neubewertung des von Verbänden im Rechtsverkehr zu gewährleistenden Gläubigerschutzes. Mit der Gesellschafter-Exithaftung wird ein Haftungsmodell entwickelt, mit dem Wertungswidersprüche in allen Lebenszyklen des Personenverbandes von der Gründung bis zur Liquidation vermieden werden können. Mein herzlicher Dank gilt meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Ulrich ­Ehricke, LL.M. (London), M.A., der mich seit meiner Promotion für die Wissenschaft begeistert hat und mir stets als verlässlicher Ratgeber zur Seite stand, sowie Prof. Dr. Martin Henssler für die freundliche und engagierte Übernahme des Zweitgutachtens sowie die wissenschaftliche Begleitung. Den Mitgliedern der Kölner Fakultät sowie den Mitarbeiterinnen und Mit­ arbeitern des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht danke ich für die freundliche und kompetente Unterstützung sowie die ständige Hilfsbereitschaft. Danken möchte ich schließlich meiner Familie, die mir während der Erstellung der Arbeit ein steter Rückhalt und inhaltlicher Ansprechpartner war. Köln, im Februar 2021

Daniel Könen

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 1 A. Anlass der Untersuchung und Verhältnis zu den geplanten Neuerungen durch das MoPeG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 C. Gang und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 21

Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 §  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB . 25 A. Vermögenstrennung im Personenverband . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Begründung einer Verbindlichkeit des Personenverbandes im Sinne von §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 C. Haftung der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit des Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 D. Annahmen über die von §  128 HGB betroffenen bzw. angeordneten Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 E. Arbeitshypothese für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . 225 §  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung einer primären ­ esellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 G A. Die Annahme primärer, inhaltsgleicher Einstandspflicht der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 B. Unzureichend legitimierter Haftungsumfang einer primären ­Erfüllungshaftung nach §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

VIII

Inhaltsübersicht

Kapitel  2: Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidations­ bezogene Ausfallhaftung (Gesellschafter-Exithaftung) . . . . . 357 §  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung für Verbindlichkeiten des Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . 357 A. Der Gläubigergesamtheit verpflichtete Haftungsanordnung des §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 B. Anbindung der Gesellschafter-Exithaftung an die gesellschaftsrechtliche Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 C. Gesetzesübergreifende Legitimation der Gesellschafter-Exithaftung 371 §  5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung . . . . . . . . . . . . 382 A. Haftungsvolumen: Gläubigerschutz durch Vollwertigkeitsgarantie . 383 B. Haftungsrichtung: In ein dem Interesse der Gläubigergesamtheit ­verpflichtetes Innenverhältnis verlagerte materielle Außenhaftung . 383 C. Stichtagsbezogene Haftungsfälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 D. Liquidationsrechtliche Umwandlung des insolventen Personenverbandes in eine Abwicklungsgesellschaft sui generis („haftungsbeschränkt“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 E. Haftungsinhalt: Unterdeckungsausgleich in Geld . . . . . . . . . . 388 F. Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Gesellschafter . . . . 390

Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung . . 391 §  6 Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung im werbenden Stadium des Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 A. Aktualisierung des Haftungs-Istzustandes bei originärer sowie abgeleiteter Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 B. Nach- und Enthaftung bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus ­werbender Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 C. Gesellschaftsrechtliche Auflösung und Liquidation . . . . . . . . . 394 §  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 A. Haftungsabwicklung im eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . 396 B. Liquiditätsorientierte Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . 410 C. Die Abschlussentscheidung des Eröffnungsverfahrens als Weichenstellung für das anzuwendende Liquidationsregime . . . . 415 D. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse bzw. Einstellung des Verfahrens mangels Masse . . 416 E. Verfahrenskostenvorschuss nach §  26 Abs.  1 Satz  2 Hs.  1 InsO zur Aktivierung insolvenzrechtlicher Befugnisse . . . . . . . . . . . 440

Inhaltsübersicht

IX

F. Gesellschaftsrechtliche Nachtragsliquidation nach Abschluss des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 G. Primärhaftung der Gesellschafter im Interesse der Gläubigergesamtheit bei mitgliedschaftlichem Missbrauch der Vermögenstrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 H. Gewährleistung des Gläubigerschutzes hinsichtlich verschiedener ­Gläubigergruppen im Rahmen von parallel verlaufenden Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 I. Teleologische Einschränkung von §  110 HGB im Hinblick auf den Gesellschafterregress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 §  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 A. Ausschließliche Prozessführungsbefugnis des im Gläubigerinteresse agierenden Drittliquidators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 B. Erscheinungsformen der Einwendungspräklusion entsprechend §  767 Abs.  2 ZPO bei Annahme einer Gesellschafter-Exithaftung . 461 §  9 Gesellschafter-Exithaftung und Gesellschaftersicherheiten . . . . . . 475 A. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 B. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen masseloser Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 §  10 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 1 A. Anlass der Untersuchung und Verhältnis zu den geplanten Neuerungen durch das MoPeG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Gläubigerschutzkonzept der persönlichen Haftung . . . . . . 4 1. Kapitalersatzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Gläubigerbenachteiligung durch Rechtsverfolgungskosten 6 3. Kreditwürdigkeit der Gesellschaft und Erfüllungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Folgen der Gesellschafterinanspruchnahme . . . . . . . . . . . 11 III. Privilegierung von Gesellschaftsgläubigern auf Kosten der Gesellschafterinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Zusammenziehen von Vermögensverbindungen zu einheitlicher Haftungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Wirtschaftliche Schlechterstellung des Gesellschafters im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 IV. Ansatz: Einschränkung vom Grundsatz „wer herrscht, der haftet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Gang und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 21

Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 §  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB . 25 A. Vermögenstrennung im Personenverband . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft am Beispiel der oHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

XII

Inhaltsverzeichnis

1. Traditionelle Gesamthandslehre: Gesamthandsvermögen als Sondervermögen der Gesamthänder . . . . . . . . . . . 30 2. Vermögensträgerschaft der Gesamthands-­ Personenaußengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Verbandsrechtliche Rechtssubjektivität der Gesamthands­Personenaußengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. Konstituierender Verbandszweck und gleichartige Struktur der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5. Verbleibende „strukturelle“ Unterschiede zu verbandsrechtlichen juristischen Personen . . . . . . . . . . 48 a) Personengesellschaftsrechtliches Sozietätsmodell . . . . 49 aa) Problematik der alleinigen Eigenbeteiligung des Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bb) Normative Beschränkungen durch das Sozietätsmodell 51 cc) Sozietätsfundament der Personenaußengesellschaft . 52 dd) Sonderzuordnung von Mitgliedschaften . . . . . . . 55 ee) Keine Auswirkungen des Sozietätsmodells auf die verbandsrechtliche Mitgliedschaft . . . . . . 59 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Vorinsolvenzlicher Kapitalschutz durch realstrukturelle ­Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung . . . . . . . 61 aa) Unzulässigkeit mitgliedschaftlicher Beteiligung des Personenverbandes am eigenen Vermögen . . . . 61 bb) Verfestigung der Vermögenstrennung durch ein notwendig kollektives Gesellschaftsinteresse . . . . 64 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Firmen- und registerrechtliche Verfestigung der Vermögenstrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Sonstige Organisationsunterschiede als bloße Frage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses . . . . . . . . . . . 67 aa) Einheitliche verbandsrechtliche Organisationsverfassung 68 bb) Fortwirkung der Sozietätskonstruktion im Prinzip der Selbstorganschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 cc) Normative Verankerung der Sozietätskonstruktion im Prinzip der Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . 71 dd) Rechtfertigungsbedürfnis jeglicher ­Verbandshaftungsverfassung . . . . . . . . . . . . . 72 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 6. Abgrenzung der verbandsrechtlichen Gesamthand zu anderen Personenmehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 76 7. Zwingender Zusammenhang zwischen der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft und einem Gesellschaftsvermögen . . . . 78

Inhaltsverzeichnis

II.

XIII

8. Volkswirtschaftlicher Vorteil der Vermögenstrennung . . . 81 9. Zusammenfassende Thesen zur Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Wirkungen der Vermögenstrennung im Personenverband . . . 84 1. Folgen der Vermögensträgerschaft des Personenverbandes . 85 2. Beziehung der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen 86 a) Gesellschaftsanteil, Vermögensanteil im Sinne ­mitgliedschaftlicher Wertbeteiligung und Kapitalanteil . 87 aa) Die mitgliedschaftlich vermittelte, rechtliche ­Wertbeteiligung am Gesellschaftsvermögen . . . . . 88 (1) Bildung des Vermögensanteils durch Einlagenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (2) Wertmäßiger Anteil am Gesellschaftsvermögen . 92 bb) Innenrechtliche Abbildung der mitgliedschaftlichen ­Wertbeteiligung durch die Bilanzziffer Kapitalanteil 94 b) Bilanzielle Abbildung der materiellen Rechtslage durch das Drei-Konten-Modell . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Vermögenstrennung und abweichende Interessen aufgrund eingeschränkter Zugriffsmöglichkeit der Gesellschafter auf das Verbandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Gewinnermittlung, Gewinnverwendung sowie ­ mehrheitliche Thesaurierung als Ausdruck der getrennten Vermögensverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Insolvenzschuldnerschaft des Personenverbandes und ­Vermögenssonderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Insolvenzrechtliches Haftungsvermögen und ­Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens . . . . . 122 aa) Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens ungeachtet normativ angelegter Freigabemöglichkeit 124 bb) Von der Stellung des Insolvenzverwalters unabhängige Funktion zur Drittliquidation . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Insolvenzrechtliche Verwirklichung der Vermögenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Insolvenzrechtliche Vermögenssonderung . . . . . . . . 133 aa) Beschränkte Reichweite des Insolvenzbeschlags auf das Schuldnervermögens . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Liquidationsrechtliche Verlustdeckungsansprüche als Teil der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . 136 cc) Keine Einstandspflicht der Gesellschafter gemäß §  128 HGB für Masseverbindlichkeiten und ­Verfahrenskosten des Insolvenzverfahrens . . . . . . 142

XIV

Inhaltsverzeichnis

dd) Erfordernis rechnerischer Vermögenssonderung . . 145 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 B. Begründung einer Verbindlichkeit des Personenverbandes im Sinne von §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Willensbildung und Handeln des Personenverbandes . . . . . 149 1. Innere Willensbildung des Personenverbandes durch ­Gesellschafterbeschluss sowie dessen originäres ­Willensbildungsorgan der Gesellschafterversammlung . . . 149 2. Eigenhandeln der Gesellschaft und das Kompetenzgefüge der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Das schuldrechtliche Rechtsverhältnis des Personenverbandes zu seinen Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Die ein Schuldverhältnis im engeren Sinne prägende Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Schuldrechtliche Relativität der Leistungspflichten . . . . . 159 a) Die vermögensorientierte Verbindlichkeit als konstituierendes Element des Schuldverhältnisses . . . . 159 b) Relativität schuldrechtlicher Leistungsverpflichtungen . 161 aa) Rechtsbeziehungen in Mehrpersonenverhältnissen . 162 (1) Gesetzliche Anerkennung von mehreren Rechtssubjekten in einer Gläubigerstellung . . . 163 (2) Aus der Haftungsfunktion des Schuldnervermögens folgende Unzulässigkeit echter Schuldnermehrheiten . . . . . . . . . . . . 165 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Synallagma gegenseitig verpflichtender Schuldverhältnisse als normativer Ausdruck ­vermögensausgleichender Äquivalenzverhältnisse . 172 3. Auf den Schuldner beschränkte Vermögensberechtigung . 174 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 III. Repräsentationshaftung von Verbänden für ihr organvermitteltes Eigenhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Eigenhandeln des Verbandes durch organschaftliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Keine Anwendung des §  278 BGB auf Organhandeln . . . . 181 3. Eingeschränkter Vorrang der Vertretungsordnung . . . . . 182 4. Deliktische Eigenhaftung des handelnden Organwalters neben dem organschaftlich vermittelten Verbandshandeln . 184 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 C. Haftung der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit des Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Tatbestandselement und Rechtswirkung . . . . . . . . . . . . 187

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II.

XV

Schuld und Vermögenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Vermögensrechtliche Haftung durch funktionale ­Gläubigerbeteiligung am Schuldnervermögen . . . . . . . . 188 2. Verfahrensmäßige Einbettung der Haftung in Einzelund Gesamtvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Das haftungsrechtlich in Bezug genommene Schuldner-­ Aktivvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung . . . . . . . 195 a) Schuldrechtlicher Normalfall gesellschaftsrechtlicher „Haftungsbeschränkungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Durchbrechung des Grundsatzes unbeschränkter ­Vermögenshaftung kraft echter Sondervermögen . . . . 197 5. Rechtfertigungsbedürftigkeit der Inanspruchnahme schuldnerfremder Vermögensverbindungen . . . . . . . . . 199 6. Verteilung von Insolvenzrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . 200 7. „Haftung“ der Gesellschafter führt zu funktionaler Beteiligung der Gesellschaftsgläubiger an schuldnerfremdem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Gesetzlicher Istzustand materieller Außenhaftung . . . . . . . 204 IV. Unterschiede zu privatrechts-typischen gesetzlichen Schuldverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 V. Beschränkte Reichweite privatautonomer Rechtfertigung der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Gläubigerseitige, privatautonome Berücksichtigung des §  128 HGB bei Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit 211 2. Reichweite privatautonomer Inbezugnahme des §  128 HGB im Rahmen der Verbandsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . 212 VI. Verhältnis von Haftung und Nachschusspflichten . . . . . . . 214 VII. Akzessorietät der Haftung im Personenverband . . . . . . . . 216 1. Einseitige Wirkungsweise der akzessorischen ­Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Keine Gesamtschuld zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3. Modellcharakter des §  110 HGB steht einem Totalregress des akzessorisch haftenden Gesellschafters entgegen . . . . 218 4. Erlöschen der Gesellschaftsverbindlichkeit . . . . . . . . . 220 VIII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 D. Annahmen über die von §  128 HGB betroffenen bzw. angeordneten Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 E. Arbeitshypothese für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . 225

XVI

Inhaltsverzeichnis

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung einer primären ­Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 A. Die Annahme primärer, inhaltsgleicher Einstandspflicht der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I. Normverständnis der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . 229 II. Entwicklung des Haftungsregimes nach §  128 HGB mit Blick auf eine primäre Einstandspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Inhalt der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Meinungsspektrum zum Inhalt der Gesellschafterhaftung . 234 2. Bewertung des Meinungsstreits: Vernachlässigung der rechtlichen Entwicklungen hinsichtlich der Rechtsnatur von Personenverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 IV. Einstandspflicht für vertragliche und gesetzliche, einschließlich deliktischer Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 B. Unzureichend legitimierter Haftungsumfang einer primären ­Erfüllungshaftung nach §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Rechtsfähigkeit von Personenverbänden als normative Hürde eines vorrechtlichen Grundsatzes der unbeschränkten ­Gesellschafterhaftung nach dem Ansatz „keine Herrschaft ohne Haftung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Sinn und Zweck der persönlichen Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Konkretisierung des von §  128 HGB verfolgten Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Kapitalersatzfunktion durch die Erhaltung des Haftungsvolumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) „Weicher“ Kapitalschutz im Personenverband . . . . . . 257 c) Berücksichtigung der Gläubigerinteressen durch das personenhandelsgesellschaftsrechtliche Liquidationsrecht 262 aa) Rechtsstellung der Gläubiger während des Liquidationsstadiums . . . . . . . . . . . . . . . 264 bb) Aufrechterhaltung der verbandsrechtlichen ­Vermögenstrennung während des Liquidationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 cc) Zwingendes Gesellschaftsvermögen bei noch nicht getilgten Verbindlichkeiten steht Vollabwicklung des Verbandes entgegen . . . . . . . . . . . . . . . . 270 dd) Zwischenergebnis: Kein spezifisch liquidationsrechtliches Gläubigerschutzdefizit . . . 277

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XVII

ee) Auswirkungen der Liquidationsbefangenheit auf die Vermögenszuordnung . . . . . . . . . . . . . 280 d) Annahme einer Erfüllungsfunktion der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Schutzwürdigkeit von Gläubigererfüllungsinteressen 284 (1) Befriedigung des Erfüllungsinteresses bei Vermögensverbindlichkeiten . . . . . . . . . 286 (2) Schuldrechtliches Nichterfüllungsrisiko bei Nichtvermögensverbindlichkeiten . . . . . . . 287 bb) Das Verhältnis eines Gläubigererfüllungsinteresses zu der durch §  128 HGB gesteuerten Verteilung der Regressrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 cc) Zusammenhang von Erfüllungshaftung und Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (1) Gewährleistung der Durchsetzungsakzessorietät durch §  129 Abs.  1 bis 3 HGB . . . . . . . . . . . . 291 (2) Durchbrechung der Durchsetzungsakzessorietät 293 (3) Wechselwirkung von materieller Akzessorietät nach §  128 HGB und Durchsetzungsakzessorietät nach §  129 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 dd) Vollstreckungsrechtliche Fortwirkung der Vermögenstrennung . . . . . . . . . . . . . . . . 298 ee) Zusammenfassung: Keine aus dem Normzweck folgende Erfüllungsfunktion . . . . . . . . . . . . . 302 2. Kreditwürdigkeit von Personengesellschaften . . . . . . . . 304 3. Zusätzliche aus der Rechtsnatur des Personenverbandes folgende Argumente zur Bestimmung des Regelungszwecks von §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 4. Präventive Verhaltenskontrolle durch mittelbare Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 5. Haftungsrechtlicher Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 315 III. Am Nutzen orientierte Konkretisierung des normativ angelegten Gleichlaufs von Haftung und Herrschaft . . . . . . 323 1. Einschränkung der Gesellschafterhaftung angesichts des Grundsatzes „keine Haftung ohne Herrschaft“ unter dem Regime der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Haftungsbeschränkung gegenüber Masseverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 b) Haftungsbeschränkungen außerhalb des Regelverfahrens 327 c) Kompensation der Haftungsbeschränkung durch die Haftung des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . 331

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2. Am Nutzen orientiertes Zusammenspiel von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung . . . . . . . . 331 a) Interessenwahrnehmung durch den insolvenzrechtlichen Drittliquidator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Keine eigennützige Ausübung von Herrschaft der Gesellschafter im Eigeninteresse . . . . . . . . . . . . 335 c) Teleologische Reduktion des §  735 BGB hinsichtlich ­Masseverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 IV. Stellung der personengesellschaftsrechtlichen Haftungsverfassung im System des verbandsrechtlichen ­Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Trennungsprinzip in der Unternehmergesellschaft ­(haftungsbeschränkt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Kapitalgesellschaftsrechtliches System materieller Innenhaftung und verbandsrechtliche Auffangfunktion des §  128 HGB . 343 3. Überschießende Anhäufung von Kapitalschutzvorschriften und Gesellschafterhaftung im Rahmen des Konzernrechts 346 4. Umwandlungsrechtlicher Einzelfallausgleich von Schäden ­identitätswahrender Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . 348 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Schuldrechtliche Wertungskonflikte im Rahmen von §  128 HGB 350 II. Keine Notwendigkeit primärer Einstandspflicht im Personenverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

Kapitel  2: Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidations­ bezogene Ausfallhaftung (Gesellschafter-Exithaftung) . . . . . 357 §  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung für Verbindlichkeiten des Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . 357 A. Der Gläubigergesamtheit verpflichtete Haftungsanordnung des §  128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandliche Orientierungspunkte im Rahmen einer die Gläubigergesamtheit schützenden Unterdeckungshaftung II. Überwindung des artikulierten Willens des historischen ­Gesetzgebers kraft dogmatischer Weiterentwicklung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft . . . . . . . . . III. Prägung der Gesellschafterhaftung durch den die Gläubigergesamtheit vor verbandsspezifischen Gefahren ­schützenden Regelungszweck von §  128 HGB . . . . . . . . . 1. Hinreichende Kreditwürdigkeit bei Vollwertigkeitsgarantie für das Haftungsvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Sozietätsvermittelte Vermögensbindung . . . . . . . . . . . 367 3. Faktische insolvenzrechtliche Vorwirkungen der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 B. Anbindung der Gesellschafter-Exithaftung an die gesellschaftsrechtliche Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 C. Gesetzesübergreifende Legitimation der Gesellschafter-Exithaftung 371 I. Bürgerlich-rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 371 II. Abgrenzung der Gesellschafter-Exithaftung zum kapitalschützenden Institut der Existenzvernichtungshaftung 372 III. Teilweiser Vollzug des Paradigmenwechsels durch die InsO . 375 1. Verhältnis von Gesellschafts- und Insolvenzrecht im Rahmen (besonderer) Liquidation . . . . . . . . . . . . . 375 2. Haftungsrechtlicher Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 377 3. Vermögenszuordnung und Haftungsverwirklichung im eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Stichtagsbezogene Beschränkung der Einstandspflicht auf Altverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 b) Aus der Ermächtigungswirkung folgende relative ­Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 IV. Materielle Innenhaftung im Recht der Kapitalgesellschaften . 380 §  5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung . . . . . . . . . . . . 382 A. Haftungsvolumen: Gläubigerschutz durch Vollwertigkeitsgarantie . 383 B. Haftungsrichtung: In ein dem Interesse der Gläubigergesamtheit ­verpflichtetes Innenverhältnis verlagerte materielle Außenhaftung . 383 C. Stichtagsbezogene Haftungsfälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 D. Liquidationsrechtliche Umwandlung des insolventen Personenverbandes in eine Abwicklungsgesellschaft sui generis („haftungsbeschränkt“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 E. Haftungsinhalt: Unterdeckungsausgleich in Geld . . . . . . . . . . 388 F. Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Gesellschafter . . . . 390

Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung . . 391 §  6 Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung im werbenden Stadium des Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 A. Aktualisierung des Haftungs-Istzustandes bei originärer sowie abgeleiteter Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 B. Nach- und Enthaftung bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus ­werbender Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 C. Gesellschaftsrechtliche Auflösung und Liquidation . . . . . . . . . 394

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§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 A. Haftungsabwicklung im eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . 396 I. Unerheblichkeit begleitender Verfahrensziele sowie der „Person“ des Drittliquidators . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 II. Auswirkungen der Gesellschafter-Exithaftung auf die ­insolvenzrechtliche Haftungsverwirklichung . . . . . . . . . . 399 1. Reichweite der Sperrwirkung des §  93 InsO . . . . . . . . . 400 2. Auf den Unterdeckungsbetrag angemeldeter Forderungen beschränkte Ermächtigungswirkung . . . . . . . . . . . . . 402 3. Auf das insolvenzrechtliche Planverfahren beschränkte materielle Befriedungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 404 a) Aus der Anmeldeobliegenheit folgende Relativität der Stellung als Gesellschafterhaftungsgläubiger sowie deren Überwindung durch den Insolvenzplan . . . . . . 404 b) Bekanntmachungspflicht analog §§  50, 51 BGB und ­Befriedungsfunktion des Planverfahrens . . . . . . . . . 406 4. Unzulässigkeit der Freigabe von Haftungsforderungen an Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 B. Liquiditätsorientierte Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . 410 C. Die Abschlussentscheidung des Eröffnungsverfahrens als Weichenstellung für das anzuwendende Liquidationsregime . . . . 415 D. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse bzw. Einstellung des Verfahrens mangels Masse . . 416 I. Genese von §§  26, 207 sowie §  93 InsO . . . . . . . . . . . . . . 417 II. Abhängigkeit der Verfahrenseröffnung von der „Kostenmasse“-Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 1. Vermögensbezogene Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 2. Rechtspolitisches Bestreben einer Einbeziehung der ­Gesellschafterhaftung zur „Überwindung von Massearmut“ 420 a) Keine Haftung der Gesellschafter nach §  128 HGB für Kosten des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . 421 b) Keine Beleihung der Gesellschafterhaftung zum Zwecke der vorläufigen Verfahrenskostendeckung . . . . . . . . 422 c) Keine rechtliche „Überwindung von Massearmut“ unter Einbeziehung der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . 424 d) Faktische Bereicherung der Masse durch die Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

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III. Rechtsfolge der Überleitung in das masselose Liquidationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 1. Gläubigergleichbehandlung im Stadium masseloser Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 2. Dem Regelungszweck des §  128 HGB immanente Sperrund Ermächtigungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 3. Im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit durchzuführende Haftungsverwirklichung durch einen Drittliquidator . . . 431 4. Haftung der (Dritt-)Liquidatoren . . . . . . . . . . . . . . . 434 5. Problematik fehlender organisierter Gläubigerbeteiligung . 437 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 E. Verfahrenskostenvorschuss nach §  26 Abs.  1 Satz  2 Hs.  1 InsO zur Aktivierung insolvenzrechtlicher Befugnisse . . . . . . . . . . . 440 I. Gläubigervorschussberechtigung zur Aktivierung der insolvenzrechtlichen Befugnisse zwecks Masseanreicherung . . . . . . . 440 II. Kein Bedürfnis personengesellschaftsrechtlicher Vorschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 F. Gesellschaftsrechtliche Nachtragsliquidation nach Abschluss des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 G. Primärhaftung der Gesellschafter im Interesse der Gläubigergesamtheit bei mitgliedschaftlichem Missbrauch der Vermögenstrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 H. Gewährleistung des Gläubigerschutzes hinsichtlich verschiedener ­Gläubigergruppen im Rahmen von parallel verlaufenden Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 I. Verfahrenseingebettete Berücksichtigung der unterschiedlichen Gläubigerinteressen unter insolvenzrechtlichem Regelungsregime 447 II. Masselose Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 I. Teleologische Einschränkung von §  110 HGB im Hinblick auf den Gesellschafterregress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 I. Nichtanwendung von §  110 HGB im Rahmen des eröffneten ­Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 II. Beschränkung des Gesellschafterregresses auf kontenmäßigen Innenausgleich im Rahmen der liquidationsrechtlichen ­Schlussabrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 III. Inanspruchnahme ausgeschiedener Gesellschafter . . . . . . . 452 §  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 A. Ausschließliche Prozessführungsbefugnis des im Gläubigerinteresse agierenden Drittliquidators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454

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I.

Variable Streitgegenstandsbestimmung der dynamischen ­Unterdeckungsausfallhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 II. Antragsformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 III. Keine prozessualen Gläubigerbeteiligungsrechte . . . . . . . . 458 IV. Gewandelter Anwendungsbereich des §  736 ZPO als Folge der Rechtssubjektivität von Personenverbänden . . . . . . . . 458 B. Erscheinungsformen der Einwendungspräklusion entsprechend §  767 Abs.  2 ZPO bei Annahme einer Gesellschafter-Exithaftung . 461 I. Auf die der Unterdeckung zugrundeliegenden ­Einzelverbindlichkeiten bezogene Gesellschaftseinwendungen 461 1. Gesellschaftereinwendungsausschluss im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 462 a) Einem Ausscheiden entsprechendes Informationsdefizit der Gesellschafter im Rahmen des Insolvenzverfahrens . 463 b) Einwirkungsmöglichkeit der Gesellschafter im Forderungsfeststellungsverfahren entsprechend §  178 Abs.  2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 2. Einwendungspräklusion im Rahmen masseloser Liquidation 469 II. Beurteilung persönlicher Einzeleinwendungen im Rahmen der dem Interesse der Gläubigergesamtheit verpflichteten ­Unterdeckungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 III. Berücksichtigung von Gestaltungsrechten im Rahmen der Unterdeckungsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 §  9 Gesellschafter-Exithaftung und Gesellschaftersicherheiten . . . . . . 475 A. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 I. Keine Erstreckung des §  93 InsO auf Gesellschaftersicherheiten bei isolierter Gesellschaftsinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . 476 II. Verfahrensmäßige Behandlung von Gesellschaftersicherheiten im Rahmen paralleler Insolvenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 478 1. Personengesellschaftliches Problem der sog. Doppelberücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . 479 2. Die Gesellschafter-Exithaftung im Gemenge der vertretenen Lösungsmodelle: Unzulässigkeit der Vollanmeldung einer ­Haftungsforderung im Gesellschafterinsolvenzverfahren . 481 3. Bestimmung der Unterdeckung vor dem Hintergrund der §§  43, 44 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 a) Keine bloß relative Unterdeckungsberechnung . . . . . . 485 b) Keine notwendige Ergebniskorrektur anhand von §  44 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486

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aa) Regelungszweck des §  44 InsO erfordert wirtschaftliche Identität . . . . . . . . . . . . . . . . 487 bb) Konsequenzen bei Annahme einer Ausschlusswirkung der Anmeldung einer Parallelsicherheit im Gesellschafterinsolvenzverfahren . . . . . . . . . 488 cc) Keine verfahrensrelevante Doppelanmeldung bei ­konsequenter Beachtung der Vermögenstrennung sowie der privatautonomen Haftungsunterwerfung 489 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 B. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen masseloser Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 §  10 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523

Einführung §  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung A. Anlass der Untersuchung und Verhältnis zu den geplanten Neuerungen durch das MoPeG Eine Form der persönlichen Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft findet in §  128 HGB für die offene Handelsgesellschaft (oHG) ihre normative Verankerung. Danach haften die Gesellschafter „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich“. Diese Haftung wird seit langem von der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung im Schrifttum als persönliche, primäre, akzessorische und unmittelbare verstanden.1 Zurückgehend auf den Diskussionsentwurf (sog. Mauracher Entwurf) soll dieses Verständnis nach der Begründung des Regierungsentwurfs für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) auch künftig der    – in den §§  721 BGB-E, 126 HGB-E vorge­ sehenen    – Gesellschafterhaftung zugrunde gelegt werden.2 Diese Annahme wurzelt in dem früheren Verständnis, dass die oHG mit dem ihr zugeordneten Vermögen Teil des Vermögens der Gesellschafter sei, die darüber nur gesamthänderisch verfügen könnten.3 Während der Wortlaut des §  128 HGB unverän1 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  19 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 II 1, S.  1413 f. 2 RegE v. 20.1.2021, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz    – MoPeG), S.  190 f., abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Personengesellschaftsrecht.html (zuletzt abgerufen am 1.2.2021); Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 20.4.2020, S.  115 f., abrufbar unter: https://www.bmjv.de/Shared Docs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf (zuletzt abgerufen am 1.2.­2021); vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, 3; Bachmann, NZG 2020, 612 (612 ff.); Fleischer, DStR 2020, 2137 (2137 ff.); ders., DStR 2021, 430 (436); ­Geibel, ZRP 2020, 137 (137 ff.); Heckschen, NZG 2020, 761 (761 ff.); ders., GWR 2021, 1 (2 ff.); M. Noack, NZG 2020, 581 (581 ff.); Punte/Klemens/Sambulski, ZIP 2020, 1230 (1230 ff.); C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1149 ff.); Schall, ZIP 2020, 1443 (1443 ff.); K. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16 (38 ff.); Schollmeyer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2020; juris-Rn.  3 ff.; Storz, GWR 2020, 257 (257 ff.); Wertenbruch, GmbHR 2021, 1 (6); ders., in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881; kritisch, Altmeppen, ZIP 2021, 213 (219). 3  Zur traditionellen Gesamthandslehre, H. Buchner, AcP 169 (1969), 483 (488, 496, 499,

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dert geblieben ist, hat sich das Verständnis in Bezug auf die Zuordnung des Vermögens der oHG gewandelt. Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Personenaußengesellschaften    – wie sie in der nunmehr vorherrschenden Gesamthandslehre im Sinne der modernen Gruppenlehre zum Ausdruck kommt4  – ging das Verständnis einher, dass die Gesellschaft Trägerin eines eigenen, vom Vermögen ihrer Gesellschafter getrennten, Vermögens ist. Dieses Vermögen unterliegt dem schuldrechtlich vermittelten Haftungszugriff der Gesellschaftsgläubiger, während §  128 HGB eine Zugriffsmöglichkeit auf die Privatvermögen der Gesellschafter eröffnet. Anknüpfend an die damit einhergehende getrennte Zuordnung, „ein Rechtssubjekt    – ein Vermögen“, gibt es sodann jeweils ein gesondertes Insolvenzverfahren mit jeweils einer dem gemeinschaftlichen Haftungszugriff der Gläubiger zugewiesenen, klar abgegrenzten Insolvenzmasse.5 In dieser begrifflichen Verwendung des Vermögens als Haftungsobjekt eines schuldrechtlich verpflichteten Subjekts liegt bereits eine wertende Zuordnung des „Vermögens“    – als Gesamtheit aller Vermögensbestandteile    – zu einem Rechtssubjekt. Vor allem zum Zwecke der rechtlichen sowie terminologischen Abgrenzung zu echten, gesetzlich anerkannten Sondervermögen sowie zur vermögensbezogenen Beurteilung der Insolvenzmasse wird der weiteren Untersuchung der Begriff der „Vermögensverbindung“ zugrunde gelegt, wenn über die rechtliche Qualifikation, Zuordnung oder konkrete Zusammensetzung keine Aussage getroffen werden soll. 6 Die Übernahme des Trennungsprinzips7 in das Recht der oHG fand mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahr 19998 in Form der Insolvenzrechtsfähigkeit9 von Personengesellschaften (§  11 Abs.  2 Nr.  1 InsO) sowie durch die im Jahr 2000 eingeführte Regelung des §  14 Abs.  2 BGB10 ihren gesetzlichen 509); ders., JZ 1968, 622 (622 f.); U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  61 ff., 106; v. Gamm, in: RGRK-BGB, Vor §  705 Rn.  4; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  3 IV, S.  32 ff.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, S.  177; Wiefels, Gesellschaftsrecht, S.  13, 18. 4  Vgl. grundlegend, Flume, ZHR 136 (1972), 177 (177 ff.); ders., Die Personengesellschaft, S.  54 ff.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  40 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 III. 5 Vgl. Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, §  35 Rn.  53; Peters, in: MüKoInsO, §  35 Rn.  86; Henckel, in: Jaeger, InsO, §  35 Rn.  131. 6  Vgl. zu dieser Terminologie im Rahmen der wirtschaftlichen Beurteilung der kartellordnungswidrigkeitenrechtlichen Adressatenstellung eines Rechtsnachfolgers, BGH, Uv. 10.8.­ 2011    – KRB 55/10, BGHSt 57, 193–202 = juris-Rn.  8 , 12, 16, Ls.; OLG Düsseldorf, Uv. 10.2.­ 2014    – V-4 Kart 5/11 (OWi), juris-Rn.  4 44 ff. 7 Vgl. Boesche, in: Oetker, HGB, §   124 Rn.  3; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  6 f.; Henssler, in: BeckOGK HGB, Stand: 15.12.2020, §  124 Rn.  11; Seeger, in: Heidel/ Schall, HGB, §  124 Rn.  3. 8 Insolvenzordnung (InsO) vom 5.10.1994 (BGBl.  I S.  2866), nach seinem §  335 i. V. m. Art.  110 Abs.  1 nach Maßgabe des Abs.  2 EGInsO 311-14-1 am 1.1.1999 in Kraft getrFeten. 9  Zum Begriff der Insolvenzrechtsfähigkeit, Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  17 ff. 10  Vgl. bereits §  1059a Abs.  2 BGB 1996, §  191 UmwG 1994, §  7 Nr.  3 MarkenG 1994.

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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Ausdruck. Der vollzogene vermögensrechtliche Paradigmenwechsel, wie er mit der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der Personenaußengesellschaften einhergegangen ist, lässt sich insbesondere anhand der Regelungen der Insolvenzordnung nachvollziehen. Anhand von §  93 InsO ist etwa zu erkennen, welche gesellschaftsrechtlichen Grundannahmen diesem in Bezug auf die Vermögenszuordnung sowie die Regelung des §  128 HGB zugrunde liegen und welche Widersprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens aufkommen, wenn diese nicht konsequent berücksichtigt werden    – etwa im Rahmen der „Kostenmasse“-Deckung.11 In besonderem Maße eröffnet die Analyse der insolvenzrechtlichen Behandlung von Gesellschaftersicherheiten für Gesellschaftsverbindlichkeiten bei parallel verlaufenden Insolvenzverfahren die Möglichkeit, die Vermögenszuordnung sowie die Wirkungsweise von §  128 HGB in der Personenaußengesellschaft zu ermitteln. Während in dem Diskussionsentwurf zum MoPeG (sog. Mauracher Entwurf) noch vorgeschlagen wurde, die Regelung des §  14 Abs.  2 BGB zu streichen, die Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaften in §  705 Abs.  2 BGB-E zugrunde zu legen und die Haftung der Gesellschafter rechtsformübergreifend für die Personenaußengesellschaften in §  721 BGB-E zu regeln,12 zeichnet sich im Regierungsentwurf zum MoPeG unter Aufrechterhaltung des §  14 Abs.  2 BGB eine parallele Normierung der Gesellschafterhaftung in §  721 BGB-E sowie §  126 HGB-E ab.13 Damit soll einer auf systematische Erwägungen gestützten Annahme einer überschießenden Wirkung der Gesellschafterhaftung für die oHG entgegengewirkt werden, der eine abweichende Vertretungsverfassung innewohnt.14 Die vorliegende Arbeit versteht sich einerseits als Beitrag zum aktuellen MoPeG-Reformvorhaben. Andererseits ist es Anliegen der Untersuchung, dem von der herrschenden Meinung zugrunde gelegten Verständnis zur Haftungsverfassung in der Personengesellschaft ein eigenständiges, in sich abgeschlossenes Haftungsmodell gegenüberzustellen, anhand dessen künftige Diskussionen sich beurteilen lassen müssen und gegenüber dem ein abweichendes Haftungsverständnis rechtlich zu rechtfertigen ist. Fraglich ist insbesondere, inwiefern die dem Regierungsentwurf zum MoPeG zugrunde gelegten Annahmen einer juristischen Überprüfung standhalten. In Anbetracht der dogmatischen Weiterentwicklung15 der Rechtsnatur der rechtsfähigen Personengesellschaften    – wie die oHG    – ist es Angelegenheit dieser Untersuchung, die personengesellschaftsrechtliche Haftung nach §  128 HGB unter Berücksichtigung des vermögensrechtlichen Paradigmenwechsels zu überprüfen. 11 

Siehe dazu unten Kap.  2 §  4 C.III, Kap.  3 §  7 D. Mauracher Entwurf zum MoPeG, S.  2 ff., 36 ff.; C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1150). 13  Vgl. RegE MoPeG, S.  20, 26. 14  RegE MoPeG, S.  286. 15 Zur Unterscheidung von dogmatischer Weiterentwicklung und Rechtsfortbildung, Reuter, AcP 207 (2007), 673 (674 ff., 688, 697 ff.); siehe dazu unten Kap.  2 §  4 A.II. 12 

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B. Problemstellung I. Gläubigerschutzkonzept der persönlichen Haftung 1. Kapitalersatzfunktion Die ganz herrschende Meinung spricht §  128 HGB eine gegenüber dem kapitalgesellschaftsrechtlichen Regelungsregime kapitalersetzende Funktion zu.16 Während Gläubigerschutz im Recht der Kapitalgesellschaften durch ein Mindestkapitalsystem sowie zwingende Vorschriften zum Zwecke der Kapital­ sicherung gewährleistet werden könne, weil dadurch ein „Verlustpuffer[ sowie] eine pragmatische und generalisierende Kompensation für die abstrakte Gefahr einer übermäßig risikogeneigten Unternehmensleitung“ geschaffen würden,17 trete im Recht der Personengesellschaften die persönliche Gesellschafterhaftung an deren Stelle.18 §  128 HGB sei deswegen als persönliche, primäre, ak­ zessorische und unmittelbare Einstandspflicht der Gesellschafter zu charakteri­ sieren, weil das Personengesellschaftsrecht keine gläubigerschützenden Kapi­ talaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregelungen sowie keine zwingenden Liquidationsvorschriften kenne.19 Das Kapitalschutzregime juristischer Personen des Handelsrechts rechtfertige eine „Haftungsbeschränkung“ auf das Vermögen der Gesellschaft, was umkehrt eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter einer Personengesellschaft für deren Verbindlichkeiten erfordere.20 Umgekehrt mache eine persönliche Gesellschafterhaftung Regeln über das 16  Vgl. BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  17; BGH, Uv. 7.4.­2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2242 ff.); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  22; John, Die organisierte Rechtsperson, S.  251; Koechel, NZG 2020, 127 (128); K. Schmidt, JZ 1985, 301 (302); ders., Gesellschaftsrecht, §  18 IV 2, S.  541 ff.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881, I-903; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a bb, S.  536; vgl. Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  58; RegE MoPeG, S.  190 f. (S.  115 f. des Mauracher Entwurfs); mit Vorschlägen für eine „haftungsbeschränkte“ Personengesellschaft, Jacobsen, DStR 2020, 1259 (1259 ff.); Röder, ZHR 184 (2020), 457 (461 ff., 483 ff.), Gesellschafterausschüttungen unter den Vorbehalt eines sog. Bilanztests stellend. 17  Grigoleit, in: Grigoleit, AktG, §  1 Rn.  29 f.; ders., Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S.  76 ff., 112 ff.; vgl. G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  11 B.I, §  15. 18 Vgl. RegE MoPeG, S.   190 f. (S.  115 f. des Mauracher Entwurfs); Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  2; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881, I-903, I-925. 19  Hillmann, in: E/B/J/S, HGB; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  128 Rn.  1; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  1; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881, I-903, I-925; vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  4 K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  145 Rn.  12. 20  Vgl. BGH, Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  17; BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  11 ff.; Dauner-Lieb, in: FS Lutter, S.  836; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19, 218; ders., AnwBl 2014, 96 (97); ders., AnwBl 1996, 3 (9 ff.); Hillmann,

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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Kapital der Gesellschaft entbehrlich.21 Dieser Gedankenführung liegt indes ein ordoliberales, auf die hinter jeder Gesellschaft stehenden natürlichen Personen fokussiertes, Haftungsverständnis zugrunde.22 Dieses geht von der Annahme aus, dass derjenige, der sich im Rechtsverkehr eines gesellschaftsrechtlichen Kollektivs bedient und an dessen wirtschaftlichen Erfolg teilhat, auch die mit der Verwendung eines derartigen rechtlichen Vehikels für sein eigenunternehmerisches Tun verbundenen Risiken tragen soll.23 Die persönliche Gesellschafterhaftung verfolge insofern den Zweck, den Gleichlauf von „Herrschaft und Haftung“ sicherzustellen.24 Dieses Verständnis beruht wiederum auf der Annahme, dass die Gesellschafter trotz Eigenständigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr einerseits Herrschaft auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausüben könnten sowie andererseits einen freien Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen hätten.25 Bezogen auf die Gesamtheit der Gesellschafter ist dies zwar nicht von der Hand zu weisen, hinsichtlich des einzelnen Gesellschafters bedarf eine solche Einschätzung aber einer differenzierteren Betrachtung. Erkennt man einer Personenmehrheit in der Rechtsform einer gesetzlich geregelten Verbandsform Rechtsfähigkeit zu, hat sich die Beurteilung der Gläubigerrisiken zentral anhand des Auftritts dieses Rechtssubjekts im Rechtsverkehr zu beurteilen sowie daran, welche konkreten Einwirkungsmöglichkeiten die einzelnen Gesellschafter bzw. die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit auf dieses Rechtssubjekt ausüben können. Ein besonderes Augenmerk der Untersuchung liegt daher auf den mitgliedschaftlichen Befugnissen und Verpflichtungen des einzelnen Gesellschafters gegenüber der Personengesellschaft als Rechtssubjekt. Soweit die herrschende Auffassung für die Erforderlichkeit der persönlichen Gesellschafterhaftung auf das Kapitalschutzsystem der juristischen Personen des Handelsrechts verweist, ist zu beachten, dass anhand derer zwar Gläubigerrisiken identifiziert und veranschaulicht werden können, als alleinige Legitimationsgrundlage einer persönlichen Gesellschafterhaftung, die den Gläubigern  – abweichend von der schuldrechtlichen Vereinbarung mit der Gesellschaft    – eine zusätzliche Vermögensverbindung zur Befriedigung ihrer Forderungen zur in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  1; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881; Wiesner, in: FS Hellwig, S.  413; Fleischer, in: MüKoGmbHG, Einleitung Rn.  18; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  288 f. 21  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1. 22 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 b, S.  539 f.; siehe Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  279 ff. 23 Vgl. A. Meyer, Der Grundsatz der unbeschränkten Verbandsmitgliederhaftung, S.  105 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  543 ff.; Markworth, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  128 Rn.  4; Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  279 f., 281 („Wer den Nutzen hat, mu[ss] auch den Schaden tragen.“). 24 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  543 ff.; RegE MoPeG, Begr. zu §  721 BGB-E sowie §  126 HGB-E, S.  190, 286. 25  Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  1.

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Verfügung stellt, aber nicht ausreicht. Zwar obliegt es dem nationalen Gesetz­ geber im Rahmen des numerus clausus der Rechtsformen, diejenigen (Verbands-)Rechtssubjekte zu bestimmen, denen er Rechtsfähigkeit zuerkennt. ­Dabei kann er auch ein System von Normativbestimmungen erschaffen, welches in Abhängigkeit vom gemeinsam verfolgten Zweck der Verbandsmitglieder pauschal unterschiedliche Anforderungen an den Gläubigerschutz aufstellt (vgl. §§  21, 22, 43, 54 BGB gegenüber §  128 HGB sowie dem Kapitalschutzsystem der juristischen Personen des Handelsrechts).26 Die Voraussetzungen, die das Gesetz an die Rechtsfähigkeit von Verbänden stellt, können daher mit denen anderer Verbände korrespondieren, um ein rechtsformkohärentes „Verbandsrecht“ zu schaffen und identitätswahrende Rechtsformwechsel zu ermöglichen. Hinsichtlich der Frage des hinreichenden Gläubigerschutzes einer rechtsfähigen Verbandsform ist aber zu untersuchen, inwiefern deren Gläubiger konkreten Risiken im Rechtsverkehr ausgesetzt sind und ob andere Verbandsformen geeigneter Vergleichsmaßstab sein können oder ob der Vergleich mit Rechtsverhältnissen zwischen natürlichen Personen einen geeigneteren Maßstab bildet. 2. Gläubigerbenachteiligung durch Rechtsverfolgungskosten Die allgemeine Meinung zu §  128 HGB qualifiziert die Gesellschafterhaftung grundsätzlich als primäre Einstandspflicht.27 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu §  721 BGB-E des MoPeG, der die Haftungsregelung des §  128 HGB in das BGB aufnehmen soll, können die Gesellschaftsgläubiger nicht vorrangig auf das Gesellschaftsvermögen verwiesen werden, weil es nur dadurch zu einer angemessenen Verteilung der Insolvenzrisiken komme.28 In Abhängigkeit von dem zugrunde zu legenden Vergleichsmaßstab    – Rechtsverhältnisse mit juristischen bzw. natürlichen Personen    – könnte es fraglich sein, inwiefern mit einem vorrangigen Verweis auf das Gesellschaftsvermögen eine Schlechterstellung der Gläubiger verbunden ist. So sieht die Rechtsordnung grundsätzlich vor, dass der Gläubiger eines zahlungsfähigen, aber zahlungsunwilligen Schuldners zur Befriedigung seines Leistungsinteresses zunächst auf das Erkenntnisverfahren und sodann auf das Vollstreckungsverfahren verwiesen ist. Dabei entstehende Transaktionskosten sind dem Rechtsstaat immanent und werden letztlich von der unterliegenden Partei getragen. Teilweise wird die kapital­ ersetzende Funktion des §  128 HGB daher darauf beschränkt, „den Gläubigern eine Personalsicherheit im Fall der Insolvenz der Gesellschaft zu verschaffen.“29 26 Vgl.

G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  4 B. Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  128 Rn.  5; Habersack, in: Haber­ sack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  26; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  18; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  20; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-901 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  8 III 3 b bb. 28  Begr. RegE MoPeG, S.  191. 29  Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2243). 27 

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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Darüber hinaus wird eine einschränkende Anwendung des §  128 HGB angenommen, wenn Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Gesellschaftern zu beurteilen sind, auch wenn diese der Gesellschaft wie Dritte gegenübertreten (sog. Drittgeschäfte)30 und es sich damit nicht um Sozialverbindlichkeiten handelt, weil der Schutzzweck des §  128 HGB auch bei Drittgeschäften nur teil­ weise betroffen sei.31 Für eine einschränkende Anwendung des §  128 HGB wird vorgebracht, dass sich anders nicht erklären ließe, dass die Drittforderung eines Gesellschafters, der selbst nach §  128 HGB haftet, nicht bereits durch Konfu­ sion erlischt.32 Der forderungsinhabende Gesellschafter soll sich vorrangig an die frei verfügbaren Mittel der Gesellschaft halten, sodass die Mitgesellschafter in Höhe ihrer Verlustbeteiligungsquote subsidiär hafteten, ohne dass es jedoch einer Vorausvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen bedürfte.33 Die Gesellschaftsverbindlichkeit nähme mit einer Abtretung an einen Nichtgesellschafter eine andere rechtliche Qualität an, weil dieser nicht auf das Gesellschaftsvermögen verwiesen wäre. Auf diese Weise käme es zu einer abweichenden Beurteilung unterschiedlicher Gläubigergruppen. Indes wird es zunehmend uneinheitlich beurteilt, inwieweit ein Gesellschafter, der der Gesellschaft als derartiger Drittgläubiger gegenübersteht, als Folge seiner Treuepflicht vorrangig auf das Gesellschaftsvermögen verwiesen ist.34 3. Kreditwürdigkeit der Gesellschaft und Erfüllungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger Nach herrschender Auffassung soll die persönliche Gesellschafterhaftung die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger sichern und erleichtern, um auf diese Weise die Kreditfähigkeit der Gesellschaft zu fördern.35 Die Gesellschafter­ haftung bedinge zugleich eine Erfüllungshaftung, weil die Gesellschafter mit 30 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   128 Rn.   12 f.; Graf Wolffskeel von Reichen­berg, NZG 2017, 45 (46 ff.); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-897 f.; eine differenzierte Betrachtung vornehmend, Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2244 f.). 31 Vgl. Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (48). 32  Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2243); Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (48). 33  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  13, 49; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  18, 10; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  24; K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  128 Rn.  12, 20, 34; a. A. Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2243 ff.), der die praktische Relevanz von §  128 HGB auf den Fall der Gesellschaftsinsolvenz beschränkt. 34 So Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  13, 49; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  18, 10; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  12, 20; a. A. BGH, Uv. 8.10.­ 2013    – II ZR 310/12, juris-Rn.  34 f.; OLG Köln, Uv. 28.12.2012    – 18 U 48/12, juris-­R n.  102 ff.; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  209; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  10a; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-897a; die Drittgläubigerstellung differenzierend, Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2244 f.). 35  Flume, Die Personengesellschaft, §  16 III, S.  298 ff.; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 3, S.  313; vgl. RegE MoPeG zu §  721 BGB-E, S.  190.

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ihrem Marktauftritt für die Gesellschaft mit ihrer Kreditwürdigkeit auch die der Gesellschaft repräsentierten.36 In diesem Zusammenspiel aus Gläubigerschutz und Kreditgewährung für die Gesellschaft ist der Meinungsstreit um den Inhalt der Gesellschafterhaftung zu sehen.37 Während das diesbezügliche Meinungsspektrum lange Zeit in „Haftungstheorie“38 und „Erfüllungstheorie“ geteilt war, wird nach nun überwiegender Auffassung angenommen, dass die Gesellschafter im Rahmen von §  128 HGB grundsätzlich auf Erfüllung in Anspruch genommen werden können (mit einer Zwangsvollstreckung nach §§  883 bis 885, 894, 897 ZPO), sodass es im Rahmen der Vollstreckung eines Umwegs über §  886 ZPO nicht bedürfe; eine Begrenzung komme nur nach §  275 BGB in Betracht.39 Das auf Erfüllung gerichtete Gläubigerinteresse könne mit einer bloßen Interessenhaftung nicht hinreichend abgesichert werden, weil eine auf den Wert beschränkte Einstands­ pflicht der Gesellschafter hinter dem tatsächlichen Erfüllungsinteresse zurückbleibe und von einer Inanspruchnahme des Gesellschafters abhalten könne.40 Dies bedeutet, dass bei Leistungsunfähigkeit sowie bei bloßer Leistungsunwilligkeit der Gesellschaft als Schuldnerin nicht zunächst der Weg über das allgemeine Leistungsstörungsrecht und die dort geregelten Sekundäransprüche zu beschreiten ist, sondern das Leistungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger unmittelbar bei den Gesellschaftern als Unbeteiligten an dem rechtsgeschäftlich vereinbarten oder gesetzlich begründetem Schuldverhältnis befriedigt werden kann. Folge der Inanspruchnahme eines Gesellschafters ist es sodann, dass dieser gegenüber der Gesellschaft bzw. den Mitgesellschaftern Regress suchen muss. Unproblematisch wird dies bei Geldschulden erachtet.41 Eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter bedingt verschiedene Einschränkungen vom Haftungskonzept der herrschenden Meinung, abhängig von der Art der Verbindlichkeit. Soweit es sich bei einer Gesellschaftsverbindlich36 

BGH, Uv. 11.12.1978    – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217–225 = juris-Rn.  12. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  27 ff.; Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  128 Rn.  6; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24 ff. 38 Vgl. Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  9 ff.; ders., Die Haftung des Gesellschafters für Schulden der oHG, S.  76 ff., 84; Hauer, Rechtsnatur und Schuldinhalt der Haftung des oHG-Gesellschafters, S.  151; John, Die organisierte Rechtsperson, S.  255 ff.; Kornblum, BB 1971, 1434 (1437 ff.); Müller-Erzbach, JZ 1957, 383 (384); Wieland, Handelsrecht, S.  635 ff., 639; siehe auch Rüffler, JBl. 1999, 222 (224 ff.); de lege ferenda befürwortend, Markworth, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  128 Rn.  97 ff., 108. 39  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  31; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  27; Koechel, NZG 2020, 127 (128 ff.); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-904 f.; abweichend, K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24. 40  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  28; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  22; Koechel, NZG 2020, 127 (128). 41  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  30; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 5, S.  316; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  25; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-907 f. 37 

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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keit um eine Nichtvermögensverbindlichkeit handelt, kann die von der herrschenden Meinung angenommene Erfüllungshaftung nicht konsequent angewendet werden mit der Folge, dass unterschiedliche Korrekturen an dem Haftungsmodell des §  128 HGB gemacht werden. Überwiegend wird insoweit ausgehend von Sinn und Zweck des §  128 HGB danach differenziert, ob die Leistung eines Gesellschaftes das bewirken kann, was von der Gesellschaft geschuldet ist.42 Soweit eine Stück- bzw. Gattungsschuld oder ein Herausgabe­ anspruch betroffen sind, wird nunmehr überwiegend davon ausgegangen, dass die Gesellschaft und die Gesellschafter unabhängig von den Eigentums- und Besitzverhältnissen auf Erfüllung hafteten, Leistungshindernisse seien in Anbetracht der Möglichkeit, erforderlichenfalls einen Gegenstand von der Gesellschaft bzw. von einem Gesellschafter zu erwerben, erst auf Ebene der Vollstreckung zu berücksichtigen.43 Die Erfüllungshaftung ermögliche zugleich eine auf das Interesse gerichtete Verurteilung (§§  255, 258 f., 510b ZPO).44 Einschränkungen der auf diese Weise verstandenen Erfüllungshaftung werden in Anbetracht von Sinn und Zweck des §  128 HGB mit unterschiedlichen Begründungsansätzen angenommen, wenn mit einer Erfüllung durch die Gesellschafter ein übermäßiger Eingriff in deren Privatsphäre verbunden wäre bzw., wenn eine solche nicht das gleiche bewirken kann, wie eine Erfüllung durch die Gesellschaft.45 Vertretbare Handlungen beeinträchtigten den Gesellschafter in seiner Privatsphäre hingegen nicht, wie die Regelung des §  887 ZPO über die Möglichkeit der Ersatzvornahme zeige.46 Unvertretbare Handlungen    – etwa die Abgabe einer höchstpersönlichen Willenserklärung oder entsprechende Duldungs- bzw. Unterlassungspflichten (insbesondere Wettbewerbsvereinbarungen)    – bedingten hingegen eine auf das Interesse beschränkte Einstands42  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  31 ff., 36 ff.; K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  128 Rn.  24 ff., 28 ff.; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  22 ff.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-904 ff. 43  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  31 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  26; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  24; a. A. A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 5, S.  315 (Verpflichtung des Gesellschafters, für Erfüllung durch Gesellschaft zu sorgen). 44 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  31; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24. 45  BGH, Uv. 18.11.2016    – V ZR 221/15, juris-Rn.  23; BGH, Uv. 20.6.2013    – I ZR 201/11, juris-Rn.  11; BGH, Uv. 25.1.2008    – V ZR 63/07, juris-Rn.  8; BGH, Uv. 11.12.1978    – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217–225 = juris-Rn.  12; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  36 ff.; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 5, S.  315; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  22, 27 ff.; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  17; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24 ff.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-912 ff., I-915c ff. insbesondere zu Umgehungskonstellationen. 46  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  35; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  26; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  27; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-908, I-910 f.; vgl. BGH, Uv. 14.2.1957    – II ZR 190/­ 55, BGHZ 23, 302–307 = juris-Rn.  11 ff.

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pflicht, weil eine Erfüllung durch die Gesellschafter nicht in Betracht komme.47 Methodisch bedeute dies eine der Regelung des §  275 BGB vorgreifende, teleologische Reduktion der Rechtsfolgenseite, indem §  128 HGB anstatt eines Erfüllungsanspruchs einen sekundären Ersatzanspruch gegenüber dem Gesellschafter begründe.48 Problematisch ist, welches Schicksal die Gesellschaftsverbindlichkeit nimmt, wenn der Sekundäranspruch gegenüber dem Gesellschafter geltend gemacht wird, inwiefern etwa die Gesellschaft ihr schuldrechtliches Leistungsrecht aus der Gesellschaftsverbindlichkeit mit Wirkung gegenüber dem Gesellschafter ausüben kann.49 Demgegenüber nimmt die Rechtsprechung teilweise auch insoweit noch eine Erfüllungshaftung an.50 Die teleologische Annahme von einem notwendigen Zusammenhang einer primären, unmittelbaren Gesellschafterhaftung mit der Gewährleistung des Kredits der Personengesellschaft gibt Anlass zu einer weiteren Untersuchung, wenn man berücksichtigt, dass Personenvereinigungen ihre Attraktivität im Rechtsverkehr aus ökonomischer Perspektive insbesondere durch eine langfristige Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens sowie eine damit korrespondierende gegenseitige Abschirmung der betroffenen Vermögensverbindungen vom Gläubigerzugriff erlangen.51 Aus Sicht der Gesellschafter bedingt die Zweck­bindung einer Vermögensverbindung verbunden mit einer Haftungs­ abschirmung die Möglichkeit, die Gesellschaft als langfristige Kapitalsammelstelle für die Bündelung gemeinsamer Ressourcen zu nutzen.52 Die Attraktivität einer Rechtsform erfordert eine Auseinandersetzung mit beiden Perspektiven, einerseits aus Gläubigersicht, andererseits aus Gesellschaftersicht.

47  BGH, Uv. 18.11.2016    – V ZR 221/15, juris-Rn.  23; BGH, Uv. 20.6.2013    – I ZR 201/11, juris-Rn.  11; BGH, Uv. 25.1.2008    – V ZR 63/07, juris-Rn.  8; Flume, Die Personengesellschaft, §  16 III 4, S.  308, 310 f.; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  36 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 II 2 b; ders., in: MüKoHGB, §  128 Rn.  28 ff.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-912 ff.; weitergehend, Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  29; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  15, 17 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  8 III 3 b cc, S.  737; vgl. A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 5, S.  316 ff. 48  Koechel, NZG 2020, 127 (129). 49 Vgl. Koechel, NZG 2020, 127 (129). 50  RG, Uv. 2.5.1932    – VIII 104/32, RGZ 136, 266–273 (270 f.); BGH, Uv. 7.6.1972    – VIII ZR 175/70, BGHZ 59, 64–68 = juris-Rn.  15; OLG Frankfurt a. M., Uv. 11.9.2014    – 6 U 107/13, juris-Rn.  33; beschränkt auf Konstellationen subjektiver Unmöglichkeit, Koechel, NZG 2020, 127 (129 ff.). 51  Dari-Mattiacci/Gelderblom/Jonker u. a., The Journal of Law, Economics, and Organization 33 (2017), 193 (199 f.). 52  König, AcP 217 (2017), 611 (617 ff.); vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Kap.  25.9.

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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II. Folgen der Gesellschafterinanspruchnahme Uneinheitlich beurteilt werden ferner die Folgen einer unmittelbaren, primären Inanspruchnahme der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft abhängig davon, von wem sowie gegenüber wem die Haftungsverbindlichkeit geltend gemacht wird. Leistet die Gesellschaft bei drohender Inanspruchnahme eines Gesellschafters entgegen §  257 BGB nicht, soll der Gesellschafter nach Auffassung der Rechtsprechung für seine Leistung Regress bei der Gesellschaft bzw. seinen Mitgesellschaftern nehmen können. Gegenüber der Gesellschaft richte sich der Anspruch nach §  110 HGB,53 gegenüber den Mitgesellschaftern nach §  426 Abs.  1 BGB, obwohl es sich bei dem Erstattungsanspruch des §  110 HGB um eine Sozialverbindlichkeit handelt, für die die Gesellschafter nicht persönlich nach §  128 HGB haften.54 Teilweise wird problematisiert, dass das Schicksal der Gesellschaftsschuld hingegen unbeantwortet bliebe, weil mangels Gleichstufigkeit zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern kein Gesamtschuldverhältnis bestehe, sodass §  422 Abs.  1 BGB nicht angewendet werden könne; die Gesellschaftsschuld gehe daher entsprechend §  774 Abs.  1 BGB auf den leistenden Gesellschafter im Wege des gesetzlichen Forderungsüberganges über, wodurch es nach §§  412, 401 BGB auch zu einem Übergang akzessorischer Sicherheiten komme.55 Eine abweichende Beurteilung wird wiederum vorgenommen, wenn ein ausgeschiedener Gesellschafter aufgrund der Nachhaftungsregelung des §  160 HGB in Anspruch genommen wird. Dieser unterliege keinen gesellschaftsvertraglichen Bindungen mehr, ebenso stünde diesem nicht der Sozialanspruch des §  110 HGB zu. Die Inanspruchnahme nach Ausscheiden führe vielmehr zu einer Gesamtschuld mit der Gesellschaft, sodass sich der Regress nach §  426 Abs.  1 und Abs.  2 BGB richte.56 53  Soweit §  128 HGB entsprechend angewandt wird, bedingt dies eine entsprechende Anwendung von §  110 HGB, BGH, Uv. 15.11.2011    – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293–310 = juris-­ Rn.  35; BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-Rn.  59 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-401, I-980; ders., NZG 2003, 618 (619); vgl. Gramlich/Müssig, NZG 2019, 1333 (1334 ff.); dementsprechend sieht §  716 BGB-E RegE MoPeG eine Regelung im Recht der GbR vor, S.  18 f., 180 f. 54  BGH, Uv. 2.7.1962    – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299–305 = juris-Rn.  8; BGH, Uv. 9.5.­ 1963    – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319–332 = juris-Rn.  16 ff. BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-Rn.  59 f.; Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (49 ff.); Haas, in: Röhricht/ Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  128 Rn.  10 ff.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  30; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  40; Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (173); Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, §  128 Rn.  30; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-980a, I-403. 55  Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  36; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  43, 23; ders., AcP 198 (1998), 152 (152 ff.); Herchen, in: MünchHdb. GesR I, §  69 Rn.  5 f.; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §§  128, 129 Rn.  9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 V 1; ders., in: MüKoHGB, §  128 Rn.  31. 56  BGH, Uv. 9.5.1963    – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319–332 = juris-Rn.  16 f.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  31; Kühne, ZHR 133 (1969), 149 (182); M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  36; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020,

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Einführung

Anders vollzögen sich wiederum die Freistellung bzw. der Regress bei den Mitgesellschaftern. Hinsichtlich einer Freistellung habe sich der in Anspruch genommene Gesellschafter vorrangig an die Gesellschaft zu wenden und sodann quotal an seine Mitgesellschafter (§  426 Abs.  1 BGB).57 Demgegenüber wird zunehmend eine vorrangige Befriedigung durch die Gesellschaft abgelehnt, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft als Drittgläubiger gegenübertritt.58 Steht ein Gesellschafter der Gesellschaft als Dritter gegenüber, ist es ferner umstritten, auf welcher Grundlage die Inanspruchnahme der Mitgesellschafter erfolgt     – (analog) §   426 Abs.   1 BGB bzw. §   128 HGB i. V. m. der Gesellschaftsverbindlichkeit    – sowie, ob diese    – gemindert um die eigene Verlustbeteiligungsquote    – gesamtschuldnerisch haften oder bloß als „Teilschuldner mit wechselseitiger Ausfallgarantie“.59 Problematisch ist, wie der Ausgleich bei Nichtvermögensverbindlichkeiten zu erfolgen hat. 60 Soweit ein gesetzlicher Forderungsübergang entsprechend §  774 Abs.  1 BGB angenommen wird, sei dieser nach überwiegend vertretener Auffassung im Rahmen des Regresses gegenüber den Mitgesellschaftern um den eigenen Verlustbeitrag nach §§  769, 426 Abs.  1 BGB zu kürzen und bloß subsidiär geltend zu machen; ungeachtet der zwischen den Gesellschaftern bestehenden Gesamtschuld komme kein weiterer Forderungsübergang gemäß §  426 Abs.  2 BGB in Betracht. 61 Würde der Gesellschafter im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs Inhaber der Gläubigerforderung werden, stünde diese zumindest wertungsmäßig aber einer DrittRn.  I-404b; mit abweichendem Ansatz (§  738 Abs.  1 S.  2, analog §  774 Abs.  1 BGB), Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  45 f.; Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (174); K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  61. 57 BGH, Uv. 17.12.2001     – II ZR 382/99, juris-Rn.  14, 16 (abweichend bei abgetretenem Recht); Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  128 Rn.  11; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  47; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  34; abweichend, Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (49 ff.). 58  BGH, Uv. 8.10.2013    – II ZR 310/12, juris-Rn.  34 f.; OLG Köln, Uv. 28.12.2012    – 18 U 48/12, juris-Rn.  102 ff.; Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (49 ff.); Herchen, in: MünchHdb. GesR I, §  69 Rn.  62; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  209; Steitz, in: Henssler/­ Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  10a; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-897a; differenzierend, Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2243 f.); weitergehend BGH, Uv. 17.12.2001    – II ZR 382/99, juris-Rn.  16. 59  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  18; ebenso Kornblum, Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten von Personengesellschaften, S.  143 f.; eine Gesamtschuld annehmend, Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  25; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  10; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  8 , 10; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  24; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  10b; differenzierend, Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2243 ff.); ähnlich, Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (48 ff.); abweichend bei abgetretenem Recht, BGH, Uv. 17.12.2001    – II ZR 382/99, juris-Rn.  16; insoweit a. A. Herchen, in: MünchHdb. GesR I, §  69 Rn.  63. 60  Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (48). 61  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  48 f.; a. A. Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-982a, I-416; „Teilschuldner mit wechselseitiger Ausfallgarantie“, K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  18; hinsichtlich Drittgläubigerforderungen eine Gesamtschuld ablehnend, Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2243 ff.).

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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forderung gleich, ohne dass insoweit allerdings eine abweichende Beurteilung der Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB vorgenommen wird.62 Umgekehrt ist die Behandlung einer Gesellschafter-Drittgläubigerforderung vor dem Hintergrund des §  128 HGB umstritten, wenn die ursprünglich durch die Treuepflicht belastete Forderung an einen Nichtgesellschafter abgetreten wird. Teilweise wird die subsidiäre Einstandspflicht der Gesellschafter über §  404 BGB aufrechterhalten,63 während teilweise eine primäre Gesellschafterhaftung angenommen wird. 64 Uneinheitlich beurteilt wird sodann wiederum der Regress eines ausgeschiedenen Gesellschafters sowie derjenige gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter. 65 Nach teilweiser Auffassung habe das Ausscheiden keine Auswirkung auf das Gesamtschuldverhältnis zu den bestehenden Gesellschaftern, sodass dem ausgeschiedenen Gesellschafter ein am Verlustbeitrag der existenten Gesellschafter zu messender Rückgriff nach §  426 Abs.  1 BGB sowie aus gesetzlichem Forderungsübergang zustehe, wobei sein eigener Verlustanteil unberücksichtigt bleibe, wenn dieser bereits im Rahmen einer Auseinandersetzung ausgeglichen wurde.66 Eine Einstandspflicht der Gesellschafter gemäß §  128 HGB für den Sozialanspruch gegenüber der Gesellschaft bestehe nicht. 67 Teilweise wird demgegenüber angenommen, dass die verbleibenden Gesellschafter dem ausgeschiedenen als Gesamtschuldner haften. 68 Nach umstrittener Auffassung ist die Ausgleichspflicht der Gesellschafter als Folge fortwirkender Treuepflicht eine subsidiäre. 69

62 Keine gesellschaftsrechtlichen Einschränkungen annehmend bei abgetretener Forderung an einen Gesellschafter, BGH, Uv. 17.12.2001    – II ZR 382/99, juris-Rn.  16. 63  Herchen, in: MünchHdb. GesR I, §  69 Rn.  62; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  20; einschränkend, Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-902, I-897a. 64  A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 V 2, S.  330; Kornblum, Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten von Personengesellschaften, S.  144 f.; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  128 Rn.  20. 65  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  50 f. 66  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  50. 67  Graf Wolffskeel von Reichenberg, NZG 2017, 45 (49 ff.); Habersack, in: Habersack/ Schäfer, HGB, §  128 Rn.  50; a. A. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  62. 68  Boesche, in: Oetker, HGB, §   128 Rn.  41; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  34; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  32; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  62; Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, §  128 Rn.  34; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  42. 69  Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  41; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  50; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  34; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  62; Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, §  128 Rn.  34; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  42; a. A. Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §§  128, 129 Rn.  20, 10; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  4 4; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesell­ schaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-894.

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Einführung

III. Privilegierung von Gesellschaftsgläubigern auf Kosten der Gesellschafterinteressen Das von der herrschenden Meinung §  128 HGB zugrunde gelegte Gläubigerschutzkonzept führt insbesondere dazu, dass die Gesellschaftsgläubiger für ihre rechtsgeschäftlich vereinbarte oder gesetzliche Forderung gegenüber der Gesellschaft zusätzlich zu dem Gesellschaftsvermögen auf die Privatvermögen der Gesellschafter zugreifen können. Ihnen wird damit eine schuldnerfremde Vermögensverbindung zur Befriedigung ihres Leistungsinteresses zur Verfügung gestellt. Aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger bildet damit die Gesamtheit der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern den verfügbaren Haftungsfond. 1. Zusammenziehen von Vermögensverbindungen zu einheitlicher Haftungsmasse Im Rahmen der insolvenzrechtlichen Beurteilung verschiedener verbundener Konzerngesellschaften konnten sich hingegen Vorschläge über eine derartige Zusammenziehung der Vermögenverbindungen unterschiedlicher Konzern­ gesellschaften zu einer einheitlichen Haftungsmasse nicht durchsetzen (vgl. §§  269a bis 269i InsO).70 Zwischenzeitlich gab es Ansätze, abweichend von dem Grundsatz „eine Gesellschaft, ein Vermögen, ein Insolvenzverfahren“, Regelungen für ein materielles Konzerninsolvenzrecht zu schaffen.71 Anstelle einer materiellen Konsolidierung nach US-amerikanischem Vorbild (substantive consolidation) wurde, unter diesbezüglich ausdrücklicher Ablehnung, eine bloße Verfahrenskoordinierung eingeführt.72 Bei einer sog. Massekonsolidierung würden die jeweiligen Insolvenzmassen und Verbindlichkeiten der konzern­ angehörigen Unternehmen konsolidiert (sog. Konzernmasse),73 sodass die Gläu­biger im Ergebnis als Gläubiger eines einheitlichen Konzernunternehmens behandelt würden.74 Zwar brächte eine substanzielle Konsolidierung Kosten­ ersparnisse und Verfahrensvereinfachungen mit sich, eine Massekonsolidierung führte aber zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Haftungstrennung 70  Eingeführt durch Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.4.2017 (BGBl. I S.  866); BT-Drucks. 18/407, S.  2, 17; vgl. auch die Art.  56 ff., 61 ff. EuInsVO, VO (EU) Nr.  2015/848; vgl. Himmer, Das europäische Konzerninsolvenzrecht, S.  168 ff. 71  C. Paulus, ZIP 2005, 1948 (1953 ff.); Humbeck, NZI 2013, 957 (959 ff.); a. A. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528 (531 f.); Eidenmüller/Frobenius, ZIP 2013, Beilage zu Heft 22, 1 (2 f.); Hirte, ZIP 2008, 444 (444 f., 449); Sester, ZIP 2005, 2099 (2100 ff.); vgl. Brinkmann, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, Stand: 70. EL 1/2017, Anhang zu §  135 Rn.  4. 72  BT-Drucks. 18/407, S.  2 , 17; vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528 (532); Eidenmüller/ Frobenius, ZIP 2013, Beilage zu Heft 22, 1 (2 f.); Himmer, Das europäische Konzerninsolvenzrecht, S.  168 ff., 180. 73  Brinkmann, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 70. EL 1/2017, Anhang zu §  135 Rn.  4. 74  BT-Drucks. 18/407, S.  17; vgl. Himmer, Das europäische Konzerninsolvenzrecht, S.  169.

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zulasten der Gläubiger solcher Konzerngesellschaften, deren Vermögensausstattung bei isolierter Insolvenzabwicklung höhere Befriedigungsquoten erwarten lassen würde, als sie im Rahmen einer Massekonsolidierung erzielbar sind; Folge wären massive ökonomische Fehlanreize.75 „Damit würden nicht nur legitime Haftungserwartungen von Gläubigern enttäuscht. Vielmehr wäre auch ein Anstieg der Kosten für künftigen Kredit zu befürchten. Denn Gläubiger könnten ihre Kreditvergabeentscheidung nicht mehr nur allein auf eine Kreditwürdigkeitsprüfung der Schuldnergesellschaften stützen, sondern müssten zusätzlich auch die Verhältnisse im Gesamtkonzern prüfen und ggf. überwachen.“76 „Eine materielle Konsolidierung der Insolvenzmassen würde mit Verteilungseffekten zwischen den beteiligten Konzerngesellschaften einhergehen, die den Haftungserwartungen des Rechtsverkehrs zuwiderlaufen.“77

Zwar gilt das Haftungstrennungsprinzip bei Personengesellschaften nicht gleichermaßen wie bei Konzerngesellschaften und mit §  128 HGB existiert eine Regelung, die die Einstandspflicht der Gesellschafter gesetzlich anordnet, gleichwohl bedeutet eine Zusammenziehung von Vermögensverbindungen unterschiedlicher Rechtsträger zu einer einheitlichen Haftungsmasse eine Schlech­ ter­stellung und damit eine Ungleichbehandlung der Gläubiger des zusätzlich einstandspflichtigen Subjekts. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass auch §  93 InsO im Rahmen der Insolvenz einer Personengesellschaft gerade nicht bewirkt, dass verschiedene Vermögensverbindungen zu einer einheit­ lichen Personengesellschaftsmasse zusammengezogen werden, sondern dass die Haftungsverwirklichung nach §  128 HGB lediglich in den Händen des Insolvenzverwalters über das Gesellschaftsvermögen unter Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung konzentriert wird. Eine primäre Einstandsplicht der Gesellschafter bedeutet insbesondere eine enorme Kalkulationsunsicherheit der Privatgläubiger der Gesellschafter sowie bei der Gewährung von Krediten an die Gesellschafter. Die primäre Einstandspflicht der Gesellschafter kollidiert insoweit mit der eigentlichen Haftungsabschirmung der Vermögen der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter, wie sie aus der Rechtssubjektivität der Gesellschaft folgt. 2. Wirtschaftliche Schlechterstellung des Gesellschafters im Rechtsverkehr Die Diskussion über ein materielles Konzerninsolvenzrecht kann zwar nicht unmittelbar für die Beurteilung der Gesellschafterhaftung in Personengesellschaften herangezogen werden, weil in Anbetracht der Risikoverteilung des 75  BT-Drucks. 18/407, S.   17; vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528 (532); Eidenmüller/ Frobenius, ZIP 2013, Beilage zu Heft 22, 1 (2 f.); Himmer, Das europäische Konzerninsolvenzrecht, S.  169 f.; Specovius/Kuske, in: Gottwald, InsO-Hdb, §  95 Rn.  7. 76  BT-Drucks. 18/407, S.  17; vgl. Eidenmüller/Frobenius, ZIP 2013, Beilage zu Heft 22, 1 (3); Römermann, ZRP 2013, 201 (204). 77  BT-Drucks. 18/407, S.  2.

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Einführung

§  128 HGB sowie des §  735 BGB jedenfalls mit der Vollbeendigung der Gesellschaft feststeht, dass die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben und damit gerade keine strikte Haftungsabschirmung der jeweiligen Vermögensverbindungen stattfindet. Übertragen werden können aber die ausgetauschten Argumente über die Auswirkungen einer Zusammenführung von Vermögensverbindungen zu einer einheitlichen Haftungsmasse auf die Gesellschafter sowie deren Privatgläubiger, zumal über die Vermögen der Gesellschafter bzw. der Gesellschaft nach dem Grundsatz „ein Rechtsträger, ein Vermögen, ein Insolvenzverfahren“ auch hinsichtlich der Personengesellschaft bzw. deren Gesellschaftern getrennte Insolvenzverfahren zu führen sind. So führt die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger zu einer Benachteiligung der Privatgläubiger und damit zu einer Schlechterstellung der Gesellschafter im Rechtsverkehr, weil das, was man der einen Gläubigergruppe dazu gibt, man der anderen wegnimmt.78 Der Grad der Benachteiligung hängt dabei von der Art und Weise der Einstandspflicht der Gesellschafter und der damit verbundenen Umverteilung ab. Das Marktverhalten eines Gesellschafters unterliegt einer unterschiedlichen Beurteilung, abhängig davon, ob seine drohende Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger der Normalfall ist oder bloß die Ausnahme. Für die Privatgläubiger der Gesellschaft macht es insoweit einen Unterschied, ob die Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten unmittelbar herangezogen werden können oder ob die Gesellschafter die Gesellschaftsgläubiger zunächst auf das Gesellschaftsvermögen verweisen können und eine Einstandspflicht der Gesellschafter erst bei Leistungsunfähigkeit der Gesellschaft    – insbesondere im Rahmen deren Insolvenz    – zu befürchten ist. So sinkt mit einer bloß subsidiären Inanspruchnahme der Gesellschafter die Wahrscheinlichkeit, dass die Gläubiger der Gesellschafter mit weiteren Gläubigern konkurrieren und den Zugriff auf das Gesellschaftervermögen im Falle einer Gesellschafterinsolvenz teilen müssen. Könnte ein Gesellschafter die Gesellschaftsgläubiger vorrangig auf das Gesellschaftsvermögen verweisen, hätte dies für die Privatgläubiger des Gesellschafters eine geringere Schadensgeneigtheit ihres Schuldners zur Folge. Dies bedeutete für die Risikobewertung bei der Vergabe von Krediten an die Gesellschafter als Privatpersonen eine gesteigerte Bonität sowie die Einordnung in eine andere Risikoklasse, weil mit einer früheren Rückzahlung zu rechnen ist, sodass gün­ stigere Kredite zu bekommen sind.79 Ebenso ist es für „das effiziente Funktionieren von Kreditmärkten […] essenziell, dass Gläubiger das Ausfallrisiko einigermaßen korrekt abschätzen und bei ihrer Preisgestaltung berücksichtigen können.“80 78 

Sester, ZIP 2005, 2099 (2100). Sester, ZIP 2005, 2099 (2100). 80  Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528 (532). 79 Vgl.

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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Die stete Unsicherheit, welcher Gesellschafter der Personengesellschaft von den Gesellschaftsgläubigern in Anspruch genommen wird, steht einer möglichst korrekten Risikoanalyse entgegen. Die Gesellschaftergläubiger müssten daher über die langfristige Zahlungsfähigkeit des eigenen Schuldners sowie der Gesellschaft    – an der dieser beteiligt ist    – hinaus, auch die kurzfristige Vermögenssituation aller Gesellschafter in die eigene Risikoanalyse miteinbeziehen. Eine primäre Gesellschafterhaftung könnte daher einer risikoangemessenen Preisbildung für Kredite der Gesellschafter zuwiderlaufen, weil die Unsicherheit über die Inanspruchnahme eines bestimmten Gesellschafters für diesen einen Malus darstellt, der sich nachteilig auf die Güte von Personengesellschaftern im Rechtsverkehr auswirkt. Die Gesellschaftsgläubiger werden demgegenüber ohnehin im Rahmen einer Kreditvergabe die Vermögensverhältnisse der Gesellschafter in ihre Preisbildung und Risikobewertung miteinbeziehen.81 Ebenso stellt sich die Frage, inwiefern auch eine subsidiäre Einstandspflicht der Gesellschafter einen hinreichenden Anreiz schafft, opportunistischem Gesellschafterverhalten     – zulasten der Gesellschaftsgläubiger     – entgegenzuwirken und damit einen ausreichenden Gläubigerschutz zu gewährleisten. 82 Schließlich werden die Privatgläubiger der Gesellschafter im Rahmen von §  128 HGB dadurch schlechtergestellt, dass die Gesellschaftsgläubiger mit einer primären Gesellschafterhaftung etwas erhalten, was sie im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung mit der Gesellschaft privatautonom nicht erwarten konnten. Sowohl durch den Zusammenschluss als verbandsrechtliches Kollektiv als auch durch den gemeinsamen Auftritt als Außengesellschaft im Rechtsverkehr haben die Gesellschafter zum Ausdruck gebracht, gerade nicht primär für eine Gesellschaftsverbindlichkeit einzustehen zu wollen, sondern vorrangig über die Gesellschaft verpflichtet werden möchten. Anders als bei der privatautonomen Verpflichtung zu einer Bürgschaft gewährt §  128 HGB kraft Gesetzes den Zugriff auf das Gesellschaftervermögen ohne eigene rechtsgeschäftlich begründete Schuld. Möchte man, wie die herrschende Meinung, über diese privatautonomen Erklärungszeichen hinaus §  128 HGB eine primäre Gesellschafterhaftung entnehmen, bedarf dies einer hinreichenden rechtlichen Legitimation. So führt die Gesellschafterhaftung, wie sie die herrschende Meinung §  128 HGB entnimmt, bereits kraft der Gesellschafterstellung zu einer Verteuerung von Krediten für die Gesellschafter und damit zu einer Benachteiligung deren Eigenhandelns, ohne dass diese eine persönliche Vorwerfbarkeit trifft. Eine Kompensation für die persönliche Einstandspflicht erhalten die Gesellschafter hingegen erst mit Vollbeendigung der Gesellschaft, wenn sie den Wert ihrer mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Gesellschaft im Rahmen der Auseinandersetzung realisieren. 81 Vgl.

82 Vgl.

Himmer, Das europäische Konzerninsolvenzrecht, S.  171. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  12 ff.

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Einführung

Diese Nachteile für die Gesellschafter sowie für deren Privatgläubiger sind daher im Rahmen der Untersuchung über das §  128 HGB zugrunde zu legende Maß an Gläubigerschutz miteinzubeziehen. IV. Ansatz: Einschränkung vom Grundsatz „wer herrscht, der haftet“ Soweit die herrschende Meinung §  128 HGB den Zweck zuerkennt, den Gleichlauf von Herrschaft und Haftung sicherzustellen, 83 wirft dies die Frage auf, ­inwieweit die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft hinsichtlich der Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit in den verschiedenen Lebenszyklen einer Gesellschaft die damit angesprochene Herrschaft ausüben können. So liegt der Privatrechtsordnung der Ansatz zugrunde, dass derjenige, der selbstbestimmt im Rechtsverkehr agiert, selbstverantwortlich ­dafür einzustehen hat. 84 Daraus folgt, dass ein Legitimationsansatz der persönlichen Gesellschafterhaftung jedenfalls in Situationen wegfällt, in denen den Gesellschaftern bezogen auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft jegliche Einwirkungsmöglichkeit genommen wird. Zwischen der Selbstbestimmung und der Selbstverantwortung des Einzelnen besteht darüber hinaus eine Wechselbeziehung, bei der Einschränkungen auf der einen Seite Begrenzungen auf der anderen Seite bedingen könnten. Bloß mittelbare Herrschaftsmöglichkeiten könnten daher in vermögensrechtlicher Hinsicht auch lediglich mittelbare Verpflichtungen zur Folge haben. Eine Einschränkung des Ansatzes    – „wer herrscht, der haftet“    – ist im Rahmen der Diskussion zur Gesellschafterhaftung im eröffneten Insolvenzverfahren unter dem Durchsetzungsregime des §  93 InsO zu beobachten.85 So scheide eine Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB i. V. m. §  93 InsO für Neuverbindlichkeiten aus, weil die vermögensrelevanten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse mit Verfahrenseröffnung gemäß §  80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehen. Dieses Ergebnis wird teilweise spezifisch insolvenzrechtlich ermittelt, 86 teilweise unter teleologischer Reduktion des §  128 HGB.87 Eine eingeschränkte Anwendung der Gesellschafterhaftung wird auch im Rah83 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; RefE MoPeG zu §  721 BGB-E sowie §  126 HGB-E, S.  190, 286. 84  Flume, Das Rechtsgeschäft, §  4 8.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.13; Neuner, BGB AT, §  1 Rn.  4, §  10 Rn.  11 ff., 27 ff., §  30 Rn.  8 ff., §  32 Rn.  2 ff., 26, §  41 Rn.  8; siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 85 BGH, Uv. 24.9.2009     – IX ZR 234/07, juris-Rn.  10 ff.; BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff.; K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (166 ff.). 86  Vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  12, 14; Aufgabe dieser Rechtsprechung durch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff. 87  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (185); so jetzt auch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  25 ff., 28 f.; inhaltlich abgestimmt mit BGH, Uv. 15.12.2020    – II ZR 108/19, juris-­ Rn.  18 ff., 24, 29, 33 ff., 36 ff., 42 ff.

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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men der Eigenverwaltung angenommen, weil in dieser Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar bei der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin verblieben, die Gesellschaftsorgane aber wie ein Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubigergesamtheit agierten (vgl. §  1 InsO), sodass die Einflussnahmemöglichkeiten der Gesellschafter beschränkt seien.88 Rückschlüsse über die Reichweite des §  128 HGB lassen sich daher gegebenenfalls aus den Auswirkungen von durch den Insolvenzverwalter oder im Rahmen der Eigenverwaltung begründeten Verbindlichkeiten auf die Einstandspflicht der Gesellschafter ableiten. Verallgemeinert findet die gesetzlich angeordnete Einstandspflicht der Gesellschafter dort ihre Grenze, wo die aus §  128 HGB folgende Selbstverantwortung nicht auf ein eigennütziges, selbstbestimmtes Verhalten der Gesellschafter zurückzuführen ist. So könnte der Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung in Anbetracht bloß mitgliedschaftlicher Einflussnahmemöglichkeiten auch während des werbenden Stadiums einer Personenaußengesellschaft eine Einschränkung gesetzlich angeordneter schuldner­ fremder Einstandspflicht bedingen. Ferner regelt §  93 InsO, dass „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden“ kann. Die insoweit vorgesehene zentralisierte Inanspruchnahme der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden ist dem in §  1 InsO verankerten Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung geschuldet. Durch die Einführung des §  93 InsO soll nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein Wettlauf der Gläubiger verhindert werden, weil mit einer primären Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB während des Insolvenzverfahrens ein wirksamer Schutz der Gläubigergesamtheit nur unzureichend realisiert werden könne. 89 Zu diesem Zweck hat §  93 InsO im Rahmen der allgemeinen Wirkungen des eröffneten Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen (vgl. §§  80 ff. InsO) zwei Wirkungsweisen: Einerseits entfaltet die Norm eine Sperrwirkung,90 die sicherstellt, dass die Gesellschaftsgläubiger während des Insolvenzverfahrens wegen einer Forderung gegen die Gesellschaft nicht auf die Gesellschaftervermögen zugreifen dürfen. Andererseits ordnet §  93 InsO eine Ermächtigung an, wodurch der Insolvenzverwalter in die Lage versetzt wird, die Haftungsforderungen hinsichtlich der Gesellschaftsschuld gegen die Gesellschafter der oHG durchzusetzen.91 §  93 InsO überlagert insoweit die gesellschaftsrechtliche Ausgangslage und modifiziert schuld- und gesellschaftsrechtliche Prinzipien für den Fall des wirtschaft88  Vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  12; BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, Anh. §  158 Rn.  47. 89  RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.  140. 90  Zur Fortgeltung des Präventionsprinzips noch unter der KO, Blomeyer, BB 1968, 1461 (1462). 91 Vgl. S. Krüger, NZI 2002, 367 (368 ff.).

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Einführung

lichen Versagens einer Gesellschaft.92 Überwiegend besteht Einigkeit, dass die Regelung des §  93 InsO nicht die Haftungsregelung des §  128 HGB insgesamt beeinflussen kann, weil die insolvenzrechtliche Vorschrift auf dem zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen Verständnis aufzubauen hat.93 An dem aus §  128 HGB folgenden Haftungskonzept kann sich durch die Einführung des §  93 InsO daher nichts grundlegend ändern.94 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung bezieht sich auf den insolvenzrechtlichen Abwicklungsmodus unter dem Regime des §  93 InsO durch den Insolvenzverwalter. Dabei geht es im Kern darum, ob der Insolvenzverwalter die einzelnen aus §  128 HGB folgenden Haftungsforderungen gegenüber den Gesellschaftern realisieren muss95 oder ob er im Sinne einer sog. „Paketlösung“ eine mit Verfahrenseröffnung entstehende neue Gesamthaftungsforderung geltend zu machen hat.96 Zwar können weder die die Gläubigergesamtheit schützende Regelung des §  93 InsO noch eine insolvenzrechtlich veranlasste Beschränkung der Gesellschafterhaftung Auswirkungen auf die unmittelbare Regelungsanordnung des §  128 HGB während des werbenden Stadiums der Gesellschaft haben, die der insolvenzrechtlichen Diskussion über die Reichweite der Gesellschafterhaftung im eröffneten Insolvenzverfahren zugrunde liegenden Argumente können aber gedanklich im Rahmen einer Analyse der aus §  128 HGB folgenden Haftungsverfassung herangezogen werden. Fraglich ist etwa, in welcher Beziehung die Möglichkeit der individuellen Einflussnahme einzelner Gesellschafter auf die 92 Vgl.

Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  348, 357 f. Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  7 ff.; Körber, Die Haftungsabwicklung des persönlich haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S.  45; Marotzke, DB 2013, 681 (682 f.); H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  32 ff.; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  487; Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  14; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (115 f.); ders., ZHR 174 (2010), 163 (166 ff., 175 ff., 182 ff.); siehe auch Armbruster, Die Stellung des haftenden Gesellschafters, S.  157 ff.; H. Prütting, ZIP 1997, 1725 (1732); Windel, KTS 2011, 25 (41 ff.). 94 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  71. 95 Vgl. Blersch/Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  13; Bitter, ZInsO 2002, 557 (561); Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  128 Rn.  23; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  113; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  80; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.25 ff.; Kesseler, DZWIR 2003, 488 (492 ff.); Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, Kap.  6 Rn.  523 ff.; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  479; Oepen, Massefremde Masse, Rn.  210, 239; ders., ZInsO 2002, 162 (166 f.); Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  77; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  47; Runkel/J. M. Schmidt, ZInsO 2007, 578 (580 f.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082 ff.); Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, §  128 Rn.  66; Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  131 ff.; Theißen, ZIP 1998, 1625. 96 Vgl. Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  24 ff.; Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  85 Rn.  75 ff.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  75; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  22 ff., 26; Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  6; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  67; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar InsO, §  93 Rn.  53; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1087); K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209 (1216); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-962. 93 Vgl.

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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kollektiv beherrschte Gesellschaft zu der persönlichen Einstandspflicht der Gesellschafter steht. Mit der dogmatischen Weiterentwicklung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft sowie der damit verbundenen Vermögenszuordnung stellt sich die Gesellschafterhaftung als die Einstandspflicht eines schuldnerfremden Vermögens dar. Daran anknüpfend ergibt sich die Frage, worin die rechtliche Legitimation der Eröffnung eines derartigen Haftungszugriffs liegt, welchen es im Rahmen von schuldrechtlichen Verbindlichkeiten natürlicher Personen regelmäßig nicht gibt. Ausgehend von der Vermögenszuordnung in der oHG ist daher der Regelungszweck des §  128 HGB anhand der Rechtsnatur der oHG als Personenaußengesellschaft zu ermitteln, um daran anknüpfend die Reichweite der Regelungsanordnung des §  128 HGB bestimmen zu können, insbesondere ob die Einstandspflicht eine primäre sein kann.

C. Gang und Gegenstand der Untersuchung Die an die dargestellte Problematik anknüpfende Untersuchung über die Haftungsverfassung in der Personenaußengesellschaft erfolgt unter besonderer Berücksichtigung der oHG, weil §  128 HGB in unmittelbarer Anwendung für diese gilt und die wissenschaftliche Diskussion über die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft eng mit den personenhandelsgesellschaftlichen Regelungen über das Verhältnis der Gesellschafter zu Dritten verbunden war. In der Vergangenheit wurde angenommen, dass man davon Abstand nehmen solle, die aus §  128 HGB folgende Haftungsverfassung ausgehend von der Rechtsnatur der oHG zu ermitteln,97 weil mit §  124 HGB das Verhältnis der oHG gegenüber Dritten hinreichend klar geregelt sei, sodass sich die Bestimmung der Reichweite der Gesellschafterhaftung auf Sinn und Zweck des §  128 HGB beschränken könne. Bei unverändertem Wortlaut des §  128 HGB hat sich die Rechtsnatur der oHG als Personenaußengesellschaft dogmatisch weiterentwickelt. Dies hat eine geänderte Beurteilung der Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft sowie der damit verbundenen getrennten Zuordnung der jeweiligen Vermögensverbindungen zur Folge. Damit zusammenhängend ist eine Beurteilung der Gesellschafterhaftung ausgehend von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft möglich und angezeigt, weil sich anknüpfend an den Allgemeinen Teil des BGB mit der Dreispurigkeit rechtsfähiger Subjekte    – natürliche Person, juristische Person und rechtsfähige Personengesellschaft    – Annahmen über die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft in Abgrenzung zu anderen Rechtssubjekten bestimmen lassen, die eine rechtsformübergreifende und widerspruchsfreie Beurteilung des im Rechtsverkehr von Verbänden zu gewährleistenden Gläubigerschutzes eröffnen. Auf diese Weise ist es möglich, dem durch die Gesellschafterhaftung zu verwirklichenden Gläubigerschutz weitere Kon97 

Fischer, in: Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, S.  815.

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Einführung

turen zu verleihen. Aufbauend auf der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft und der damit verbundenen geänderten Beurteilung der Rechtsbeziehungen in der Gesellschaft sowie der daraus folgenden getrennten Zuordnung der Vermögen von Gesellschaft und Gesellschaf­ tern ist daher das Gläubigerschutzkonzept der herrschenden Meinung zu überprüfen. Die Untersuchung beginnt in Kapitel  1 daher mit den Grundlagen der verbandsrechtlichen Rechtssubjektivität der oHG sowie der gesellschaftsinternen Rechtsbeziehungen (§  2). Entsprechend den Entwicklungen durch das MoPeG, wonach die Gesellschafterhaftung mit identischem Wortlaut in §  721 BGB-E sowie §  126 HGB-E geregelt werden soll, ist es darüber hinaus Anliegen der Untersuchung, verallgemeinernde Grundsätze über die Haftungsverfassung in der Personenaußengesellschaft zu erarbeiten. Vor dem Hintergrund, dass das Erfordernis einer Gesellschafterhaftung in der Personengesellschaft von der herrschenden Meinung mit dem Verweis auf das Kapitalschutzsystem der Körperschaften des Handelsrechts begründet wird, ist dabei zu untersuchen, inwiefern sich die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft von der körperschaftlich verfasster juristischer Personen unterscheidet. In Anbetracht des Umstandes, dass die herrschende Meinung im Rahmen der teleologischen Erwägungen zur Gesellschafterhaftung schwerpunktmäßig argumentiert, es gebe im Recht der Personengesellschaften keinen Kapital- und Liquidationsschutz, ist ein besonderes Augenmerk auf die vermögensrechtlichen Konsequenzen der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft zu legen. Dies betrifft die Zuordnung der getrennten Vermögensverbindungen zu eigenständigen Rechtsträgern, die rechtlichen Befugnisse der einzelnen Gesellschafter und der Gesellschaftergesamtheit hinsichtlich des Vermögens der Gesellschaft sowie die Behandlung der unterschiedlichen Vermögensverbindungen im Rahmen materieller Insolvenzreife der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter. Mit dieser Grundlegung ist sodann anknüpfend an den Wortlaut des §  128 HGB zu untersuchen, wie die Sachverhaltselemente Gesellschafter einer oHG und Verbindlichkeit der Gesellschaft normativ erfasst und derart mit einander verknüpft werden, dass daraus die gesetzliche Verhaltensmaßgabe der Haftung der Gesellschafter folgt. Anknüpfend an diese Ergebnisse soll sich die weitere Arbeitshypothese ergeben, anhand derer die Legitimationsreichweite der Gesellschafterhaftung ermittelt werden soll. Dieser sind diejenigen Annahmen gegenüberzustellen, auf denen das bisherige, aus §  128 HGB von der herrschenden Meinung abgeleitete, Haftungsmodell fußt (§  3). Dabei ermittelte Unstimmigkeiten bei der Anwendung des §  128 HGB sollen in Kapitel  2 der Untersuchung sodann durch ein abweichendes Haftungsmodell reduziert werden, welches dem vollzogenen vermögensrechtlichen Paradigmenwechsel entspricht (§§   4 und 5). Dieses eigenständige Modell ist im Rahmen von Kapitel  3 sodann der Anwendbarkeit in den verschiedenen Lebenszyklen der Personenaußengesell-

§  1 Einleitung und Gegenstand der Untersuchung

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schaften – unter Berücksichtigung parallel verlaufender Insolvenzverfahren von Gesellschaft und Gesellschaftern sowie der masselosen Liquidation – zu überprüfen.98 Ziel der Arbeit ist es herauszuarbeiten, inwiefern eine Modifikation der In­ anspruchnahme von Gesellschaftern für Verbindlichkeiten der Personenaußengesellschaft gegenüber dem derzeitigen Verständnis vorteilhaft ist. Eine erweiterte Anwendung des zu entwickelnden Haftungsmodells auf atypische Gestaltungsformen    – etwa im Rahmen von Publikumsgesellschaften    – sollen hingegen der weiteren Auseinandersetzung in Literatur und Praxis vorbehalten bleiben. Ebenso nicht Gegenstand der Untersuchung soll die Einstandspflicht von Kommanditisten sein. Zwar beruht die Regelungsweise des §  93 InsO auf der des §  171 Abs.  2 HGB, ebenso kommt die Vermögenstrennung in der Person des Kommanditisten (vgl. zu Gesellschaftererben §  139 Abs.  4 HGB) besonders deutlich zum Ausdruck,99 die Einstandspflicht der Kommanditisten wird aber durch dessen Einlage konkretisiert,100 sodass sowohl bei den zugrunde liegenden Wertungen als auch der praktischen Handhabe andere Bewertungen geboten sein können als im Rahmen der anhand von §  128 HGB i. V. m. §  93 InsO zum Ausdruck kommenden Einstandspflicht persönlich haftender Gesellschafter. Soweit angenommen wird, die Haftung des Kommanditisten sei lediglich quantitativ beschränkt aber nicht qualitativ andersartig,101 bleibt damit un­ berücksichtigt, dass mit der Beteiligung als Kommanditist eine gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern abweichende Gesellschafterstellung verbunden ist (vgl. aber §  176 HGB). Ebenso findet eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) nicht statt, weil sich dieses allenfalls punktuell als Reaktion auf die dem §  128 HGB innewohnenden haftungsrechtlichen Probleme darstellt, sich aber in Anbetracht des unionsrechtlichen Umsetzungsdrucks sowie der funktionalen Adressierung der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU) 2019/1023 keine dogmatischen Rückschlüsse auf die Haftungsverfassung in der Personenaußengesellschaft ziehen lassen. Schließlich ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts nicht vertiefter Gegenstand der Untersuchung. Bei dieser handelt es sich gemäß §§  80 f. BGB zwar mit Anerkennung durch die zuständige Behörde auch um eine juristische Person im Sinne von §  14 Abs.  1 BGB.102 Ebenso verfügt die Stiftung verbandsrechtsähnlich über Name, Sitz, Zweck, Vermögen, Satzung sowie Vorstand und §  86 BGB erklärt 98 

Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen, Reiswich, ZInsO 2010, 1809 (1811 ff.). Vgl. etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  54 II 4., S.  1576 ff., §  54 III 4., S.  1588 f.; BGH, Uv. 15.12.2020    – II ZR 108/19, juris-Rn.  18 ff. 100 Vgl. Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42 (48 ff.); Keuk, ZHR 135 (1971), 410 (416 ff., 426 ff., 433 ff.). 101  Fischer, in: Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, 815R. 102  G. Roth, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.9.2020, §  8 0 Rn.  285 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  7 II 2 b, S.  178; Weitemeyer, in: MüKoBGB, §  80 Rn.  108; zusätzlich ein wirksames 99 

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Einführung

einige vereinsrechtliche Vorschriften für anwendbar, mangels Mitgliedern fehlt es ihr aber an einer verbandsrechtlichen Grundlage.103 Demzufolge ist ihrer Anerkennung etwa auch keine Vor-Stiftung vorgeschaltet.104 Soweit im Rahmen der Untersuchung daher von juristischen Personen gesprochen wird, beziehen sich die Ausführungen auf die körperschaftlich verfassten, verbandsrechtlichen Rechtsformen wie die Kapitalgesellschaften des Handelsrechts.

Stiftungsgeschäft fordernd, Neuhoff, in: Soergel, (2000) BGB, §  80 Rn.  1; Steffen, in: RGRKBGB, §  80 Rn.  5. 103  G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  4 A; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  7 II 1 a, 2 d, S.  173, 179. 104  G. Roth, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.9.2020, §  8 0 Rn.  213; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  7 II 2 b, S.  177.

Kapitel  1

Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB §  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB Sinn und Zweck der in §  128 HGB geregelten persönlichen Gesellschafterhaftung richten sich nach allgemeiner Auffassung auf den Schutz der Gläubiger der Gesellschaft sowie die Gewährleistung des Kredits der Personengesellschaft im Rechtsverkehr.1 Die persönliche Gesellschafterhaftung sei insbesondere erforderlich, weil es im Recht der Personengesellschaften    – anders als bei juristischen Personen des Handelsrechts    – keine zwingenden Kapital- bzw. Liquidationsschutzvorschriften gebe. Demgegenüber wird der Gläubigerschutz bei nichtwirtschaftlicher Zweckverfolgung in einer vereinsrechtlichen Rechtsform nach den §§  21, 22, 54 BGB dadurch gewährleistet, dass der Verband    – um seine Rechtsform nicht zu verfehlen und in den Genuss einer Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen zu kommen    – strukturell nicht auf eine Gewinnausschüttung gerichtet sein darf.2 Dies zeigt, dass im Gesellschaftsrecht unterschiedliche gesetzliche Instrumente zur Gewährleistung des Gläubigerschutzes existieren. Über Umfang, Inhalt und Unmittelbarkeit der Einstandspflicht der Gesellschafter trifft der Wortlaut des §  128 HGB keine ausdrücklichen Regelungen. Dieser regelt nur, dass „[d]ie Gesellschafter [einer oHG] für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich [haften.]“ Die konkrete Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung ist dementsprechend anhand von Sinn und Zweck des §  128 HGB zu bestimmen. Eine Auslegung der Vorschrift, die sich wesentlich anhand der schützenswerten Interessen der Gläubiger (Gläubigerschutz) orientiert, begleitet von den Interessen der Gesellschaft sowie den Gesellschaftern (Kreditwürdigkeit), setzt eine Un1  Vgl. BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  17; BGH, Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2242 ff.); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  22; John, Die organisierte Rechtsperson, S.  251; Koechel, NZG 2020, 127 (128); K. Schmidt, JZ 1985, 301 (302); ders., Gesellschaftsrecht, §  18 IV 2, S.  541 ff.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881, I-903; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a bb, S.  536; vgl. Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  58; RegE MoPeG zu §  721 BGB-E, S.  190 f. (S.  115 f. des Mauracher Entwurfs). 2  BGH, Bv. 16.5.2017    – II ZB 7/16, BGHZ 215, 69–81 = juris-Rn.  18 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

tersuchung der Risiken voraus, mit denen die Gläubiger im Rahmen einer Rechtsbeziehung mit einer Personengesellschaft konfrontiert sind. Nur soweit kompensationsbedürftige Risiken bestehen, kann überhaupt ein schützenswertes Interesse nach Gläubigerschutz aufkommen. Zum Zwecke der Identifikation von Gläubigerrisiken bedarf es einer Untersuchung der im Rahmen des §  128 HGB betroffenen Rechtsbeziehungen. So hängt die Frage, inwieweit die Gesellschafterhaftung im Interesse der Gesellschaftsgläubiger unter Berücksichtigung der Belange der Gesellschafter dazu beitragen kann, dass der Gleichlauf von „Herrschaft und Haftung“3 hergestellt wird, davon ab, welche Herrschaftsmöglichkeiten bezogen auf die Begründung von Gesellschaftsverbindlichkeiten sowie hinsichtlich der Möglichkeit, Vermögensbestandteile aus der Gesellschaft abzuziehen, den Gesellschaftern innerhalb einer Personengesellschaft zukommen. Verbunden mit der Frage nach der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft kommen dabei den Beziehungen der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen sowie den darauf bezogenen Berechtigungen maßgebliche Bedeutung zu, weil diese Aufschluss darüber geben, inwieweit die auf das Gesellschaftsvermögen bezogenen Interessen der Gläubiger durch berechtigterweise ausgeübte gesellschaftsrechtliche Befugnisse der Gesellschaft gefährdet sind. So zeigt etwa der Vergleich mit dem System der Normativbestimmungen im Rahmen des Vereinsrechts, dass Gläubigerrisiken kaum bestehen, wenn das Gesellschaftsvermögen zweckgebunden in einem Verband verbleibt.4 Inwieweit Risiken der Gläubiger von Personengesellschaften bestehen, ist daher anhand der im Rahmen von §  128 HGB zugrunde gelegten und hervorgebrachten Rechtsbeziehungen zu ermitteln. Die Vorschrift nimmt eine normative Verknüpfung der Sachverhaltskomponenten „Gesellschafter“ und „Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ derart vor, dass daraus gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft ein „[H]aften“ der Gesellschafter folgt. Damit sind anders als bei einem Schuldverhältnis mit einer natürlichen Person drei Rechtsbeziehungen betroffen: die zugrunde gelegten Verhältnisse der Gesellschafter zur Gesellschaft sowie der Gesellschaft zu ihren Gläubigern und die normativ entstehende Beziehung der Gesellschafter zu den Gesellschaftsgläubigern. Bevor man sich der an den Gläubigerinteressen auszurichtenden Haftung und damit den Rechtsverhältnissen der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zuwenden kann, bedarf es in Anbetracht der normsystematischen Wirkungsweise von §  128 HGB einer Auseinandersetzung damit, wie die Personengesellschaft im Rechtsverkehr agiert und in rechtliche Beziehungen zu ihren Gläubigern tritt. Dies steht in untrennbarem Zusammenhang damit, welche Rechts3 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; RegE MoPeG zu §  721 BGB-­E sowie §  126 HGB-E, S.  190, 286. 4 BGH, Bv. 16.5.2017     – II ZB 7/16, BGHZ 215, 69–81 = juris-Rn.  18 ff.; Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §  21 Rn.  34 ff.; §§  21, 22 Rn.  2 ff., 6 ff.; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  22 Rn.  2; Segna, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2021, §  22 Rn.  2.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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verhältnisse zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern bestehen. Das Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern hängt wiederum maßgeblich von der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft sowie den daraus folgenden Befugnissen und Vermögensverhältnissen ab. Insoweit ist insbesondere das Maß der auf die jeweiligen Rechts­ träger bezogenen Vermögensabschirmung einer vertieften Untersuchung zu unterziehen, weil die gesellschaftsrechtlichen Zugriffsmöglichkeiten auf eine Vermögensverbindung, unmittelbare Auswirkungen auf die Gefährdung von Gläubigern haben, denen im Rahmen einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit ein Teil des Vermögens versprochen wird. Vor dem Hintergrund, dass die herrschende Meinung §  128 HGB für die Personenaußengesellschaften eine gegenüber den juristischen Personen des Handelsrechts kapitalersetzende Funktion zuerkennt und damit die Schutzbedürftigkeit der Gesellschaftsgläubiger anhand der unterschiedlichen Struktur von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften misst, bedarf es ferner einer Untersuchung davon, wie sich die Struktur der beiden Rechtsformtypen unterscheidet. Ebenso ist zu analysieren, inwieweit verbandsrechtliche Gemeinsamkeiten bestehen, die für den Vergleich mit denjenigen Gläubigerrisiken herangezogen werden können, wie sie bei Rechts­verhältnissen zwischen natürlichen Personen bestehen.

A. Vermögenstrennung im Personenverband Die Beurteilung der in §  128 HGB wurzelnden Haftungsverfassung hängt nach der Argumentationsführung der herrschenden Meinung von den Herrschaftsbefugnissen der Gesellschafter auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft sowie den Zugriffsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen ab, indem sie die ­persönliche Gesellschafterhaftung dadurch rechtfertigt, dass nur durch eine solche ein Gleichlauf von Herrschaft und Haftung herzustellen sei sowie, dass das Gesellschaftsvermögen nicht vor einem Zugriff der Gesellschafter geschützt werde.5 Die Analyse der Herrschaftsmöglichkeiten von Personengesellschaftern hat an die in §  14 Abs.  2 BGB zugrunde gelegte Rechtsfähigkeit von Personenaußengesellschaften anzuknüpfen, weil diese die gesellschaftsrechtlichen Befug­nisse der Gesellschafter bedingt. Vor dem Hintergrund der gesamthänderischen Organisation von Personengesellschaften sowie mit Blick auf den Wortlaut der §§  705 ff. BGB, 105 Abs.  3 HGB6 ist die Rechtsfähigkeit der Personen­ außengesellschaft keine Selbstverständlichkeit.7 Zwar sieht §  124 Abs.  1 HGB 5 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  1; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881; RegE MoPeG zu §  721 BGB-E sowie §  126 HGB-E, S.  190, 286. 6 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  63 ff. 7  Siehe BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  5 ff., 10; Emmerich, in: Heymann, HGB, §  124 Rn.  4; Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas,

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

für die oHG vor, dass diese „unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden“ kann, für die Beurteilung der Wirkungsweise des §   128 HGB sowie der diesem zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen ist es aber relevant, ob es sich bei dieser gesetzlichen Regelung etwa um eine konstitutive Anordnung, eine Fiktion oder eine bloße Klarstellung handelt.8 Sowohl die Vermögenszuordnung als auch die an diese anknüpfende Haftungsverfassung hängen von dem Verständnis der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand ab.9 Erst mit einer Einordnung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft lassen sich Rückschlüsse auf die gesellschaftsinterne Zuordnung von Vermögensverbindungen sowie darauf bezogene Befugnisse ziehen, die es sodann erlauben, die Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten auf ihre rechtliche Legitimation hin zu beurteilen. I. Die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft am Beispiel der oHG Die Rechtsnatur der oHG als am Rechtsverkehr teilnehmende Personengesellschaft sowie die davon abhängende Zuordnung der im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Organisationsformen betroffenen Vermögensverbindungen sind entscheidend dafür, welches Subjekt auf welche Weise im Rahmen der von §  128 HGB aufgegriffenen Gesellschaftsverbindlichkeit verpflichtet wird und mit welcher Vermögensverbindung    – als schuldrechtlich in Bezug genommenes Haftungsobjekt    – dafür einzustehen hat. Die von der Rechtsträgerschaft abhängige gesellschaftsinterne Zuordnung der Vermögensverbindungen zu der Gesellschaft bzw. zu den Gesellschaftern    – einzeln oder in ihrer Gesamtheit    – entscheidet darüber, welcher Rechtsträger mit welchem Vermögen bereits im Rahmen der Gesellschaftsverbindlichkeit verpflichtet wird und inwieweit eine Einstandspflicht erst über die Regelung des §  128 HGB angeordnet wird. So hängt die teleologische Beurteilung der Einstandspflicht der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten davon ab, in welchem Verhältnis die Gesellschafter zu den von der Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten stehen, ob diese daran in irgendeiner Form beteiligt sind oder sich rechtlich als unbeteiligte Dritte darstellen. Mit der Rechtsnatur der oHG korrespondiert, wie die HGB, §  124 Rn.  1; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3; ders., JuS 1990, 179 (179 ff.); Kießling, in: FS Hadding, S.  479 ff.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  40; K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495); ders., AcP 209 (2009), 181 (204); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, I. Rn.  700, 702; abweichend, M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  124 Rn.  1; vgl. Flume, ZHR 136 (1972), 177 (184 ff., 191 ff.); so bereits, Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (2 ff.). 8 Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, §  5, S.  69; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, I. Rn.  702. 9 Vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (344 ff.); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  42.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Rechts- und Vermögensbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft ausgestaltet sind, auf Grundlage derer die Regelungsanordnung des §  128 HGB die Haftungsbeziehungen der Gesellschaftsgläubiger zu den Gesellschaftern begründet. Ebenso bestimmt die Rechtsnatur der oHG die innere Struktur der Gesellschaft sowie die damit verbundenen organisationsrechtlichen Beziehungen. Diese stellen die juristischen Hürden dar, die eine rechtlich zu legitimierende gesetzliche Regelung überwinden muss, wenn sie die Einstandspflicht im Außenverhältnis auf eine zusätzliche Vermögensverbindung ausweitet. Die Rechtssubjektivität der Gesellschaft hat schließlich maßgeblich Bedeutungen für die Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen sowie die sonstigen Herrschaftsbefugnisse. Diese sind die rechtlichen Anknüpfungspunkte für die Beurteilung der Gläubigerrisiken, die nach dem Re­ gelungszweck des §  128 HGB durch die persönliche Gesellschafterhaftung ausgeglichen werden sollen. Die wissenschaftliche Diskussion zur Theorie der Gesamthand mündete mit der insoweit ausdrücklichen, gesetzlichen Anerkennung durch §  14 Abs.  2 BGB in einer der zentralen Errungenschaften des 20.  Jahrhunderts: der Rechtsfähigkeit der Gesamthands-Personenaußengesellschaft.10 Die Theorie der Gesamthand beschäftigt sich mit der Frage, ob die Gesamthand ein Rechtssubjekt oder nur ein gebundenes Sondervermögen der Gesamthänder ist.11 Davon hängt ab, ob im Rahmen der schuldrechtlichen Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit die Gesellschaft selbst verpflichtet wird und mit eigenem Vermögen dafür einzustehen hat oder ob die Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit die Verpflichtung der Gesellschafter in ihrer Gesamtheit bedeutet, die für diese mit einem ihnen zugeordneten Sondervermögen einzustehen haben. Bezogen auf die Gesellschafterhaftung bedeutet dies entweder die Einstandspflicht der Gesellschafter für die Verbindlichkeit eines anderen Subjekts oder die doppelte Verpflichtung mit unterschiedlichen Vermögensverbindungen. Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass sich die Funktion der Gesamthand darauf beschränke, das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter als Sondervermögen für die Zwecke der Personengesellschaft zu binden und dass das gesamthänderisch gehaltene Gesellschaftsvermögen als Objekt den Gesellschaftern zur gesamten Hand zustehe.12 Jedes rechtsgeschäftliche Handeln für die Gesellschaft sollte die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter sowohl 10 Grundlegend Flume, ZHR 136 (1972), 177, (177 ff.); ders., Die Personengesellschaft, §§  1 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 III 1; kritisch, Peifer, NZG 2001, 193 (199 ff., 202). 11  Flume, Die Personengesellschaft, §  4 I, II; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 III 1 b; vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3 ff.; Kießling, in: FS Hadding, S.  477 ff.; Peifer, NZG 2001, 193 (194 ff.); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  40. 12  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  61 ff., 106; v. Gamm, in: RGRK-BGB, Vor §  705 Rn.  4; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  3 IV, S.  32 ff.; Peifer, NZG 2001, 193 (194 ff.); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, S.  177; Zöllner, in: FS Gernhuber, S.  563 (576); vgl. Dauner-Lieb, DStR 1998, 2014 (2015); Flume, Die

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

mit ihrem Privatvermögen als auch mit ihrem Gesellschaftsvermögen begründen.13 In der Theorie der Gesamthand hat sich im vergangenen Jahrhundert in Bezug auf die Vermögensträgerschaft ein weitreichender Paradigmenwechsel vollzogen. Während Rechtswissenschaft und Praxis nach traditioneller Gesamt­ handslehre die gesellschaftsrechtliche Gesamthand als bloßes Zurechnungs­ objekt qualifizierten, setzte sich mit dem Gesamthandsverständnis der modernen Gruppenlehre die Erkenntnis durch, dass sich das Gesamthandsprinzip nicht in der bloßen Bündelung der gemeinsamen Vermögensgegenstände zu einem, den über ein Schuldverhältnis gesamthänderisch verbundenen Gesellschaftern zugeordneten,14 Sondervermögen erschöpft,15 sondern dass die gesellschaftsrechtliche Gesamthand in Gestalt der gesellschaftsvertraglich zu einer „Gruppe“ verbundenen Gesellschafter als „Personenverband“16 am Rechtsverkehr teilnehme.17 1. Traditionelle Gesamthandslehre: Gesamthandsvermögen als Sondervermögen der Gesamthänder Während einer juristischen Person als Folge eines staatlichen Verleihungsverfahrens der unwiderlegliche Status als rechtsfähiges Subjekt in der gewählten Rechtsform verliehen wird,18 liegt der oHG als Personenaußengesellschaft im Ausgangspunkt lediglich ein von zwei oder mehr Personen schuldrechtlich vereinbartes Rechtsverhältnis zugrunde.19 Die traditionelle Gesamthandslehre knüpft an den „Normenbefund des Jahres 1900“20 an und gewinnt ihre rechtsdogmatische Legitimation aus §§  718 Abs.  1, 719 Abs.  1 BGB. Dort wird das Gesellschaftsvermögen als gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter lePersonengesellschaft, §  4 I; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  304; K. Schmidt, Gesellschafts­ recht, §  8 III 2 a. 13  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.   61 ff., 106; vgl. ­Flume, Die Personengesellschaft, §  4 I; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  304; siehe zur gesamtschuldnerischen Einstandspflicht oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)aa), Kap.  2 §  5 F. 14  Siehe zur haftungsrechtlichen Relevanz von Schuldverhältnissen unten Kap.  1 §  2 B.II, Kap.  1 §  2 C.II. 15  Siehe zur Bildung von echten Sondervermögen unten Kap.  1 §  2 C.II.4.b). 16  Flume, Die Personengesellschaft, §   7 II, S.   90; Geibel, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2019, §  705 Rn.  184 ff.; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  4; J. Prütting/ Weller, HGB, Rn.  217; insoweit bereits, Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (5). 17 Vgl. Flume, ZHR 136 (1972), 177, (177  ff.); ders., Die Personengesellschaft, §   4 II; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  40; ders., in: MüKoBGB, §  705 Rn.  298; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 III 1; ders., AcP 209 (2009), 181 (182 ff., 186 ff.); Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (114). 18  Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §   21 Rn.  12, 58; Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  21 Rn.  7, 28, §  54 Rn.  12 ff. 19  Vgl. BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  6 f.; Flume, ZHR 136 (1972), 177 (177 f.); Kießling, in: FS Hadding, S.  479 ff.; Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (115); siehe zum Begriff des Rechtsverhältnisses unten Kap.  1 §  2 B.II. 20  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  304.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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galdefiniert. Die Gesellschafter unterliegen insoweit einer gesamthänderischen Bindung, als sie über ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen nicht verfügen können. Nach diesem in Literatur und Rechtsprechung lange zugrunde gelegten Ansatz komme das Gesamthandsprinzip in der gesamthänderischen Bindung des den Gesamthändern zustehenden Sondervermögens zum Ausdruck.21 Rechtsträger des Gesellschaftsvermögens als Sondervermögen sollen danach die Gesamthänder sein.22 Der historische Gesetzgeber des BGB hat sich darauf beschränkt, für das Gesellschaftsvermögen das Gesamthandsprinzip einzuführen, ohne sich damit festzulegen, wie das Wesen der Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand theoretisch zu konstruieren sei; darüber hinaus ist es im Wesentlichen bei der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses als Schuldverhältnis geblieben.23 Diese unvollständige gesetzliche Normierung sowie das „erkennbare Bestreben des historischen Gesetzgebers, eine konkrete Festlegung zu vermeiden, lassen Raum für eine an den praktischen Bedürfnissen der Verwirklichung des Gesamthandsprinzips orientierte Beurteilung“. 24

Der Gesamthandsbegriff wurde unter Rückgriff auf §  718 Abs.  1 BGB (vgl. auch §§  1419 Abs.  1 und 2033 Abs.  2 BGB) auf den Vermögensbezug beschränkt, das Vermögen sollte mehreren in Gesamthandsgemeinschaft zustehen.25 Die Gesamthandsgemeinschaft wurde als „Mehrheit des Subjekts“ in Bezug auf das Gesamthandsvermögen als Objekt und mithin nicht personen- bzw. verbandsrechtlich qualifiziert, sondern vermögensrechtlich.26 Diese vermögensrecht­ liche Ausrichtung hatte zur Folge, dass nicht die Gesamthand als solche Träger von Rechten und Pflichten sein konnte, sondern, dass Rechte und Pflichten der Gesamthand als Rechte und Pflichten der Gesellschafter und die Gesellschafter als Zurechnungssubjekte der die Gesellschaft betreffenden Rechte und Pflichten angesehen wurden. Entgegen dem Wortlaut des §  124 HGB wurde der gesamthänderischen Verbindung die Fähigkeit abgesprochen, Träger von Rechten 21  Zur traditionellen Gesamthandslehre, H. Buchner, AcP 169 (1969), 483 (488, 496, 499, 509); ders., JZ 1968, 622 (622 f.); U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  61 ff., 106; v. Gamm, in: RGRK-BGB, Vor §  705 Rn.  4; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  3 IV, S.  32 ff.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, S.  177; Wiefels, Gesellschaftsrecht, S.  13, 18; vgl. Flume, in: FS Knur, S.  125 ff.; Peifer, NZG 2001, 193 (194 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 III 2 a, 1 b; Zöllner, in: FS Gernhuber, S.  563 (576). 22  RG, Uv. 14.4.1903    – VII 458/02, RGZ 54, 280–282; vgl. H. Buchner, AcP 169 (1969), 483 (490); Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  105 Rn.  7; Kohler, ArchBürgR 40 (1914), 229 (240); Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, S, 177, 205 f.; Wiefels, Gesellschaftsrecht, S.  13. 23  Vgl. BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  6 f.; Flume, ZHR 136 (1972), 177 (178). 24  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  7. 25  H. Buchner, AcP 169 (1969), 483 (490); vgl. Flume, ZHR 136 (1972), 177 (184). 26 Vgl. Flume, ZHR 136 (1972), 177 (185, 187).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

und Pflichten sein zu können.27 Auch die oHG sollte demnach keine Rechts­ fähigkeit besitzen; Träger der durch §  124 Abs.  1 HGB zugesprochenen Fähigkeit, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, sollten vielmehr die Gesellschafter in ihrer vertraglichen Verbundenheit sein.28 Neben der Verbindlichkeit der oHG sollten dementsprechend auch keine selbstständigen Verbindlichkeiten der Gesellschafter bestehen; es bestehe vielmehr nur eine Schuld der Gesellschafter für die diese „nur mit zwei verschiedenen Vermögensmassen haften, einmal mit ihrem gesamthänderisch verbundenen (Gesellschafts-)Vermögen und daneben mit ihrem Privatvermögen“.29 Insbesondere sei die „Haftung der Gesellschafter nicht Haftung für fremde Schuld“.30 Einem Gesamthandsverständnis in diesem Sinne wurden verschiedene konzeptionelle Schwächen vorgeworfen: Wegen §  419 BGB ist ein Gesellschafter, wenn sich ein geschuldeter Gegenstand im gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögen befindet, nicht in der Lage, eine darauf bezogene Schuld alleine zu erbringen.31 Trotz Zuweisung der Gesellschaftsverbindlichkeiten an die Gesellschafter waren die Vertreter der traditionellen Gesamthandslehre gezwungen, zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterschuld zu differenzieren.32 Bei einer von der Gesellschaft abgeschlossenen Verbindlichkeit handelte es sich um „eine ,einheitliche Verpflichtung mit doppelter Wirkung‘ in Bezug auf einerseits das Gesamthandsvermögen, andererseits das persönliche Vermögen der Gesellschafter“.33 Durch eine derartige Vorgehensweise würden aber die „Grenzen zwischen Schuld und Haftung“ verwischt, weil „eine Schuld immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen [könne]“.34 Bei strikter Anwendung des traditionellen Gesamthandsverständnisses müssten Dauerschuldverhältnisse mit der Gesellschaft zudem „bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt werden“.35 Darüber hinaus könne die traditionelle Auffassung nicht begründen, wieso neu in die Gesellschaft eintretende Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollten.36 27 Vgl.

Flume, Die Personengesellschaft, §  4 I, S.  54. H. Buchner, JZ 1968, 622 (622 f.); unter Ablehnung einer Rechtssubjektivität eine partielle Rechtsträgerschaft annehmend, Kämmerer, NJW 1966, 801 (805). 29  H. Buchner, JZ 1968, 622 (623); zur Eröffnung des Konkurses über das den Gesellschaftern gesamthänderisch zugeordnete Gesellschaftsvermögen, Blomeyer, BB 1968, 1461 (1461). 30  H. Buchner, JZ 1968, 622 (623). 31  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  8 . 32  Vgl. BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  8 . 33  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  8 mit Verweis auf Zöllner, in: FS Gernhuber, S.  573. 34  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  8 mit Verweis auf Aderhold, Das Schuldmodell der BGB-Gesellschaft, S.  110 f.; siehe ausführlich zum Verhältnis von Schuld und Haftung unten Kap.  1 §  2 C.II. 35  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  9. 36  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  9. 28 M.w.N.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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2. Vermögensträgerschaft der Gesamthands-Personenaußengesellschaft Wiederum unter Anknüpfung an die „Unvollständigkeit der gesetzlichen Re­ gelung“ hat sich, ausgehend von der deutsch-rechtlichen Gesamthandslehre,37 sodann das Gesamthandsverständnis im Sinne der modernen Gruppenlehre fortentwickelt.38 Danach wird die aus den Gesellschaftern der Gesamthand bestehende Personenmehrheit durch den Gesellschaftsvertrag personenrechtlich zu einer „Gruppe“ verbunden. Nach dieser heute überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung soll diese Gruppe als solche Rechtssubjektivität be­ sitzen, was zur Folge hat, dass ihr das Gesellschaftsvermögen unmittelbar zugeordnet werden kann.39 Dieser Ansatz hat gegenüber dem traditionellen Gesamthandsverständnis den Vorteil, dass er in der Lage ist, die Umwandlung von Personengesellschaften in andere Rechtsformen zu erklären.40 Gesetzliche Anknüpfung der vermögenstragenden Rechtssubjektivität der Gesamthands-Außengesellschaft fand diese Auffassung unter anderem mit §  11 Abs.  2 Nr.  1 InsO, der die Gesellschaft als Trägerin der Insolvenzmasse ansieht.41 Die gesamt­ händerische Verbundenheit der über einen Organisationsvertrag42 zu einem ge37  Insoweit maßgeblich v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Band  1, S.  663, 671 ff., 676, 682 ff.; Wiefels, Gesellschaftsrecht, S.  13; vgl. Raiser, in: FS Zöllner, Band  1, S.  476 ff., kritisch S.  479; K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (497 f.). 38  Flume, ZHR 136 (1972), 177, (188 ff.); ders., in: FS Knur, S.  127 f.; siehe Habersack, AcP 198 (1998), 152 (160); K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (497 f.); ders., ZHR 177 (2013), 712 (713 ff.); ders., AcP 209 (2009), 181 (196 ff.); Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (113 ff.); vgl. SG Stralsund, Uv. 29.11.2013    – S 3 KR 68/10, juris-Rn.  26 ff.; Raiser, in: FS Zöllner, Band  1, S.  480 ff. 39  Vgl. zum Gesamthandsverständnis im Sinne der modernen Gruppenlehre, C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  7, §  105 Rn.  38 ff.; Habersack, AcP 198 (1998), 152 (160); ders., JuS 1990, 179 (180 ff.); ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  2 f.; ders., in: BeckOGK HGB, Stand: 15.12.2020, §  124 Rn.  5; Henssler, PartGG, §  1 Rn.  5, 7; ders., AnwBl 2014, 96 (97 ff.); zur PartG (abweichend noch zur GbR), ders., in: FS Vieregge, S.  362 ff.; Kießling, in: FS Hadding, S.  477 ff.; Martensen, Der Inhalt der unbeschränkten Haftung, S.  21 ff., 53; Mülbert, AcP 199 (1999), 38 (47 ff., 66); Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2082 f.); Wiedemann, in: FS Odersky, S.  925 ff.; unklar, Boesche, in: Oetker, HGB, §  124 Rn.  1; von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  705 Rn.  35, §  718 Rn.  1 f.; kritisch, Ensthaler, in: GemKommHGB, Vor §§  105 ff. Rn.  17 ff.; vgl. BGH, Bv. 3.11.1980    – II ZB 1/79, BGHZ 78, 311–317 = juris-Rn.  19 ff.; BGH, Bv. 16.7.2001    – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291–297 = juris-Rn.  5 ff.; BGH, Bv. 4.12.2008    – V ZB 74/08, BGHZ 179, 102–114 = juris-Rn.  8 ff.; Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  14 ff.; siehe bereits, Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (9); zu „verselbständigten Vermögensmassen“, Graßhoff, in: FS Heinitz, S.  124 ff., 130 ff.; vgl. zum „Vermögen der Gesellschaft“ in §  713 BGB-E RegE MoPeG, S.  17, 119, 169 f. („das historisch überholte Gesamthandsprinzip“); C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1150 f.); kritisch, Schall, ZIP 2020, 1443 (1445 ff.); ebenso mit steuerrechtlichen Erwägungen, Heinze, DStR 2020, 2107 (2107 ff.). 40  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  10; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  42; ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  42; vgl. Henssler, PartGG, §  1 Rn.  3, 34 ff.; zur bloßen Änderung der Haftungsstruktur durch die PartG mbB, ders., AnwBl 2014, 96 (98). 41  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  11; vgl. U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  411 f.; K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (640 f.). 42  Flume, ZHR 136 (1972), 177, (179); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3;

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

meinsamen Zweck43 zusammengeschlossenen Gesellschafter führe dazu, dass diese Gruppe aus mindestens zwei Gesellschaftern44    – und nicht die einzelnen Gesellschafter    – zu einer rechtsfähigen Wirkungseinheit wird und als eigenständiges Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilnimmt.45 Der gesamthänderische Verbund mit einheitlicher Willensbildung werde im Verhältnis zu Dritten als eigenständige Organisation behandelt und sei Beteiligte der rechtlich relevanten, auf die Gesellschaft bezogenen Vorgänge.46 Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand in diesem Sinne sei ihrerseits verselbstständigter Träger von Rechten und Pflichten sowie des Gesellschaftsvermögens.47 §  124 HGB dokumentiere das Gesamthandsprinzip in diesem Sinne und nehme insoweit klarstellende Funktion ein.48 Gleichzeitig geht damit eine Entfernung der „tatsächlichen Rechtslage“ vom Gesetzestext der §§  705 ff. BGB, 736 ZPO einher.49 Im Rahmen der Novellierung des Personengesellschaftsrechts durch das MoPeG soll insoweit wieder ein Gleichklang hergestellt werden.50 Ungeachtet der Anerkennung der Gesamthands-Personenaußengesellschaft als Rechtssubjekt sei diese jedoch nichts anderes als die Mitglieder in ihrer Verbundenheit.51 Der Personenverband lebe nur in der Gruppe der Mitglieder.52 Die Gesamthand als Gruppe sei nicht eine außer den Personen der Gesamthänder noch bestehende Wesenseinheit; soweit das Gesamthandsprinzip gilt, besage dies eine Handlungszuständigkeit und eine Rechtezuständigkeit der Gesamthand, die Gruppe nehme aber als mit Rechtsfähigkeit versehene kollektive Einheit am Rechtsverkehr teil.53 Teilweise wird der Personenaußengesellschaft daher (lediglich) „GesamtHenssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  70; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  139; Ulmer, AcP 198 (1998), 113, (150). 43 Vgl. Lüdeking, AcP 220 (2020), 303 (305 ff.). 44  Siehe insoweit zur personengesellschaftsrechtlichen Sozietätskonstruktion unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a). 45  Flume, ZHR 136 (1972), 177, 177 ff.; Habersack, JuS 1990, 179 (181); Kießling, in: FS Hadding, S.  478; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  40; vgl. Henssler, PartGG, §  1 Rn.  5, 42; ders., BB 2010, 2 (2); Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  13; vgl. zu den Elementen der Rechtsperson, John, Die organisierte Rechtsperson, S.  72 ff. 46  F. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, §  7 IV. 47 BGH, Uv. 29.1.2001     – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  13; BGH, Uv. 25.9.2006    – II ZR 218/05    – NJW 2006, 3716 (3717), Rn.  14; Kießling, in: FS Hadding, S.  478 f.; v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, Vorbemerkungen zu §  741 bis 758 Rn.  9; K. Schmidt, NJW 2001, 993; Ulmer, ZIP 2001, 585. 48  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3; Mülbert, AcP 199 (1999), 38 (66); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB§  105 Rn.  42; Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (151); Werten­bruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, I. Rn.  702. 49  Habersack, JuS 1990, 179 (180); Henssler, BB 2010, 2 (2); siehe zu §  736 ZPO unten Kap.  1 §  3 B.II.1.d)dd), §  8 A.IV. 50  Vgl. RegE MoPeG. S.  1 f., 111 f. (S.  70 f., 145 des Mauracher Entwurfs). 51  Flume, ZHR 136 (1972), 177, (189); Habersack, JuS 1990, 179 (181); vgl. Kießling, in: FS Hadding, S.  485. 52  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  45 I 2 b; ders., ZIP 2014, 493 (498). 53  Flume, ZHR 136 (1972), 177 (187 ff.).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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rechtsfähigkeit“ zuerkannt.54 Hintergrund ist die in §  705 BGB zum Ausdruck kommende sozietätsmäßige Konstruktion von Personengesellschaften (sog. Sozietätsmodell) 55 im Unterschied zu einer ganz auf die Gesellschaft bezogenen Satzungsverfassung, wie sie bei juristischen Personen vorzufinden ist.56 Mithin sei die Gesamthand im Außenverhältnis lediglich weitgehend verselbstständigt und von der Gruppenzugehörigkeit ihrer Gesellschafter abhängig.57 Zwar dokumentiere §  124 HGB das Gesamthandsprinzip, jedoch erhalte die oHG im Unterschied zu juristischen Personen lediglich eine firmenrechtliche Verfestigung des Gesamthandsprinzips, sodass weiterhin lediglich die Gesellschafter in ihrer personenrechtlichen Verbindung am Rechtsverkehr teilnähmen und in dieser Verbundenheit die Fähigkeit selbstständiger Rechtsträgerschaft erführen.58 Sie könnten daher nicht als juristische Person behandelt werden.59 Spätestens mit Einführung des §  14 BGB60 hat der Gesetzgeber das auf der deutsch-­ rechtlichen Gesamthandslehre aufbauende Verständnis der „Gruppe“ als drittem rechtsfähigen Subjekt (nach natürlicher sowie juristischer Person) aufgegriffen und die Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft als Vermögensträger anerkannt. 61 Die oHG ist demnach bereits aufgrund ihrer Rechtsnatur als personen(handels)gesellschaftsrechtliche Außen-Gesamthand entsprechend der Legaldefinition des §  14 Abs.  2 BGB nicht bloß teilrechtsfähig, sondern rechts­ fähig, ohne dass es insoweit eines Rückgriffes auf §  124 HGB bedarf. 62 Der zwischenzeitlich verwendete Begriff der „Teilrechtsfähigkeit“ ist darauf zurückzuführen, dass lange „in Übereinstimmung mit dem römischen Recht angenommen wurde, nur die natürliche und die juristische Person könnten rechtsfähig sein“. 63

54 

Beuthien, JZ 2003, 715 (720 f.). Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a); zu den diesbezüglichen Reformen anderer Rechtsordnungen, Fleischer/Cools, ZGR 48 (2019), 463 (496 ff.). 56 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2; ders., ZIP 2014, 493 (498). 57  Boesche, in: Oetker, HGB, §  124 Rn.  1. 58  Flume, ZHR 136 (1972), 177 (194). 59 Vgl. zur terminologischen Trennung, C. Schäfer, in: MüKoBGB, Vor §   705 Rn.  12 f., §  705 Rn.  307 ff.; K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  6; kritisch zur Terminologie der Gesamthand, Kießling, in: FS Hadding, S.  493. 60  Vorschrift eingefügt durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27.6.2000 (BGBl. I S.  897), in Kraft getreten am 30.6.2000. 61  Vgl. zur Insolvenzfähigkeit der oHG gemäß §  11 Abs.  2 Nr.  1 InsO unten Kap.  1 §  2 A. II.3. 62  Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  13; vgl. K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712; Ulmer, ZIP 2001, 585 (589); siehe bereits, Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (7, 9). 63  Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  13; vgl. ders., ZIP 2019, 2082 (2083); Habersack, JuS 1990, 179 (181 f.); K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  124 Rn.  7; Ulmer, ZIP 2001, 585 (588 f.). 55 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

3. Verbandsrechtliche Rechtssubjektivität der GesamthandsPersonenaußengesellschaft Wie weit die Zweckbindung des der Personenaußengesellschaft zugeordneten Gesellschaftsvermögens reicht und inwieweit umgekehrt die Gesellschafterprivatvermögen von dem Vermögen der Gesellschaft getrennt sind, hängt von dem Grad der Verselbstständigung der Personenaußengesellschaft als Rechtssubjekt im Rechtsverkehr von ihren Gesellschaftern ab. Zu untersuchen ist insbesondere, wie weitreichend die Verselbstständigung der Personenaußengesellschaft über den werbenden Zustand der Gesellschaft hinaus zu qualifizieren ist, etwa im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Liquidation mit der Folge der Voll­ beendigung oder hinsichtlich einer Auflösung der Gesellschaft als Folge eines eröffneten Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen. Davon hängt es wiederum ab, welche Gläubigerrisiken bei einem Rechtsverhältnis mit einer Personenaußengesellschaft in Abgrenzung zu solchen mit natürlichen bzw. juristischen Personen existieren. Fraglich ist, ob die gesetzliche Anerkennung der Rechtsfähigkeit mit einer über das Gesamthandsverständnis im Sinne der modernen Gruppenlehre hinausgehenden Verselbstständigung der Personenaußengesellschaften einhergeht. Es stellt sich die Frage, welchen Grad an Verselbstständigung die Gesellschaft mit der Anerkennung ihrer Eigenschaft als Rechtssubjekt erfährt. Die Rechtsprechung scheint die Personenaußengesellschaft nicht mehr notwendig an die Verbundenheit der Gesellschafter zu knüpfen, indem sie die Außen-Gesamthand als ein „von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt“ anerkennt; Personenaußengesellschaften verfügten angesichts der Gesamthand als Grundstruktur jeder Personengesellschaft bei Auftritt im Rechtsverkehr über eine „eigene[…] Rechtspersönlichkeit“. 64 Im Schrifttum wird die als Außengesellschaft am Rechtsverkehr teilnehmende Personengesellschaft teilweise bereits als juristische Person qualifiziert. 65 Eine solche einheitliche rechtliche Einordnung vereinfachte auch in dieser Untersuchung eine rechtsformübergreifende Beurteilung der Gläubigerrisiken von Gesellschaften. Ausschließlich die Fähigkeit, selbstständig Träger von Rechten und Pflichten zu sein, sei geeignet, eine durchgängige und juristisch aussagekräftige Grenzlinie zwischen einer Gesamthand und einer juristischen Person zu ziehen, weil nur diese eine eindeutige Zuordnung ermögliche. 66 Daher seien alle Verbandsformen, denen das geltende Recht eine eigene Rechtsfähigkeit verleiht, den juristischen Personen zuzurechnen. 64  BGH, Uv. 5.3.2008    – IV ZR 89/07, BGHZ 175, 374–383 = juris-Rn.  15; Hervorhebung durch den Verfasser. 65  Raiser, AcP 194 (1994), 495 (503 ff.); ders., in: FS Zöllner, Band  1, S.  469 ff., 474 ff.; Klingbeil, AcP 217 (2017), 848 (871 ff., 876 ff.); ders., ZfPW 2020, 150 (176); so bereits Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (1 ff.); Kohler, ArchBürgR 40 (1914), 229 (259 ff.); a. A. Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (119 ff., 151); ders., ZIP 2001, 585 (588). 66  Raiser, AcP 194 (1994), 495 (503, 510 f.).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Inhalt und Umfang der den am Rechtsverkehr teilnehmenden Gesamthands­ gemeinschaften sowie den juristischen Personen gewährten Rechtsfähigkeit unterschieden sich nicht. 67 Dies ergebe sich maßgeblich aus der Möglichkeit einer identitätswahrenden Umwandlung zwischen den verschiedenen Verbandsformen. 68 Demgegenüber seien weder die Haftungsordnung, die Verschiedenheit der inneren Verfassung, die rechtliche Struktur der Mitgliedschaft, der Unterschied von Gesellschaftsvertrag und Satzung, der Bestandsschutz, der Gegensatz von Selbst- und Fremdorganschaft noch die Möglichkeit von Einmitglieds-­ Gesellschaften geeignet, zu einer tragfähigen Abgrenzung beizutragen. 69 Die Begriffsgegensätze zwischen Personenverband und Verbandsperson oder Gruppe und Organisation könnten zwar zu einer gewissen allgemeinen Orientierung beitragen, jedoch beschränke sich deren Anknüpfungspunkt auf die innere Realstruktur des Verbandes.70 Die Realstruktur rechtfertige es wiederum, anknüpfend an unterschiedliche Interessenlagen von Mitgliedern und Gläubigern, unterschiedliche Regelungsregime zur Anwendung zu bringen. Für die gesellschaftsrechtliche Gesamthand als drittem, der juristischen Person vorgelagertem dogmatischem Modell bestünde folglich kein Bedürfnis mehr.71 Für eine verbandsrechtliche Gleichbehandlung von Personenaußengesellschaften    – als gesamthänderisch verfasste Verbände    – und körperschaftlich verfassten juristischen Personen spricht, dass es nicht das Gesamthandsvermögen ist, welches die Grundlage für die Einheitlichkeit der Gesellschaft bildet, sondern der den Verband als solchen konstituierende Gesellschaftsvertrag in seiner Ausprägung als Organisationsvertrag.72 Dieser bildet die Grundlage für die Existenz des Personenverbandes als, auf den gemeinsamen Willen der Gesellschafter zurückzuführende, durch ihre Organe handlungsfähige, verbandsrechtliche Organisationseinheit.73 Mit der Existenz des Personenverbandes als Rechtssubjekt wird zugleich das der gesamthänderischen Bindung unterliegende Verbandsvermögen konstituiert, wie es jedenfalls in den auf Einlagenzahlung gerichteten Sozialansprüchen der    – ab diesem Zeitpunkt rechtsfähigen    – Gesellschaft gegen die Gesellschafter zum Ausdruck kommt.74 Mit der Konstituierung als Personenverband werden die im Rahmen der Gründung zwischen den Gesellschaftern 67 

Raiser, AcP 194 (1994), 495 (504). Raiser, AcP 194 (1994), 495 (498 f., 511). 69  Raiser, AcP 194 (1994), 495 (505 ff.); ebenfalls Klingbeil, AcP 217 (2017), 848 (875). 70  Raiser, AcP 194 (1994), 495 (503, 511 f.). 71  Raiser, AcP 194 (1994), 495 (512). 72 Vgl. Dröge/Simon, in: Kölner Hdb HGB, Kap.  9 Rn.  30; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  70; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  136 ff., 139; ­Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (150); Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  53, 69. 73  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  41; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.I. 74  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  266, 270; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa) sowie insoweit zur bloßen Innengesellschaft unten Kap.  1 §  2 A.I.7; vgl. RegE MoPeG zu §  713 BGB-E sowie zum Leitbildwandel, S.  118 ff., 169 f. 68 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

schuldrechtlich vereinbarten Beitragsleistungen der Gesellschaft als eigene Ansprüche zugeordnet. Die oHG entsteht als Personenverband durch die privat­ autonome Vereinbarung eines konstituierenden gemeinsamen Verbandszwecks.75 Angesichts des davon zu unterscheidenden handelsrechtlichen Unternehmenszwecks ist die oHG notwendig Außengesellschaft und im Unterschied zu nicht am Rechtsverkehr teilnehmenden Gesamthandsgesellschaften unbedingt rechtsfähig (so auch §  124 HGB).76 Das Erfordernis der Eintragung in das Handels­ register ist dabei für die Existenz des Verbandes irrelevant, weil diese lediglich der Vermeidung von Rechtsformverfehlungen dient. Die verbandsrechtliche Gleichartigkeit von Personenaußengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen zeigt sich insbesondere    – einhergehend mit der Rechtssubjektivität    – anhand der Möglichkeit der identitätswahrenden Umwandlung einer Gesamthands-Personenaußengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft (und umgekehrt) nach den §§  191, 214, 226 UmwG.77 Dabei handelt es sich auch nicht um eine die Rechtsfähigkeit fingierende gesetzliche Anordnung. Die spezial­ gesetzliche Eröffnung der Gesamtrechtsnachfolge ist vielmehr Ausdruck des­sen, dass ein Personenverband unabhängig von seiner Rechtsform durch die Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks als Verband existent wird. Kraft dieses konstituierenden privatautonomen Aktes wird der Verband als (Gründungs-) Or­ganisation ins Leben gerufen. Das dieser Personenverbindung zugewiesene Vermögen wird mit Konstituierung des Verbandes von dem jeweiligen Gesellschaftervermögen mit dinglicher Wirkung abgespalten. Vor dem Hintergrund, dass der Normenkomplex über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aber noch an den Normenbefund des 19.  Jahrhunderts anknüpft und insbesondere nicht zwischen der rechtlichen Struktur von Innenund Außengesellschaften differenziert,78 wird überwiegend eine vollständige terminologische Gleichstellung von Personenaußengesellschaften und verbandsrechtlichen juristischen Personen abgelehnt.79 Es müsse auf die gesetzlich angelegte strukturelle Gleichartigkeit von oHG und GbR Rücksicht genommen werden;80 eine Anerkennung als juristische Person komme nicht in Betracht, 75 Vgl.

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  4 ff. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3 f.; C. Schäfer, in: Habersack/ Schäfer, HGB, §  105 Rn.  38 ff., 46. 77 Vgl. Mülbert, AcP 199 (1999), 38 (50 ff.); Habersack, JuS 1990, 179 (182); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  51 ff., 56; siehe auch Begr. zu §  707c BGB-E RegE MoPeG sowie zur Änderung des UmwG, S.  122, 145, 155 ff., 313 ff. 78  Vgl. insoweit zur Reformbedürftigkeit der Personengesellschaft, C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt; Henssler, Verhandlungen des 71. DJt, Band  II/1, O 56 f.; ders., BB 2010, 2 (2 f.); ders., in: FS Hommelhoff, S.  402, 412 ff., 415 mit Vorschlägen für de lege ferenda zu regelnden Grundformen personengesellschaftsrechtlicher Vereinigungen. 79  Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 I 3 b; Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (119 ff., 151); ders., ZIP 2001, 585 (588); Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  12. 80 Vgl. K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712 (722). 76 Vgl.

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wenn sie nicht umfänglich auf die Außen-GbR erstreckt werden könne. Eine Qualifikation als verbandsrechtliche, juristische Person sei erst möglich, wenn feststehe, dass jede Außen-GbR den Status einer „kleinen oHG“ einnehme.81 Einer verbandsrechtlichen Gleichbehandlung stehe darüber hinaus das in §  705 BGB zum Ausdruck kommende Sozietätsmodell der Personengesellschaften entgegen.82 Eine terminologische Behandlung der Personenaußengesellschaften als nicht-körperschaftliche juristische Person solle dem zukünftigen wissenschaftlichen Diskurs überlassen bleiben.83 Mit der getrennten Adressierung von juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften in §  14 Abs.  1 BGB ist jedenfalls gesetzlich eine separate wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Personenverbänden und Körperschaften angelegt. Dies hat aber nicht notwendig zur Folge, dass die beiden Verbandsformen ungeachtet etwa­ iger struktureller Unterschiede nicht mit Blick auf ihre verbandsrechtlichen Gemeinsamkeiten    – als Allgemeiner Teil des Verbandsrechts    – einheitlich untersucht und behandelt werden können. Dies betrifft insbesondere die zusätz­lichen Risiken solcher Gläubiger, die, anstatt mit einer natürlichen Person in ein Schuldverhältnis einzutreten, eines mit einem Verband begründen. Auch für die weitergehende Untersuchung kommt es nicht darauf an, ob rechtsfähige Personengesellschaften als ein Unterfall der juristischen Person zu behandeln sind. Maßgeblich sind vielmehr einerseits die in der Rechtssubjektivität mündenden verbandsrechtlichen Gemeinsamkeiten sowie andererseits die Frage nach denkbaren an die Realstruktur anknüpfenden haftungsrechtlichen Unterschieden zwischen einer Personenaußengesellschaft und einer körperschaftlich verfassten Verbandsorganisation. Ungeachtet der Qualifikation der    – gesamthänderisch verfassten    – Personenaußengesellschaften als juristische Person herrscht heutzutage jedenfalls dahingehend weitgehende Einigkeit, dass diese als Rechtsträger Inhaber des Gesellschaftsvermögens sind.84 Mit Blick darauf können die Bezeichnungen der oHG als rechtsfähige Personengesellschaft, Personenaußengesellschaft, Außengesamthand, gesellschaftsrechtliche Gesamthand oder Personenverband weitestgehend synonym verwendet werden, je nachdem welche Facette der Organisation hervorgehoben werden soll. Ebenfalls Einigkeit besteht darüber, dass mit der Teilnahme eines Personenverbandes am Rechtsverkehr die gesamthänderische Komponente der Personengesellschaft in das für die Entstehung als Rechtssubjekt relevante Innenverhältnis gedrängt und im Außenverhältnis durch die verbandsrechtliche Komponente überlagert wird. So ist gemeinsame verbands81 Ablehnend,

Schwab, in: FS Hommelhoff, S.  1093 ff. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a, b; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a); vgl. Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  53. 83  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 I 3 b. 84 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  5 ff.; ebenso RegE MoPeG zum Leitbildwandel, S.  114 ff., zu den §§  705 ff. BGB-E, S.  141 ff. 82 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

rechtliche Voraussetzung für die Entstehung einer rechtsfähigen Gesellschaft das Vorliegen eines Organisationsvertrages, 85 durch den der Verband über die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks als solcher konstituiert wird.86 Konsequenz dieses Verbandsverständnisses ist es, dass strukturelle Unterschiede von rechtsfähigen Personengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen kaum noch festzustellen sind. 87 Mit der Konstituierung des Verbandes erhalten die Gesellschafter nur einen Anteil an der Gesellschaft, die Mitgliedschaft ist insoweit ihr einziges Recht. 88 Soweit teilweise von einer gesamthänderischen Mitberechtigung der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen die Rede ist, so meint dies unter Anknüpfung an §  718 Abs.  1 BGB lediglich die mitgliedschaftliche Berechtigung der Gesellschafter.89 Mit der Bündelung der Gesellschafterrechte und -pflichten in dem Rechtsinstitut der Mitgliedschaft geht notwendigerweise die in §  719 Abs.  1 BGB zum Ausdruck kommende Unübertragbarkeit der gesamthänderischen Berechtigung an dem Gesellschaftsvermögen einher.90 Davon zu trennen ist die Übertragbarkeit der Mitgliedschaft als solche.91 Auch der Personenverband ist in seiner Existenz grundsätzlich von einem Wechsel der Mitglieder unabhängig; das Personengesellschaften zugrundeliegende sog. Sozietätsmodell führt lediglich dazu, dass der Personenverband von einem gewissen Mindestmitgliederbestand abhängig ist.92 Die ausschließlich mitgliedschaftliche Verbindung der Gesellschafter mit der Gesellschaft veranschaulicht, dass auch ein Personenverband eine ganz erhebliche Verselbstständigung gegenüber den Gesellschaftern erfährt.93 Die verbandsrechtliche Konstituierung führt mithin dazu, dass der Personenverband wie eine juristische Person getrennt von der gesamthänderischen Personenverbindung existiert und jedenfalls dann unabhängig von die85  Ulmer, AcP 198 (1998), 113, (150); Flume, ZHR 136 (1972), 177, (179); C. Schäfer, in: ­Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  139; Kießling, in: FS Hadding, S.  492. 86 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  124 Rn.  3 f.; Kießling, in: FS Hadding, S.  480 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  20; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  4 ff.; zum historischen Verständnis unter Anknüpfung an den Gesellschaftsvertrag sowie §  123 HGB, Wiefels, Gesellschaftsrecht, S.  29 f. 87  Siehe zu den verbleibenden strukturellen Unterschieden unten Kap.  1 §  2 A.I.5. 88  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.4 ff.; vgl. Habersack, Die Mitgliedschaft    – subjektives und „sonstiges“ Recht; Lutter, AcP 180 (1980), 84. 89  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   124 Rn.  6 , 9 f.; C. Schäfer, in: Habersack/ Schäfer, HGB, §  105 Rn.  275. Demgegenüber soll §  713 BGB-E des MoPeG das „Gesellschafts­ vermögen“ bzw. das „Vermögen der Gesellschaft“ regeln, vgl. RegE MoPeG, S.  17, 169 f.; ­k ritisch insoweit zur künftigen Qualifikation als Gesamthandsvermögen, ders., ZIP 2020, 1149 (1150 f.); die Bezeichnung als Gesamthandsvermögen ablehnend, Bachmann, in: 2. FS K. Schmidt, Band  1, S.  49 ff. 90 Vgl. Kießling, in: FS Hadding, S.  486 ff. 91  K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181 (195 f.); zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen, §  711 BGB-E RegE MoPeG, S.  164. 92  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a) 93 Vgl. Wiedemann, WM 1992, 3 (4 ff.).

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ser agiert, wenn wenigstens zwei Mitglieder die Personenverbindung aufrechterhalten.94 Von einem Marktauftritt der „Gruppe“ kann kaum noch die Rede sein. So ist die Personenaußengesellschaft jedenfalls von ihrem konkreten Mitgliederbestand unabhängig. Bei diesem Verständnis des Personenverbandes beschränkt sich das gesamthänderische Substrat auf die von §§  718 bis 720 BGB „gewollte, rechtliche Absonderung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter“.95 Wichtig bleiben daher die Feststellungen Flumes zum Verhältnis von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen.96 Unbestreitbarer Verdienst der modernen Gruppenlehre ist es mithin, dass die Personen­ außengesellschaft als Rechtssubjekt und Träger des Verbandsvermögens nunmehr auch gesetzlich anerkannt wird. Sobald eine gesellschaftsrechtliche Außen-Gesamthand also am Rechtsverkehr teilnimmt, hat dies notwendig eine Vermögensbildung    – jedenfalls in Form der der Personenaußengesellschaft zugewiesenen Sozialansprüche gegenüber den Gesellschaftern    – und die diesbezügliche Trägerschaft des Personenverbandes zur Folge.97 Die Weiterentwicklung des gesamthänderischen Gruppenverständnisses hin zu einer rechtsformübergreifenden dogmatischen Betrachtung von Personen­ außengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen als zivilrechtlichen Korporationen unter dem allgemeinen Begriff des Verbandsrechts ermöglicht im Rahmen der weiteren Untersuchung rechtsformübergreifend die Identifikation von verbandsspezifischen Risiken, denen Gläubiger einer Gesellschaft im Unterschied zu einer Forderung gegenüber einer natür­ lichen Person ausgesetzt sind. An solchen Gefahren hat sich die Auslegung einer dem Gläubigerschutz dienenden Regelung    – wie §  128 HGB    – zu orientieren. Für eine rechtsformübergreifende verbandsrechtliche Würdigung von Gläubigerrisiken spricht insbesondere die gleichartige Struktur der Mitgliedschaft. 4. Konstituierender Verbandszweck und gleichartige Struktur der Mitgliedschaft Alle zivilrechtlichen Personenvereinigungen haben die Vereinbarung eines überindividuellen Verbandszwecks zum gemeinsamen, den Verband als solchen konstituierenden Element.98 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich zum Bei94 

Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.5.a). Vgl. BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  8; Kießling, in: FS Hadding, S.  482 ff.; kritisch zur Qualifikation als Gesamthandsvermögen mit Blick auf die Regelung des §  713 BGB-E des MoPeG (Mauracher Entwurf), C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1150 f.); siehe auch, Bachmann, in: 2. FS K. Schmidt, Band  1, S.  49 ff. 96  Flume, ZHR 136 (1972), 177 (191). 97  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  266, 270; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa) sowie zur Innengesellschaft unten Kap.  1 §  2 A.I.7. 98  Kießling, in: FS Hadding, S.  480 f.; G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  10 A.II; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  20; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  4 II 1; ders., AcP 209 (2009), 181 (192 f.); siehe bereits oben Kap.  1 §  2 A.I.3. Gerade insoweit 95 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

spiel um eine (Vor-)Gründungsgesellschaft, einen nicht-rechtsfähigen Verein, eine GbR, PartG, oHG oder KG, einen eingetragenen bzw. konzessionierten Verein, eine Genossenschaft, GmbH, AG oder eine supranationale EU-Gesellschaftsform (EWIV, SE oder SCE) handelt. Ausgehend von diesem verbandsrechtlichen Grundsatz können Umwandlungen in andere Rechtsformen unter Wahrung der rechtlichen Identität des Vermögensträgers erfolgen (vgl. §§  191, 214, 226 UmwG). Mit der Vereinbarung eines gemeinsamen Gesellschaftszwecks, der über eine bloße Innengesellschaft hinausgeht,99 findet eine Verselbstständigung des Verbandsvermögens in der Hand des durch den Verbandszweck konstituierten Rechtssubjekts statt.100 Das Gesellschaftsvermögen kommt jedenfalls in Gestalt der mit dem Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern vereinbarten Beitragsleistungen mit der Konstituierung des Verbandes zur Entstehung, indem diese der Gesellschaft als Sozialansprüche zugeordnet werden, ohne dass es eines besonderen Einbringungsaktes der Gesellschafter bedürfte.101 Die aus der privatautonomen Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks102 resultierende Verbandsmitgliedschaft weist eine gleich­ artige, rechtsformunabhängige Struktur auf.103 Es ist diese mitgliedschaftliche Verfassung, die privatrechtliche Verbände von kooperativen Schuldverhältnissen unterscheidet.104 Bei personenidentischer Umwandlung des Verbandes bleibt die Mitgliedschaft im Grundsatz unverändert. Die Gleichartigkeit der durch einen Gesellschaftsvertrag    – in seiner Ausprägung als Organisationsvertrag    – vermittelten Mitgliedschaft ist unabhängig von der tatsächlichen Struktur des Verbandes, ob dieser also auf vertraglicher, personalistischer Grundlage gegliedert ist oder eine satzungsmäßige, körperschaftliche Struktur aufweist.105 unterscheiden sich Personengesellschaften und Körperschaften von der bürgerlich-rechtlichen Stiftung, im Rahmen derer an die Stelle eines durch die Verbandsmitglieder vereinbarten Zwecks die Zweckbestimmung des Stifters über das Vermögen tritt; vgl. G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  4 A, siehe aber §  10 A; Weitemeyer, in: MüKoBGB, §  80 Rn.  1. In Ermangelung eines solchen selbstgegebenen Zwecks der Mitglieder ist der Anerkennung i. S. v. §  80 BGB auch keine Vor-Stiftung vorgeschaltet; vgl. G. Roth, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.9.2020, §  80 Rn.  213; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  7 II 2 b, S.  177. 99  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.6, Kap.  1 §  2 A.I.7. 100  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  20, 266; vgl. bereits, Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (7, 9). 101  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  266, 270; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa). 102 Vgl. Lüdeking, AcP 220 (2020), 303 (305 ff.). 103  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   105 Rn.  41, 204 ff.; vgl. Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  227 ff.; Foerster, Die Zuordnung der Mitgliedschaft, S.  43 ff. 104  Lutter, AcP 180 (1980), 84 (92 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  19 I 1 a. 105 Vgl. Altmeppen, GmbHG, §  14 Rn.  13; Götze, in: MüKoAktG, Vor §   53a Rn.  5 ff.; ­Habersack, Die Mitgliedschaft    – subjektives und „sonstiges“ Recht, S.  92 ff.; Saenger, in: Saenger/Inhester, GmbHG, §  14 Rn.  6; Lieder, in: Oetker, HGB, §  105 Rn.  6 4; Lutter, AcP 180 (1980), 84 (97 ff., 158); Reichert/Weller, in: MüKoGmbHG, §  14 Rn.  47 ff.; C. Schäfer, in: MüKo­BGB, §  705 Rn.  185 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  169; Verse, in: Henssler/ Strohn, GesR, HGB, GmbHG §  14 Rn.  33 f.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Streitigkeiten, die aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern resultieren, müssten daher konsequenterweise zwischen diesen auszutragen sein und nicht zwischen den Gesellschaftern.106 Demgegenüber variiert die mitgliedschaftliche Treuepflicht mit der Art und Weise der realen Verbandsstruktur.107 Auch das Gesetz knüpft sowohl an die Art des Verbandszwecks als auch an die Verbandsstruktur die unterschiedlichsten recht­ lichen Konsequenzen. So kategorisieren die Gesetze in erster Linie zwischen der personalistischen Organisation privatrechtlicher Vereinigungen sowie solcher mit körperschaftlicher Struktur. Gleichwohl kommen Mischformen dergestalt in Betracht, dass sich sowohl Personengesellschaften körperschaftlich strukturieren können (zum Beispiel Publikums-KGs wie Geldanlage-Schifffonds; häufig als GmbH & Co. KG) als auch Körperschaften personalistische Elemente aufweisen können (etwa personalistisch geprägte Idealvereine). So können Personenhandelsgesellschaften organisatorisch nah an eine Aktien­ gesellschaft heran reichen, spiegelbildlich kann die Handlungsverfassung einer GmbH mit wenigen Gesellschaftergeschäftsführern sehr der einer Personenhandelsvereinigung ähneln. Auch wenn man die Personenaußengesellschaft mit dem Gesamthandsverständnis im Sinne der modernen Gruppenlehre nicht losgelöst von ihren Gesellschaftern als Organisation verselbstständigen möchte, sondern den Gesellschaftern als Gruppe die Fähigkeit zuerkennt, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können, so ist diese Gruppe in vermögensrechtlicher Hinsicht selbst Inhaber des Gesellschaftsvermögens.108 Die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter kommen mithin nicht in einer Berechtigung am Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck, sondern in einem Anteil an der Gesellschaft selbst. Vor diesem Hintergrund regeln die sog. An- bzw. Abwachsung nach §  738 Abs.  1 BGB keine relevante Veränderung des Gesellschaftsvermögens, sondern die „eigentlich selbstverständliche[…]“ Folge, dass die Vermögensträgerschaft des Verbandes von einem Wechsel der Mitglieder unabhängig bleibt, sodass der „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ im Sinne von §  738 Abs.  1 BGB den Wert der Mitgliedschaft bezeichnet.109 Der strukturelle Unterschied zwischen Personengesellschaften und Körperschaften besteht danach keinesfalls kraft Natur der Sache.110 Der Umstand, dass bestimmte Vereinigungsformen den Status als juristische Person erlangen kön106  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV e, §  19 III 1 b; siehe aber BGH, Uv. 30.4.1984    – II ZR 293/83, BGHZ 91, 132–138 = juris-Rn.  4. 107  Vgl. zur oHG, A. Hueck, in: FS Hübner, S.  78 ff. 108  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  41; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a. 109  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a; vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  41; Wiedemann, WM 1992, 3 (37 ff.); abweichend, Kießling, in: FS Hadding, S.  489 f., 497. 110 Siehe unten Kap.   1 §  2 A.I.5; C. Schäfer, in: MüKoBGB, Vor §  705 Rn.  12 f., §  705

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

nen, beruht auf der gesetzgeberischen Entscheidung, die Einhaltung eines bestimmten gesetzesspezifischen, formalisierten Verfahrens damit zu würdigen, dass dieses in dem Status als juristische Person mündet. Die maßgebliche Konsequenz für die Mitglieder einer juristischen Person liegt darin, dass an den Erwerb dieses Status regelmäßig die Rechtsfolge einer sog. „Haftungsbeschränkung“ anknüpft. Einer solchen liegt in der Regel die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass Vorschriften über die Kapitalbildung und -erhaltung, gestützt durch die Anordnung bestimmter Informations- bzw. Registerpflichten, einen hinreichenden Gläubiger- und Mitgliederschutz gewährleisten und damit eine Abschirmung der Privatvermögen der Mitglieder rechtfertigen.111 Bei nichtwirtschaftlicher Zweckverfolgung genügt es im Rahmen des Normativsystems der §§  21, 22, 54 BGB sogar, wenn die Verbandsorganisation strukturell nicht auf eine Gewinnausschüttung gerichtet ist.112 Ferner geht mit dem Status als juristische Person regelmäßig ein normativer Vertrauensschutz für die Mitglieder hinsichtlich der formal gewählten Rechtsform einher. Bis zum Entzug des Status als juristische Person durch das Registergericht bedeutet dieser auch bei Rechtsformverfehlungen daher die unwiderlegliche Anerkennung als Rechtssubjekt in der gewählten Rechtsform.113 Rechtsformspezifische Formvorschriften werden aus Verkehrsschutzgesichtspunkten unter Anknüpfung an den einer Außengesellschaft stets zugrunde liegenden Verbandszweck durch die Lehre von der „fehlerhaften Gesellschaft“ flankiert.114 Dieser liegt die Annahme zugrunde, dass die fehlerhaft in Vollzug gesetzte Gesellschaft ebenfalls ein an einen gemeinsamen, rechtsgeschäftlich vereinbarten Zweck rückanzuknüpfendes Gemeinschafts- und Organisationsverhältnis darstellt.115 In Ermangelung juristischer Personen vergleichbarer gläubigerschützender Regelungen wird überwiegend vertreten, dass bei Personenaußengesellschaften eine „HaftungsbeRn.  307 ff.; indes zur Strukturbildung von Gesellschaftstypen, Begr. zu §  711 Abs.  1 Satz  2 BGB-E RegE MoPeG, S.  165. 111  Vgl. aber zur umgekehrten normativen Legitimierungsbedürftigkeit einer persönlichen Haftung der Mitglieder, etwa auf dem Weg zum Erwerb des Status als juristische Person, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  18 IV 1 b; G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  3 A.III; siehe Raiser, in: FS Lutter, S.  637 ff. 112  BGH, Bv. 16.5.2017    – II ZB 7/16, BGHZ 215, 69–81 = juris-Rn.  25, 32; BGH, Bv. 11.9.­ 2018    – II ZB 11/17, juris-Rn.  20 f.; A. Arnold, in: 2. FS K. Schmidt, Band  1, S.  37 (44); Fehrenbach, ZHR 182 (2018), 191 (197 ff.); Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  21 Rn.  104; Segna, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2021, §  21 Rn.  164 f.; teilweise unter dem Merkmal der „Selbstlosigkeit“, Schwennicke, in: Staudinger (2019) BGB, §  21 Rn.  49. 113 Vgl. Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §  21 Rn.  12; Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  21 Rn.  7, 28, §  54 Rn.  12 ff. 114  Vgl. zur fehlerhaften Gesellschaft sowie zur Abgrenzung zu einer bloß „faktischen“ Gesellschaft, für die es auf ein Vertragsverhältnis nicht ankäme mit der Folge einer schlichten Scheingesellschaft, M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, HGB §  105 Rn.  75 ff.; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  125 ff., 188 ff.; K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  156 ff. 115 M.w.N. M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, HGB §  105 Rn.  76.

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schränkung“    – jedenfalls bei rechtsformtypischer Struktur    – nicht in Betracht komme.116 Die Gleichartigkeit der Struktur der Mitgliedschaft ist von dem personengesellschaftsrechtlichen Prinzip der sog. „Einheitlichkeit der Mitgliedschaft“117 (negativ formuliert: „Unzulässigkeit von Mehrmitgliedschaftsrechten“)118 abzugrenzen. Darunter wird im Personengesellschaftsrecht der Grundsatz verstanden, dass bereits angesichts des unmittelbaren rechtlichen Zusammenhangs der Mitgliedschaft mit der Stellung des Mitglieds als Vertragspartner des Gesellschaftsvertrages gemäß §  705 BGB eine Mehrfachbeteiligung einer Person an ein und demselben Vertragsverhältnis ausscheidet; das personenrechtliche Verhältnis führe dazu, dass jedes Mitglied nur als einzelne Person in einer Rechtsbeziehung zu den anderen Mitgliedern stehen könne.119 Angesichts der Tatsache, dass ein Mitglied einer Personengesellschaft nicht mehrere Anteile in seiner Person vereinigen könne, scheide auch eine Einmitglieds-Personengesellschaft aus.120 Vor dem Hintergrund der organisationsrechtlichen Verselbstständigung juristischer Personen können Mitglieder körperschaftlicher Verbände demgegenüber, wie auch durch das Gesetz vorgesehen (§§  5 Abs.  2 Satz  2, §  15 Abs.  2 GmbHG, §§  8, 23 Abs.  2 Nr.  2 AktG), unproblematisch mehrere Gesellschaftsanteile halten. Wenn in einer Personengesellschaft an den Gesellschaftsanteilen demgegenüber Rechte Dritter bestehen (zum Beispiel Nießbrauch oder Pfandrecht), soll der Grundsatz der „Einheitlichkeit der Mitgliedschaft“ Einschränkungen unterliegen, die es rechtfertigen, dass eine einzelne Person auch in einer Personengesellschaft dem Grunde nach mehrere Gesellschaftsanteile selbstständig nebeneinander halten kann.121 Die Frage, inwieweit ein Mitglied 116  BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  14 ff.; vgl. RegE MoPeG zu §  721 BGB-E, S.  190 f. (S.  115 f. des Mauracher Entwurfs). 117  Vgl. BGH, Uv. 11.4.1957    – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106–115 = juris-Rn.  17 ff.; BGH, Uv. 1.6.1987    – II ZR 259/86, BGHZ 101, 123–130 = juris-Rn.  9 ff.; Heidel, in: NK-BGB, §  705 Rn.  115, 184; ders., in: Heidel/Schall, HGB, §  105 Rn.  35; Enzinger, in: MüKoHGB, §  109 Rn.  27; Kießling, in: FS Hadding, S.  483, 496 ff.; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  105 Rn.  133; Lieder, in: Oetker, HGB, §  105 Rn.  40 f.; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  187; ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  72; A. Sieveking, in: FS Schippel, S.  505 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  76 ff.; Ulmer, ZHR 167 (2003), 103 (104 ff.); Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 Rn.  47; Wiedemann, in: FS Zöllner, Band  1, S.  635, 639 ff.; Zöllner/U. Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  47 Rn.  20; vgl. Grunewald, in: MüKoHGB, §  161 Rn.  4 f.; kritisch, Bippus, AcP 195 (1995), 13 (16 ff.) m. w. N.; ablehnend, Esch, BB 1996, 1621 (1624 ff.). 118  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5. 119 Vgl. C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.   187; siehe auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 c; a. A. insbesondere Priester, ZIP 2014, 245; ders., in: MüKoHGB, §  120 Rn.  93 mit gewichtigen Argumenten sowie m. w. N. 120  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5. 121  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a)dd); vgl. C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  188; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  105 Rn.  135; Lieder, in: Oetker, HGB, §  105 Rn.  41; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  77 f.; siehe auch Bippus, AcP 195 (1995), 13 (21);

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in einem Verband über mehrere Gesellschaftsanteile verfügen kann, steht indes in keinem rechtlich relevanten Zusammenhang mit der Struktur der Mitgliedschaft als solche. Jede Mitgliedschaft steht nur einem Rechtsträger zu. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen personalistisch organisierten Verband handelt oder um eine körperschaftlich strukturierte Vereinigung. Bei subjektiv ungeteilter Mitgliedschaft ist lediglich eine Mehrung von Rechten und Pflichten sowie eine formale Trennung verkörperter Gesellschaftsanteile möglich. Fallen die Mitgliedschaften von ursprünglich mehreren Trägern in der Hand eines Rechtssubjekts zusammen, führt dies stets auch zu einer Vereinigung der verschiedenen Rechtspositionen in einer einzigen Mitgliedschaft. §  16 Abs.  1 Satz  1 GmbHG veranschaulicht, dass auch mehrere kapitalgesellschaftsrechtliche Anteile an einer Körperschaft nicht zu mehreren Mitgliedschaften in der Person des Mitglieds führen; im Verhältnis zur Gesellschaft ist ausschließlich die in der Mitgliederliste abgebildete, persönliche Inhaberschaft von Gesellschaftsanteilen maßgeblich (vgl. §  40 GmbHG).122 Die Verkörperung der mitgliedschaft­ lichen Gesellschaftsanteile führt dazu, dass diese formal getrennt gehalten werden, auch wenn lediglich eine Person deren Inhaber ist, materiell-rechtlich bilden sie jedoch nur eine einzelne Mitgliedschaft ab (sog. „körperschaftsrechtliche Mehrmitgliedschaftsrechte“).123 Eine in formal unterschiedlichen Anteilen angelegte, getrennte Rechtewahrnehmung    – etwa im Sinne einer geteilten Stimmabgabe    – kommt allenfalls in Betracht, wenn das Mitglied sachlich gerechtfertigten, unterschiedlichen Bindungen unterliegt (zum Beispiel gegenüber einem Treugeber, Pfandgläubiger oder Nießbraucher)124 und es sich damit um Mehrfach-Mitgliedschaften handelt.125 Grundsätzlich sind die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten aber personen- und nicht anteilsbezogen.126 Die Gleich­ artigkeit der Struktur der Mitgliedschaft führt mithin dazu, dass auch im Kapitalgesellschaftsrecht     – soweit keine Verkörperung der Gesellschaftsanteile stattgefunden hat    – der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft zugrunde gelegt werden kann. Dieses Verständnis kommt auch in dem rechtsformunabhängig maßgeblichen sog. Abspaltungsverbot zum Ausdruck (vgl. §  717 Satz  1 BGB).127 Nach diesem können einzelne mitgliedschaftliche Rechte Esch, BB 1993, 664 (644 ff.); ders., BB 1996, 1621 (1621 ff.); Lüttge, NJW 1994, 5 (5 ff.); Weimar, ZIP 1997, 1769 (1769 ff.); vgl. RegE MoPeG, S.  165. 122  Vgl. zum insoweit maßgeblichen strengen Listenprinzip, KG, Uv. 10.12.2015    – 23 U 99/15, juris-Rn.  17 ff.; OLG Bremen, Uv. 21.10.2011    – 2 U 43/11, juris-Rn.  28 ff. 123 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 c; abweichend, Kießling, in: FS Hadding, S.  497 f. 124  RG, Uv. 2.2.1938    – II 174/37, RGZ 157, 52–61 (57 f.); Zöllner/U. Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, §  47 Rn.  20; vgl. Drescher, in: MüKoGmbHG§  47 Rn.  40 f. 125  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a)dd). 126 Vgl. Zöllner/U. Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §   47 Rn.  20; Esch, BB 1996, 1621 (1624 ff.). 127  Kießling, in: FS Hadding, S.  482 f., 489.

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und Pflichten nicht dauerhaft von der Mitgliedschaft als solche abgetrennt übertragen werden.128 Umgekehrt ist es auch in der Personengesellschaft möglich, dass ein Mitglied über mehrere Anteile verfügt, wenn diese teilweise mit Rechten Dritter belastet sind.129 Der personengesellschaftsrechtliche Grundsatz der „Einheitlichkeit der Mitgliedschaft“ trifft dementsprechend keine Aussage über die Struktur der Mitgliedschaft, er ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass im Personengesellschaftsrecht bei Personenidentität nach überwiegender Auffassung grundsätzlich keine formale Trennung der mitgliedschaftlichen Rechte in Gestalt verschiedener stelbstständiger Anteile fortgeführt werden könne. Dies beruht aber weniger auf einem strukturellen Unterschied der personengesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft, als auf der gegenüber §§  5 Abs.  2 Satz  2, 15 Abs.  2 GmbHG, §§  8, 23 Abs.  2 Nr.  2 AktG abweichenden gesetzlichen Regelung des §  738 Abs.  1 Satz  1 BGB, der eine Anwachsung der Anteile anordnet.130 Das Prinzip der Anwachsung greift unabhängig davon, ob Gesellschaftsanteile rechtsgeschäftlich erworben werden oder ob ein Gesellschafter aus der Gesellschaft austritt.131 Zwar handelt es sich bei dem rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Gesellschaftsanteils anders als bei dem Ein- bzw. Austritt eines Gesellschafters im Ausgangspunkt nicht um ein Problem von An- bzw. Abwachsung, sondern um eine Frage der Rechtsnachfolge.132 Jedoch führt das Prinzip der Anwachsung dazu, dass auch der Hinzuerwerb eines nicht mit Rechten Dritter belasteten Gesellschaftsanteils zur Folge hat, dass sich diese mit den bestehenden Anteilen in einer Mitgliedschaft vereinigen. Diese personengesellschaftsrechtliche Wirkungsweise führt dazu, dass ein Personenverband, der notwendig auf einem Fundament schuldrechtlich verbundener Mitgliedschaften beruht,133 grundsätzlich nur von mehreren Gesellschaftern getragen werden kann, weil es anderenfalls zu einer verbandsschädlichen Vereinigung in einer einzigen Mitgliedschaft käme.134 Die gesetzliche Anordnung der Anwachsung stellt eine normative Anerkennung der Sozietätskonstruktion der Personengesellschaften als Ausprägung der personengesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung dar. Wenn alle Anteile in einer Person zusammenfallen bedeutet dies, dass die 128 Vgl. Altmeppen, GmbHG, §  13 Rn.  13, §  14 Rn.  2 2; Drescher, in: MüKoGmbHG, §  47 Rn.  75; Lieder, in: Oetker, HGB, §  109 Rn.  18; Reichert/Weller, in: MüKoGmbHG, §  14 Rn.  119; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  109 Rn.  25 ff., §  119 Rn.  68 ff.; Schwennicke, in: Staudinger (2019) BGB, §  38 Rn.  281 ff.; Westermann, in: Erman, BGB, §  38 Rn.  2; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  8 Rn.  27 ff. 129  Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.5.a)dd). 130  Siehe bereits oben zur abweichenden vermögensrechtlichen Relevanz, Kap.  1 §  2 A.I.3. Anders als §  738 BGB soll §  712 BGB-E des MoPeG ausdrücklich die Anwachsung der Gesellschaftsanteile regeln, RegE MoPeG, S.  16, 166 f.; vgl. C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1151). 131  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   105 Rn.  41; abweichend, Kießling, in: FS Hadding, S.  497. 132  Bippus, AcP 195 (1995), 13 (26). 133  Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.5.a). 134  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.b).

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gesamthänderische Existenzgrundlage der Personenaußengesellschaft entfällt und dem dauerhaften Fortbestand als Einmitglieds-Personengesellschaft entgegensteht.135 Ungeachtet verbandsrechtlicher Gemeinsamkeiten von Personenaußengesellschaften und Körperschaften sowie des Umstandes, dass die Personenaußengesellschaft Träger von Rechten und Pflichten sowie Inhaber eines Gesellschaftsvermögens sein kann (vgl. §  14 Abs.  2 BGB, §  124 HGB), ist es in erster Linie dieses der Organisationsverfassung geschuldete gesetzliche Leitbild der sozietätsbedingten Anwachsung, welches der Zulässigkeit einer Einmitglieds-Personengesellschaft entgegensteht, nicht hingegen eine gegenüber einer körperschaftlich verfassten juristischen Person abweichend ausgestaltete Mitgliedschaft.136 Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Einheitlichkeit der ­Personengesellschaft kommt vor diesem Hintergrund in Betracht, wenn die Anwachsung aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist, und deswegen eine Sonderzuordnung eines Gesellschaftsanteils erforderlich wird.137 Von der gleichartigen Struktur der Mitgliedschaft zu unterscheiden ist die Frage, welche personengesellschaftsrechtlichen Anforderungen an die Verbindung der einzelnen Mitgliedschaften in der Personengesellschaft zu stellen sind.138 5. Verbleibende „strukturelle“ Unterschiede zu verbandsrechtlichen juristischen Personen Die gleichartige Struktur der verbandsrechtlichen Mitgliedschaft zeigt, dass alle Außengesellschaften mit der Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks sowie der Teilnahme am Rechtsverkehr gegenüber ihren Mitgliedern und gegenüber dem Rechtsverkehr in juristischer sowie vermögensmäßiger Hinsicht eine weitreichende Verselbstständigung erfahren.139 Dies gilt unabhängig davon, ob man Personenaußengesellschaften wie die oHG als rechtsfähige Gesamthandsgesellschaften oder juristische Personen qualifiziert. Denn vor dem Hintergrund der anerkannten Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaften sowie deren Vermögensträgerschaft hat bereits das Gesamthands­ verständnis im Sinne der modernen Gruppenlehre zur Konsequenz, dass über den formalen Akt der staatlichen Anerkennung des Status als juristische Person hinaus,140 strukturelle Unterschiede von rechtsfähigen Personengesellschaften 135 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   105 Rn.  72 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 b; Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 HGB Rn.  149; a. A. Priester, ZIP 2014, 245; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.d)cc), Kap.  1 §  2 A.I.5.a). 136 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495); Priester, ZIP 2014, 245. 137  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a)dd). 138  Siehe dazu im Folgenden Kap.  1 §  2 A.I.5. 139 Vgl. Kießling, in: FS Hadding, S.  491 ff. 140 Vgl. Beuthien, ZIP 2011, 1589 (1594 f.); Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §   21 Rn.  13; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  7. Auch die bürgerlich-rechtliche Stiftung i. S. v. §  80 BGB, der kein Verbandscharakter zukommt, erfährt ihren Status als juristi-

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und körperschaftlich verfassten juristischen Personen kaum noch festzustellen sind.141 So erfolgt mit der Anerkennung der Personenaußengesellschaft als Rechtssubjekt nach außen eine völlige Verselbstständigung der gesamthänderischen Organisation. Dies kommt maßgeblich in deren Vermögensträgerschaft zum Ausdruck.142 Auch bei Anerkennung einer gesamthänderischen Verfassung der Personenaußengesellschaft genießt diese angesichts der in der Mitgliedschaft zum Ausdruck kommenden verbandsrechtlichen Struktur gegenüber ihren Gesellschaftern ein erhebliches Maß an Selbstständigkeit; in der Praxis kann der Personenverband daher im Außenverhältnis wie eine juristische Person agieren. a) Personengesellschaftsrechtliches Sozietätsmodell Nach verbreiteter Auffassung sollen es aber gerade die noch verbleibenden „strukturellen“ Unterschiede sein, die einer verbandsrechtlichen Gleichbehandlung von Personenaußengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen entgegenstehen.143 Etwaige strukturelle Unterschiede zwischen Personenaußengesellschaften und verbandsrechtlichen juristischen Personen könnten Aufschluss über das Maß der Verselbstständigung des Personenverbandes gegenüber seinen Mitgliedern sowie über das damit verbundene Risiko der Gesellschaftsgläubiger geben, anhand derer sich das durch §  128 HGB zu begegnende Regelungsbedürfnis konkretisieren lässt. Anknüpfend an den Normtext der §§  705 ff. BGB, §§  105 ff. HGB seien insbesondere entscheidende Unterschiede in der Organisationsverfassung zu beobachten.144 Maßgebliches Charakteristikum von Personengesellschaften soll das sog., in §  705 BGB, §§  105, 161 HGB zum Ausdruck kommende, „Sozietätsmodell“ sein,145 wonach eine Personengesellschaft für ihren Fortbestand gesellschaftsvertraglich verbundene Mitglieder benötigt (sog. Vertragsprinzip).146 Demgegenüber bedarf es sche Person durch einen Akt staatlicher Anerkennung; vgl. G. Roth, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.9.2020, §  80 Rn.  199 ff., 285 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  7 II 1 a, 2 b, d, S.  173 ff.; Weite­meyer, in: MüKoBGB, §  80 Rn.  1, 108. 141 Vgl. zu dieser terminologischen Trennung, Henssler, Verhandlungen des 71. DJt, Band  II/1, O 54 ff.; C. Schäfer, in: MüKoBGB, Vor §  705 Rn.  12 f., §  705 Rn.  307 ff.; ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  38 ff.; K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  6; siehe aber ders., AcP 209 (2009), 181 (201); ders., ZGR 27 (1998), 633 (641); kritisch zu dieser Terminologie, Kießling, in: FS Hadding, S.  492 f. 142 Vgl. Kießling, in: FS Hadding, S.  492 f. 143 Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, §  7 I; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  7, §  105 Rn.  38 ff.; Neubauer/Herchen, in: MünchHdb. GesR I, §  67 Rn.  2; Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (122 ff.); ders., ZIP 2001, 585 (588); zunehmend kritisch, K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181 (201); ders., ZGR 27 (1998), 633 (641); ebenso Begr. zu §  711 BGB-E RegE MoPeG, S.  164 f.; a. A. Raiser, in: FS Zöllner, Band  1, S.  469 ff., 484 f. 144  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   105 Rn.  38 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a ff. 145  Siehe bereits Kap.  1 §  2 A.I.2 sowie Kap.  1 §  2 A.I.4. 146  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 I IV 2 a; siehe Habersack, in: Habersack/Schäfer,

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etwa gemäß §  2 AktG und §  1 GmbHG für die Errichtung einer Kapitalgesellschaft mittels eines „Gesellschaftsvertrages“    – der Satzung    – lediglich einer Person. An diesen „Fundamentalgrundsatz des Personengesellschaftsrechts“147 anknüpfend sollen sowohl eine Einmitglieds-Personengesellschaft als auch der Erwerb eigener Anteile durch die Personengesellschaft ausgeschlossen sein. Hintergrund sei, dass einerseits das Gesellschaftsverhältnis in Anbetracht der schuldrechtlichen Anknüpfung an §  705 BGB bei Fortfall des zweitletzten Gesellschafters    – durch Konfusion148    – erlösche149 und der letzte Gesellschafter Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft werde sowie, dass andererseits die Personenaußengesellschaft vor dem Hintergrund des Sozietätsmodells nicht Vertragspartner des ihre Grundlage bildenden Gesellschaftsvertrages sein könne.150 In organisationsrechtlicher Hinsicht sei bei dem Fortfall des zweitletzten Gesellschafters der Konfusion des schuldrechtlichen Verhältnisses sowie der daraus folgenden Gesamtrechtsnachfolge eine Anwachsung des Gesellschaftsan­ teils des Ausscheidenden vorgeschaltet (sog. „anwachsende Verschmelzung“).151 aa) Problematik der alleinigen Eigenbeteiligung des Personenverbandes Gegen das auf diese Weise verstandene personengesellschaftsrechtliche Sozietätsmodell wird vorgebracht, mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft gehe einher, dass sich die Rechte der Gesellschafter auf die Mitgliedschaft beschränkten und die Gesellschafter infolgedessen nur noch

HGB, §  124 Rn.  2; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  5, 38; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  80; ders., Gutachten E zum 71. DJt, S.  47; ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  16, 70, 74, 136 ff.; K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  194; A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  25; v. Proff, DStR 2016, 2227 (2227); kritisch, Weimar, ZIP 1997, 1769 (1771 f.), der dies lediglich für die Gründung der Gesellschaft verlangt. 147 Vgl. Tröger, JZ 2016, 834 (839 f.) mit Verweis auf C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt. 148  Die Rechtsfigur der Konfusion ergibt sich aus §  241 Abs.  1 Satz1 BGB, indem dieser zwei Personen für das Bestehen eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne erfordert. Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.5.a)bb); vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (355 f.). 149 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   105 Rn.  57; Kruth, NZI 2011, 844 (845 ff.); anders noch zum Zusammenfallen von Leistensollen und Bekommensollen, v. Gierke, in: FS v. Martitz, S.  41. 150  M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  105 Rn.  30; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  39, 74, 97; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 b.; ders., in: MüKoHGB, §  105 Rn.  92; a. A. Priester, ZIP 2014, 245 (246 ff.); vgl. Kruth, NZI 2011, 844 (845 f.); C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, C. III. 2; Tröger, JZ 2016, 834 (839 f.); eine Umwandlung unter ­A nwachsung des Gesellschaftsvermögens annehmend, Henssler, PartGG, §  1 Rn.  42; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (355 ff.). 151 Vgl. Henssler, PartGG, §  1 Rn.  42; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   105 Rn.  57, Vor §  105 Rn.  21; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.I.5.a)bb); vgl. §  712a BGB-E RegE MoPeG, der die Gesamtrechtsnachfolge    – auch für die oHG    – ausdrücklich als Ausübungsrecht vorsieht, S.  16 f., 119, 167 f., zur Ablehnung der diesbezüglich vorgeschalteten Anwachsung sowie zur Funktion als Umwandlungsinstrument, S.  168.

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durch eine anteilige Berechtigung an der Gesellschaft verbunden seien.152 Daher kämen wie bei körperschaftlich verfassten juristischen Personen eigene Anteile von Personengesellschaften etwa als flexibles Finanzierungsinstrument oder zur Thesaurierung der Mitgliedschaft in Betracht (vgl. §  71 AktG, §  33 GmbHG).153 Das Sozietätsmodell stehe dem nicht entgegen; zwar sei der Gesellschaftsvertrag insoweit Schuldvertrag als er die Rechte und Pflichten der daran Beteiligten festlege, zugleich sei er aber auch Organisationsvertrag,154 weil er einen privatrechtlichen Verband konstituiere.155 Insoweit komme dem Gesellschaftsvertrag wie einer Satzung dergestalt normative Bedeutung zu, dass er für und gegen derzeitige sowie zukünftige Gesellschafter Wirkung entfalte, weil Personengesellschaftsanteile und mithin die Mitgliedschaft als solche als Rechts­objekt übertragen werden können und damit jeglicher Rechtsnachfolge zugänglich seien.156 Eine solche Betrachtungsweise hätte zur Folge, dass die Gesellschaft auch alleiniger letzter Gesellschafter an sich selbst sein könnte. bb) Normative Beschränkungen durch das Sozietätsmodell Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit ist demgegenüber nicht notwendig mit der Möglichkeit von Einmitglieds-Personengesellschaften bzw. von Anteilen der Gesellschaft an sich selbst verbunden.157 Das Sozietätsprinzip kann vielmehr neben die verbandsrechtliche Abstraktion der gesellschaftsvertraglich vermittelten Verbundenheit treten, wie sie in der auf die Anteile beschränkten Beziehung der Gesellschafter zur Gesellschaft in Form der verbandsrechtlichen Mitgliedschaft zum Ausdruck kommt. Die Eigenschaft des Gesellschaftsvertrages als Organisationsvertrag führt nicht zu einer Ausschaltung Sozietätsprinzips.158 Die Konstituierung eines Verbandes über die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszweckes ist nicht notwendig mit der Annahme verbunden, dass dieser Verband vollständig unabhängig von einem Mindest-Mitgliederbestand zu existieren hat. Zwar kann auch die personengesellschaftsrecht­liche Mitgliedschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf Dritte übertragen werden,159 jedoch er152 Vgl. Priester, ZIP 2014, 245 (246 f.); so auch Weimar, ZIP 1997, 1769 (1772) in Bezug auf den Fortbestand wirksam gegründeter Personengesellschaften; a. A. C. Schäfer, in: MüKo­ BGB, §  705 Rn.  62 ff., 80, m. w. N. zu beiden Auffassungen in Rn.  61. 153  Priester, ZIP 2014, 245 (245, 248); vgl. zu §   71 AktG, Bezzenberger, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, §  71 Rn.  2; ausdrücklich abweichend §  711 Abs.  1 Satz  2 BGB-E RegE MoPeG, S.  16, 164. 154 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  139; Kießling, in: FS Hadding, S.  492. 155  Priester, ZIP 2014, 245 (247). 156  Priester, ZIP 2014, 245 (247); vgl. zur PartG, Henssler, PartGG, §  9 Rn.  120 ff. 157 Vgl. Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  61; Röder, ZHR 184 (2020), 457 (479 ff.); K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495 ff.); C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  62; ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  72 ff., 97. 158 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  139. 159 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  45 III 2 a.

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fordert dies unter Anknüpfung an §  705 BGB ein jedenfalls antizipiert gegebenes Einverständnis der übrigen Gesellschafter. Die gegenüber körperschaftlich verfassten juristischen Personen strukturell gleichartige Mitgliedschaft als solche erfährt durch das Sozietätsmodell demgegenüber keine materiellen Einschränkungen, vielmehr unterliegt die Rechtsform Personenaußengesellschaft lediglich einer normativen Beschränkung, indem die Kumula­tion der Gesellschaftsanteile in der Person eines Mitglieds zu einem Wegfall des dogmatischen Fundaments der Personengesellschaft führt, weil die Sozietätskonstruktion der Personengesellschaft auf der gesamthänderischen Beteiligung Dritter aufbaut.160 Dies hat zur Folge, dass die Gesellschaft bei nur einem G ­ esellschafter aufhört als Verband zu existieren und der verbleibende Gesellschafter Gesamtrechtsnachfolger der auf diese Weise vollbeendigten Perso­nengesellschaft wird.161 Das über §  705 BGB schuldrechtlich angebundene Gesellschaftsverhältnis erlischt im Wege der Konfusion.162 Angesichts der Gesamtrechtsnachfolge rückt der verbleibende Gesellschafter vollständig in die Rechtsstellung der Gesellschaft ein, sodass innergesellschaftsrechtliche Ausgleichspflichten gleichfalls nicht mehr existieren und die Durchführung eines Liquidationsverfahrens entbehrlich machen.163 Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Regelung des §  140 Abs.  1 Satz  2 HGB angezeigt, wonach einer „Ausschließungsklage […] nicht entgegen[steht], da[ss] nach der Ausschließung nur ein Gesellschafter verbleibt.“ So geht bei einer zweigliedrigen Gesellschaft mit der rechtsgestaltenden Wirkung des Ausschließungsurteils der Austritt des vorletzten Gesellschafters einher, was vor dem Hintergrund der Sozietätskonstruktion die Vollbeendigung der Gesellschaft verbunden mit der Gesamtrechtsnachfolge des verbleibenden Gesellschafters zur Folge hat.164 cc) Sozietätsfundament der Personenaußengesellschaft Angesichts der Tatsache, dass die gesellschaftsvertraglich vermittelte Verbindung mehrerer Mitgliedschaften das normative Fundament der Personenaußengesellschaft bildet, ist auch eine Beteiligung der Gesellschaft an sich selbst durch 160  K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  105 Rn.  24 f.; ders., in: MüKoHGB, §  105 Rn.  92; a. A. Kießling, in: FS Hadding, S.  494 f. 161  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  57; m. w. N. K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  105 Rn.  24 f., §  129 Rn.  27, §  131 Rn.  7, §  145 Rn.  33; ders., in: Schlegelberger, HGB, §  105 Rn.  49, 65; a. A. Weimar, ZIP 1997, 1769 (1772 f.). 162  Kern, in: Staudinger (2020) Eckpfeiler des Zivilrechts, J. Rn.  88; siehe auch unten Kap.  1 §  2 B.II; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (355 f., 358 ff.); vgl. §  712a BGB-E RegE MoPeG, S.  167 ff. 163 Vgl. Kruth, NZI 2011, 844 (845 ff.); siehe aber zur analogen Anwendung des §  93 InsO auf Haftungsforderungen gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter, Gerhardt, ZIP 2000, 2181 (2182 ff.). 164  Lorz, in: E/B/J/S, HGB, §  140 Rn.  39 ff.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  140 Rn.  51, 26; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  140 Rn.  86; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  140 Rn.  37.

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den Erwerb eigener Anteile ausgeschlossen, weil die Gesellschaft in diesem Fall Teil ihres eigenen die Rechtsfähigkeit konstituierenden rechtlichen Fundaments sein müsste. So müsste die Gesellschaft an einem Organisationsvertrag mitwirken, der sie selbst erst    – als Fundament    – konstituiert und am Leben hält. Dadurch, dass die Mitgliedschaft in einem Verband ihrerseits aber die Rechtsfähigkeit der Organisationseinheit voraussetzt, kann die Teilhabe eines ohne das Sozietätsfundament nicht existenten Verbandes diesen auch nicht konstituieren. Angesichts dessen kann die Personengesellschaft jedenfalls nicht in Verbindung mit nur einem anderen Mitglied Gesellschafter von sich selbst sein. Vor dem Hintergrund, dass das sozietätsmäßige Fundament der Personengesellschaft durch die schuldrechtliche Verbindung mindestens zweier (anderer) Mitglieder begründet wird,165 stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft jedenfalls dann Anteile an sich selbst halten kann, wenn mindestens zwei weitere Gesellschafter das notwendige Fundament bilden. So könnte man annehmen, dass die durch zwei weitere Mitglieder ausreichend rechtsfähige Personengesellschaft die Fähigkeit erwirbt, Gesellschafter von sich selbst zu sein. Für eine solche Zulässigkeit spricht, dass der Gesellschaftsvertrag sowohl schuldrechtlicher Vertrag als auch die Gesellschaft als Verband konstituierender Organisationsvertrag ist.166 Wird die Gesellschaft nun durch die gesamthänderische Ver­ bindung mehrerer Dritter als Rechtssubjekt ins Leben gerufen, steht einer Parti­zipation der Gesellschaft an dem schuldrechtlichen Gesellschaftsvertrag je­denfalls nicht der Gedanke der Konfusion entgegen.167 So entfaltet der Gesellschaftsvertrag in schuldrechtlicher Hinsicht lediglich horizontale Wirkungen, sodass die Gesellschaft    – bezogen auf diesen    – nicht zugleich Gläubiger und Schuldner einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit wird. Die Gesellschaft selbst ist, soweit sie keine Gesellschafterstellung einnimmt, nicht Beteiligte des Gesellschaftsvertrages; sie geht vielmehr in organisationsrechtlicher Hinsicht aus diesem hervor. Reflexartig entstehen die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander in horizontaler Richtung sowie der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft in vertikaler Richtung. Die Beteiligung der Gesellschaft als Gesellschafter führte daher bezogen auf das gesellschaftsvertraglich gebildete Sozietätsfundament nicht zu einer Vereinigung von Rechten und Pflichten in einem Rechtssubjekt. Lediglich in vertikaler Hinsicht würden einzelne mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten der Gesellschaft als Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft als Verband mit dem Gedanken der Konfusion in Konflikt geraten. Der Wegfall einzelner schuldrechtlicher Beziehungen wäre aber ohne Auswirkungen auf den Bestand der Mitgliedschaft als 165 Vgl.

C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  16, 41, 70. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  136 ff., 139; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  105 Rn.  96; Kießling, in: FS Hadding, S.  492. 167 Siehe dazu Kap.   1 §  2 A.I.5.a)bb), Kap.  1 §  2 B.II.; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (354 ff.). 166 

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solche. Angesichts der Gleichartigkeit der Mitgliedschaft bestehen insoweit keine Unterschiede gegenüber der zulässigen Eigenbeteiligung von körperschaft­ lichen Kapitalgesellschaften. Maßgeblich für die Unzulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile der Personengesellschaft ist allerdings der Umstand, dass das sozietätsmäßige Fundament mit dem Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft mit Blick auf den Verkehrsund Mitgliederschutz bereits in nicht hinzunehmender Weise „hinken“ würde. So haftete einem Verband, der einerseits eigene Anteile innehält und andererseits durch das Vorhandensein mehrerer Anteile korporiert würde, die sich nicht in den Händen der Personengesellschaft selbst befänden, die latente Gefahr an, dass der vorletzte Drittgesellschafter aufgrund eines privatautonomen Entschlusses oder eines anderen Grundes aus der Gesellschaft ausschiede und bei bestehendem Eigenanteil der Gesellschaft einen Wegfall des Fundaments mit der Folge des Erlöschens des Verbandes herbeiführen würde. Mit der Beseitigung der Sozietätsbasis fiele dieser Austritt unmittelbar mit dem Er­löschen des Verbandes zusammen. Sowohl zwischen dem austretenden Gesellschafter und der Gesellschaft, zwischen dem verbleibenden Gesellschafter und der Gesellschaft sowie gegenüber Dritten könnten aber noch Ausgleichsansprüche bestehen. Es entstünde auf diese Weise ein Liquidationsbedarf, ohne dass es einen liquidationsfähigen Liquidationsverband gäbe. Anders als im oben behandelten Fall der unmittelbaren Einmitglieds-Personengesellschaft käme insoweit kein liquidationsloses Erlöschen in Betracht, weil kein Fall der Gesamtrechtsnachfolge bei gleichzeitiger Konfusion der Rechtsverhältnisse des einzig verbleibenden Gesell­ schafters gegeben wäre.168 Allenfalls denkbar wäre eine Konstruktion, wonach die beiden verbleibenden Gesellschafter wiederum als gesellschaftsrechtliche Außen-Gesamthand in die Liquidations- bzw. Drittverbindlichkeiten der er­ loschenen Gesellschaft einrückten und auf diese Weise gezwungenermaßen eine „neue“ Liquidationsgesellschaft bildeten bis der Liquidationsbedarf getilgt ist. Ein solches Vorgehen hätte mithin zur Folge, dass die Eigenbeteiligung der Personengesellschaft zumindest faktisch ein vorübergehendes Austrittsverbot der beiden vorletzten Gesellschafter zur Folge hätte. Veranschaulicht man sich nun, auf welche Weise es zu einer Eigenbeteiligung von Personengesellschaften kommen könnte (etwa durch privatautonomen Erwerb der Anteile des drittletzten Gesellschafters durch die Gesellschaft), so hätte es letztlich der Verband in der Hand, seine Gesellschafter zu einer weitergehenden gesamthänderischen Bindung zu zwingen. Dies erscheint mit Blick auf die negative Vereinigungsfreiheit sowie den Grundsatz der Privatautonomie bedenklich. Die Problematik der personengesellschaftsrechtlichen Eigenbeteiligung zeigt, dass eine vollwertige verbandsrechtliche Rechtssubjektivität nur gewährleistet werden kann, wenn man den Erwerb eigener Anteile unter Rückgriff auf die Sozietätskonstruktion von 168 

Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.5.a)bb).

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Personengesellschaften per se ablehnt. So ist es ferner gerade Sinn und Zweck der Sozietätskonstruktion, entsprechende Vermengungen von Gesellschafter- und Gesellschaftsvermögen, wie sie beim Wegfall des Verbandes bei bestehendem Liquidationsbedarf aufträten, zu verhindern, sodass auch vor diesem Hintergrund ein derartiger „hinkender“ Verband unter Eigenbeteiligung der Personengesellschaft nicht hinzunehmen ist. Eine Personenaußengesellschaft kann mithin nicht Vertragspartner des ihre Grundlage bildenden Gesellschaftsvertrages sein, weil sie entweder angesichts unzureichenden Sozietätsfundaments mangels Rechtsfähigkeit schon nicht die Fähigkeit hat, als Rechtsträger in die Mitgliedschaft einzurücken oder aber vor dem Hintergrund, dass bei einer Eigenbeteiligung einer Personengesellschaft eine strikte Trennung der Vermögensverbindungen nicht gewährleistet ist und die Rechtsfähigkeit des Verbandes lediglich eine „hinkende“ wäre, was einer widerspruchsfreien Behandlung der Personenaußengesellschaft als Rechtssubjekt entgegenstünde.169 Das Sozietätsverhältnis beschreibt mithin das personengesellschaftsrechtliche Fundament, auf dem der Verband seine Existenz als Rechtssubjekt begründet,170 nämlich in der schuldrechtlichen Verbindung mehrerer Drittgesellschafter, die ihrerseits über die Mitgliedschaft mit der Personenaußengesellschaft in Beziehung stehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es präziser, nicht von der „Gruppe“ als Rechtssubjekt zu sprechen, sondern von der gruppenmäßigen Verbindung mehrerer Mitglieder als verbandsrechtliche Bestandsgrundlage des rechtsfähigen Personenverbandes. Es sind diese sozietätsbedingten Besonderheiten, die die Grundlage für bestimmte Mindestanforderungen an die Rechtsform „Personenaußengesellschaft“ bilden.171 Das Sozietätsmodell bestimmt daher als gegebene Normativbestimmung im Rahmen des numerus clausus der Rechtsformen die Zulässigkeitsvoraussetzungen rechts­ fähiger Personengesellschaften.172 dd) Sonderzuordnung von Mitgliedschaften Teilweise wird hinsichtlich der Zulässigkeit von Einmitglieds-Personengesellschaften vertreten, dass zwischen der Gründung einer Personenaußengesellschaft und deren Fortbestand zu differenzieren sei. Während die Gründung einer Einmitglieds-Personengesellschaft mit Blick auf das Sozietätsmodell ausscheide, seien „nicht-originäre“ Einmitglieds-Personengesellschaften, insbesondere als Folge von Mehrfach-Mitgliedschaften, anzuerkennen.173 So habe die 169  Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  97; siehe auch oben Kap.  1 §  2 B.I sowie unten zur Konfusion bei drittbelasteten Gesellschaftsanteilen, Kap.  1 §  2 A.I.5.a)dd). 170  So auch noch Weimar, ZIP 1997, 1769 (1771 ff.). 171 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (499). 172 Siehe K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (499, 494 f.). 173  Weimar, ZIP 1997, 1769 (1772) mit Verweis auf BGH, Uv. 14.5.1986    – IVa ZR 155/84 BGHZ 98/48 = juris-Rn.  16 ff. sowie §  20 Abs.  2 RefE PartGG vom 8.1.1993 (ZIP 1993, 153 ff.); vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (346 ff.).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Rechtsprechung die Möglichkeit einer Einmitglieds-Personengesellschaft etwa im Zusammenhang mit der Vorerbenstellung des einzigen Mitgesellschafters des Erblassers anerkannt, wodurch die Sozietätskonstruktion durchbrochen worden sei.174 Aus dieser Konstellation sollte man aber nicht die allgemeine Zulässigkeit von Einmitglieds-Personengesellschaften folgern. Die Sonderzuordnung von mehreren Mitgliedschaften in einer Person stellt keine Durchbrechung der Sozietätskonstruktion dar, weil ja gerade mehrere Mitgliedschaften miteinander auf der Grundlage einer schuldrechtlichen Beziehung verbunden werden, nur eben (vorübergehend) lediglich von einer Person wahrgenommen werden. Die formale Trennung mehrerer Mitgliedschaften in der Hand eines Gesellschafters ist jedoch auf Fälle zu beschränken, in denen eine getrennte Sonderzuordnung der Gesellschaftsanteile aus rechtlichen Gründen unumgänglich erscheint und dementsprechend die eigentliche gesetzlich vorgesehene Anwachsung ausscheidet.175 In allen anderen Konstellationen führt die Anwachsung dazu, dass ein Gesellschafter mit Hinzuerwerb einer weiteren Mitgliedschaft lediglich seine bereits bestehende Mitgliedschaft quantitativ ausweitet, sie sich aber nicht vervielfacht.176 Im Falle der beschriebenen Vorerbfolge ergibt sich die Notwendigkeit einer Sonderzuordnung aus dem Umstand, dass der Nacherbe den Erblasser beerben soll; daher kann der Gesellschaftsanteil als Nachlassgegenstand mit dem Eintritt des Vorerbfalls nicht einfach untergehen.177 Entsprechend der Wertung des §  1256 Abs.  1 Satz  2 BGB soll „ein Dritter nicht dadurch geschädigt werden, dass mehrere Rechte in der Hand ein und derselben Person zusammenfallen und somit nach den dogmatischen Vorstellungen des Gesetzgebers sich verschmelzen müssten“.178

Der einzige verbleibende Gesellschafter erhält daher mehrere Mitgliedschaften, von denen er seine eigene im eigenen Interesse wahrnimmt, die davon zu unter174  Weimar, ZIP 1997, 1769 (1772) mit Verweis auf BGH, Uv. 14.5.1986    – IVa ZR 155/84, BGHZ 98/48 = juris-Rn.  16 ff.; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (348 ff.). 175 Siehe dazu unten Kap.   1 §  2 A.I.5.d)cc) sowie oben Kap.  1 §  2 A.I.4; C. Schäfer, in: Haber­sack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  72 f.; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  105 Rn.  26; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (358 ff.). 176  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  45 I 2 b; a. A. Grunewald, in: MüKoHGB, §  161 Rn.  5; vgl. Bippus, AcP 195 (1995), 13 (27, 31), die zwischen Mitgliedschaft und Beteiligung differenziert. 177  F. Baur/Grunsky, ZHR 133 (1970), 209 (209 ff., 215 ff.); K. Schmidt, JuS 1987, 147 (147); ders., in: Schlegelberger, HGB, §  105 Rn.  26; Marotzke, AcP 187 (1987), 223 (243); v. Proff, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.2.2021, §  727 Rn.  32, der insoweit aber von einer „relativen Fiktion des Fortbestandes“ spricht; vgl. BGH, Uv. 10.1.1996    – IV ZB 21/94, juris-Rn.  26 ff.; a. A. BGH, Uv. 11.4.1957    – VII ZR 280/56, BGHZ 24, 91–96 = juris-Rn.  17 ff.; OLG Düsseldorf, Bv. 14.9.1998    – 3 Wx 209/98    – DNotZ 1999, 440 (441) mit ablehnender Anm. sowie m. w. N. Kanzleiter (443); Ulmer, JuS 1986, 856 (857); C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  63, der für den Schutz des Nacherben ein Wiederaufleben der Gesellschaft gemäß §§  2139, 2143 BGB annimmt; siehe auch Flume, Die Personengesellschaft, §  7 III 4. 178  F. Baur/Grunsky, ZHR 133 (1970), 209 (223 f.).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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scheidende Mitgliedschaft des Nacherben hat er demgegenüber als Vorerbe auszufüllen. Der einzig verbleibende Gesellschafter nimmt daher auch nicht mehrere Mitgliedschaften für sich selbst wahr, sondern eine in Wahrnehmung der Rechte Dritter. Das aus der Sozietätskonstruktion resultierende Erfordernis mindestens zweier Gesellschafter erfährt daher Einschränkungen, „wenn die Gesellschaftsanteile trotz ihres Zusammentreffens in einer Hand einer unterschiedlichen (quasi) dinglichen oder erbrechtlichen Zuordnung unterliegen; sie erhält die Trennung der Anteile aufrecht und führt zum Fortbestand der Gesellschaft.“179

Ebenso stehen in Fällen des Nachlassinsolvenzverfahrens sowie der Anordnung der Testamentsvollstreckung kollidierende Interessenlagen einer Anwach­ sung und mithin einer einzigen Mitgliedschaft entgegen.180 Dritten ist insbeson­ dere nicht mit einem Wiederaufleben erloschener Rechtsverhältnisse geholfen, wie es etwa §  2143 BGB anordnet, weil Rechte, die an eine Verbandsmitgliedschaft anknüpfen, eine dynamische Komponente beinhalten, die eine stetige Wahrnehmung der Rechte des Dritten erforderlich machen.181 Ferner lässt sich der wertmäßige Umfang der Mitgliedschaft regelmäßig nur bestimmen, wenn man die Gesellschaft als nicht erloschen behandelt.182 Sofern Rechte Dritter an einem Gesellschaftsanteil bestehen, kann dies zur Folge haben, dass diese Gesellschaftsanteile nicht durch eine einzige Mitgliedschaft abgebildet werden können, weil etwa eine einheitliche Stimmabgabe unmöglich erscheint. Die Rechte Dritter rechtfertigen daher eine „Sonderzuordnung“ der Anteile, etwa bei Bestehen eines Nießbrauchs oder eines Pfandrechts, weil der Inhaber der Gesellschaftsanteile verschiedene Interessen wahrzunehmen hat, indem die Mitgliedschaften getrennt unter Wahrung der Interessen des Dritten zu verwalten sind.183 Er steht sich in diesen Konstellationen wie ein anderer Gesellschafter gegenüber, sodass die getrennt bleibenden Anteile und Mitgliedschaften in einer dem Sozietätsprinzip entsprechenden Weise zueinander in Beziehung treten und voneinander getrennt bleiben können; Entsprechendes gilt für den Fall einer qualifizierten offenen Treuhand.184 Soweit Gesellschaftsanteile mit Rechten Dritter belastet sind, die eine Sonderzuordnung der Anteile erforderlich machen, kommen weder eine Anwachsung der Gesellschaftsbeteiligungen noch eine Konfusion der mitgliedschaftlichen Rechtsbeziehungen mit der Folge einer Gesamtrechtsnachfolge des einzigen Gesellschafters in Betracht;185 mit Blick 179 

C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  63. Grunewald, in: MüKoHGB, §  161 Rn.  5. 181 Vgl. F. Baur/Grunsky, ZHR 133 (1970), 209 (220 ff.). 182  F. Baur/Grunsky, ZHR 133 (1970), 209 (224). 183  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  63, 95 ff., §  719 Rn.  51 ff.; K. Schmidt, Gesellschafts­ recht, §  45 I 2 b bb; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (358 ff.); F. Baur/Grunsky, ZHR 133 (1970), 209 (224 ff.). 184  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  63, 93 f. 185  Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.5.a)bb). 180 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

auf die Sozietätskonstruktion ist es insoweit unschädlich, dass mehrere Mitgliedschaften nur einem Rechtssubjekt zugeordnet sind. Die Drittbefangenheit der hinzukommenden Mitgliedschaft führt dazu, dass der verbleibende Gesellschafter aus Sicht seiner bestehenden Mitgliedschaft im Horizontalverhältnis nicht zugleich Gläubiger und Schuldner der mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisse wird, weil er im Rahmen der hinzugewonnenen Mitgliedschaft die Rechte des Dritten wahrzunehmen hat und sich daher wie ein Dritter gegenübertritt. Soweit mehrere Mitgliedschaften bestehen    – sei es auch in der Hand nur eines Gesellschafters    –, sind diese geeignet, ein der Sozietätskonstruktion der Personenaußengesellschaft entsprechendes Fundament zu bilden, wie es zur Anerkennung deren Rechtssubjektivität erforderlich ist. Dies hat daher auch den personenidentischen Fortbestand des Verbandes im Außenverhältnis zur Folge und nicht nur im Wege einer relativen Fiktion gegenüber den jeweiligen Dritten.186 Fällt der die Sonderzuordnung tragende Grund weg, erlischt die Gesellschaft liquidationslos und der verbleibende Gesellschafter wird Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft. Fraglich ist, wie sich die Belastung eines Gesellschaftsanteils mit Rechten Dritter auf den grundsätzlich unzulässigen Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft auswirkt. Die mitgliedschaftliche Sonderzuordnung führt dazu, dass die betroffene Mitgliedschaft im Drittinteresse wahrzunehmen ist. In Anbetracht der normativen Anforderungen der Sozietätskonstruktion in Gestalt des Mindestfundaments zweier „Fremd-“Mitgliedschaften ist es zumindest konstruktiv denkbar, dass die Gesellschaft im Falle der Sonderzuordnung einer Mitgliedschaft eigene Anteile an sich selbst hält. Die Gesellschaftsorgane hätten in dieser Konstellation die mitgliedschaftlichen Rechte Dritter treuhänderisch gegenüber der Gesellschaft sowie gegenüber den Mitgesellschaftern zu wahren. Auf diese Weise könnte ein hinreichendes Sozietätsfundament angenommen werden. Vor diesem Hintergrund käme in dieser Konstellation auch kein Ruhen der formal von der Gesellschaft gehaltenen mitgliedschaftlichen Rechte in Betracht, wie es etwa bei Kapitalgesellschaften angenommen wird.187 Gegen den Erwerb eigener Anteile auch im Falle der Sonderzuordnung spricht indes, dass sich die Gesellschaft in Form einer drittbelasteten Mitgliedschaft zwar mit Blick auf die betroffenen Interessen grundsätzlich wie ein Dritter gegenüber­ treten würde, gleichwohl würde sie aber auf diese Weise organisationsrechtlich an dem sie als Rechtssubjekt konstituierenden Fundament partizipieren.188 Ungeachtet der Sonderzuordnung führte der Austritt des verbleibenden Gesellschafters zu einer Gesamtrechtsnachfolge ohne einen entsprechenden Rechtsnachfolger, weil die Auflösung des Sozietätsfundaments das Erlöschen der Per186  v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (362 ff.); v. Proff, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.2.2021, §  727 Rn.  32. 187  Priester, ZIP 2014, 245 (249). 188  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a)cc).

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sonengesellschaft zur Folge hätte. Zur Vermeidung einer entsprechenden unzureichenden Rechtsfähigkeit ist die Gesellschaft kein tauglicher Rechts­ träger der sie in ihrer konkreten Gestalt bildenden Mitgliedschaften. ee) Keine Auswirkungen des Sozietätsmodells auf die verbandsrechtliche Mitgliedschaft Dieses an das „notwendige schuldrechtliche Band unter den Gesellschaftern“ anknüpfende Gesamtgefüge der Personenaußengesellschaft lässt die Mitgliedschaft als „Resultat einer Sozietät“ erscheinen.189 Demgegenüber führt ein Anteilserwerb nicht automatisch zu einem Eintritt in das Sozietätsverhältnis; ­dieser muss gegenseitig    – gegebenenfalls auf Seiten der übrigen Gesellschafter antizipiert durch eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung    – gesondert begründet werden.190 Die sozietätsmäßige Bindung tritt also neben die verbandsrechtliche Mitgliedschaft, wobei die Mitgliedschaft wie bei jedem Verband die Beteiligung „an“ dem Verband kennzeichnet und das Sozietätsverhältnis die Verbindung der Mitgliedschaften „in“ der Gesellschaft.191 Das Sozietätsmodell hat dementsprechend keine Auswirkungen auf die Mitgliedschaft als solche, sondern lediglich auf die normativen Mindestanforderungen an die Bindung der Mitgliedschaften untereinander sowie auf die Fähigkeit der Personengesellschaft, Teilhaber an dem sie bildenden schuld- und organisationsrechtlichen Gesellschaftsvertrag zu sein. Die Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaft hat daher zur Folge, dass die Verselbstständigung des Verbandes gegenüber dem einzelnen Mitglied nicht hinter der mitgliedschaftlichen Partizipation an körperschaftlich verfassten juristischen Personen zurückbleibt. Lediglich in Bezug auf die Verselbstständigung der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern in ihrer Gesamtheit führt das Sozietätsmodell dazu, dass mit Blick auf den Mindestgesellschafterbestand normative Beschränkungen greifen. Die darüber hinausgehende Verselbstständigung der Personenaußengesellschaft kommt gegenüber den einzelnen Mitgliedern in vermögensrechtlicher Hinsicht dadurch zum Ausdruck, dass die mitgliedschaftlichen Rechte auf eine anteilsmäßige Beteiligung an der Gesellschaft selbst beschränkt sind und die vermögensrechtliche Teilhabe auf die anteilsvermittelte bilanzielle Gewinnausschüttung sowie die Entnahmerechte beschränkt ist.192 Bezogen auf die verbandsrechtliche Vermögenstrennung kommt dem Sozietätsmodell nur insoweit Bedeutung zu, als der Wegfall des vorletzten Gesellschaftes zur Auflösung der Gesellschaft und zu einem liquidationslosen Erlöschen führt, weil der letzte Gesellschafter im Wege

189 

K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (498). K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (498); Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  111 ff., 116 ff. 191  Insoweit abweichend, K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (498). 192  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2. 190 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsstellung der Gesellschaft einrückt.193 Nur in diesem einzigen Fall kommt es sozietätsspezifisch zu einer Aufhebung der an die Rechtsträgerschaft anknüpfenden Trennung zwischen der Vermögensverbindung der Gesellschaft und der der Gesellschafter. ff) Zwischenergebnis Die Rechtssubjektivität der oHG als Personenaußengesellschaft folgt aus deren Rechtsnatur als Personenverband. Für das Verhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern bedeutet dies, dass sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten, wie bei allen Verbandssubjekten, auf das rechtsformübergreifend gleichartige Rechtsinstitut der Mitgliedschaft konzentrieren. Diese Beschränkung auf eine bloß anteilsmäßige Beteiligung an der vermögenstragenden Gesellschaft steht nicht in Widerspruch zu der im Ausgangspunkt schuldrechtlichen Verbindung der Personengesellschafter, weil der Gesellschaftsvertrag in Anbetracht seiner Doppelnatur auch ein Organisationsvertrag ist. Mit Auftritt der Gesellschaft im Rechtsverkehr dominiert zwar die organisationsrechtliche Prägung des Gesellschaftsvertrages dessen schuldrechtliches Fundament, ohne dass es dabei aber zu einer Verdrängung des Sozietätsprinzips kommt. Vielmehr wird die sozietätsmäßige Verbindung der Gesellschafter mit der Konstituierung des Personenverbandes zu dessen Bestandsgrundlage. Die Zugrundelegung des Sozietätsprinzips für die Existenz des Personenverbandes hat keine Auswirkungen auf die Vermögenszuordnung in der Personenaußengesellschaft. Auch unter Geltung des Sozietätsprinzips ist die vermögensmäßige Teilhabe der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen auf die anteilsvermittelte, bilanziell zu verbuchende Gewinnverteilung sowie die Entnahmerechte beschränkt.194 Der Unterschied zwischen rechtsfähigen Personengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen liegt daher weder in der Struktur der einzelnen Mitgliedschaft noch in einer abweichenden Rechtssubjektivität der unterschiedlichen Verbandsarten im Außenverhältnis. Der Personenverband unterscheidet sich dadurch von den Körperschaften, dass dieser normativ eine sozietätsmäßige Verbindung der Mitgliedschaften erfordert. Dies betrifft die verbandsinterne Realstruktur, die dadurch gekennzeichnet wird, wie der Verband als solcher zusammengehalten wird. Die Sozietätsstruktur erfordert eine gesellschaftsvertragliche Bindung mindestens zweier Gesellschafter und schließt eine schuld- bzw. organisationsrechtliche Beteiligung der Gesellschaft an dem sie bildenden Fundament aus.195 Daher führt die „Übertragung“ eines Gesellschaftsanteils an die Personengesellschaft zum Wegfall der damit ver193 

K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  145 Rn.  33; siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a)bb). Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2. 195  Denkbar wäre vor diesem Hintergrund jedoch die nachträgliche Bildung eines Konglomerats aus drei Personengesellschaften, bei denen jeweils zwei Gesellschaften die Gesellschafter der jeweils dritten Gesellschaft bilden. Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, 194 

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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knüpften Mitgliedschaft unter Ausscheiden des Veräußerers mit der Folge, dass dessen Anteil den verbleibenden Mitgliedern anwächst.196 b) Vorinsolvenzlicher Kapitalschutz durch realstrukturelle Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung Die Sozietätsstruktur der Personenaußengesellschaft bildet folglich im Zusammenspiel mit der organisationsrechtlichen Vereinbarung eines Verbandszwecks das dogmatische Fundament für die Rechtssubjektivität der Personenaußen­ gesellschaft. Die verbandsrechtliche Konstituierung als Rechtssubjekt befindet sich einerseits in einem notwendigen Abhängigkeitsverhältnis zu der sozietätsmäßigen Verbundenheit mindestens zweier Mitglieder, andererseits steht diese schuldrechtliche Grundlage dem Erwerb eigener Anteile entgegen. Die Sozietätsstruktur findet ihre normative Anknüpfung in den §§  705 ff. BGB, insbesondere in den §§  705, 718 f. und 738 BGB.197 Vor dem Hintergrund, dass sich die Diskussion über die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft mit Blick auf viele Jahrzehnte und Entwicklungsstufen der dogmatischen Weiterentwicklung weitgehend vom Normtext der §§  705 ff. BGB abgelöst hat, könnte es problematisch erscheinen, die Sozietätsstruktur aus eben diesem Normtext als notwendig abzuleiten. Zwar handelt es sich bei der Sozietätsstruktur auch um ein Substrat des historischen Normenbefundes, allerdings kommt ihr gerade mit Blick auf das gewandelte Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft in vermögensrechtlicher Hinsicht eine bemerkenswerte Bedeutung zu, die geeignet ist, das Erfordernis der sozietätsmäßigen Verbindung als maßgebliches Abgrenzungskriterium gegenüber der verbandsrechtlichen Konstituierung juristischer Personen zu qualifizieren. Sowohl wenn man den Erwerb eigener Anteile des Personenverbandes an sich selbst zulassen würde als auch wenn man die Möglichkeit von Einmitglieds-Personengesellschaften anerkennen würde, bestünde die Gefahr, dass die normativ gewollte Trennung der Vermögensverbindungen von einer Gesellschaft bzw. deren Gesellschaftern aufgeweicht wird. aa) Unzulässigkeit mitgliedschaftlicher Beteiligung des Personenverbandes am eigenen Vermögen Ließe man den Erwerb eigener Anteile durch die Personenaußengesellschaft zu, so würde der maßgebliche Gesellschaftsanteil mit dessen Erwerb durch die Gesellschaft wertentleert, weil der ausscheidende Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen ausgezahlt werden müsste und der Anteil erst mit einer erneu§  105 Rn.  75 f., 97; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  93, 80, 26 ff.; ders., in: Schlegelberger, HGB, §  105 Rn.  49, 65. 196  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  7, 38 ff., 41, 97. 197 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  38 ff.; vgl. Begr. zu §  711 BGB-E RegE MoPeG, S.  164.

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ten Veräußerung wieder werthaltig würde. Bilanziell führte der Erwerb des Anteils zu einer Verringerung des Eigenkapitals der Gesellschaft.198 Erst mit Wiederausgabe kann der Anteil seinen Vermögenswert realisieren.199 Daher würde dem Gesellschaftsvermögen ein Wert entzogen, ohne dass der Gesellschaft dafür unmittelbar ein ausgleichendes werthaltiges Äquivalent zuflösse.200 Im Rahmen des Kapitalgesellschaftsrechts wird diskutiert, ob Gesellschafts­ anteile in der Hand der Gesellschaft „als wertlose Rechtshülsen“ zu bewerten sind oder ob ihnen ein eigenständiger Vermögenswert zuzuerkennen ist.201 Angesichts der bilanziellen Behandlung202 eigener Anteile bedeute deren Erwerb nach Auffassung der Rechtsprechung „keinen Vermögenszuwachs“.203 Jedenfalls ist ihnen insoweit kein eigener Vermögenswert beizumessen, als sie der Gesellschaft    – vorbehaltlich der Frage, ob Rechte an sich selbst überhaupt ausgeübt werden können    – nur eine mitgliedschaftlich vermittelte Teilhabe an ihrem eigenen Vermögen zuweisen, welches sie ohnehin schon hat.204 Aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger haben eigene Anteile schließlich überhaupt keinen Vermögenswert.205 Ungeachtet einer vermögensmäßigen Werthaltigkeit eigener Anteile wird ihnen aber die Eigenschaft als Vermögensgegenstand zuerkannt, weil sich ihr Wert jedenfalls durch eine Wiederausgabe realisieren ließe.206 Diese Situation unterscheidet sich von dem Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters, bei dem der Gesellschaftsanteil den übrigen Gesellschaftern nach §  738 Abs.  1 Satz  1 BGB anwächst. Zwar richtet sich der Abfindungsanspruch nach §  738 Abs.  1 Satz  2 BGB wie im Falle der Veräußerung des Geschäftsanteils an die Gesellschaft auch in erster Linie gegen die Gesellschaft.207 Allerdings steht dieser Anspruch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den mitgliedschaftlichen Rechten sowie insbesondere zu den Pflichten des jeweiligen Gesellschafters. Diese sind geeignet, ein vermögensausgleichendes Äquivalent zu bilden. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Abfindungsanspruch im Falle des Ausscheidens nach §  738 Abs.  1 Satz  2 BGB um den lediglich umgestalteten künftigen Auseinandersetzungsanspruch nach §  717 Satz  2 BGB handelt.208 198 Vgl.

Priester, ZIP 2014, 245 (250). Priester, ZIP 2014, 245 (250). 200 Vgl. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  71 Rn.  2. 201 Vgl. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  71 Rn.  2 , 56; Priester, ZIP 2014, 245 (246). 202 Siehe Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  71 Rn.  56 ff. 203  BGH, Uv. 20.9.2011    – II ZR 234/09, juris-Rn.  14. 204  Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §   71 Rn.  2; vgl. Priester, ZIP 2014, 245 (246). 205 Vgl. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  71 Rn.  2. 206  Priester, ZIP 2014, 245 (246, 248 ff.); str. vgl. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  71 Rn.  2, 56. 207  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  738 Rn.  16 f.; Wiedemann, WM 1992, 3 (37). 208  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  738 Rn.  16; vgl. Begr. zu §§  711a, 712, 728 BGB-E RegE MoPeG, S.  166 f., 203 f. 199 

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Denn auch dieser resultiert maßgeblich aus der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung und steht damit zugleich in Abhängigkeit zu der liquidationsrechtlichen Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB.209 Mit der vorgezogenen Entstehung des Auseinandersetzungsanspruchs als Abfindungsanspruch findet im Falle des Ausscheidens zugleich eine Anwachsung bei den übrigen Gesellschaftern statt, die wiederum in gleichem Maße wie der ausgeschiedene Gesellschafter ihren mitgliedschaftlichen Pflichten gegenüber der Gesellschaft nachkommen müssen. Für den Abfluss des Abfindungsanspruchs aus dem Gesellschaftsvermögen erhält die Gesellschaft daher die den verbleibenden Gesellschaftern angewachsenen mitgliedschaftlichen Pflichten    – in vermögensrechtlicher Hinsicht kommt der Ausgleich der Vermögenseinbuße insbesondere in der Verlustbeteiligungsund Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB zum Ausdruck. Im Falle des Erwerbs eigener Anteile bestünden die hinzuerworbenen mitgliedschaftlichen Pflichten indes allenfalls gegenüber sich selbst, sodass ihnen im Zeitpunkt der Übertragung des Gesellschaftsanteils kein Vermögenswert zukommt, der im Rahmen des schuldrechtlichen Erwerbs eigener Anteile zum Zwecke der Vermögenskompensation herangezogen werden könnte. Dies gilt umso mehr, wenn man die Wertung aus dem Kapitalgesellschaftsrecht heranzieht, dass die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten im Falle der Erwerbs eigener Anteile ruhen, also weder Rechte durch die Gesellschaft ausgeübt, noch Pflichten eingefordert werden können.210 Dem Ansatz, dass eigenen Anteilen der Gesellschaft im Unterschied zur Anwachsung bei den restlichen Gesellschaftern kein Vermögenswert zukommt, steht auch nicht entgegen, dass die übrigen Gesellschafter gemäß §  735 Satz  2 BGB zuletzt ohnehin den Ausfall nach gleichem Verhältnis zu tragen haben, da dadurch zwar eine wertmäßige Absicherung im Sinne einer Ausfallhaftung erfolgt, dieser Anspruch aber bereits unabhängig von der Veräußerung des Geschäftsanteils an die Gesellschaft in den bestehenden Mit­ gliedschaftsverhältnissen angelegt war. Vor diesem Hintergrund ist die Aus­fall­haftung der übrigen Gesellschafter nicht geeignet, im Rahmen der schuldrechtlichen Veräußerung eines Gesellschaftsanteils an die Gesellschaft als vermögensäquivalenter Ausgleich herzuhalten. Der schuldrechtliche Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft würde folglich dazu führen, dass sich die Gesellschaft zwar verpflichten würde, den Preis für den Anteilswert zu bezahlen, dieser Verpflichtung aber kein ausgleichendes Vermögensäquivalent gegenüberstehen würde. Einerseits würde damit das Gesellschaftsvermögen in bedenklicher Weise ausgehöhlt. Andererseits würde die mitgliedschaftlich vermittelte Teilhabe der Gesellschaft an dem eigenen Vermögen erheblich die Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen verwischen. Potenzierte man 209  Allgemein zu §  735 BGB in der Liquidation, Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  77 ff.; vgl. RegE MoPeG zu §  737 BGB-E, §  149 HGB-E („Haftung der Gesellschafter für Fehlbetrag), S.  219, 297 (S.  137, 179 des Mauracher Entwurfs). 210  Priester, ZIP 2014, 245 (246).

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diesen Effekt, etwa indem man nahezu alle Gesellschaftsanteile in den Händen der Gesellschaft konzentrieren würde, würde ein ganz überwiegender Teil des Gesellschaftsvermögens zugleich das Gesellschaftervermögen sein. Handelt es sich bei dem einzigen anderen Gesellschafter um einen, der über keinen Kapitalanteil verfügt, so würde die Gesellschaft als einziger vermögensmäßig beteiligter Gesellschafter sogar ausschließlich an sich selbst beteiligt sein.211 Die mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einhergegangene Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern würde auf diese Weise nahezu leerlaufen. Die rechtliche Qualifikation solcher Personenaußengesellschaften als Verbände brächte demgegenüber keinen rechtsdogmatischen Mehrwert, der einen mit solchen Verbandsgestaltungen einhergehenden Verlust der Vermögenstrennung rechtfertigen könnte. Lehnt man unter Anknüpfung an die Sozietätskonstruktion den Erwerb eigener Anteile durch die Personen­ außengesellschaft ab, so verhindert man einerseits, dass die Grenze zwischen Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen verwischt, andererseits bleibt gewährleistet, dass Gesellschaftsanteile an Personengesellschaften entsprechend dem marktwirtschaftlichen Äquivalenzverhältnis schuldrechtlicher Austauschverhältnisse zu einem privatautonom vereinbarten Vermögenswert gehandelt werden.212 Auf diese Weise wird grundsätzlich verhindert, dass dem Gesellschaftsvermögen Vermögenswerte entzogen werden, für die die Gesellschaft keine kompensatorische Gegenleistung erfährt. Vor diesem Hintergrund trägt die dem Erwerb eigener Anteile entgegenstehende Sozietätskonstruktion dazu bei, dass die mit der Anerkennung der Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaft einhergehende Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern bereits zu Lebzeiten der Gesellschaft realstrukturell aufrechterhalten bleibt. Die Personenaußengesellschaft tritt zu ihrem Gesellschaftsvermögen daher ausschließlich als dessen Inhaber in Be­ ziehung; eine darüberhinausgehende mitgliedschaftlich vermittelte Teilhabe an dem eigenen Vermögen kommt demgegenüber nicht in Betracht. Das Sozietätsmodell nimmt damit eine vorinsolvenzliche Kapitalerhaltungsfunktion ein. bb) Verfestigung der Vermögenstrennung durch ein notwendig kollektives Gesellschaftsinteresse In eine ähnliche Richtung geht die Ausprägung des Sozietätsmodells als normative Mindestbestimmung über das notwendig zu gewährleistende dogmatische Fundament der Personenaußengesellschaft, wie es in dem Erfordernis der schuldrechtlichen Verbindung mindestens zweier Gesellschafter zum Ausdruck kommt.213 Diese Bedingung trägt dazu bei, dass dem Gesellschaftsvermögen 211  Vgl. zu dieser durch die Kautelarpraxis eingeführten Konstruktion, Weimar, ZIP 1997, 1769 (1771). 212  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). 213  A. A. Kießling, in: FS Hadding, S.  494 f.

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stets mindestens zwei Vermögensverbindungen der Gesellschafter gegenüberstehen. Dadurch, dass man zwingend die mitgliedschaftliche Verbindung von unterschiedlichen Gesellschaftern verlangt, wird regelmäßig    – jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht    – gewährleistet, dass die für die Gesellschaft als Organwalter handelnden Gesellschafter nicht nur ihre eigenen Vermögensinteressen wahren, sondern auch die Vermögensinteressen der Gesellschaft berücksichtigen, für die sie am Rechtsverkehr organschaftlich teilnehmen.214 Organisatorisch ist die verbandsrechtliche Willensbildung eine kollektive.215 Diese kollektive Willensbildung in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen gewährleistet, dass die Interessen der Gesellschaft andere sind, als die der einzelnen Gesellschafter, weil die kollektive Willensbildung voraussetzt, dass sowohl die Belange der Mehrheit als auch von Minderheiten zu würdigen sind. Darüber hinaus hat die kollektive Willensbildung Rücksicht auf den Verbandszweck zu nehmen. Erlaubte man Einmitglieds-Personengesellschaften, ließe sich kaum noch zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen unterscheiden. Dem Rechtsverkehr wäre es im Falle des Kontrahierens mit dem einzigen Gesellschafter kaum noch möglich, zu erkennen, welche Vermögensverbindung nun der schuldrechtlichen Verpflichtung haftungsrechtlich unterworfen werden soll.216 Auch in dieser Hinsicht trägt das Sozietätsmodell mithin dazu bei, dass mit dem Erfordernis mindestens zweier Gesellschafter die Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern auch realstrukturell aufrechterhalten bleibt. cc) Zwischenergebnis Soweit man den Unterschied zwischen rechtsfähigen Personengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen nicht nur terminologisch, sondern auch dogmatisch einebnen möchte, setzt dies voraus, dass man das Sozietätsmodell als solches in Frage stellt. Das damit allenfalls gewonnene „Mehr“ an formaler Rechtssubjektivität des Personenverbandes hätte aber zur Folge, dass die vermögensrechtliche Trennung des Gesellschaftsvermögens von den Privatvermögen der Gesellschafter gefährdet würde. Die Anerkennung der ­Fähigkeit von Personenaußengesellschaften, Träger eines eigenen Gesellschaftsvermögens und damit selbst Verpflichtungssubjekt im Rahmen eines Schuldverhältnisses sein zu können, ist eine der maßgeblichen Errungenschaften der wissenschaftlichen Diskussion über die Rechtsnatur gesamthänderisch verfasster Personengesellschaften, die am Rechtsverkehr teilnehmen.217 Würde man auf die Sozietätskonstruktion der Personenaußengesellschaft verzichten, ließen sich die betroffenen Vermögensverbindungen jedoch nicht mehr strukturell vonein214 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.I.2, Kap.  1 §  2 B.III.1. Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.I.1. 216  Siehe zum Verhältnis von Schuld und Haftung unten Kap.  1 §  2 C.II. 217  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.2. 215 

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ander trennen, sodass diese Errungenschaft zu verwässern drohte. Die Vermögenstrennung bliebe eine rein bilanzielle. Dieser Umstand ist als solcher zwar noch nicht bedenklich, weil sich die materiellen Ansprüche gegenüber der Gesellschaft bzw. den Gesellschaftern hinreichend deutlich abbilden ließen. Allerdings stellt sich die Frage, wieso man Einmitglieds-Personengesellschaften sowie die Möglichkeit von eigenen Anteilen an sich selbst zulassen sollte    – dies wären die logischen Konsequenzen der Qualifikation von Personenaußengesellschaften als juristische Personen    –, wenn mit der Verselbstständigung der Personenaußengesellschaft von einem Mindestmitgliederbestand zugleich ein Verlust realstruktureller Vermögenstrennung einherginge. Dies führte    – jedenfalls in vermögensrechtlicher Hinsicht    – zugleich zu einer schleichenden Entwertung der Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaft. Dem Verlust der realstrukturellen Vermögenstrennung steht indes kein irgendwie messbarer rechtsdogmatischer Mehrwert einer rechtlichen Qualifikation von Personenaußengesellschaften als juristische Person gegenüber, der diesen rechtlich legitimieren könnte. Das beschriebene Defizit realstruktureller Vermögenstrennung im Falle von Einmitglieds-Gesellschaften bzw. im Hinblick auf die Möglichkeit des Erwerbs eigener Anteile ist bei körperschaftlich verfassten juristischen Personen demgegenüber weniger problematisch, weil die gegebene Vermögenstrennung    – bei den Einmitglieds-Kapitalgesellschaften 218    – mit der notwendigen Eintragung der Gesellschaft eine registerrechtliche Verfestigung erfährt. Fraglich ist, wie mit Blick auf das Sozietätserfordernis der Umstand zu bewerten ist, dass die Personengesellschaften des Handelsrechts ebenfalls im Handelsregister einzutragen sind (vgl. §  106 Abs.  1 HGB). c) Firmen- und registerrechtliche Verfestigung der Vermögenstrennung Das handelsrechtliche Firmen- und Registerrecht führt einerseits dazu, dass die Rechtssubjektivität des Personenverbandes im Sinne des Verkehrsschutzes im Außenverhältnis eine Verfestigung erfährt, andererseits tragen die Publizitätswirkungen dazu bei, dass sich die realstrukturelle Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern außenwirksam erhärtet. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die Sozietätskonstruktion für die Außen­ gesellschaften des Handelsrechts notwendig aufrechtzuerhalten ist. Dafür spricht, dass die angeordneten Publizitätspflichten im Recht der Personenhandelsgesellschaften grundsätzlich nicht konstitutiv wirken, sondern die Kaufmannseigenschaft gemäß §  1 HGB lediglich an das materielle Erfordernis des Betriebs eines Handelsgewerbes anknüpft. Darüber hinaus zeigt sich anhand der Möglichkeit identitätswahrender Umwandlung bei zum Teil bloßer Ausweitung der Geschäftsstätigkeit, dass alle Personenverbände strukturidentisch 218  Ein eingetragener Verein ist gemäß §  73 BGB hingegen bereits bei einem Herabsinken der Mitgliederzahl unter drei, von Amts wegen aus dem Register zu löschen.

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sind und dementsprechend den gleichen rechtsformspezifischen Beschränkungen unterliegen.219 Ungeachtet der publizitätsvermittelten Verfestigung der Vermögenstrennung im Recht der Personenhandelsgesellschaften ist die Sozietätskonstruktion daher auch für diese Rechtsformen aufrechtzuerhalten. An diesem Befund ändert sich auch nichts durch das im Rahmen der Novellierung des Personengesellschaftsrechts geplante Register für die Außen-GbR, 220 solange die Grenzen von Innen- und Außen-GbR bei einheitlicher schuldrechtlicher Anknüpfung des Gesellschaftsvertrages fließend bleiben und die Anmeldung zum Register grundsätzlich freiwillig bleibt.221 d) Sonstige Organisationsunterschiede als bloße Frage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses Neben dem dargestellten Erfordernis der Sozietätskonstruktion 222 von Personenaußengesellschaften sowie dessen gesetzlicher Anerkennung durch das Prinzip der Anwachsung223    – einschließlich der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Mehrfach-Mitgliedschaften    – werden weitere Strukturunterschiede der Personengesellschaft gegenüber den körperschaftlich verfassten juristischen Personen vorgebracht. Unterschiede bestünden insbesondere in der Organisationsverfassung.224 Zutreffend ist, dass die normativen Grundlagen Unterschiede vorsehen, sowohl mit Blick auf die Übertragung bzw. Vererbung von Mitgliedschaften, hinsichtlich der Organisation    – insbesondere bezüglich der Organrechte sowie der Willensbildung    – als auch in Bezug auf die Haftungsverhältnisse. Klammert man das Sozietätserfordernis aus, so entpuppen sich die vermeintlichen „strukturellen“ Unterschiede im Übrigen als bloße Frage nach dem gesetzlich zugrunde gelegten Regel-Verhältnis, jedoch ist dieses weitestgehend dispositiv, sodass im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung entgegengesetzt abgewichen werden kann.225

219 Vgl. K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712 (720 ff.); Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  21. 220  Vgl. zum Bedingungszusammenhang einer geforderten Einzelvertretungsregelung im Recht der GbR sowie eines Registererfordernisses, Wertenbruch, NZG 2019, 407 (408 ff.); siehe zu dem neu zu schaffenden Register, Begr. zu §§  707 ff. BGB-E sowie zur Gesamtgeschäftsführung bzw. -vertretung, §§  715, 720 BGB-E, RegE MoPeG, S.  121 ff., 144 ff., 171 ff., 178 ff. (S.  69 ff., 99 ff, 113 f. des Mauracher Entwurfs); vgl. C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1151 f.). 221  Siehe dazu die §§  705 ff., 740 ff. BGB-E, RegE MoPeG, S.  2 , 144 ff., 222 ff.; vgl. zur Einführung eines Registers für Außengesellschaften bereits, C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, D.I.4., S.  61 ff. sowie die Beschlüsse des 71. Juristentages. 222  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a). 223  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.4, Kap.  1 §  2 A.I.5.a)dd). 224 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  7; K. Schmidt, Gesellschafts­ recht, §  8 IV 2. 225 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  7, 15 ff.

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aa) Einheitliche verbandsrechtliche Organisationsverfassung Erkennt man die Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft sowie die gleichartige Struktur der Mitgliedschaft an, geht damit die grundsätzliche Übertragbarkeit der einzelnen Mitgliedschaften in dem Personenverband    – ein Einverständnis der Gesellschafter vorausgesetzt    – einher. Hält man sich darüber hinaus die wechselseitige Möglichkeit identitätswahrender Umwandlung zwischen Personenverbänden und körperschaftlich verfassten juristischen Personen vor Augen, wird „die Dichotomie von Gesellschaftsvertrag und Satzung zunehmend zum Lippenbekenntnis“.226 Der notwendige Fokus ist nicht auf Gesellschaftsvertrag oder Satzung zu legen, sondern auf die organisationsrechtliche Vereinbarung eines Verbandszwecks, der lediglich durch den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung eine rechtsformspezifische Konkretisierung erfährt. Angesichts der Berührung einer Verbandsorganisation mit Rechtspositionen Dritter sind insbesondere die Konkretisierungen deren Handlungs- und Haftungsverfassung notwendig normativ zu begleiten, wie es im numerus clausus der Gesellschaftsformen zum Ausdruck kommt.227 Das Sozietätserfordernis ist eine dieser normativen Rahmungen, in die der über die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks konstituierte und gegenüber seinen Mitgliedern verselbstständigte Verband eingeordnet werden muss. Darüber hinaus ist es aber regelmäßig ausreichend, dass bestimmte Leitbilder gesellschaftsrechtlicher Gestaltung normativen Niederschlag finden. So sind viele gesetzliche Vorgaben an die Verbandsverfassung grundsätzlich dispositiv, weil sie für rechtsformtypische Situationen gesellschaftsvertragsergänzende Regelungen treffen, um auf diese Weise Transaktionskosten zu sparen.228 Mit Ausnahme der in §  23 Abs.  5 AktG geregelten sog. Satzungsstrenge für die AG, die unter unionsrechtlichem Einfluss grenzüberschreitend ein standardisiertes Anlageprodukt gewährleisten möchte,229 sind gesellschaftsrechtliche Regelungen grundsätzlich nur punktuell zwingend (vgl. §  45 Abs.  2 GmbHG). Die Vielzahl rechtsformübergreifender Mischformen macht deutlich, dass die gesetzlichen Leitbilder regelmäßig unter dem maßgeblichen Einfluss privatautonomer Gestaltung stehen. Vor diesem Hintergrund entpuppen sich die meisten „Strukturunterschiede“ als Ausdruck eines gesetzlich abweichend geregelten Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Jedenfalls ist die Frage, ob Gesellschaftsanteile positiv übertragbar gestellt werden müssen oder von Gesetzes wegen zugelassen sind, nicht geeignet, einen 226  K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495) m. w. N. in Fn.  32; Busche, in: MüKoBGB, Vor §  145 Rn.  43 (Satzung als Organisationsvertrag); vgl. BGH, Uv. 8.10.2013    – II ZR 310/12, juris-­ Rn.  20 ff.; dazu Wackerbarth, EWiR 2014, 71. 227  Leuschner, in: MüKoBGB, §  54 Rn.  19 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  5 II 1; S ­ chöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  705 Rn.  4; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  1 I 1. 228 Vgl. Altmeppen, NJW 2015, 2065 (2065 ff.); Merkt, in: MüKoGmbHG, §  13 Rn.  84 ff. 229  Bayer, in: Schranken der Vertragsfreiheit, S.  91.

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Strukturunterschied von rechtsfähigen Personengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen zu begründen. So sieht das Vereinsrecht, als der Allgemeine Teil für das Recht der Körperschaften in §  38 BGB vor, dass die Mitgliedschaft nicht übertragbar ist, und lediglich gemäß §  40 BGB im Wege der Satzung etwas anderes bestimmt werden kann; §  15 Abs.  1 ­GmbHG sieht demgegenüber eine grundsätzliche Übertragbarkeit vor, soweit nicht gemäß §  15 Abs.  5 GmbHG davon abgewichen wird. Desgleichen regelt §  727 BGB (ebenso §  131 Nr.  4 HGB a. F.) lediglich, dass im Todesfall eines Gesellschafters vorbehaltlich abweichender Vereinbarung die Personengesellschaft bloß aufgelöst wird und es anders als im Rahmen eines Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters, nicht zu einer Konfusion,230 sondern zu einer Gesamtrechtsnachfolge des Erben kommt, sodass dieser einen Anteil an der Liquida­tionsgesellschaft erhält, die personenidentisch mittels eines Gesellschafterbeschlusses ohne Weiteres reaktiviert werden kann. bb) Fortwirkung der Sozietätskonstruktion im Prinzip der Selbstorganschaft Darüber hinaus bestehen zwischen Personenverbänden und körperschaftlich verfassten juristischen Personen dahingehend Organisationsunterschiede, dass die Organfunktionen bei Personengesellschaften unter dem Gesichtspunkt der „Selbstorganschaft“ an die Mitgliedschaft gebunden werden, während bei verbandsrechtlichen juristischen Personen eine solche Bindung fehlt.231 Normativer Anknüpfungspunkt des Prinzips der Selbstorganschaft sind die §§  709 Abs.  1 BGB, 114, 125, 127, 164, 170 HGB, wonach die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personenaußengesellschaft allein durch diese Eigenschaft zugleich Geschäftsführer und organschaftliche Vertreter sind.232 Im Unterschied zur juristischen Person sind die Organe von Personenaußengesellschaften daher von Gesetzes wegen originär als geborene Organe vorhanden und müssen nicht erst noch besetzt werden. Diese Unterscheidung von den Körperschaften ergibt sich darüber hinaus unmittelbar aus der Sozietätskonstruktion der Personen­ außengesellschaft, weil der Personenverband als in der Verbundenheit seiner Mitglieder „lebendes“ Rechtssubjekt seine Handlungsvertreter bereits mit seiner Konstituierung haben muss und nicht, wie bei einer von dem Mitglieder­ bestand unabhängigen juristischen Person, erst zugewiesen bekommt.233 In die230  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a)bb). Demgegenüber sieht §  723 BGB-E RegE MoPeG vor, dass der Tod eines Gesellschafters nicht mehr die Auflösung bedingt. Vgl. C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1150). Siehe zur Gesamtrechtsnachfolge, §  712a BGB-E RegE MoPeG, S.  167 ff. 231  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  41; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  14 II 2 a; ein praktisches Bedürfnis für eine Fremdorganschaft hervorhebend, Helm/H. Wagner, BB 1979, 225 (226 ff.); vgl. Reuter, in: FS Steindorff, S.  231 ff.; Raiser, in: FS Zöllner, Band  1, S.  484 f. 232  BGH, Uv. 11.7.1960    – II ZR 260/59, BGHZ 33, 105 = juris-Rn.  15; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  6 IV 1; vgl. Begr. zu §§  715, 720 BGB-E RegE MoPeG, S.  171 f., 187 ff. 233  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a.

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ser Folge der originären Organfunktion der persönlich haftenden Gesellschafter erschöpft sich indes die Ausprägung des Selbstorganschaftsprinzips als zwingender Grundsatz des Personengesellschaftsrechts. Überwiegend wird darüber hinaus angenommen, dass die sozietätsmäßige Bindung der Mitglieder einer Personengesellschaft dazu führe, dass die Gesellschafter in mitgliedschaftlicher Verbundenheit als das den Personenverband bildende Fundament    – wie auch eine natürliche Person    – weder in Gänze privatautonom entmachtet noch Dritten Organfunktionen eingeräumt werden könnten.234 Diese Annahme lässt sich indes nicht aus der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft ableiten, sondern lediglich aus dem Normgefüge der §§  125, 127 HGB. Aus diesen folgt, dass nicht alle Gesellschafter in ihrer Gesamtheit entmachtet werden dürfen, während einzelne Mitglieder demgegenüber von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen werden können. Nicht beantwortet ist damit die Frage, inwieweit Dritten organschaftliche Befugnisse übertragen werden können.235 Allerdings ergibt sich aus dem sog. Abspaltungsverbot nach §  717 Satz  1 BGB, dass einzelne mitgliedschaftliche Rechte lediglich zur Ausübung überlassen werden dürfen, dies wiederum nur, wenn sie ohne das Zutun des Dritten diesem wieder entzogen werden können.236 Eine Übertragung der originären Mitglieds-Organrechte kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht. Mit Blick auf die gesellschaftsvertragliche Gestaltungsfreiheit 237 stellt sich daher die Frage, inwieweit Dritten Organschaftsrechte eingeräumt werden können. Die gesetzlichen Vorschriften über das Prinzip der Selbstorganschaft der eigen­ beteiligten, persönlich haftenden Gesellschafter erhalten ihre rechtspolitische Rechtsfertigung in dem Umstand, dass sie unter Anknüpfung an die persön­ liche Haftung durch die davon ausgehende Anreizwirkung eine ordnungs­ gemäße und sorgfältige Geschäftsführung gewährleisten und gleichzeitig die persönlich haftenden Gesellschafter schützen wollen.238 Aus dem Prinzip der Selbstorganschaft ergebe sich ein „Organmonopol der unbeschränkt haftenden Gesellschafter als Vertretungsorgane“.239 Aus dem Umstand, dass sogar Kommanditisten, die ihrerseits Mitglieder der Personengesellschaft sind, von der organschaftlichen Vertretung ausgeschlossen sind,240 ergibt sich, dass Dritte, die noch nicht einmal Gesellschafter sind, erst recht keine Organfunktionen in dem 234  Flume, Die Personengesellschaft, §   14 VIII; vgl. zum Beirat als Geschäftsführungs­ organ, Reuter, in: FS Steindorff, S.  240 f. 235  Zur Schaffung von Drittgremien, Reuter, in: FS Steindorff, S.  231 ff. 236  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  717 Rn.  9; vgl. Begr. zu §  711a BGB-E RegE MoPeG, S.  166, 268. 237 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  5 III. 238  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  14 II 2 d; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  6 IV 1. 239  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  14 II 2 b; vgl. aber BGH, Uv. 5.10.1981    – II ZR 203/­8 0, juris-Rn. 65 ff. 240 Kritisch, Staake, NZG 2021, 95 (99 f.).

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Personenverband ausüben können (vgl. §§  164, 170 HGB). Aus der Sozietätskonstruktion der Personenaußengesellschaften folgt also unmittelbar, dass die Mitglieder grundsätzlich geborene Organwalter des Personenverbandes sind. In dieser Ausprägung als Fortwirkung der Sozietätskonstruktion kommt dem Prinzip der Selbstorganschaft die Eigenschaft als ein der Rechtsnatur des Verbandes geschuldeter struktureller Unterschied gegenüber den Körperschaften zu. Vor dem Hintergrund der §§  164, 170 HGB erfährt dieser Grundsatz sodann dahingehend eine normative Einschränkung, dass Gesellschafter, die in ihrer Haftung beschränkt sind, davon ausgenommen werden. Daran anknüpfend ergibt sich aus der Systematik der personengesellschaftsrechtlichen Vorschriften (§§  709 Abs.  1, 717 Satz  1 BGB, 114, 125, 127, 164, 170 HGB), dass Organrechte privatautonom weder an Gesellschafter, deren Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft beschränkt ist, noch an Dritte übertragen werden können, und auch keine Einräumung entsprechender Rechte in Betracht kommt. Demgegenüber zeigt §  146 HGB, dass das Selbstorganschaftsprinzip, soweit es über die Fortwirkung der Sozietätskonstruktion hinaus geht und als Gegenstück zur körperschaftlichen Fremdorganschaft thematisiert wird, nicht ausnahmslos gilt, sondern jedenfalls in gesetzlich angeordneten Fällen durch­ brochen werden kann, indem auch Dritte als Liquidatoren eingesetzt werden können.241 Aus §  156 HGB ergibt sich sodann, dass die Liquidation keine Auswirkungen auf die Identität des Verbandes hat. So ist etwa die oHG in Liquidation weiterhin Personenaußengesellschaft, für die jedoch das Prinzip der Selbstorganschaft nicht mehr gilt. Folglich kann das Prinzip der Selbstorganschaft in seiner Ausprägung als Gegenstück zur Fremdorganschaft auch keine notwendige Struktureigenschaft von Personengesellschaften darstellen, die sie von den Körperschaften wesentlich abgrenzen würde. Das Prinzip der Selbstorganschaft lässt sich daher zwar aus den gesetzlichen Vorschriften über die Personengesellschaften ableiten, es gestaltet sich aber lediglich als gesetzlicher Regelfall, der wiederum gesetzlichen Ausnahmen zugänglich ist. cc) Normative Verankerung der Sozietätskonstruktion im Prinzip der Anwachsung Darüber hinaus kann auch das in §  738 Abs.  1 Satz  1 BGB geregelte Prinzip der Anwachsung242 keinen über die Sozietätskonstruktion hinausgehenden strukturellen Unterschied begründen.243 Soweit der Anwachsung die Rechtsfolge entnommen wird, dass mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters dessen Gesellschafterstellung endet, die damit verbundene Mitgliedschaft erlischt und insoweit korrespondierend die Mitgliedschaften der verbleibenden Gesellschaf241 Vgl.

Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  146. Flume, Die Personengesellschaft, §  17 VIII; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  7. 243  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.4. 242 Vgl.

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ter in quantitativer Hinsicht eine Ausweitung erfahren, stellt dies eine mitgliedschaftliche Selbstverständlichkeit nichtverbriefter Gesellschaftsanteile dar, wie sie etwa bei dem Verein aufzufinden sind.244 Dadurch, dass die in der Mitgliedschaft wurzelnden Rechte die gemeinschaftliche Beteiligung der Gesellschafter an dem Verband vermitteln, führt der Wegfall eines Mitglieds zu einer prozentualen Zunahme der übrigen Mitgliedschaften und der damit verbundenen Wertrechte, ohne dass es irgendeines „Übergangs“ bedürfte; der Beteiligungswert erhöht sich schlicht.245 Im Unterschied zur Rechtsnachfolge bei Veräußerung oder Vererbung der Mitgliedschaft findet keine rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Übertragung der Mitgliedschaft statt, die Anwachsung vollzieht sich notwendig mit dem Ausscheiden. Soweit das Prinzip der Anwachsung darüber hinaus als „bedeutsames Charakteristikum des Gesamthandsprinzips“ bezeichnet wird, 246 ist damit die normative Verankerung der personengesellschaftsrechtlichen Sozietätskonstruktion gemeint. Aus dem Umstand, dass bei Personengesellschaften eine Anwachsung erfolgt, wenn sich mehrere Gesellschaftsanteile in den Händen eines Gesellschafters vereinigen    – sofern diese nicht mit Rechten Dritter belastet sind    –, ergibt sich, dass eine Personenaußengesellschaft regelmäßig von mindestens zwei Gesellschaftern getragen werden muss.247 dd) Rechtfertigungsbedürfnis jeglicher Verbandshaftungsverfassung Fraglich ist schließlich, inwieweit die Haftungsverhältnisse in der Personen­ außengesellschaft geeignet sind, einen strukturellen Unterschied gegenüber den Körperschaften zu begründen, der eine abweichende dogmatische Behandlung der beiden Vereinigungsformen erforderlich machen würde. Mit Blick auf die kombinierten Haftungsverhältnisse von normtypischen gesellschaftsrechtlichen Mischformen    – wie etwa die KG oder die KGaA    – scheinen die häufig thematisierten Gegensätze von beschränkter und persönlicher Haftung zu verschwimmen (vgl. etwa auch die zulässige Gründung einer „UG & Co. KG“).248 Darüber hinaus sind sowohl die Personenaußengesellschaften als auch die Körperschaften angesichts ihrer Rechtssubjektivität jeweils selbst Schuldner eingegangener Verbindlichkeiten und haben mit ihrem eigenen Vermögen dafür einzustehen. Vor dem Hintergrund, dass im Rahmen eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne (vgl. §  241 Abs.  1 Satz  1 BGB) grundsätzlich lediglich das Schuldnervermögen dem Zugriff des Gläubigers funktional    – die Zuständigkeit der 244 

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a; siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.4. R. Koch, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2021, §  738 Rn.  6; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  738 Rn.  6; Westermann, in: Erman, BGB, §  738 Rn.  3. 246  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 a; vgl. Henssler, PartGG, §  1 Rn.  6 . 247  Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.4. 248 Vgl. Henssler, NJW 2014, 1761 (1764); ders., Verhandlungen des 71. DJt, Band  II/1, O 56 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  8 IV 2 f. 245 Vgl.

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Rechte noch nicht betreffend    – zugeordnet wird, 249 ist es fraglich, ob die sog. „Haftungsbeschränkung“     – also die Nichthaftung der Gesellschafter einer Körperschaft    – oder die Einstandspflicht mit dem Privatvermögen als zusätz­ licher Vermögensverbindung rechtfertigungsbedürftig ist. Nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen bedarf es ungeachtet wertungsmäßiger Rechtfertigung für die Inanspruchnahme zusätzlicher Vermögensverbindungen einer normativen Anordnung.250 Diese ergibt sich nicht bereits aus der Struktur der unterschiedlichen Rechtsformen. Jedenfalls ist eine Argumentation, die aus der „beschränkten Haftung“ von Körperschaften strukturelle Unterschiede gegenüber der Personengesellschaft ableiten möchte, um eine verbandsrechtliche Gleichbehandlung der beiden Rechtsformen abzulehnen, nicht zwingend. Die Frage der Haftungsverfassung stellt sich in Anbetracht der Berührung einer Verbandsorganisation mit Rechtspositionen Dritter vielmehr rechtsformunabhängig. Vor dem Hintergrund der Vermögensträgerschaft eines Verbandes muss die Haftungsverfassung unter Würdigung der betroffenen Gläubigerinteressen daher für jede Rechtsform gesondert legitimiert und normativ angeordnet werden. Die weitreichenden verbandsrechtlichen Gemeinsamkeiten zwischen rechts­fähigen Personengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen ermöglichen in Anbetracht desselben Vergleichsmaßstabes    – ein Schuldverhältnis zwischen natürlichen Personen    – eine weitgehend einheitliche Identifikation verbandsspezifischer Risiken. ee) Zwischenergebnis Für die Beurteilung der Risiken, mit denen die Gläubiger von Personenaußengesellschaften konfrontiert sind, führt die Qualifikation als Personenverband dazu, dass hinsichtlich der Rechtsbeziehungen der Gesellschaft gegenüber ihren Gläubigern sowie zu ihren Gesellschaftern neue Bewertungsfaktoren hinzutreten. Diese konnten bei der Normierung des §  128 HGB, welchem in der Vergangenheit ein abweichendes Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft zugrunde gelegt wurde, noch nicht herangezogen werden. Die rechtliche Einordnung der Personenaußengesellschaften als Personenverbände hat Auswirkungen auf die gesellschaftsrechtlichen Rechtsbeziehungen, die durch die Regelung des §  128 HGB tatbestandlich in Bezug genommen werden sowie diejenigen, die als deren Rechtsfolge zwischen Gesellschaftsgläubigern und Gesellschaftern begründet werden. Die Analyse, der von einem im Rechtsverkehr agierenden Verband ausgehenden Gläubigerrisiken, legt einen Ansatz nahe, nach dem diese rechtsformübergreifend    – allgemein verbandsrechtlich    – zu ermitteln sind. Dies entspricht der Argumentationsführung der 249  Siehe zur Einstandspflicht für schuldrechtliche Verbindlichkeiten unten Kap.  1 §  2 B.II sowie zum Verhältnis von Schuld und Haftung Kap.  1 §  2 C.II. 250  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.II.5, C.IV.

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herrschenden Meinung, wenn diese einen Vergleich der persönlichen Gesellschafterhaftung mit den Regelungen über den Kapitalschutz juristischer Per­ sonen des Handelsrechts anstellt. Im Rahmen des numerus clausus der Rechtsformen, wonach die Berührung einer Verbandsorganisation mit den Interessen Dritter die Regelung der Haftungsverfassung erforderlich macht, kann der Normgeber zwar die Widerspruchsfreiheit der Systeme unterschiedlicher Rechtsformen beachten. Einheitlicher Maßstab der Beurteilung von Gläubigerrisiken ist aber der Vergleich derjenigen Besonderheiten, wie sie auftreten, wenn es sich anstatt um eine Rechtsbeziehung zwischen natürlichen Personen um eine unter Verbandsbeteiligung handelt. Ausgehend von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft als Verband gibt die Analyse der strukturellen Unterschiede gegenüber körperschaftlich verfassten juristischen Personen gleichwohl Aufschluss darüber, welche personengesellschaftsrechtlichen Besonderheiten neben allgemeinen verbandsspezifischen Gläubigerrisiken zu beachten sind. Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Personenaußengesellschaften führt nicht dazu, dass die strukturellen Unterschiede zwischen Personenverbänden und Körperschaften gänzlich eingeebnet sind. Es ist vielmehr einerseits zwischen der allgemeinen Rechtsträgerschaft eines Verbandes sowie dessen rechtsformspezifischer Organisation 251 zu differenzieren. Andererseits ist mit Blick auf die Organisation zwischen dem zwingend zu beachtenden Sozietätsprinzip sowie den daraus resultierenden Auswirkungen auf die Realstruktur personengesellschaftsrechtlicher Verbände zu unterscheiden. Die gesetzlich vorgesehene Sozietätskonstruktion führt dazu, dass die Personenaußengesellschaften gegenüber den Körperschaften Beschränkungen mit Blick auf das mitgliedschaftliche Fundament und damit die Existenz des Personenverbandes unterliegen. Bei einheitlicher verbandsrechtlich vermittelter Rechtsfähigkeit verbleiben daher normativ angeordnete Unterschiede in der Realstruktur. Diese betreffen allerdings in erster Linie das Verhältnis der Gesellschafter untereinander sowie die Existenz des Personenverbandes. Die genauere Betrachtung der angeblich verbleibenden „strukturellen“ Unterschiede von rechtsfähigen Personengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen zeigt aber, dass es ausschließlich die Sozietätskonstruktion der Personengesellschaften ist, wie sie in den §§  705 ff. HGB sowie §§  105 ff. HGB gesetzlich verankert ist, die zu strukturellen Unterschieden der Verbandsformen führt. Eine Ab­ sicherung erfährt das Sozietätsmodell durch die jüngere Gesetzgebung in §  14 Abs.  2 BGB.252 Im Übrigen handelt es sich um rechtsformspezifische Rahmenbedingungen, die zwar in der Organisationsverfassung zum Ausdruck kommen, 251  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  7; vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  7. 252  Auch mit §  712 BGB-E RegE MoPeG soll das Prinzip der Anwachsung als der normativen Grundlage der Sozietätskonstruktion erhalten bleiben.

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aber einerseits bloß Ausdruck eines bestimmten Regel-Ausnahme-­Verhältnisses sind, wie es sich auch zwischen verschiedenen Rechtsformen derselben Kategorie unterscheiden kann, und andererseits weitreichend der gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsfreiheit zugänglich sind. Grundsätzlich hat die Sozietätskonstruktion bloß Auswirkungen darauf, wie der Personenverband gegründet und zusammengehalten wird, nicht aber auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern. Diesen liegt mit der strukturell gleichartigen Mitgliedschaft ein allgemein verbandsrechtlicher Ansatz zugrunde. Vor dem Hintergrund, dass die Sozietätskonstruktion aber in verschiedene Bereiche hineinstrahlt, stellt sie ein normatives Korsett für eine verbandsrechtlich einheitliche Beurteilung von Gläubigerrisiken dar. Ob Personenaußengesellschaften terminologisch als juristische Personen zu bezeichnen sind, kann mit Blick auf die weitere Untersuchung dahinstehen, weil jedenfalls hinsichtlich der Sozietätskonstruktion realstrukturelle Eigenheiten bestehen, die bei allen gegebenen verbandsrechtlichen Gemeinsamkeiten im Hinblick auf die Einzelheiten der Verbandsorganisation eine eigenständige Beurteilung der Personenaußengesellschaften gegenüber den Körperschaften weiterhin erforderlich machen. Bei der rechtlichen Beurteilung der Gläubigerrisiken ist daher insbesondere die Sozietätskonstruktion in den Blick zunehmen, inwieweit diese also verbandsspezifische Gläubigerrisiken steigert, aber genauso, inwiefern diese dazu beiträgt, dass Risiken abgemildert werden. So führt die Sozietätskon­ struktion etwa dazu, dass sich das kollektiv zu bildende Gesellschaftsinteresse von den Individualinteressen der Gesellschafter unterscheidet und Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen im Einklang mit dem Gesellschaftsinteresse sowie dem Verbandszweck erfolgen.253 Soweit es nicht um die Organisationsstruktur, sondern um die Rechtsbeziehungen von Verbänden zu ihren Mitgliedern sowie gegenüber Dritten geht, insbesondere hinsichtlich der getrennten Vermögensverbindungen, liefern die verbandsrechtlichen Gemeinsamkeiten ungeachtet der realstrukturellen sowie normativen Unterschiede von rechtsfähigen Personengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen eine tragfähige dogmatische Grundlage.254 Diese steht sowohl mit der gesetzlichen Terminologie der §§  14 Abs.  2, 705 ff. BGB als auch mit der darin zum Ausdruck kommenden Sozietätskonstruktion von Personengesellschaften in Einklang. Die verbandsrechtlichen Gemeinsamkeiten können daher bei der Identifikation von Gläubigerrisiken gegenüber einem Rechtsverhältnis mit einer natürlichen Person herangezogen werden. Ohne dass dies mit einer dogmatischen Gleichstellung von Personenaußengesellschaften und körperschaftlich verfassten juristischen Personen ein253  Zum Verhältnis von Gesellschaftsinteresse und Verbandszweck, G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  10 B. 254 Vgl. Kießling, in: FS Hadding, S.  486.

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hergehen muss, sollen im Folgenden einerseits deren verbandsrechtliche Gemeinsamkeiten zur Grundlage der Untersuchung gemacht werden, die letztlich in der Rechtsfähigkeit von Personenaußengesellschaften münden. Andererseits sollen die verbleibenden realstrukturellen sowie normativen Unterschiede dahingehend genauer untersucht werden, ob diese eine unterschiedliche Behandlung in einzelnen haftungsrechtlichen Aspekten noch zu rechtfertigen vermögen. 6. Abgrenzung der verbandsrechtlichen Gesamthand zu anderen Personenmehrheiten Die Personenaußengesellschaft als gesamthänderisch verfasster Verband, wie sie den Vorschriften der §§  705 ff. BGB, §§  105 ff. HGB, §§  1 ff. PartGG, §  1 EWiVG zugrunde liegt, ist von anderen am Rechtsverkehr teilnehmenden Personenmehrheiten sowie von bloßen Innengesellschaften abzugrenzen.255 Soweit eine Personenmehrheit keinen gemeinsamen Verbandszweck verfolgt und dementsprechend nicht als Personenverband ein eigenes Verbandsvermögen konstituiert, können die einzelnen Personen ein Recht gemeinschaftlich als Bruchteilsgemeinschaft halten. Beide Rechtsinstitute befassen sich im Ausgangspunkt mit unterschiedlichen Fragen, sodass eine Verknüpfung von Gesellschaftsverhältnis und Bruchteilsgemeinschaft in Betracht kommt.256 Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthand sind jedoch mit Blick auf die Rechtszuständigkeit miteinander unvereinbare Gegensätze; der Zusatz des §  741 BGB „sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“ verfolgt insbesondere diese Abgrenzungsfunktion.257 Während die durch einen gemeinsamen Verbandszweck zu einem Personenverband führende Zusammenfassung einer Gesellschaftermehrheit das Wesen der verbandsrechtlichen Gesamthand mit mehr oder weniger komplexem Gesellschaftsvermögen prägt, betrifft die Bruchteilsgemeinschaft die ideell geteilte Innehaltung eines einzelnen Rechts.258 Die Bruchteilsgemeinschaft ist in Bezug auf die anteilige Rechtszuständigkeit am einzelnen Gegenstand „Freihand“ im Gegensatz zur Gesamthand;259 die Abgrenzungsfrage lautet mithin „Bruchteilszuständigkeit oder Gesellschaftsvermögen?“.260 Darüber hinaus kommt eine Mitberechtigung zur gesamten Hand im Rahmen des BGB bei Erbengemeinschaften sowie ehelichen Gütergemeinschaften vor.261 Mit Blick auf die Leitentscheidung des BGH zur Anerkennung der 255 Vgl.

K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181 (193 f., 197 ff.). K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  4. 257  K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  4, 6 m. w. N. auch zur Gegenauffassung. 258  v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, Vorbemerkungen zu §  741 bis 758 Rn.  9 ff.; K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  4; vgl. Kießling, in: FS Hadding, S.  484 f. 259  v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, Vorbemerkungen zu §§  741 bis 758 Rn.  9. 260  K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  4. 261  v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, §   741 Rn.  239; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  82 f. 256 

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Rechtsfähigkeit der Außen-GbR wird die Frage der Rechtsfähigkeit von nicht verbandsrechtlichen Gesamthandsgemeinschaften uneinheitlich gehandhabt.262 Die Erbengemeinschaft wird vor dem Hintergrund der Vorschriften der §§  2032, 2033 Abs.  1, 2042 Abs.  2 BGB    – die jedem Miterben das Recht geben, über ihren Anteil zu verfügen sowie jederzeit die Auflösung zu verlangen und der Erbengemeinschaft damit eine primär vermögensrechtliche, auf Auflösung zielende Struktur verleihen    – überwiegend nicht als rechtsfähig behandelt.263 Ein entscheidender Unterschied der Erbengemeinschaft gegenüber verbandsrechtlichen Gesamthandskonstruktionen liegt jedenfalls darin, dass diese durch den Erbfall kraft Gesetzes und nicht wie die übrigen Personenvereinigungen kraft privatautonomer, den Verband als solchen konstituierender, Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks264 gebildet wird. Mit Blick auf das Fehlen dieser verbandsrechtlichen Komponente, soll im Rahmen dieser Untersuchung, die sich auf die Haftungsverhältnisse im Personenverband     – insbesondere der oHG    – konzentriert, daher nicht vertieft auf die Rechtsnatur der Erbengemeinschaft eingegangen werden. Dementsprechend kann es dahinstehen, ob die Art der Konstituierung der Erbengemeinschaft geeignet ist, ihr schon deshalb die Rechtsfähigkeit, wie sie Personenaußengesellschaften zuerkannt wird, abzusprechen. Vor dem Hintergrund, dass die Erben Rechtsnachfolger des Erblassers werden (§  1922 Abs.  1 BGB) und die Vermögenssonderung des Nachlasses bloß vorläufig ist, weil die Erben gemäß §  2058 BGB letztlich mit ihrem Privatvermögen für die Nachlassverbindlichkeiten einzustehen haben, gibt es allerdings in schuld- und haftungsrechtlicher Hinsicht gar keine Notwendigkeit, der Erbengemeinschaft die Fähigkeit zuzuerkennen, Träger eines eigenen Vermögens sein zu können. Im Falle der Erbschaft findet gerade keine echte Vermögenssonderung statt.265 Auch der ehelichen Gütergemeinschaft (vgl. §§  1416, 1419 sowie ggf. §  1483 BGB) fehlt dieses notwendige Element des Verbandsrechts. Sie weist gleichfalls eine lediglich vermögensrechtliche Struktur auf, sodass auch ihr die Fähigkeit abgesprochen wird, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.266 Darüber hinausgehende Zwecke werden nicht von der Gütergemeinschaft erfasst, 262  Vgl. BayObLG, Bv. 22.1.2003    – 3Z BR 238/02, juris-Rn.  6 f. mit kritischer Anm. Grziwotz, ZIP 2003, 848, (848 f.) sowie mit Verweis auf BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = juris-Rn.  5 ff.; vgl. Kanzleiter, DNotZ 2003, 422, (422 ff.). 263  BGH, Uv. 11.9.2002    – XII ZR 187/00, juris-Rn.  11 ff.; BGH, Bv. 17.10.2006    – VIII ZB 94/05, juris-Rn.  7; Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  330 ff., 396; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  82; Ulmer, AcP 198 (1998), 113, (126 ff., 133); a. A. Grunewald, AcP 197 (1997), 305, (306 ff., 315); unklar, v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, §  741 Rn.  239; vgl. Reuter, AcP 207 (2007), 673. 264 Vgl. Lüdeking, AcP 220 (2020), 303 (305 ff.). 265  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.II.4.b). 266  BayObLG, Bv. 22.1.2003    – 3Z BR 238/02    – ZIP 2003, 480 mit kritischer Anm. G ­ rziwotz, ZIP 2003, 848, (848 f.); C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  83; unklar, v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, §  741 Rn.  239.

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sondern können allenfalls im Rahmen einer GbR wahrgenommen werden. Insoweit weist die eheliche Gütergemeinschaft Gemeinsamkeiten mit einer Bruchteilsgemeinschaft auf. 7. Zwingender Zusammenhang zwischen der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft und einem Gesellschaftsvermögen Überwiegend wird der handelsrechtlichen Unterscheidung zwischen rechts­ fähiger Außengesellschaft (oHG und KG gemäß §§  105 ff. HGB) und nichtrechtsfähiger Innengesellschaft (stille Gesellschaft gemäß §§  230 ff. HGB) ein „allgemeines, systembildendes Prinzip“267 entnommen, der dogmatischen Beurteilung der Personeninnengesellschaft zugrunde gelegt und daraus abgeleitet, dass Innengesellschaften weder Rechtsfähigkeit besäßen noch ein Gesellschafts­ vermögen bilden könnten.268 Maßgebliches Unterscheidungskriterium zwischen Innen- und Außengesellschaft sei die Frage der Rechtszuständigkeit im Außenverhältnis.269 Aus dem Umstand, dass etwaige Beitragsansprüche gegen die Gesellschafter (auf Einlagenzahlung gerichtete Sozialansprüche) auch schon vor Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr die ersten Gegenstände eines Gesellschaftsvermögens bilden könnten,270 wird teilweise gefolgert, dass die Innengesellschaft ihrerseits Träger des Gesellschaftsvermögens sei und mithin rechtsfähig sein könne.271 Umgekehrt wird teilweise angenommen, dass aus der Fähigkeit, gemäß §  718 Abs.  1 BGB ein Gesellschaftsvermögen erwerben zu können, nicht folge, dass eine Gesellschaft stets über ein Gesellschaftsvermögen verfüge.272 Dagegen wird vorgebracht, dass ein zwingender Zusammenhang zwischen „Gesellschaftsvermögen“ und Rechtsfähigkeit nicht bestehe;273 so könnten bei einer Innengesellschaft auch die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Vermögensträger sein.274 Ebenso komme eine treuhänderische Verwaltung des Vermögens durch einen der Innengesellschafter in Betracht, sodass nicht zwingend die Innengesellschaft als Rechtsträger herhal-

267 

C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, C.I.2.c. C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, D.I.3.a.; ders., in: MüKoBGB, §  705 Rn.  283 m. w. N.; a. A. Kießling, in: FS Hadding, S.  484; vgl. zur Unterscheidung zwischen rechtsfähiger Außen-GbR und Innengesellschaft nach §§  705, 719 BGB-E bzw. §  740 BGB-E RegE MoPeG, C. Schäfer, ZIP 2020, 1149 (1150); siehe auch Schall, ZIP 2020, 1443 (1447 f.). 269 Vgl. K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181 (193). 270  Hadding, ZGR 30 (2001), 712 (715); von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  705 Rn.  34; ablehnend, Nordmann, in: Kölner Hdb HGB, Kap.  8 Rn.  8. 271  Beuthien, NZG 2011, 161 (162 ff.); siehe auch Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, Vor §  705 Rn.  28; Westermann, in: Erman, BGB, Vor §  705 Rn.  28, §  705 Rn.  66, §  718 Rn.  2 sowie die m. w. N. bei C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  283 Fn.  802–804; a. A. ders., Gutachten E zum 71. DJt, C.I.2.c., D.I.3.a.; kritisch, Tröger, JZ 2016, 834 (838). 272  M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  124 HGB Rn.  5. 273  So auch Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, Vor §  705 Rn.  28. 274  C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, C.I.2.c., D.I.3.a. 268 

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ten müsse.275 Gegen die Fähigkeit von Innengesellschaften, Träger eines Gesellschaftsvermögens sein zu können, wird ferner ein rechtspolitisches Argument vorgebracht, wonach ein solches Verständnis mit der vermögenstragenden Innengesellschaft neben der Außengesellschaft sowie der nichtrechtsfähigen Innengesellschaft zu einer dritten Zwischenkategorie führe, für die es wiederum eigene Regeln zu entwickeln gäbe;276 die Beschränkung auf eine vermögens­ tragende Außengesellschaft gegenüber der vermögenslosen Innengesellschaft sei hingegen abgrenzungstauglich, insbesondere mit Blick auf die Transparenz der Vermögenszuordnung sowie den Vollstreckungszugriff.277 Dadurch, dass §  128 HGB auf Außengesellschaften ausgerichtet ist,278 sind Rechtsfähigkeit und Vermögensträgerschaft von Innengesellschaften nicht vertiefter Gegenstand der Untersuchung. Soweit jedoch vertreten wird, dass es auch Außen­ gesellschaften ohne ein Gesellschaftsvermögen geben könne,279 ist sich mit dem Zusammenhang von Rechtsfähigkeit, Vermögensträgerschaft und Außenauftritt einer Gesellschaft auseinanderzusetzen, weil ein fehlendes Gesellschaftsvermögen Auswirkungen auf die Haftungsverfassung in der Personenaußen­ gesellschaft hätte. Sobald ein Verband über die Konstituierung eines auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit gerichteten gemeinsamen Zwecks am Rechts­verkehr teilnimmt, erlangt dieser Verband Rechtssubjektivität, weil er dann für Dritte als Verkehrsteilnehmer identifizierbar ist, sei es als Personen­ außengesellschaft oder als Körperschaft. Mit Anerkennung der Rechtssubjektivität geht sodann die Fähigkeit einher, Träger von Rechten und Pflichten, mithin Gläubiger oder Schuldner eines Schuldverhältnisses sein zu können. Die Partizipation an einem Rechtsverhältnis als Schuldner setzt wiederum notwendig das Vorhandensein eines Schuldnervermögens voraus, weil dieses dem Zugriff des Gläubigers haftungsrechtlich zugeordnet wird.280 Mit der Rechts­ trägerschaft geht die Vermögensträgerschaft folglich notwendig einher, sodass jedenfalls in diese Richtung ein zwingender Zusammenhang zwischen der Rechts­fähigkeit der Gesellschaft und einem Gesellschaftsvermögen besteht. Eine Außen­gesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen ist daher nicht denkbar.281 Um­gekehrt kann nicht notwendig von dem Vorhandensein einer Vermögensverbindung auf eine Rechtssubjektivität derjenigen Personenverbindung geschlossen werden, zu deren Zweck das Vermögen gebildet wurde.282 Eine Vermögensverbindung kann auch mehreren Personen in ihrer gesamthänderischen 275 

C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, C.I.2.c., D.I.3.a. nun aber zur geplanten normativen Differenzierung zwischen Außen- und Innengesellschaft, §§  705, 719 BGB-E bzw. §  740 BGB-E RegE MoPeG. 277  C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, D.I.3.a.; ders., in: MüKoBGB, §  705 Rn.  280 f. 278 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  46. 279  Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, Vor §  705 Rn.  28. 280  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.II.3. 281  So aber Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, Vor §  705 Rn.  28. 282  Siehe dazu auch unten Kap.  1 §  2 C.II.4.b). 276  Siehe

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Verbundenheit zustehen. Erst die Teilnahme des Verbandes am Rechtsverkehr erfordert das Vorliegen einer echten Vermögenssonderung zugunsten des Verbandes, weil dieser zu diesem Zeitpunkt selbst Verpflichtungssubjekt wird, was das Vorhandensein eines ihm zugewiesenen Vermögens erfordert.283 Tritt ein Verband als solcher im Rechtsverkehr auf, kommt nur eine Verpflichtung des Verbandes mit eigenem Vermögen in Betracht, weil Schuldner eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne lediglich ein einziges Rechtssubjekt mit dem ihm zugewiesenen Schuldnervermögen sein kann.284 Es stellt sich ferner die Frage, wieso eine Innengesellschaft überhaupt ein eigenes Vermögen bilden können sollte, wenn es ihr mangels Rechtsfähigkeit überhaupt nicht zugeordnet werden kann. Soweit teilweise umgekehrt von dem Vorliegen eines Gesellschaftsvermögens auf die Rechtsfähigkeit der Innengesellschaft geschlossen wird, erscheint dies problematisch, weil mangels rechtsfähigen Zuordnungssubjekts eine dogmatische Grundlage nicht ersichtlich ist. Eine Vermögensverbindung wird erst dadurch zum Gesellschaftsvermögen, dass sie von der rechtsfähigen Gesellschaft als eigenes Vermögen gehalten werden kann. Dies ist jedoch erst der Fall, wenn der Verband als solcher nach außen tätig wird. Soweit noch kein rechts­ fähiger Verband in Erscheinung getreten ist, entfaltet auch die Vermögenssonderung noch keine Außenwirkung. Dies hat zur Folge, dass die Vermögensverbindung den Innengesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zusteht, die Bildung eines echten Sondervermögens kann mangels eines das Vermögen übernehmenden Rechtssubjekts nicht erfolgen.285 Dem steht nicht entgegen, dass haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkt schuldrechtlicher Verbindlichkeiten das einzelne Schuldnervermögen ist und demnach eine Vermögenshaftung vermögens- und nicht personenbezogen erfolgt.286 So knüpft die schuldrecht­liche Verpflichtung nämlich an ein Rechtssubjekt als Schuldner an und lediglich die Haftung stellt auf die diesem zugeordnete Vermögensverbindung ab.287 Der Vermögensbezug der Haftung setzt damit das Vorliegen eines Rechtssubjekts voraus. Von einem Gesellschaftsvermögen im rechtlichen Sinne kann demnach nur gesprochen werden, wenn ein Personenverband im Außenverhältnis als Rechtssubjekt konstituiert wurde, weil es nur dann von der Gesellschaft selbst getragen werden kann und zum Zuordnungsobjekt der Haftung für schuldrechtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft wird.288 Soweit die Gesellschafter lediglich eine Innengesellschaft vereinbart haben, beziehen sich etwaige innenrechtliche Verbindlichkeiten nicht auf ein echtes Sondervermögen, sondern auf die Vermögensverbindung, die von den Gesellschaftern in ih283 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.II.3. Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). 285  Siehe zur Bildung von echten Sondervermögen unten Kap.  1 §  2 C.II.4.b). 286  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.II. 287  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.II.1. 288  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.II.1. 284 

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rer gesamthänderischen Bindung gehalten wird; dabei werden aber die Gesellschafter berechtigt bzw. verpflichtet    – es handelt sich also um gesamthänderisch gebundenes, ge­gebenenfalls treuhänderisch verwaltetes, Gesellschaftervermögen.289 Rechts­beziehungen bei einer Innengesellschaft bestehen daher nicht zur Gesellschaft, sondern nur zwischen den jeweiligen Gesellschaftern. Dies gilt auch für die zwischen den Innengesellschaftern schuldrechtlich vereinbarten Einlagen. Erst mit einer Konstituierung des Personenverbandes werden diese zu den das Gesellschaftsvermögen bildenden Sozialansprüchen der Außengesellschaft als ver­mögenstragendem Rechtssubjekt. Mangels Außenauftritts im Rahmen schuld­recht­licher Rechtsverhältnisse bedarf es keiner irgendwie gelagerten vermögens- oder haftungsrechtlichen Verselbstständigung der Innen­ gesellschaft. Über die gesetzlich vorgesehenen Fälle (zum Beispiel die Ausschlagung der Erbschaft oder die eherechtliche Verwaltung des Gesamtgutes) hinaus kommt eine echte Vermögenssonderung nur in Betracht, wenn zugleich ein Rechtssubjekt konstituiert wird, welchem die neue Vermögensverbindung als dessen Vermögen zugewiesen werden kann. Insoweit gilt der Grundsatz „ein Rechts­träger    – ein Vermögen“ auch in umgekehrter Beziehung „ein Vermögen    – ein Rechtsträger“. Nur ein gemeinsamer Außenzweck hat daher die Bildung eines Gesellschaftsvermögens zur Folge, umgekehrt hat die formale Bildung eines „Sondervermögens“ nicht notwendig die Vereinbarung eines auf eine Außen­tätigkeit gerichteten Verbandszwecks zur Konsequenz.290 Das Vorhandensein von als solchem bezeichneten „Gesellschaftsvermögen“ kann allenfalls als Indiz dafür herhalten, dass die Gesellschaft im Einverständnis aller Gesellschafter als mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Außengesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt und damit Zuordnungssubjekt der insoweit gesonderten Vermögensverbindung geworden ist. Um tatsächliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, werden gesetzliche Vermutungsregeln nach dem Vorbild des §  1176 ABGB vorgeschlagen.291 8. Volkswirtschaftlicher Vorteil der Vermögenstrennung Darüber hinaus ist die mit Blick auf die Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaft gebotene Trennung der Vermögens- und Haftungssphären nicht nur rechtsdogmatisch geboten, sondern auch bei rechtsökonomischer Betrachtung effizient.292 Dadurch, dass verschiedene Individuen Kapital in einem Verband bei eigenständigem Auftritt im Rechtsverkehr dauerhaft sammeln und zu 289 Vgl.

Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (150). zur Unfähigkeit der Innengesellschaft eigenes Vermögen zu bilden sowie zum insoweit mangelnden praktischen Bedürfnis, RegE MoPeG, S.  222 (S.  138 des Mauracher Entwurfs). 291  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  283; insoweit ablehnend, RegE MoPeG, S.  141 f. (S.  70 f. des Mauracher Entwurfs). 292  Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1541 f. 290  Siehe

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einem gemeinsamen Zweck binden können, werden größere Investitionen langfristig transaktionskostengünstig ermöglicht.293 Die Anerkennung einer Vereinigung als Rechtssubjekt führt dazu, dass sowohl das Privatvermögen von dem Gesellschaftsvermögen gegen Zugriffe von Fremdgläubigern abgeschirmt wird als auch das Gesellschaftsvermögen von Zugriffen der Privatgläubiger.294 Dies mündet in einer erhöhten Investitionsbereitschaft im gesamtvolkswirtschaftlichen Interesse.295 Am stärksten ist dieser Effekt, wenn der Haftungszugriff auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt bleibt. Die persönliche Einstandspflicht mildert diese Wirkung zwar ab, sie bleibt aber    – insbesondere unter Beachtung der Sozietätskonstruktion    – gleichwohl erhalten, wenn die Einstandspflicht eine mittelbare ist. Verstärkt wird dieser Effekt wiederum durch die Handelbarkeit und Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile.296 So führt die Möglichkeit der Veräußerung dazu, dass Gesellschafter, die den Verbandszweck nicht weiter fördern möchten, neben der Variante eines Austritts die Option erhalten, ihre Gesellschaftsanteile sowohl an Mitgesellschafter als auch an Dritte übertragen zu können. Auf diese Weise entstehen keine gegen das Gesellschaftsvermögen gerichteten Auseinandersetzungsansprüche und es kommt nicht zu einem Abzug von Gesellschaftsvermögen. Das Kapital bleibt dadurch länger zweckgebunden verfügbar. Ebenso können zusätzliche Investoren angeworben werden. Die normative Anerkennung von rechtsfähigen Verbänden ermöglicht eine privatautonom so nicht zu verwirklichende Transaktionskostenersparnis. So werden die mit einem Verband in Rechtsbeziehungen tretenden Gläubiger von solchen Kosten entlastet, die ohne eine Abschirmung des Gesellschaftsvermögens von den Privatverbindlichkeiten der Gesellschaft entstehen würden.297 Gesellschaftsgläubiger müssten stets auch einen Zugriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen befürchten. Die organisationsrechtliche Trennung der Vermögensverbindungen führt dazu, dass Gläubiger ihre Informationsbemühungen im Wesentlichen auf das Gesellschaftsvermögen beschränken können, was zu einer Senkung der Kreditkosten der Gesellschaft führen kann, 298 wie sich etwa anhand der Diskussion über die Einführung einer materiellen Konsolidierung im Rahmen von Konzerninsolvenzen zeigt.299 Für den Fall der Insol293  Dari-Mattiacci/Gelderblom/Jonker u. a., The Journal of Law, Economics, and Organization 33 (2017), 193 (199 ff.); König, AcP 217 (2017), 611 (617 ff.). 294  Dari-Mattiacci/Gelderblom/Jonker u. a., The Journal of Law, Economics, and Organization 33 (2017), 193 (213, 223, 225). 295  Dari-Mattiacci/Gelderblom/Jonker u. a., The Journal of Law, Economics, and Organization 33 (2017), 193 (199 f.). 296  Dari-Mattiacci/Gelderblom/Jonker u. a., The Journal of Law, Economics, and Organization 33 (2017), 193 (199). 297  Dari-Mattiacci/Gelderblom/Jonker u. a., The Journal of Law, Economics, and Organization 33 (2017), 193 (200). 298  Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1542 f. 299  Siehe dazu oben Einführung §  1 B.III.1.

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venz führt die Beschränkung des Insolvenzbeschlags auf das Schuldnervermögen dazu, dass nicht alle Forderungen der Privatgläubiger sowie die Privatvermögen der Gesellschafter unmittelbar berücksichtigt werden müssen.300 9. Zusammenfassende Thesen zur Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft Nach dem bisherigen Untersuchungsbefund ergeben sich mithin folgende Annahmen zu der Rechtnatur der oHG als Personenaußengesellschaft: 1. Die oHG ist als gesamthänderisch verfasster Personenverband selbst fähig, Träger von Rechten und Pflichten sowie eines eigenen Gesellschaftsvermögens zu sein, welches dem Haftungszugriff von Gläubigern der Gesellschaft zugewiesen werden kann. 2. Personenaußengesellschaften erlangen ihren Status als rechtsfähiger Verband durch die diesen konstituierende Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks, der darauf gerichtet ist, als „Gruppe“ eigenständig am Rechtsverkehr teilzunehmen. 3. Mit der privatautonomen Entscheidung der Gründer, als Personenverband am Rechtsverkehr teilzunehmen, werden die Rechte und Pflichten der Gesellschafter zur Gesellschaft sowie zu den anderen Gesellschaftern in dem Rechtsinstitut der Mitgliedschaft gebündelt. 4. Die Mitgliedschaft weist rechtsformunabhängig eine gleichartige Struktur auf; die in der Mitgliedschaft zum Ausdruck kommenden Gesellschaftsanteile können in der Personengesellschaft aber anders als bei Kapitalgesellschaften nicht formal verkörpert abgebildet werden. Unabhängig von einer formalen Verkörperung mehrerer Gesellschaftsanteile in den Händen eines Gesellschafters bilden diese materiell-rechtlich lediglich eine einzige Mitgliedschaft ab, sodass eine einheitliche Rechtewahrnehmung geboten ist. Lediglich bei mit Rechten Dritter belasteten Mitgliedschaften können neben der eigenen Mitgliedschaft weitere Mitgliedschaften als Mehrfach-Mitgliedschaften von einer Person gehalten werden. 5. Über den staatlichen Anerkennungsakt zur Erlangung ihres rechtsform­ begründenden Status hinaus weisen körperschaftlich verfasste juristische Personen kaum strukturelle Unterschiede gegenüber den Personenaußengesellschaften auf. So ist es bei fließenden Grenzen rechtsformtypischer Realstruktur lediglich die Sozietätskonstruktion, die hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur eine abweichende Beurteilung der Verbandsformen erfordert; darüberhinaus­ gehende Organisationsunterschiede sind lediglich Ausdruck spezialgesetzlicher Regel-Ausnahme-Verhältnisse. 6. Die durch die Sozietätskonstruktion bedingten Strukturunterschiede betreffen in erster Linie das Verhältnis der Gesellschafter untereinander sowie die Existenz des Personenverbandes, nicht hingegen das durch die Mitgliedschaft 300 

Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1543.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

zum Ausdruck kommende Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern bzw. das schuldrechtliche Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern. Diese Rechtsverhältnisse sind vielmehr von der Eigenschaft als Personenverband geprägt, sodass im Rahmen der Analyse des durch §  128 HGB zu gewährleistenden Gläubigerschutzes besonders diejenigen, allgemein verbandsspezifischen Risiken hervorzuheben sind, die sich dadurch ergeben, dass Gläubiger anstatt mit einer natürlichen Person mit einem Verband in ein Rechtsverhältnis treten, bevor man sich den sozietätsbedingten Besonderheiten der Personenverbände zuwendet. 7. Die Sozietätskonstruktion führt dazu, dass eine Personenaußengesellschaft auf einem organisationsrechtlichen Fundament aus mindestens zwei Mitgliedschaften fußt; vorbehaltlich einer Sonderzuordnung von Mitgliedschaften führt der Wegfall des vorletzten Gesellschafters zur Vollbeendigung des Verbandes unter Gesamtrechtsnachfolge in der Person des verbleibenden Mitglieds. 8. Die Sozietätskonstruktion steht grundsätzlich der Existenz einer Einmitglieds-Personengesellschaft sowie dem Erwerb eigener Anteile durch die Personengesellschaft entgegen. 9. Der Umstand, dass jede Personenaußengesellschaft angesichts mitgliedschaftsveranlasster Beitragspflichten in qualitativer Hinsicht zwingend ein eigenes Vermögen hat, führt gemeinsam mit der Eigenschaft als rechtsfähiger Verband dazu, dass das Gesellschaftsvermögen strikt von den Privatvermögen der Gesellschafter zu trennen ist sowie eigenständig einem Haftungszugriff unterworfen wird. Diese organisationsrechtliche Vermögenstrennung trägt dazu bei, dass die Personenaußengesellschaft im Rechtsverkehr eigenständig agieren kann. 10. Das aus dem Sozietätsverhältnis folgende Erfordernis einer Verbindung mindestens zweier Mitgliedschaften führt dazu, dass die Vermögenstrennung jedenfalls im werbenden Zustand des Personenverbandes realstrukturell gefördert wird und sich das kollektiv zu bildende Gesellschaftsinteresse von den Individualinteressen der Gesellschafter unterscheidet. 11. Die registerrechtliche Publizität ist keine verbandsrechtliche Notwendigkeit, trägt aber zu einer Verfestigung der rechtssubjektiven Vermögenstrennung bei. II. Wirkungen der Vermögenstrennung im Personenverband Mit der Feststellung der Vermögensträgerschaft des Personenverbandes sowie der Beschränkung der Gesellschafterbefugnisse auf die Mitgliedschaft ist noch keine Aussage darüber getroffen, in welchem Maße die Gesellschafter vermittels ihrer mitgliedschaftlichen Befugnisse Herrschaft auf die Gesellschaft ausüben, Zugriff auf Vermögenswerte der Gesellschaft erhalten und Gläubiger­ risiken bedingen können. Mit den Herrschafts- und Zugriffsmöglichkeiten der

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Personengesellschafter begründet die herrschende Meinung das Erfordernis der persönlichen Gesellschafterhaftung. An die erarbeiteten Grundlegungen über die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft schließt sich im Folgenden daher die Untersuchung der vermögensrechtlichen Konsequenzen an, wie sie aus der Anerkennung als Personenverband folgen. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf das gesellschaftsrechtliche Bilanzrecht der oHG zu richten, weil dieses Aufschluss über die mitgliedschaftlichen Wertrechte geben kann. 1. Folgen der Vermögensträgerschaft des Personenverbandes Während sich die formale Trennung des Gesellschaftsvermögens von den Privatvermögen der Gesellschafter    – in Abgrenzung zur Bruchteilsgemeinschaft    – normativ aus den Vorschriften über das Gesamthandsvermögen gemäß §§  105 Abs.  3 HGB i. V. m. 718 f. BGB ergibt,301 wird sie mit dem Auftritt der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand im Rechtsverkehr zur schuldrechtlichen Selbstverständlichkeit. Erkennt man die Rechtssubjektivität des Personenverbandes an, ist er es, der    – wie §  124 HGB für die oHG klarstellt302    – Rechte erwirbt, Verbindlichkeiten eingeht, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwirbt, vor Gericht klagt und verklagt werden kann. In Anbetracht der Eigenschaft der oHG als Außengesellschaft verfügt diese stets über ein ­eigenes Vermögen, welchem in Form der auf Einlagenzahlung gerichteten So­ zialansprüche sowohl ein qualitativer Gehalt als auch ein quantitativer Wert beigemessen werden kann.303 Geht die Gesellschaft privatautonom eine schuldrechtliche Verbindlichkeit ein oder wird sie aufgrund eines gesetzlichen Schuldverhältnisses verpflichtet, wird sie selbst Schuldner der Verbindlichkeit und es ist ihr Gesellschaftsvermögen, welches dem Gläubigerzugriff funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugeordnet wird.304 Ist der Personenverband demgegenüber Gläubiger eines Schuldverhältnisses, so wird dieser selbst berechtigt und Forderungen werden ausschließlich seinem Gesellschaftsvermögen zugeordnet. Angesichts des Umstandes, dass die Gesellschafter, die das sozietätsmäßige Fundament des Personenverbandes bilden, ausschließlich über ihre Anteile in Form der Mitgliedschaft zu der Gesellschaft in Beziehung treten, fragt sich, wie sie in vermögensrechtlicher Hinsicht an den Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft teilhaben. Fraglich ist also, was den Gesellschaftern „an der Gesellschaft gehört“.305

301 Vgl. Hanke, in: NK-BGB, §  718 Rn.  3; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  66 f. 302 Vgl. Mülbert, AcP 199 (1999), 38 (66); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  1. 303  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa). 304 Vgl. F. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, §  7 V; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.II. 305 Vgl. Wiedemann, WM 1992, 3 (4 ff., 30 ff.).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

2. Beziehung der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen Mit der Konstituierung als Personenverband stehen die Gesellschafter in keiner unmittelbaren Beziehung zu dem Gesellschaftsvermögen mehr.306 Im Unterschied zu den zivilrechtlichen Gesamthandsgemeinschaften verlieren die Gesellschafter eines Verbandes vielmehr jegliche materielle Berechtigung an den einzelnen Vermögensgegenständen der Gesellschaft.307 Das Sondervermögen der Gesamthänder wird zum eigenen Verbandsvermögen der Gesellschaft und die Beziehung der Gesellschafter zu dem Gesellschaftsvermögen wird zu einer mitgliedschaftlich vermittelten abstrahiert.308 Mit der vollzogenen Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Personenaußengesellschaften geht die Frage einher, wie sich die vermögensrechtliche Teilhabe der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen gestaltet. Gemäß §  718 Abs.  1 BGB wird das Gesellschaftsvermögen durch die „Beiträge der Gesellschafter“ gebildet.309 In der Folge erhalten die Gesellschafter gemäß §  719 Abs.  1 BGB einen „Anteil an dem Gesellschaftsvermögen“. Einem Gesellschafter einer oHG zukommende Gewinne sind gemäß §  120 Abs.  2 HGB demgegenüber dem „Kapitalanteile des Ge­ sellschafters“ zuzuschreiben und Verluste sowie entnommenes Geld von dem „Kapitalanteil“ abzuschreiben. Entsprechend dieser normativen Differenzierung wird herkömmlich zwischen Gesellschaftsanteil, Vermögensanteil sowie Ka­pital­anteil unterschieden.310 Mit der Anerkennung der verbandsrechtlichen Rechts­subjektivität einerseits sowie der „Entdeckung der Mitgliedschaft als eines mit dem ‚Vermögensanteil‘ des Gesellschafters nicht identischen, in sich ungeteilten, der Verfügung (Belastung und Übertragung) zugänglichen Rechts“

andererseits hat sich aber ein Perspektivenwechsel bezüglich des „Vermögens­ anteils“ vollzogen.311 „Die Personengesellschaft wird nicht mehr von der gesamthänderischen Vermögenspartizipation aller Gesellschafter, sondern von dem Sozietätsverhältnis und von den Mitgliedern her gedacht“.312

306 Vgl.

Kießling, in: FS Hadding, S.  485. Kießling, in: FS Hadding, S.  485. 308  Kießling, in: FS Hadding, S.  486. 309  Vgl. zur Abgrenzung zu §  707 BGB, Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (4 ff.). 310 Vgl. eingehend U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil; ­Wiedemann, in: FS Odersky, S.  928 ff.; siehe §§  120 Abs.  2, 148 Abs.  8 HGB-E RegE MoPeG; dadurch dass die Regelung des §  709 Abs.  3 BGB-E RegE MoPeG einen festen Anteil an Gewinn und Verlust vorsieht, wird auch der Außen-GbR ein fester Kapitalanteil zugrunde gelegt, vgl. S.  162, 121 (S.  80, 169, 84 f. des Mauracher Entwurfs). 311  K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495); vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  276 f. 312  K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495). 307 

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Eine gesamthänderische Einflussnahme der Gesellschafter erfolgt mit Konstituierung der oHG als Personenverband daher nur noch über ihren mitgliedschaftlichen Gesellschaftsanteil. Ungeachtet des gewandelten Verständnisses über den sog. Vermögensanteil als eine bloß mitgliedschaftliche Wertbeteiligung wird dieser Begriff zu Abgrenzungszwecken gegenüber dem Gesellschafts­ anteil sowie dem Kapitalanteil verwendet.313 a) Gesellschaftsanteil, Vermögensanteil im Sinne mitgliedschaftlicher Wertbeteiligung und Kapitalanteil Als Folge der Konstituierung des Personenverbandes treten die Gesellschafter mit diesem nur noch über das Rechtsinstitut der Mitgliedschaft, als Bündel von Rechten und Pflichten, in Beziehung.314 Die jeweilige Mitgliedschaft wird durch die von einer Person gehaltenen Gesellschaftsanteile im relativen Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern abgebildet. Während ein Mitglied einer Kapital­ gesellschaft verschiedene verbriefte Gesellschaftsanteile in einer Hand vereinigen kann, ergibt sich aus der Sozietätskonstruktion die Unzulässigkeit einer formalen Verkörperung mehrerer Gesellschaftsanteile bei einem Gesellschafter.315 Dies führt für personengesellschaftsrechtliche Gesellschaftsanteile dazu, dass diese sich bei einem Hinzuerwerb in der Hand des Mitglieds vereinigen. Der Gesellschaftsanteil stellt daher den relativen Anteil der mitgliedschaft­ lichen Rechte und Pflichten eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern dar. Aus der durch den Gesellschaftsanteil verhältnismäßig abgebildeten Mitgliedschaft erwachsen dem einzelnen Mitglied vielschichtige Rechte und Pflichten. Neben allgemeinen Mitgliedsrechten und -pflichten, wie dem Gleichbehandlungsgrundsatz, der Förderpflicht und der Treuepflicht, verfügt der Gesellschafter auf der einen Seite über Organschaftsrechte sowie Wertrechte und auf der anderen Seite über Beitragspflichten (vgl. §  706 BGB).316 Mit der Leistung vermögenswerter Beiträge werden Vermögensgegenstände aus dem Privatvermögen in das Gesellschaftsvermögen übertragen.317 Damit korrespondierend erhält der Gesellschafter bei Liquidation der Gesellschaft gemäß §  734 BGB einen der Gewinnberechtigung entsprechenden Anteil am Überschuss, der sich gemäß §  155 Abs.  1 HGB nach dem Verhältnis der Kapitalanteile richtet. Der vollständige Wert der Gesellschaftsbeteiligung realisiert sich auf diese Weise im Falle der Liquidation und orientiert sich an der Berechtigung im werbenden Zustand des Verbandes. 313 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  275 ff., §  120 Rn.  48 ff.; kritisch zur Weiterverwendung dieser Terminologie, Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  125.1. 314  Flume, Die Personengesellschaft, S.  145. 315  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.4. 316 Vgl. A. Hueck, in: FS Hübner, S.  73 ff.; Wiedemann, WM 1992, 3 (13 ff., 23 ff.). 317  Vgl. zur Abgrenzung zu §  707 BGB, Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (4 ff.).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

aa) Die mitgliedschaftlich vermittelte, rechtliche Wertbeteiligung am Gesellschaftsvermögen Das sich aus den Beiträgen der Gesellschafter zusammensetzende Gesellschafts­ vermögen steht während des Bestehens des Verbandes dinglich ausschließlich der Gesellschaft zu. Führt aber etwa die Auflösung des Verbandes zu dessen Liquidation oder scheidet ein Gesellschafter aus dem Verband aus, steht den Gesellschaftern bei positivem Saldo des Gesellschaftsvermögens ein relativer, auf das Gesellschaftsvermögen bezogener (vorzeitiger) Auseinandersetzungsanspruch gegen den (Liquidations-)Verband zu (vgl. §§  734, 738 Abs.  1 Satz  2 BGB, §  105 Abs.  3 HGB). Diese vermögensmäßige Berechtigung an dem Gesellschaftsvermögen wird bei Unterwerfung des Mitglieds unter den gemeinsamen Verbandszweck im werbenden Zustand des Verbandes durch die Mitgliedschaft vermittelt.318 Ausdruck dieser mittelbaren Teilhabe eines Mitglieds an dem Verbandsvermögen ist der sog. Vermögensanteil.319 Während der Gesellschaftsanteil die gesellschaftsrechtliche Beziehung eines Mitglieds zu dem Verband kennzeichnet, bildet der Vermögensanteil folglich die gesellschaftsrechtliche Anwartschaft der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen ab. Sowohl der Gesellschaftsanteil als auch der Vermögensanteil sind bei dieser Betrachtungsweise Kennzahlen gesellschaftsrechtlicher Rechtsbeziehungen mit Außenwirkung. (1) Bildung des Vermögensanteils durch Einlagenleistung Mit der Vereinbarung einer gemeinsamen Zweckverfolgung verpflichten sich die Gesellschafter zur arbeitsteiligen Zweckförderung. Diese kommt in der Vereinbarung von Beitragsleistungen zum Ausdruck.320 Wird die Gesellschaft als Verband konstituiert, ergibt sich diese Beitragspflicht als Spiegelbild der verbandsrechtlich vermittelten Vermögensberechtigung aus der Mitgliedschaft selbst. §  706 BGB präzisiert die Beitragspflicht durch Zweifels- und Vermutungsregelungen. In vermögensrechtlicher Hinsicht kommt die Beitragspflicht durch die Pflicht zur Einlagenleistung zum Ausdruck (Umkehrschluss zu §  707 BGB; vgl. §§  733, 734, 735, 739 BGB, §§  121 Abs.  2, 162, 167 ff. HGB).321 Die Zuordnung der auf die Leistung von Einlagen durch die Gesellschafter gerichteten Sozialansprüche zum Verband führt zur notwendigen Bildung des Verbandsvermögens.322 Während die Beitragspflicht sich auf jegliches (nicht-)vermögenswerte Tun, Dulden oder Unterlassen beziehen kann, welches geeignet ist, den Verbandszweck zu fördern, kennzeichnet sich eine Einlage dadurch, 318 Vgl.

Wiedemann, WM 1992, 3 (37 f.). zur Weiterverwendung dieser Terminologie, Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021. §  120 Rn.  125.1. 320 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  17 ff. 321  Vgl. zur Abgrenzung zu §  707 BGB, Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (4 ff.). 322  Siehe hingegen zur Rechtsinhaberschaft von vereinbarten Beitragspflichten im Rahmen einer Innengesellschaft oben Kap.  1 §  2 A.I.7. 319 Kritisch

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dass sie auf die Bildung von Eigenkapital durch Leistung in das Gesellschaftsvermögen zielt und damit zu einer Mehrung des Verbandsvermögens führt.323 Teilweise wird demgegenüber vertreten, dass es sich bei Einlagen um an die Gesellschaft bewirkte, vermögenswerte Beiträge handle und rückständige Einlagen noch unter dem Oberbegriff des Beitrags zu bezeichnen seien.324 Zwar verwendet das Gesetz die Terminologien uneinheitlich, jedoch geht etwa die Regelung des §  167 Abs.  3 HGB über die Verlustbeteiligung des Kommanditisten ausdrücklich von einer „rückständigen Einlage“ aus, sodass eine gleich­ zeitige Bezeichnung als Beitrag missverständlich erscheint. Zwar handelt es sich bei §  167 HGB um eine Sonderregelung über den abweichend von §  128 HGB haftenden Kommanditisten, auch darüber hinaus ist aber ein Abgrenzungsverständnis, welches an die Eignung des Leistungsgegenstandes anknüpft, das Gesellschaftsvermögen als Haftungsobjekt durch die Bildung von Eigenkapital zu mehren, allgemein vorzugswürdig, weil lediglich solche Leistungen zur Förderung des gemeinsamen Zwecks besonderen Regelungen unterliegen und damit eine terminologisch gesonderte Behandlung    – Einlage als vermögensbildender Beitrag im engeren Sinne    – rechtfertigen.325 So orientieren sich zum Beispiel die Auseinandersetzungsansprüche sowie die Kommanditistenhaftung am Merkmal der Einlage.326 Dabei handelt es sich um Konstellationen, in denen der Einlage eine gewisse Außenwirkung zukommt, weil entweder die Einstandspflicht eines Gesellschafters gegenüber Dritten betroffen ist oder weil der Einleger mit seinem Ausscheiden bzw. mit Auflösung des Verbandes der Gesellschaft wie ein Dritter gegenübertritt. In Bezug auf solche Rechtsverhältnisse erweist sich eine auf das zu erbringende Haftungsvolumen bezogene Begriffsbestimmung der Einlage als weiterführend. Mit Blick auf das Erfordernis, das Gesellschaftsvermögen mehren zu können, erfordert eine Einlage, dass es sich um einen Gegenstand handelt, „der einen fa[ss]baren Vermögenswert darstellt und unter Aussonderung aus dem Einlegervermögen der Gesellschaft zur freien Verfügung übertragen werden kann“ sowie dass dieser Gegenstand im Rahmen einer gesellschaftsvertraglichen Einlagenverpflichtung auf die Einlagenschuld geleistet wird.327 Eine auf diese Weise in das Gesellschaftsvermögen überführte Einlage 323  Falkenhausen/H. Schneider, in: MünchHdb. GesR I, §  60 Rn.  2 ; Habermeier, in: Staudinger (2003) BGB, §  706 Rn.  4; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  192 f.; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  706 Rn.  4 a. E.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  20 II 3; ders., in: MüKoHGB, §  105 Rn.  177; Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personen­gesellschaft, S.  7 f., 76; Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 Rn.  185. 324  Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, §  706 Rn.  5, 1; A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  205; Westermann, in: Erman, BGB, §  706 Rn.  1. 325 Vgl. Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  8; vgl. aber zur geplanten Aufgabe der terminologischen Differenzierung, Begr. zu §  709 BGB-E RegE MoPeG, S.  160 ff. (S.  83 f. des Mauracher Entwurfs). 326 Vgl. U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  192. 327  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  20 II 3 a dd, b.

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gewährleistet, dass das Wirtschaftsgut in dem Gesellschaftsvermögen tatsächlich verwertbar ist, insbesondere im Falle der Liquidation bzw. Insolvenz, und nicht der Disposition des Einlegers oder dessen Gläubiger unterliegt.328 Das gesellschaftsvermögensbezogene Verständnis der Einlage trägt dem Umstand Rechnung, dass sich der Verband mit seiner Konstituierung gegenüber seinen Mitgliedern in vermögensrechtlicher Hinsicht verselbstständigt und flankiert damit zugleich die Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Personenaußengesellschaften. Der Begriff der Einlage orientiert sich mithin am Gegenwert, den der Gesellschafter für seine vermögenswerte Leistung erhält und somit anhand der Rechte, die dem Gesellschafter durch die Kapitalüberlassung erwachsen.329 So führt die geleistete Einlage zu einem wertmäßigen Anteil am Gesellschaftsvermögen.330 Dies ist etwa der Unterschied zum Darlehen, bei dem der Gesellschafter lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Gesellschaft erhält; mit diesem Verständnis der Einlage geht die Unterscheidung von Eigenund Fremdkapital einher, wie sie im Rahmen der Mittelherkunft auf der Passivseite abzubilden sind.331 Ausgehend von diesem Begriffsverständnis, wonach die Einlage auf die Bildung von Eigenkapital durch Leistung in das Gesellschaftsvermögen zielt und damit zu einer Mehrung des Verbandsvermögens führt, sind verschiedene ­regelmäßig thematisierte Einbringungsformen voneinander abzugrenzen. So werden die Einbringungen zu Eigentum (quoad dominum), zur Nutzung (quoad usum) und dem Werte nach (quoad sortem) gegenübergestellt.332 Während eine Rechtsübertragung durch Übereignung oder Abtretung zur alleinigen Verfügungsherrschaft der Gesellschaft führt, beruht eine Einbringung zur Nutzung auf einer lediglich schuldrechtlichen Berechtigung, der zwar ein Vermögenswert zukommen kann, die aber anstatt der Erzeugung von Haftungsvermögen zur Bildung von Fremdkapital führt. Haftungsrechtlich erlangt die Gesellschaft dadurch nicht ein Mehr. Problematisch ist die Qualifikation einer Einbringung dem Werte nach. Stellt ein Gesellschafter der Gesellschaft etwa einen Vermögensgegenstand dergestalt zur Verfügung, dass er auf jegliche Disposition während seiner Mitgliedschaft in dem Verband verzichtet, handelt es sich dinglich zwar um einen Vermögensgegenstand aus dem Privatvermögen des Gesellschafters, gegenüber dem Gesellschafter kann die Gesellschaft mit dem Vermögensgegenstand aber wie mit einem Gesellschaftsgegenstand verfahren. Hinsichtlich eines Abfindungs- oder Auseinandersetzungsanspruchs 328 

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  20 II 3 a. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  20 II 1 a. 330  Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  13. 331  Vgl. zur abweichenden Buchung bei negativen Kapitalkonten, U. Huber, Vermögens­ anteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  263 ff., 269 ff. 332  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  195 ff.; Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 Rn.  187 ff.; Wiedemann, in: FS Odersky, S.  928. 329 

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kann sich der Gesellschafter so stellen lassen, als hätte er die Sache zu Eigentum eingebracht.333 Dabei kann auch etwa vereinbart werden, dass der Gesellschafter seine Rechte an dem Gegenstand in der Insolvenz oder bei einer Ausein­ andersetzung nicht nur nachrangig gegenüber den Gesellschaftsgläubigern geltend macht,334 sondern auch im Rang hinter den Einlagenrückzahlungen zurückzutreten hat.335 Dadurch, dass der Gegenstand zwar gesellschaftsrechtlich veranlasst, aber nur schuldrechtlich vermittelt    – und damit nicht mit dinglicher Wirkung    –, in das Gesellschaftsvermögen übertragen wird,336 kommt eine rechtliche Qualifikation als Einlage mit Wirkung im Außenverhältnis nicht in Betracht.337 Der Gesellschafter verpflichtet sich aber auf schuldrechtlicher Basis    – bei gewahrter dinglicher Zuständigkeit    – dergestalt, dass der Vermögensgegenstand wie Eigenkapital der Gesellschaft zu behandeln ist. Spiegelbildlich ist die Gesellschaft im Innenverhältnis verpflichtet, den Gesellschafter so zu stellen, als ob er eine Einlage geleistet hätte. Als Abbild der dinglichen Rechtezuordnung ist dies aber nicht Teil der Einlagenbeurteilung, sondern eine Frage der innenrechtlichen Kontenführung.338 Wird eine derartige Quasi-Einlage auf dem Gesellschafterkonto verbucht, kommt auch eine Aktivierung in der Gesellschaftsbilanz in Betracht.339 Eine Quasi-Einlage ist vor diesem Hintergrund im Innenverhältnis zwar zur Erbringung von Eigenkapital geeignet, weil im Außenverhältnis aber keine dingliche Mehrung des Gesellschaftsvermögens stattfindet, stellt eine Einbringung dem Werte nach keine Einlage dar. Vorbehaltlich vertraglicher Vereinbarung hat sie auch keine Auswirkungen auf den Vermögensanteil des beitragsleistenden Gesellschafters, da sie nicht zu einer ding­ lichen Vermögensmehrung führt. Rückgewähransprüche sind demnach auch nicht gesellschaftsrechtlicher Natur, sondern schuldrechtlicher. Vor dem Hintergrund, dass sich die mitgliedschaftliche Beitragspflicht auf jegliches Tun, Dulden oder Unterlassen zu beziehen vermag, kann ein Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag auch vollständig von der Pflicht zur Leistung einer Einlage befreit werden. Er darf auch ohne Mehrung des Gesellschaftsvermögens seiner Zweckförderungspflicht nachkommen. So kann die Zweckförderung zum Beispiel in der Leistung von Diensten liegen, wie etwa durch einen bloßen Gesellschaftergeschäftsführer oder die Komplementär-GmbH.340 Um-

333 

K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  178; Wiedemann, WM 1992, 3 (38). zur Differenzierung zwischen Drittgeschäft und Beitragspflicht, C. Schäfer, in: MüKo­BGB, §  706 Rn.  5. 335 Vgl. zur Rückgabepflicht von eingebrachten Gegenständen, K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  131 Rn.  106 f. 336  BGH, Bv. 15.6.2009    – II ZR 242, juris-Rn.  4. 337  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  178. 338  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2.a)bb). 339  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  197. 340  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  293 ff. 334  Vgl.

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gekehrt kommt ein Ausschluss von der Gewinnbeteiligung in Betracht.341 Dies ist auch im Rahmen einer oHG ungeachtet deren Rechtsnatur als Handelsgesellschaft möglich, weil sich der gemeinsame auf den Betrieb des Unternehmens gerichtete Verbandszweck strikt von dem Individualinteresse unterscheidet.342 Es ist daher gerade kein individuelles Interesse am Betrieb des Unternehmens erforderlich. Genauso wie es möglich ist, einen Gesellschafter von der Pflicht zur Einlagenleistung zu befreien, kann unabhängig von der Einstandspflicht nach §  128 HGB im Innenverhältnis eine vollständige Verlustbefreiung    – auch im Rahmen von §  735 BGB    – vereinbart werden (vgl. §  722 BGB).343 Der gleichwohl in Anspruch genommene Gesellschafter erfüllt sodann die Voraussetzungen, den geleisteten Betrag von der Gesellschaft nach §  110 HGB erstattet zu bekommen.344 Bei drohender Inanspruchnahme darf er sogar gemäß §  257 BGB Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen; gegenüber den verlustbeteiligten Gesellschaftern kann er eine der Verlustbeteiligung entsprechende Freistellung realisieren.345 (2) Wertmäßiger Anteil am Gesellschaftsvermögen In Anbetracht der mitgliedschaftlich vermittelten Verbindung der Gesellschafter mit dem Personenverband ist die mit der Einlagenleistung korrespondierende Beteiligung an dem Gesellschaftsvermögen lediglich eine mittelbare.346 Normative Anknüpfung des Vermögensanteils ist zwar §  719 BGB. Dieser „Anteil an dem Gesellschaftsvermögen“ ist aber kein realer, dinglich berechtigender Anteil und stellt auch keine schuldrechtliche Berechtigung dar, er ist vielmehr bloß ein wertmäßiger.347 Dinglich ist das Gesellschaftsvermögen mit der Leistung einer Einlage der Gesellschaft zugeordnet, gesellschaftsrechtlich gesehen, ist der Wert des Gesellschaftsvermögens aber den Mitgliedern zugewiesen.348 Vollständig realisieren lässt sich die wertmäßige Beteiligung an dem Gesell341 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  2 2; Wiedemann, WM 1992, 3 (30 f.). 342  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  298 f. 343 Vgl. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  103 ff. 344  Vgl. Faust, in: 1. FS K. Schmidt, S.  357 ff.; Habersack, AcP 198 (1998), 152 (159); K. Schmidt, JuS 2003, 228 (229 ff.); Wiedemann, WM 1992, 3 (34 f.); soweit §  128 HGB analog angewandt wird, bedingt dies eine entsprechende Anwendung von §  110 HGB, BGH, Uv. 15.11.2011    – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293–310 = juris-Rn.  35; BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-­ Rn.  59 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/­2020, Rn.  I-401, I-980; ders., NZG 2003, 618 (619); vgl. Gramlich/Müssig, NZG 2019, 1333 (1334 ff.). 345  Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (4). 346  Siehe dazu die §§  705 Abs.  2 , 713 BGB-E RegE MoPeG, S.  140 ff., 169 f. 347  Habermeier, in: Staudinger (2003) BGB, §  719 Rn.  2 ; Hanke, in: NK-BGB, §  719 Rn.  3; Henssler, in: BeckOGK HGB, Stand: 15.12.2020, §  124 Rn.  10 f.; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  154, 161 f.; Kilian, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  719 Rn.  5; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  277; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  719 Rn.  3. 348  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  162.

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schaftsvermögen erst mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft bzw. deren ­Liquidation; die wertmäßige Beteiligung an dem Gesellschaftsvermögen hat allerdings zur Konsequenz, dass die Gesellschafter an den Erträgen sowie dem Liquidationsüberschuss teilhaben können.349 Anders als eine dingliche Berechtigung bezieht sich der Wertanteil auf das Reinvermögen der Gesellschaft, also den Inbegriff der Vermögensrechte und Verbindlichkeiten des Verbandes.350 Vermittelt wird dieser anteilige Wert an dem Gesellschaftsvermögen durch das Rechtsverhältnis der Mitgliedschaft,351 welches wiederum den Gesellschafts­ anteil abbildet. Es ist die Mitgliedschaft, die die Zweckbindung des Verbandsvermögens sichert und gewährleistet, dass die Gesellschafter an der Substanz und den Erträgen der Gesellschaft teilhaben.352 Während eine gesamthänderische Berechtigung sich nur auf einzelne Gegenstände und Rechte und damit auf Aktiva beziehen kann,353 führt die mitgliedschaftliche Verbindung mit dem Verband dazu, dass der Anteil an dem Gesellschaftsvermögen wertmäßig bestimmt werden kann und sich sowohl auf Aktiva als auch auf Passiva bezieht.354 Es ist demnach die Mitgliedschaft, die den Gesellschaftern einen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen vermittelt, dies jedoch lediglich in Form eines mitgliedschaftlichen Beteiligungswertes an dem Reinvermögen des Verbandes als In­ begriff von Vermögensrechten und Verbindlichkeiten.355 Für die oHG geben die §§  120 bis 122 HGB Aufschluss über die gesellschaftsinnenrechtliche Handhabe dieser mitgliedschaftlichen Wertbeteiligung. Zwar handelt es sich bei den §§  120 bis 122 HGB um bilanzrechtliche Regelungen, diese sind aber in Einklang mit ihrer systematischen Stellung unmittelbar relevant für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander sowie für die mitgliedschaftlich vermittelten Rechte gegenüber der Gesellschaft, insbesondere für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters. So knüpfen die §§  121, 122, 155 HGB materiell-rechtliche Folgen an den kontenmäßigen Ausweis des von §  120 Abs.  2 HGB für die Gewinnbeteiligung der Gesellschafter in Bezug genommenen sog. Kapitalanteils. Im Folgenden stellt sich daher die Frage, wie sich der von §  120 Abs.  2 HGB verwendete Begriff des Kapitalanteils gegenüber dem des Vermögensanteils verhält. 349  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  163; vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  50, §  105 Rn.  275 ff. 350  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  145; Wiedemann, in: FS Odersky, S.  929; vgl. demgegenüber zur Bestimmung des Gesellschaftsvermögens als Gesamtheit der Aktiva oben Kap.  1 §  2 C.II.3. 351  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  162. 352  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  152. 353 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  275. 354  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (91, 32); vgl. zum Begriff des Gesellschaftsvermögens seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Personenverbänden, Begr. zu §  713 BGB-E RegE MoPeG, S.  169. 355  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  173; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  45 III 2 a; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  719 Rn.  3.

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bb) Innenrechtliche Abbildung der mitgliedschaftlichen Wertbeteiligung durch die Bilanzziffer Kapitalanteil Für die Ermittlung des einem Gesellschafter zukommenden Gewinns der Gesellschaft stellt §  120 Abs.  2 HGB auf den sog. Kapitalanteil ab.356 Eine gesetz­ liche Definition des Kapitalanteils sieht das HGB nicht vor.357 Er ist daher aus dem Regelungszusammenhang zu ermitteln und von dem Gesellschaftsanteil sowie dem Vermögensanteil abzugrenzen. Während Gesellschafts- und Vermögensanteil des Gesellschafters unmittelbaren Aufschluss über die dingliche Zuordnung der getrennten Vermögensverbindungen im Außenverhältnis sowie die wertmäßige Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen geben, kommt dem Kapitalanteil lediglich eine dispositive, innenrechtliche Bedeutung zu, weil dessen Feststellung bloß an die Methoden der Buchführung und Bilanzierung gebunden ist, wie sich aus der Bezugnahme des §  120 HGB auf die Gesellschaftsbilanz    – gemeint ist der Jahresabschluss    – ergibt.358 Gemäß §§  238 Abs.  1 Satz  1, 242 Abs.  1, Abs.  3, 120 Abs.  1 HGB ist die oHG verpflichtet, eine Bilanz (Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz) über die Lage ihres Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu führen sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen. In ihrer Gesamtheit bilden diese den sog. Jahresabschluss (§  242 Abs.  3 HGB). Die Bilanz dient gemäß §  238 Abs.  1 Satz  2 HGB dazu, der oHG, ihren Gesellschaftern oder einem sachverständigen Dritten stichtagsbezogen innerhalb angemessener Zeit, einen Überblick über die Lage des von der oHG betriebenen Unternehmens, das heißt den Vermögensstatus der Gesellschaft, zu verschaffen. Dabei kommt die Trennung des Gesellschaftsvermögens von dem Privatvermögen der Gesellschafter bilanziell dadurch zum Ausdruck, dass die Mittelherkunft des Gesellschaftsvermögens in der Gesellschaftsbilanz getrennt in Eigen- und Fremdkapital dargestellt wird.359 Einlagen der Gesellschafter, die aufgrund gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung erbracht werden, sind dementsprechend als Teil des Eigenkapitals auszuweisen, Gesellschafterdarlehen sind demgegenüber grundsätzlich als Fremdkapital zu verbuchen. Der Kapitalanteil ist 356  Ebenso §  120 Abs.  2 HGB-E RegE MoPeG, S.  282 ff., ergänzt durch §  709 Abs.  3 BGB-E; abweichend noch die §§  112–114 HGB-E des Mauracher Entwurfs, vgl. S.  168 ff. Hingegen soll der Kapitalanteil künftig nicht mehr Maßstab für die Kapitaldividende des §  121 HGB sowie des Kapitalentnahmerechts nach §  122 HGB sein    – diese Vorschriften sollen aufgehoben werden und eine Ergebnisverwendung in Einklang mit der Praxis nach den vereinbarten Beteiligungsverhältnissen vorgenommen werden, vgl. §  120 Abs.  1 Satz  2 HGB-E. 357 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  49. 358  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  58; Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  84; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  228; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  129 Rn.  12 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  50; vgl. zu §  121 HGB-E RegE MoPeG, S.  283. 359 Vgl. Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft; Wiedemann, in: FS Odersky, S.  928 f.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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„die Bilanzziffer, die den gegenwärtigen Stand der Einlage des Gesellschafters angibt, so wie er sich nach den Methoden der kaufmännischen Buchführung und Bilanzierung errechnet. Der Stand der Einlage, der auf diese Weise ausgewiesen ist, gibt zugleich die Höhe der Wertbeteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen […] an.“360

Entsprechend der Bestimmung des Vermögensanteils ist es die Einlage, das heißt der auf den einzelnen Gesellschafter entfallene Anteil am Eigenkapital der Gesellschaft, die im Ausgangspunkt den Wert der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ausmacht. Mit Blick auf Gewinnanteile, Verlustanteile und Entnahmen ist der gegenwertige Stand der Einlage veränderlich. Aus dem Zusammenspiel von §  247 Abs.  1 mit §  120 Abs.  1, Abs.  2 HGB ergibt sich, dass der Kapitalanteil bilanzrechtlich diesen auf die einzelnen Gesellschafter entfallenen variablen Anteil am Eigenkapital der oHG abbildet.361 Der Kapitalanteil repräsentiert demnach den bilanzrechtlichen Gegenwert der Einlage, weil diese während des Bestehens des Verbandes als Teil des Gesellschaftsvermögens der Disposition der Gesellschafter entzogen ist, im Falle der Gesellschafterinsolvenz nicht geltend gemacht werden kann und erst im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung als Rechnungsposten in die Schlussrechnung eingeht.362 Mit der Bezugnahme auf die Einlage knüpfen der Kapital- wie auch der sog. Ver­ mögensanteil an die Mitgliedschaft an, gehen jedoch nicht mit dieser einher. Darüber hinaus entspricht es dem Charakter des Kapitalanteils als bloße Bilanzziffer    – im Unterschied zum materiell-rechtlich zu bestimmenden Vermögensanteil    –, dass die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen mit einer Einlage nicht mit der größten Genauigkeit abgebildet wird, sondern unter Bindung an die Methoden der Buchführung und Bilanzierung erfolgt.363 Dadurch, dass sich die Bilanzziffer „Kapitalanteil“ aus den Einlagen, Gewinnanteilen, Verlustantei­ len und Entnahmen bildet, stellt sie eine veränderliche Rechnungsziffer dar,364 die für bestimmte Zwecke das Verhältnis der Rechte und Pflichten der Gesellschafter angeben soll.365 Als Bilanzziffer kommt dem Kapitalanteil weder eine 360  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  215 ff., 228; vgl. A. Hueck, Das Recht der oHG, §  16 IV 1, S.  229; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  51. 361 Vgl. Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  57; Falkenhausen/H. Schneider, in: MünchHdb. GesR I, §  61 Rn.  22; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  228; ders., ZGR 17 (1988), 1 (4); Lieder, in: Oetker, HGB, §  120 Rn.  4 4; Priester, in: MüKo­ HGB, §  120 Rn.  84; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  120 Rn.  13; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  50; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  41 III 2; Sieker, Eigen­ kapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  25 ff., 77; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  141; siehe auch Flume, Die Personengesellschaft, S.  147 ff. 362  Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  25 ff., 77. 363  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  2 22 ff., 228. 364  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  218; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  50; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  125; vgl. Wiedemann, in: FS Odersky, S.  928 f. 365  Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §   120 Rn.  23; Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  86; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  120 Rn.  13.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

schuldrechtliche noch eine dingliche Wirkung zu. Ausweislich der gesetzlichen Systematik hat der Kapitalanteil im Unterschied zum Vermögensanteil seinen Ursprung in der Bilanz der Gesellschaft.366 Der Kapitalanteil stellt daher kein der Verfügung unterliegendes subjektives Recht dar, sondern ist als Bilanz- und Rechnungsziffer lediglich Berechnungsgrundlage für bestimmte Rechte.367 Der Verfügung zugänglich ist lediglich die Mitgliedschaft als Grundlage des Kapitalanteils, der Kapitalanteil gestaltet sich gegenüber der Mitgliedschaft nur als ein unselbstständiges Element.368 Gleichwohl stellt der Kapitalanteil nicht nur eine wirtschaftliche Beteiligung dar, sondern eine rechtliche, weil das Gesetz einerseits materiell-rechtliche Folgen an den Ausweis des Kapitalanteils anknüpft und mit ihm, mitgliedschaftlich vermittelt, Ansprüche gegen die Gesellschaft verbunden sind.369 Andererseits verkörpert der Kapitalanteil über seine materiellen Funktionen hinaus eine „Bilanzziffer, die den gegenwärtigen Stand der Einlage des Gesellschafters angibt, so wie er sich nach den Methoden der kaufmännischen Buchführung und Bilanzierung errechnet“.370

Insoweit wird eine Aussage über ein bestimmtes Rechtsverhältnis getroffen.371 Ferner ist der Gesellschafter nur deswegen wirtschaftlich an der Gesellschaft beteiligt, weil er mit Leistung der Einlage über den Gesellschaftsanteil rechtlich an ihr teilhat.372 Die gesetzliche Funktion des Kapitalanteils besteht im Falle seiner Feststellung sowohl in der Gewinnverteilung, in dem Entnahmerecht sowie in der Auszahlung des Liquidationsüberschusses.373 Jeweils knüpft das Ge366  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  218; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  51. 367  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  58 f.; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  216, 228; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  120 Rn.  13; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  51. 368  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  230, 232; Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  87; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  51; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  127 f. 369  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  2 28. 370  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  2 28; ders., ZGR 17 (1988), 1 (4); siehe auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht§  47 III 2 a; Emmerich, in: Heymann, HGB, §  120 Rn.  23; Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  58. 371  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  2 24 f. 372  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  2 24 f. 373  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  57; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  179 ff.; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  120 Rn.  23; Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  85 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  52. Mit der Novellierung der §§  120–122 HGB durch das MoPeG soll der (variable) Kapitalanteil im Sinne des §  120 Abs.  2 HGB-E in Einklang mit der Praxis demgegenüber künftig    – vorbehaltlich abweichender Vereinbarung    – nicht mehr Maßstab für Gewinn- und Entnahmerechte sein, diese bestimmen sich gemäß §§  120 Abs.  1 Satz  2, 121, 122 HGB-E, §  709 Abs.  3 BGB-E nach dem vereinbarten Beteiligungsverhältnis, vgl. RegE MoPeG, S.  282 ff., 162 f.; K. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16 (43).

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setz an den Kapitalanteil materiell-rechtliche Ansprüche (vgl. §§  121, 122, 155 HGB). Der Kapitalanteil steht dabei in keiner notwendigen Beziehung zum Maß mitgliedschaftlicher Berechtigungen der Gesellschafter untereinander.374 So kann der Gesellschaftsvertrag weitere Mitgliedsrechte an den Kapitalanteil anknüpfen.375 Ebenso können die Kapitalanteile unter den Gesellschaftern kraft des Gesellschaftsvertrages unterschiedlich verteilt werden.376 Der Kapitalanteil kann als eine Rechnungsgröße grundsätzlich zu allen Aktiva und Passiva in Bezug gesetzt werden. Insoweit geht §  120 HGB im Ausgangspunkt von einem einzigen variablen Gesellschafterkonto aus.377 Der auf diesem geführte Kapitalanteil setzt sich zusammen aus den Einlagen, den Gewinnanteilen, den Verlustanteilen sowie den Entnahmen der Gesellschafter, wobei die Einlage als Ausgangsgröße des Kapitalanteils fungiert.378 Das Gesellschafterkonto stellt ein Sachkonto dar, also bei positiven Kapitalanteilen ein Unterkonto der Passivseite der Gesellschaftsbilanz.379 Konkreter ist das Gesellschafterkonto ein passives Bestandskonto, das die Mittelherkunft des Gesellschaftskapitals abbildet.380 Es eignet sich damit bei entsprechendem Ausweis (als vertraglich vereinbartes Drei-Konten-Modell)381 als Maßstab für die Beurteilung, ob es sich bei dem Gesellschaftskapital um Eigen- oder Fremdkapital handelt.382 Ist ein Gesellschafter von der Einlagenverpflichtung befreit, hat dies zur Konsequenz, dass er über keinen Vermögensanteil verfügt und auch keine bilanzielle Abbildung als Kapitalanteil in Betracht kommt.383 Soweit ein Gesellschafter gleichwohl an den Gewinnen der Gesellschaft teilhaben soll, bedarf dies einer schuldrechtlichen Vereinbarung. Ist ein Gesellschafter demgegenüber zur Einlagenleistung verpflichtet, soll aber nicht an den Gewinnen der Gesellschaft teilhaben, können die Gesellschafter diesen ohne Weiteres gesellschaftsvertraglich von der Gewinnbeteiligung ausschließen. Dann ist für diesen zwar ein Kapitalanteil zu führen, die grundsätzlich auf ihn entfallenen Gewinne wer374 

U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  183. U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  188. 376  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  233; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  53. 377  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §   120 Rn.  71; Finckh, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  120 Rn.  42; Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  94 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  53, 58 f. 378  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  191 ff. 379  Vgl. zur Buchung bei negativen Kapitalanteilen, U. Huber, Vermögensanteil, Kapital­ anteil und Gesellschaftsanteil, S.  263 ff. 380  Priester, DStR 2013, 1786, 1788. 381  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2.b). 382 Die Bildung eines festen Kapitalanteils soll nach §   709 Abs.  3 BGB-E, §§  120 Abs.  1 Satz  2, 121, 122 HGB-E unter Aufgabe der §§  121, 122 HGB zum normativen Regelfall als Maßstab für die Ergebnisverwendung im Personengesellschaftsrecht werden, vgl. RegE MoPeG, S.  162 f., 282 f. (S.  169, 84 f. des Mauracher Entwurfs). 383 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   120 Rn.  74 ff.; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  133 ff. 375 

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den aber entweder bei der Gesellschaft stehen gelassen oder können von den anderen Gesellschaftern in den Grenzen der §§  121, 122 HGB entnommen werden.384 Im Übrigen erfolgen Gewinn- und Verlustbeteiligung disponibel gemäß §  121 Abs.  3 HGB am Ende des Geschäftsjahres nach Köpfen. Spiegelbildlich zum Ausschluss von der Gewinnverteilung kommt im Innenverhältnis ein ­Ausschluss von der Verlustbeteiligung in Betracht (vgl. auch §  722 BGB).385 Soweit entgegen der eigentlichen Trennung der Gesellschaftsbeteiligung von der Vermögensbeteiligung die mitgliedschaftlichen Rechte an den Kapitalanteil anknüp­fen, findet diese Möglichkeit ihre Grenze in den verbandsrechtlichen Minderheitenrechten. So kann etwa ein Stimmrechtsausschluss eines kapital­ anteilslosen Gesellschafters nur soweit gehen, wie er sich privatautonom einer Mehrheitsherrschaft unterwerfen kann. b) Bilanzielle Abbildung der materiellen Rechtslage durch das Drei-Konten-Modell Die Funktion des sog. Kapitalanteils, wie er §  120 Abs.  2 HGB zugrunde liegt, besteht mithin darin, die verbandsrechtliche Wertbeteiligung der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen zu ermitteln und als Element der Gesellschaftsbilanz    – insbesondere in Relation zur Beteiligung der anderen Gesellschafter    – abzubilden.386 Dadurch, dass der einem Gesellschafter zukommende Gewinn lediglich dem Kapitalanteil zugeschrieben wird, verbleibt er im Ausgangspunkt betragsmäßig im Vermögen der Gesellschaft und kommt lediglich durch den Ausweis auf einem Konto dem jeweiligen Gesellschafter zugute.387 Die ordnungsgemäße Feststellung der Kapitalanteile setzt daher die Führung eines Kapitalkontos voraus.388 Dabei handelt es sich nach der dispositiven gesetzlichen Regelung um ein einheitliches variables Kapitalkonto.389 Ausgangsgröße des Kapitalanteils ist dabei die Einlage, der nachträgliche Gewinne zugeschrieben und Verluste sowie Entnahmen abgeschrieben werden.390 Grundsätzlich handelt es sich bei dem auf diese Weise geführten Gesellschafterkonto um ein auf der Passivseite der Gesellschaftsbilanz zu führendes Sachkonto, welches jedoch für den Fall eines negativen Kapitalanteils den Charakter eines Verlust384 Vgl.

Wiedemann, WM 1992, 3 (32).

385 Vgl. Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  15; C. Schäfer, in: Habersack/­

Schäfer, HGB, §  105 Rn.  22. 386  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  173 ff. 387  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f. 388  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  177; Wiedemann, in: FS Odersky, S.  932. 389  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (4 ff.); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   120 Rn.  54 ff.; siehe aber §§  120 Abs.  1 Satz  2, 121, 122 HGB-E, §  709 Abs.  3 BGB-E RegE MoPeG, S.  282 ff., 162 f. (vgl. S.  169, 84 f. des Mauracher Entwurfs); dazu, K. Schmidt, ZHR 185 (2021), 16 (43). 390  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (4).

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vortrags einnimmt, der auf der Aktivseite der Gesellschaftsbilanz auszuweisen ist.391 Um jedoch die materiell-rechtliche Vermögenszuordnung besser abbilden zu können, hat sich in der Praxis eine Dreiteilung des Kapitalkontos in einen festen und zwei variable Teile etabliert.392 Mit der buchungsmäßigen Aufteilung des Gesellschafterkontos in ein festes Kapitalkonto I (Soll-Einlagenkonto), ein variables Kapitalkonto II (Rücklagen- bzw. Ist-Einlagenkonto) sowie ein va­ riables Darlehenskonto (Forderungskonto) ist es möglich, die dingliche Trennung des Gesellschaftsvermögens von dem Gesellschaftervermögen, inklusive der damit einhergehenden bilanziellen Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdkapital, darzustellen.393 Ebenso wird die über die Soll-Einlage vermittelte Vermögensbeteiligung verhältnismäßig gegenüber der Verlustbeteiligung abgegrenzt, wie sie anhand der Ist-Einlage zu ermitteln ist.394 Vor dem Hintergrund, dass mithilfe dieser Dreiteilung die vermögensrechtliche Zuordnung in der oHG als Personenverband zutreffend abgebildet werden kann, ist sie im Rahmen der Untersuchung als Beurteilungsmaßstab zugrunde zu legen. Ausgehend von der materiell-rechtlichen Funktion der Einlage, Gegenwert der Vermögensbeteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zu sein, ergibt sich die Technik fester Kapitalanteile. Das feste Kapitalkonto I gibt    – vorbehaltlich gesellschaftsvertraglicher Änderung    – die Beteiligungsquote des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen wieder.395 „Das Verhältnis der einzelnen Kapitalanteile zu diesem Festkapital gibt an, in welchem Verhältnis die Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt sind. Durch den ‚festen Kapitalanteil‘ wird also […] der sog. ‚Gesellschaftsanteil‘ wertmäßig in Höhe des ‚Vermögensanteils‘ quantifiziert.“396

Dementsprechend handelt es sich bei diesem festen Kapitalkonto I um ein Einlagenkonto. Während das Kapitalkonto I die Soll-Einlage zum materiell-rechtlichen Anknüpfungsmerkmal hat, liegt dem Kapitalkonto II der Regelungskomplex der §§  121, 122 HGB zugrunde. Diese Vorschriften ordnen an, dass die einzelnen Gesellschafter ungeachtet der mitgliedschaftlich vermittelten umfassenden wert­mäßigen Beteiligung an dem Verbandsvermögen nur einen ganz geringfü391 

U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (4). U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (16, 52, 72 ff., 82); Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.­ 2021, §  120 Rn.  31; Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  106; Psaroudakis, in: Heidel/Schall, HGB, §  120 Rn.  4; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  66 ff.; Staake, in: Beck­ OGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  142 ff., 149 ff. 393 Vgl. U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (85 ff.); teilweise wird das Forderungskonto als „Privat­ konto“ bezeichnet, Wiedemann, in: FS Odersky, S.  932 ff. 394 Vgl. U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (85 ff.). 395  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (86); Psaroudakis, in: Heidel/Schall, HGB, §   120 Rn.  4; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  68. 396  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  47 III 2 d. 392 

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gigen Teil des Gesellschaftsvermögens beanspruchen können.397 Zwar können die dem Verbandszweck unterworfenen Gesellschafter in ihrer Gesamtheit prinzipiell frei über das Verbandsvermögen verfügen und die Gesellschaft bis zur Einstellung der gemeinsamen Zweckverfolgung wertentleeren, der einzelne Gesellschafter unterliegt in Bezug auf gewinnabhängige und gewinnunab­ hängige Entnahmen aber den Einschränkungen des gesetzliches Leitbildes der §§  121, 122 HGB. Nach der gesetzlichen Konzeption des §  121 HGB ist grundsätzlich eine Vollausschüttung des festgestellten Gewinns vorgesehen, soweit die Gesellschafter nicht Rückstellungen vereinbaren.398 Gemäß §  121 Abs.  1 HGB hat ein Gesellschafter    – vorbehaltlich abweichender Vereinbarung    – einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf eine Vordividende in Höhe von 4  % des eingezahlten Kapitals an dem festgestellten Jahresgewinn; im Übrigen erfolgt die Gewinnverteilung gemäß §  121 Abs.  3 HGB nach Köpfen.399 Ungeachtet eines festgestellten Gewinns kann ein Gesellschafter darüber hinaus ge­ winnunabhängig gemäß §  122 Abs.  1 HGB „aus der Gesellschaftskasse Geld bis zum Betrage von vier vom Hundert seines für das letzte Geschäftsjahr festgestellten Kapitalanteils zu seinen Lasten“ entnehmen. Das gewinnunabhängige Entnahmerecht dient der Unterhaltssicherung der Gesellschafter sowie deren Alimentationsinteresse.400 Die Zugriffsmöglichkeit des Gesellschafters auf die Vermögenswerte der Gesellschaft wird durch die §§  121, 122 HGB damit einerseits gewährleistet, andererseits aber auch maßgeblich beschränkt.401 Werden auf einem Gesellschafterkonto Gewinne und Entnahmen gebucht, so hängt die Rechtsnatur dieses Kontos davon ab, ob eine Entnahmebeschränkung vorgesehen ist oder nicht.402 Entnahmebeschränkungen in der Personengesellschaft müssen unter Wahrung mitgliedschaftlicher Rechte gesellschaftsvertraglich vermittelt vereinbart sein, gesetzliche Entnahmebeschränkungen gibt es angesichts einer fehlenden Mindestkapitalisierung nicht.403 Lässt der Gesellschafter nicht entnommene Gewinne auf dem Kapitalkonto II stehen, ist er ge397 Vgl.

398 Vgl.

Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f. Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  122 Rn.  4; siehe auch RegE MoPeG,

S.  283. 399  Nach den §§  120–122 HGB-E, §  709 Abs.  3 BGB-E RegE MoPeG soll auf die normative Entnahmebeschränkung verzichtet werden, vgl. Begr. S.  282 ff. 400 Vgl. Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §   122 Rn.  27; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  122 Rn.  6 , 26; Wiedemann, WM 1992, 3 (33); vgl. aber Begr. zu §  122 HGB-E RegE MoPeG, S.  284, wonach zwar von der historischen Vorstellung Abstand genommen werden soll, dass Gesellschafter „auf ständige Zahlungen aus der Gesellschaftskasse für ihren persönlichen Bedarf angewiesen sind“, gleichzeitig aber das Prinzip der Vollausschüttung akzentuiert wird. 401  A. Hueck, in: FS Hübner, S.  85 f.; vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  71; mit den §§  120–122 HGB-E RegE MoPeG soll die Zugriffsmöglichkeit weiter beschränkt werden, indem der Anspruch auf Auszahlung des Gewinnanteils an die Feststellung des Jahresabschlusses geknüpft wird, vgl. Begr. S.  284 (S.  168 ff. des Mauracher Entwurfs). 402  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (72). 403 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  71.

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mäß §  122 Abs.  2 HGB insoweit nicht befugt, seinen Kapitalanteil zu verringern. Auf diese Weise können festgestellte, aber nicht entnommene Gewinne der Gesellschaft überlassen werden, sodass auf dem Kapitalkonto II entnahmefähige sowie nichtentnahmefähige Gewinne verbucht werden können. Beinhaltet ein Konto entnahme- und nichtentnahmefähige Gewinne (vgl. §  122 Abs.  2 HGB), verschieben sich deren Grenzen ständig. Hinsichtlich der Rechtsnatur des Gesellschafterkontos kann sodann nicht mehr zwischen den unterschied­ lichen Teilen differenziert werden, sodass der Gesellschafter insgesamt keinen unentziehbaren Anspruch erwerben kann    – das Entnahmerecht entfällt, wenn es in einer Bilanzperiode nicht ausgeübt wird    – und das Guthaben insgesamt Einlagencharakter erwirbt.404 Mit der Verbuchung von Gewinnen auf dem Kapitalkonto II erwirbt der Gesellschafter daher keinen unentziehbaren Anspruch gegen die Gesellschaft, er nimmt mit dem verbuchten Betrag vielmehr an den Risiken des Unternehmens der Gesellschaft teil.405 Dementsprechend handelt es sich bei dem als Kapitalkonto II bezeichneten Gesellschafterkonto, auf dem Einlagen, Gewinne, Verluste und Entnahmen variabel verbucht werden, wie bei dem festen Kapitalkonto I, um ein echtes Kapitalkonto, wie es von §  120 Abs.  2 HGB in Bezug genommen wird. Derartiges Risikokapital ist demnach weiterhin als Einlage und nicht als Darlehensforderung zu qualifizieren. Ist dem­ gegenüber für ein Gesellschafterkonto vereinbart, dass Rücklagen zwar nicht entnommen werden dürfen, aber auch keine Verrechnung mit Verlusten erfolgen soll, erwirbt der Gesellschafter mit der Buchung der nichtentnahmefähigen Rücklage als Gutschrift „eine Anwartschaft auf einen seiner Gewinnbeteiligung entsprechenden Teil der Rücklage, die ihm ab Bilanzfeststellung nicht mehr entzogen werden kann und die er spätestens durch Kündigung und Ausscheiden bei der Gesellschaft realisieren kann.“406

Ungeachtet der Entnahmebeschränkung handelt es sich dann nicht um Eigenkapital der Gesellschaft. Es ist mithin die Verlustbeteiligung, die Aufschluss über die Rechtsnatur eines Kontos bietet. Das Gesamtsaldo dieser beiden dargestellten Konten ist als „Kapitalanteil“ im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren.407 Dementsprechend handelt es sich bei dem Kapitalkonto II lediglich um ein Unterkonto des festen Kapitalkontos. Zwar gibt es während des Bestehens der Gesellschaft keine Ausgleichspflicht,408 allerdings sind die beiden Kapitalkonten bei Beendigung der Gesellschaft zu verrechnen.409 So werden im Falle der Auseinandersetzung die Kapitalkonten I und II vor dem Hintergrund der materiell-rechtlichen Anordnung des §  155 404 

U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (72). U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (70 f.). 406  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1. 407  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (71); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  67. 408  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (71). 409  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (75 f.). 405 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

HGB zu einem einheitlichen Rechnungsposten im Rahmen der Schlussabrechnung,410 weil die Trennung mit Beendigung der Gesellschaft ihre Bedeutung verliert.411 Auch wenn das Gesellschafterkonto negativ wird, führt dies vor dem Hintergrund des §  707 BGB nicht zu einer Nachschusspflicht, gemäß §  735 BGB rufen diese    – vorbehaltlich eines kapitalanteilslosen Gesellschafters    – lediglich einen Innenanspruch im Rahmen der Liquidation hervor.412 Dementsprechend ist die Praxis dazu übergegangen, ein drittes, ebenfalls variables Konto    – das Darlehenskonto    – zu führen.413 Das Darlehenskonto ist ein echtes Forderungskonto und gibt Auskunft über Forderungen und Verbindlichkeiten des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft.414 Auf diesem werden nur die entnahmefähigen Gewinne und die Entnahmen gebucht; mit Ausnahme eines Vorschusses kann dieses Konto nicht negativ werden.415 Die Verbuchung entnahmefähiger Gewinne von dem Kapitalkonto II auf das Darlehenskonto bringt zum Ausdruck, dass der Gesellschafter mit diesen    – auch wenn er sie in der Gesellschaft stehen lässt    – nicht mehr an den Verlusten der Gesellschaft teilhat.416 Eine Gewinngutschrift in einem Zwei-Konten-Modell kann der Gesellschaft demgegenüber wieder durch spätere Verluste einbüßen. Das variable Kapitalkonto II wird bei einem Drei-Konten-Modell demgegenüber zu einem Eigenkapital-Rücklagenkonto,417 welches als Beteiligungskonto Aufschluss über den Stand der Einlagen des Gesellschafters bietet.418 Während positive Salden auf dem Kapitalkonto II eine erhöhte Wertbeteiligung des Gesellschafters an dem Eigenkapital der Gesellschaft darstellen, weisen positive Salden auf dem Darlehenskonto demnach echte Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter    – mithin einen Posten des Fremdkapitals    – aus.419 Aus dem Umstand, dass die Gesellschafter an der Gesellschaft über ihren Gesellschaftsanteil sowie der daraus resultierenden Mitgliedschaft teilhaben, folgt, dass ihr sog. Vermögensanteil (§  719 Abs.  1 BGB) materiell-rechtlich als bloße mitgliedschaftliche Wertbeteiligung zum Ausdruck kommt. Bilanziell abgebildet wird dies durch den jeweiligen Kapitalanteil, wie er den die Vermögensrechte der Gesellschafter regelnden §§  120 bis 122 HGB zugrunde liegt. Die 410 Vgl.

Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  115 f. U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (75 f.). 412  Vgl. zur Abgrenzung von Beiträgen und Nachschüssen, Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (4 ff.). 413  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (72 ff.); Psaroudakis, in: Heidel/Schall, HGB, §  120 Rn.  31; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  70. 414  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (85); Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  96 ff.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  70. 415  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (76 f.). 416  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (86); C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  70; vgl. Wiedemann, WM 1992, 3. 417  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (73). 418  U. Huber, ZGR 17 (1988), 1 (85). 419  Wiedemann, in: FS Odersky, S.  935. 411 

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dem Kapitalanteil entsprechend zu führenden Kapitalkonten der Gesellschafter sind nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich variabel,420 sodass sie keinen Aufschluss darüber geben, welche Vermögenswerte dem freien Gesellschafterzugriff unterliegen. Welche Vermögenswerte, die sich dinglich im Vermögen der Gesellschaft befinden, als deren Eigenkapital zu qualifizieren sind bzw. als Fremdkapital der Gesellschafter, wird allerdings bei einer in der Praxis verbreiteten Kontenführung nach dem sog. Drei-Konten-Modell deutlich. Die auf ­diese Weise zum Ausdruck kommenden Vermögensrechte der Gesellschafter geben Aufschluss darüber, welche Zugriffsmöglichkeiten die einzelnen Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen haben. Diese können der Beurteilung der verbandsspezifischen Gläubigerrisiken bei einem Rechtsverhältnis mit einem Personenverband zugrunde gelegt werden. c) Vermögenstrennung und abweichende Interessen aufgrund eingeschränkter Zugriffsmöglichkeit der Gesellschafter auf das Verbandsvermögen Die Funktion des Kapitalanteils zur bilanziellen Abbildung der mitgliedschaftlichen Wertbeteiligung der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen durch die von diesen zu erbringende Einlage bringt zum Ausdruck, dass den die Vermögensrechte der Gesellschafter regelnden §§  120 bis 122 HGB im Unterschied zu den §§  238 ff. HGB    – diese sind öffentlich-rechtlich ausgerichtet    – eine gesellschaftsrechtliche Bedeutung zukommt. Zwar wird die Bilanzierungspflicht grundsätzlich im Hinblick auf den allgemeinen Rechts- und Wirtschaftsverkehr aufgestellt. Sie dient aber auch den gesellschaftsinternen Interessen, etwa mit Blick auf die Rechtssicherheit und Überlebensfähigkeit des Verbandes für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters (vgl. §  155 HGB).421 Es ist diese gesellschaftsrechtlich relevante Facette des Bilanzrechts, wie sie in den §§  120 ff. HGB zum Ausdruck kommt, die im Rahmen der Untersuchung in den Fokus zu nehmen ist. Daher ist es unerheblich, dass es für die oHG, im Unterschied zu den Kapitalgesellschaften, keine Vorschriften über Aufstellung, Gliederung und Bewertung gibt. Die gesellschaftsrechtliche Relevanz der §§  121, 122, 155 HGB liegt darin, dass diese materiell-rechtliche Folgen an den kontenmäßigen Ausweis des Kapitalanteils knüpfen. Infolgedessen, dass die Gesellschafter nach dem gesetzlichen Leitbild gemäß §  122 HGB vorrangig an den Gewinnen partizipieren sollen und das Entnahmerecht aus dem Gesellschaftsvermögen nach §  122 Abs.  2 HGB    – vorbehaltlich einer Einwilligung aller Gesellschafter    – im Übrigen weitgehend beschränkt ist,422 kommt dem gesellschaftsrechtlichen Bilanzrecht der §§  120 ff. HGB darüber hinaus eine vermögensrechtliche Relevanz 420 Vgl. zur geplanten Aufgabe des variablen Kapitalanteils im Rahmen der Ergebnis­ verwendung, RegE MoPeG, S.  282 ff. (S.  168 ff. des Mauracher Entwurfs), womit eine Angleichung an die kautelarjuristische Drei-Konten-Gestaltung erfolgt. 421  U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  324 f. 422 Vgl. A. Hueck, in: FS Hübner, S.  85 f.

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zu. Mit jedem Ablauf der Bilanzierungsperiode sowie den dabei stehen gelassenen Gewinnen manifestiert sich die Vermögenstrennung erneut und damit einhergehend auch die Rechtsfähigkeit der vermögenstragenden Gesellschaft. Dadurch, dass sich das Kapitalentnahmerecht des einzelnen Gesellschafters nicht auf seine gesamte mitgliedschaftliche Wertbeteiligung an dem Gesellschafts­ vermögen bezieht, kommt ferner zum Ausdruck, dass es sich bei der Personenaußengesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern um ein eigenständiges Rechtssubjekt handelt, welches über ihre Organe vermittelt, einen von den Gesellschaftern unabhängigen Willen bildet. So führt die Existenz nichtentnahmefähiger Gewinne dazu, dass die Gesellschafter, soweit sie organschaftlich für die Gesellschaft tätig werden, einen Willen bilden, der sich nicht an ihren privaten Vermögensinteressen ausrichtet, sondern an den Interessen des Verbandes orientiert. Dadurch, dass die Gesellschafter über keinen kurzfristigen Zugriff auf einen ihrer Wertbeteiligung entsprechenden Betrag des Gesellschaftsvermögens verfügen, sondern an dieser Vermögensverbindung erst mit der Auseinandersetzung der Gesellschaft vollständig profitieren, haben die Gesellschafter nur einen begrenzten unmittelbaren Eigennutz an dem Unternehmen der Gesellschaft; vielmehr unterscheidet sich das kurzfristige Rendite- und Alimentationsinteresse der Gesellschafter maßgeblich von dem langfristigen Verbandsinteresse. Erst im Falle der Liquidation realisiert sich die Gesellschaftsbeteiligung vollständig. Zwar handelt es sich bei den §§  120 ff. HGB lediglich um dispositive Vorschriften des Innenrechts, die anders als im Recht der Kapitalgesellschaften der Vertragsfreiheit der Gesellschafter unterliegen,423 jedoch verkörpern sie ein gesetzliches Leitbild,424 von dem die Gesellschafter nur durch verbandsrechtliche Willensbildung abweichen können. Dies kann auf gesellschaftsvertraglicher Ebene oder auf schuldrechtlicher Basis geschehen. So haben die Gesellschafter die Möglichkeit, im Gesellschaftsvertrag eine Beteiligung von Gesellschaftern ohne Einlagepflicht und ohne Kapitalkonto zu vereinbaren oder sie können eine Einlagepflicht ändern, stunden bzw. erlassen.425 Ebenso können gesellschaftsvertragliche Verpflichtungen schuldrechtlich, etwa im Wege einer Schenkung, ausgeglichen werden. Ein „freier“ Zugriff auf das Verbandsvermögen bedarf dementsprechend entweder einer Änderung des Gesellschaftsvertrages oder einer Willensbildung des Verbandes. Eine einseitige Zugriffsmöglichkeit eines Gesellschafters auf das Verbandsvermögen, wie etwa im Rahmen der anteiligen Gewinnverteilung, kommt demgegenüber nur unter Anknüpfung an den Kapitalanteil sowie den jeweils festgestellten Jahresabschluss in Betracht. In dem normativen Leitbild des verbandsrechtlich begrenzten Zugriffs    – wie es bilanzrechtlich abzubilden ist    – kommen wiederum die Rechtssubjektivität des Ver423  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  180; Wiedemann, in: FS Odersky, S.  926; ders., WM 1992, 3 (30, 33 f.). 424  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 425  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  105 Rn.  180.

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bandes sowie die Trennung der Vermögensverbindungen zum Ausdruck. Der einzelne Gesellschafter kann an den Vermögenswerten der Gesellschaft zwar teilhaben, er muss sich aber vorbehaltlich minderheitenschützender Mitgliedsrechte gegebenenfalls der in dem Verbandswillen zum Ausdruck kommenden verbandsrechtlich vermittelten Kollektivherrschaft unterwerfen, etwa wenn gesellschaftsvertraglich eine Rücklagenbildung vorgesehen ist. Dadurch, dass der Personenverband bei der Begründung von schulrecht­ lichen Verbindlichkeiten auch gegenüber den einzelnen Gesellschaftern eigenständiges Subjekt ist, stellt sich darüber hinaus die Frage, was die Gesellschaft als Gegenleistung für Entnahmen der Gesellschafter erhält. Insoweit ist in Bezug auf die Art der Entnahme zu differenzieren. So werden Entnahmen, die von den gesellschaftsrechtlichen Vermögensrechten    – wie sie dem gesetzlichen Leitbild der §§  120 ff. HGB zugrunde liegen    – erfasst sind, durch die erbrachten mitgliedschaftlichen Pflichten, insbesondere die Beitragspflichten, kompensiert. Die insoweit korrespondierenden Rechte und Pflichten stehen jedoch nicht in einem Synallagma, sondern werden über die Mitgliedschaft zueinander in Verbindung gesetzt.426 Werden einem Gesellschafter demgegenüber schuldrechtlich weitere Entnahmen zugebilligt, basiert dies auf einem privatautonomen Aushandlungsprozess. Zwar kann einer Entnahme auch eine Schenkung der Gesellschaft zugrunde liegen, im marktwirtschaftlichen System wird aber auch mit dieser im Regelfall ein anders gelagerter Nutzen der Gesellschaft einher­ gehen, sei es, dass der Gesellschafter an anderer Stelle in eine Vorleistung gegangen ist oder dass die Gesellschaft später von dieser Zuwendung profitiert.427 Ganz regelmäßig wird sich der Gesellschafter im Gegenzug zur Entnahme seinerseits gegenüber der Gesellschaft schuldrechtlich verpflichten. Relativiert werden könnte die begrenzte Zugriffsmöglichkeit auf die Vermögensgegenstände der Gesellschaft durch die Möglichkeit überhöhter Geschäftsführergehälter. Auf schuldrechtlicher Grundlage eines Anstellungsvertrages ließe sich zum Beispiel eine inkongruent hohe Vergütung eines von der Einlagenverpflichtung befreiten, kapitalanteilslosen Gesellschaftergeschäftsführers vereinbaren.428 Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Vertragsgestaltung im Rahmen der verbandsrechtlichen Willensbildung ohne einen vermögensäquivalenten Gegenwert in der Praxis vereinbart werden könnte, sind indes kaum ersichtlich. Indem die Willensbildung in der Personenaußengesellschaft angesichts der Sozietätskonstruktion stets eine kollektiv legitimierte ist, ist davon 426  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   105 Rn.  148 f., eine Ausnahme für Zwei­ personengesellschaften anerkennend. 427  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). 428 Vgl Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  8 0; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  289 ff.; Martens, in: Schlegelberger, HGB, §  120 Rn.  30; Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  91 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  74 ff.; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  120 Rn.  23.

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auszugehen, dass eine vermögensrelevante Verbandsentscheidung regelmäßig sowohl das Verbandsinteresse als auch die Interessen der Mitgliedergesamtheit wahrnimmt und eine in vermögensmäßiger Hinsicht ausgewogene Entscheidung treffen wird. Soweit die verbandsrechtliche Willensbildung nach außen erfolgt    – sei es auch gegenüber einem Gesellschafter    –, ist bei rationalem Verhalten der Gesellschafter davon auszugehen, dass dem Verbandsvermögen für jeden Vermögensabgang ein vermögensäquivalenter Nutzen zugeführt wird.429 Bei nicht rationalem Verhalten zeigen sich lediglich die typischen Risiken in einem marktwirtschaftlichen System, wenn ein Rechtssubjekt „schlechte“ Geschäfte abschließt. Davon zu unterscheiden sind Vermögensdispositionen zugunsten aller Gesellschafter. So kann von dem gesetzlichen Leitbild auf verbandsrechtlicher Grundlage abgewichen werden, entweder durch unmittelbare gesellschaftsvertragliche Regelung oder durch mittelbare Regelungsermächtigung. Trotz der eigentlichen Vermögenstrennung von Gesellschaft und Gesellschaftern können die Mitglieder in ihrer Gesamtheit frei darüber befinden, inwieweit die Gesellschafter gewinnunabhängig einen freien, überproportionalen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen erhalten können. Ein vermögensausgleichender Wert, der im Gegenzug in das Gesellschaftsvermögen fließen würde, wäre damit im Ausgangspunkt nicht verbunden. Vor dem Hintergrund kollektiver Willensbildung und dem verbandsrechtlichen Grundsatz der Mitgliedergleichbehandlung werden aber auch insoweit ungleichmäßige Kapitalentnahmen entweder durch Ansprüche der Gesellschaft gegen den bevorzugten Gesellschafter oder im Falle einer Schenkung durch Gutschriften an die Benachteiligten kompensiert werden. Überproportionale Entnahmen einzelner Gesellschafter zulasten der übrigen Gesellschafter sind mit Blick auf die Art und Weise der Willensbildung in einem Verband daher bei rationalem Verhalten der Verhandlungspartner aus­ geschlossen. Derartige gewinnunabhängige Entnahmen sind dementsprechend mit Blick auf die Interessen der anderen Gesellschafter genauso dem Kapitalkonto abzuschreiben, wie dies bei gewinnabhängigen zu erfolgen hat, weil sich nur auf diese Weise verlässlich der Anteil an der Nachschusspflicht für Verluste gemäß §  735 BGB ermitteln lässt. Abhängig davon, ob sie dem Gesellschafter als Eigen- oder Fremdkapital zugewandt werden, ist im Gegenzug eine Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft zu begründen und auf dem maßgeblichen Konto entsprechend zu verbuchen.430 Allerdings kann auch ein Gesellschafter, der umfangreiche Entnahmen getätigt hat, im Innenverhältnis von der Verlusttragungspflicht befreit werden, sodass für ihn ein Kapital­ anteil ganz entbehrlich ist.431 Aber auch in diesem Fall wird der Begünstigte bei 429 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.b). 431 Vgl. Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  8 0; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  289 ff.; Martens, in: Schlegelberger, HGB, §  120 Rn.  30; Priester, in: 430 

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rationalem Verhalten der zustimmenden übrigen Gesellschafter entweder der Gesellschaft oder den Gesellschaftern eine vermögensausgleichende Zuwendung zukommen lassen. Aus dem Charakter kollektiver Willensbildung sowie der Sozietätskonstruktion ergibt sich folglich, dass jedenfalls grundsätzlich keine freien Entnahmen einzelner Gesellschafter zulasten des Gesellschaftsvermögens ohne eine korrespondierende Gegenleistung vorgenommen werden. Vor dem Hintergrund, dass der Verbandswille aber letztlich durch die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit gebildet wird, können die Gesellschafter zu ihren privaten Gunsten beschließen, dass das vorhandene Reinvermögen der Gesellschaft vollständig an die Gesellschafter ausgezahlt wird. Eine derartige Vollausschüttung kann entweder auf Grundlage einer schuldrechtlichen Schenkung erfolgen oder auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage als mitgliedschaftliche Pflicht des Verbandes vereinbart werden. In vermögensrechtlicher Hinsicht kann dies mangels personengesellschaftsrechtlicher Vorschriften über die Kapitalaufbringung bzw. Kapitalerhaltung bis zur vollständigen Entleerung des Kapital­ stockes erfolgen. Ein wertmäßiges Äquivalent ist dem Gesellschaftsvermögen dafür nicht zuzuführen. Bei Einstimmigkeit findet eine solche Entscheidung nicht einmal eine Grenze in dem Verbandszweck. Soweit eine Vollausschüttung auf schuldrechtlicher Grundlage vereinbart werden soll, geht mit dieser Entscheidung regelmäßig eine gesellschaftsrechtliche Übereinkunft aller Mitglieder einher, die den Verband zumindest faktisch an den Rand einer Abwicklung bringen würde, weil die Gesellschaft ohne einen gewissen Kapitalstock kaum noch fähig ist, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Ebenso besteht die Gefahr, dass die Grenze überschritten wird, die die Insolvenzeröffnungsgründe vorzeichnen (vgl. §§  17 und 18 InsO), sodass das Szenario einer Vollausschüttung ein theoretisches bleiben dürfte.432 Aus den §§  120 bis 122 HGB ergibt sich folglich, dass die Gesellschafter, soweit sie einzeln der Gesellschaft als Rechtssubjekt gegenübertreten, in vermögensmäßiger Hinsicht unmittelbar grundsätzlich nur an den Gewinnen der Gesellschaft partizipieren sowie im Interesse der Unterhaltssicherung ein geringes gewinnunabhängiges Entnahmerecht zur Befriedigung ihres Alimentationsinteresses haben.433 Vereinbart die Gesellschaft mit einzelnen Gesellschaftern auf schuldrechtlicher Grundlage eine Entnahme, ergibt sich aus dem Charakter der sozietätsveranlassten kollektiven Willensbildung in einem Personenverband (vgl. auch §  122 Abs.  2 HGB), dass dem Verbandsvermögen ein vermögensausgleichendes Äquivalent    – jedenfalls in Form einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit des Gesellschafters    – zufließen MüKoHGB, §  120 Rn.  91 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  75; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  120 Rn.  23. 432  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  65. 433 Vgl. Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  122 Rn.  6 , 26; siehe insoweit zum vom Gesellschaftsinteresse abweichenden egoistischen Gesellschafterinteresse, A. Hueck, in: FS Hübner, S.  85 f.

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wird. Werden einem Gesellschafter demgegenüber auf gesellschaftsvertrag­ licher Grundlage überproportionale Zugriffsrechte auf das Gesellschaftsvermögen zugestanden, werden diese durch kongruente Mitgliedspflichten aus­ geglichen. Mit Ausnahme des kapitalanteilslosen Gesellschafters, der von der Verlustbeteiligung befreit ist, sind die Entnahmen auf den Kapitalkonten der Gesellschafter zu verbuchen. Je nachdem ob die Entnahme zu Eigen- oder Fremdkapital führt, ist die Entnahme auf dem Kapitalkonto II oder dem Darlehenskonto zu verbuchen. Die Entnahmen des kapitalanteilslosen Gesellschafters sind in der Gesellschaftsbilanz aufzuführen. Augenscheinlich mit Blick auf die Vermögenstrennung problematisch sind demgegenüber Kollektivausschüttungen zugunsten aller Privatvermögen der Gesellschafter, weil auf diese Weise dem Gesellschaftsvermögen Vermögenswerte entzogen werden können, ohne dass die Gesellschaft als solche dafür ein vermögensausgleichendes Äquivalent erhält. Hintergrund ist, dass der Aushandlungsprozess zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern gestört ist, weil diese im Rahmen des verbandsrechtlichen Willensbildungsprozesses doppelfunktional, einmal für die Gesellschaft, einmal für die Gesamtheit der Gesellschafter als Privatpersonen agieren. Zwar sind die Gesellschafter bei dieser Willensbildung im Ausgangspunkt dem Verbandszweck verpflichtet und durch diesen gebunden, allerdings können sie den gemeinsamen Zweck ohne Weiteres zugunsten der Privatinteressen der Gesellschaftergesamtheit abändern. Vor diesem Hintergrund sind auch Vollausschüttungen theoretisch denkbar. Mit einer solchen würde aber regelmäßig die Lebensfähigkeit des Verbandes aufgegeben, sodass der Verband entweder zu ­liquidieren oder bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit (vgl. §§  17, 18 InsO) im Rahmen des Insolvenzverfahrens abzuwickeln ist. Hervorzuheben ist, dass es sich bei einem derartigen Risiko, dass die Mitglieder eines Verbandes die Verfolgung des Verbandszwecks einstellen oder abändern, nicht um eine rechtsformspezifische Gefahr des Personengesellschaftsrechts handelt, sondern um eines des Liquidations- oder Umwandlungsrechts. Die Problematik der Vollausschüt­ tung ist dementsprechend eng mit dem allgemeinen Verbandszweck sowie einer verkehrsschützenden Liquidation des Verbandes als Rechtssubjekt verbunden. Soweit der Verbandszweck modifiziert wird, agiert der Verband gegenüber seinen Mitgliedern eben nicht mehr als eigenständiges Subjekt, sondern ist der originären kollektiven Gestaltungshoheit „ausgeliefert“. Erst wenn der Verband als solvenzfähiges Rechtssubjekt droht wegzufallen, werden hoheitliche Gläubigerschutzmechanismen notwendig, weil der privatautonome Aushandlungsprozess zwischen den Gläubigern und der Gesellschaft einseitig durch ein Verhalten aus der Gesellschaftssphäre gestört wird. Der Grundsatz „ein Rechtssubjekt    – ein Vermögen“ ist also, vorbehaltlich abweichender Regelungen durch die Gesellschaftergesamtheit, auch auf das Gesellschaftsrecht zu übertragen. Soweit ein Verband als Rechtssubjekt gegenüber Dritten oder einzelnen Gesellschaftern agiert, partizipiert er an den allgemei-

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nen zivilrechtlichen Aushandlungsprozessen wie jedes andere Rechtssubjekt. In Anbetracht der Sozietätskonstruktion ist die Willensbildung des Verbandes bei Personenaußengesellschaften stets eine kollektive, die dem Verbandsinteresse verpflichtet ist. Daher steht einem Vermögensabfluss aus dem Gesellschafts­ vermögen regelmäßig ein vermögensausgleichendes Äquivalent gegenüber. Die Sozietätskonstruktion der Personengesellschaft trägt dazu bei, die Vermögenstrennung realstrukturell aufrechtzuerhalten. Übermäßige Vermögensausschüt­ tungen, denen kein Vermögenszufluss gegenübersteht, haben unmittel­baren Einfluss auf den Verbandszweck. Infolgedessen droht die Personenaußengesellschaft von innen heraus entpersonalisiert zu werden. Dadurch aufkommende Störungen privatautonomer Aushandlungsprozesse der Gesellschaft mit Dritten können dogmatischer Anknüpfungspunkt gesetzlicher Wertungskorrekturen sein. Materiell-rechtlicher Ansatzpunkt könnte ein an den Verbandszweck anknüpfendes Liquidationsrecht sein. d) Gewinnermittlung, Gewinnverwendung sowie mehrheitliche Thesaurierung als Ausdruck der getrennten Vermögensverbindungen Die Trennung der Vermögensverbindungen im Personenverband sowie die damit zusammenhängenden Vermögensrechte der Gesellschafter kommen ferner in der Differenzierung zwischen Gewinnermittlung und Gewinnverwendung zum Ausdruck.434 Die in §  121 HGB geregelte Gewinnverwendung ist von der §  120 HGB zugrunde gelegten Gewinnermittlung zu unterscheiden. So ist die Gewinnermittlung grundsätzlich ein formaler Vorgang; der bilanzielle Gewinn der oHG ergibt sich aus dem wertmäßigen Unterschied des bilanziellen Gesellschaftsvermögens am Ende eines Geschäftsjahres gegenüber dem des Vorjahres und ist der nach Rücklagenbildung von den Gesellschaftern als Überschuss erklärte Anteil am Gesellschaftsvermögen.435 Demgegenüber obliegt die Frage der Gewinnverwendung der verbandsrechtlichen Willensbildung.436 Auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage vereinbart, unterliegt die Gewinnverwendung regelmäßig der bilanziellen Gewinnverteilung und wird mit beschlussmäßiger Feststellung des Jahresabschlusses wirksam. Vor diesem Hintergrund ist es ­problematisch, dass die Gewinnermittlung einerseits mit Beurteilungsspiel­ räumen verbunden ist, andererseits die §§  238 ff. HGB    – auch noch nach dem 434 Vgl. Priester, in: FS U. H. Schneider, S.  985, 992 f.; ders., in: Personengesellschaft und Bilanzierung, S.  73 ff.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  122 Rn.  2, 25; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  26 ff., 109 ff.; Wiedemann, WM 1992, 3 (30 ff.); entsprechend sollen die §§  120 f. HGB-E RegE MoPeG hinsichtlich der Kompetenzen des geschäftsführungsbefugten Gesellschafters sowie der Gesellschafterversammlung differenzieren, sodass eine vom Vollausschüttungsprinzip abweichende Gewinnverwendung in Anbetracht des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs des Gesellschafters aus §  114 HGB-E einer hinreichenden verbandsrechtlichen Willensbildung bedarf, vgl. Begr. S.  282 ff. 435  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  63. 436  Wiedemann, WM 1992, 3 (31); vgl. dazu Begr. zu §  122 HGB-E RegE MoPeG, S.  284.

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BilMoG437    – für bestimmte Bilanzposten gewisse Wahlrechte für den Ansatz und die Bewertung vorsehen, sodass deren Ausübung formell gesehen zwar Teil der Gewinnermittlung ist, materiell-rechtlich aber als Element der Gewinn­ verwendung zu qualifizieren sein kann, weil sie die Wirkung einer teilweisen Thesaurierung von Gewinnen haben kann (vgl. §§  248 Abs.  2 Satz  1, 250 Abs.  3, 253 Abs.  3 Satz  4, 255 Abs.  2 Satz  3, Abs.  3 Satz  2 HGB).438 Überwiegend wird daher vertreten, dass die Abgrenzung zwischen Gewinnermittlung und -verwendung kompetenzrechtlich danach vorzunehmen sei, ob es sich um eine ­tagesgeschäftsbezogene Geschäftsführermaßnahme handelt oder ob es um die Zuständigkeit aller Gesellschafter geht.439 Danach ist die Zuständigkeit aller Mitglieder betroffen, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die materiell-rechtlich als Maßnahme der Gewinnverwendung zu qualifizieren sind, weil das dabei betroffene Gewinnbezugsrecht einen Kern der Mitgliedschaft darstellt.440 Teilweise wird demgegenüber eine rein formale Abgrenzung vorgeschlagen, wonach die Bilanzwahlrechte der Gewinnermittlung zugeordnet werden sollten, weil die Differenzierung zwischen Gewinnermittlung und -verwendung nicht materiell-rechtlich notwendig sei.441 Dadurch, dass die Gesellschafter    – mitgliedschaftlich vermittelt    – nur indirekt über den als mitgliedschaftliche Wertbeteiligung zu qualifizierenden Vermögensanteil an der Gesellschaft sowie durch eine Vergrößerung des Wertes dieses Anteils, der durch die Zuschreibung des anteiligen Gewinns zu dessen Kapitalanteil erfolgt, an deren wirtschaft­ lichem Erfolg teilhaben, sei es kein notwendiges Ergebnis, dass das Gewinnentnahmerecht sowie das gewinnunabhängige Entnahmerecht den Kernbereich der Mitgliedschaft ausmachten. So werde anhand der §§  120 ff. HGB deutlich, dass das Gesellschaftsvermögen gerade nicht dem freien Zugriff der Gesellschafter unterliege, weil der dem Gesellschafter zustehende Gewinn ihm nur über das Gesellschafterkonto zugutekomme, betragsmäßig aber im Vermögen der Gesellschaft verbleibe und es sich bei dem Gewinn der Gesellschaft damit um deren eigenes Vermögen handle, das für den einzelnen Gesellschafter fremdes Vermögen darstelle und aus diesem Grund eben nicht der Verfügung des Gesellschafters unterliege.442 Die bloß wertmäßige Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft werde insbesondere dadurch deutlich, dass man sich die Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesell437 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz     – BilMoG) vom 25.5.2009 (BGBl. I S.  1102); siehe Begr. RegE BT-Drucks. 16/10067; vgl. dazu Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  26. 438  Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  73, 77. 439 M.w.N. Priester, in: MüKoHGB, §  120 Rn.  75 f.; den Streitstand relativierend, Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  120. 440 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  120 Rn.  71, §  119 Rn.  38 ff.; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  118; Wiedemann, WM 1992, 3 (31). 441  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f. 442  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f.

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schafters vergegenwärtige; der Insolvenzverwalter kann mit dem Gewinnanteil gerade nicht so verfahren, als gehöre er zur Masse des Insolvenzschuldners.443 In die Masse fällt nur der Anteil des Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen, der lediglich durch die in §  120 Abs.  2 HGB vorgesehene Zuschreibung des Gewinns auf sein Kapitalkonto im Wert steige.444 Wenn das Gesetz dem einzelnen Gesellschafter    – angesichts der Trennung der Vermögensverbindungen    – nicht das Recht einräume, über den in §  122 Abs.  1 HGB bezeichneten Umfang hinaus über den ihm nach §  120 Abs.  1 HGB zugewiesenen Gewinn­ anteil frei verfügen zu können, könne „es erst recht keinen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft eines oHG-Gesellschafters darstellen, wenn die Summe des den Gesellschaftern zukommenden Gewinns dadurch verkleinert wird, dass von dem Gewinn Rückstellungen gebildet werden“.445

Vom Kernbereich der Mitgliedschaft erfasst sei lediglich die in Vermögens- und Kapitalanteil zum Ausdruck kommende Gewinnbeteiligung, die der Gesellschafter als Äquivalent für die privatautonome Beitragsleistung aus seinem Vermögen in das Gesellschaftsvermögen erhalte, durch die er das Eigentum und die Verfügungsbefugnis verliere. Dieses Verständnis gewährleiste, dass der erzielte Gewinn der Gesellschaft betragsmäßig in deren Vermögen erhalten bleibt und ihr bei ihrer weiteren erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit als liquide Mittel zur Verfügung steht. Die Interessen des Gesellschafters würden auch im Falle der Thesaurierung ausreichend dadurch gewahrt, dass sich durch die Rückstellung zwar der zu verteilende Gewinn reduziere und damit auch der Kapitalanteil entsprechend weniger erhöhe, im Gegenzug aber der zurückbehaltene Betrag als Äquivalent das Gesellschaftsvermögen erhöhe und dadurch das Vermögen des Gesellschafters vergrößert werde, weil damit der Wert seiner Beteiligung steige. Mitgliedschaftlich gewährleistet werden müsse folglich lediglich die von den Entnahmemöglichkeiten zu unterscheidende Wertbeteiligung an dem Gesellschaftsvermögen.446 Lehnte man mit diesem Ansatz im Rahmen der Gewinnverwendung eine mitgliedschaftliche Betroffenheit des einzelnen Gesellschafters ab, unterfiele die Gewinnverwendung ohne Weiteres der Verbandsherrschaft mit der Folge, dass sie der gewöhnlichen Willensbildung des Verbandes, mithin der Geschäftsführungsbefugnis unterläge. Zutreffend ist zwar, dass die Gesellschafter in keinerlei dinglicher Beziehung zu dem Gesellschaftsvermögen stehen, sondern lediglich wertmäßig, mitgliedschaftlich vermittelt durch den Vermögensanteil sowie den Kapitalanteil an dem Gesellschaftsvermögen teilhaben. Richtig ist auch, dass der Gesellschafter durch eine Thesaurierung von Gewinnen in vermögensrechtlicher Hinsicht keinerlei wertmäßige Schlechterstellung erfährt. 443 

Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f. Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f. 445  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f. 446  Zu diesem Abschnitt, Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f. 444 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Aus der Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern kann jedoch nicht geschlossen werden, dass das Gewinnbezugsrecht nicht von dem Kernbereich der Mitgliedschaft erfasst werde. So liegt es nicht in der logischen Konsequenz der Vermögenstrennung, aus der vermögensmäßigen Neutralität der Gewinnverwendung auf eine Unabhängigkeit von dem Kern­ bereich der Mitgliedschaft zu schließen, weil die Beteiligung an der Gesellschaft per se nur eine mitgliedschaftlich vermittelte, das heißt wertmäßige, sei. Der Kernbereich der Mitgliedschaft bestimmt sich vielmehr nach verbandsrecht­ lichen Grundsätzen, wie sie in dem Prinzip der Privatautonomie verankert sind. So erfährt jeder Verband seine Legitimation im Ausgangspunkt durch die privat­ autonome Vereinbarung des gemeinsamen Verbandszwecks. Der Verband existiert nur deshalb, weil die Gesellschafter dies so eigenverantwortlich entschieden haben. Mit der Konstituierung des Verbandes unterwerfen sich die Mitglieder zugleich einer Vielzahl mitgliedschaftlicher, unter anderem vermögensmäßiger, Pflichten. Diese führen dazu, dass der Verband in der Lage ist, ein eigenes Verbandsvermögen zu bilden, wodurch der Verband als Vertragspartner für Dritte wirtschafts- und verkehrsfähig wird. Damit gehen die Willens- und Handlungsfähigkeit des Verbandes einher;447 nur weil die Gesellschafter dies wollen, ist dem Verband die Fähigkeit verliehen, eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, wie er mit dem ihm zugeordneten Gesellschaftsvermögen agiert. Die pri­ vatautonome Unterwerfung der Gesellschafter unter die Verbandsherrschaft bildet daher die Grundlage der Rechtssubjektivität, zugleich ist sie aber auch Grenze seiner Verfügungsmöglichkeiten.448 Vor diesem Hintergrund sind vom Kernbereich der Mitgliedschaft solche Rechte und Pflichten erfasst, über die der Verband ohne eine erstmalige oder erneute Aktivierung des privatautonomen Willens seiner Mitglieder nicht verfügen kann. Kernbereichsmaßnahmen unterliegen dementsprechend der Zuständigkeit der Mitgliederversammlung als dem originären Willensbildungsorgan des Verbandes, wobei diese    – da es um die Reichweite der privatautonomen Unterwerfung unter die Verbandsherrschaft geht    – grundsätzlich einstimmig entscheiden muss. Vor dem Hintergrund, dass die Privatautonomie Grundlage der Rechtssubjektivität ist, liegt es sodann in der Verantwortung der Mitglieder, im verbandsrechtlichen Innenverhältnis Einschränkungen zu vereinbaren, etwa durch die Regelung von Entscheidungsquoren oder eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen. Zwar ist den §§  120 ff. HGB zu entnehmen, dass die Gesellschafter grundsätzlich lediglich wertmäßig an den Gewinnen der Gesellschaft teilhaben, wie sie sich letztlich in einem steigenden Gesellschaftsvermögen niederschlagen. Gleichzeitig ist den §§  120 ff. HGB aber auch die tatsächliche Wertung zu entnehmen, dass es der regelmäßi447 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 B.I. zur Berücksichtigung der Treuepflicht, A. Hueck, in: FS Hübner, S.  73 ff., 85; Wiede­m ann, WM 1992, 3 (31). 448 Vgl.

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gen Erwartung der Gesellschafter entspricht, nicht erst mit Abwicklung des Verbandes Erträge in das Privatvermögen der Gesellschafter zu erwirtschaften, sondern bereits zu Lebzeiten der Gesellschaft. Gewinn- und Entnahmerechte sind dementsprechend als privatautonome Einschränkung der Unterwerfung unter die Verbandsherrschaft durch die Gesellschaftergesamtheit zu qualifizieren. Der Verband bekommt mithin seine Rechtsfähigkeit nach dem gesetzlichen Modell lediglich um den Preis der Kapitaldividende verliehen. Die Unterscheidung zwischen Gewinnermittlung und -verwendung bildet vor diesem Hintergrund diejenige Grenze ab, die die Gesellschafter durch die privatautonome ­Vereinbarung des Verbandszwecks hinsichtlich der Wertbeteiligung zwischen Eigen- und Fremdkapital gezogen haben. Eine Abgrenzung zwischen Gewinn­ ermittlung und -verteilung, die sich entsprechend der überwiegenden Auf­ fassung nach den Entscheidungskompetenzen richtet, ist geeignet, dieses aus Vermögenstrennung und privatautonomer Verbandsbildung gezeichnete Bild zutreffend zu reflektieren. Hintergrund einer Abgrenzung nach der Entscheidungskompetenz ist der Umstand, dass es sich bei Maßnahmen, die in die Kompetenz der Geschäftsführer fallen, um solche handelt, die nicht vom Kernbereich der Mitgliedschaft erfasst sind und hinsichtlich derer sich die Gesellschafter privatautonom der Kollektivherrschaft gebeugt haben. So findet die privatautonome Unterwerfung unter die Verbandsherrschaft ihre Grenze im Kernbereich der Mitgliedschaft, wie sie durch den Verbandszweck gezogen wurde. Soweit dementsprechend von den gesetzlich bzw. gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Mitgliedsrechten abgewichen werden soll, bedarf es eines aktualisierten privat­ autonomen Entschlusses der betroffenen Mitglieder. Für die Abgrenzung von Gewinnermittlung und Gewinnverwendung bedeutet dies, dass die Gewinnermittlung lediglich den tagesgeschäftsbezogenen formalen Vorgang erfasst, welche Bilanzziffern der Verteilung von vermögensmäßigen Erträgen bilanziell zugrunde zu legen sind. Nach dem gesetzlichen Leitbild des §  121 Abs.  3 HGB steht der danach festgestellte Gewinn    – zwar nicht dinglich, aber dem Werte nach    – sodann als Kapitaldividende den Gesellschaftern zu.449 In der Konsequenz obliegt es der Entscheidung der Gesellschafter, inwieweit sie ihren Kapitalanteil bis zum Abschluss der Bilanzperiode durch die Entnahme der ihnen wertmäßig zustehenden Gewinnanteile verringern    – mit der Folge, dass die mitgliedschaftliche Wertbeteiligung sich mit Geltendmachung zu einem Gläubigerrecht verselbstständigt und zu einem echten Zahlungsanspruch erstarkt    – oder sie die Gewinnanteile bei der Gesellschaft stehen lassen. Erst mit Abschluss der Bilanzperiode verlieren sie gemäß §  122 Abs.  2 HGB die Möglichkeit, dem Kapital­ anteil zugeschriebene Gewinnanteile zu entnehmen.450 Zwar sind die Vorschrif449 Vgl. Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  121 Rn.  18 f., §  122 Rn.  25, differenzierend zwischen Gewinnzuweisungsanspruch und Gewinnentnahmeanspruch. 450 Vgl. Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  121 Rn.  19 f., §  122 Rn.  25.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

ten der §§  120 ff. HGB dispositiv,451 jedoch nur soweit, wie sich die Gesellschafter einer abweichenden Gestaltung privatautonom unterwerfen. Daraus folgt, dass die Gewinnverwendung stets eine Angelegenheit darstellt, die in die Kompetenz der Mitglieder fällt, sei es mit Blick auf §  121 HGB in die des einzelnen Gesellschafters oder mit Blick auf §  122 Abs.  2 HGB bzw. die gesellschafts­ vertragliche Gestaltungsfreiheit in die der Gesellschaftergesamtheit.452 In An­ betracht dieser verbandsrechtlichen Erwägungen stellen Abweichungen von der gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich geregelten Kapitaldividende, als Element der Gewinn- und Verlustbeteiligung, Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft dar, die ohne gesellschaftsvertragliche Ermächtigung nicht der Verbandsherrschaft unterworfen sind.453 Dies bedeutet, dass Umgestaltungen der normierten Kapitaldividende im Ausgangspunkt einstimmig in der Gesellschafterversammlung beschlossen oder rückführbar auf den privatautonomen Willen aller Gesellschafter zugunsten von Mehrheitsbefugnissen des Verbandes bzw. anderer Entscheidungsträger delegiert werden müssen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Gewinnbezugsrecht ein den einzelnen Gesellschafter als Minderheit schützendes Mitgliedschaftsrecht darstellt, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Gewinnthesaurierungen, die zu einer Minderung des Gewinnbezugsrechts führen, durch Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter vereinbart werden können. Soweit eine Maßnahme den Kernbereich der Mitgliedschaft betrifft, sind Mehrheitsentscheidungen in dem Maße zulässig, wie sich das jeweilige Mitglied der Mehrheitsherrschaft durch die anderen Gesellschafter privatautonom unterwirft, sei es durch individualvertragliche Vereinbarung oder durch den Gesellschaftsvertrag. Grenzen der privatautonomen Gestaltbarkeit sind im Recht der Personenaußengesellschaften lediglich durch die Sozietätskonstruktion gezogen, sodass etwa keine The­ sau­rierung der Mitgliedschaft als solche in Betracht kommt. Hinsichtlich der Thesaurierung von Gewinnen bedient sich die Praxis demgegenüber gesellschaftsvertraglicher Mehrheitsklauseln. Im Sinne der praktischen Gestaltbarkeit können diese nur mehr oder weniger konkret formuliert sein, weil eben nicht jeder nur denkbare Sachverhalt erfasst sein kann. Die Reichweite der Mehrheitsherrschaft ist sodann durch Auslegung des privatautonomen Willens zu ermitteln. Maßgeblich ist, ob die Auslegung des objektiven Sinns der jeweiligen Bestimmung im Gesellschaftsvertrag zu dem Ergebnis führt, dass der betreffende Beschlussgegenstand von der Mehrheitsklausel erfasst sein soll. Unge451 Vgl.

Wiedemann, WM 1992, 3 (30). Priester, in: Personengesellschaft und Bilanzierung, S.  78 ff.; Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  120 Rn.  109, 114. 453  Finckh, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §   121 Rn.  21; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  121 Rn.  17; Lieder, in: Oetker, HGB, §  121 Rn.  24, §  119 Rn.  43 ff.; Priester, in: MüKoHGB, §  121 Rn.  18, 30, §  119 Rn.  60 ff.; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  121 Rn.  10; siehe auch Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  121 Rn.  15, §  120 Rn.  68 f. 452 Vgl.

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achtet der Aufgabe des sog. Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Rechtsprechung ist der Kernbereich der Mitgliedschaft in Bezug auf absolut bzw. relativ unentziehbare Rechte bei der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen zu berücksichtigen, sodass die Möglichkeit mehrheitlicher Gewinnthesaurierung hinreichend konkret im Gesellschaftsvertrag geregelt sein muss, weil es insoweit einer privatautonomen Unterwerfung der Gesellschafter bedarf.454 Daran anknüpfend hat die Rechtsprechung eine zweistufige Prüfung entwickelt, wonach die Mehrheitsklausel zuerst auf ihre materielle Wirksamkeit hin untersucht wird und sodann auf der zweiten Ausübungs-Stufe auf Einschränkungen durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.455 Auf die diesbezüglichen Einzelheiten kommt es für die Untersuchung nicht an. Maßgeblich ist ausschließlich, dass es eines privatautonomen Willens des einzelnen Mitglieds bedarf, welcher in Bezug auf die eigentlich ihm zustehende Kapitaldividende unmissverständlich zum Ausdruck kommen muss. Lässt sich der Wille des Gesellschafters, eine Thesaurierung von Gewinnen durch eine Gesellschaftermehrheit zuzu­ lassen, hinreichend konkret ermitteln, bestehen keine Bedenken gegen eine mehrheitliche Regelung der Gewinnverwendung. Die Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaf­ tern führt dementsprechend nicht dazu, dass der Differenzierung von Gewinn­ ermittlung und Gewinnverwendung keine materiell-rechtliche Relevanz beizumessen ist. Die bilanzielle Unterscheidung ist vielmehr gerade geeignet, die das Eigenkapital bildenden Vermögensgegenstände der Gesellschaft von solchen materiell-rechtlich abzugrenzen, die zwar nicht dinglich den Gesellschaftern zustehen, auf die sie aber einen mitgliedschaftlich vermittelten Anspruch haben und die daher    – vorbehaltlich einer privatautonomen Gestaltungsentscheidung der Gesellschafter    – die Funktion von Fremdkapital einnehmen können. Die materiell-rechtliche Differenzierung zwischen Gewinnermittlung und Gewinnverwendung ist dementsprechend geeignet, unter Akzentuierung der Vermögenstrennung, die Wertbeteiligung und die damit verbundenen Zugriffsrechte der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen zu konkretisieren.

454  Zur Aufgabe des sog. Bestimmtheitsgrundsatzes, BGH, Uv. 15.1.2007    – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283–299 = juris-Rn.  9 ff.; BGH, Uv. 24.11.2008    – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13–27 = juris-Rn.  14 ff.; BGH, Uv. 21.10.2014    – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77–98 = juris-Rn.  9 ff., 14 ff.; vgl. Altmeppen, NJW 2015, 2065 (2065); Henssler, PartGG, §  1 Rn.  22; W. Goette/M. Goette, DStR 2016, 74 (74 ff.); Grunewald, BB 2015, 333; Temming, ZIP 2020, 1373 (1374 ff.); C. Schäfer, ZGR 42 (2013), 237 (243 ff.); ders., NZG 2014, 1401 (1401); Werner, StBW 2015, 1010 (1010 ff.); Wertenbruch, DB 2014, 2875 (2875 ff.); siehe aber Ulmer, ZIP 2015, 657 (660); vgl. Priester, in: Personengesellschaft und Bilanzierung, S.  67 ff.; Reuter, in: FS Steindorff, S.  237. 455  BGH, Uv. 21.10.2014    – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77–98 = juris-Rn.  12 ff.; vgl. Priester, in: Personengesellschaft und Bilanzierung, S.  71 ff.; Temming, ZIP 2020, 1373 (1378 ff.); allgemein zur Treuepflicht, A. Hueck, in: FS Hübner, S.  73 ff.

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e) Zwischenergebnis Der Darstellung der mitgliedschaftlichen Wertbeteiligung der Gesellschafter an dem Gesellschaftervermögen durch den jeweiligen Kapitalanteil auf einem Gesellschafterkonto kommt folglich nicht nur eine bilanzrechtliche Bedeutung zu. Legt man das in der Praxis etablierte Drei-Konten-Modell zugrunde, gibt das Gesellschafterkonto mit der hinzunehmenden bilanziellen Ungenauigkeit Aufschluss über die verbandsrechtlich und damit privatautonom, vereinbarten Vermögensverhältnisse zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern.456 Aus der Konstituierung des Verbandes durch die privatautonome Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszweckes folgen mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten, insbesondere vermögenswerte Beitragspflichten. Mit der sich daraus ergebenden Möglichkeit, ein eigenes Verbandsvermögen zu bilden, geht die Fähigkeit einher, als Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilzunehmen und Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.457 Dadurch, dass der Verband auch seinen Mitgliedern gegenüber als Rechtssubjekt verfasst ist, folgt, dass die Gesellschafter nur noch durch die Mitgliedschaft vermittelt an der Gesellschaft sowie der von dieser gehaltenen Vermögensverbindung teilhaben. In vermögensrechtlicher Hinsicht kommt diese mitgliedschaftliche Wertbeteiligung in dem von dem Gesellschaftsanteil zu unterscheidendem Vermögensanteil zum Ausdruck.458 Vorbehaltlich abweichender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung richtet sich die diesbezügliche Wertbeteiligung nach dem relativen Umfang der Einlage. Der bilanzrechtliche Kapitalanteil, wie er §  120 Abs.  2 HGB zugrunde liegt, bildet die mittelbare Vermögensbeteiligung der Mitglieder in der Gesellschaftsbilanz auf den Gesellschafterkonten ab.459 Im Rahmen eines Drei-Konten-Modells mit einem festen Kapitalkonto und zwei variablen, wovon eines als Darlehenskonto geführt wird, ist der Umfang der jeweiligen mitgliedschaftlich vermittelten Vermögensbeteiligung auf dem festen Kapitalkonto als Soll-Einlage abzubilden. Macht ein Gesellschafter sein Gewinn- oder Entnahmerecht geltend, erstarkt die mitgliedschaftliche Wertbeteiligung zu einem selbstständigen, unentziehbaren Zahlungsanspruch in Form eines, von der Mitgliedschaft getrennten, verselbstständigten Gläubigerrechts mit dem der Gesellschafter nicht mehr an den Verlusten der Gesellschaft teilhat.460 Bilanziert wird dieses Fremdkapital durch die Verbuchung auf dem Darlehenskonto. Aus der Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft folgt, dass Gewinne der Gesellschaft in dinglicher Hinsicht ausschließlich der Gesellschaft in Form des von dieser getragenen Gesellschaftsvermögens zuzuordnen sind. Die Gesellschafter partizipieren an diesen Gewinnen nur dadurch, dass der Vermö456 

Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.2.b). Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.I.7. 458  Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.2.a). 459  Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa)(2). 460  Priester, in: MüKoHGB, §  122 Rn.  8; siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.2.b). 457 

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genswert des ihnen gehörenden Gesellschaftsanteils ebenfalls einen Wertzuwachs erfährt. Die einzelnen Gesellschafter haben gerade keinen freien Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen, weil der Personenverband eigenständiges Rechtssubjekt ist.461 Möchte ein Gesellschafter einen Vermögenswert von der Gesellschaft erlangen, muss er grundsätzlich mit ihr in einen privatautonomen Aushandlungsprozess eintreten und auf schuldrechtlicher Basis eine Verbindlichkeit der Gesellschaft begründen. Indem die Gesellschaft als Verband selbst willens- und handlungsfähig ist, wird sie aufgrund ihres Kollektivwillens nichts von ihren Vermögenswerten auf den Gesellschafter übertragen, ohne dafür ein vermögensmäßiges Äquivalent zu bekommen. Im marktwirtschaftlichen System steht einer Verbindlichkeit der Gesellschaft daher regelmäßig eine kompensierende Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber, der einen Vermögenswert der Gesellschaft in sein Privatvermögen übertragen haben möchte.462 Derartige schuldrechtliche Verbindlichkeiten sind auf dem als Darlehenskonto bezeichneten Forderungskonto des Gesellschafters zu verbuchen. Eine abweichende Beurteilung ist insbesondere auch nicht mit Blick auf die Einkommensteuerpflichtigkeit der Personengesellschafter geboten (vgl. §§  2 Abs.  1 Nr.  2, 15 Abs.  1 Satz  1 Nr.  2 EStG). Sofern die Gesellschafter ein außerordentliches Steuerentnahmerecht nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt haben, kann ein solches allenfalls an die Treuepflichten der Gesellschaftergesamtheit angeknüpft werden mit der Folge, dass ein einzelner Gesellschafter zwar eine Auszahlung oder die Gewährung eines Darlehens verlangen kann, dies aber nur aufgrund einer gemeinschaftlichen Beschlussfassung und einer entsprechenden Buchung auf seinem variablen Kapitalkonto II bzw. dem Darlehenskonto.463 Von diesen beiden Eckpunkten der dinglichen Zuordnung der Gesellschaftsgewinne zur Gesellschaft sowie dem mangelnden freien Zugriff der Gesellschafter abweichend, haben die Gesellschafter regelmäßig ein Interesse daran, angesichts der hingegebenen vermögenswerten Einlage, nicht erst mit Abwicklung der Gesellschaft an den Erträgen und Vermögenswerten der Gesellschaft zu profitieren, sondern bereits periodisch zu Lebzeiten des Verbandes. Indem die §§  121, 122 HGB eine Kapitaldividende sowie ein gewinnunabhängiges Kapitalentnahmerecht regeln, bringen sie diesen tatsächlichen Erfahrungssatz normativ zum Ausdruck. Soweit die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag davon keine Abweichung vorsehen, unterstellt das Gesetz, dass die Gesellschafter diesen Willen bei Vereinbarung des Verbandszwecks zum Ausdruck gebracht haben. Hintergrund ist, dass es einer rationalen Entscheidung der Gesellschafter entspricht, sich von dem konstituierten Verband für die versprochene Ein­ 461 

Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.2.c). Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.2.c). 463 Vgl. Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §   122 Rn.  54 ff., 56; Lieder, in: Oetker, HGB, §  122 Rn.  43 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  122 Rn.  30; mit abweichendem Ansatz zu §  110 HGB, Priester, in: MüKoHGB, §  122 Rn.  60 ff.; siehe auch unten Kap.  1 §  3 B.III.1.b). 462 

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lage ein ebenfalls vermögensausgleichendes Äquivalent zusagen zu lassen. Die von den §§  121, 122 HGB vorgesehenen Zugriffsrechte sind jedoch wiederum keine unmittelbaren, vielmehr haben die Gesellschafter einen gesellschaftsvertraglich vermittelten Anspruch auf eine Entnahme gegen die Gesellschaft. Soweit der Gesellschaftsvertrag höhere oder niedrigere Entnahmerechte vorsieht, kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Gesellschafter in dem privatautonomen Aushandlungsprozess über die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass ihnen die jeweils zu leistende Einlage eben mehr oder weniger wert ist. Den §§  121, 122 HGB ist dementsprechend als Leitbild zu entnehmen, dass die Gesellschafter gerade kein freies Zugriffsrecht auf das Gesellschaftsvermögen haben, sondern nur soweit sie einen Anspruch gegen die Gesellschaft geltend machen können, wie diese sich vermittelt durch den Willen der Gesellschaftergesamtheit dazu verpflichtet hat.464 Ausgehend von der gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Konkretisierung der vermögensmäßigen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten sind Gewinne, Verluste, Entnahmen sowie Rückstellungen dem Kapitalanteil ab- oder zuzuschreiben und auf dem variablen Kapitalkonto II    – gegebenenfalls auf dem Darlehenskonto    – des jeweiligen Gesellschafters zu verbuchen. Jeder Entnahme eines Gesellschafters steht dementsprechend grundsätzlich ein vermögensausgleichendes Äquivalent gegenüber, sei es in Form einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit oder in Gestalt einer mitgliedschaftlichen Beitragsverpflichtung, sodass das Vermögen der Gesellschaft während ihres werbenden Stadiums, wenn es ihr einmal zu ihrer Verfügung übertragen wurde, in ihrem Bestand grundsätzlich gewährleistet ist. Folge des begrenzten Entnahmerechts zur Befriedigung des Alimentationsinteresses der Gesellschafter ist, dass sich das kurzfristig ausgerichtete Gesellschaftsinteresse nicht notwendig mit den langfristigen Gesellschafterinteressen deckt bzw. langfristige Verbandsinteressen von kurzfristigen Entnahmeinteressen abweichen.465 Mit Blick auf den Kapitalbestand einer Personenaußengesellschaft ist es demgegenüber problematisch, wenn die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit Vermögensübertragungen aus dem Gesellschaftsvermögen in die Privatvermögen aller Gesellschafter vereinbaren. Dadurch, dass die über eine Vermögensausschüttung entscheidenden Gesellschafter stets auch ihre Privatinteressen im Blick haben, ist es indes unproblematisch, wenn sie Vermögensübertragungen auf einzelne Gesellschafter beschließen, weil sie dies nur tun werden, wenn sie dafür im Gegenzug mittelbar dadurch profitieren, dass in das Gesellschaftsvermögen ein Gegenwert übertragen wird. Wird demgegenüber einstimmig zum 464 

Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.2.d). Vgl. insoweit zum vom Gesellschaftsinteresse abweichenden egoistischen Gesellschafterinteresse, A. Hueck, in: FS Hübner, S.  85 f.; zur Identität von Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen in der nicht-gesellschaftsrechtlichen Gesetzgebung, Reuter, in: FS Stein­ dorff, S.  233 f. 465 

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Beispiel eine Vollausschüttung vereinbart, so kann dies mit Blick auf das Gesellschaftsvermögen ohne eine entsprechende Kompensation erfolgen. Hintergrund dieser Konstellation ist, dass die Gesellschafter diese Entscheidung nicht für die Gesellschaft treffen, sondern in ihrem privaten Interesse an der Ge­ sellschaft vorbei. Entscheiden die Gesellschafter zulasten der Gesellschaft eine Kapitalausschüttung, für die der Gesellschaft nichts zukommt, nimmt die Gesellschaft insoweit gar nicht als Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teil, sondern fungiert lediglich als Objekt der Gesellschafterinteressen, sodass der privatautonome Aushandlungsprozess einerseits zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, andererseits zwischen Gesellschaft und Dritten gestört ist. Eine derartige Entscheidung erfolgt stets auch unter gesellschaftsvertraglicher Anknüpfung und nicht bloß durch organschaftliche Vertretung, weil der Gesellschaft dadurch verbandszweckgebundenes Kapital aus dem Gesellschaftsvermögen ohne vermögenswertes Äquivalent entzogen wird und somit die Gesellschaftsinteressen im Wege einer Modifizierung des Verbandszwecks unberücksichtigt bleiben. Es kommt wertungsmäßig vielmehr zu einer Art (Teil-)Auflösung des Verbandes von innen. Diese Konstellation, dass eigentlich zweckgebundenes Verbandsvermögen dem potenziellen Gläubigerzugriff Dritter entzogen wird, ist vergleichbar mit der Interessenlage bei der Auflösung eines Personenverbandes oder der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Es wird jeweils eine verbandszweckbezogene Entscheidung der Gesellschafter getroffen, auf die sich Dritte, die in einen privatautonomen Aushandlungsprozess mit dem Verband eintreten, nicht einstellen können und daher auch nicht die Vermögenslage der Gesellschaft als ihrem Vertragspartner dem realen Insolvenzrisiko entsprechend einpreisen können. Dieser Umstand, dass die Gesellschafter einen Verband durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung von innen vermögensmäßig oder rechtlich aushöhlen können, stellt ein typisch verbandsrechtliches Risiko dar und unterscheidet den Verband von einer natürlichen Person als Vertragspartner. Den Beteiligten des Rechtsverkehrs sollen dadurch, dass sie anstatt mit einer natürlichen Person mit einem Verband als Rechtssubjekt Rechtsgeschäfte eingehen, keine Nachteile erwachsen, weil der Verband angesichts anderenfalls kaum zu kalkulierender Unwägbarkeiten gar nicht wirtschaftsfähig wäre. Es ist genau diese Situation, der die Gesetzgebung mittels haftungsrechtlicher Institute begegnen darf und muss, sei es durch die Normierung von Kapitalaufbringungs- bzw. Kapitalerhaltungsregelungen, sei es durch die Eröffnung des Haftungszugriffs auf zusätzliche Vermögensverbindungen, zum Beispiel auf die der Gesellschafter (vgl. §  128 HGB, §§  224, 204, 22 UmwG). Zumindest soweit die Gesellschafter den Gesellschaftszweck ernsthaft weiterverfolgen, gibt die bilanzrechtliche Kapitalkontenführung nach den §§  120 ff. HGB, wie sie durch das Drei-Konten-Modell zu modifizieren ist, dementsprechend einen ziemlich präzisen Aufschluss darüber, wie die Vermögensverbin-

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dung der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern abzugrenzen ist und wie sie sich zu den mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten verhält. Mit Blick auf den durch §  128 HGB zu gewährleistenden Gläubigerschutz verdeutlichen die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte der Gesellschafter, inwieweit die auf dem Sozietätsmodell fußende Organisationverfassung des Personenverbandes in vermögensrechtlicher Hinsicht zu Gläubigerrisiken führt. Während die Zugriffsrechte einzelner Gesellschafter auf Vermögenswerte der Gesellschaft kaum Auswirkungen auf die Interessen der Gesellschaftsgläubiger haben, können die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit den Personenverband als Rechts­subjekt sowie dessen Vermögen als Haftungsobjekt dem Zugriff des Rechts­verkehrs entziehen. Der damit verbundene drohende Wegfall des Personenverbandes als Rechtssubjekt verdeutlicht, dass der durch §  128 HGB zu verwirklichende Gläubigerschutz weniger im werbenden Stadium der Gesellschaft Bedeutung erlangt als in liquidations- bzw. umwandlungsrechtlicher Hinsicht. 3. Insolvenzschuldnerschaft des Personenverbandes und Vermögenssonderung Gläubigerbenachteiligungen zeigen sich insbesondere, wenn ein Personenverband nicht mehr fähig ist, seine Verbindlichkeiten zu begleichen unabhängig davon, ob dies auf wirtschaftliches Versagen der Gesellschaft oder auf den Abzug des Gesellschaftsvermögens durch die Gesellschafter zurückzuführen ist. §   17 Abs.   2 InsO normiert den Umstand, dass ein insolvenzrechtsfähiger Schuldner nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, als allgemeinen Eröffnungsgrund für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. In diesem Zusammenhang kommt die Rechtsfähigkeit von Personenverbänden sowie die damit verbundene Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern in der eigenständigen Insolvenzrechtsfähigkeit von Personenverbänden zum Ausdruck (vgl. §  11 Abs.  2 Nr.  1, Abs.  1 InsO). Diese verbandsrechtlich veranlasste Trennung der Vermögensverbindungen über den werbenden Zustand der Gesellschaft hinaus hat maßgebliche Auswirkungen auf die Interessen der jeweiligen Gläubigergruppen. So zeigt sich die Schutzbedürftigkeit der Gesellschaftsgläubiger entscheidend, wenn von der Gesellschaft keine Befriedigung mehr erlangt werden kann; insbesondere dann besteht ein Interesse, auf zusätzliche Vermögensverbindungen zur Befriedigung des Leistungsinteresses zugreifen zu können.466 Die Zugriffsmöglichkeit der Gesellschaftsgläubiger auf die Privatvermögen der Gesellschafter bedeutet aber auch eine Beeinträchtigung der Privatgläubiger eines Gesellschafters, wenn dieser nicht mehr zahlungsfähig ist.467 Angesichts der Tatsache, dass die insolvenzrechtliche Behandlung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern    – insbesondere durch die Bezugnahme des §  93 InsO 466 Vgl. 467 

Altmeppen, NJW 2009, 2241 (2241). Siehe dazu oben Einführung §  1 B.III.

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auf die „persönliche Haftung eines Gesellschafters“    – auf der gesellschaftsrechtlichen Regelung wie §  128 HGB sowie der Vermögenszuordnung im werbenden Stadium eines Personenverbandes aufbaut, kann sie für die Beurteilung der im Rahmen von §  128 HGB betroffenen Rechtsbeziehungen sowie die Identifikation von Gläubigerrisiken herangezogen werden. So wird anhand der Regelungen der InsO der vollzogene Paradigmenwechsel über die Vermögenszuordnung in Personenverbänden besonders deutlich. Mit Geltung der InsO sind alle rechtsfähigen Gesellschaften als insolvenzrechtsfähig anerkannt worden.468 Gemäß §  11 Abs.  2 Nr.  1, Abs.  1 InsO kann ein Insolvenzverfahren sowohl über das Vermögen eines Personenverbandes als auch über das Privatvermögen der Gesellschafter eröffnet werden.469 Demnach ist der Personenverband selbst Insolvenzschuldner.470 Mit Blick auf die verbandsrechtliche Annahme der Rechtsfähigkeit von allen Personenaußengesellschaften ist dieser gesetzgeberische Schritt konsequent. Gesteht man nämlich dem Personenverband die Fähigkeit zu, Träger eines Vermögens zu sein, welches sich damit sowohl in der gegenständlichen Zusammensetzung als auch in der rechtssubjektiven Zuordnung von den Privatvermögen der Gesellschafter unterscheidet, ist es eben dieses Vermögen, über das bei Vorliegen eines insolvenzrechtlichen Eröffnungstatbestandes ein Insolvenzverfahren zu eröffnen ist.471 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat grundsätzlich bloß Auswirkungen auf diese Vermögensverbindung sowie die dingliche Berechtigung des Personenverbandes als Vermögensträger. Zwar ergibt sich dieses Verständnis auch ohne die gesetzliche Anerkennung der Insolvenzrechtsfähigkeit durch §  11 Abs.  2 Nr.  1 InsO aus der Konstituierung als Verband kraft Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks. Mit der ausdrücklich erklärten Insolvenzrechtsfähigkeit der Personenverbände wird nun aber gesetzlich bekräftigt, dass diese selbst als Rechtssubjekte Träger des dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Gesellschaftsvermögens sind.472 Die Insolvenzrechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaften knüpft an die Stellung als Rechtssubjekte im Sinne von §  14 Abs.  2 BGB sowie deren Trägerschaft des Gesellschaftsvermögens gemäß (§  105 Abs.  3 HGB i. V. m.) §  718 f. BGB an. Spätestens mit Anerkennung der Insolvenzrechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaften hat der Gesetzgeber daher den Paradigmenwechsel zur Akzeptanz deren Rechtsfähigkeit sowie Vermögensträgerschaft vollzogen. Mit Eröffnung 468 Vgl. H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  53 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 VI 2; zur PartG, Henssler, PartGG, §  8 Rn.  215 ff. 469  Nach traditioneller Gesamthandslehre wurde über das den Gesellschaftern gesamthänderisch zugeordnete Gesellschaftsvermögen ein Konkursverfahren eröffnet, Blomeyer, BB 1968, 1461 (1461); vgl. Wochner, BB 1983, 517 (521). 470  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 VI 3; ders., ZHR 174 (2010), 163 (170); U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  411 f.; a. A. noch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.10. 471  U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  412 f.; vgl. bereits zur Unabhängigkeit der Vermögensverbindungen, Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (7). 472  K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (641).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

des Insolvenzverfahrens bleibt dem Personenverband als Insolvenzschuldner grundsätzlich nur seine Rechtsträgerschaft; vermögensbezogene Verwaltungsund Verfügungsbefugnisse werden ihm demgegenüber genommen und dem Insolvenzverwalter zuerkannt (vgl. §  80 InsO).473 a) Insolvenzrechtliches Haftungsvermögen und Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens Vor dem Hintergrund der Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist fraglich, wie sich Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen zur Masse im Insolvenzverfahren verhalten. Gemäß §  35 InsO erfasst das insolvenzrechtliche Haftungsvermögen des Personen­ verbandes das „gesamte“ ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörende Gesellschaftsvermögen.474 Eine vollständige Verwertung des Gesellschaftsvermögens mündet in der Vollabwicklung der Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter (vgl. §  199 Satz  2 InsO). Mit Blick auf die Systematik der §§  35 ff. InsO ist es aber problematisch, wie die unter den Insolvenzbeschlag fallende Vermögensverbindung zu bestimmen ist. Diese Vorschriften legen es nahe, das Vermögen des Insolvenzschuldners in die Insolvenzmasse sowie massefremde, insolvenzfreie Vermögenbestandteile aufzuspalten, weil etwa §  36 InsO anordnet, dass nicht der Zwangsvollstreckung unterliegende Gegenstände nicht in die Insolvenzmasse fallen.475 Das Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens würde dazu führen, dass die oHG anschließend noch gesellschaftsrechtlich zu liquidieren wäre. Für die Annahme von insolvenzfreien Vermögensbestandteilen des Insolvenzschuldners spreche ferner §  35 Abs.  2 Satz  1 InsO, indem dieser vorsehe, dass der Insolvenzverwalter gegenüber dem Schuldner zu erklären habe, „ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört“, sodass der Gesetzgeber die Anerkennung insolvenzfreier Vermögensbestandteile zum Ausdruck gebracht habe.476 Allerdings verweist §  35 Abs.  2 Satz  2 InsO auf §  295 Abs.  2 InsO, sodass eine „insolvenzfreie“ selbstständige Tätigkeit nur in Betracht kommt, wenn der Schuldner die Masse so stellt, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre; erforderlich ist die Leistung eines masse-

473  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.15; BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  14; BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  17; vgl. K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (105 ff.); Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.). 474  Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, 83; siehe bereits zur Konkursordnung, Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Kap.  15 VII, S.  593. 475  BGH, Uv. 5.7.2001    – IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252–261 = juris-Rn.  20 f.; BGH, Uv. 21.4.2005    – IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32–37 = juris-Rn.  5 ff.; BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  27; Heitsch, ZInsO 2008, 793 (797 f.); vgl. zur Konkursordnung, Kalter, KTS 1975, 1 (1 ff.). 476 Vgl. Heitsch, ZInsO 2008, 793 (798).

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kompensatorischen Betrages.477 Anderenfalls haben die Gläubiger gemäß §  35 Abs.  2 Satz  3 InsO die Möglichkeit, die Unwirksamkeit der Entscheidung des Insolvenzverwalters erklären zu lassen. Von der Rechtsprechung sowie der überwiegenden Auffassung im Schrifttum wird insoweit erweiternd argumentiert, dass der Insolvenzverwalter befugt sei, bestimmte Gegenstände aus der Insolvenzmasse freizugeben und daher nicht notwendig das gesamte Schuldnervermögen in der Insolvenzmasse aufgehe.478 So seien Massegegenstände, die über Wert belastet oder nicht einbringlich verwertbar erscheinen (wie streitbefangene Forderungen oder kontaminierte Grundstücke) durch den Insolvenzverwalter in Ausübung seiner Verfügungsmacht gemäß §  80 InsO unter Beibehaltung der Rechtsträgerschaft des Insolvenzschuldners aus der Masse freizugeben (vgl. §§  32 Abs.  3, 85 Abs.  2 InsO).479 Dafür spreche der Regelungszweck des Insolvenzverfahrens, welches gemäß §  1 Satz  1 InsO dazu diene, „die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird“.480

Daran anknüpfend habe der Insolvenzverwalter das gesamte Insolvenzverfahren unter dem Leitgedanken der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung zu führen und vorrangig die Interessen der Gläubiger zu wahren; der in §  1 Abs.  2 Satz   3 des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung vorgesehene weitere Zweck, für die Abwicklung juristischer Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeiten zu sorgen, sei hingegen nicht Gesetz geworden.481 Ebenso kommt gemäß §  89 Abs.  1 InsO eine Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger „weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners“ in Betracht. Nimmt man demgegenüber bei Insolvenz­ verfahren über das Vermögen von Verbänden die Vollabwicklung des Rechts­ trägers in den Fokus,482 hat dies grundsätzlich zur Konsequenz, dass das Ge477 

So auch Heitsch, ZInsO 2008, 793 (798). BGH, Uv. 21.4.2005    – IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32–37 = juris-Rn.  5; so auch Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 15. EL 4/2008, §  36 Rn.  48 ff.; Kebekus/Schwarzer, in: MüKoInsO, §  199 Rn.  3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  13.14 ff.; Heitsch, ZInsO 2008, 793 (797 f.); Windel, in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  28 ff.; vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  35 Rn.  73; Rump, Zur persönlichen Haftung bei insolventen Gesamthandsgemeinschaften, S.  173 ff.; Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  581 f., 590 f.; ablehnend, H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  38 ff.; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  70 ff.; K. Schmidt/­Schulz, ZIP 1982, 1015 (1016 ff.). 479  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  13.14 ff.; Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  11, 142; Windel, in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  28; a. A. K. Schmidt, ZIP 2000, 1913 (1916). 480 Vgl. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.   581 f.; U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  418 ff. 481  BGH, Uv. 5.7.2001    – IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252–261 = juris-Rn.  20 mit Verweis auf Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302, S.  155 zu §  1; vgl. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113 f.; Smid, ZInsO 2013, 1233 (1239). 482  Siehe dazu Kap.  1 §  2 A.II.3.a)aa). 478 

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sellschaftsvermögen vollständig in der Insolvenzmasse aufgeht, sodass der Charakter des Insolvenzverfahrens als besonderes Liquidationsverfahrens gegen die Annahme insolvenzfreien Vermögens eines Verbandes sprechen könnte mit der Folge, dass eine Freigabe aus der Masse ausschiede,483 weil anderenfalls nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterhin noch zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen verbliebe. aa) Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens ungeachtet normativ angelegter Freigabemöglichkeit Aus dem Umstand, dass das Insolvenzverfahren in erster Linie der Gläubigerbefriedigung zu dienen hat, kann nicht gefolgert werden, dass es grundsätzlich nicht auch auf die Vollabwicklung des Insolvenzschuldners gerichtet ist, wenn es sich bei diesem um einen Verband handelt.484 So kann der Abwicklungszweck des Insolvenzverfahrens, wie die Rechtsprechung hervorhebt, vor dem Hintergrund des §  1 InsO zwar keinen Vorrang gegenüber dem Zweck der Gläubigerbefriedigung erfahren,485 allerdings ergibt sich der Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens sowohl aus der Systematik des Insolvenzrechts, aus den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften als auch aus allgemeinen verbandsrecht­ lichen Erwägungen.486 So folgt aus dem Zusammenspiel der §§  1, 35, 199 Satz  2 InsO, dass der Insolvenzverwalter neben der Vermögensverwertung und der Gläubigerbefriedigung    – sofern keine Sanierung unter Erhalt des Rechtsträgers im Wege eines Insolvenzplans gelingt487    – auch eine Vollabwicklung des Verbandes im Rahmen des Insolvenzverfahrens herbeizuführen hat.488 In Abkehr 483 Vgl. K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (637 f.); K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015 (1016 ff.). 484 

A. A. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  581 f. Uv. 5.7.2001    – IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252–261 = juris-Rn.  20 f.; BGH, Uv. 21.4.2005    – IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32–37 = juris-Rn.  5 ff.; BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  27; siehe auch Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  581 f. 486  Siehe auch, RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  83 f. 487 Vgl. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  353 f. 488  Eckardt, in: NK-BGB, §  47 Rn.  31, 6 f., §  42 Rn.  27; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  93 Rn.  53; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  54 f.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  11 Rn.  150; Jungmann, in: K. Schmidt, InsO, §  199 Rn.  3; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  264 Rn.  6; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  11 ff., 16 ff., 23, 429; ders., in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  45; U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  415; I. Pape, in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  11; Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  99; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1086); K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (634 ff.); ders., Gesellschaftsrecht, §  11 VI 4 b aa; ders., ZHR 174 (2010), 163 (170); ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  26 f., 69 ff., 73, 99 ff., 115, 151 ff., 154, 161; ders., in: MüKoHGB, §  158 Anhang Rn.  41; ders., in: Schlegelberger, HGB, §  145 Rn.  66 f.; ders., GmbHR 2002, 1209 (1217); vgl. ders., ZGR 15 (1986), 178 (183); Uhlenbruck, ZIP 1996, 1641 (1646 f.) zur KO; ­Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, §  199 Rn.  1; bereits vor Anerkennung der Insolvenzrechts­ fähigkeit der oHG, Robrecht, DB 1968, 471 (474); a. A. BGH, Uv. 5.7.2001    – IX ZR 327/99, BGHZ 148, 252–261 = juris-Rn.  20 f.; BGH, Uv. 21.4.2005    – IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32–37 = juris-Rn.  5 ff.; BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  27; BVerwG, Uv. 23.9.2004    – 7 C 22/03, BVerwGE 122, 75 = juris-Rn.  17; Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, 485  BGH,

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von dem statischen Begriff der Konkursmasse (sog. Gesamtvollstreckungsmodell), wie er sich nach §  1 der Konkursordnung auf das der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners bezog, umfasst der dynamische Massebegriff des §  35 Abs.  1 InsO nunmehr grundsätzlich das gesamte Schuldnervermögen.489 Neuerwerb fällt nach §  35 Abs.  1 Var.  2 InsO in die Insolvenzmasse und die Geltendmachung von Forderungen gegen den Insolvenzschuldner kommt während des Verfahrens gemäß §  87 InsO nicht in Betracht.490 Dieser dynamische Begriff der Insolvenzmasse geht einher mit der Anerkennung der Insolvenzrechtsfähigkeit aller Außengesellschaften. Mit Anknüpfung der Insolvenzrechtsfähigkeit an die Befähigung, Träger eines Vermögens zu sein, verfolgt die InsO neben der größtmöglichen Gläubigerbefriedigung sowie dem Schutz der Insolvenzmasse (vgl. §  1 InsO) die rechtssubjektbezogene Aufrechterhaltung der verbandsrechtlichen Vermögenstrennung. Wie §  199 Satz  2 InsO zeigt, wird diese    – vorbehaltlich einer Sanierung des Rechtsträgers im Wege ­eines Insolvenzplans491    – konsequent mit der Vollbeendigung des Verbandes zu Ende gedacht, weil eine Überschussverteilung und damit ein Übergang des verbleibenden Verbandsvermögens in die Privatvermögen der Gesellschafter sowie eine Beseitigung der Vermögenstrennung nur mit Vollbeendigung des Verbandes in Betracht kommt.492 So sieht §  199 Satz  2 InsO vor, dass ein Verband nach der vollständigen Gläubigerbefriedigung regelmäßig nicht noch ein Anschlussliquidationsverfahren durchzuführen hat, sondern der Insolvenzverwalter ver­ ­ pflichtet ist, nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, den restlichen ­Über­schuss an die Mitglieder bzw. Anfallberechtigten zu verteilen. Die Qualifikation des Insolvenzverfahrens als besonderes, zwingenden Vorschriften unterliegendes Liquidationsverfahren ergibt sich ungeachtet dieser spezialgesetzlichen Anerkennung bereits aus dem allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regelungsgefüge. So sehen die §§  42, 728 Abs.  1 BGB, §  131 Abs.  1 Nr.  3 HGB (i. V. m. §  9 Abs.  1 PartGG), §  262 Abs.  1 Nr.  3 AktG, §  60 Abs.  1 Nr.  4 GmbHG und §  101 GenG etwa vor, dass ein Verband mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst, in den Abwicklungszustand versetzt und als Liquidationsverband    – S.  113 f.; Ganter/Bruns, in: MüKoInsO, §  1 Rn.  5; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 79. EL 3/2019, §  199 Rn.  3; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  80 Rn.  9 f.; Madaus, in: BeckOK InsO, Stand: 15.4.2020, §  1 Rn.  20; Peters, in: MüKoInsO, §  35 Rn.  128; Smid, DZWIR 2011, 45 (47); Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  69 ff.; Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  581 f.; vgl. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  83 f. 489  Vgl. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  25 ff., 29; U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  422; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  75 f.; zur Konkursordnung, Kalter, KTS 1975, 1 (1 ff.); a. A. Heitsch, ZInsO 2008, 793 (797 f.). 490  Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  114. 491 Vgl. Bitter, ZGR 39 (2010), 147 (191); Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  353 f.; U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  414 ff. 492  K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (636 f.); ders., Gesellschaftsrecht, §  11 VI 4 b aa, bb; ders., ZHR 174 (2010), 163 (170); vgl. U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  415.

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vorbehaltlich einer Reaktivierung    – der Vollbeendigung zugeführt wird.493 Exemplarisch ergibt sich aus den §§  41 bis 53 BGB, dass das Insolvenzverfahren an die Stelle der im Falle einer sonstigen Auflösung vorzunehmenden Liquidation tritt und der Verband zum Zweck der Abwicklung der Vollbeendigung zuzuführen ist (vgl. §  49 Abs.  2 BGB). Entsprechend sah §  1 Abs.  2 Satz  3 RegE InsO vor, dass „[b]ei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit […] das Verfahren an die Stelle der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung [tritt].“

Die terminologische Straffung des §  1 InsO ist lediglich redaktioneller Natur. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sperrt für den Zeitraum des Verfahrens einen Fortführungsbeschluss der Gesellschafter;494 mit Beseitigung des Insolvenzgrundes sind die Gesellschafter aber frei über Fortbestand oder Vollbeendigung zu beschließen. Der Liquidationszweck des Insolvenzverfahrens ergibt sich schließlich aus allgemeinen verbandszweckbezogenen Erwägungen.495 Ein Verband, der am Rechtsverkehr als Rechtssubjekt teilnimmt, erfährt seine Rechtsfähigkeit durch die Vereinbarung eines dahingehenden gemeinsamen Zwecks sowie durch die zur Bildung eines Verbandsvermögens führenden mitgliedschaftlichen Beitragsverpflichtungen. Ist nun ein insolvenzrechtlicher Eröffnungsgrund gegeben, kommt darin zum Ausdruck, dass der Verband nicht mehr ausreichend liquide ist, um als Rechtssubjekt dauerhaft am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Soweit die Mitglieder keine Erhöhung des Kapitalstocks des Verbandes beschließen, führt dies dazu, dass der originär vereinbarte Verbandszweck nicht mehr in der Form verfolgt werden kann und soll, wie es ausgehandelt wurde. Das Vorliegen eines insolvenzrechtlichen Eröffnungsgrundes zeigt, dass der Verband nicht mehr in der Lage ist, sich am Rechtsverkehr zu beteiligen. Daher führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer Auflösung des Verbandes    – weil die Gesellschafter dies so wollen. Anderenfalls würden sie in der Krise der Gesellschaft Nachschüsse vereinbaren. Daraus folgt wiederum, dass der gemeinsam verfolgte Zweck dahingehend zu modifizieren ist, dass er fortan auf die Abwicklung der Gesellschaft gerichtet ist, ohne dass dabei der Liquidationszweck an die Stelle des konstituierenden Verbandszwecks tritt, sondern diesen lediglich überlagert. Zwar läuft eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter dem Vollabwicklungszweck zuwider, allerdings ist eine solche Möglichkeit dem Regelungszweck des §  1 InsO nach größtmöglicher Gläubigerbefriedigung geschuldet und normativ in der InsO durch die §§  32 Abs.  3, 85 Abs.  2, 89 Abs.  1 InsO angelegt.496 Der zusätzliche Liquidationsaufwand ist von den Gesellschaftern zu bewältigen. Soweit dabei etwa aus 493 

Vgl. K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (635); U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  416 ff., 425. U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  425. 495 Vgl. K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (273 ff.). 496  A. A. K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (637 f.). 494 

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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einem kontaminierten Grundstück zusätzliche Verbindlichkeiten resultieren,497 sind diese von den Gesellschaftern zu begleichen; werden die Gesellschafter dadurch ihrerseits insolvent, kann eine Freigabe im Gesellschaftsinsolvenzverfahren mittelbar zu von der Allgemeinheit zu tragenden Kosten führen. Diese Konsequenz ist indes von der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten einer Freigabemöglichkeit gedeckt.498 All dies hat hingegen keine Auswirkungen auf das normative Leitbild des Liquidationscharakters von Insolvenzverfahren über das Vermögen von Verbänden. Die Freigabemöglichkeit steht in keinem unmittelbaren Bedingungszusammenhang mit der Eigenschaft des Insolvenzverfahren als besonderem Liquidationsverfahren.499 bb) Von der Stellung des Insolvenzverwalters unabhängige Funktion zur Drittliquidation Ebenso ist die Liquidationsgerichtetheit des Insolvenzverfahrens unabhängig davon, wie man die Stellung des Insolvenzverwalters qualifiziert.500 So werden hinsichtlich der Stellung des Verwalters neben der herrschenden Amtstheorie501 verschiedene abweichende Ansätze angenommen: die Gläubigervertretertheorie, die ältere Schuldnervertretertheorie, die Theorie neutralen Handelns (auch Theorie des objektbezogenen Handelns), die Organtheorie sowie die neuere Vertretungs- oder Repräsentationstheorie.502 Zwar deckt sich die Annahme eines Liquidationscharakters des Insolvenzverfahrens über ein Gesellschaftsvermögen in vielerlei Hinsicht mit den Konsequenzen der sog. neueren Vertretungs- oder Repräsentationstheorie    – auch modifizierte Organtheorie    –,503 weil die Qualifizierung des Verwalters als Liquidator Assoziationen mit der Organstellung der Abwickler nach dem allgemeinen Liquidationsrecht hervorruft.504 Allerdings prägt der Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens nicht notwendig auch die Stellung des Insolvenzverwalters,505 weil angesichts des §  1 InsO zentrales Anliegen der InsO die Stärkung der Gläubigerautonomie ist.506 497 Vgl. Vuia, in: MüKoInsO, §   80 Rn.  142; angesichts dessen eine Freigabe ablehnend, K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (638). 498 Vgl. Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  143. 499 Vgl. Windel, in: Jaeger, InsO, §  8 0 Rn.  30. 500  A. A. K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (644 ff.). 501  Kayser, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar InsO, §   80 Rn.  14; Sternal, in: K. Schmidt, InsO, §  80 Rn.  17 ff., 20; Vuia, in: MüKoInsO, §  80 Rn.  32 ff., 35; Wellensiek/ Flitsch, in: FS Fischer, S.  579 ff.; Windel, in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  15; Hallgarten, Die Rechtsstellung der Massegläubiger; S.  35 f. 502 M.w.N. Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  20 ff.; Windel, in: Jaeger, InsO, §  8 0 Rn.  13 ff. 503 Vgl. K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (644 ff.). 504 Vgl. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  580 f. 505  Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  8 0 Rn.  37; a. A. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  580 f. 506 Vgl. zum Verhältnis zu anderen Verfahrenszwecken, Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  345 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Die für die Haftungsverfassung der Personenverbände maßgebliche Beurteilung erfolgt indes unabhängig von der Stellung des Verwalters. Entscheidend sind lediglich die materiell-rechtliche Vermögenszuordnung, die darauf bezogenen Verwalterkompetenzen, die davon unabhängigen verbleibenden Gesellschafterorgankompetenzen sowie die angesichts §  1 InsO strikt zu beachtenden Gläubigerinteressen.507 So folgt aus §  80 InsO, dass die Verfügungskompetenz hinsichtlich der Masse als funktional-haftungsrechtlichem „Interessevermögen“508 der Gesellschaftsgläubiger zwar durch den Insolvenzverwalter ausgeübt wird, Rechtsträger dieses Vermögens aber die Gesellschaft bleibt und deren verbandsrechtliche Organisation von dem Insolvenzverfahren nicht berührt wird, soweit keine liquidationsrechtlichen Befugnisse betroffen sind.509 Hinsichtlich der vermögensbezogenen Kompetenzverteilung ist es unerheblich, ob diese aus einer Amtsstellung, einer Organstellung oder aus einer sonstigen Vertretungsbefugnis folgt. Die Annahme einer eigenen Rechtspersönlichkeit der Masse scheidet hingegen aus,510 weil ein Vermögen ohne ein dieses tragendes Rechtssubjekt nicht in Betracht kommt, ebenso wie es keine vermögenslosen Rechts­ träger gibt.511 Anderenfalls kann das Vermögen seine rechtssubjektbezogene notwendige Haftungsfunktion nicht erfüllen.512 Für eine Amtsstellung des Insolvenzverwalters spricht in vermögensrechtlicher Hinsicht allerdings maßgeblich die Regelung des §  93 InsO, wonach dieser neben der Verwaltungsbefugnis aus §  80 InsO die aus §  128 HGB i. V. m. einer Gesellschaftsverbindlichkeit ­resultierenden Haftungsforderungen der Gläubiger geltend zu machen hat, weil diese Befugnis deutlich über die Organkompetenzen hinaus geht. Die Qualifizierung des Insolvenzverfahrens als besonderes Liquidationsverfahren, bei dem es um die Abwicklung des Gesellschaftsvermögens unter einem qualifizierten Regelungsregime geht, hat zur kompetenziellen Konsequenz, dass der Insolvenzverwalter als notwendiger „Drittliquidator“513 agiert und dabei unter dem Regime des §  1 InsO in Wahrnehmung der Interessen der Gläubigergesamtheit die Vollbeendigung der Gesellschaft zu erwirken hat, wenn nicht „in einem 507 Vgl. Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  112 ff.; K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (642); zur AG, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  30.29, abweichend zur oHG Rn.  31.10. 508 Vgl. Windel, in: Jaeger, InsO, §  8 0 Rn.  15. 509 Vgl. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  579 f., zur Kompetenzverteilung und Verfügungsberechtigung bei börsennotierten Aktiengesellschaften, S.  596 ff.; Windel, in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  26; abweichend die Organtheorie, vgl. Erdmann, KTS 1967, 87 (89 ff., 98, 104, 110 f.). 510  So aber, Bötticher, ZZP 77 (1964), 55 (56 ff., 67 ff.); Erdmann, KTS 1967, 87 (89 ff., 94 ff., 98 ff., 113 ff., 120, 128 ff.). 511  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.7. 512  Windel, in: Jaeger, InsO, §  8 0 Rn.  26. 513 Siehe Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  55 f.; zu dieser Terminologie, jedoch mit abweichendem Verständnis, K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (644 ff.); vgl. U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  415; ablehnend, Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  80 Rn.  36; Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  582.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird“, was zur Reorganisation der Gesellschaft führen kann.514 Die Funktion als Drittliquidator folgt aus den im Gläubigerinteresse wahrzunehmenden Liquidationskompetenzen, ohne dass dies zugleich systemprägend mit der Stellung eines Gesellschaftsorgans einhergehen muss. Die Gesellschaftsorgane sind demgegenüber für die Dauer des Verfahrens von allen liquidationsbezogenen Aufgaben ausgeschlossen.515 Einer rechtlichen Qualifikation der Stellung des Insolvenzverwalter als Amtswalter, Organ oder sonstiger Vertreter bedarf es insoweit nicht,516 weil allen Auffassungen gemeinsam ist, dass der Insolvenzverwalter seine Kompetenzen an den Interessen der Gläubiger zu orientieren hat. Die Liquidationskompetenzen des Insolvenzverwalters resultieren nicht aus seiner Stellung, sondern aus dem Liquidationscharakter des Verfahrens sowie den diesbezüglich zwingenden kompetenzregelnden Vorschriften.517 Der Insolvenzverwalter agiert insoweit im Außenverhältnis, wie ein Liquidator, übt damit kraft der Regelungen der InsO die vermögensbezogenen Kompetenzen der Gesellschaft aus und hat den Verband im Sinne des den Verbandszweck überlagernden Liquidationszweck abzuwickeln. Die Gesellschafter verlieren „alle Handlungskompetenzen in Bezug auf das gegenwärtige und während des Insolvenzverfahrens erlangte Vermögen“, soweit nicht eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter erfolgt ist.518 Angesichts der bloß verdrängenden Kompetenz des Insolvenzverwalters unter weitgehender Überlagerung der ursprünglichen Organzuständigkeiten werden die Gesellschaftsorgane indes nicht umfassend ersetzt, sie bestehen vielmehr im Hintergrund als Organe der Gesellschaft mit der Möglichkeit des umfassenden Wiederauflebens fort, weil sie notwendiger Bestandteil der personengesellschaftsrechtlichen Organisationsverfassung sind.519 So üben die Gesellschaftsorgane etwa die Schuldnerobliegenheiten hinsichtlich der Forderungsfeststellung nach §  178 Abs.  1 Satz  2, Abs.  2 Satz  2 InsO, die Rechte aus §§  10, 218 InsO sowie die Pflichten gemäß §§  101, 97 ff. InsO aus. Ebenso verbleibt der innengesellschaftsrechtliche Bereich den Organkompetenzen der Gesellschafter. Zu einem vollständigen Wiederaufleben der Organkompetenzen kommt es hingegen, wenn sich als Fol514 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  55; K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (635, 643 ff.); U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  418 ff. 515  Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  114. 516  A. A. K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (644) m. w. N. 517  A. A. K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (644 ff.). 518  Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  114, 111, 112a. 519 Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  119 f.; ders., ZGR 27 (1998), 633 (645); ders., KTS 2001, 373 (376), der aus den Organkompetenzen eine Organstellung folgert; letztlich ähnlich, jedoch mit abweichendem Ansatz, H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  61; eine umfassende Ersetzung annehmend, Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  74, 77 ff., 93; ders., KTS 1986, 389 (389 ff.); ebenso, jedoch ohne Annahme einer Organstellung des Insolvenzverwalters, Vuia, in: MüKoInsO, §  80 Rn.  113, 112 ff.; a. A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.10; Schmitz-Beuting, KTS 1957, 35 (37).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

ge einer Freigabe ausnahmsweise ein nachinsolvenzlicher Liquidationsbedarf ergibt oder wenn durch die Leistung von verbindlichkeitsdeckenden Nachschüssen in das Gesellschaftsvermögen der Insolvenzgrund beseitigt wird bzw. in einem Insolvenzplan die Fortsetzungsfähigkeit angelegt ist (vgl. §  144 Abs.  1 HGB). Dadurch, dass die aus der InsO folgenden vermögensbezogenen Verwalterkompetenzen lediglich diejenigen der Gesellschaftsorgane überlagern, ohne die Organe selbst zu ersetzen,520 kommen weiterhin eine Willensbildung sowie ein Handeln der Gesellschaft durch ihre Organe in Betracht, insbesondere zur Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber dem Verwalter.521 Der Insolvenzverwalter wird auf diese Weise sowohl im Einklang mit der Amtstheorie,522 der Repräsentationstheorie,523 den älteren Gläubiger- bzw. Schuldner-­ Vertretertheorien sowie der insoweit vermittelnden Theorie neutralen Han– ungeachtet seiner gesetzlichen Funktion, die Insolvenzmasse im delns524     Drittinteresse der Gläubiger zu verwalten    – als „obligatorischer Drittliquidator der Gesellschaft“ zum Abwickler des Verbandes, ohne dass es dabei auf das Bekleiden einer Amtsstellung oder gesellschaftsrechtlichen Organstellung ankäme. Die Vollbeendigung eines Verbandes ist verbunden mit der vollständigen Abwicklung des Verbandsvermögens, sodass aus dem Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Verbänden folgt, dass es im Regelfall kein insolvenzfreies Vermögen des Insolvenzschuldners geben soll und eine Aufteilung des Schuldnervermögens in einen Verwalterbereich und einen Schuldnerbereich zu vermeiden ist.525 Dieses Leitbild folgt aus den Regelungen der §§  199 Satz  2, 35, 87 InsO. Angesichts der Tatsache, dass die Gesell520 

BT-Drucks. 12/2443, S.  83; vgl. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  579 ff. Vertretung der Repräsentationstheorie, K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  119 f.; abweichend im Rahmen der Eigenverwaltung, ders., ZGR 27 (1998), 633 (643 f.); zu den einzelnen Rechten und Pflichten unter Anknüpfung an die Amtstheorie, H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  55 ff., 105 ff., 136 ff., 142. 522  Vgl. zur Amtstheorie, A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  42 Rn.  8; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  55 ff. 61, 63; Weick, in: Staudinger (2005) BGB, §  42 Rn.  7; Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  579 ff.; Windel, in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  15; vgl. die Nachweise bei H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  56 sowie bei K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  108 ff. 523  Vgl. zur Repräsentationstheorie (hinsichtlich Gesellschaftsinsolvenzen auch modifizierte Organtheorie, hinsichtlich natürlicher Personen als neuere Vertretertheorie), K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 VI 4 b cc; ders., in: K. Schmidt, InsO, §  1 Rn.  14; ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  106 ff., 112, 115, 118 ff.; ders., in: Schlegelberger, HGB, §  145 Rn.  67; ders., KTS 2001, 373 (374 ff.); ders., KTS 1984, 345 (362 ff.); Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  71 ff., 73 f., 77 ff., 88 f., 90 ff.; Erdmann, KTS 1967, 87 (88 ff.); Hess/ Weis, InVo 1997, 85 (85); wohl auch Sudhoff, Personengesellschaften, S.  694; ablehnend, Kluth, NZI 2000, 351 (356); Smid, DZWIR 2011, 45 (47). 524  Vgl. diesbezüglich die Nachweise bei Vuia, in: MüKoInsO, §  8 0 Rn.  28 f.; Windel, in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  13 f., 17. 525  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 VI 4 b aa, bb; ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  70 f.; ders., in: K. Schmidt, InsO, Einleitung Rn.  23, §  1 Rn.  14; siehe auch A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  42 Rn.  5. 521  In

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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schaft während der Insolvenz als Liquidationsverband fortbesteht, bilden neben dem    – dem Verband zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeordneten    – Haftungsvermögen auch die während des Verfahrens erlangten Vermögensbestandteile gemäß §  35 InsO die sog. Insolvenzmasse. Demgegenüber ist die Regelung des §  36 InsO, wonach Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse gehören, auf natürliche Personen zugeschnitten, weil es bezüglich derer    – anders als bei liquidations­ fähigen Verbänden    – eines Vollstreckungsschutzes für die Existenzgrundlage bedarf.526 Vorbehaltlich einer Freigabe ist der Begriff der Insolvenzmasse daher deckungsgleich mit dem Verbandsvermögen. Die Freigabe von Vermögensgegen­ ständen aus der Insolvenzmasse stellt bei Verbänden vor dem Hintergrund des §  199 Satz  2 InsO vielmehr eine Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild dar, weil die Freigabe von Gegenständen aus der Insolvenzmasse einen zu vermeidenden zusätzlichen Liquidationsbedarf bewirken würde.527 cc) Insolvenzrechtliche Verwirklichung der Vermögenshaftung Nach der Gesetzesbegründung zur InsO ist einheitlicher Hauptzweck des Insolvenzverfahrens „die gemeinschaftliche Verwirklichung der Vermögenshaftung[, wobei] Gegenstand der Haftung […] das Vermögen des Schuldners [ist], nicht seine gesellschafts- oder verbandsrechtliche Organisation“.528

Der Vermögensbezug des Insolvenzverfahrens führt mit dogmatischer Weiterentwicklung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaften dazu, dass über das Vermögen der Gesellschaft sowie die Vermögen der Gesellschafter    – soweit jeweils ein Eröffnungsgrund gegeben ist    – separate Insolvenzverfahren zu eröffnen sind und die Vermögenstrennung zu beachten ist. So sehe die InsO „keine insolvenzrechtlichen Eingriffe in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Schuldners vor.“529 Soweit zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern Sozial- oder Drittforderungen bestehen, ist mit Blick auf die dingliche Zuordnung von Vermögensgegenständen zum Gesellschaftsvermögen bzw. zu den Gesellschaftervermögen und die darin zum Ausdruck kommende Vermögens­ trennung zwischen Ist- und Soll-Masse zu differenzieren. So haben negative oder positive Kapitalkonten keine Relevanz für die Ermittlung der Ist-Masse im 526 Vgl.

H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  29 f. H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  38 ff.; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  70 ff.; K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015 (1016 ff.); ablehnend zur Freigabe durch einen Notliquidator unter gleichzeitiger Verneinung liquidationsfreier Bereiche, Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  218; a. A. BGH, Uv. 21.4.2005    – IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32–37 = juris-Rn.  5; Henckel, in: FS Kreft, S.  300 ff.; Kluth, NZI 2000, 351 (356). 528  BT-Drucks. 12/2443, 83. 529  BT-Drucks. 12/2443, 83. 527 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Gesellschaftsinsolvenzverfahren, weil sie als bloße Bilanzziffern keine Auswirkung auf die dingliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens haben, sondern als Verrechnungsposten nur eine Bedeutung für die Ermittlung der Soll-Masse haben können.530 Umgekehrt kommt die Vermögenstrennung im Falle der Gesellschafterinsolvenz zum Ausdruck. In dieser beschränkt sich der Insolvenzbeschlag auf das Privatvermögen der Gesellschafter. Indem die Gesellschafter in keiner Weise dinglich an dem Vermögen der Gesellschaft beteiligt sind    – auch nicht gesamthänderisch    – und Gewinne sowie Verluste ausschließlich der Gesellschaft selbst zustehen, fließen in der Gesellschafterinsolvenz weder der Vermögensanteil als solcher noch der Kapitalanteil in die Bestimmung der Insolvenz-Ist-Masse des Gesellschafters mit ein, sondern lediglich der Gesellschaftsanteil.531 Der dem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag bzw. den §§  120 ff. HGB zustehende Gewinn der Gesellschaft hat daher lediglich dadurch Einfluss auf die Masse des insolventen Gesellschafters, dass er durch die in §  120 Abs.  2 HGB vorgesehene Zuschreibung des Gewinns auf dem Kapitalkonto im Wert steigt. Im Falle der Gesellschaftsinsolvenz haftet das Gesellschaftsvermögen für Insolvenzschulden, Verfahrenskosten und Masseschulden. Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter, wie sie zum Beispiel auf dem Darlehens-Kapitalkonto ausgewiesen sind,532 sind bei der Bestimmung der Soll-Masse zu berücksichtigen; Entsprechendes gilt für die Berichtigung der Ist-Masse mittels mitgliedschaftlicher Ansprüche, zum Beispiel bezüglich rückständiger Einlagen, wie sie auf dem Kapitalkonto II gebucht sind. Insoweit gilt §  80 InsO, wonach die Verwaltungs- und Verfügungsrechte auf den Insolvenzverwalter übergehen. Diesbezüglich bedarf es insbesondere keines Rückgriffs auf §  93 InsO, weil es sich nicht um eine von §  128 HGB erfasste Forderung handelt. Während die mitgliedschaftliche Wertbeteiligung den Kapitalkonten zwar zu entnehmen ist,533 hat der Umstand, dass ein Kapitalkonto positiv oder negativ ist, keine unmittelbare insolvenzrechtliche Bedeutung, weil das Vermögen dinglich der Gesellschaft zugeordnet bleibt und Gewinne und Verluste unmittelbar der Gesellschaft zustehen. Durch die Kapitalkonten ausgewiesene Salden haben dementsprechend keine Auswirkung auf den Insolvenzbeschlag, sondern geben lediglich Aufschluss darüber, wie bestimmte Forderungen geltend zu machen oder anzumelden sind    – je nachdem, ob es sich um Fremd- oder Eigenkapital handelt. So kann etwa ein positives Saldo auf dem Darlehenskonto als Insolvenzforderung geltend gemacht werden, weil mit der rechtzeitigen Geltendmachung der Gewinn- bzw. Entnahmerechte, die Zahlungsansprüche der 530 

Siehe zur rechtlichen Einordnung der Kapitalkonten oben Kap.  1 §  2 A.II.2.a). Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  120 Rn.  68 f.; siehe zur Beziehung der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen, Kap.  1 §  2 A.II.2. 532  Siehe zur Abbildung der materiellen Rechtslage durch das Drei-Konten-Modell, Kap.  1 §  2 A.II.2.b). 533  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.b). 531 Vgl.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Gesellschafter zu verselbstständigten Gläubigerrechten erstarkt sind.534 Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Personenverbandes sind sodann nur die Gläubiger der Gesellschaft, nicht die Eigengläubiger der Gesellschafter. Fraglich ist, wie sich dieser Befund vor dem Hintergrund der Einstandspflicht der Gesellschafter gemäß §  128 HGB für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verhält, wie also die Gesellschafter sowie die nach §  128 HGB i. V. m. §  93 InsO durch den Insolvenzverwalter geltend zu machenden Forderungen zur Masse stehen. Zwar sieht §  93 InsO vor, dass „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden“ kann; da es sich bei Forderungen, die nach §  128 HGB i. V. m. §  93 InsO realisiert werden, aber nicht um Gesellschafts-, sondern Gesellschafterverbindlichkeiten handelt, führen diese nicht zu einer Vergrößerung des Schuldnervermögens. §  93 InsO führt wie §  171 Abs.  2 HGB vielmehr zur Aufrechterhaltung der Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen; durch die Verlagerung der Verwirklichung der Gesellschafteraußenhaftung in das Innenverhältnis zum Insolvenzverwalter    – nicht zur Gesellschaft    – soll ein Wettlauf der Gläubiger auf die Privatvermögen der Gesellschafter verhindert werden, um eine ungleichmäßige Abschöpfung der der Gläubigergesamtheit535 zustehenden Haftsumme zu vermeiden.536 b) Insolvenzrechtliche Vermögenssonderung Die Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen wird im Rahmen der Insolvenz mit Blick auf die Einstandspflicht der Gesellschafter für Gesellschaftsforderungen durch §  128 HGB und §  93 InsO aufrechterhalten. So ist im Rahmen der Insolvenz eine Vermögenssonderung vorzunehmen, wenn der Insolvenzverwalter gemäß §  93 InsO gebündelt die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB geltend macht.537 Hintergrund dieser Vermögenssonderung ist, dass im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft nicht die Gesellschafter Insolvenzschuldner sind und deren Vermögen auch nicht vom Insolvenzbeschlag gemäß §  80 InsO erfasst wird; die Gesellschaftervermögen ge­ hören daher nicht originär zur Insolvenzmasse nach §  35 InsO. So führt die Ermächtigungswirkung des §  93 InsO nicht zu einem Übergang der Gesellschafter-Haftungsforderung in das Gesellschaftsvermögen.538 Gemäß der Le534 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e). Vgl. zu deren Einordnung, Berges, KTS 1957, 49 (50 ff.). 536  Gehrlein, in: MüKoInsO, §   93 Rn.  1; Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1093); Hasselbach, DB 1996, 2213 (2217); Oepen, ZInsO 2002, 162 (164); vgl. zu §  171 Abs.  2 HGB, Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42 (44 ff.). 537 Vgl. K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  28. 538  Die Ermächtigungswirkung hat keinen Einfluss auf die Forderungsinhaberschaft der Gläubiger, sondern begründet eine treuhänderische Einziehungs-, Prozessführungs- und Klagebefugnis des Insolvenzverwalters, Bunke, KTS 2002, 471 (471 f.); Fuchs, ZIP 2000, 1089 535 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

galdefinition des §  35 InsO ist aber nur aus diesem    – vorbehaltlich nichtpfändbarer Vermögensgegenstände natürlicher Personen (§  36 Abs.  1, Abs.  3 InsO) 539 sowie einer etwaigen Freigabe540    – die Insolvenzmasse zu bilden. Der Haftungsanspruch aus §  128 HGB i. V. m. der Gesellschaftsverbindlichkeit steht jedem einzelnen Gläubiger zu; der Insolvenzverwalter handelt daher im Rahmen von §  93 InsO nur für diese und nicht für das Schuldnervermögen.541 Die gemäß §  93 InsO durch den Insolvenzverwalter einzuziehenden Haftungsforderungen treten angesichts der abweichenden haftungsrechtlichen Zuordnung als zusätzliche Vermögensverbindung neben die Insolvenzmasse. Die im Rahmen von §  93 InsO durch den Insolvenzverwalter eingeforderte Leistung eines Gesellschafters fällt vor diesem Hintergrund nicht in die Insolvenzmasse. Daher hat der Insolvenzverwalter sie im Interesse der Forderungsinhaber als Sonder­ vermögensverbindung zu verwalten.542 In der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung sowie dem Schrifttum wird dementsprechend angenommen, dass der Insolvenzverwalter eine „Sondermasse“ zu bilden habe.543 Ausreichend sei nach überwiegender Auffassung, dass diese rechnerisch getrennt geführt wird, auf eine dingliche Trennung komme es demgegenüber nicht an.544 Teilweise wird (1092); Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  57; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  497; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  28; zu §  171 Abs.  2 HGB, BGH, Uv. 21.7.2020    – II ZR 175/19, juris-Rn.  26 ff. Ferner führt §  93 InsO in der Form zu einer Sperrwirkung, dass die Gläubiger nicht mehr berechtigt sind, ihre Forderung gegenüber den haftenden Gesellschaftern selbst geltend zu machen; a. A. einen Forderungsübergang annehmend, Heitsch, ZInsO 2003, 692 (692 ff.); teilweise a. A. die treuhänderische Einziehungsbefugnis durch die Gläubigergleichbehandlung überlagernd, Schaltke, ZInsO 2010, 1249 (1252 ff.). 539 Vgl. Heitsch, ZInsO 2008, 793 (797 f.); Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 79. EL 3/2019, §  35 Rn.  2 f. 540  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a). 541  K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  28. 542 Teilweise als Treuhandvermögen bezeichnet, Gehrlein, in: MüKoInsO, §   93 Rn.  22; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.17; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  56; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1293); K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  85, 88; a. A. Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  57; vgl. zum Insolvenzverwalter als Treuhänder, Keuk, ZHR 135 (1971), 410 (430). 543  BGH, Bv. 20.11.2008    – IX ZB 199/05    – NZI 2009, 108 (109) m. w. N.; Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.17; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  31, 10; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  49, 88; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  56; Reitzug, Masseverbindlichkeiten, Teilband 1, S.  145; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  28; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1085 f.); Sander, ZInsO 2012, 1285 (1293); Windel, ZIP 2019, 441; zu §  171 Abs.  2 HGB, Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Kap.  18 II 3 d, S.  635; vgl. BGH, Uv. 10.5.1978    – VIII ZR 32/77, BGHZ 71, 296–305 = juris-Rn.  30, 32; Armbruster, Die Stellung des haftenden Gesellschafters, S.  190 ff.; a. A. wohl Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  22; so auch Haas/ Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  57, die dies lediglich für den Fall annehmen, dass ein Gesellschafter nicht allen Gläubigern leistet (daher auch Haftung für Verfahrens­ kosten und Masseverbindlichkeiten). 544  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  88; vgl. zur Kontenführung durch den Insolvenzverwalter, d’Avoine/Büchel, ZIP 2020, 1280 (1281 ff.).

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demgegenüber angenommen, dass die Bildung einer „Sondermasse“ lediglich dann erforderlich sei, wenn ein Gesellschafter nicht allen Insolvenzgläubigern gegenüber gleichmäßig haftet bzw. in besonderen Konstellationen parallel verlaufender Insolvenzverfahren.545 Dementsprechend stünden die Forderungen gegen die Gesellschafter auch für die Begleichung von Masseverbindlichkeiten sowie die Verfahrenskosten zur Verfügung.546 aa) Beschränkte Reichweite des Insolvenzbeschlags auf das Schuldnervermögens Die haftungsrechtliche Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen sowie die von §  128 HGB betroffenen Rechtsbeziehungen haben demgegenüber zur Konsequenz, dass stets eine als „Sondermasse“ bezeichnete Vermögenstrennung vorzunehmen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Insolvenzverfahren nur über das Vermögen des jeweiligen Insolvenzschuldners zu eröffnen ist,547 wird die Insolvenzmasse auch nur aus diesem Vermögen gebildet und mit berichtigten Forderungen des Insolvenzschuldners angereichert. So führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Schuldnervermögen mit der Entziehung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis dazu,548 dass die durch das Eigentumsrecht gezogenen Abwehrrechte zum Zwecke einer Gesamtvollstreckung beschränkt werden und der Zweck der dem Schuldner ge­ hörenden Vermögensgegenstände darauf reduziert wird, zur Befriedigung der Gläubiger zu dienen, indem sie im Umfang der Insolvenzmasse nach den §§  35 ff. InsO dem Haftungszugriff der Gläubigergesamtheit zugeordnet werden.549 Auf diese Weise haftungsrechtlich verfangen ist nur das dem Insolvenzschuldner als Rechtsträger weiterhin dinglich zugewiesene Vermögen.550 Die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschafter, die ihnen in Verbindung mit §  128 HGB zugesprochen werden, sind aber gerade keine Forderungen der Gesellschaft, die Gesellschaft ist an diesem Rechtsverhältnis völlig unbeteiligt. Dies bedeutet, dass auch im Falle parallel zu beurteilender Insolvenzverfahren,551 bezogen auf den jeweiligen Insolvenzschuldner als Vermö545  Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  2 2; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  57; vgl. auch Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  78; siehe dazu unten Kap.  3 §  7 H. 546  Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  57; offen lassend, BGH, Uv. 24.9.­ 2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  25; BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  11; Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.). 547 Vgl. Wochner, BB 1983, 517 (521). 548  Vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  14; BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  17 f.; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (105 ff.); Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.). 549  Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  35 Rn.  1, 7; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 79. EL 3/2019, §  35 Rn.  5; Peters, in: MüKoInsO, §  35 Rn.  22. 550  Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §   35 Rn.  10; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 79. EL 3/2019, §  35 Rn.  6 , 9. 551  Zu den unterschiedlichen Konstellationen, Reiswich, ZInsO 2010, 1809 (1811 ff.).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

gensträger, verschiedene Insolvenzmassen zu bilden sind. Die betroffenen Vermögensverbindungen sind strikt getrennt voneinander zu verwalten, zumal ungeachtet des Verlusts der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß §  80 Abs.  1 InsO der jeweilige Insolvenzschuldner Rechtsträger der ihm gehörenden Vermögenswerte bleibt.552 Solange über das Vermögen der Gesellschafter (noch) kein Insolvenzverfahren eröffnet ist, sind die durch den Insolvenzverwalter einzutreibenden Forderungen gegen die Gesellschafter daher auch getrennt von dem Gesellschaftsvermögen zu behandeln. So unterliegt nur das Gesellschaftsvermögen dem Insolvenzbeschlag, der haftungsrechtliche Zugriff auf die Vermögensverbindungen der Gesellschafter ist demgegenüber keiner im insolvenzrechtlichen Sinne. §  93 InsO führt lediglich dazu, dass die Forderungen zwar zentralisiert einzutreiben, aber vermögensrechtlich als nicht von dem Insolvenzverfahren betroffen zu behandeln sind. Über die Gesellschaftervermögen ist gerade kein Insolvenzverfahren eröffnet.553 Angesichts der Tatsache, dass der Begriff der „Masse“ im insolvenzrechtlichen Kontext materiell-rechtlich mit der haftungsrechtlichen Zuordnung des Insolvenzschuldnervermögens unter den Zugriff der Gläubiger des Insolvenzschuldners behaftet ist, erscheint eine Bezeichnung als Sondervermögensverbindung vorzugswürdig. Bereits die dingliche und haftungsrechtliche Zuordnung der betroffenen Vermögensverbindungen führt dementsprechend dazu, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, für die nach §  93 InsO eingebrachten Forderungen eine gesonderte Vermögensverbindung zu bilden, die nicht Teil der Insolvenzmasse ist. bb) Liquidationsrechtliche Verlustdeckungsansprüche als Teil der Insolvenzmasse Von den nach §§  128 HGB i. V. m. §  93 InsO eingezogenen Forderungen zu unterscheiden sind die innenrechtlichen, dem dispositiven §  735 BGB unterfallenden Verlustdeckungsansprüche.554 Bei diesen handelt es sich um Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter, mithin um Forderungen, die nach umstrittener Auffassung ebenfalls durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen sind, die aber als Teil des Gesellschaftsvermögens dem Insolvenzbeschlag unterliegen und als Element der Insolvenzmasse zur Begleichung der Insolvenz­ forderungen durch den Insolvenzverwalter zur Verfügung stehen.555 Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive bestehen mit Blick auf die Trennung der Vermögensverbindungen grundsätzlich keine Bedenken, den Gesellschaftern der Per552  Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 79. EL 3/2019, §  35 Rn.  4; Peters, in: MüKoInsO, §  35 Rn.  22; vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  14; BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  17 f.; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (105 ff.); Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.). 553 Vgl. Wochner, BB 1983, 517 (521). 554 Vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  217. 555  Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.   146; K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (169).

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sonenaußengesellschaft nach §  735 BGB den gesamten Liquidationsaufwand der Gesellschaft in Gestalt einer Nachschusspflicht aufzuerlegen,556 weil der Verband letztlich vollbeendigt wird und es mit abgeschlossener Liquidation kein eine Vermögenstrennung erforderndes Verbands-Rechtssubjekt mehr gibt.557 Daher widerspricht die Anwendung des §  735 BGB mit der daraus folgenden Nachschusspflicht auch nicht per se dem Zweck des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Mit der gesetzlichen ­Qualifikation der Insolvenzverfahrenseröffnung als Auflösungstatbestand der Gesellschaft gibt es im Ausgangspunkt keine Anzeichen, warum die Liquida­tionsvorschrift des §  735 BGB nicht auch während des Insolvenzverfahrens Anwendung finden sollte.558 Soweit teilweise vertreten wird, dass mit Blick auf §  707 BGB sowie die sich aus §  93 InsO ergebende Möglichkeit, die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB im Insolvenzverfahren geltend zu machen, eine Anwendung des §  735 BGB im Insolvenzverfahren ausscheide,559 widerspricht dies der Funktion des Insolvenzverfahrens als ein besonderes Liquidationsverfahren.560 Das Insolvenzverfahren ist    – vorbehaltlich einer Freigabe561    – auch auf die Vollbeendigung des Verbandes gerichtet, sodass die Gesellschafter grundsätzlich im Sinne von §  735 BGB an den Verlusten der Gesellschaft zu beteiligen sind. Das Verbot unfreiwilliger Beitragserhöhungen gemäß §  707 BGB greift nur im werbenden Stadium des Verbandes.562 Für den Fall der Abwicklung der Gesellschaft sieht §  735 BGB demgegenüber ausdrücklich eine Nachschusspflicht bei Verlusten der Gesellschaft gegenüber dem Liquidationsverband vor.563 Bedenken gegen eine Anwendung des §  735 BGB könnten demgegenüber bestehen, weil das Insolvenzverfahren auch eine Sanierung des Verbandes zur Folge haben kann.564 Allerdings ist die Reaktivierung eines Verbandes, der sich im Liquidationssta556 

K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (169). Siehe aber zur teleologischen Reduktion des §  735 BGB in Bezug auf Masseverbindlichkeiten unten Kap.  1 §  3 B.III.2.c), abweichend aber hinsichtlich Verfahrenskosten. 558  Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  85 Rn.  35; Ensthaler, in: GemKommHGB, §  155 Rn.  8; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  217; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  85 ff., 469; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  735 Rn.  8 (zur Verjährung); Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  171 ff.; K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (294 ff.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1086); a. A. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  497; vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  35 Rn.  385. Siehe zum Liquidationscharakter des Insolvenzverfahrens oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a). 559 Vgl. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113; Lüke, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  1; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  497. 560  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)aa). 561  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a). 562  Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (3 f.). 563  Siehe zur Geltendmachung der Nachschussverbindlichkeiten durch die Liquidatoren unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c). 564  Siehe aber U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  425. 557 

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dium befindet    – jedenfalls wenn noch nicht mit der Schlussverteilung begonnen wurde    –, grundsätzlich jederzeit möglich, ohne dass dies einer Anwendung des §  735 BGB im Liquidationsverfahren entgegenstünde. Darüber hinaus kommt eine Sanierung des Verbandes nur als wirtschaftsfähiges Rechtssubjekt in Betracht, sodass eine vorangestellte Nachschusspflicht zur Verlustdeckung der Gesellschaft dem durch das Insolvenzverfahren nach §  1 InsO zu verfolgendem Gläubigerinteresse entspricht. Allerdings führt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dazu, dass dieses unter Beseitigung des Insolvenzgrundes erst auf­ gehoben werden muss, bevor ein Fortsetzungsbeschluss Wirkung entfalten kann.565 Fraglich ist darüber hinaus, ob der Insolvenzverwalter befugt ist, innenrechtliche Nachschusspflichten gegenüber den Gesellschaftern geltend zu machen. Die rechtliche Qualifikation der Stellung des Insolvenzverwalters ist insoweit unerheblich, weil das Insolvenzverfahren an die Stelle eines gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens tritt und der Insolvenzverwalter jedenfalls die Kompetenzen eines Drittliquidators des Verbandes wahrnimmt.566 Auch eine Begrenzung der Befugnisse des Insolvenzverwalters durch den Liquidationszweck kommt angesichts einer im deutschen Recht nicht existenten Ultra-vires-­ Doktrin nicht in Betracht, weil der Insolvenzverwalter im Außenverhältnis ­umfassend handlungsfähig ist.567 Zwar beschränkt sich dies auf die Handlungsbefugnis gegenüber Dritten, sodass die innenrechtlichen Geschäftsführungs­ befugnisse grundsätzlich durch den auf die Gläubigerbefriedigung und Vollbeendigung gerichteten Liquidationszweck reduziert werden können, allerdings dient die Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB gerade der Berichtigung von Schulden des Verbandes für den Fall der Abwicklung der Gesellschaft, sodass die Geltendmachung von an die Liquidation anknüpfenden innenrechtlichen Nachschusspflichten sogar von einer liquidationsbezogenen Geschäftsführungs­ befugnis gedeckt ist. Darüber hinaus ergibt sich auch aus der Existenz des §  93 InsO kein gegenteiliges Ergebnis,568 weil dieser mit seiner Anbindung an §  128 HGB an das nicht der Disposition der Gesellschafter unterliegende Außenverhältnis anknüpft und §  735 BGB demgegenüber auf das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis abzielt, mit der Möglichkeit, einzelne Gesellschafter von der Verlustbeteiligung auszuschließen (vgl. §  722 BGB). Die Anwendung des §  735 BGB führt dementsprechend auch nicht zu einer Aufweichung der Vermögens­ trennung von Gesellschaft und Gesellschaftern,569 weil die Verlustbeteiligung eine innenrechtliche ist und gerade der privatautonom aushandelbaren Vermögensverteilung zugänglich ist, wie sie in der rechtssubjektbezogenen Vermögens­ 565 Vgl.

U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  425. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb). 567  K. Schmidt, AcP 174 (1974), 55 (57 ff., 67 ff., 76); siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c)aa). 568  So aber Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113. 569  So aber Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113. 566 

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trennung zum Ausdruck kommt. Daher sind die nach §  93 InsO bzw. §  735 BGB geltend gemachten Ansprüche schon hinsichtlich ihres Volumens nicht deckungsgleich. So haften die Gesellschafter nach §  735 BGB nur anteilig, gemäß §  128 HGB i. V. m. §  93 InsO demgegenüber gesamtschuldnerisch. Es ist daher das Zusammenspiel von §  735 BGB und §  93 InsO, welches unter Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung gewährleistet. Die Normen unterscheiden sich in ihrem vermögensbezogenen Anknüpfungsmoment maßgeblich. So nimmt §  93 InsO auf Ansprüche der Gläubiger gegenüber den Gesellschaftern Bezug und unterwirft damit deren Vermögen, welches nicht von dem Insolvenzbeschlag erfasst ist, einem Haftungszugriff. Demgegenüber handelt es sich bei §  735 BGB um Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter, die bereits Teil des dem Liquidationsverband zuge­ wiesenen Vermögens sind, welches daher dem unmittelbaren Insolvenzbeschlag unterliegt und in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß §  80 InsO fällt. Mit Blick auf die Stellung der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin und Hauptbeteiligte des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter bei Annahme der Geltung des §  735 BGB in der Insolvenz zuerst die Nachschussplicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen, weil er auf diese Weise die eigentliche, dem Insolvenzbeschlag unterliegende Masse unter Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung „anreichern“ kann und sodann für die Forderungen der Gläubiger gegen die Gesellschafter eine davon zu trennende Vermögenssonderung vorzunehmen hat. Dabei macht eine Anwendung des §  735 BGB im Insolvenzverfahren die Vorschrift des §  93 InsO deshalb nicht entbehrlich, weil nur durch diese Norm innenrechtliche Vereinbarungen zu Lasten der Gläubiger    – zum Beispiel bei Ausschluss eines Gesellschafters von der Verlustbeteiligung    – ausgeglichen werden können. Gewährleistet wird dies durch die aus §  93 InsO folgende Sperr- und Ermächtigungswirkung, um einen Wettlauf der Gläubiger zu verhindern.570 Angesichts der vorrangigen Pflicht des Insolvenzverwalters zur Masseanreicherung ist dieser zuerst verpflichtet, die Ansprüche des Insolvenzschuldners gegen die Gesellschafter    – als Teil des Gesellschaftsvermögens    – geltend zu machen, weil diese bereits Teil der Insolvenzmasse sind.571 Auf diese Weise wird er auch nicht in die Lage versetzt, die Vermögenszuordnung willkürlich zu beeinflussen je nachdem, ob er eine Forderung nach §  93 InsO geltend macht, für die sodann eine Vermögenssonderung vorzunehmen ist, oder ob er die Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens versucht, nach §  735 BGB auszugleichen und die Nachschussforderung damit in die Masse fließt.572 Damit aber eine Gesellschaftsverbind570  K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1086); vgl. BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  16 f.; S. Krüger, NZI 2002, 367 (368 ff.). 571 Vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  158 Anhang Rn.  43; a. A. Butzer/Knof, in: Münch­ Hdb. GesR I, §  85 Rn.  35. 572 Vgl. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113.

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lichkeit nicht sowohl nach §  735 BGB als auch nach §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB Berücksichtigung findet und es dadurch zu einem Wertungswiderspruch kommt, reichen die durch den Insolvenzverwalter geltend gemachten Ansprüche nach §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB sowie nach §  735 BGB nach umstrittenem Verständnis nicht über die Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens hinaus (sog. Ausfallmodell).573 Auf diese Weise ist ein Gleichlauf von Innen- und Außenhaftung während des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten.574 Ungeachtet des Verständnisses von der Reichweite der Gesellschafterhaftung575 ist die Ausgleichspflicht der Gesellschafter im Rahmen von §  93 InsO auf solche Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu beschränken, die am Eröffnungsstichtag nicht von der Masse gedeckt sind    – etwa weil sie als Folge gesellschaftsvertraglicher Modifikation der Verlusttragungspflicht nicht nach §  735 BGB geltend gemacht werden können.576 Ziel des von §  93 InsO verfolgten zentralisierten Binnenausgleichs gegenüber dem Insolvenzverwalter soll die Behandlung der Gesellschafterhaftung wie ein Verlustausgleich sein.577 Zwar macht der Insolvenzverwalter 573  K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1085 ff., 1087); vgl. auch Marotzke, DB 2013, 621 (624 f.); siehe dazu unten Kap.  3 §  9 A.II.2; vgl. zum Ausfallprinzip mit teilweise unterschiedlicher Verortung der Berücksichtigung des Ausfalls im Rahmen von sog. Doppelinsolvenzen, Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  24 ff.; Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  85 Rn.  75 ff.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  75; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  22 ff., 26; Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  6; H.-F. Müller, in: ­Jaeger, InsO, §  93 Rn.  67; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar InsO, §  93 Rn.  53; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1087); K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209 (1216); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-962; a. A. zur Vollanmeldung, Blersch/Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  13; Bitter, ZInsO 2002, 557 (561); Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/ Haas, HGB, §  128 Rn.  23; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  113; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  80; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.25 ff.; Kesseler, DZWIR 2003, 488 (492 ff.); Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, Kap.  6 Rn.  523 ff.; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  479; Oepen, Massefremde Masse, Rn.  210, 239; ders., ZInsO 2002, 162 (166 f.); Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  77; Reiswich, ZInsO 2014, 2411 (2418); M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  47; Runkel/J. M. Schmidt, ZInsO 2007, 578 (580 f.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082 ff.); Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, §  128 Rn.  66; Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  131 ff.; Theißen, ZIP 1998, 1625; abweichend lediglich bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch, Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  74. 574  Siehe zur abweichenden Beurteilung hinsichtlich der Kosten des Insolvenzverfahrens unten Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 575  Siehe dazu unten §§  3 ff. 576  K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1086 f.); siehe aber zu den Kosten des Insolvenzverfahrens unten Kap.  1 §  3 B.III.2.c) sowie zur abweichenden Qualifikation der durch den Insolvenzverwalter geltend zu machenden Forderungen, Kap.  2 §  5 D. 577  K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1086) mit gegenteiliger Auffassung Bitter (1082 ff.), wonach der Insolvenzverwalter grundsätzlich einschränkungslos die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB geltend machen könne und nur in dem Fall, dass über das Vermögen des Gesellschafters kein eigenes Insolvenzverfahren eröffnet ist, vor dem Hintergrund des §  199 Satz  2 InsO der dolo agit-Einwand geltend zu machen sei.

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Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger und nicht der Gesellschaft geltend, allerdings erfahren diese vor dem Hintergrund des §  93 InsO, der eine Abwicklung der Gesellschafterhaftung in das Innenverhältnis verlagert, eine wertungsmäßige Einschränkung. Jedenfalls unter dem Regelungsregime des §  93 InsO ist die Einstandspflicht der Gesellschafter eine bloße Ausfallhaftung. Ferner wird problematisiert, dass der Anspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter nach §  735 Satz  1 BGB nicht schon während des gesamten Abwicklungsverfahrens besteht, sondern erst mit der einvernehmlichen Feststellung der Schlussabrechnung durch die Gesellschafter fällig wird.578 So stellt §  735 BGB auf die Rückerstattung der Einlagen an die Gesellschafter ab, in deren Zusammenhang eine Schlussabrechnung aufzustellen ist, in die die Einlagenrückgewähransprüche einzustellen sind und erst sodann ein gegebenenfalls bestehender Fehlbetrag festgestellt werden könne.579 Allerdings erfolgt im Rahmen des Insolvenzverfahrens gerade keine Einlagenrückgewähr, wie dies bei §  735 BGB grundsätzlich der Fall ist, weil die Einlagen der Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen gehören und daher dem Insolvenzbeschlag im Interesse der Gläubigerbefriedigung unterfallen, anderenfalls würden den Gläubigern die ihnen zugewiesene Haftungsmasse entzogen.580 Mangels Eigenlagenrückgewähr fehle es an einer erforderlichen Schlussabrechnung mit der Folge, dass eine Geltendmachung von Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB durch den Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens zum Zwecke der Masse­ anreicherung nicht in Betracht komme.581 Einer Schlussabrechnung bedarf es allerdings dann gerade nicht, wenn es gar keinen im Rahmen der Schlussab­ rechnung zu berücksichtigen Rechnungsposten gibt, wie er im Rahmen der Einlagenrückgewähr aufzustellen ist, sodass mit Blick auf die Fälligkeit der Nachschusspflichten keine Bedenken gegen die Anwendung des §  735 BGB im Insolvenzverfahren bestehen. Angesichts des Regelungszwecks der Liquida­ tionsvorschrift des §  735 BGB, die Schulden der Gesellschaft durch Nachschusspflichten für die Konstellation des Wegfalls der Gesellschaft als Rechtssubjekt und Schuldner zu kompensieren, ist es ausreichend, wenn die nicht gedeckten Gesellschaftsverbindlichkeiten bestimmbar sind. Dies ist im Rahmen des Insolvenzverfahrens angesichts des Eröffnungsstichtags sowie in Anbetracht der Forderungsaufstellung durch den Insolvenzverwalter gewährleistet. Dem Insolvenzverfahren kommt auf diese Weise im Hinblick auf den Ausgleich der Kapitalkonten eine der Schlussabrechnung vergleichbare Funktion zu. 578  Vgl. zum Schlussabrechnungserfordernis, C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  735 Rn.  1, §  734 Rn.  1, 3 f.; Hanke, in: NK-BGB, §  735 Rn.  4; BGH, Uv. 27.10.2020    – II ZR 150/19, juris-Rn.  27, 37. 579  Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  735 Rn.  1. 580 Vgl. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  145; Reitzug, Masseverbindlichkeiten, Teilband 1, S.  151. 581 Vgl. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  113.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

cc) Keine Einstandspflicht der Gesellschafter gemäß §  128 HGB für Masseverbindlichkeiten und Verfahrenskosten des Insolvenzverfahrens Das Erfordernis einer getrennten Behandlung der Insolvenzmasse gegenüber den nach §  93 InsO einzuziehenden Forderungen ist über die Herkunft der haftenden Vermögensverbindung hinaus deshalb erforderlich, weil eine Haftung der Gesellschafter für Masseverbindlichkeiten sowie Verfahrenskosten nicht stattfindet.582 Während dieser Befund von überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum geteilt wird, weichen die dafür herangezogenen Begründungsansätze voneinander ab. Hintergrund des Problems ist, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wie jedes Liquidationsverfahren zwar zu einer Änderung des verfolgten Zwecks führt, dies aber keine Auswirkung auf die Identität des Verbandes als Rechtsträger hat. Als Folge des §  80 InsO wird die Gesellschaft während des Insolvenzverfahrens anstatt durch das Verhalten der Gesellschafterorgane durch den Insolvenzverwalter berechtigt und verpflichtet. Wird auf diese Weise eine Verbindlichkeit der Gesellschaft begründet, ordnet §  128 HGB weiterhin dafür auch eine gesetzliche, akzessorische und zwingende Haftung an.583 Diese Haftung gilt kraft Gesetzes sowohl für Alt- als auch für Neuverbindlichkeiten, obwohl die Gesellschafter gemäß §  80 InsO in Bezug auf Neuverbindlichkeiten    – vorbehaltlich angeordneter Eigenverwaltung    – jegliche Verpflichtungs- bzw. Verfügungsbefugnis über den Verband in vermögensrechtlicher Hinsicht verloren haben. Dies wird überwiegend als unbillig empfunden.584 So sollen etwa die Gesellschafter nach der Regierungsbegründung zu §  93 InsO hinsichtlich der Gesellschafterhaftung durch die Regeln der InsO nicht schlechtergestellt werden.585 Während die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums davon ausgehen, dass eine Haftung der Gesellschafter vermittels der Handlungen des Insolvenzverwalters deshalb nicht in Betracht komme, weil Schuldner der durch dessen Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung begründeten Masseverbindlichkeiten der Insolvenzschuldner sei, sich die Haftung während des Verfahrens jedoch auf die Gegenstände der Insolvenzmasse beschränke.586 Es handle sich dabei 582  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.III.1; offen lassend, BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  25; BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  11; vgl. BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  25 ff.; inhaltlich abgestimmt mit BGH, Uv. 15.12.2020    – II ZR 108/19, juris-Rn.  18 ff.; Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.). 583  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (171). 584  BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff.; m. w. N. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  11 ff., 19 ff.; OLG Brandenburg, Uv. 23.5.2007    – 7 U 173/06; LG Neuruppin, Uv. 13.9.2006    – 1 O 507/04, JurionRS 2006, 39773; kritisch, Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  87; für eine allgemeine Nachhaftung, Windel, KTS 2011, 25 (38 ff.); vgl. Zimmer, ZInsO 2011, 1081 (1083 ff.). 585  RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S.  140. 586  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  12; siehe aber BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff.; vgl. Berger, EWiR 2009, 775 (775 f.); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  37; zur vorläufigen Eigenverwaltung, Swierczok, ZInsO 2016, 2366 (2369 ff.).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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„um eine dem Verfahren immanente Haftungsbeschränkung[, für diese sei] maßgeblich, dass der Verwalter nicht befugt ist, den Schuldner persönlich mit seinem insolvenzfreien Vermögen zu verpflichten, weil seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach §  80 [Abs.  1] InsO auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beschränkt ist“.587

Die aus dem Amt des Insolvenzverwalters folgenden Befugnisse würden erweitert, wenn er die Gesellschafter für sog. Masseverbindlichkeiten verpflichten könnte.588 Vor diesem Hintergrund gebe es keinen Raum für eine Anwendung des §  128 HGB. Eine Haftung für die Verfahrenskosten hingegen scheide aus, weil diese mit Blick auf die §§  26, 207 InsO sowie §  788 ZPO darauf angelegt seien, allein aus der Masse des insolventen Rechtsträgers beglichen zu werden.589 Demgegenüber geht ein großer Teil des Schrifttums davon aus, dass §  128 HGB, der als solcher nicht von dem Insolvenzregime einschließlich §  93 InsO verdrängt werde, mit Blick auf Verbindlichkeiten nach §§  54, 55 Abs.  1 Nr.  1, Nr.  3 InsO teleologisch zu reduzieren sei.590 So könne es auf eine Befugnis des Insolvenzverwalters zur Verpflichtung der Gesellschafter schon deswegen nicht ankommen, weil eine derartige Verpflichtungsberechtigung Dritter angesichts der vermögenstragenden Rechtssubjektivität der Personenverbände schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gegeben sei, sondern ein Zugriff auf die zusätzlichen Vermögensverbindungen der Gesellschafter lediglich durch §  128 HGB eröffnet werde.591 Dementsprechend könne die Frage der Einstandspflicht der Gesellschafter für Masseverbindlichkeiten und Verfahrenskosten nur unter Anknüpfung an die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften beantwortet werden. Hintergründe der teleologischen Reduktion seien die Fremdverwaltung des Verbandes durch den Insolvenzverwalter, die Einflusslosigkeit der Gesellschafter sowie die Verwaltung im Fremdinteresse der Gläubiger.592 Indem der Verband seine Identität durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht einbü587  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  12; vgl. Rump, Zur persönlichen Haftung bei insolventen Gesamthandsgemeinschaften, S.  139 ff.; Smid, DZWIR 2011, 45 (46); Auf­gabe dieser Rechtsprechung durch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff., 25 ff. 588  Siehe zur insoweit zugrunde gelegten Amtstheorie oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a). 589  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  21, 25; BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  11; Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.); ablehnend, Zimmer, ZInsO 2011, 1081 (1082 ff.); siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.III.1. 590  Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  7 ff.; Körber, Die Haftungsabwicklung des persönlich haftenden Gesellschafters in der Insolvenz, S.  45; Marotzke, DB 2013, 681 (682 f.); H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  32 ff.; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  487; Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  14; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (115 f.); ders., ZHR 174 (2010), 163 (166 ff., 175 ff., 182 ff.) m. w. N. in Fn.  12 und 91; so jetzt auch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  25 ff.; inhaltlich abgestimmt mit BGH, Uv. 15.12.2020    – II ZR 108/19, juris-Rn.  18 ff.; vgl. Armbruster, Die Stellung des haftenden Gesellschafters, S.  157 ff.; H. Prütting, ZIP 1997, 1725 (1732); a. A., das heißt für eine uneingeschränkte Anwendung von §  128 HGB, Windel, KTS 2011, 25 (41 ff.). 591 Vgl. K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (171). 592  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (167); siehe nun auch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

ße, ändere sich im Ausgangspunkt auch nicht dessen Haftungsverfassung; die Nichtanwendung des §  128 HGB könne daher nur durch eine teleologische Reduktion erreicht werden.593 In Anbetracht der Tatsache, dass den Gesellschaftern, die auf die Führung der Gesellschaft Einfluss nehmen können, die Ge­ winn­erwartung zukomme, aber gegenüber den Gläubigern keine Kapitalbindung bestehe, müssten diese haften; dabei bilde die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der oHG die Grundlage ihres Kredits. Im Fall der Insolvenz laufe diese der Haftung zugrunde liegende Wertung    – Korrespondenz von Herrschaft und Haftung    – leer, weil den Gesellschaftern insoweit jedwede Einflussmöglichkeit fehle.594 Hingegen greife dieser Gedanke    – ungeachtet der Wahlrechtsausübung durch den Insolvenzverwalter    – insbesondere nicht bei Masseverbindlichkeiten nach §  55 Abs.  1 Nr.  2 InsO, weil das haftungsauslösende Ereignis in die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückreiche; Entsprechendes gelte für Dauerschuldverhältnisse jedenfalls bis zum Zeitpunkt der ersten Kündigungsmöglichkeit.595 In rechtsgeschäftlicher Hinsicht erwarteten solche Gläubiger, die mit einem Insolvenzverwalter einer Personenaußengesellschaft Verträge schließen, demgegenüber gar keine persönliche Haftung der Gesellschafter, sie handelten vielmehr im Vertrauen auf die Erlangung einer Massegläubigerstellung „mit dem Vorrecht des §  53 InsO sowie im Vertrauen auf den Amtsbonus des Insolvenzverwalters und seine im Allgemeinen durch eine Haftpflichtversicherung gedeckte persönliche Einstandspflicht im Fall des §  61 InsO“.596

Der gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismus des §  128 HGB werde durch den insolvenzrechtlichen Vertragspartnerschutz verdrängt.597 Die Gesellschafter seien daher in Bezug auf Neuverbindlichkeiten wie ausgeschiedene Gesellschafter zu behandeln.598 Damit die auf diese Weise ausgefallenen Forderungen nach §  128 HGB in Bezug auf Neuverbindlichkeiten nicht über den Umweg der Nachschusspflicht 54/20, juris-Rn.  25 ff.; inhaltlich abgestimmt mit BGH, Uv. 15.12.2020    – II ZR 108/19, juris-­ Rn.  18 ff.. 593  K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (115). 594  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (167); vgl. zur Korrespondenz von Herrschaft und Haftung, ders., Gesellschaftsrecht, §  18 IV 1 b bb; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, S.  543 ff.; siehe auch K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (113 ff.); J. Sieveking, Die Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S.  25 ff., 38 ff., 40; Smid, ZInsO 2013, 1233 (1238 f.). 595 Vgl. Marotzke, DB 2013, 681 (684 f.); vgl. zu §  159 BGB a. F. Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (151 ff.). 596  Marotzke, DB 2013, 681 (683). 597  Marotzke, DB 2013, 681 (683). 598  Vgl. Marotzke, DB 2013, 681 (685 f.); K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (113 ff.); siehe aber zur Differenzierung nach Art der Verbindlichkeit i. S. v. §  55 Abs.  1 Nr.  2 InsO, insbesondere in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse, ders., ZHR 174 (2010), 163 (175 ff., 178 f., 188); siehe bezüglich §  55 Abs.  2 Satz  1, S.  2, §  123 Abs.  2 Satz  1, §§  100, 101 Abs.  1 Satz  3, §  135 Abs.  3 S.  2, §  55 Abs.  4 InsO, Marotzke, DB 2013, 681 (687 ff.); Zimmer, ZInsO 2011, 1081 (1083 ff., 1086).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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gemäß §  735 BGB    – soweit man diesen nach umstrittener Auffassung in der Insolvenz für anwendbar hält599    – in die Masse Einfluss finden, könnte es angezeigt sein, auch diese Vorschrift mit den entsprechenden Erwägungen teleologisch zu reduzieren, damit es nicht zu einer Nachschusspflicht für Masseverbindlichkeiten bzw. Verfahrenskosten kommt. 600 Unabhängig davon, welchem Begründungsansatz man für die Nichthaftung der Gesellschafter für Masse­ verbindlichkeiten und Verfahrenskosten folgt, führt der Umstand, dass die nach §  93 InsO eingezogenen Haftungsforderungen insoweit nicht zur Verfügung stehen, ebenfalls dazu, dass für diese eine gegenüber der Insolvenzmasse getrennte Vermögenssonderung vorzunehmen ist. dd) Erfordernis rechnerischer Vermögenssonderung Soweit es um gemäß §§  128 HGB i. V. m. 93 InsO durch den Insolvenzverwalter geltend gemachte Gläubigerforderungen geht, handelt es sich    – im Unterschied zu Verlustausgleichsansprüchen der Gesellschaft gemäß §  735 BGB    – gerade nicht um einen Teil des Schuldnervermögens, sodass sich auch der Insolvenz­ beschlag nicht auf diese Forderungen beziehen kann und sie gar nicht Teil der Insolvenzmasse werden können. Zur Verdeutlichung der haftungsrechtlich notwendigen Trennung der Insolvenzmasse von den aufgrund von §  93 InsO einzuziehenden Gesellschafter-Haftungsforderungen sollte nicht die Bezeichnung der „Sondermasse“ gewählt werden; diese provoziert vielmehr einen unter keinen Umständen gegebenen Bezug zu dem Schuldnervermögen. 601 Es findet mithin keine Sondermassenbildung dergestalt statt, dass innerhalb der Insolvenzmasse ein Vermögensbestandteil    – etwa für sich später meldende Gläubiger oder im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Liquidationen    – abgespalten und zurückbehalten wird, sondern es findet eine der Bildung von Sondervermögen    – wie zum Beispiel hinsichtlich eines Gesamtgutes    – vergleichbare Vermögenssonderung statt, über die aber gerade kein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei den nach §  93 InsO geltend zu machenden Forderungen eben nicht um solche handelt, die in die Insolvenzmasse fließen, ist fraglich, ob eine bloß rechnerische Trennung ausreicht oder ob der Insolvenzverwalter eine dingliche Trennung vornehmen muss. Problematisch könnte sein, dass der Insolvenzverwalter über das Gesellschaftsvermögen sowohl den Interessen der Gläubiger als auch den Interessen der haftenden Ge599 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). dazu unten Kap.  1 §  3 B.III.2.c), differenzierend zwischen Masseverbindlichkeiten sowie den Kosten des Insolvenzverfahrens. Eingehend, Reitzug, Masseverbindlichkeiten, Teilband 1, S.  371 ff., 409; vgl. zu den Erwägungen für bzw. gegen eine Qualifizierung der Gesellschafterhaftung für das Insolvenzverfahren als Verlustdeckungsanspruch, Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  101, 113; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1086); siehe zur Abstimmung der Abwicklung von Innen- und Außenhaftung, K. Schmidt, in: FS Goette, S.  461 ff. 601 Vgl. Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, §  35 Rn.  55. 600  Siehe

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

sellschafter sowie den Gesellschaftsinteressen verpflichtet ist, soweit durch deren Berücksichtigung nicht die Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden. Es ist fraglich, ob eine bloße rechnerische Trennung dem Erfordernis einer Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung genügt; die aus den Haftungsforderungen gebildete Vermögensverbindung steht etwa nicht für Masseverbindlichkeiten oder Verfahrenskosten zur Verfügung.602 So könnte eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters bestehen, die nach §  93 InsO geltend gemachten Forderungen auf ein Anderkonto zu überweisen. Dadurch, dass der Insolvenzverwalter keine Eigeninteressen verfolgt und ferner nach den §§  60, 61 InsO einer Haftung für die Verletzung von Verpflichtungen aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften zugunsten der Beteiligten des Insolvenzverfahrens unterliegt, wird die Trennung der Vermögensverbindungen allerdings bereits in ausreichendem Maße gewährleistet. Einer darüberhinausgehenden dinglich wirkenden Vermögenstrennung bedarf es nicht, weil der gesonderten Vermögensverbindung bei zutreffender rechnerischer Isolierung kein Vollstreckungszugriff droht, dem vorzubeugen wäre. Es ist daher ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter buchungsmäßig ein zusätzliches Konto bildet und damit die Trennung der Vermögensverbindungen kenntlich macht. 603 Weitere rechnerische Vermögenssonderungen sind erforderlich, wenn einzelne Gesellschafter nicht allen Gläubigern verpflichtet sind. 604 Auch in der Insolvenz gilt folglich    – vorbehaltlich gesetzlich vorgesehener Sonderinsolvenzverfahren über bestimmte Sondervermögensverbindungen, vgl. §  11 Abs.  2 Nr.  2, 315 ff. InsO    – der Grundsatz: „ein Rechtssubjekt    – ein Vermögen“, auf diesen bezogen gibt es jeweils auch nur ein Insolvenzverfahren mit nur einer dem gemeinschaftlichen Haftungszugriff der Gläubiger zugewiesenen Insolvenzmasse.605 Gesellschafter-Haftungsforderungen, die gemäß §  128 HGB i. V. m. §  93 InsO zentralisiert durch den Insolvenzverwalter für die Gläubiger geltend gemacht werden, werden nicht Teil dieser Insolvenzmasse, sondern sind unter Berücksichtigung der materiellen Vermögenszuordnung von dieser abzugrenzen. III. Zwischenergebnis Die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft hat sich mithin in mehreren Schritten dogmatisch weiterentwickelt. 606 Dies hat insbesondere Auswirkun602 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)cc). aber K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  28, der auch insoweit den Begriff der Sondermasse verwendet; zur Kontenführung durch den Insolvenzverwalter, d’Avoine/ Büchel, ZIP 2020, 1280 (1281 ff.). 604 Vgl. Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  7 7; Hirte/ Praß, in: Uhlenbruck, InsO, §  35 Rn.  53 ff., 57. 605  Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, §   35 Rn.  53; Peters, in: MüKoInsO, §  35 Rn.  86; Henckel, in: Jaeger, InsO, §  35 Rn.  131. 606 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495). 603  Vgl.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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gen für das Rechtsverhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft. Ausgehend von der Anerkennung deren Rechtssubjektivität sowie der damit verbundenen Vermögensträgerschaft können der Beurteilung von Gläubigerrisiken allgemeine verbandsrechtliche Gemeinsamkeiten von körperschaftlich verfassten juristischen Personen und Personenverbänden unter Anknüpfung an die bloß mitgliedschaftlich vermittelte Gesellschaftsteilhabe zugrunde gelegt werden. Erst die Erkenntnis, dass sich die Gesellschaftsbeteiligung bei rechtssubjektiver Eigenständigkeit der Gesellschaft auf die Mitgliedschaft    – als ein der Verfügung zugängliches Recht    – beschränkt, haben es ermöglicht, die vermögensrechtliche Konsequenz zu ziehen, dass die Gesellschafter nur über ihren Gesellschaftsanteil sowie die daraus folgende mitgliedschaftliche Wertbeteiligung, wie sie durch den Kapitalanteil bilanziell abgebildet wird, an dem Gesellschaftsvermögen teilhaben. 607 Dies hat hinsichtlich der vermögensrechtlichen Beurteilung zu einem signifikanten Perspektivenwechsel geführt: Der „Kapitalanteil“ eines Gesellschafters wird nicht mehr von der gesamthänderischen Vermögenspartizipation aller Gesellschafter abgeleitet, sondern ausgehend von der organisationsrechtlichen Sozietätskonstruktion     – unter strikter dinglicher Absonderung    – als mitgliedschaftliches Recht konkretisiert. 608 Vollendet wird dieser Paradigmenwechsel durch die gesetzgeberische Anerkennung im Rahmen der §§  14 Abs.  2 BGB, 11 Abs.  2 InsO. Danach ist die Personenaußengesellschaft selbst Insolvenzschuldnerin, über deren gesamtes Vermögen im Regelfall ein Insolvenzverfahren    – als ein besonderes, im Interesse der Gläubigergesamtheit auf die Vollbeendigung des Verbandes gerichtetes Liquidationsverfahren    – eröffnet und durchgeführt werden kann. Für den im Rahmen von §  128 HGB zu beurteilenden Gläubigerschutz bedeuten die mitgliedschaftlich vermittelten Vermögensrechte der Gesellschafter sowie die gesetzlich zwingende Sozietätskonstruktion von Personenverbänden, dass die einzelnen Gesellschafter keinen freien Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen haben, sondern grundsätzlich für jede Entnahme der Gesellschaft ein Vermögenswert zukommt, entweder im Rahmen der mitgliedschaftlichen Beitragspflichten oder auf der Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung. Erst in ihrer Gesamtheit sind die Gesellschafter in der Lage, Kapital aus der Gesellschaft abzuziehen. Dies bedeutet eine verbandsspezifische Entwertung der Rechtssubjektivität des Personenverbandes von innen und führt zu einer Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger, die diese im Rahmen eines Schuldverhältnisses mit einer natürlichen Person nicht zu befürchten hätten. Ein derartiger Entschluss der Gesellschafter führt dazu, dass die Gesellschaft nicht als werbender Verband fortgesetzt werden kann und damit einer liquidationsrecht607 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  11; K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495). 608 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2014, 493 (495).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

lichen Bewertung zu unterziehen ist. Das wirtschaftliche Versagen der Gesellschaft bzw. eine mangelnde finanzielle Ausstattung des Personenverbandes führen regelmäßig dazu, dass mit dessen Zahlungsunfähigkeit im Sinne von §  17 InsO tatbestandlich ein insolvenzrechtlicher Eröffnungsgrund gegeben ist und der Verband im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens im Interesse der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger der Vollbeendigung durch den Insolvenzverwalter zuzuführen ist. 609 Die Behandlung der getrennten Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern während eines Insolvenzverfahrens zeigt, dass die Gesellschaft in keiner Weise an dem von §  128 HGB begründeten Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaftsgläubigern und den Gesellschaftern beteiligt ist.

B. Begründung einer Verbindlichkeit des Personenverbandes im Sinne von §  128 HGB Aufbauend auf der Erkenntnis, dass der Personenverband selbst als Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilnimmt und es daher im Ausgangspunkt sein Gesellschaftsvermögen ist, welches dem Haftungszugriff schuldrechtlicher Verbindlichkeiten unterworfen wird, ist unter Anknüpfung an die Vorschrift des §  128 HGB zu ermitteln, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das Gesetz eine Einstandspflicht der Gesellschafter vorsieht. In Anbetracht der tatbestandlichen Struktur des §  128 HGB steht das Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu den Gesellschaftsgläubigern in einem Zusammenhang mit dem Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern. §  128 HGB ordnet eine „Haftung“ der Gesellschafter für „Verbindlichkeiten“ der Gesellschaft an. Gleichzeitig lautet der systematische Abschnitt des HGB „3. Titel    – Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu Dritten“. Das Zusammenspiel der Tatbestandsmerkmale „Verbindlichkeit“ und „Gläubigern“ führt in Verbindung mit der Bezeichnung des Verhältnisses „Gesellschafter    – Gläubiger der Gesellschafter“ als „Rechtsverhältnis“ dazu, dass es sich bei der Bezeichnung Verbindlichkeit um eine solche des Schuldrechts handelt. Der Bezeichnung als „Verbindlichkeit“ ist keine Konkretisierung auf ein rechtsgeschäftliches Handeln der Gesellschaft zu entnehmen. Demzufolge erstreckt sich die Haftung der Gesellschafter nach dem Wortlaut der Vorschrift auf jegliche schuldrechtliche Verbindlichkeit, mithin auch auf gesetzliche, wie zum Beispiel deliktische.610 Das Entstehen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft erfordert dementsprechend entweder ein rechtsgeschäftliches Auftreten der Gesellschaft im Rechtsverkehr oder eine sie verpflichtende gesetzliche Vorschrift, die tatbestandlich wiederum an ein Ver609  Siehe zur Behandlung des Personenverbandes bei Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse unten Kap.  3 §  7 D. 610  Str. in Bezug auf die materiell-rechtliche Bezugnahme des §  128 HGB auf deliktische Verbindlichkeiten, siehe dazu unten Kap.  1 §  3 A.IV.

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halten der Gesellschaft anknüpft. Beides setzt daher ein irgendwie gelagertes Tätigwerden der schuldrechtlich verpflichteten Gesellschaft voraus. Mitgliedschaftliche Sozialverbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaf­ tern sind demgegenüber im Unterschied zu Forderungen eines Gesellschafters aus Drittgeschäften nach herrschender Meinung von §  128 HGB nicht erfasst. 611 Dies ergibt sich einerseits aus der systematischen Bezugnahme der Vorschrift auf eine Verbindlichkeit des Schuldrechts, andererseits würde eine Einstandspflicht der übrigen Gesellschafter für Sozialverbindlichkeiten der Gesellschaft zu einer von §  707 BGB ausgeschlossenen unfreiwilligen Vermehrung von mitgliedschaftlichen Beitragspflichten führen. 612 I. Willensbildung und Handeln des Personenverbandes Der Personenverband ist angesichts seiner Rechtssubjektivität selbst Beteiligter der rechtlich relevanten, auf die Gesellschaft bezogenen Vorgänge, insbesondere ist er Beteiligter des rechtsgeschäftlichen Verkehrs.613 Nur die Gesellschaft als Organismus ist Beteiligte des Schuldverhältnisses. Vertragsbeziehungen kommen entsprechend des Allgemeinen Teils des BGB nur zwischen dem Personenverband und den Gläubigern zustande, es sei denn aus einer Vertragsauslegung ergibt sich etwas Abweichendes. Angesichts der Tatsache, dass die Personenaußengesellschaft aber ein verbandsrechtlicher Organismus ist, der im Unterschied zu natürlichen Personen durch seine Mitglieder „lebt“, leitet sie sowohl die interne Willensbildung als auch das Handeln im Außenverhältnis von diesen mit natürlicher Willens- und Handlungsfähigkeit versehenen Rechtssubjekten ab. Ist ein Mitglied wiederum selbst Körperschaft oder Personenaußengesellschaft, ist auch deren Verhalten letztlich auf das von natürlichen Personen zurückzuführen. 1. Innere Willensbildung des Personenverbandes durch Gesellschafterbeschluss sowie dessen originäres Willensbildungsorgan der Gesellschafterversammlung Die innere Willensbildung von Verbänden erfolgt durch ihre, kraft ihrer Verfassung als privatrechtlicher Verband gegebenen, Willensbildungsorgane. 614 Im verbandsrechtlichen Ausgangspunkt bedarf es zur Willensbildung einer Wil611  BGH, Uv. 2.7.1962    – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299–305 = juris-Rn.  8 ff; Faust, in: 1. FS K. Schmidt, S.  361 ff.; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  12 f.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §   128 Rn.   11; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §   128 Rn.   6; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  22; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  12; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  9 ff.; Wiedemann, WM 1992, 3 (36). 612  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  12; siehe aber, auch zu weiteren Argumenten, Faust, in: 1. FS K. Schmidt, S.  361 ff.; insoweit ablehnend, Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (24 f.). 613  Flume, Die Personengesellschaft, S.  285. 614  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  15 I 1 a; vgl. zur Wissenszurechnung, Grunewald, in: FS Beusch, S.  302 ff., 318 f.

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lensübereinstimmung der Mitglieder in ihrer Gesamtheit als Willensträger des Verbandes. 615 Die „Mitgliederversammlung“ oder „Gesellschafterversammlung“ ist daher das originäre Kollektivorgan jeder Gesellschaft. 616 Teilweise wird angenommen, dass die Gesellschafterversammlung in der Personengesellschaft kein geborenes Organ sei, weil ihr im Unterschied zu den Körperschaften keine eigenen Kompetenzen zugewiesen werden.617 Soweit die Gesellschafter einstimmig den Gesellschaftervertrag änderten, handelten sie dabei nicht als Organwalter der Gesellschaft, sondern gestalteten „als Partner des Gesellschaftsvertrags und ‚Herren der Gesellschaft‘ deren Grundlagen um“. 618 Die Gesellschafterversammlung könne lediglich als gekorenes Organ durch den Gesellschaftsvertrag eingerichtet werden. 619 Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass sich auch die Personenaußengesellschaft mit ihrer Konstituierung als Verband gegenüber ihren Gesellschaftern als eigenständiges Rechtssubjekt verselbstständigt und die Beziehungen der Gesellschafter zu dem Verband auf deren Mitgliedschaft abstrahiert werden. Die gesellschaftsvertragliche Bindung der Gesellschafter beschränkt sich gleichzeitig auf die horizontale, sozietätsmäßige Verbindung der Mitgliedschaften. Sogar wenn die Gesellschafter eine Änderung des Verbandszwecks vereinbaren, so berührt dies die Identität des Verbandes nicht mehr. Soweit die Gesellschafter daher eine Willensübereinkunft in Bezug auf den Personenverband treffen, stellt sich diese regelmäßig nicht mehr als rechtsgeschäftliche Einigung von Privatpersonen dar, es handelt sich vielmehr um eine Übereinkunft in ihrer Funktion als Gesellschafter der Personengesellschaft für den Verband. Darüber hinaus bedarf es keiner weitergehenden Differenzierung zwischen den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit sowie der „Gesellschafterversammlung“. Vor dem Hintergrund, dass das Recht der Personengesellschaften keine Regelungen über die Einberufung einer physisch abzuhaltenden Versammlung der Gesellschafter enthält, sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit    – vorbehaltlich abweichender gesellschaftsvertraglicher Disposition    – die Gesellschafterversammlung. Im Unterschied zu den Körperschaften (zum Beispiel AG, GmbH, Genossenschaft und Verein) existieren im Recht der Personengesellschaften keine Vorschriften darüber, wie eine Gesellschafterversammlung abzuhalten ist (vgl. §§  36, 37 BGB, 121 AktG, 50, 51 ­GmbHG),620 die Terminologie der „Versammlung“ erfordert daher nicht eine 615 

Wiedemann, ZGR 25 (1996), 286 (292). Enzinger, in: MüKoHGB, §  119 Rn.  48; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  164; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  14 III 1 a, b; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  4 I 1 d; a. A. C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  266, §  709 Rn.  50, 71. 617  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  266. 618  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  266. 619  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  266; Wertenbruch, EWiR 2005, 403 m. w. N.; ebenso Habermeier, in: Staudinger (2003) BGB, §  709 Rn.  11; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  705 Rn.  146. 620 In Betracht kommen ggf. eine (gesamt)analoge Anwendung der körperschaftlichen 616 

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gemeinschaftliche Anwesenheit an einem Ort. Die „Versammlung“ der Gesellschafter ist daher materiell-rechtlich in dem Sinne zu verstehen, dass zwischen den Gesellschaftern eine irgendwie gelagerte Willensübereinkunft durch inhaltliches Zusammentreffen zu einem bestimmten Zweck zu erzielen ist. Die Gesellschafterversammlung in diesem materiell-rechtlichen Sinne ist daher kraft der Mitgliedschaften der Gesellschafter geborenes Organ einer Personenaußengesellschaft. In Anbetracht der Sozietätskonstruktion muss der Personenverband stets von einem mitgliedschaftlichen Fundament aus mindestens zwei Gesellschaftern getragen werden. Daher handelt es sich bei der Willensbildung der Gesellschafterversammlung stets um einen Akt kollektiver Übereinkunft. Technik kollektiver Willensbildung ist der Beschluss (vgl. §  116 Abs.  2 HGB). 621 Der Beschluss ist nach heute allgemeiner Auffassung „ein Rechtsgeschäft eigener Art […], beruhend auf den Stimmabgaben der Mitglieder und gerichtet auf kollektive, rechtsverbindliche Willensbildung“. 622 Rechtsformspezifisch treten neben das Organ der Gesellschafterversammlung weitere geborene sowie privatautonom einsetzbare gekorene Organe. 623 Ebenfalls rechtsformspezifisch sieht das Gesetz abweichende Leitbilder vor, wie die innere Willensübereinkunft der jeweiligen Organe zu erfolgen hat. Die gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsquoren variieren je nach Beschlussgegenstand in Abhängigkeit von der Kompetenzverteilung zwischen den Verbandsorganen. Je größer die rechtsformtypologische Realstruktur eines Verbandes ist, desto formalisierter ist die zur Beschlussfassung führende Prozedur (vgl. §  32 BGB, §§  43 ff. GenG, §§  48 ff. GmbHG, §§  119 ff. AktG). 624 Nach dem gesetzlichen Leitbild der §§  709 Abs.  1 BGB, 114 Abs.  1 HGB steht die Geschäftsführung bei der Personengesellschaft grundsätzlich allen Gesellschaftern zu. Demgegenüber regelt §  164 Satz  1 HGB, dass die, im Außenverhältnis nur auf ihre Hafteinlage haftenden, Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen sein sollen. Diese Vorschrift deutet nach verbreiteter Auffassung einen gesetzlich angelegten „Gleichlauf von Herrschaft und Haftung“ an. 625 Hinsichtlich der Verteilung der Organkompetenzen unterscheiden sich die Vorschriften des BGB von denen des HGB. Während die Geschäftsführung in der GbR gemäß §  709 Abs.  1 BGB im Ausgangspunkt den Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht, sieht §  114 Abs.  1 HGB grundsätzlich eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter einer oHG vor. In Bezug auf Vorschriften als allgemeiner verbandsrechtlicher Grundsatz aus den §§  36, 37 BGB oder die Bildung von Einzelanalogien der GmbH- bzw. aktiengesetzlichen Vorschriften, abhängig von der Realstruktur des Verbandes. 621  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  15 I 1 a. 622  Siehe nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  15 I 2 a. 623 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  14 III. 624  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  15 I 3 m. w. N. 625  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.III; vgl. Wertenbruch, NZG 2016, 1081 zur Kompetenzabgrenzung in der KG.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

die Beschlussfassung mehrköpfiger Organe legt das Personengesellschaftsrecht demgegenüber einheitlich das Einstimmigkeitsprinzip zugrunde. Soweit Gesellschafterbeschlüsse in der oHG von mehreren Gesellschaftern zu fassen sind, bedarf es gemäß §  119 Abs.  1 HGB    – entsprechend §  710 Satz  2 BGB    – der Zustimmung aller zur Mitwirkung bei der Beschlussfassung berufenen Gesellschafter. Aus den §§  709 Abs.  2 BGB, 119 Abs.  2 HGB ergibt sich wiederum, dass von dem gesetzlichen Einstimmigkeitserfordernis grundsätzlich gesellschaftsvertraglich abgewichen werden kann; Einschränkungen erfährt diese Möglichkeit durch das materiell-rechtliche Gewicht des Beschlussgegenstandes, zum Beispiel bei Bezug zur Verbandsverfassung oder bei Umwandlungsentscheidungen (vgl. §  116 Abs.  2 HGB). 626 Daran anknüpfend kann die Ver­ einbarung einer Mehrheitsherrschaft Maßnahmen des Minderheitenschutzes erforderlich machen. Nach dem gesetzlichen Leitbild reicht die gesellschaftsvertraglich vermittelte Mehrheitsherrschaft in der Personengesellschaft nur so weit, wie sich ihr die Gesellschafter privatautonom unterworfen haben, sei es pauschal durch die Vereinbarung eines insoweit konkretisierten gemeinsamen Verbandszwecks oder durch eine mehr oder weniger konkrete Regelung in dem Gesellschaftsvertrag. Inwieweit einzelne Beschlussgegenstände von der privat­ autonomen Unterwerfung unter eine Mehrheitsherrschaft erfasst sein sollen, ist Regelungs- und Auslegungsfrage. Die Rechtspraxis beschäftigte sich mit dieser Gemengelage vor allem in Bezug auf generalklauselartige Formulierungen in den Gesellschaftsverträgen mit Blick auf den sog. „Bestimmtheitsgrundsatz“. 627 Zu berücksichtigen ist indes, dass es sich bei einer verbandsrechtlichen Unterwerfung unter eine Mehrheitsherrschaft hinsichtlich einzelner Verpflichtungen selten um eine unmittelbare, persönliche handelt, sondern regelmäßig nur um eine mitgliedschaftlich vermittelte. Lediglich wenn es um mehrheitsbestimmte Verpflichtungen der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft geht, sind diese unmittelbar betroffen. 628 Unmittelbare Verpflichtungen stellen etwa Nachschusspflichten dar. Soweit es bei der innenrechtlichen Willensbildung des Verbandes aber um Beziehungen zu Dritten geht, ist es primär die Gesellschaft als Rechtssubjekt, die dadurch bei Vertretung des Verbandes im Außenverhältnis unmittelbar verpflichtet und haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll. So steht auch die aus §  128 HGB folgende Gesellschafterhaftung in keiner unmittelbaren Beziehung zur inneren Willensbildung des Verbandes, weil die Haftung nicht aus einem einzelnen Beschlussgegenstand resultiert, 626  Vgl. BGH, Uv. 15.11.1982    – II ZR 62/82, BGHZ 85, 350–361 = juris-Rn.  18 ff.; vgl. Begr. zu §§  714 ff. BGB-E RegE MoPeG, S.  170 ff. 627  Vgl. zum sog. „Bestimmtheitsgrundsatz“ sowie zur diesbezüglichen Abkehr durch die Rechtsprechung, BGH, Uv. 21.10.2014    – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77–98 = juris-Rn.  10 ff.; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  709 Rn.  84 ff.; Reuter, in: FS Steindorff, S.  237; vgl. Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (10 ff.); Nentwig, WM 2011, 2168 (2170 ff.). 628  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.d).

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sondern von Gesetzes wegen in der Mitgliedschaft angelegt ist. Gleichwohl ­haben die innere Willensbildung sowie der dadurch gelenkte Auftritt des Verbandes im Rechtsverkehr mittelbare Auswirkungen für die Entstehung von Haftungsforderungen nach §  128 HGB gegen die Gesellschafter. Die gesetzliche Einstandspflicht der Gesellschafter ist daher bei einer Auslegung der Reich­ weite der mutmaßlichen mitgliedschaftlichen Unterwerfung zu würdigen. Anknüpfungspunkte sind die Vereinbarung des Verbandszwecks sowie konkrete Vorschriften des Gesellschaftsvertrages. Die Frage, inwieweit sich die Gesellschafter der Personengesellschaft privatautonom einer verbandsrechtlichen Mehrheitsherrschaft unterwerfen können, ist gleichwohl weniger eine der internen Willensbildung, als eine der Haftungsverfassung.629 Bei der Vereinbarung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft mit ihren Gläubigern handelt es sich ­regelmäßig weder um ein Grundlagengeschäft, noch hat eine schuldrechtliche Verbindlichkeit typischerweise Auswirkungen auf den Verbandszweck als solchen. Maßgeblich ist der Befund, dass der Personenverband seinen inneren Willen durch seine Organe bildet; soweit es sich dabei um Kollektivorgane handelt, sind    – gesellschaftsvertraglich vermittelt    – Mehrheitsentscheidungen denkbar. 2. Eigenhandeln der Gesellschaft und das Kompetenzgefüge der Organe Im Außenverhältnis handelt der Personenverband ebenfalls vermittelt durch das Verhalten seiner Organe. Die §§  125, 126 HGB sprechen für die oHG insoweit zwar von einer „Vertretung“, gleichwohl handelt es sich um ein eigenes Tätigwerden der Gesellschaft; die organschaftliche „Vertretungsmacht“ ist eine gesetzliche, weil sie zwar im Gesellschaftsvertrag konkretisiert werden kann, aber nicht durch diesen ihre Legitimation erfährt, sondern kraft Gesetzes an die personengesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft anknüpft. Den terminologischen „Umweg“ über eine „Vertretung“ erfordert es nur, um das persönliche Verhalten der Organwalter von dem Verhalten der Gesellschaft abgrenzen zu können. Die Funktionsansammlung in der Person eines Organwalters führt dazu, dass es eines Publizitätsaktes bedarf, der ein Handeln als organschaftliche Tätigkeit „für“ die Gesellschaft kenntlich macht, die ihren Willen durch ihre Organe gebildet hat, indem der organschaftliche Vertreter entsprechend den §§  164 ff. BGB im Namen der Gesellschaft handeln muss, soweit das Offenkundigkeitsprinzip nicht nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts gewahrt ist.630 Materiell-rechtlich handelt es sich aber um ein eigenes Handeln des Verbandes; die Vertretungsorgane gehören dem Verband als „verfassungsmäßige Glieder“ an und handeln „aus ihm heraus“.631 Dieses sich aus 629 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C, §§  3 ff. zur Anwendbarkeit der §§  164 ff. BGB, A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  277 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  125 Rn.  3; ders., Gesellschaftsrecht, §  10 II 1; ders., in: Schlegelberger, HGB, §  125 Rn.  3. 631  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  10 II 1; siehe zum organschaftlichen Handeln als Ei630  Vgl.

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der Rechtssubjektivität der oHG ergebende Eigenhandeln hat etwa zur Folge, dass sie selbst als Handelsgesellschaft Kaufmann ist, jedoch nicht notwendig die an ihr über die Mitgliedschaft beteiligten Gesellschafter, weil sie selbst Unternehmensträger ist. 632 Dementsprechend hat organschaftliches Handeln der Gesellschafter angesichts der Rechtsträgerschaft der Personenaußengesellschaft sowie der damit korrespondierenden Vermögenstrennung keine Auswirkungen auf die rechtliche Qualifikation der Tätigkeit des Organwalters als Privatperson. Der Organwalter wird gerade nicht mit seinem Privatvermögen verpflichtet. Dies gilt auch bei Eingehung eines einzelnen Handelsgeschäfts im Sinne von §  343 HGB durch die Gesellschaft. 633 Lediglich der Regelungszweck einer konkreten handelsrechtlichen Vorschrift kann eine analoge Anwendung erforderlich machen. 634 Das Gesetz unterscheidet mit den §§  114 bis 119 HGB gegenüber den §§  125 bis 127 HGB zwischen der innenrechtlichen Geschäftsführungsbefugnis sowie der für das Außenverhältnis zu Dritten relevanten Vertretungsmacht. 635 Gemäß den §§  125, 126 HGB sind grundsätzlich alle Gesellschafter umfassend alleinvertretungsberechtigt, wenn nicht die organschaftliche Vertretung einzelner Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen ist. Davon zu unterscheiden ist die inhaltliche Berechtigung gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis. Die organschaftliche Vertretungsmacht ist regelmäßig die Umkehrung der innenrechtlichen Geschäftsführungsbefugnis in das Außenverhältnis. Vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung der Organe des Verbandes können die Anforderungen an die innere Willensbildung aber je nach Beschlussgegenstand variieren, während die Vertretungsmacht im Außenverhältnis davon unangetastet bleibt. Innenrechtlich kann die Vertretungsmacht etwa auf den Vollzug der verbandsrechtlichen Willensbildung durch ein anderes Organ beschränkt sein. Aus der Gesamtschau der §§  114 ff. HGB i. V. m. §§  125 ff. HGB ergibt sich, dass die organschaftliche Vertretungsmacht der einzelnen Gesellschafter im gesetzlichen Ausgangsfall an die Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter anknüpft. Aus diesem Zusammenspiel folgt, dass die Vertretungsmacht grundsätzlich nur so weit reicht, wie ein einzelner Gesellschafter aufgrund seiner Organfunktion in die Lage versetzt wird, für die Gegenhandeln des Verbandes unten Kap.  1 §  2 B.III.1; Begr. zu §  720 BGB-E RegE MoPeG, S.  187 („Selbsthandeln der Gesamthand durch ihre Organe“); vgl. zur Wissenszurechnung, Grunewald, in: FS Beusch, S.  302 ff., 318 f. 632  Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  72; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  105 Rn.  19 ff.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  77 ff., 79; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  1 Rn.  67; §  105 Rn.  14; Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 Rn.  182; a. A. BGH, Uv. 22.9.2005    – IX ZB 55, juris-Rn.  6 ff.; A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  27 ff.; ­Kohler, ArchBürgR 40 (1914), 229 (250). 633  Vgl. auch Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 Rn.  182. 634  C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  79 ff. 635 Vgl. A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  117.

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sellschaft einen Willen zu bilden. Beschlussgegenstände, die hingegen über das hinausgehen, wozu die Gesellschafter sich ursprünglich über die Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks zusammengefunden haben, müssen von allen Gesellschaftern getragen werden. Nur so weit, wie der Verbandszweck reicht, haben sich die Gesellschafter einer mittelbaren Fremdbestimmung durch die Gesellschaft (in Vertretung durch lediglich einen Gesellschafter) unterworfen. In Abhängigkeit von der Reichweite einer mittelbaren Betroffenheit der Gesellschafter (zum Beispiel über §  128 HGB oder §  735 BGB) fordert das Kompetenzgefüge zwischen den Organen der Gesellschaft    – auf deren Grundlage der Verband jedenfalls in erster Linie von der Willensbildung seiner Mitglieder getragen wird636    – die Möglichkeit der unmittelbaren Teilnahme an der Willensbildung aller insoweit betroffenen Gesellschafter. Eine Überschreitung der privatautonomen Unterwerfung unter die mittelbare verbandsrechtliche Fremdbestimmung wird bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages, der die Reichweite der mitgliedschaftlichen Unterwerfung regelt, sowie bei anderen sog. Grundlagengeschäften angenommen. 637 Insoweit hat die Willensbildung daher in dem Organ der Gesellschafterversammlung stattzufinden, weil diese bei gegebener „Allzuständigkeit“ diesbezüglich eine ausschließliche Zuständigkeit besitzt. 638 Die Gesellschafterversammlung muss den Verband sodann auch organschaftlich im Außenverhältnis durch ein gemeinschaftliches Auftreten der Gesellschaf­ ter vertreten, wobei wiederum ein Einzelner zum Handeln ermächtigt werden kann. Bei der Vertretung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter, der in Bezug auf das maßgebliche Rechtsgeschäft ohne Geschäftsführungsbefugnis handelt    – weil entweder die Willensbildung durch ein anderes Organ erfolgen musste oder weil dem Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis kraft des Gesellschaftsvertrages entzogen wurde    –, kommt bei mangelnder organschaftlicher Vertretungsmacht eine rechtsgeschäftliche Vertretung in Betracht. Im Übrigen sind der Möglichkeit rechtsgeschäftlicher Vertretung durch die personengesellschaftsrechtliche Sozietätskonstruktion sowie das daraus ­resultierende Prinzip der Selbstorganschaft enge Grenzen gesetzt. 639 Ist die rechtsgeschäft­ liche Vertretung statthaft, finden die §§  164 ff. BGB Anwendung.

636  Vgl. zum Vereinsrecht, OLG Celle, Bv. 18.10.1994    – 20 W 20/94, juris-Rn.  6; LG Düsseldorf, Uv. 12.8.2014    – 1 O 307/13, juris-Rn.  42. 637  Vgl. zur Beschränkung des §  126 HGB hinsichtlich solcher Geschäfte, die die inneren Rechtsverhältnisse der Gesellschaft betreffen (z. B. Vertragsänderungen und sonstige Grundlagengeschäfte), BGH, Uv. 26.10.1978    – II ZR 119/77, juris-Rn.  20 ff.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  126 Rn.  7 ff.; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  126 Rn.  3; K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  126 Rn.  10. 638  Wiedemann, ZGR 25 (1996), 286; abweichend hingegen zur KG, Wertenbruch, NZG 2016, 1081. 639  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a), A.I.5.d)bb).

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II. Das schuldrechtliche Rechtsverhältnis des Personenverbandes zu seinen Gläubigern Der auf der Grundlage der Sozietätskonstruktion gesamthänderisch verfasste Personenverband nimmt auf diese Weise vermittelt durch das Handeln seiner Organe als vermögenstragendes Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teil. 640 Anknüpfend an diese auf den mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnissen der Gesellschafter zur Gesellschaft aufbauende Erkenntnis ist im Folgenden die Rechtsbeziehung zwischen dem Personenverband und seinen Gläubigern in den Untersuchungsfokus zu stellen, wenn zwischen diesen eine von §   128 HGB tatbestandlich in Bezug genommene Verbindlichkeit begründet wird. Für die diesbezügliche Analyse kommt nicht darauf an, dass es sich bei dem Schuldner um eine Personenvereinigung handelt. In diesem Verhältnis gelten vielmehr allgemeine zivilrechtliche Grundsätze. Die rechtliche Beurteilung der von §  128 HGB in Bezug genommenen Verbindlichkeit der Gesellschaft hat aber auch Bedeutung dafür, an welche dogmatischen Grundlagen die für das Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu den Gesellschaftergläubigern relevante Tatbestandsfolge der Haftung anzuknüpfen hat. §  128 Satz  1 HGB knüpft terminologisch an eine „Verbindlichkeit der Gesellschaft“ gegenüber „Gläubigern“ an. Die Tatbestandsmerkmale der Verbindlichkeit sowie des Gläubigers sollen dementsprechend als Ausgangspunkt der maßgeblichen rechtlichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern herangezogen werden. 1. Die ein Schuldverhältnis im engeren Sinne prägende Verbindlichkeit Dadurch, dass §  128 HGB auf „Verbindlichkeiten“ der Gesellschaft abstellt, macht die Vorschrift ein Einstehenmüssen im Sinne eines Verpflichtetseins aufgrund einer Rechtspflicht zur tatbestandlichen Grundlage der Inanspruchnahme der Gesellschafter. Jedes privatrechtliche Verpflichtetsein gegenüber einer Person, sei es in Form von notwendigen Pflichten, Beschränkungen oder sonstigen rechtlichen Gebundenheiten, ist auf eine Berechtigung eines anderen    – in der Regel aufgrund eines subjektiven Rechts    – zurückzuführen. 641 Subjektive Rechte enthalten nach dem herrschenden willenstheoretischen Ansatz eine dem Einzelnen „von der Rechtsordnung verliehene Rechtsmacht zur selbstbestimmten Wahrnehmung der geschützten Interessen durch den Rechtsinhaber“. 642 Kann eine Person gegen eine andere Person mindestens ein subjektives Recht auf diese Weise geltend machen, sodass diese andere Person rechtlich festgelegte, individuelle Pflichten zu erfüllen hat, spricht man von einem Rechtsverhält640 Vgl.

Kießling, in: FS Hadding, S.  485. Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  13 Rn.  24, 32; Medicus, BGB AT, Rn.  61; Medicus/Petersen, BGB AT, §  10 Rn.  63, 70 ff.; Neuner, BGB AT, §  19 Rn.  17 ff., §  20 Rn.  1 ff., 12. 642  Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  13 Rn.  24; kritisch, Neuner, BGB AT, §  20 Rn.  2 ff., 6 f.; vgl. Medicus/Petersen, BGB AT, §  10 Rn.  70 ff. 641 

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nis. 643 Darüber hinaus bilden Befugnisse und Erwerbsaussichten die Grundlage für die Annahme eines Rechtsverhältnisses.644 Die zentralen Merkmale eines Rechtsverhältnisses sind eine rechtliche Regelung sowie ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit. 645 Ein Rechtsverhältnis ist mithin eine von der Rechtsordnung geregelte Beziehung zwischen bestimmten Personen, 646 sprich der Inbegriff ­einer Gesamtheit von Berechtigungen und Verpflichtungen oder auch bloß einzelne Elemente aus dieser Beziehung. 647 Rechtsverhältnisse des Privatrechts entstehen privatautonom durch Rechtsgeschäft (vgl. §§  311 Abs.  1, 1205 Abs.  1, 1408 ff., 2274 ff. BGB), durch Gesetz (vgl. §§  311 Abs.  2, 812 ff., 823 ff. BGB) oder ausnahmsweise durch staatlichen Akt (vgl. §  804 ZPO). 648 §  128 HGB adressiert mit der Sachverhaltskomponente der Verbindlichkeit ein derartiges Rechtsverhältnis. Fraglich ist, wie das von §  128 HGB mit einer Verbindlichkeit zur tatbestandlichen Grundlage gemachte Rechtsverhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern weiter zu konkretisieren ist. Der Umstand, dass §  128 HGB eine Verbindlichkeit in Beziehung zu Gläubigern setzt, indiziert ein schuldrechtliches Begriffsverständnis des Tatbestandsmerkmals der Verbindlichkeit in diesem Sinne.649 Zwar wird das Begriffspaar von Gläubigern und Schuldnern auch im Verjährungsrecht aus dem Allgemeinen Teil des BGB verwendet (§  199 Abs.  1 Nr.  2, 205, 206, 212 Abs.  1, 214 BGB), jedoch waren diese Begriffe bis zur Schuldrechtsreform 2001 auf das Schuldverhältnis beschränkt.650 Der Begriff der Verbindlichkeit hat auch im Rahmen des BGB keinen einheitlichen Bedeutungsgehalt, sondern ist vor dem Hintergrund des jeweiligen Schutzzwecks einer Vorschrift, die auf Verbindlichkeiten Bezug nimmt, durch Auslegung zu bestimmen. So werden im Rahmen von §  278 BGB unter dem Begriff der Verbindlichkeit nicht nur Pflichten, sondern auch bestimmte Obliegenheiten erfasst.651 Vorbehaltlich solcher dem Schutzzweck einzelner Vorschriften geschuldeter Besonderheiten bezeichnet eine Verbindlichkeit im Schuldrecht die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger aufgrund einer sonderrechtlichen Beziehung, eine bestimmte Leistung zu erbringen.652 Sie ist

643  Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  13 Rn.  1; Medicus, BGB AT, Rn.  5 4 ff., 61 ff.; Neuner, BGB AT, §  19 Vor Rn.  17; vgl. v. Gierke, in: FS v. Martitz, S.  41. 644  Neuner, BGB AT, §  19 Rn.  17. 645  Medicus, BGB AT, Rn.  56; Medicus/Petersen, BGB AT, §  9 Rn.  5 4 ff. 646  Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  13 Rn.  1; Neuner, BGB AT, §  19 Rn.  4. 647  Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  13 Rn.  5; Neuner, BGB AT, §  19 Rn.  1. 648  Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  13 Rn.  12 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  7 Rn.  51 ff., §  13 Rn.  103 ff.; Neuner, BGB AT, §  19 Rn.  8 ff. 649  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  1. 650  Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  6; vgl. BT-Drucks. 14/6040, S.  122 zu §  214. 651  Vgl. zur Einordnung von Obliegenheiten als Verbindlichkeit, Grundmann, in: MüKo­ BGB, §  278 Rn.  24; siehe aber Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, §  241 Rn.  120 ff. 652  Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, §  241 Rn.  112 ff, 120 ff., Einleitung zum Schuldrecht Rn.  248 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

das Pendant zu dem schuldrechtlichen Anspruch653    – der sog. Forderung, als das Recht auf eine Leistung    –,654 wie er §  241 Abs.  1 BGB zugrunde liegt. So macht §  241 BGB deutlich, dass der Begriff des Schuldverhältnisses in unterschiedlicher Weise mit unterschiedlicher Reichweite verstanden werden kann: in einem engeren Sinne und in einem weiteren Sinne.655 Die Vorschrift regelt einerseits in Abs.  1, dass der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt ist, von dem Schuldner eine Leistung zu verlangen. Darin kommt die primäre Leistungsorientierung von Verbindlichkeiten zum Ausdruck.656 Nach Abs.  2 kann das Schuldverhältnis andererseits weitere Rechte und Pflichten begründen; insoweit wird das Schuldverhältnis auf die gegenseitige Integritätswahrung erweitert,657 sodass es sich diesbezüglich anbietet, in Abgrenzung zum Schuldverhältnis im engeren Sinne, allgemein von einer „Sonderverbindung“ zu sprechen.658 Beide Absätze finden sich wiederum unter der Normüberschrift „Pflichten aus dem Schuldverhältnis“. Die Normierung weiterer Rechte und Pflichten durch §  241 Abs.  2 BGB deutet an, dass es sich bei der Beschreibung in Abs.  1 lediglich um das Schuldverhältnis in einem engen Sinne handelt    – die einzelne Forderung als schuldrechtlicher Anspruch.659 Das Schuldverhältnis in diesem engeren Sinne bezieht sich dementsprechend auf die einzelne Leistungsverpflichtung im Rahmen einer bestimmbaren Leistungsbeziehung, wobei sie auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet sein kann.660 Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne    – wie es von §  241 Abs.  2 BGB sowie der Normüberschrift zur Grundlage gemacht wird    – erfasst dem­ gegenüber sämtliche privatrechtlichen Rechte und Pflichten aus dem Rechts­ verhältnis, bestehend aus der rechtlichen Regelung und dem Ausschnitt aus der

653  Der in §  194 BGB legaldefinierte Begriff des Anspruchs findet in §  241 Abs.  1 BGB seine schuldrechtliche Ausprägung, Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  15 Rn.  56; Bork, BGB AT, Rn.  290. 654  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  3 I 5; Larenz, Schuldrecht, §  2 II; Medicus, BGB AT, Rn.  75; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  17 ff.; Medicus/Petersen, BGB AT, §  11 Rn.  73 ff.; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  8 f.; Neuner, BGB AT, §  20 Rn.  29. 655 BGH, Uv. 11.11.1953     – II ZR 181/52    – NJW 1954, 231 (232); Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  1 III, S.  5; Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  10; Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  8; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  1 f.; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, §  241 Rn.  36, 40 ff.; Westermann/P. Bydlinski/Arnold, Schuldrecht AT, §  2 Rn.  61 ff.; ablehnend, Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  8 f. 656  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  2. 657 Vgl. Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  2. 658  Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  1 III, S.  5; Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  9, 24; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  1; vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten. 659  Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  2 ; Medicus, BGB AT, Rn.  63, 75. 660 Vgl. Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §   1 III, IV, S.  5; Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  8; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  2; diese Terminologie ab­ lehnend, Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  2 I 1 b, weil sie nicht über die Bedeutung von Forderung und Schuld hinausginge.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Wirklichkeit.661 Insoweit ist das Schuldverhältnis als komplexe Einheit    – als „Organismus“    – zu verstehen.662 §  241 Abs.  1 Satz  1 BGB ist ebenso das Erfordernis zweier Rechtsträger für das Bestehen eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne zu entnehmen.663 Aus dieser Notwendigkeit wird im Umkehrschluss die Rechtsfigur der Konfusion legitimiert, wie sie beim Wegfall des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft zum Erlöschen der Sozietätskonstruktion führt. 664 Das Sachverhaltselement der Verbindlichkeit im Sinne von §  128 HGB beschreibt lediglich die schuldrechtliche Forderung aus Sicht des Schuldners; das Leistensollen, die Schuld als schuldrechtliches Verpflichtetsein. 665 Verbindlichkeit und Anspruch sowie Schuld und Forderung    – als diesbezüglich schuldrechtliche Fachbezeichnungen     – bilden die maßgeblichen Komplementärbe­ grif­fe. Dadurch, dass §  128 HGB lediglich auf die einzelne schuldrechtliche Verbindlichkeit abstellt, kommt es für diese Untersuchung lediglich auf dieses Rechtsverhältnis an. Beschränkt auf den Gegensatz von Schuld und Forderung handelt es sich um ein Schuldverhältnis im engeren Sinne nach §  241 Abs.  1 BGB. 2. Schuldrechtliche Relativität der Leistungspflichten a) Die vermögensorientierte Verbindlichkeit als konstituierendes Element des Schuldverhältnisses Es ist mithin die schuldrechtliche Verbindlichkeit, die den eigentlichen Kern des originär als Leistungsbeziehung zwischen zwei Personen gedachten Schuldverhältnisses im engeren Sinne ausmacht. 666 Im Rahmen dieses auf den Gegensatz von Schuld und Forderung beschränkten Rechtsverhältnisses ist Gläubiger derjenige, dem eine Forderung gegen einen anderen    – den Schuldner    – zusteht. 667 Der Schuldner ist spiegelbildlich der Adressat einer schuldrechtlichen Pflicht, 661 

Medicus, BGB AT, Rn.  75; vgl. Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  8. Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  10; Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  13 Rn.  5; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  2 1. 663  Zur Notwendigkeit zweier Rechtsträger für ein Schuldverhältnis, RG, Uv. 20.5.1935    – VI 43/35, RGZ 148, 65–68 (67); RG, Uv. 8.2.1937    – VI 291/36, RGZ 153, 338–348 (343); Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  7; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  8 Rn.  55; Westermann/P. Bydlinski/­ Arnold, Schuldrecht AT, §  2 Rn.  56 ff.; siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a), Kap.  1 §  2 A.I.5.d). 664  RG, Uv. 20.5.1935    – VI 43/35, RGZ 148, 65–68 (67); RG, Uv. 8.2.1937    – VI 291/36, RGZ 153, 338–348 (343); BGH, Uv. 23.4.2009    – IX ZR 19/08, juris-Rn.  12 ff.; BFH, Uv. 19.2.2013    – II R 47/11, BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332 = juris-Rn.  17 f.; Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  7; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (354 ff.); siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a). 665  Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  30; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  3 I 1; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  17; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  10. 666  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  1; vgl. zum Begriff der Leistung, Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  7. 667 Vgl. zum Begriff des Gläubigers, Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.   13; Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  6; davon abzugrenzen ist die Parteibezeichnung desjenigen „Gläubigers“, der in der Zwangsvollstreckung einen vollstreckbaren Anspruch geltend macht. 662 

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die geschuldete Leistung zu erbringen und dadurch den Anspruch    – die Forderung    – zu erfüllen.668 Demgegenüber schuldet der Gläubiger bei isolierter Betrachtung seiner Stellung als Gläubiger dem Schuldner nichts. 669 So hat der Gläubiger eines einseitigen Schuldverhältnisses im engeren Sinne lediglich – die Obliegenheiten zu beachten.670 Eine schuldrechtliche Verbindlichkeit     ­ Schuld    – ist demnach eine einzelne Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger aus einem Schuldverhältnis im engeren Sinne als besonderem Rechtsverhältnis. Vor dem Hintergrund, dass ein Rechtsverhältnis des Privatrechts entweder durch privatautonomes Rechtsgeschäft zwischen den Beteiligten, durch gesetzliche Anordnung oder durch staatlichen Akt entsteht, beschränken sich schuldrechtliche Rechtsverhältnisse auf diese Entstehungsformen. Die einzelne Verbindlichkeit ist insoweit das konstituierende Element. Mit Blick auf die unterschiedlichen Entstehungsformen ist zwischen der Begründung eines Schuldverhältnisses sowie dessen schuldrechtlicher Durch­ führung zu differenzieren. Das einzelne Rechtssubjekt bindet aufgrund seines Willens grundsätzlich nur sich selbst und begründet auf diese Weise ein Schuldverhältnis. Aufgrund gesetzlicher Anordnung kann hingegen auch eine rechtlich relevante Beziehung zu unbekannten Personen hergestellt werden. Dieser aus der Privatautonomie folgende Selbstbestimmungsgrundsatz ist prägend für das Privatrecht. 671 Im Rahmen der Durchführung eines Schuldverhältnisses ist demgegenüber ein vergleichbarer Maßstab zugrunde zu legen, weil ungeachtet des Entstehungstatbestandes einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit die an dem Schuldverhältnis beteiligten Personen durch das zweiseitige Verhältnis von Schuld und Forderung voradressiert sind, ohne dass es auf den Grund der Willensbindung des Schuldners ankommt. An einer schuldrechtlichen Leistungsbeziehung kommt eine Teilhabe grundsätzlich nur als Schuldner oder als Gläubiger in Betracht. Die schuldrechtliche Verbindlichkeit als solche ist ungeachtet des Entstehungsgrundes in der Regel durch dynamische Vermögensinteressen geprägt und auf die Veränderung der Güterzuordnung angelegt, sei es zur zielgerichteten Vermögensmehrung oder zur Wiederherstellung vormaliger Güterzustände. 672 Aus der Leistungsorientierung des Schuldverhältnisses im engeren 668 Vgl.

Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  12. Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  13. 670  Vgl. zum Begriff der Obliegenheiten, Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  3, S.  14; Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  14 f., 17; Hähnchen, Obliegenheiten und Nebenpflichten; Henß, Obliegenheit und Pflicht im Bürgerlichen Recht; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, §  241 Rn.  120 ff.; R. Schmidt, Die Obliegenheiten; Weller, Die Vertragstreue, S.  469 ff.; Neuner, BGB AT, §  19 Rn.  29. 671 Vgl. S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  211 ff., 244 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  8 Rn.  55; Medicus/Petersen, BGB AT, §  17 Rn.  174, 176, §  32 Rn.  472; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  19. 672  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band   1, AT, Teilband 1, S.  1 f.; vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  8 Rn.  67 f., §  13 Rn.  107. 669 Vgl.

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Sinne folgt, dass dem Gläubiger im Ausgangspunkt das gesamte Schuldnervermögen zur Begleichung der Verbindlichkeit zur Verfügung steht. Insoweit fungiert das „Schuldrecht als Mittel einer funktionellen (weil die Zuständigkeit der Rechte nicht betreffenden) Beteiligung an einem fremden Vermögen.“673 Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Verbindlichkeit in einem Tun, Dulden oder Unterlassen besteht. 674 Umgekehrt führt die Leistungsorientierung dazu, dass der haftungsrechtliche Zugriff sich grundsätzlich auch auf das Schuldnervermögen beschränkt. 675 b) Relativität schuldrechtlicher Leistungsverpflichtungen Aus der konstituierenden Funktion der Verbindlichkeit zwischen    – im Ausgangspunkt    – zwei Personen sowie der dieser zugrunde liegenden Privatautonomie ergibt sich die Relativität schuldrechtlicher Leistungsverpflichtungen. 676 Diese ist Ausdruck des Zusammenhangs von Schuld und Forderung. Schuld und Forderung sind konkret adressiert und binden damit ausschließlich die an einem Schuldverhältnis Beteiligten.677 Vor dem Hintergrund der privatautonomen Selbstbestimmung des Schuldners besteht die Forderung des Gläubigers als relatives Recht daher im Ursprung nur gegenüber dem Schuldner und hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Rechtsstellung dritter Personen.678 Soweit Drittwirkungen bei „Schuldverhältnissen“ thematisiert werden    – wie dies regelmäßig etwa bei Vertretungskonstellationen, dem Vertrag zugunsten Dritter oder dem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter relevant wird    –, kommen diese lediglich bei Schuldverhältnissen im weiteren Sinne in Betracht. Derartige Drittwirkungen führen dazu, dass neben dem eigentlichen Schuldverhältnis zwischen zwei Rechtssubjekten zusätzlich ein oder mehrere Schuldverhältnisse im engeren Sinne begründet werden. In derartigen Dreiecksbeziehungen, in denen mehrere Schuldverhältnisse im engeren Sinne gegebenenfalls über ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne miteinander verbunden sind, kann die gemeinsame Verbindung zu einer irgendwie gelagerten Akzessorietät der Schuldverhältnisse im engeren Sinne führen. 679 Vor diesem Hintergrund erfährt 673  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  1 II 6; siehe insoweit aber zur Unterscheidung von Schuld und Haftung unten Kap.  1 §  2 C.II. 674 Vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §   13 Rn.  107; Westermann/P. Bydlinski/Arnold, Schuldrecht AT, §  3 Rn.  119. 675 Vgl. Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  11. 676 Kritisch, S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  213 ff., vgl. Ernst, in: MüKo­ BGB, Einleitung SchuldR Rn.  18; Henke, Die sog. Relativität des Schuldverhältnisses, S.  4, 11, 72 ff.; Looschelders/Makowsky, JA 2012, 721, (721 ff.); Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  8 Rn.  55; Westermann/P. Bydlinski/Arnold, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  49; sowie zum Begriff der Leistung, Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  4 f., 7 f. 677  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  1; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  4; vgl. LG München I, Uv. 9.8.2012    – 32 O 16660/11, BeckRS 2016, 10526. 678 Vgl. Peifer, Schuldrecht BT, §  1 Rn.  7; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, §  241 Rn.  299. 679  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.VII.

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ein Aspekt der Relativität von Schuldverhältnissen eine Einschränkung. Während der Schuldner im Regelfall gegenüber seiner Leistungspflicht lediglich Einwendungen und Einreden aus eigenem Recht geltend machen darf,680 kann es die Akzessorietät verschiedener Schuldverhältnisse rechtfertigen, dass es zu einem Einwendungsdurchgriff kommt. 681 Aus der Relativität der Leistungs­ beziehungen folgt aber, dass dem Gläubiger grundsätzlich nur das Schuldnervermögen zur Begleichung der Verbindlichkeit zur Verfügung steht, dies jedoch gänzlich. Diese Vermögensverbindung bildet den ausschließlichen haftungsrechtlichen Anknüpfungspunkt. aa) Rechtsbeziehungen in Mehrpersonenverhältnissen Sowohl das Schuldverhältnis im engeren Sinne als besonderes Rechtsverhältnis als auch dessen Relativität sind trotz des Zusammenhangs von Schuld und Forderung nicht auf ein Zweipersonenverhältnis beschränkt. 682 Diesbezüglich legen insbesondere die §§  420 bis 432 BGB nahe, dass sowohl Gläubiger- als auch Schuldnergesamtheiten in Betracht kommen. So könnten an einem Schuldverhältnis im engeren Sinne mehrere Personen als aus der Leistungsbeziehung berechtigte bzw. verpflichtete Gläubiger- oder Schuldnergesamtheit beteiligt sein. Dies ist sowohl durch originären Begründungsakt als auch durch eine Rechtsnachfolge denkbar. Voraussetzung ist, dass die Mehrheit der Berechtigten nur einmal ermächtigt ist, die Leistung zu fordern; andernfalls handelt es sich schon um mehrere Schuldverhältnisse. 683 Andererseits können sich mehrere Personen an einem Schuldverhältnis im weiteren Sinne dergestalt beteiligen, dass diese jeweils durch ein mehrseitiges Rechtsgeschäft zueinander in rechtlich geregelte Beziehungen treten, wie zum Beispiel im Rahmen einer gesellschaftsvertraglich vermittelten Mitgliedschaft. Ob durch ein mehrseitiges Rechtsgeschäft ein einzelnes, mehrseitiges Rechtsverhältnis oder mehrere zweiseitige Rechtsverhältnisse vermittelt werden, hängt von der Definition des Rechtsverhältnisses ab. Maßgeblich ist, worauf man für die Bestimmung der rechtlich geregelten Beziehung als Ausschnitt aus der Wirklichkeit abstellt. Knüpft man etwa an das Schuldverhältnis im weiteren Sinne an, ist es konsequent, in diesem die recht­ liche Regelung der zu bestimmenden Beziehungen zwischen mehreren Individuen zu sehen. Beschränkt man den Untersuchungsfokus demgegenüber auf das Schuldverhältnis im engeren Sinne sowie auf die dieses konstituierende einzelne Verbindlichkeit, ist es sachgerecht, den Rechtsbegriff des Rechtsverhältnisses in entsprechender Weise abzugrenzen. Ebenso, wie etwa das Schuldverhältnis im weiteren Sinne sich als Bündel von mehreren Schuldverhältnissen im 680 

Bachmann, in: MüKoBGB, §  241 Rn.  21. Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.d)cc). 682 Vgl. Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  5; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, §  241 Rn.  299. 683  Larenz, Schuldrecht, §  36 I, S.  620. 681 

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engeren Sinne darstellt, vermittelt auch ein mehrseitiges Rechtsgeschäft ein Rechtsverhältnis im weiteren Sinne zwischen den Beteiligten. Dieses    – so gesehen „mehrseitige“    – Rechtsverhältnis im weiteren Sinne ist aber nichts anderes als die Gesamtheit einzelner Rechtsverhältnisse im engeren Sinne. Es bietet sich daher ein Verständnis des Rechtsverhältnisses an, welches allgemein an die rechtlich relevante Beziehung im engsten Sinne    – die in der Regel vermögensmäßige Leistungsbeziehung zwischen zwei Personen(mehrheiten)    – anknüpft; alle darüber hinausgehenden Rechtsbeziehungen können unter den pluralistischen Begriff der Rechtsverhältnisse gefasst werden. Nach diesem Begriffsverständnis begründen mehrseitige Rechtsgeschäfte nicht ein einziges, mehrseitiges Rechtsverhältnis, sondern vielmehr einzelne Rechtsverhältnisse zwischen jeder von einem subjektiven Recht betroffenen Person(enmehrheit) mit einer anderen Person(enmehrheit). Dementsprechend ist etwa die verbandsrechtliche Mitgliedschaft nicht als einziges Rechtsverhältnis zu verstehen, sondern als verselbstständigtes Rechtsinstitut,684 dem verschiedene Rechtsverhältnisse entwachsen: das jeweilige Rechtsverhältnis eines Mitglieds zu dem Verband sowie die Rechtsverhältnisse unter den einzelnen Mitgliedern. Eine Beteiligung mehrerer Personen an einem Schuldverhältnis im engeren Sinne kommt sowohl in der Position des Gläubigers in Betracht als auch in der Position des Schuldners. In Bezug auf beide Personenmehrheiten ist indes danach zu differenzieren, ob zwischen den Parteien nur ein Schuldverhältnis gegeben ist bzw. ob    – entgegen dem ersten Anschein    – tatsächlich mehrere Schuldverhältnisse im engeren Sinne vorliegen. 685 (1) Gesetzliche Anerkennung von mehreren Rechtssubjekten in einer Gläubigerstellung Gläubigermehrheiten werden etwa angenommen bei Teilforderungen (§  420 BGB), Gesamtforderungen (§  428 BGB) sowie gemeinschaftlichen Forderungen.686 Im Rahmen von Teilforderungen ist kein einheitliches Schuldverhältnis gegeben, weil grundsätzlich jeder der Gläubiger eine von der des anderen unabhängige Forderung auf die ihm zustehende Teilleistung erhält. 687 In den einzelnen Schuldverhältnissen stehen sich dementsprechend auch nur einzelne Personen als Gläubiger und Schuldner gegenüber. 684 Vgl. Habersack, Die Mitgliedschaft    – subjektives und „sonstiges“ Recht, S.  21 ff., 62 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84 (86 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  19 I 2, 3, S.  548 ff.; zum Begriff des Rechtsinstituts, Medicus/Petersen, BGB AT, §  9 Rn.  60; Neuner, BGB AT, §  19 Rn.  1. 685  Larenz, Schuldrecht, §  36. 686  Larenz, Schuldrecht, §   36 I; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  875 ff.; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  237 ff. 687  Larenz, Schuldrecht, §  36 I a; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  877 f., 883; abweichend aus der Perspektive des Schuldners, Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  238 f., 243.

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Im Rahmen von Gesamtforderungen, wie sie im Falle einer Gesamtgläubigerschaft vorliegen, sind demgegenüber mehrere Gläubiger jeweils berechtigt, die vollständige Leistung an sich selbst zu verlangen, wobei der Schuldner nur einmal zu leisten verpflichtet ist. Die einzelnen Gesamtgläubiger haben dabei ein „relativ selbständiges Forderungsrecht“. 688 Insoweit sind mehrere, für sich ­genommen, verfügungsfähige Forderungen inhaltlich final auf eine Leistung ­gerichtet, deren Erbringung zum Erlöschen aller Forderungen führt. 689 Die Forderungen werden über das Gesamtgläubiger-Schuldverhältnis miteinander verbunden. Allen Forderungen steht zwar nur ein Schuldnervermögen als Haftungsobjekt gegenüber, es bestehen aber zwischen jedem Gesamtgläubiger und dem Schuldner einzelne Schuldverhältnisse im engeren Sinne. Jedem dieser Schuldverhältnisse liegt eine Verbindlichkeit zugrunde, für die der Schuldner im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften der §§  428 ff. BGB mit seinem Schuldnervermögen aber nur einmal einzustehen hat. Gemeinschaftliche Forderungen sind demgegenüber solche, die mehreren Personen in der Weise ungeteilt zustehen, dass alle die Leistung gemeinsam erhalten können sollen und gemeinschaftlich empfangszuständig sind (sog. Mitgläubigerschaft). 690 Derartige Konstellationen der Mitgläubigerschaft als gemeinschaftlicher Zuständigkeit einer Forderung sind sowohl bei tatsächlicher Unteilbarkeit einer Forderung im Sinne von §  432 BGB gegeben als auch bei rechtlicher Unteilbarkeit im Innenverhältnis aufgrund einer bereits bestehenden privatrechtlichen Rechtsgemeinschaft, namentlich im Rahmen von Gesamt­ handsgemeinschaften sowie bei Bruchteilsgemeinschaften (§§  741 ff. BGB).691 Die tatsächliche bzw. rechtliche Unteilbarkeit führt bereits im Ausgangspunkt dazu, dass es nur eine einzige Forderung gibt und die Leistung, welche dieser zugrunde liegt, nur aus einer einzelnen Vermögensverbindung des Schuldners zu erbringen ist. In der aus der Beziehung von Schuld und Forderung resultierenden Gläubigerstellung stehen schlicht mehrere Personen. Während die rechtsfähige Gesamthand als Personenverband692 Beteiligte des Rechtsverhältnisses wird, kommt es im Rahmen der Bruchteilsgemeinschaft zu einer echten Mehrheit von Rechtsträgern in der Stellung des Gläubigers, etwa im Rahmen von Und-Konten    – soweit nicht ein darüber hinausgehender Zweck verfolgt wird und die Außen-Gesamthand selbst Kontoinhaber wird.693 Diese Möglich688  Larenz, Schuldrecht, §  36 I c; vgl. Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  244 ff. 689 Vgl. Larenz, Schuldrecht, §  36 I c; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  879 f., 884. 690  Larenz, Schuldrecht, §  36 I b; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  881 f., 885; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  263 ff. mit Beispielen. 691 Vgl. Larenz, Schuldrecht, §  36 I b; differenzierend zwischen Mitgläubigerschaft und Gläubigergemeinschaften eigener Art, Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  885; a. A. ­Flume, Die Personengesellschaft, §  8 , S.  114. 692  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.2. 693 Vgl. BGH, Bv. 12.1.1987     – II ZR 99/86, juris-Rn.  6; BGH, Uv. 30.10.1990    – XI ZR

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keit von Personenmehrheiten auf der Gläubigerseite ergibt sich insbesondere daraus, dass ein Rechtsverhältnis als solches Rechts- und Verfügungsgegenstand sein kann. 694 So regelt etwa §  741 BGB, dass ein Recht ohne Weiteres mehreren gemeinschaftlich zustehen kann. Auch rechtlich unteilbare Forderungen können Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft werden, wie dies etwa bei Surrogaten für in Bruchteilsgemeinschaft stehende Gegenstände geschieht.695 Sogar eine Bruchteilsgemeinschaft kommt mithin sowohl als Forderungsin­ haber in Betracht, als auch als Gläubiger im Rahmen eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses.696 Entsprechendes gilt für nichtrechtsfähige Gesamthandsgemeinschaften. (2) Aus der Haftungsfunktion des Schuldnervermögens folgende Unzulässigkeit echter Schuldnermehrheiten Spiegelbildlich zur Systematik denkbarer Gläubigermehrheiten sind Schuldnermehrheiten vorstellbar als Teilschulden (§  420 BGB), Gesamtschulden (§  421 BGB) oder gemeinschaftliche Schulden. 697 Teilschulden sind gemäß §  420 BGB nach der gesetzlichen Systematik zwar der normative Regelfall solcher, von mehreren Personen geschuldeter, teilbarer Leistungen, dies gilt jedoch nur, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich Gesamtschulden vorsieht sowie bei ausdrücklicher rechtsgeschäftlicher Vereinbarung einer Teilschuld, weil anderenfalls bei Vertragsschuldnern die Vermutungsregelung des §  427 BGB greift. 698 Ausgehend von §  420 BGB sind Teilschulden, ebenso wie Teilforderungen, eigenständige Schuldverhältnisse im engeren Sinne, die aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Gemeinsamkeiten eine Leistungsgesamtheit zum gemeinsamen Bezugspunkt haben.699 Angesichts der Teilbarkeit ist aber auf Schuldnerseite keine Personenmehrheit gegeben; die Teilschuld beschreibt vielmehr das zwei352/89, juris-Rn.  14 f.; Gehrlein, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  741 Rn.  9; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  266. 694 Vgl. zum Rechtsverhältnis als Rechts- und Verfügungsgegenstand, K. Schmidt, in: MüKo­BGB, §  741 Rn.  18 ff.; Emmerich, in: Staudinger (2018) BGB, Vor §§  535 Rn.  73 ff.; unklar, BGH, Bv. 12.1.1987    – II ZR 99/86, juris-Rn.  6; a. A. Flume, Die Personengesellschaft, §  8 , S.  114. 695 Vgl. Gehrlein, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  741 Rn.  9; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  266. 696  Gehrlein, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  741 Rn.  9; K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  18; a. A. Flume, Die Personengesellschaft, §  8 , S.  114, der davon ausgeht, dass für eine Forderungsinhaberschaft neben die Bruchteilsgemeinschaft eine Gesamthand tritt, die ihrerseits Beteiligte des Rechtsverhältnisses wird. 697  P. Bydlinski, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., Vor §  420 Rn.  2 ff.; Larenz, Schuldrecht, §  36 II; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  886 ff.; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  16 ff.; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  22 Rn.  1278 ff. 698  Larenz, Schuldrecht, §   36 II a; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  905; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.   22 ff.; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuld­recht AT, §  22 Rn.  1280. 699  Siehe oben A.II.2.a.aa.

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seitige Verhältnis von Schuld und Forderung vor dem Hintergrund einer faktischen Leistungsgesamtheit, die in schuldrechtlicher Hinsicht gleichwohl trennbar ist. Gesamtschulden liegen einerseits gemäß §  431 BGB bei unteilbaren Leistungen vor, andererseits gemäß §  421 BGB bei teilbaren Leistungen, wenn mehrere Personen eine Leistung in der Weise schulden, dass zwar jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal fordern kann.700 Bei vertraglicher Verpflichtung mehrerer Personen zu einer teilbaren Leistung liegt gemäß §  427 BGB im Zweifel eine derartige Gesamtschuld vor. Die Gesamtschuld ist der praktisch häufigste Fall der gemeinsamen Solidarhaftung für „eine Schuld“, weil sie ungeachtet abweichender Absprachen der Schuldner im Innenverhältnis einen effektiven Gläubigerschutz gewährleistet, indem dieser die Leistung nach seinem Belieben von jedem Schuldner ganz oder nur zu einem Teil fordern kann und sich auf diese Weise an diejenigen Schuldner wenden kann, die nach seinem Dafürhalten am leistungsfähigsten erscheinen und die Zahlungsunfähigkeit einzelner Gläubiger der Realisierung seiner Forderung nicht entgegensteht.701 Auf diese Weise stellen die Gesamtschuld sowie die diese vermittelnde Vermutungsregelung des §  427 BGB das Interesse des Gläubigers in den Vordergrund, sein Gläubigerrecht zügig und unkompliziert zu verwirklichen.702 Im Rahmen einer Gesamtschuld sind mehrere Schuldner zwar zur Befriedigung eines einheitlichen Leistungsinteresses verpflichtet, dies geschieht jedoch aufgrund einzelner Forderungen gegenüber dem Gläubiger; der Gläubiger hat gegenüber den einzelnen Schuldnern grundsätzlich eigenständige Forderungen. Im Rahmen dieser einzelnen Schuldverhältnisse stehen dem Gläubiger jeweils ein einzelnes Rechtssubjekt sowie das von diesem gehaltene Schuldnervermögen zur Begleichung der Verbindlichkeit zur Verfügung. Die Schuldverhältnisse sind angesichts der Einheitlichkeit des Leistungszwecks lediglich über die Gesamtschuld dergestalt miteinander verbunden, dass der Gläubiger die Leistung nur einmal fordern kann und das Schuldverhältnis im weiteren Sinne mit Erreichung des Leistungszwecks be700  Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  887 ff.; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  26 ff.; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  22 Rn.  1281 ff. 701 Vgl. Larenz, Schuldrecht, §  36 II b, §  37; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  22 Rn.  1278. 702 Dem liegt die rechtspolitische Wertung zugrunde, dass mehrere Vertragsschuldner durch ihr gemeinsames Auftreten die berechtigte Erwartung des Rechtsverkehrs hervorrufen, jeder von ihnen sei bereit, für die von ihnen gemeinschaftlich übernommene Verbindlichkeit eintreten zu wollen. So Larenz, Schuldrecht, §  36 II b, teilweise entgegen den Ausführungen in den Protokollen, S.  865 ff., 868 (Mugdan II, S.  603 f.) zu §  427 BGB. Diese stellen auf einen mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien ab, welche ein Bedürfnis des Rechtsverkehrs verfolgten, Gläubigerrechte rasch und sicher realisieren zu können. Eine derartige, vorwiegend am Gläubigerinteresse orientierte Wertung kann indes nicht als allgemeiner Auslegungs­ maßstab vertraglicher Absprachen herangezogen werden. Vgl. Protokolle, S.  869 (Mugdan II, S.  604) zu §  427 BGB.

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stimmungsgemäß sein Ende findet.703 Eine Personenmehrheit auf Seiten des Schuldners ist mithin auch bei der Gesamtschuld nicht gegeben. Eine Gesamtschuld setzt vielmehr entweder rechtgeschäftliche Verbindlichkeiten mehrerer eigenständiger Rechtssubjekte oder eine gesetzliche Anordnung über die verbundene Verpflichtung einzelner Rechtssubjekte voraus, wie etwa bei den nichtrechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften der Erben- oder Gütergemein­ schaft.704 Die Verpflichtung von Personengesamtheiten mit der Folge von Personenmehrheiten in der einheitlichen Rolle des Schuldners eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne kommt demnach allenfalls im Rahmen von gemeinschaft­ lichen Schulden bzw. Gesamthandsschulden in Betracht.705 Eine „gemeinschaftliche Schuld“ wird angenommen, wenn eine Leistung aus tatsächlichen oder rechtlichen Umständen nur von allen zusammen erbracht werden kann. Dementsprechend bedarf es bei Geldschulden    – vor dem Hintergrund der stets teilbaren, individuellen Erbringbarkeit    – keiner darüber hinausgehenden gemeinschaftlichen Verpflichtung mehrerer einzelner Rechtssubjekte.706 Eine gemeinschaftliche Schuld ist mithin dergestalt denkbar, dass entweder eine Personenmehrheit einheitlich als rechts- oder nichtrechtsfähige Vereinigung zur Leistung einer (un)vertretbaren Handlung bzw. zur Zahlung eines Geldbe­ trages verpflichtet werden soll oder in der Form, dass eine Gesamtleistung nur durch das Zusammenwirken mehrerer Personen sinnvoll erscheint und das Leistungsinteresse befriedigen kann. Diese denkbaren Varianten zeigen, dass hinsichtlich gemeinschaftlicher Schulden zwischen rechtlichen und tatsäch­ lichen Gemeinschaften zu differenzieren ist.707 Ist der Gläubiger lediglich aus tatsächlichen Gründen an einem gemeinschaftlich herbeigeführten Leistungserfolg interessiert, wie etwa hinsichtlich der Aufführung einer Artistentruppe oder eines gleichberechtigten, nicht als Erfüllungsgehilfen engagierten Orchesters,708 so führt dieses individuelle Gesamterfüllungsinteresse jedoch nicht zu einer Verdichtung der einzelnen Schuldverhältnisse (zum Beispiel Dienst- oder Werkverträge) zu einem einheitlichen Schuldverhältnis im engeren Sinne. Das 703 

Larenz, Schuldrecht, §  37 II. zu deren mangelnder Rechtssubjektivität oben Kap.  1 §  2 A.I.6; siehe ferner im Folgenden zur gemeinschaftlichen Schuld. 705  Vgl. zu dieser Terminologie, Larenz, Schuldrecht, §  36 II c; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  189 ff.; P. Bydlinski, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., Vor §  420 Rn.  7 f.; §  431 Rn.  3; zur Anerkennung gemeinschaftlicher Verpflichtungen als Schuldgemeinschaft durch den Gesetzgeber, Kreller, AcP 146 (1941), 97, (118) mit Verweis auf Protokolle, S.  865 ff. (Mugdan II, S.  603 f.) zu §  427 BGB; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  6 4 Rn.  9 06; vgl. Westermann/­ P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  22 Rn.  1287 f. 706  Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  189 sowie zum Sekundärinteresse auf Leistung von Geld, S.  195. 707 Vgl. Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  190 ff. 708  Vgl. zu weiteren Beispielen, Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  190 ff.; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  22 Rn.  1287. 704  Siehe

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gemeinschaftliche Leistungsinteresse verklammert die einzelnen Schuldverhältnisse vielmehr bloß zu einem Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Es handelt sich mithin um eine gemeinschaftliche Schuld im weiteren Sinne. Das einheitliche Leistungsinteresse des Gläubigers wird dabei dadurch realisiert, dass dieser gegen jeden einzelnen Schuldner einen Primäranspruch auf Mitwirkung an der Gesamterfüllung erhält, den er wie bei einer Teilschuld geltend machen kann; im Rahmen jeder dieser Beziehungen entstehen eine Forderung sowie ein Schuldverhältnis im engeren Sinne.709 Auf Geldzahlung gerichtete Sekundär­ ansprüche sind demgegenüber entweder als Gesamt- oder Gesamthandsschuld geltend zu machen.710 Lediglich im Falle rechtlicher Gemeinschaften kommt eine gemeinschaftliche Schuld mehrerer Personen in einer einzelnen Schuldnerstellung eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne in Betracht. Spiegelbildlich zu gemeinschaftlichen Forderungen könnten sowohl Gesamthandsgemeinschaften als auch Bruchteilsgemeinschaften auf diese Weise gemeinschaftlich verpflichtet werden. Erforderlich sind entweder die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Personenmehrheit oder die Zulässigkeit der einheitlichen Verpflichtung mehrerer Personen als nichtrechtsfähige Gesamthands- bzw. Bruchteils­ gemeinschaft. Lediglich in den beiden letztgenannten Konstellationen    – unter Bezugnahme mehrerer Personen als nichtrechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft bzw. als Bruchteilsgemeinschaft    – käme der gemeinschaftlichen Schuld eine eigenständige Bedeutung zu. Unproblematisch ist die Verpflichtung einer Personenmehrheit, wenn diese als Rechtssubjekt über ein eigenes ihr zugewiesenes Vermögen verfügt. In diesem Fall ist der Personenverband selbst Verpflichtungssubjekt und dessen Vermögensverbindung Haftungsobjekt. Es bleibt insoweit dabei, dass auf Schuldnerseite nur ein Handlungssubjekt bzw. Haftungsobjekt steht. Angesichts des einheitlichen Verpflichtungssubjekts handelt es sich insoweit um keine Schuldnermehrheit im eigentlichen Sinne. Problematisch sind die Schuldnerstellung von nichtrechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften sowie von Bruchteilsgemeinschaften. So entsteht etwa eine Bruchteilsgemeinschaft, wenn mehrere Personen    – zum Beispiel im Rahmen eines Und-Kontos    – rechtsgeschäftlich eine gemeinschaftliche Forderung begründen und keinen darüber hinausgehenden gemeinsamen Außenzweck verfolgen.711 Problematisch ist, wie deren Schuldnerrolle zu qualifizieren ist.712 Fraglich ist, ob aus der Zweiseitigkeit des Schuldverhältnisses folgt, dass die Bruchteilsgemeinschaft im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses notwendig auch 709 

, Vor §  420 Rn.  7. P. Bydlinski, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., Vor §  420 Rn.  7 f. 711  BGH, Uv. 4.7.2012    – XII ZR 94/10 juris-Rn.  2 2; vgl. Gehrlein, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  741 Rn.  7, 9; siehe oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)aa)(1). 712 Vgl. K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  18 ff., 23; siehe zur Abgrenzung der Rechtsnatur von Personenverbänden gegenüber Bruchteils-, Erben- und Gütergemeinschaften oben Kap.  1 §  2 A.I.6. 710 Vgl.

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Schuldnerin sein kann. Dagegen spricht in erster Linie, dass die Bruchteilsgemeinschaft über kein einer Haftung zu unterwerfendes Vermögen verfügt. Teilweise wird vertreten, es ergebe sich aus den §§  741, 747 Satz  2 BGB, dass sich eine Bruchteilsgemeinschaft zu einer Verfügung über „den gemeinschaftlichen Gegenstand“ verpflichten könne, eine derartige Verpflichtung nur einer gemeinschaftlichen Erfüllung zugänglich sei und es sich dabei um eine gemeinschaft­ liche Schuld handle.713 Demgegenüber wird teilweise angenommen, dass die Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand im Sinne von §  747 Satz  2 BGB eine „koordinierte Verfügung aller Teilhaber über ihre Bruchteile“714 darstelle und entsprechende Verpflichtungen aller daher als Teilschulden715 oder Gesamtschulden716 zu qualifizieren seien. Für ein derartiges Verständnis spricht maßgeblich, dass es der Natur der Bruchteilsgemeinschaft entspricht, nur über den eigenen Bruchteil verfügen zu können, nicht aber über die Bruchteile der anderen. Zwar kann eine Bruchteilsgemeinschaft Beteiligte eines Rechtsverhältnisses sein, Verbindlichkeiten können demgegenüber kein tauglicher Gegenstand der Bruchteilsgemeinschaft sein.717 An den aus einem Rechtsverhältnis resultierenden Schulden besteht mangels in Bezug zu nehmendem einheitlichen Schuldnervermögens keine Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§  741 ff. BGB. Die Eingehung von Verbindlichkeiten durch die Teilhaber der Bruchteils­ gemeinschaft führt vielmehr zu einer Haftung mit dem jeweiligen Privatvermögen, sei es als Teil- oder Gesamtschuldner. Die Bruchteilsgemeinschaft ist eine Rechtsgemeinschaft und keine Pflichtengemeinschaft.718 Ebenso können nichtrechtsfähige Gesamthandsgemeinschaften als solche mangels Rechtssubjektivität kein Verpflichtungssubjekt sein. Rechtsträger sind nur die die Gemeinschaft bildenden Rechtssubjekte    – einzeln oder in ihrer Gesamtheit. Dementsprechend verfügen nichtrechtsfähige Gesamthandsgemeinschaften grundsätzlich auch über kein eigenes Vermögen, welches als Haftungsobjekt einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit unterworfen werden könnte. Soweit einer nichtrechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaft ein „Sondervermögen“ zugeordnet ist, so ist dieses dinglich den die Gemeinschaft bildenden Rechtssubjekten zu713  Larenz, Schuldrecht, §  36 II c; zur gemeinsamen Verfügungsberechtigung, BGH, Uv. 4.2.1994    – V ZR 277/92, juris-Rn.  14 ff.; vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, §  747 Rn.  4, siehe aber Rn.  6. 714  K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  747 Rn.  25; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  192 f.; ähnlich Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  4 IV 2; a. A. BGH, Uv. 4.2.1994    – V ZR 277/92, juris-Rn.  15 f.; vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, §  747 Rn.  4, siehe aber Rn.  6. 715  Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  4 IV 1; wohl auch Selb, Mehr­ heiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  192 f.; vgl. zur Ablehnung von §  431 BGB, BGH, Uv. 11.12.1974    – VIII ZR 186/73, juris-Rn.  15 f. 716  Gehrlein, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  741 Rn.  9; v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, §  741 Rn.  123; K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  23. 717  K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  23. 718  v. Proff, in: Staudinger (2015) BGB, §  741 BGB Rn.  123.

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gewiesen, wodurch auch nur eine schuldrechtliche Verpflichtung der einzelnen Gemeinschafter in Betracht kommt. Fraglich ist demnach, ob die schuldrecht­ liche Verpflichtung der Individuen dazu führt, dass diese gemeinsam in einer einzigen Schuldnerstellung auftreten können. Dadurch, dass in diesen Konstellationen schuldrechtliche Bezugssubjekte ungeachtet ihrer gesamthänderischen Verbundenheit stets die einzelnen Rechtssubjekte sind, führt die rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Verbindung zu einer nichtrechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaft nicht dazu, dass tatsächlich mehrere Personen eine einheitliche Schuldnerstellung einnehmen. Vielmehr wird ein etwa vor dem Erbfall bestehendes einheitliches Schuldverhältnis mit dem die Gesamthandsgemeinschaft auslösenden Ereignis in mehrere Schuldverhältnisse im engeren Sinne aufgespalten, weil es anderenfalls kein einer einheitlichen Forderung unter­ worfenes, rechtssubjektbezogenes und damit haftungsrelevantes Schuldnervermögen gäbe. Die Einbeziehung einer nichtrechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaft in ein Schuldverhältnis führt dementsprechend entweder zu der gesetz­ lichen Entstehung einer Gesamtschuld    – mit der Folge, dass gegenüber jedem der Gesamthänder ein Schuldverhältnis im engeren Sinne begründet wird    – oder es entsteht eine Gesamthandsschuld (als Schuldverhältnis im weiteren Sinne),719 welches die auf die Mitwirkung an der Herbeiführung eines einheitlichen Leistungsinteresses gerichteten Primäransprüche des Gläubigers gegen jeden einzelnen Gesamthänder als Schuldverhältnisse im engeren Sinne verbindet.720 Auch aus der Verfügungsfähigkeit von Rechtsverhältnissen ergibt sich nicht die Möglichkeit von Personenmehrheiten in der Schuldnerrolle eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne.721 Die Verfügungsfähigkeit von Rechtsverhältnissen ist zu unterscheiden von einer bloßen Singularsukzession in die Stellung einer Partei des Schuldverhältnisses im engeren Sinne. Eine Singularsukzession kommt kraft Gesetzes sowohl in die Gläubigerstellung (durch Abtretung gemäß §§  398 bis 413 BGB) als auch in die Schuldnerstellung (durch Schuldübernahme gemäß §§  414 bis 418 BGB) in Betracht.722 Beide Regelungskomplexe erfordern jedoch eine Rechtsstellung der betroffenen Parteien als Rechtssubjekt, sodass rechtsgeschäftliche Singularsukzessionen nur unter Beteiligung von Personenmehrheiten in Betracht kommen, die über eine eigene Rechtssubjektivität verfügen. Verfügt eine Personenmehrheit nicht über eigene Rechtsfähigkeit, so zeigt sich etwa am Beispiel der Rechtsnachfolge mehrerer Personen als Erben­ gemeinschaft723 in eine Gesellschafterstellung, dass sich insoweit (entsprechend) 719 Vgl.

Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  65 Rn.  9 06. Siehe dazu bereits oben zur Gesamtschuld. 721  Vgl. m. w. N. K. Schmidt, in: MüKoBGB, §  741 Rn.  23. 722 Vgl. Ernst, in: MüKoBGB, §   241 Rn.  25; der Übergang eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinne durch Übertragung des Vertragsverhältnisses, bestehend aus Anspruch und Gegenleistungspflicht, erfordert demgegenüber eine Vertragsübernahme mittels einer Kombination aus Abtretung und Schuldübernahme. 723  Siehe zur Rechtsnatur der Erbengemeinschaft oben Kap.  1 §  2 A.I.6. 720 

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§  139 HGB eine Sondernachfolge zu vollziehen hat.724 Bei formaler Unteilbarkeit eines verkörperten Gesellschaftsanteils, etwa nach §  8 Abs.  5 AktG, sehen spezialgesetzliche Vorschriften (zum Beispiel §§  69 AktG, 18 GmbHG) vor, dass mehrere materiell Berechtigte die Rechte aus dem Gesellschaftsanteil nur gemeinschaftlich (vertreten) ausüben können.725 Auch daraus ergibt sich, dass nur rechtsfähige Rechtssubjekte in eine Gesellschafterstellung einrücken können und nur einzelne Rechtssubjekte eine Schuldnerstellung erlangen können. Diese Sondernachfolge ist dem Umstand geschuldet, dass eine verbandsrecht­ liche Mitgliedschaft nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten verbunden ist, eine Erbengemeinschaft als solche aber mangels Rechtsfähigkeit nicht in der Lage ist, eine Schuldnerstellung einzunehmen. (3) Zwischenergebnis Die Analyse der Beteiligung von Personenmehrheiten an einem Schuldverhältnis im engeren Sinne führt zu dem Ergebnis, dass sich in der Rolle des Gläubigers mehrere Rechtssubjekte wiederfinden können. Dies ergibt sich insbesondere aus §  741 BGB. Die im Ursprung auf ein Zweipersonenverhältnis angelegte Relativität des Schuldverhältnisses (im engeren Sinne) kann demzufolge auf der Gläubigerseite auf mehrere Rechtssubjekte ausgedehnt werden.726 Eine Durchbrechung der Relativität schuldrechtlicher Leistungsbeziehungen ist damit indes nicht verbunden, weil das Komplementärverhältnis von Schuld und Forderung auf eine zweiseitige Beziehung beschränkt bleibt. Diese Bindung bleibt sogar im Falle von Naturalobligationen gewahrt; bei diesen mangelt es lediglich an der Durchsetzbarkeit der Forderung.727 Für die Schuldnerrolle ist es indes erforderlich, dass sich die Personenmehrheit durch die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks im Rechtsverkehr als Rechtssubjekt konstituiert und damit ein eigenes Haftungsvermögen bildet, auf welches der oder die Gläubiger zur Realisierung der Verbindlichkeit zugreifen können. Es gilt mithin der Grundsatz der Einzelverpflichtung bei zulässiger Mehrfachberechtigung.728 Unabhängig von der Beteiligung mehrerer Personen in der Rolle des Gläubigers kann im Rahmen einer Leistungsbeziehung eine Leistung nur einmal gefordert werden und braucht umgekehrt nur einmal erbracht zu werden. Die Relativität eines Schuldverhältnisses bringt mithin zum Ausdruck, dass das Schuldverhält724  Löhnig, in: Staudinger (2020) BGB, Vorbemerkung zu §§  2032 Rn.  35 ff.; vgl. Begr. zu §  724 BGB-E, §  131 HGB-E RegE MoPeG, S.  198 f., 288. 725 Vgl. Bayer/Sarakinis, NZG 2018, 561; Löhnig, in: Staudinger (2020) BGB, Vorbemerkung zu §§  2032 Rn.  39. 726 Siehe zur Relativität im Rahmen einseitig akzessorischer Haftungsverbände unten Kap.  1 §  2 C.VII. 727  Vgl. zur Stellung von Naturalobligationen im Rahmen des Zusammenspiels von Schuld und Haftung, Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  31 ff., 35; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  23 ff.; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  12. 728 Vgl. Kießling, in: FS Hadding, S.  485.

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nis dem bzw. den Gläubigern lediglich eine Rechtsposition gegenüber einem Schuldner vermittelt. Das Schuldverhältnis begründet lediglich die in einer Verbindlichkeit zum Ausdruck kommende, schuldrechtliche Leistungspflicht eines einzigen Schuldners, der für diese mit seinem Vermögen haftungsrechtlich einzustehen hat. Für die Regelung des §  128 HGB folgt daraus, dass diese nur bewirken kann, dass mit der Haftung der Gesellschafter ein weiteres Schuldverhältnis neben der Gesellschaftsverbindlichkeit begründet wird und die Gesellschafter nicht Beteiligte des Schuldverhältnisses zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern werden. bb) Synallagma gegenseitig verpflichtender Schuldverhältnisse als normativer Ausdruck vermögensausgleichender Äquivalenzverhältnisse Die zwingende Verknüpfung von Schuld und Forderung ist nicht mit der vertragsimmanenten Verknüpfung zweier primärer Leistungspflichten zu vergleichen, wie sie dem Synallagma gegenseitig verpflichtender Schuldverhältnisse zugrunde liegt (§§  320 ff. BGB).729 Dieses ist vielmehr Ausdruck des rechtstatsächlichen Umstandes, dass in einem marktwirtschaftlichen System eine Vermögenseinbuße regelmäßig nur gegen ein vertraglich gewolltes, aus subjektiver Sicht ausgleichendes Äquivalent gewährt wird und ein Güteraustausch gewöhnlich zu einem marktüblichen Preis stattfindet.730 Zwar kommt hinsichtlich der zu beurteilenden Äquivalenz angesichts individueller Präferenzen der Individuen im Rahmen konkreter Schuldverhältnisse kein materieller Maßstab in Betracht    – etwa eine anhand von Marktpreisen zu ermittelnde Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung    –,731 subjektive Maßstäbe sind aber einerseits um objektive sowie funktionale Äquivalenzerwägungen zu ergänzen, andererseits ist die Beurteilung normtypischer Gemengelagen kaum einer individuellen Beurteilung zugänglich. Daran anknüpfend liegt dem bürgerlich-handelsrechtlichen Gesamtsystem ein vermögensrechtliches „Äquivalenzprinzip“ zugrunde,732 wonach privatautonom begründete Verbindlichkeiten regelmäßig nur im Austausch für ein kompensatorisches Äquivalent vereinbart werden, was sich im Falle der Störung des privatautonomen Aushandlungsprozesses auch auf ­Seiten gesetzlicher Kompensationsmechanismen widerzuspiegeln hat, weil nur 729 

Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  13 II 1; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  13 Rn.  105 ff. marktwirtschaftlichen Rechtsleben wird eine Leistung regelmäßig nur gegen vermögensmäßig-ausgleichendes Äquivalent erbracht (sog. vertragliches „Äquivalenzprinzip“; dies bedeutet aber unter Berücksichtigung individueller Präferenzen kein materielles Äquivalenzprinzip; vgl. §§  134, 138 BGB); vgl. Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  66 ff.; Brinkmann, Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen, S.  259 ff.; Medicus/Petersen, BGB AT, §  17 Rn.  177; 478 f., 866 („vertraglich gewollte Äquivalenz“); Neuner, BGB AT, §  10 Rn.  33 ff.; zum Begriff „haftungsrechtlicher Surrogation“, Eckardt, ZIP 1999, 1417 (1422); Bach, in: Staudinger (2020) Eckpfeiler des Zivilrechts, F. Rn.  2. 731  Medicus/Petersen, BGB AT, §  53 Rn.  866. 732 Vgl. Henssler, AnwBl 1996, 3 (11). 730  Im

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insoweit eine rechtliche Legitimation gegeben ist.733 Diese Annahme ist wiederum auf das abstrahierende, positive Verhaltensmodell der neoklassischen liberalen Wirtschaftstheorie zurückzuführen, wonach Individuen im marktwirt­ schaft­lichen System unter der Annahme deren Verhaltens als sog. homo oeco­ nomicus im Rahmen einer gebildeten Präferenzordnung rational als private Nutzenmaximierer agieren.734 Nach diesem Prognosezwecken dienenden Modell streben Wirtschaftssubjekte in Ausübung ihrer privatautonomen Entscheidungsfreiheit nach dem größtmöglichen Nutzen.735 Während Verbraucher als private Haushalte ihren Nutzen im Einzelfall entsprechend ihrer individuellen Präferenzordnung auch ohne objektiv bewertbare Positionen steigern können (gleichwohl ist auch die private Nutzenmaximierung in Anbetracht zufließender Gegenleistungen regelmäßig vermögensmäßig bezifferbar), liegt diesem Modell die Annahme zugrunde, dass Wirtschaftssubjekte im unternehmerischen Verkehr ihren Nutzen durch Gewinnsteigerung maximieren.736 Daraus resultiert die Annahme, dass Individuen und Kollektive über ihre Güter nur in der Erwartung verfügen, dass sie dafür mindestens ein vermögensausgleichendes Äquivalent erhalten. Privatautonom würden sie nicht auf eine Vermögensposition verzichten, wenn sie dafür voraussichtlich weniger bekommen würden. „[D]as Recht selbst scheint von diesem Modell auszugehen.“737 Die Leistungsorientierung schuldrechtlicher Verbindlichkeiten führt im marktwirtschaftlichen Rechtsleben dazu, dass Schuldverhältnisse, die auf rechts­geschäftlicher Grundlage begründet werden (vgl. §  311 BGB), in der Regel in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, weil sie dann den Nutzen beider Parteien fördern und für jeden Vorteile bringen.738 Insoweit spricht man von gegenseitigen Rechtsverhältnissen.739 §  320 Abs.  1 Satz  1 BGB ist Ausdruck des Kerngedankens von Leistung und Gegenleistung.740 Das sich am Parteiwillen orientierende Synallagma ist zwar terminologisch auf ein Zweipersonenverhältnis zugeschnitten, dies steht aber einer Anwendung auf Mehrpersonenverträge 733 Vgl.

S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  248 ff., 269 ff., 291 ff., 316 ff. Diacon, CES Working Papers (CESWP) 2014, 29 (30 ff.); Eidenmüller, JZ 2005, 216 (217 ff.); H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Einleitung 4., 3.1.2, 4.1 m. w. N., 4.3.3; Einschränkungen von dieser Rationalitätsannahme nimmt die sog. Verhaltens­ ökonomik vor, Brzezicka/Wisniewski, Contemporary Economics (CE) 8 (2014), 353 (353 ff.); Weizsäcker/Kocher/Gelhaar u. a., ifo Schnelldienst 68 (2015), 3 (3 ff.); vgl. H.-B. Schäfer/­Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 4.2, eine Abkehr vom Verhaltensmodell des homo oeco­nomicus aber ablehnend, 4.3.2.2, 4.3.3. 735 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216 (217 f.). 736  H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 3.2.3.1. 737  Eidenmüller, JZ 2005, 216 (218) sodann aber mit kritischen Erwägungen. 738 Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 13.1. 739  Vgl. RGZ 147, 340 (342); BGH, Uv. 21.10.1954    – IV ZR 128/54, BGHZ 15, 102 = juris-­ Rn.  25 ff. 740  Tettinger, in: NK-BGB, §  320 Rn.  1 ff.; vgl. S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  248 ff. 734 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

oder Ringgeschäfte nicht entgegen.741 Durchbrechungen dieses Grundsatzes zeigen sich etwa in den Regelungen über den Auftrag oder anhand des aus der Geschäftsführung ohne Auftrag entstehenden Schuldverhältnisses; diese sind keine gegenseitigen Verträge im Sinne der §§  320 ff. BGB.742 Auch wenn mit einer Leistung im Rahmen dieser Schuldverhältnisse keine gegenseitige Leistung korrespondiert, zeigen die §§  683, 670 BGB, dass der Gesetzgeber regelmäßig    – auch für nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungsbeziehungen    – ein ausgleichendes Äquivalent für eine (geleistete) Vermögenseinbuße vorsieht, weil in Anbetracht des Grundsatzes der Selbstbestimmung ohne ausdrückliche Erklärung nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Partei des Schuldverhältnisses auf die Geltendmachung ihrer Präferenzen verzichtet.743 So begründet auch die Mitgliedschaft (als Konsequenz eines mehrseitigen Rechtsgeschäfts) Rechte und Pflichten, die zwar einem interessenadäquaten Äquivalenzausgleich dienen, jedoch nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen; so verhält sich etwa die Beitragspflicht zu den mitgliedschaftlichen Rechten nicht synallagmatisch.744 Auch Schuldverhältnisse mit gesetzlicher Basis gehen in der Regel von einem Äquivalenzverhältnis der Leistungsbeziehungen aus (vgl. insoweit die sachenrechtlichen, bereicherungsrechtlichen sowie deliktsrechtlichen Regelungsregime).745 Dem liegt die rechtspolitische Annahme zugrunde, dass    – entsprechend privatautonomer Verhaltensweisen in einem marktwirtschaftlichen System    – grundsätzlich niemand eine Rechtsposition einbüßen soll, ohne dass er für diese ein ausgleichendes Äquivalent erhält, welches indes anhand subjektiver, objektiver sowie funktionaler Kriterien zu be­ urteilen ist.746 Diese Wertung fußt einerseits auf der Privatautonomie sowie andererseits auf der diese flankierenden Eigentumsgarantie.747 3. Auf den Schuldner beschränkte Vermögensberechtigung Wird nach diesen Grundsätzen rechtsgeschäftlich eine schuldrechtliche Verbindlichkeit begründet, ist es nur die Gesellschaft als Rechtssubjekt und Vertragspartner, die aus dem Schuldverhältnis berechtigt und verpflichtet wird. Nur sie nimmt durch ihre Organwalter oder rechtsgeschäftlichen Vertreter an dem privatautonomen Aushandlungsprozess teil und ausschließlich ihrem Ver741 

Tettinger, in: NK-BGB, §  320 Rn.  4. BGH, Uv. 21.10.1954    – IV ZR 128/54, BGHZ 15, 102 = juris-Rn.  25 ff. 743 Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 13.2. 744 Vgl. RG, Uv. 29.4.1920     – IV 518/19, RGZ 100, 1–3 (3); Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  38 Rn.  10; Tettinger, in: NK-BGB, §  320 Rn.  4. 745 Vgl. S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  312 ff. 746  Zum Erfordernis eines ausgleichenden Äquivalents für eine Vermögenseinbuße, vgl. Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  66 ff., 68; Brinkmann, Kreditsicherheiten an beweglichen Sachen und Forderungen, S.  259 ff.; zum Begriff „haftungs­ rechtlicher Surrogation“, Eckardt, ZIP 1999, 1417 (1422). 747 Vgl. Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  15 II 1, 5 b, n; Flume, Das Rechtsgeschäft, §  1. 742 

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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mögen werden Vermögenswerte abgezogen bzw. durch ein vermögensmäßiges Äquivalent ausgeglichen. Insbesondere bei ordnungsrechtlichen Regelungen    – wie im Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen    – sowie im Konzernrecht ist ein Trend dahin­ gehend zu beobachten, dass anstelle einer auf den Rechtsträger bezogenen Betrachtung eine funktionale Bewertung dahingehend vorgenommen wird, wer den wirtschaftlichen Nutzen einer Transaktion erhält. Daran anknüpfend werden gesetzlich angeordnete Verpflichtungen auf die gesamte wirtschaftliche Einheit bezogen. Mit Blick auf die mitgliedschaftliche Teilhabe der Gesellschafter an einer Personengesellschaft stellt sich die Frage, ob durch die Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit    – ungeachtet der auf die Gesellschaft beschränkten schuldrechtlichen Berechtigung im engeren Sinne    – neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter wirtschaftlich berechtigt werden. In Anbetracht einer derartigen wirtschaftlichen Berechtigung könnte §  128 HGB eine funktionale Bewertung von Gesellschaftsverbindlichkeiten zugrunde gelegt werden, wonach aus der wirtschaftlichen Berechtigung der Gesellschafter unmittelbar eine schuldrechtliche Einstandspflicht folgt, wie sie dem marktwirtschaftlichen Güteraustausch entspricht. Bei hinreichender wirtschaftlicher Berechtigung stellte §  128 HGB ein vermögensmäßiges Äquivalent dar, welches dazu führen könnte, dass das Schuldverhältnis im weiteren Sinne zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern auf die Gesellschafter zu erstrecken ist. Die Gesellschafter werden an dem Schuldverhältnis allerdings nur mittelbar über ihre Mitgliedschaft sowie die daran anknüpfenden Vermögensrechte beteiligt.748 Angesichts der Rechtssubjektivität der Personenverbände sowie der damit einhergehenden Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern sind die Mitglieder nur über ihre Gesellschaftsanteile mit der Gesellschaft verbunden und leiten daraus prozentuale, teilweise verzögert bilanziell zu verbuchende Gewinn- und Entnahmerechte ab. Stellt man diesen Ansprüchen die persönliche Haftung nach §  128 HGB gegenüber, bleibt die in den mitgliedschaftlichen Vermögensrechten zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Berechtigung wertmäßig hinter der vollen Einstandspflicht zurück. Der abweichende Umfang wirtschaftlicher Berechtigung von Gesellschaft und Gesellschaftern zeigt sich maßgeblich an den unterschiedlichen verfolgten Interessen. Während sich jede schuldrechtliche Berechtigung unmittelbar in dem Gesellschaftsvermögen niederschlägt, sodass die Gesellschaftsinteressen daran ausgerichtet werden können, kennzeichnet sich das Gesellschafterinteresse dadurch, dass die Gesellschaftsbeteiligung einerseits einem egoistischen Alimentationsinteresse dient,749 insbesondere zur Zinsdeckung der Geldanlage, andererseits die Gesellschafterinteressen auf eine mittelfristige Steigerung des sich 748 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  122 Rn.  6 , 26.

749 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

im Kapitalanteil niederschlagenden Unternehmenswerts gerichtet sind, welcher sich zuletzt im Rahmen einer Gesellschaftsliquidation realisieren lässt.750 Vor diesem Hintergrund kann die aus §  128 HGB folgende Verpflichtung der Gesellschafter nicht als funktionale Reaktion auf eine gleichförmige wirtschaft­ liche Berechtigung von Gesellschaft und Gesellschaftern durch eine Gesellschaftsverbindlichkeit verstanden werden, die der zweiseitigen Leistungsorientierung von Schuldverhältnissen entspräche. Eine vergleichbare Emanzipation der Gesellschafterinteressen gegenüber den Belangen der schuldrechtlichen Vertragsparteien zeigt sind im Falle der Insolvenz der Gesellschaft. Ausgehend von dem primären Regelungsanliegen der InsO sind es unmittelbar ausschließlich die Gesellschaftsgläubiger, die von der besonderen Gesellschaftsliquidation profitieren sollen. Zwar sieht die InsO Institute    – wie die Eigenverwaltung oder das Insolvenzplanverfahren751    – vor, die augenscheinlich auch dem Gesellschafts- bzw. mittelbar dem Gesellschafterinteresse dienen, letztlich partizipieren die Gesellschafter aber lediglich ideell an entsprechend ausgestalteten Insolvenzverfahren. So handeln die Gesellschafter im Rahmen der Eigenverwaltung auch nur als besondere Drittliquidatoren im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit752    – ohne diesbezüglich gesellschaftsrechtlichen Bindungen zu unterliegen753    – und sind damit korrespondierenden Schadensersatzverpflichtungen ausgesetzt (§§  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3, 60, 61 InsO).754 Die Geschäftsleiter agieren im Rahmen der Eigenverwaltung als Folge der    – §  80 InsO entsprechenden    – Kompetenzzuweisung gemäß §  270 Abs.  1 Satz  1 InsO hinsichtlich der Schuldnergesellschaft mit den gleichen vermögensbezogenen, liquidationsrechtlichen Kompetenzen wie ein Insolvenzverwalter.755 Zwar sieht §  270 Abs.  1 Satz  1 InsO die Kompetenzzuweisung an den Schuldner vor, sodass es der innergesellschaftsrechtlichen Organisation überlassen sein könnte, wie die diesbezügliche Willensbildung zustande kommt. Der Gleichlauf des Verfügungsrechts der Gesellschaftsorgane mit dem des Insolvenzverwalters führt vor dem Hintergrund des §  1 InsO aber dazu, dass das Verfügungsrecht ausschließlich an den Interessen der Gläubigergesamtheit auszurichten ist. Bloß diesem sind die Schuldnerorgane verpflichtet, sodass die Ge750  Vgl. zu den unterschiedlichen Interessen von Gesellschaft und Gesellschaftern, A. Hueck, in: FS Hübner. S.  85 f. 751 Vgl. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  592 ff. 752  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb). 753  Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S.  218 f.; H. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777 (780 f.); a. A. Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406 (407 ff.); differenzierend nach dem Schutzbereich gesellschaftsrechtlicher Regelungen, Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  595 f. 754  Vor der Novellierung des §  276a Abs.  2 InsO bemühte die h. M. eine Analogie zu den §§  60, 61 InsO. Vgl. BGH, Uv. 26.4.2018    – IX ZR 238/17, juris-Rn.  10 ff.; Bachmann/Becker, NJW 2018, 2235 (2236 ff.); Bitter, ZIP 2021, 321 (334 f.). 755  H. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777 (780 f.).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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schäftsleiter die Organfunktion wie Drittliquidatoren auszuüben haben. Die verbleibenden gesellschaftsrechtlichen Organkompetenzen werden dabei im gleichen Umfang überlagert wie im Regelverfahren,756 sodass gesellschaftsrechtliche Bindungen hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Liquidationskompetenzen nicht in Betracht kommen.757 Auch eine Sanierung des Unternehmens wird ausschließlich im Gläubigerinteresse durchgeführt,758 nämlich nur dann, wenn im Falle der Sanierung kein Gesellschaftsgläubiger schlechtergestellt würde als im Falle der Liquidation (vgl. etwa §  245 Abs.  2 Nr.  2 InsO). Soweit teilweise danach differenziert wird, ob gesellschaftsrechtliche Vorgaben ausschließlich dem Schutz der Mitglieder dienten,759 wird dies dem Erfordernis des Tätigwerdens im Gläubigerinteresse nicht gerecht. 4. Zwischenergebnis Die vorstehend herausgearbeiteten Ergebnisse haben für die Personenverbände die folgenden Konsequenzen: Die Rechtsbeziehung eines Personenverbandes gegenüber ihren Gläubigern ist als schuldrechtliches Rechtsverhältnis zu qualifizieren. Die §  128 HGB zugrundeliegende schuldrechtliche Verbindlichkeit verhält sich dabei als das konstituierende Element des Schuldverhältnisses im engeren Sinne. Dieses besondere Rechtsverhältnis ist als schuldrechtliche Leistungsbeziehung durch den Zusammenhang von Schuld und Forderung geprägt, ohne dass dies zu einer Beschränkung auf Zweipersonenverhältnisse führt. Während sich im Rahmen einer Bruchteilsgemeinschaft mehrere Rechtsträger einheitlich in der Stellung als Gläubiger eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne wiederfinden können, führt die schuldrechtliche Verpflichtung mehrerer Rechtssubjekte dazu, dass gegenüber jedem einzelnen Vermögensträger ein Schuldverhältnis im engeren Sinne begründet wird, diese aber durch ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne verklammert werden können. Nichtrechtsfähige Personenmehrheiten in einer einzelnen Schuldnerstellung sind deshalb nicht denkbar, weil Verpflichtungssubjekt einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit stets ein vermögenstragendes Rechtssubjekt sein muss, wie es etwa durch die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks konstituiert wird. Erst die Bildung eines rechtssubjektsgetragenen Haftungsvermögens ermöglicht den Gläubigern die Realisierung einer Verbindlichkeit. Vor diesem Hintergrund führt §  128 HGB auch nicht zu einer Durchbrechung der Relativität schuld­ rechtlicher Leistungsbeziehungen, weil die Haftungsanordnung eine zusätz­ 756 Vgl. zum Regelverfahren sowie zur vorläufigen Insolvenzverwaltung, Wellensiek/ Flitsch, in: FS Fischer, S.  583 f. 757 Vgl. H. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777 (780); a. A. Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406; differenzierend Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  595 f. 758 Vgl. Bitter, ZGR 39 (2010), 147 (189 ff.); Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  352 ff.; U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  414 f. 759  Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  595 f.

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liche zweiseitige Leistungsbeziehung gegenüber den Gesellschaftern zur Entstehung bringt und nicht eine vorhandene auf zusätzliche Personen ausdehnt. Die Rechtsbeziehungen der Gläubiger gegenüber den haftenden Gesellschaftern unterliegen sodann ihrerseits einer eigenständigen schuldrechtlichen Bewertung. Zwar ist die wechselseitige Beziehung von Schuld und Forderung auf ­einen einseitigen Leistungsaustausch beschränkt, allerdings kommt in den Regelungen über das Synallagma schuldrechtlicher Leistungsbeziehungen zum Ausdruck, dass im selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Aushandlungsprozess marktwirtschaftlicher Beziehungen Verpflichtungen regelmäßig nur gegen ein aus subjektiver Sicht ausgleichendes Äquivalent eingegangen werden.760 Vor diesem Hintergrund ist auch die durch §  128 HGB angeordnete Haftung des Gesellschaftervermögens zu würdigen. Unter Berücksichtigung der abweichenden Interessen von Gesellschaft und Gesellschaftern sowie der bloß mitgliedschaftlich vermittelten Wertbeteiligung wird deutlich, dass die Gesellschafter im Verhältnis zu der durch §  128 HGB angeordneten Haftung jedenfalls unmittelbar keine vermögensäquivalente wirtschaftliche Besserstellung erhalten. III. Repräsentationshaftung von Verbänden für ihr organvermitteltes Eigenhandeln 1. Eigenhandeln des Verbandes durch organschaftliches Verhalten Angesichts der Eigenschaft des Personenverbandes als vermögentragendes Rechtssubjekt ist es wiederum er, der für deliktische Verbindlichkeiten haftet, die er durch das organschaftliche Verhalten seiner Gesellschafter selbst verwirklicht. Im Sinne der sog. „Organtheorie“761    – in Abgrenzung zur sog. „Vertretertheorie“762    – ist bestimmtes deliktisches Verhalten der Organwalter, derer sich der Personenverband im Rechtsverkehr bedient, als Eigenhandeln der Gesellschaft zu qualifizieren.763 Mangels spezialgesetzlicher Regelung richten sich 760 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 761  Vgl. zur sog. Organtheorie in diesem Sinne, v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S.  603; A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  2, §  26 Rn.  11 f.; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, S.  617 f.; Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  26 Rn.  2; Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  21 Rn.  9 ff. 16, §  31 Rn.  1; Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  152 ff.; Weick, in: Staudinger (2005) BGB, §  31 Rn.  2 ff. Der Begriff der „Organtheorie“ wird in anderem Zusammenhang hinsichtlich der Stellung des Insolvenzverwalters verwendet; siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb). 762 Vgl. zur Vertretertheorie, Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band   2, S.  312 ff.; unklar, Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 2, §  27 II 1, S.  107 f.; der Gesetzgeber hat diesen Theorienstreit nach den historischen Gesetzgebungsmaterialien zunächst nicht entschieden, sondern Wissenschaft und Praxis vorbehalten, vgl. Protokolle I, 509; Mugdan I, S.  609; mit abweichendem Ansatz, Klingbeil, ZfPW 2020, 150 (176 ff., 179 ff.). 763 Vgl. Beuthien, DB 1975, 725 (725); Klingbeil, ZfPW 2020, 150 (181); Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  158 f.; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  26; zur PartG (dort noch abweichend zur

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die diesbezüglichen Einzelheiten nach §  31 BGB, der insoweit gewohnheitsrechtlich einen allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz in positivrecht­ licher Gestalt verkörpert (vgl. auch §  89 BGB).764 Angesichts der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung kann dahinstehen, ob man §  31 BGB unmittelbar auf den Personenverband anwendet, weil dieser eine Regelung des Allgemeinen Teils des Verbandsrechts darstellt oder ob man eine Analogie bemüht, weil es sich um eine unmittelbar auf die vereinsrechtlichen Rechtsformen gerichtete Regelung handelt. Ausgangspunkt der Einstandspflicht eines Verbandes für das Verhalten seiner Organe sowie der diese besetzenden Organwalter ist die rechtspolitische Überzeugung, dass Vor- und Nachteile der Handlungsfähigkeit eines Rechtssubjekts korrelieren sollen; ein Rechtsubjekt soll für die Folgen seines eigenen, organschaftlich vermittelten Handelns einstehen müssen (sog. „Risiko-­ Nutznießungsgedanke“).765 Mit Blick auf die organisationsrechtliche Verselbstständigung des Verbandes sowie die daraus resultierende verbandsrechtliche Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern wird aus dieser rechtspolitisch veranlassten Billigkeitserwägung der Haftungsvermittlung an den Verband durch die „Zurechnungs“-Vorschrift des §  31 BGB eine notwendige haftungsrechtliche Konsequenz, weil mit der Vermögenstrennung das Verbandsvermögen sonst zur Befriedigung geschädigter Dritter schlichtweg nicht zur Verfügung stünde.766 Entsprechend dieser Erwägung wurde mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR auch unmittelbar die analoge Anwendung des §  31 BGB thematisiert.767 Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der sog. Repräsentationshaftung um ein allgemeines verbandsrecht­ liches Institut handelt, welches in seiner „Allgemeingültigkeit“ einerseits eine „rechtspolitische Notwendigkeit“ darstellt, andererseits mit Blick auf die, aus der Rechtsfähigkeit resultierende, Handlungs- und Willensfähigkeit des Verbandes eine Selbstverständlichkeit ist, bedarf es für die unmittelbare „Zurechnung“ des Organhandelns an den Verband    – das Organ ist organisatorisches Glied der Verbandsorganisation    – nicht notwendig einer gesetzlichen Anknüp-

GbR), ders., in: FS Vieregge, S.  365 f.; noch die „Haftung für andere“ Gesellschafter in den Vordergrund stellend, ders., AnwBl 1996, 3 (7 ff.); Markworth, Scheinsozius und Scheinsozie­ tät, S.  54 f.; vgl. zur Wissenszurechnung, Grunewald, in: FS Beusch, S.  302 ff., 318 f.; Begr. zu §  720 BGB-E RegE MoPeG, S.  187 („Selbsthandeln der Gesamthand“). 764  BGH, Uv. 8.2.1952    – I ZR 92/51, NJW 1952, 537 (538); Beuthien, DB 1975, 725 (725); Henssler, PartGG, §  8 Rn.  28 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  10 IV; vgl. Begr. zu §  721 BGB-E RegE MoPeG, S.  191; Fleischer, DStR 2020, 2137 (2138); kritisch, Geibel, ZRP 2020, 137 (139 f.). 765  Motive I, S. 103 = Mugdan I, S. 409; Flume, Die juristische Person, S.  382 ff., 390; Heidel/ Lochner, in: NK-BGB, §  31 Rn.  1; Offenloch, in: BeckOGK BGB, Stand: 15.11.2020, §  31 Rn.  3; siehe aber Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  155 ff., 157; zur Wissenszurechnung, Grunewald, in: FS Beusch, S.  305, 318 f. 766  Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  158 f. 767  M.w.N. Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  159 Fn.  126; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  29 f.

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fung.768 §  31 BGB verkörpert aber eine tatbestandliche Konkretisierung dieses Rechtsinstituts. Daher erscheint die normative Anknüpfung für alle Verbände zulässig.769 §  31 BGB ist insoweit Ausdruck der sog. Organtheorie.770 Teilweise wird vertreten, dass die Regelung des §  31 BGB nicht auf dem Verständnis der Organtheorie in diesem Sinne beruhe, sondern vielmehr ausschließlich auf Billigkeitserwägungen zurückgeführt werde.771 Dieser Ansatz ist demgegenüber nicht mehr mit dem Umstand vereinbar, dass nunmehr alle Personenverbände, die am Rechtsverkehr teilnehmen, als rechtsfähig anerkannt werden und über ein eigenes Verbandsvermögen verfügen. Zwar ist §  31 BGB positiv-rechtlich als Zurechnungsvorschrift konzipiert,772 sodass man daraus ein Verständnis ab­ leiten könnte, wonach das „Dasein [des Verbandes] auf dem vertretenen Willen bestimmter einzelner Menschen [beruht], der ih[m], in Folge einer Fiktion, als [sein] eigener Wille angerechnet wird“,773

jedoch handelt es sich bei der in §  31 BGB zum Ausdruck kommenden Repräsentationshaftung um einen Teil des Personenrechts, der dort eine Vermittlung des Organverhaltens natürlicher Personen erfordert, wo es auf ein Eigenverhalten des Verbandes ankommt, welches dieser ohne seine Organe, weil er keine natürliche Person ist, nicht verwirklichen kann.774 Die Repräsentationshaftung macht den Verband zum Träger von Schadensersatzpflichten, die nach anderen Regelungen begründet werden und anderenfalls individuell die Repräsentanten treffen würden, wenn sie nicht als Organwalter des Verbandes, sondern als Privatpersonen gehandelt hätten.775 Durch das Organverständnis ist der Verband vermittels seiner Organe selbst Willens- und Handlungsträger,776 ohne dass es der Zurechnung eines Vertreterhandelns bedürfte;777 dies ist die Funktion der Organe als Glieder des Verbandes. Das Handeln der Organwalter wird dem Verband daher dergestalt „zugerechnet“, dass es diesem als echtes Eigenhandeln    – ohne Exkulpationsmöglichkeit    – vermittelt wird.778 Soweit die organ768 

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  10 IV 1, 2; vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  28. Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  159 f. 770  Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  31 Rn.  1; a. A. Flume, Die juristische Person, S.  385. 771  Flume, Die juristische Person, S.   385; vgl. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band  2, S.  312; siehe aber Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  151, 158 f. 772  Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  151. 773  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band  2 , S.  312; vgl. Flume, Die juristische Person, S.  385; siehe aber Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  21 Rn.  14 ff. 774  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  10 IV 3, 1. 775  Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  1. 776 Vgl. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S.  624 f. 777  Beuthien, DB 1975, 725 (725). 778  Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  1; Heidel/Lochner, in: NK-BGB, §  31 Rn.  1; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  31 Rn.  1 Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  31 Rn.  1, §  21 Rn.  16; a. A. Flume, Die juristische Person, §  11 III, S.  381 ff.; siehe auch Dörner, in: HKBGB, §  31 Rn.  1. 769 Vgl.

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schaftlichen Gesellschafter bei der Verwirklichung eines deliktischen Tatbestandes, als eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung, in Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen handeln, handelt es sich entsprechend §  31 BGB um ein deliktisches Verhalten der Gesellschaft.779 Das organschaftlich vermittelte Eigenhandeln der Gesellschaft gemäß §  31 BGB (analog) ist von der Zurechnung fremden Verhaltens abzugrenzen, wie sie etwa nach den §§  831, 278 BGB zu einer Einstandspflicht der Gesellschaft führen kann. So kommt gemäß §  831 BGB eine Haftung der Gesellschaft für Handlungen von angestellten Verrichtungsgehilfen    – wie dem Prokuristen    – in Betracht.780 Auch §  278 BGB setzt keine Organstellung des Erfüllungsgehilfen voraus. 2. Keine Anwendung des §  278 BGB auf Organhandeln Die §§  31 und 278 BGB beruhen auf einer vergleichbaren Billigkeitsidee.781 Daher wird teilweise ein Spezialitätsverhältnis von §  278 BGB für den Fall des Bestehens einer schuldrechtlichen Sonderverbindung angenommen, weil dieser unmittelbar an die §§  241 ff. BGB anknüpft.782 Dementsprechend käme einerseits eine Beschränkung der Anwendung des §  31 BGB auf den außervertrag­ lichen Bereich in Betracht,783 andererseits ginge mit der Anwendung des §  278 Satz  2 BGB aber die Möglichkeit einer Haftungsfreizeichnung auch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einher (vgl. §  276 Abs.  3 BGB, der für unanwendbar erklärt werden würde).784 Demgegenüber nimmt die überwiegende Auffassung, aufbauend auf der Organtheorie, einen Vorrang des §  31 BGB vor den §§  241 ff., 278 BGB auch im Rahmen schuldrechtlicher Sonderbeziehungen an.785 So geht mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit von allen Außengesellschaften einher, dass diese, weil sie als Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilnehmen, spiegelbildlich zu den daraus resultierenden Vorteilen, die gleichen Nachteile zu tragen haben, wie sie natürliche Personen treffen. §  276 Abs.  3 BGB ordnet für natür­ liche Personen an, dass die Haftung für den eigenen Vorsatz nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erlassen werden kann; dieses „rechtsethische Prinzip“786 779 

A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  274. A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  275; vgl. Begr. zu §  720 BGB-E RegE MoPeG, S.  187. 781  Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  155. 782  Flume, Die juristische Person, §  11 II 5, S.  395 ff., 398, der aber für §  31 und §  278 BGB entgegen der Organtheorie gleichermaßen von der Zurechnung fremden Verhaltens ausgeht; Dörner, in: HK-BGB, §  31 Rn.  1; Weick, in: Staudinger (2005) BGB, §  31 Rn.  3; noch offen lassend, BGH, Uv. 12.7.1977    – VI ZR 159/75, juris-Rn.  23, ff.; a. A. Beuthien, DB 1975, 725 (725). 783  Vgl. m. w. N. zu beiden Auffassungen, Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  152 ff. 784  Siehe aber Flume, Die juristische Person, §  11 III 5, S.  397. 785  BGH, Uv. 6.4.1984    – II ZR 119/83, BGHZ 90, 92–95 = juris-Rn.  12; BGH, Uv. 8.12.­ 1989    – V ZR 246/87, BGHZ 109, 332–333 = juris-Rn.  16; BGH, Uv. 14.6.2004    – II ZR 395/01, BGHZ 159, 280–294 = juris-Rn.  36; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  27; ders., in: FS Vieregge, S.  365 ff.; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  31 Rn.  1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  10. Siehe aber BT-Drucks. 12/6152, S.  17 zum PartGG; dazu Henssler, PartGG, §  8 Rn.  27, 39. 786  So auch Flume, Die juristische Person, §  11 III 5, S.  397. 780 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

hat auch für alle Verbände zu gelten, denen das Verschulden ihrer Organwalter als Eigenverschulden vermittelt wird. Die Anwendung des §  278 BGB auf organschaftliches Verhalten ist damit unvereinbar, sodass diese Vorschrift §  31 BGB insoweit nicht verdrängen kann. 3. Eingeschränkter Vorrang der Vertretungsordnung Mit Blick auf den Grundsatz des §  31 BGB ist es problematisch, dass ein Verband einerseits zwar seine Handlungsfähigkeit durch seine Organe erfährt, andererseits aber die Handlungsbefugnis der Organwalter durch die organschaftliche Vertretungsmacht begrenzt wird. Für die oHG stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie sich die Vertretungsordnung der §§  125 ff. HGB zur sog. Repräsentationshaftung nach §  31 BGB (analog) verhält. Würde man die Einstandspflicht eines Verbandes entsprechend §  31 BGB für jegliches Verhalten einschlägig erachten, welches in Ausführung zustehender Verrichtungen erfolgt, hätte dies zur Folge, dass auch solche Verhaltensweisen von Repräsentanten als Eigenverhalten des Verbandes zu qualifizieren wären, die die organschaftlichen Gesellschafter in Überschreitung ihrer Vertretungsmacht vornehmen. Die verbandsrechtliche Vertretungsordnung würde auf diese Weise regelmäßig durch die Repräsentationshaftung überlagert. Vor diesem Hintergrund ist das Konkurrenzverhältnis zwischen gesellschaftsrechtlicher Vertretung sowie Repräsentationshaftung fraglich.787 Unproblematisch ist die Anwendung des §  31 BGB beim Handeln im nicht-rechtsgeschäftlichen Bereich. Maßgeblich ist ausschließlich, dass das Handeln in Ausführung der zustehenden Verrichtung erfolgt, mithin in einem engen objektiven Zusammenhang mit dem    – den verfassungsmäßig berufenen Vertretern zugewiesenen    – Aufgabenbereich als Organwalter des Verbandes steht.788 Uneinheitlich behandelt wurde die Frage, wie das Verhältnis beim Handeln im rechtsgeschäftlichen Bereich zu beurteilen ist, wenn die Organwalter ihre Vertretungsmacht überschreiten.789 Fraglich ist dem­ nach in welchem Umfang die Haftung eines Vertreters ohne Vertretungsmacht nach §  179 Abs.  1, Abs.  2 BGB dem Verband als eigene vermittelt werden kann und inwieweit die Repräsentationshaftung für Verbindlichkeiten aus ­culpa in contrahendo sowie aus Delikt in Betracht kommt, wenn diese mit einem Han787 Vgl. A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.   Aufl., §  31 Rn.  36 ff., 39 ff.; Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  23 ff.; Offenloch, in: BeckOGK BGB, Stand: 15.11.2020, §  31 Rn.  107; Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  31 Rn.  20. 788 Siehe Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  23a, 21. 789  Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  24 ff.; Offenloch, in: BeckOGK BGB, Stand: 15.11.­2020, §  31 Rn.  106 ff.; siehe A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  36 ff., 39 ff. m. w. N. zu abweichenden Ansätzen zum Ausschluss der Repräsentationshaftung, zum Ausschluss der Haftung nach §  179 Abs.  1, 31 BGB bei Haftung auf negatives Interesse nach culpa in contrahendo und Delikt (teilweise unter Anwendung des §  179 Abs.  2 BGB), zum Ausschluss der Haftung nach §  179 BGB bei Beschränkung der culpa in contrahendo auf negatives Interesse, zum Ausschluss des §  179 BGB bei uneingeschränkter Haftung aus culpa in contrahendo und Delikt.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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deln ohne organschaftliche Vertretungsmacht zusammenfallen. Bei Variationen im Detail zeichnet sich in Rechtsprechung und Literatur mittlerweile ein für die Untersuchung genügendes einheitlicheres Bild ab. Überwiegend wird ein Vorrang der Vertretungsordnung angenommen, soweit die Annahme der Repräsentationshaftung die Zwecke des Vertretungsrechts vereitelt, weil der Verband ein berechtigtes, gesetzlich anerkanntes Interesse daran habe, die Vertretungsmacht seiner Organwalter durch Satzungsregelung bzw. Registereintragung zu beschränken.790 Der Verband haftet daher nicht, wenn die schuldhafte Pflichtverletzung seiner Organwalter allein im Handeln ohne Vertretungsmacht besteht. Eine Einstandspflicht des Verbandes nach §  31 BGB für Verbindlichkeiten der Vertreter ohne Vertretungsmacht aus §  179 Abs.  1 und Abs.  2 BGB kommt demnach nicht in Betracht, weil diese die Zwecke des Vertretungsrechts wahren. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch in Bezug auf die fehlende Aufklärung über die Grenzen der Vertretungsmacht im Rahmen eines Anspruchs aus culpa in contrahendo, weil dieses Verhalten dem Regelungszweck des §  179 BGB unterfällt und anderenfalls zu einem Wertungswiderspruch führen würde, weil der Verband letztlich doch für das vertretungsmachtslose Verhalten wie bei gegebener Vertretungsmacht einstehen müsste.791 Wird demgegenüber zugleich ein anderer zum Schadensersatz verpflichtender (deliktischer) Tatbestand erfüllt, haftet der Verband, ohne dass es auf den Mangel der Vertretungsmacht ankäme.792 Der Vorrang des Vertretungsregimes ist insoweit überschritten und es kommt nicht zu einem Wertungswiderspruch. Dies gilt nunmehr auch im Rahmen einer Gesamtvertretung, wenn sich die deliktische Handlung nur auf die Fälschung von Unterschriften mitzeichnungsberechtigter Gesellschafter beschränkt.793 Mit Blick auf die Repräsentationshaftung „infiziert“ das deliktische Verhalten das Handeln ohne Vertretungsmacht und lässt es als ein Eigenverhalten des Verbandes erscheinen. Verwirklichen die Organwalter demnach eine unerlaubte Handlung    – unabhängig davon, ob diese bei der Vornahme von Rechtsgeschäften oder geschäftsähnlichen Handlungen erfolgt    –, handelt es sich stets um ein Eigenverhalten der Gesellschaft, wenn das Verhalten in den ihnen gesellschaftsvertraglich zustehenden Verrichtungskreis fällt. Darauf, ob 790  BGH, Uv. 8.7.1986    – VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148–159 = juris-Rn.  8 ff. m. w. N.; A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  39; Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  24; Offenloch, in: BeckOGK BGB, Stand: 15.11.2020, §  31 Rn.  107 ff.; Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  31 Rn.  20; abweichend, Flume, Die juristische Person, §  11 III 3, S.  389 f. 791  Offenloch, in: BeckOGK BGB, Stand: 15.11.2020, §  31 Rn.  109; siehe aber differenzierend, A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  40. 792  Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  25; Offenloch, in: BeckOGK BGB, Stand: 15.11.­2020, §  31 Rn.  109; Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  31 Rn.  20; vgl. A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  41, der insbesondere auf die weitgehende Anwendung des §  254 BGB hinweist. 793  BGH, Uv. 8.7.1986    – VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148–159 = juris-Rn.  8 ff.; Schöpflin, in: Beck­OK BGB, Stand: 1.11.2020, §  31 Rn.  21; anders noch A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  275.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

die handelnden Gesellschafter zur organschaftlichen Vertretung befugt sind, kommt es nicht an. Der Vorrang des Vertretungsrechts beschränkt sich mithin auf ausschließlich rechtsgeschäftliche Verhaltensweisen ohne Vertretungsmacht. Dadurch, dass es sich mit Blick auf die Repräsentationshaftung des Verbandes um die Beurteilung dessen deliktischer Verbindlichkeiten handelt, haben auch Verkehrssicherungspflichten nicht notwendig in der Person der Organwalter zu bestehen, es reicht vielmehr, wenn diese den Verband treffen.794 4. Deliktische Eigenhaftung des handelnden Organwalters neben dem organschaftlich vermittelten Verbandshandeln Fraglich ist ferner, inwieweit die handelnden Organwalter, welche in Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen einen deliktischen Tatbestand erfüllen, weshalb dieses Verhalten dem Verband als dessen Eigenhandeln nach §  31 BGB vermittelt wird, ihrerseits dem Geschädigten deliktsrechtlich haften. Gegen eine derartige Schuldnermehrung könnte sprechen, dass es sich angesichts des Zusammenhangs mit der gesellschaftlichen Tätigkeit bei dem organschaft­ lichen Handeln um ein Verhalten des Verbandes handelt. Allerdings treten die Organwalter den Geschädigten jeweils in einer Person sowohl als Organwalter als auch als natürliche Personen gegenüber. Ist tatbestandlich ein doppelfunk­ tionales Auftreten der Handelnden als Organwalter sowie als Privatpersonen gegeben, sind es der Verband und die natürlichen Personen in ihrer Gesamtheit, die im rechtsgeschäftlichen Bereich an dem privatautonomen Aushandlungsprozess teilhaben bzw. bei deliktsrechtlichen Berührungen gemeinschaftlich in den natürlichen Personen der Organwalter im Rechtsleben in Erscheinung treten und zu Lasten eines Dritten ein Mehr erhalten, welches es aufgrund einer gesetzlichen Wertentscheidung zu kompensieren gilt. Während dem Geschädigten aber einerseits nicht das Vermögen der Gesellschaft als Haftungsverbindung durch den organschaftlich vermittelten Auftritt als Verband am Rechtsverkehr entzogen werden darf,795 können spiegelbildlich auch nicht die natür­ lichen Personen durch ein gleichzeitiges Tätigwerden als Repräsentanten ihr Privatvermögen dem Haftungszugriff des Dritten entziehen. Mit der kumula­ tiven Erfüllung eines zum Schadensersatz verpflichten Tatbestandes sowohl als Organwalter als auch als natürliche Personen    – bei einem Unterlassen setzt dies etwa eine Handlungspflicht in beiden Funktionen voraus    – werden das Gesellschaftsvermögen sowie die Privatvermögen dem Zugriff des (in der Regel deliktischen) Gläubigers funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugeordnet. Folglich ersetzt §  31 BGB nicht die Schadensersatzpflicht der Organwalter, sondern tritt neben diese.796 Gemäß §  840 Abs.  1 bzw. §  421 794 

Str. m. w. N. zum Meinungsstand, A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  31. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.III.1. 796 Vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (103 f.); zu §  93 InsO, LG Chemnitz, Uv. 15.6.2020    – 5 O 1454/18, ZIP 2020, 1826 (1827 ff.). 795 

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BGB handelt es sich dabei um eine gesamtschuldnerische Haftung, weil der Geschädigte durch die verbandsrechtlich vermittelte Schuldnermehrung, jedenfalls der Höhe nach, keine Besserstellung erfahren darf.797 Kommt es zu einer parallelen deliktischen Verantwortlichkeit, kommen neben den Regeln der ­Gesamtschuld auch gesellschaftsintern Schadensersatzansprüche wegen einer Treue­pflichtverletzung in Betracht,798 wobei innenrechtlich privatautonom    – gegebenenfalls konkludent    – vereinbarte Regressansprüche zu beachten sein können.799 Für die weitere Untersuchung ist lediglich entscheidend, dass durch ein organschaftliches Fehlverhalten (zumindest auch) eine Verbindlichkeit der Gesellschaft begründet wird. So ist insbesondere die Frage der Eigenhaftung der natürlichen Personen für eine selbst begründete Verbindlichkeit neben einer Haftungsvermittlung nach §  31 BGB von der gesellschaftsrechtlichen Einstands­ pflicht als Gesellschafter für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft zu unterscheiden, diese richtet sich nach §  128 HGB.800 Während im ersten Fall die tatbestandlichen Haftungsvoraussetzungen durch die natürlichen Personen selbst erfüllt werden, setzt §  128 HGB eine Verbindlichkeit der Gesellschaft voraus, die gegebenenfalls durch das Organverhalten als Eigenhandeln des Verbandes vermittelt wird. Nicht Gegenstand vertiefter Untersuchung soll demgegenüber die Ausweitung des §  31 BGB auch auf nicht organschaftliche Repräsentanten sein,801 weil sich diese mit Blick auf den eigentlichen Untersuchungsfokus der aus §  128 HGB folgenden Haftungsverfassung lediglich als weitere Möglichkeit der Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit darstellt, wie sie ebenfalls mittels organschaftlicher Vertretung sowie durch rechtsgeschäftlich vertretungsberechtigte Gesellschafter herbeigeführt werden kann. IV. Zwischenergebnis Die von §  128 HGB in Bezug genommenen    – ein Schuldverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern konstituierenden    – Verbindlichkeiten können folglich auf jeglichem schuldrechtlichen Rechtsgrund beruhen. Sie ergeben sich ­insbesondere aus einer privatautonomen Vereinbarung im Rahmen von Rechts­ geschäften. Diesbezüglich handelt die Gesellschaft selbstbestimmt und eigen­ verantwortlich im Rechtsverkehr durch ihre Organe. Diese können kraft gesetzlicher Anordnung, verbandsrechtlicher Willensbildung sowie gesellschafts797  BGH, Uv. 8.5.2014    – I ZR 210, juris-Rn.  56; A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  45; Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  28; Heidel/Lochner, in: NK-BGB, §  31 Rn.  14; Offenloch, in: BeckOGK BGB, Stand: 15.11.2020, §  31 Rn.  141; vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (103 f.). 798  A. Hueck, in: FS Hübner, S.  7 7. 799 Vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (104). 800  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 A.IV. 801  A. Arnold, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  31 Rn.  4 f.; Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  31 Rn.  9 ff.; Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  151; Schwennicke, in: Staudinger (2019) BGB, §  31 Rn.  23 ff.

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vertraglicher Vereinbarung gebildet werden. Zuständig ist unabhängig von abweichend regelten Zuständigkeitsordnungen auch die Gesellschaftergesamtheit im Rahmen der Mitgliederversammlung als dem obersten Willensbildungsorgan eines jeden Verbandes. Auf der Grundlage des kollektiv gebildeten Verbandswillens agiert die Gesellschaft im Außenverhältnis unmittelbar durch das Verhalten ihrer Organe, ohne dass es einer Zurechnung des Verhaltens natürlicher Personen bedarf; es handelt sich um unmittelbares Eigenhandeln der Gesellschaft. Wird durch ein entsprechendes Organverhalten die Gesellschaft im Rahmen von Schuldverhältnissen berechtigt bzw. verpflichtet, ist es unmittelbar nur ihr Vermögen, welches dem Haftungszugriff aus einer Verbindlichkeit unterworfen wird, sowie sie, die unmittelbar wirtschaftlich Berechtigte der schuldrechtlichen Beziehung ist. Die Gesellschafter werden lediglich mittelbar über ihre mitgliedschaftliche Wertbeteiligung sowie die damit verbundenen Wertrechte und realisierbaren Ansprüche begünstigt. 802 Ausgehend vom vorzugswürdigen Organverständnis ist es ebenso die Gesellschaft selbst, die unter Anknüpfung an §  31 BGB einen deliktischen Tatbestand verwirklicht und damit verbunden einer deliktischen Verbindlichkeit unterworfen wird, auf die sich §  128 HGB beziehen kann. Das mit der Sachverhaltskomponente der Verbindlichkeit von §  128 HGB zugrunde gelegte Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern ist in Anbetracht der schuld- und verbandsrechtlichen Grundlagen strikt zu trennen von dem Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu den Gesellschaftsgläubigern. Dieses wird von §  128 HGB unter tatbestandlicher Verknüpfung von Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterstellung mit der Rechtsfolge der Haftung begründet.

C. Haftung der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit des Personenverbandes Aufbauend auf der Analyse der von §  128 HGB zugrunde gelegten Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu den Gesellschaftern bzw. zu ihren Gläubigern sowie der damit verbundenen schuld- und vermögensrechtlichen Konsequenzen, wie sich diese aus der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft als Personenverband ergeben, soll im Folgenden untersucht werden, wie Gesellschaftsverbindlichkeiten von §  128 HGB in Bezug genommen und zur dort geregelten Haftung normativ in Beziehung gesetzt werden. §  128 HGB regelt, dass die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft „haften“. Fraglich ist, wie diese Regelungsanordnung rechtlich zu qualifizieren ist.

802 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa).

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I. Tatbestandselement und Rechtswirkung Der sprachlich ermittelbare Sinnzusammenhang des §  128 HGB, der für die persönliche Haftung der Gesellschafter auf eine bereits begründete Verbindlichkeit der Gesellschaft abstellt, indiziert, dass „haften“ im Rahmen von §  128 HGB kein rechtsfolgenbegründendes Tatbestandsmerkmal ist, sondern aus­ füllungsbedürftiger Rechtsfolgenausspruch.803 Die Rechtsnorm des §  128 HGB verbindet das Tatbestandselement der Verbindlichkeit der Gesellschaft mit dem der Gesellschafterstellung und ordnet ein „haften“ der Gesellschafter als Rechts­wirkung an. Tatbestandselement und Rechtswirkung sind nach dem Wortlaut der Vorschrift also nicht dasselbe, sondern das eine setzt das andere voraus.804 Eine derartiges Normverständnis steht in Einklang mit der Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaften sowie der getrennten Zuordnung des Gesellschaftsvermögens und der Privatvermögen der Gesellschafter, weil Verbindlichkeiten der Gesellschaft in dem Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern begründet werden und die Inanspruchnahme einer zusätzlichen Vermögensverbindung einer gesetzlichen Anordnung bedarf, die ihrerseits rechtlich rechtfertigungsbedürftig ist. II. Schuld und Vermögenshaftung Aufbauend auf dieser den sprachlichen Satzsinn ermittelnden Auslegung ist fraglich, inwiefern der terminologischen Unterscheidung des §  128 HGB zwischen einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit der Gesellschaft    – der Schuld    – sowie der daran anknüpfenden Haftung der Gesellschafter eine materiell-rechtliche Bedeutung zukommt. Eine diesbezügliche Beurteilung erfordert eine allgemeine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Schuld und Haftung. Diese betrifft neben dem durch §  128 HGB begründeten Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu den Gesellschaftsgläubigern auch das Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern. Fraglich ist etwa, inwiefern sich eine Haftung der Gesellschaft gegenüber ihren Gläubigern von der Haftung der Gesellschafter für eine Gesellschaftsverbindlichkeit unterscheidet. Haftung im materiell-­ rechtlichen Sinne wird teilweise als „das Unterworfensein [des] Vermögens unter den Zugriff der Gläubiger in der Zwangsvollstreckung“ verstanden.805 Teilweise wird Haftung allgemeiner definiert als „staatliche[r] Rechtszwang, dem das Vermögen des Schuldners bei Nichterfüllung der Verbindlichkeit ausgesetzt

803 

Vgl. etwa K. Schmidt, in: FS Goette, S.  460 f. Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (144 f.). 805  Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  2 2; dem folgend, Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  30; siehe auch Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  33; Medicus/­ Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  19; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  240. 804 

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ist“.806 Demgegenüber sei Haftung nach dem Verständnis des §  128 HGB ein wirkliches Leistensollen, also ein „schulden“. 807 Fraglich ist, inwiefern dieses Verständnis dem Regelungsgehalt des §  128 HGB gerecht wird. An dieser mit Blick auf den Wortlaut problematischen Qualifikation erscheint jedenfalls zutreffend, dass die Gesellschafter den Gesellschaftern letztlich etwas leisten sollen und somit etwas schulden. Damit ist indes noch keine Aussage über die Verbindung der Haftung mit der Gesellschaftsschuld sowie das allgemeine Verhältnis von Schuld und Haftung getroffen. Erst anhand dieser Beziehungen lässt sich die Rechtsfolge des §  128 HGB bestimmen. 1. Vermögensrechtliche Haftung durch funktionale Gläubigerbeteiligung am Schuldnervermögen Während der Begriff der Schuld regelmäßig einheitlich bestimmt wird (Schuld als ein „leisten sollen“), 808 sind das Verständnis über den Bedeutungsgehalt von Haftung    – wie sie etwa durch §  128 HGB, §  8 Abs.  1, 3 und 4 PartGG oder §  767 Abs.  2 BGB terminologisch angeordnet wird    – sowie deren materiell-rechtlicher Stellenwert gegenüber der Schuld zu präzisieren. 809 Einigkeit herrscht über die notwendige Abgrenzung des Begriffs der Haftung im vermögensrechtlichen Sinne gegenüber der Haftung als Ausdruck der Verantwortlichkeit mit der Folge einer möglichen Schadensersatzpflicht (vgl. §§  31, 278 BGB).810 Im Schadensersatzrecht wird der Begriff mithin als Synonym für die materiell-rechtliche Schadensersatzverpflichtung gebraucht.811 Die gesetzliche Terminologie der Haftung kann je nach der Art einer Verbindlichkeit und nach dem Verständnis eines Gesetzes eine unterschiedliche Rechtsfolge bedeuten. 812 Die begriffliche Anordnung von Haftung sagt demnach noch nichts darüber aus, ob tatsächlich ein gegenüber der Schuld abweichendes Verständnis beabsichtigt ist. 813 Gleich806  Looschelders, Schuldrecht AT, §   1 Rn.  31; ebenso Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuld­recht AT, §  1 Rn.  11. 807  A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  315; Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  2 2; vgl. zur Schuld in diesem Sinne, v. Gierke, in: FS v. Martitz, S.  39; siehe zur synonymen Verwendung von haften und schulden, Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  19. 808  Zum Begriff der Schuld siehe bereits oben Kap.  1 §  2 B.II; Alff/Ballhaus/Weber, RGRKBGB, §  241 Rn.  10; Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  33; Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  16; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  18; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  239; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  10. 809 Vgl. Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.   30; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  2 I, III, S.  9 ff.; Ernst, in: MüKoBGB, Einleitung SchuldR Rn.  31 ff.; Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  16; Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  22. 810  Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.   33; Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  22; Looschelders, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  31; Mansel, in: Jauernig, BGB, §  241 BGB Rn.  18. 811  Krebs, in: NK-BGB, §  241 Rn.  16. 812 Vgl. Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  114 ff.; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S.  9 ff.; A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  315; Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  22. 813  Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S.  11.

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wohl kann die vermögensrechtliche Bedeutung von Haftung    – unabhängig von der terminologischen Verwendung    – in ihrer materiell-rechtlichen Ausgestaltung in Abhängigkeit von dem Rechtsbegriff der Schuld abstrakt bestimmt werden. 814 Die vermögensrechtliche Haftung präzisiert    – wie die Forderung    – ein Recht des Gläubigers, sie stellt aber im Unterschied zur Forderung kein Gegenstück zur Schuld dar. Sie steht mit ihr vielmehr in einem inneren Zusammenhang und weist in Anknüpfung an die schuldrechtliche Verbindlichkeit    – als das das Schuldverhältnis konstituierende Element    – dieselbe Wirkungsrichtung auf.815 Daran anknüpfend ist der Rechtsbegriff der Haftung ausgehend von Sinn und Zweck eigenständig gegenüber der Schuld nach seinem materiell-rechtlichen Gehalt zu bestimmen. Dies setzt die Annahme voraus, dass Haftung etwas anderes als Schuld ist. 816 Mit der schuldrechtlichen Verbindlichkeit als ihrem konstituierenden Ausgangspunkt ist die Schuld Ausdruck der privatautonomen Selbstbestimmung eines Rechtssubjekts. Das der geltenden Rechtsordnung zu entnehmende rechtliche Gegenstück privatautonomer Selbstbestimmung bildet die Selbstverantwortung.817 Während die privatautonom übernommene Schuld zwar zu einer personellen    – weil an den individuellen, privatautonomen Entschluss anknüpfenden    – geldwerten „Unterwerfung“ führt,818 geht die Haftung darüber hinaus, indem sie der Schuld zu ihrer Erfüllung das gesamte Schuldnervermögen als Haftungsobjekt zuweist. 819 Der freiwilligen Übernahme einer Schuld steht daher die Haftung als zwingendes daran anknüpfendes Unterworfensein gegenüber. 820 Die Zuweisung des Vermögens als Haftungsobjekt erfolgt unabhängig davon, ob es sich bei der Verbindlichkeit um eine Geldforderung oder ein sonstiges Tun, Dulden oder Unterlassen handelt. Einerseits ist jedem 814  Vgl. zum historischen Begriffsverständnis nach römischem Recht (Erzwingbarkeit und Schuld als Elemente der Obligation), germanischem Recht (Trennung des im Schuldverhältnis angelegten „Leistensollens“ des Schuldners von dem „Einstehenmüssen“ für die Schuld, der sog. „Haftung“) bzw. germanistischer Unterscheidung (Haftung als ein Verstricktsein des Vermögens), A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  315; Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  23; v. Gierke, in: FS v. Martitz, S.  42 f. 815  An diesen inneren Zusammenhang anknüpfend wird Haftung teilweise als Komplementärbegriff zur Schuld verstanden, Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  30. 816 So bereits nach römischem Recht, ungeachtet des Umstandes, dass Erzwingbarkeit (d. h. Haftung) und Schuld beide als Elemente der Obligation qualifiziert wurden, vgl. Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  23. 817  Flume, Das Rechtsgeschäft, §  4, 8; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.13; eingehend unter Berücksichtigung neurophysiologischer Kritik an der Willensfreiheit, Neuner, BGB AT, §  1 Rn.  4, §  10 Rn.  11 ff., 27 ff., §  30 Rn.  8 ff., §  32 Rn.  2 ff., 26, §  41 Rn.  8; siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2; vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  8 Rn.  55; Medicus/Petersen, BGB AT, §  17 Rn.  176, 178, §  32 Rn.  472 ff., 999. 818 Vgl. Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  1 IV 3, S.  7. 819 Vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §   3 Rn.   19; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  11. 820 Vgl. Peifer, Schuldrecht BT, §  1 Rn.  12.

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Tun, Dulden oder Unterlassen ein in dem Schuldnervermögen abzubildender Vermögenswert beizumessen, weil jede Leistung des Schuldners in einer Wertbewegung zwischen zwei Interessenkreisen zum Ausdruck kommt. 821 Dies zeigt sich an der Bezifferbarkeit im Rahmen von Sekundäransprüchen. An­ dererseits unterliegen sogar unvertretbare Handlungen einem Vollstreckungszugriff in der Zwangsvollstreckung, indem sie gemäß §  888 Abs.  1 ZPO mit dem sich auf das Schuldnervermögen beziehenden Beugemittel des Zwangsgeldes versehen werden können. 822 Ein über diese Bezugnahme des Vermögens hinausgehender Vollstreckungszwang auf die Person des Schuldners kommt in Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich subsidiär in Betracht. 823 Es ist diese vermögensmäßige Ausprägung der Haftung, die das heutige Recht vom römischen und germanischen Recht unterscheidet, wonach „der Schuldner wenigstens primär mit seiner Person [haftete]“; der Schuldner war stets selbst Objekt des Zugriffs der Gläubiger.824 Die Haftung mit der Person ist folglich an den Rand der „Peripherie“ verdrängt. 825 Die Haftung für eine Schuld beschreibt die funktionale (weil die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffende) Beteiligung an einem fremden Vermögen. 826 Während die Schuld lediglich privatautonomer Ausgangspunkt und selbstbestimmtes Mittel dieser Verknüpfung ist, vollzieht sich durch die selbstverantwortliche Haftung die rechtliche Anknüpfung an das Schuldnervermögen. Das haftungsrechtliche Substrat der durch selbstbestimmtes privatautonomes Handeln vermittelten Selbstverantwortung ist das dem handelnden Rechtssubjekt zugeordnete Vermögen.827 Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass derjenige, der schuldet, auch mit seinem Vermögen haftet.828 Für den Schuldner stellt sich dieses Vermögen als sein durch die Rechtsordnung geschütztes Privateigentum dar. Vor dem Hintergrund der von dem Eigentum ausgehenden Abwehrrechte wird der Einzelne dazu be­ fähigt, privatautonom über seine Vermögensbestandteile zu verfügen. Der Schuldner muss daher

821 Vgl. Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §  1 IV, S.  6 , der teilweise jedoch einen Geldwert ablehnt. 822 Vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  19. 823 Zur Subsidiarität der Zwangshaft gegenüber einem Zwangsgeld, vgl. BAG, Bv. 7.9.­ 2009    – AZB 19/09    – NZA 2010, 61 (61 f.); Gruber, in: MüKoZPO, §  888 Rn.  27. 824  M.w.N. zum historischen Hintergrund, Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  23; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  241 f.; v. Gierke, in: FS v. Martitz, S.  43; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  19. 825  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  4 II 1, S.  70. 826 Vgl. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  1 II 6; v. Gierke, in: FS v. Martitz, S.  4 4; zur Kommanditistenhaftung, Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42 (49, 53 ff.). 827  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.13. 828  Siehe Alff/Ballhaus/Weber, RGRK-BGB, §  241 Rn.  10; Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  23; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  19; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  241.

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„ungesicherten Gläubigern keinen bestimmten Vermögensgegenstand reservieren, solange ihm nicht [etwa] die Insolvenzeröffnung das Verfügungsrecht beschneidet.“829

Solange sich der Schuldner hinsichtlich seines selbstbestimmten Verhaltens auch selbstverantwortlich verhält, bedarf es keiner über diese Haftung hinausgehenden Instrumente zur Haftungsverwirklichung für eingegangene Verbindlichkeiten. Fallen demgegenüber das schuldrechtliche Verpflichtetsein im Sinne eines Leistensollens sowie das voluntative Element des Leistenwollens auseinander, bedarf es normativer Mechanismen zur Haftungsverwirklichung, das heißt zur Regelung der haftungsrechtlichen Folgen eigenverantwortlichen, insbesondere privatautonomen, Verhaltens. 830 Entsprechendes gilt für das Vorliegen von Haftungskonkurrenzen; auch diese müssen privatrechtskonform aufgelöst werden.831 2. Verfahrensmäßige Einbettung der Haftung in Einzelund Gesamtvollstreckung Die verfahrensmäßige Haftungsverwirklichung dient der Realisierung der schuldrechtlich vermittelten Haftung. Die in ein Verfahren eingebettete Verwirklichung der Haftung bringt zum Ausdruck, dass der Gläubiger, der durch die ihm gegenüber eingegangene Schuld    – zwar nicht dinglich und auch nicht an konkreten Vermögensbestandteilen, aber haftungsrechtlich    – bereits in einer funktionalen Art und Weise an dem Vermögen des Schuldners partizipiert, diese Teilhabe auch tatsächlich in seine eigene Rechtszuständigkeit überführen kann. Haftung unterscheidet sich von der Schuld demnach    – vorbehaltlich entsprechender Verfahrensregime    – auch durch den Aspekt der Erzwingbarkeit als Ausdruck des Einstehenmüssens, trotz möglicherweise gegenläufigen Wollens des Schuldners.832 Die Rechtsordnung stellt dem Gläubiger verschiedene Instrumente zur Verfügung, eine haftungsrechtliche „Verstrickung“ des Schuldnervermögens auch einseitig erzwingbar herbeiführen zu können. Zum Ausdruck kommt dies in der vermögensrechtlichen Ausrichtung des Einzel- bzw. Gesamtvollstreckungsrechts.833 Ist der Schuldner lediglich nicht gewillt, seine Vermögensverhältnisse entsprechend seiner schuldrechtlichen Verbindlichkeiten zu ordnen, stellt die Rechtsordnung dem Gläubiger die Mechanismen des Zwangsvollstreckungsrechts nach den §§  802a ff. ZPO zur Verfügung. Ist der Schuldner demgegenüber nicht mehr in der Lage, seine Vermögensverhältnisse 829 

Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  60. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.13; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  11; Westermann/P. Bydlinski/Arnold, Schuldrecht AT, §  3 Rn.  119 f. 831 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.13. 832  Vgl. Looschelders, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  31; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuld­ recht AT, §  1 Rn.  11; Westermann/P. Bydlinski/Arnold, Schuldrecht AT, §  3 Rn.  118. 833 Vgl. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.   343; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  19; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  11. 830 Vgl.

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eigenverantwortlich zu steuern, sieht die Rechtsordnung eine an den Interessen der Gläubigergesamtheit ausgerichtete Haftungsverwirklichung nach der InsO unter grundsätzlicher Entziehung der privatautonomen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vor.834 Haftung im materiell-rechtlichen Sinne meint mithin die funktionale Zuordnung des Schuldnervermögens zugunsten der Befriedigung des Gläubigers. Diese nicht-dingliche Reservierung des Vermögens für den Gläubigerzugriff bildet die notwendige Grundlage für eine zwangsweise, vollstreckungsrechtliche Durchsetzung der Schuld. Die Haftung vermittelt mithin    – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme staatlichen Rechtszwangs    – die Zugriffsmöglichkeit auf das im Rahmen einer Verbindlichkeit verpflichtete Vermögen. Auf diese Weise verleiht die Haftung der Schuld ihre notwendige „irdische Schwere!“835 Vollstreckungsrechtlich erhält der Gläubiger durch die Haftung des Schuldners Zugriff auf das ihm funktional zugeordnete Vermögen des Schuldners. Mit der Schuld ist demnach regelmäßig eine allgemeine Vermögenshaftung des Schuldners verbunden. 836 3. Das haftungsrechtlich in Bezug genommene Schuldner-Aktivvermögen Das Schuldnervermögen ist folglich der zentrale Bezugspunkt zur Realisierung eingegangener Verbindlichkeiten. 837 Auch der Begriff des Vermögens wird an verschiedenen Stellen des BGB, der ZPO, der InsO sowie in vielen Spezialgesetzen (zum Beispiel AO, GWB, SGB II, ErbStG oder FamFG) verwendet. Ob sich der Begriff des Vermögens in seiner jeweiligen Verwendung auf die Aktiva eines Rechtsträgers beschränkt (Bruttovermögen) oder ob die Aktiva durch Passiva gemindert werden (Nettovermögen), ist anhand der    – das Vermögen in Bezug nehmenden    – Vorschrift im Einzelnen zu bestimmen.838 So kann sich der Begriff des Vermögens im haftungsrechtlichen Sinne als materiell-rechtliche Rechtsgesamtheit insbesondere von solchen Tatbeständen unterscheiden, die das Vermögen als Berechnungsgröße zur Befriedigung eines berechtigten formalen Informationsbedürfnisses zugrunde legen. Dies ist etwa der Fall, wenn 834  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.13; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  59 f.; vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  14; BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  17 f.; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (105 ff.); Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.). 835  Larenz, Schuldrecht, §   2 IV, S.  24; vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  3 Rn.  19 („Schatten der Schuld“). 836  Larenz, Schuldrecht, §  2 IV, S.  2 2; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  1 Rn.  11; Westermann/P. Bydlinski/Arnold, Schuldrecht AT, §  3 Rn.  119 f.; vgl. jedoch zur „Haftung ohne Schuld“ aufgrund eines sachenrechtlichen Begründungsaktes im Rahmen der Sachhaftung durch die Einräumung (nicht-akzessorischer) dinglicher Verwertungsrechte, Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  253. 837 Vgl. Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  4 4. 838  Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  131 II 4, 5; Stieper, in: Staudinger (2017) BGB, §  9 0 BGB Rn.  74; siehe Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  12 ff. sowie Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  15 ff., die insoweit zwischen dem haftungsrechtlichen Vermögensbegriff und einem Gesamtvermögensbegriff unterscheidet.

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eine rechnerische Gesamtbewertung des Vermögens erforderlich ist (sog. wirtschaftlicher Vermögensbegriff), zum Beispiel im Rahmen von Rechenschafts-, Auskunfts- oder Steuerpflichten. 839 Ein abweichendes Verständnis des Vermögens ist auch angezeigt, wenn es um die rechtlich einheitliche Behandlung von Rechten und Pflichten    – beispielsweise im Rahmen einer Gesamtrechtsnach­ folge gemäß §  1922 BGB    – geht (gemeint ist hier ein Eintritt in die Rechts- und Pflichtenstellung).840 Demgegenüber bezieht sich namentlich §  82 BGB lediglich auf einzelne Vermögensgegenstände. 841 Zur Bestimmung des Vermögens im privat-haftungsrechtlichen Sinne können in erster Linie die Vorschriften der §§  45 ff., 1922, 1967 BGB herangezogen werden. 842 So ergibt sich aus dem systematischen Vergleich der vereinsrechtlichen Liquidationsvorschriften (§§  45, 46 und 49 BGB), dass bei einem gewöhnlichen Vermögensanfall gemäß §  45 Abs.  1 BGB ein Liquidationsverfahren über die Akiva stattzufinden hat (siehe auch zu anderen Auseinandersetzungs- bzw. Liquidationsverfahren, §§  730 ff. BGB, §§  66 ff. GmbHG, §§  264 ff. AktG). Gemäß §  49 Abs.  1 Satz  1 BGB sind nach Umsetzung des Vermögens in Geld aus diesem die Gläubiger zu befriedigen. Aus den Auseinandersetzungs- bzw. Liquidationsvorschriften ergibt sich mithin, dass aus dem Vermögen die Schulden zu berichtigen sind. 843 Für den Fall des Vermögensanfalls an den Fiskus gemäß §  46 BGB findet demgegenüber eine Gesamtrechtsnachfolge mit der Folge des §  1967 BGB statt. Die insoweit eröffneten erbrechtlichen Vorschriften weisen eine vergleichbare Systematik auf, indem §  1922 Abs.  1 BGB zwar unter Verwendung des Tatbestandsmerkmals „Vermögen“ eine Gesamtrechtsnachfolge anordnet. Dies hat aber zur Folge, dass der Erbe vollständig in die Rechts- und Pflichtenstellung einrückt („Vermögen […] als Ganzes“), was    – vorbehaltlich einer Ausschlagung der Erbschaft im Sinne von §§  1942 ff. BGB    – einen Übergang des Bruttovermögens verbunden mit einer Übernahme der Verbindlichkeiten    – die Passivbestandteile des Vermögens844    – zur Folge hat, für die der Erbe sodann aber mit seinem gesamten Vermögen haftet, ohne dass eine echte Saldierung im Sinne eines geerbten Nettovermögens stattfände.845 Die Beschränkung des haftungsrechtlichen Schuldnervermögens auf die Aktiva folgt ferner daraus, dass dieses als funktionaler Anknüpfungspunkt für die Verbindlichkeit im Rahmen der Haftungsverwirklichung fungiert. So wäre es widersprüchlich, wenn das Vermögen einerseits zur Bezugsgröße erklärt wird, es sodann mit Entstehen der Verbindlichkeit aber um diese gemindert werden 839 

Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  14 f.; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  21. Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  14, 16; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  21. 841  Sie auch, Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  131 II 5. 842  Mit weiteren gesetzlichen Anknüpfungen, Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  131 II 4 Fn.  14. 843 Vgl. Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  30. 844 Vgl. v. Gierke, in: FS v. Martitz, S.  61. 845  Ebenso zu §§  712a, 713 BGB-E RegE MoPeG, S.  168. 840 

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sollte. So kann das Schuldnervermögen seine Funktion als Haftungsobjekt ungeachtet noch nicht beglichener Verbindlichkeiten solange erfüllen, wie überhaupt Bruttovermögen vorhanden ist, auch wenn die Verbindlichkeiten das Aktivvermögen übersteigen, weil die Gläubiger genau solange noch auf eine    – jedenfalls anteilige    – Befriedigung hoffen können.846 Darüber hinaus führt ein Verständnis, das die Passiva in den haftungsrechtlichen Vermögensbegriff miteinbezieht, schon bei einem hinzutretenden Gläubiger zu inkonsequenten Ergebnissen, wenn man die Sachlage vor und nach einer gedachten Zahlungsun­ fähigkeit vergleicht. Während es unter Geltung des Prioritätsprinzips noch plausibel erscheint, dass sich das Schuldnervermögen für den nachfolgenden Gläubiger als durch den vorherigen Gläubiger gemindert darstellt, müsste das Schuldnervermögen für den Fall eines eröffneten Insolvenzverfahrens um die Passiva des vorherigen Gläubigers wiederum gemindert werden, damit es unter Beachtung der Gläubigergleichbehandlung überhaupt verlässlich bestimmt werden kann (vgl. §§  35 ff., 103 ff. InsO). Zum Vermögen im hier maßgeblichen haftungsrechtlichen Sinne zählt mithin lediglich das gesamte Aktivvermögen, das heißt die Summe der einzelnen geldwerten Rechte, nicht jedoch die Verbindlichkeiten als Passivvermögen.847 Hintergrund dessen ist, dass die Verpflichtungen das Vermögen als Haftungsobjekt lediglich belasten und aus diesem    – als „Reservoir“848    – zu begleichen sind.849 Das haftungsrechtlich relevante Vermögen einer Person in diesem Sinne besteht aus der Gesamtheit der gegenwärtigen, einem Rechtssubjekt als Vermögensträger zustehenden, gesetzlich anerkannten geldwerten Rechte.850 Das Erfordernis der Geldwertigkeit ergibt sich aus der Funktion des Schuldnervermögens als Haftungsobjekt; dieses muss generell auf einem Markt gegen ein Entgelt verwertbar sein, um aus dem Erlös die Gläubiger befriedigen zu können. 851 Dies beinhaltet etwa Eigentumsrechte, andere dingliche Rechte, Immaterialgüterrechte, Forderungsrechte, Erb­rechte, Rechtsverhältnisse wie Mitgliedschaften und aus dieser folgende vermögenswerte Rechte (zum Beispiel von der Mitgliedschaft abgelöste Gläubigerrechte), Gesellschaftsanteile sowie Gestaltungsrechte, soweit sich deren Vermögenswert geldwertlich bemessen lässt. 852

846 

Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  13, 27; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  20. Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  4 4; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  131 II 4; Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  3, 5, 12 ff. 848  Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  13; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  20. 849  Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  131 II 4; vgl. Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  8 . 850  Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  4 4; Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  3, 8; vgl. zum Begriff der Rechtsgesamtheit, Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  131; Stieper, in: Staudinger (2017) BGB, §  9 0 BGB Rn.  72, 74. 851  Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  8; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  16. 852  Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  131 II 1; Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  9, 11; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  17. 847 

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Das Vermögen im haftungsrechtlichen Sinne ist auf seine Funktion als Haftungsobjekt beschränkt, indem es den Gläubigern als Zugriffsverbindung zur Verfügung steht und funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugewiesen ist. Insoweit kann es Gegenstand von Verpflichtungsgeschäften sein.853 Es ist demgegenüber weder Verfügungsobjekt (das heißt für die einzelnen Rechte gilt der sachenrechtliche Spezialitätsgrundsatz), noch ist es als solches Vollstreckungsobjekt und es stellt kein einheitliches Schutzobjekt dar.854 4. Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung a) Schuldrechtlicher Normalfall gesellschaftsrechtlicher „Haftungsbeschränkungen“ Dieser auf den Schuldner bezogene Grundsatz der „unbeschränkten Vermögens­ haftung“855 ist keine Folge eines übergesetzlichen Gerechtigkeitsprinzips, sondern ein vom positiven Recht begründetes Haftungssystem.856 Ein Rechtssubjekt haftet vorbehaltlich abweichender positiv-gesetzlicher Anordnung grundsätzlich mit dem gesamten ihm zur Verfügung stehenden Vermögen. Die Vorschriften über die beschränkte Geschäftsfähigkeit von natürlichen Personen sind Ausdruck einer Beschränkung dieses Grundsatzes. Für Personenvereinigungen ergibt sich der Grundsatz unbeschränkter Vermögenshaftung einerseits aus der, den Verband als solchen sowie das diesem zugeordnete Verbandsvermögen, konstituierenden Vereinbarung eines Verbandszwecks und andererseits aus dem gesellschaftsrechtlichen numerus clausus der Verbandsformen. Dieser Rechtsformzwang    – abzugrenzen vom nicht gegebenen Typenzwang    – bedingt einerseits, dass jede über einen gemeinsamen Zweck verbundene Personenvereinigung einer gesetzlich geregelten Verbandsform zuzuordnen ist.857 Angesichts der Rechtsformkontrolle der §§   21, 22, 43 BGB sowie der Systematik der §§  105 ff. HGB i. V. m. §  705 ff. BGB bedeutet dies andererseits eine Spezialität der handelsrechtlichen Verbandsformen gegenüber denen des allgemeinen Zivilrechts. Ein institutionell, außenrechtlich in Erscheinung tretender Verband kann vor dem Hintergrund der abschließend durch den Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Rechtsformen uneingeschränkt Träger von Rechten und Pflich853 

Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  22; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  25 f. Larenz/M. Wolf, BGB AT, §  21 Rn.  19 ff., 24 ff.; Neuner, BGB AT, §  26 Rn.  23 ff. 855 Vgl. Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.   30 f., 44; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §  4 II 2, S.  71; Olzen, in: Staudinger (2015) BGB, Einleitung zum Schuldrecht Rn.  242. 856  K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  103 ff., 118, 139 f. 857  Vgl. m. w. N. K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  121 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, §  5 II 3, S.  101; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, Vor §  105 Rn.  15 ff., §  105 Rn.  15, 20 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  2 IV 2, S.  137 ff.; siehe unten zu dem den Verband konstituierenden Element des Verbandszwecks, Kap.  1 §  2 A.I.4 854 

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ten sein, weil die gesetzlich anerkannte Handlungsfähigkeit mit einer notwendigen Haftungsfähigkeit einhergeht. Eine Rechtsform, der die Möglichkeit verwehrt würde, ein eigenes Vermögen zu bilden, wäre handlungsunfähig, weil kein anderes Rechtssubjekt sich privatautonom dazu entschließen würde, mit dem Verband zu kontrahieren. Die Terminologie der „Haftungsbeschränkungen“858    – etwa bei den Rechtsformen der GmbH oder der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)    – ist vor diesem Hintergrund bereits im Ausgangspunkt unzutreffend. Haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkt ist das einzelne Schuldnervermögen in voller Höhe. Dieses ist wiederum dinglich ausschließlich einem einzelnen Rechtssubjekt zugeordnet.859 Davon zu unterscheiden ist die haftungsrechtliche „Reservierung“ zugunsten des Gläubigerzugriffs.860 Eine Vermögenshaftung erfolgt rechtsformunabhängig stets vermögens- und nicht personenbezogen oder gesellschafterbezogen. Für die Rechtsformen der GmbH und der Unternehmergesellschaft bedeutet dies vor dem Hintergrund des gesellschaftsrechtlichen Haftungstrennungsprinzips, 861 dass die juristische Person Vertragspartner wird und mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen haftet. Die Haftungstrennung zwischen der Körperschaft und den daran beteiligten (natürlichen) Personen bedarf vor dem Hintergrund des gesellschaftsrechtlichen numerus clausus sowie der Eigenschaft von juristischen Personen, Vermögensträger zu sein, keiner gesonderten gesetzlichen Anordnung. Vielmehr bedarf die persönliche Haftung der Gesellschafter vor diesem Hintergrund einer eigenständigen Grund­ lage, sei es aufgrund eines gesetzten Rechtsscheins, rechtsgeschäftlicher Vereinbarung oder gesetzlicher Anordnung. So haften etwa aus rechtsgeschäftlich eingegangenen Verbindlichkeiten gegebenenfalls noch die Handelnden persönlich (vgl. etwa §  11 Abs.  2 GmbHG oder §  179 BGB). Eine gedeckelte Inanspruchnahme des Schuldnervermögens kann lediglich aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung oder auf der Grundlage einer gesetzlichen Anordnung, wie etwa in Bereichen der Gefährdungshaftung herbeigeführt werden (vgl. etwa §  10 ProdHaftG, §§  12 f. StVG, §  117 BBergG). Die Fähigkeit von Personenaußengesellschaften, selbst Verpflichtungssubjekt sowie Träger eines eigenen, den 858  Vgl. BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  11 ff.; ­Fleischer, in: MüKoGmbHG, Einleitung Rn.  18; Henssler, AnwBl 1996, 3 (9 ff.); ders., AnwBl 2014, 96 (97); Dauner-Lieb, in: FS Lutter, S.  836; J. Jacobs, DB 2005, 2227 (2233); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  288 f. 859  Vgl. zum nicht eingetragenen Verein, Hadding, in: Soergel, (2000) BGB, §  5 4 Rn.  24; siehe auch bei G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  3 A.III; Beuthien, ZIP 2011, 1589 (1592); vgl. Generalanwältin Trstenjak in den Schlussanträgen vom 2.6.2010 in der Rs.  C-81/09 (Idryma Typou), Rn.  33. 860 Vgl. Leuschner, Das Konzernrecht des Vereins, S.  363. 861 Vgl. zum sog. Haftungstrennungsprinzip, Heider, in: MüKoAktG, §   1 Rn.   46 ff.; m. w. N. BGH, Uv. 10.12.2007    – II ZR 239/05, BGHZ 175, 12–28 = juris-Rn.  12 ff.; Schöpflin, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §   43 Rn.   5; siehe zur Existenzvernichtungshaftung, ­Leuschner, Das Konzernrecht des Vereins, S.  357 ff.

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Gesellschaftsverbindlichkeiten zugeordneten Haftungsvermögens zu sein, 862 führt dazu, dass bei diesen ein mit den verbandsrechtlichen juristischen Personen vergleichbares Verständnis zugrunde zu legen ist. Den Gläubigern eines Verbandes haftet mithin    – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Anordnung, etwa nach §  128 HGB oder §  8 Abs.  1, Abs.  2 PartGG    – grundsätzlich unbeschränkt lediglich das von diesem getragene Gesellschaftsvermögen als Haftungsobjekt.863 Soweit etwa §  8 Abs.  4 PartGG eine Beschränkung auf die Haftung der Partnerschaft mit dem Gesellschaftsvermögen lediglich für Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung für den Fall einer ausreichenden Berufshaftpflicht vorsieht,864 bedeutet dies keinen Systembruch, vielmehr ist die gesetzliche Anordnung des haftungsrechtlichen „Normalfalls“ lediglich vor dem Hintergrund der Haftungserweiterung des §  8 Abs.  1 PartGG erforderlich. So wäre es gesetzestechnisch ebenfalls möglich gewesen, §  8 Abs.  1 PartGG um ein negatives Tatbestandsmerkmal der Nicht-Haftpflichtversicherung zu ergänzen, sodass die eigenständige Position des Abs.  4 aus Gründen der Verständlichkeit sowie aus gesetzesästhetischen Erwägungen folgt. 865 Soweit eine im Rahmen des gesellschaftsrechtlichen numerus clausus rechtlich anerkannte Verbandsform in der Lage ist, ein eigenes Vermögen zu bilden, führt die Ausprägung der schuldrechtlichen Haftung als Vermögenshaftung folglich dazu, dass das Rechtssubjekt grundsätzlich mit dem gesamten ihm zugeordneten Vermögen haftet. Im Lichte dieser haftungsrechtlichen Systematik handelt es sich bei thematisierten verbandsrechtlichen Haftungsbeschränkungen    – wie etwa bei der GbR866    – nie um eine Beschränkung der Haftung der Gesellschaft als Schuldner, sondern stets um die Frage, inwieweit es (k)einer zusätzlichen Haftung einer zusätzlichen Vermögensverbindung bedarf bzw. inwieweit eine grundsätzlich bereits zusätzlich kraft Gesetzes in Bezug genommene Vermögensverbindung wieder von der Haftung „abzukoppeln“ ist. b) Durchbrechung des Grundsatzes unbeschränkter Vermögenshaftung kraft echter Sondervermögen Eine Durchbrechung erfährt der Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung des Schuldners durch eine Haftungssonderung im Wege der Bildung von Sondervermögen.867 Sondervermögen können ausschließlich aufgrund aus862 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.2. Henssler, PartGG, §  7 Rn.  24 f., §  8 Rn.  1. 864  Vgl. dazu Henssler, AnwBl 2014, 96 (96 ff.); Henssler, PartGG, §  8 Rn.  128 ff. 865  Vgl. zu von §  8 Abs.  4 PartGG abweichenden Ansätzen der Risikominimierung, Henssler, AnwBl 1996, 3 (7 ff.). 866  Vgl. BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  9 ff.; Mülbert, AcP 199 (1999), 38 (88 ff.); zum Ausschluss durch AGB, Wössner, ZIP 2003, 1235 (1236 ff.); zur PartG, Henssler, AnwBl 1996, 3 (7 ff.). 867 Vgl. Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  46 ff.; siehe bereits oben Kap.  1 §  2 A.I.7. 863 Vgl.

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drücklicher gesetzlicher Anordnung gebildet werden (sog. „Katalog der Ver­ mögenssonderungen“). 868 Sie findet etwa im Falle der Ausschlagung einer ­Erbschaft sowie der eherechtlichen Verwaltung des Gesamtgutes statt. Die Be­ rücksichtigung derartiger Sondervermögen kommt im Rahmen des insolvenz­ rechtlichen Regelungsregimes in den §§  11 Abs.  2 Nr.  2, 37 Abs.  2, 83 Abs.  1 InsO zum Ausdruck. Danach fällt einerseits das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut nicht in die Insolvenzmasse eines Ehegatten, andererseits ist über die Erbschaft ein Nachlassinsolvenzverfahren als Sonderinsolvenzverfahren statthaft. Erst nach Annahme der Erbschaft findet ein Vollrechtserwerb statt (§§  1942, 1953 BGB), sodass die Erbschaft Bestandteil der Insolvenzmasse wird (§  35 Abs.  1 Var.  1 InsO). Für den Fall, dass demgegenüber bloß mehrere Erben bestehen, wird der Nachlass zwar als dinglich gebundenes „Sondervermögen“ behandelt. Die gesamthänderische Bindung der Erbengemeinschaft sowie die daraus resultierende Bildung eines „Sondervermögens“ sollen gewährleisten, dass die einzelnen Vermögengegenstände der Personenmehrheit zugeordnet werden und deren Bestand für die spezifische Funktion der betreffenden Per­ sonenmehrheit gesichert wird. 869 Eine echte Vermögenssonderung ist damit jedoch nicht verbunden, es wird lediglich eine vorübergehende Zweckbindung einer abgrenzbaren Vermögensverbindung angeordnet, weil die Vermögenssonderung einerseits nur vorläufig ist und andererseits die Gesamthänder letztendlich unmittelbar mit ihrem Privatvermögen an dem „Sondervermögen“ sowie den daran anknüpfenden Nachlassverbindlichkeiten beteiligt werden. 870 Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Erben einer Erbengemeinschaft einerseits mit ihrem Privatvermögen für die Nachlassverbindlichkeiten einzustehen haben (vgl. §§  2058, 2060 BGB) und andererseits über ihren Anteil an dem „Sondermögen“ gemäß §  2033 Abs.  1 Satz  1 BGB frei verfügen können (nicht hin­ gegen über den Anteil an den zum Gesamthandsvermögen gehörenden Gegenständen, vgl. §  2033 Abs.  2 BGB; darin kommt die bloß vermögensmäßige Beteiligung zum Ausdruck). Derartige unechte Sondervermögen sind daher nicht notwendig einem, sondern können auch mehreren Rechtsträgern (in gesamthänderischer Verbundenheit) zugeordnet sein. So ist die Gemeinschaft von Erben zwar Inhaber von Nachlassforderungen und Nachlassrechten, der Nachlass wird aber gemäß §  2032 Abs.  1 BGB Vermögen der Erben, dies jedoch nur in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, und Nachlassforderungen sind gemäß §  2039 BGB nur an alle Erben gemeinschaftlich zu leisten. Nachlassverbindlichkeiten sind lediglich vorerst nur aus dem Nachlass zu berichtigen, vgl. §  2046 BGB. Einer Rechtsträgerschaft der Erbengemeinschaft bedarf es daher 868  Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  37, 48; Stieper, in: Staudinger (2017) BGB, §  9 0 BGB Rn.  76; vgl. Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, §  132 I. 869  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  705 Rn.  298. 870  Siehe dazu bereits oben Kap.  1 §  2 A.I.6.

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nicht, weil diese nicht als solche verpflichtet werden muss. 871 Vielmehr sind es die Erben in gesamthänderischer Verbundenheit, die (einzeln) berechtigt und verpflichtet werden. Dadurch, dass die Erben Rechtsnachfolger des Erblassers werden, sind sie es letztlich selbst, die vorbehaltlich einer Ausschlagung, mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben. Die Beteiligung an der Erbengemein­ schaft ist vor diesem Hintergrund eine unmittelbare, die einen Teil des Privatvermögens abbildet. Wird mit einer gesamthänderischen Vermögenssonderung indessen zugleich ein Rechtssubjekt dauerhaft konstituiert, handelt es sich demgegenüber weder um ein echtes noch ein unechtes Sondervermögen, weil das „gesonderte“ Vermögen vielmehr originär zu einem verselbstständigten Schuldnervermögen wird. Mit Ausnahme echter Sondervermögen bleibt es bei dem Grundsatz „ein Rechtsträger    – ein Vermögen“. Insoweit ist es im Regelfall ausschließlich das Schuldnervermögen, welches dem Haftungszugriff eines Gläubigers zur Verfügung steht, dies jedoch grundsätzlich unbeschränkt. 5. Rechtfertigungsbedürftigkeit der Inanspruchnahme schuldnerfremder Vermögensverbindungen Die mit einer Verbindlichkeit selbstbestimmt veranlasste Verpflichtung bedeutet eine selbstverantwortliche Erstreckung der Haftung auf das gesamte Schuldnervermögen; gleichzeitig geht damit eine Beschränkung auf dieses einher.872 Die Inanspruchnahme schuldnerfremder Vermögensverbindungen kommt jedenfalls nicht durch eine privatautonome Entscheidung der Vertragspartner in Betracht, weil sich eine Haftungserstreckung auf das Vermögen Dritter als eine Ausnahme von dem „Verbot der Fremdbestimmung unter Gleichen“ darstellt.873 Bei der Frage der Haftungserstreckung auf zusätzliche, nicht dem schuldenden Rechtsträger zugeordnete, Vermögensverbindungen handelt es sich im Ausgangspunkt um eine durch den Gesetzgeber vorzunehmende rechtspolitische Zweckmäßigkeitsentscheidung, welcher jedoch rechtliche Grenzen entgegenstehen können. Inwieweit die sich gegenüberstehenden Interessen Betroffener die Inanspruchnahme zusätzlicher Vermögensverbindungen, die anderen Rechtssubjekten zugeordnet sind, rechtfertigen, ist eine bloß in Teilen durch den Gesetzgeber zu beantwortende rechtspolitische Frage, die sich auch in die bereits dargestellten zivilrechtlichen Rahmenbedingungen einpflegen muss. Eine gesetzliche Abweichung von dem Grundsatz „ein Rechtsträger    – ein Vermögen“ erfordert daher einerseits eine tragfähige Legitimationsgrundlage sowie andererseits eine rechtlich verankerte, wertungsmäßige Zumutbarkeit des 871  BGH, Uv. 11.9.2002    – XII ZR 187/00, juris-Rn.  11 ff.; BGH, Bv. 17.10.2006    – VIII ZB 94/05, juris-Rn.  6 f. 872 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 873 Vgl. zur Inanspruchnahme Dritter, S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  216 ff., 231 ff., 269 ff., 281 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

in Anspruch zu nehmenden Dritten. 874 Nur wenn der    – einer gesetzlichen Regelung vorgelagerten    – rechtspolitischen Wertung ein rechtlich relevantes Bedürfnis für eine ergänzende Haftung neben der des vertraglichen Zahlungsschuldners entspricht    – etwa weil „der Grundmechanismus des §  320 BGB, der die Vertragsparteien davor schützt, das Risiko einer Insolvenz des anderen zu tragen, rechtlich oder faktisch versagt“875    –, kann eine Regelung für die Inanspruchnahme einer zusätzlichen Vermögensverbindung sachlich gerechtfertigt sein.876 Nach dem sog. Prinzip der relativen (zweiseitigen) Rechtfertigung sei die (akzessorische) Inanspruchnahme von Vermögen Dritter etwa gerechtfertigt bei zurechenbarem Verhalten Dritter, dinglicher Sicherung sowie strukturbedingtem Drittnutzen; derartige Interessenlagen seien häufig gegeben, wenn Dritte eine besondere Nähe zu einem Vertrag aufweisen oder von diesem profitieren.877 6. Verteilung von Insolvenzrisiken Beschränkt man den Betrachtungsfokus auf das Schuldverhältnis im engeren Sinne, so trägt regelmäßig der Gläubiger das Insolvenzrisiko des ihm gegenüberstehenden Schuldners, der für die Verbindlichkeit mit seinem Schuldnervermögen haftet. Mangels Leistungsbeziehung zu nicht an dem Schuldver­ hältnis Beteiligten, betreffen ihn deren Insolvenzrisiken nicht. Weitet man die Beurteilungsperspektive in einem marktwirtschaftlichen System auf die privat­ autonome Verhandlungssituation über die Vereinbarung zweipoliger Leistungsbeziehungen aus, die regelmäßig in ein gegenseitiges Schuldverhältnis mündet, so ist den §§  273, 320, 362 ff. BGB die Wertung zu entnehmen, dass privatautonom eingegangene, gegenseitige Leistungsverpflichtungen    – bei einer Gesamtschau der Sonderverbindung als Schuldverhältnis im weiteren Sinne    – nicht notwendig die Entscheidung beinhalten, auch das Risiko zu tragen, anlässlich einer Insolvenz des Gegenübers gegebenenfalls kein ausgleichendes Äquivalent für den eigenen Vermögensabfluss zu erhalten.878 An diese Grund­ entscheidung anknüpfend liegt es in der Hand des Gesetzgebers, zu entscheiden, inwieweit er in Konstellationen, in denen es in wertungswidersprüchlicher Weise zu einem Versagen des synallagmatischen Schutzmechanismus des §  320 BGB kommt, vergleichbare, das äquivalenzstörende Ausfallrisiko auffangende Vorschriften erlässt.879 Ungeachtet der gesetzlichen, die Ausfallrisiken regeln874 

S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  270 ff., 352 f. S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  128; siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B. II.2.b)bb). 876  Siehe dazu auch unten Kap.  1 §  2 C.V. 877  F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  92; S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  270 ff., 352 f. 878  S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  5, 255, 269. 879  Häsemeyer, KTS 1982, 1 (8). Vgl. etwa die Realsicherheiten gemäß §§  6 47, 562, 592, 583, 704 BGB, die Insolvenzsicherungspflicht des Reiseveranstalters gemäß §  651r BGB oder die 875 

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den und gleichmäßig verteilenden Vorschriften bleibt es den Vertragspartnern im Rahmen ihres privatautonomen Gestaltungsspielraums unbenommen, Vorleistungspflichten zu vereinbaren und das äquivalenzstörende Ausfallrisiko zulasten einer Partei zu verschieben (vgl. §  321 Abs.  1 BGB). 880 So entspricht es marktwirtschaftlichen Gepflogenheiten, die Übernahme von Insolvenzrisiken entsprechend ihrer Intensität    – ein Verhandlungsgleichgewicht vorausgesetzt    – im Interesse beider Vertragsparteien in einem ausgewogenen Verhältnis ein­zu­ preisen bzw. anderweitig abzusichern. Kommt es indes zu Konstellationen, in denen Insolvenzrisiken auf die Vertragsparteien zukommen, die nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen waren und die keiner der betroffenen Risikosphären zuzuordnen sind, kann sich wiederum ein Bedürfnis für gesetzliche Regularien ergeben. So bedarf es insbesondere dann gläubigerschützender Vorschriften, wenn in Bezug auf die Stellung des Schuldners Änderungen stattfinden, die das dem Schuldverhältnis zugrunde liegende Verhandlungsgefüge aus dem privatautonomen Gleichgewicht bringen, etwa indem es zu einem Eintritt eines weniger solventen Schuldners kommt (vgl. §  414, 415 BGB). Für den Schuldner kann sich diese Gefahrenlage spiegelbildlich durch einen möglichen Einwendungsabschnitt realisieren (vgl. §§  404, 406 ff. BGB). Ein selbstbestimmtes sowie selbstverantwortliches Verhandeln über den Wert einzelner Insolvenzrisiken kommt vor dem Hintergrund unzulässiger Vereinbarungen zulasten Dritter grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner in Betracht, wenn nicht der Dritte in maßgeblicher Weise seinerseits privatautonom tätig geworden ist. Wird durch eine gesetzliche Regelung die Beteiligung Dritter an einem Schuldverhältnis im weiteren Sinne eröffnet, so liegt es in der Verantwortung des Gesetzgebers, die Bewertung der Insolvenzrisiken entsprechend dem Verhandlungsgefüge der originär Beteiligten fortzuführen. Im Rahmen von Dreipersonenverhältnissen ist daher gegebenenfalls zu prüfen, in wessen Sphäre der hinzutretende Dritte tätig wird. Die Zugehörigkeit zu einem auf diese Weise ermittelten „Lager“ kann es rechtfertigen, den Dritten an der originär ausgehandelten Verteilung der Insolvenzrisiken partizipieren zu lassen. Soweit keine gesetzlichen Vorschriften über die vorweggenommene Abwehr möglicher Insolvenzrisiken bestehen, liegt es in der Konsequenz schuldrechtlicher Verpflichtungen, dass der Gläubiger eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne mit dem funktionalen Zugriff auf das Schuldnervermögen als Haftungsobjekt dessen Insolvenzrisiko trägt. Der Gesetzgeber sieht indes regelmäßig Mechanismen vor, die dem Leistenden    – bei Ausweitung der Perspektive auf das Schuldverhältnis im weiteren Sinne    – ein den Vermögensabfluss ausgleichendes Bauhandwerkersicherung nach §  648f BGB, die Anordnung von Abschlagszahlungen in §  632a BGB, die Vorzeitige Beendigung eines Vertragsverhältnisses (§§  490 Abs.  1, 775 Abs.  1 BGB); dazu S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  251 ff. sowie zu Vorschriften über die „Erfüllungshaftung Vertragsfremder“, S.  25 ff. 880  Siehe insoweit aber die Schutzmechanismen des §  321 BGB.

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Äquivalent gewähren und schränkt damit die getroffene Grundannahme über die Verteilung von Insolvenzrisiken bereits bei der bloßen synallagmatischen Verknüpfung zweier Verbindlichkeiten im Rahmen einer wertenden Gesamtschau ein. Es bleibt aber der selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Risikobewertung überlassen,881 äquivalenzstörende Ausfallrisiken einseitig zu verteilen. Bei der Beteiligung mehrerer Personen werden die Insolvenzrisiken im Ausgangspunkt in den jeweils maßgeblichen gegenseitig verlaufenden zweipoligen Leistungsbeziehungen der Schuldverhältnisse im engeren Sinne ausgehandelt und fließen auf diese Weise in die wirtschaftliche Gesamtkalkulation sowie die Allokation von Ausfallrisiken mit ein. Ohne gesetzliche Regelungen bzw. eine irgendwie gelagerte, gegebenenfalls antizipierte Mitwirkung an dem Aushandlungsprozess kommt keine von einer gesetzlichen Grundentscheidung abweichende Verteilung von Insolvenzrisiken in Betracht. 7. „Haftung“ der Gesellschafter führt zu funktionaler Beteiligung der Gesellschaftsgläubiger an schuldnerfremdem Vermögen Die Ausführungen zum Verhältnis von Schuld und Haftung haben gezeigt, dass sich die Haftung im materiell-haftungsrechtlichen Sinne als funktionale    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffende    – Beteiligung des Gläubigers an dem Schuldner-Aktivvermögen darstellt. 882 Soweit man der Regelungsanordnung des §  128 HGB ein materiell-haftungsrechtliches Verständnis zugrunde legt, werden mit Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit neben deren Vermögen, die Gesellschaftervermögen dem Zugriff der Gläubiger funktional zugeordnet. Die §  128 HGB zugrundeliegende schuldrechtliche Verbindlichkeit verhält sich dabei als das konstituierende Element des Schuldverhältnisses im engeren Sinne zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern. Eine unmittelbare privatautonome Mitverpflichtung der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft kommt angesichts der Zweipoligkeit schuldrechtlicher Leistungsverhältnisse nicht Betracht, weil es im Rahmen eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne zwar Gläubigermehrheiten geben kann, aber keine Schuldnermehrheiten. 883 Vor diesem Hintergrund führt die durch §  128 HGB gesetzlich angeordnete Haftung einerseits dazu, dass neben der Gesellschaftsverbindlichkeit weitere Schuldverhältnisse im engeren Sinne zwischen jedem Gesellschafter und dem Gläubiger zur Entstehung gelangen und die Gesellschafter insofern    – wie zu Beginn dieses Abschnitts problematisiert    – etwas schulden. Mit der Entstehung dieser Verbindlichkeiten ist aber zwangsläufig verbunden, dass die Gesellschafter im vermögensrechtlichen Sinne für diese auch „haften“. Dementsprechend ist grundsätzlich unerheblich, welche Facette 881 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 882  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.1. 883  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)aa).

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der Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft §  128 HGB adressiert, weil Schuld und Vermögenshaftung in notwendigem Zusammenhang stehen und kumulativ vorliegen, auch wenn die Rechtsfolgenbestimmung ausdrücklich nur eines von beiden artikuliert. Die Kennzeichnung als „haften“ anstatt „schulden“ eröffnet im Folgenden eine gesteigerte Flexibilität bei der Auslegung des Rechtsfolgenausspruchs, weil sie begrifflich zum Ausdruck bringt, dass die Einstandspflicht der Gesellschafter an die Gesellschaftsverbindlichkeit anknüpft, nicht aber mit ihr notwendig identisch ist. Ebenso zeigt die ausdrückliche Anordnung der Haftung das wesentliche Regelungs­ anliegen von §  128 HGB, sodass die der Haftung zugrundeliegenden Schuld­ verhältnisse eher als notwendiger Regelungsreflex der haftungsrechtlichen Inbezugnahme einer schuldnerfremden Vermögensverbindung zu qualifizieren sind. Anhand dieses Ergebnisses kann das Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaftern und den Haftungsgläubigern, wie es durch §  128 HGB begründet wird, weiter konkretisiert werden. Vorbehaltlich von Gesetzes wegen zu bildender echter Sondervermögen gilt der Grundsatz, dass jedem Rechtssubjekt eine Vermögensverbindung zugeordnet ist und privatautonom nur diese dem schuldrechtlichen Haftungszugriff unterworfen werden kann. Der Schuldner hat grundsätzlich unbeschränkt mit diesem Vermögen einzustehen, wobei höhenmäßige Haftungsbeschränkungen aufgrund privatautonomer Vereinbarung sowie gesetzlicher Anordnung in Betracht kommen. Die Haftungserstreckung auf eine zusätzliche, anderen Rechtssubjekten zugeordnete Vermögensverbindung setzt demgegenüber grundsätzlich eine privatautonome Teilnahme des Haftungsunterworfenen an dem rechtsgeschäftlichen Verhandlungsprozess voraus.884 Darüber hinaus können Vermögensverbindungen Dritter nur deswegen einem Haftungszugriff unterworfen werden, weil es dafür einerseits eine tragfähige gesetzliche Legitima­ tionsgrundlage gibt sowie andererseits eine rechtlich verankerte, wertungsmäßige Zumutbarkeit des Dritten existiert, weil die Inanspruchnahme der zusätz­ lichen Vermögensverbindung nur soweit rechtlich legitimierungsfähig ist. 885 Im Rahmen eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne trägt der Gläubiger das Insolvenzrisiko seines Schuldners. Eine Belastung mit den Insolvenzrisiken Dritter kommt    – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Regelung    – grundsätzlich nur in Betracht, wenn diese    – gegebenenfalls antizipiert    – Einfluss auf den privatautonomen Verhandlungsprozess genommen haben. Vor dem Hintergrund der Privatautonomie obliegt es den Parteien eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinne äquivalenzstörende Ausfallrisiken sich gegenüberstehender zweipoliger Leistungsbeziehungen entsprechend ihrer eigenen Bewertung und Präferenzen einzupreisen. Gesetzliche Regelungen über die Zuweisung von 884 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.V. S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  213 ff., 221 ff.

885 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

schuldrechtlichen Ausfallrisiken haben sich    – ein Verhandlungsgleichgewicht vorausgesetzt    – an dem individualvertraglich vereinbarten Äquivalenzverhältnis zu orientieren. Soll eine zusätzliche Vermögensverbindung in einen Haftungsverband aufgenommen werden    – etwa im Rahmen von §  128 HGB    –, führt dies zu einer Verschiebung der Insolvenzrisiken. Im marktwirtschaft­ lichen System hat derjenige, dessen Vermögen einem Haftungszugriff unterworfen werden soll, regelmäßig seinerseits ein Wertäquivalent zu erhalten. 886 Im Zusammenhang mit der Einstandspflicht aus §  128 HGB erfolgt dies augenscheinlich durch die Regressmöglichkeit nach §  110 HGB.887 Dadurch wird das Insolvenzrisiko des Personenverbandes als originärem Schuldner aber auf den in Anspruch genommenen Gesellschafter verlagert, wobei diesem Insolvenzrisiko ein eigener Vermögenswert zukommt. 888 Durch die Belastung des Regressanspruchs mit dem Insolvenzrisiko der Gesellschaft bleibt dessen Wert hinter demjenigen der Haftungsforderung nach §  128 HGB    – der sich der Gesellschafter ausgesetzt sieht    – zurück. Im Rahmen der betroffenen Dreiecksbeziehung könnte dies problematisch sein, weil der Gesellschafter der Gesellschaft mit Blick auf die verbandsrechtliche Mitgliedschaft zwar näher steht als der Gläubiger, sich hinsichtlich der schuldrechtlichen Beziehung zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubiger indes als unbeteiligter Dritter darstellt. III. Gesetzlicher Istzustand materieller Außenhaftung Die Haftungsanordnung des §  128 HGB greift unabhängig von einer privat­ autonomen Mitwirkung der Gesellschafter an dem rechtsgeschäftlichen Aushandlungsprozess bzw. der gesetzlichen Entstehungsgrundlage der Gesellschaftsverbindlichkeit und knüpft an den bloßen Umstand der Mitgliedschaft der Gesellschafter an.889 Sie ist damit ein „Zustand“,890 der stetig neue Haftungsforderungen für Gesellschaftsverbindlichkeiten auslösen kann. Angesichts der tatbestandlichen Bezugnahme einzelner Verbindlichkeiten der Gesellschaft aktualisiert sich dieser gesetzliche Haftungsstatus mit der Begrün886 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). dazu unten Kap.  1 §  2 C.VII. Soweit §  128 HGB entsprechend angewandt wird, bedingt dies eine entsprechende Anwendung von §  110 HGB, BGH, Uv. 15.11.2011    – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293–310 = juris-Rn.  35; BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-Rn.  59 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-401, I-980; ders., NZG 2003, 618 (619); vgl. Gramlich/Müssig, NZG 2019, 1333 (1334 ff.), dementsprechend sieht §  716 BGB-E RegE MoPeG eine Regelung im Recht der GbR vor, S.  18 f., 180 f. 888  Siehe zur Qualifizierung als materielle Außenhaftung unten Kap.  1 §  2 C.III. 889  Habersack, Die Mitgliedschaft    – subjektives und „sonstiges“ Recht, S.  94; zur Abgrenzung der Haftung von Scheingesellschaftern, Markworth, Scheinsozius und Scheinsozietät, S.  87 ff., 103 f., 307 ff., 314 f.; ders., in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  128 Rn.  25 ff.; ­Deckenbrock/T. Meyer, ZIP 2014, 701 (705 ff., 710); Henssler, AnwBl 2014, 96 (100 f.); ders., in: FS Vieregge, S.  367 f.; vgl. Martensen, Der Inhalt der unbeschränkten Haftung, S.  53 f. 890  Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (7); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, 128 Rn.  17; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  3; ders., in: Schlegelberger, HGB, §  128 Rn.  6. 887  Siehe

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dung jeder weiteren Gesellschaftsverbindlichkeit und bringt eine neben die Gesellschaftsschuld tretende Einstandspflicht der Gesellschafter zur Entstehung. Diese gesetzliche Anordnung ist aus Sicht der Gesellschafter eine zwingende, sodass die Gläubiger der Gesellschaft diese Zugriffsmöglichkeit auf das Privatvermögen der Gesellschafter bereits im Rahmen des privatautonomen Aushandlungsprozesses, der einer rechtsgeschäftlichen Gesellschaftsverbindlichkeit zugrunde liegt, berücksichtigen und einpreisen können. Die Einstands­ pflicht neu eintretender Gesellschafter für Altverbindlichkeiten richtet sich bei den Personenhandelsgesellschaften in unmittelbarer Anwendung nach §  130 HGB. Ob die Vorschrift auch auf andere Personenaußengesellschaften Anwendung findet, wird diskutiert.891 Nach dem hier vertretenen Verständnis der Einstandspflicht von Gesellschaftern für Verbindlichkeiten der Personenaußengesellschaft erscheint eine ausdrückliche Regelung der Einstandspflicht von hinzutretenden Gesellschaftern für Altverbindlichkeiten indes entbehrlich. So ist es die Vorschrift des §  128 HGB, die den Haftungs-Istzustand stetig aktualisiert. Sobald sich ein Mitglied der Verbandsherrschaft unterworfen hat, gilt dies unmittelbar für jegliche Gesellschaftsverbindlichkeit, mithin auch für Altverbindlichkeiten. Mit der Haftungszuweisung des Gesellschaftervermögens für Verbindlichkeiten der Gesellschaft kommt zum Ausdruck, dass nicht die Gläubiger der Gesellschaft das Insolvenzrisiko der Gesellschaft tragen sollen, sondern die Gesellschafter.892 Ohne die Regelung des §  128 HGB könnten die Gesellschaftsgläubiger zwar mittelbar auch von den Privatvermögen der Gesellschafter profitieren, weil die Gesellschafter für den Fall der Liquidation gemäß §  735 BGB zu verbindlichkeitsdeckenden Nachschüssen an die Gesellschaft verpflichtet sind, allerdings sind diese innenrechtlichen Verpflichtungen einerseits dispositiv und andererseits auf Zahlung in das Gesellschaftsvermögen beschränkt.893 Demgegenüber weist §  128 HGB unter Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung unmittelbar die Gesellschaftervermögen dem Haftungszugriff der Gesellschaftsgläubiger zu. Aus dem systematischen Zusammenhang der §§  128, 129 HGB mit §  110 HGB ergibt sich, dass die Gesellschafter für Verbindlichkeiten, für die sie von Gesellschaftsgläubigern in Anspruch genommen werden, Regress bei der Gesellschaft bzw. bei den Mithaftenden als Teilschuld891  Vgl. zur Einstandspflicht für Altverbindlichkeiten, BGH, Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  10 ff.; m. w. N. C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, E 74, 77 f.; ders., in: MüKoBGB, §  714 Rn.  72 ff.; ablehnend, Armbrüster, ZGR 34 (2005), 34 (49 ff.); Canaris, ZGR 33 (2004), 69 (109 ff., 114 ff.); kritisch, Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  7 III 4 c, S.  666 f.; ders., JZ 2001, 661 (664); zur rechtsökonomischen Zweckmäßigkeit, Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1550, 1556 ff.; siehe aber Begr. zu §  721a BGB-E RegE MoPeG, S.  192 f. 892  Allgemein zur Berücksichtigung von Insolvenzrisiken im Rahmen von Haftungsregelungen, Häsemeyer, KTS 1982, 1 (2 ff.). 893 Vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (101).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

nern gemäß §  426 Abs.  1 BGB nehmen können.894 Angesichts dieser normativen Verschiebung der zu tragenden Insolvenzrisiken handelt es sich bei §  128 HGB materiell-rechtlich um eine Außenhaftung. Diese ist im Ausgangspunkt verhaltensunabhängig ein abstrakter, unveränderlicher Zustand und entfaltet angesichts des Einzelverbindlichkeitsbezugs anknüpfend an ein Verhalten der Gesellschaft ihre haftungsrechtliche Wirkung, indem sie auch die Gesellschaftervermögen dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zuordnet. Eine Aussage darüber, wie diese    – materiell-rechtlich als Außenhaftung zu qualifizierende    – Einstandsflicht abzuwickeln ist, wird damit indes noch nicht festgelegt.895 So liegt der materiell-­ rechtliche Unterschied zwischen Außen- und Innenhaftung in der „Drehrichtung des Haftungs- und Regresskarussells“,896 abhängig davon, wer letztlich den Ausfall der Gesellschaft tragen muss. Bei einer Innenhaftung    – diese ist regelmäßig als anteilige Ausgleichspflicht geregelt    – ist dies der Gesellschaftsgläubiger, bei einer Außenhaftung ist dies die Gesellschaftergesamtheit. Am Beispiel des §  93 InsO wird deutlich, dass eine materiell-rechtlich als Außenhaftung konzipierte Einstandspflicht ohne Weiteres hinsichtlich ihrer Abwicklung modifiziert werden und als eine zentralisiert geltend zu machende Einstandspflicht ausgestaltet werden kann, ohne dass daraus notwendig eine echte Innenhaftung werden würde. Die Haftung wird dadurch zwar in ein Innenverhältnis verlagert, weil der Anspruch aber materiell-rechtlich weiterhin den Gläubigern zusteht und das Gesellschaftervermögen weiterhin diesen haftungsrechtlich zugeordnet bleibt, handelt es sich auch weiterhin um eine Außenhaftung; der Haftungsanspruch besteht gerade nicht gegenüber der Gesellschaft, was zwingend erforderlich wäre, um eine Umqualifikation als Innenhaftung annehmen zu können (vgl. etwa §  15b InsO, §  130a HGB a. F.).897 Dadurch, dass die sich an der Regressverteilung orientierende Außenhaftung der Gesellschafter kraft Gesetzes schon in der Gesellschafterstellung als Istzustand angelegt ist und der Haftungsstatus mit Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit lediglich aktualisiert wird, ist kein Raum für eine Anknüpfung der Einstandspflicht    – spiegelbildlich auch nicht deren Beschränkung    – an eine über eine Vertretungsmacht oder Organfunktion vermittelte Verpflichtungsbzw. Verfügungsbefugnis zulasten der Gesellschafter. Die Gesellschafter wer894 Vgl.

Faust, in: 1. FS K. Schmidt, S.  360; siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.VII. Vgl. allgemein, K. Schmidt, in: FS Goette, S.  464 ff. 896  K. Schmidt, in: FS Goette, S.  461. 897 §   130a HGB wurde    – wie die entsprechenden Bestimmungen in §  64 GmbHG, §  92 AktG, §  99 GenG    – aufgehoben durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) vom 22.12.2020 (BGBl. I S.  3256) mit Wirkung vom 1.1.2021 und rechtsformübergreifend in §  15b InsO überführt. Vgl. Bitter, ZIP 2021, 321 (324 ff.); Brinkmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2020, juris-Rn.  26 ff. 895 

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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den gerade nicht „persönlich“ schuldrechtlich mitverpflichtet. 898 Die Einstands­ pflicht der Gesellschafter ist daher nur deswegen eine „persönliche“, weil sie auf das Privatvermögen der Gesellschafter bezogen ist.899 Vielmehr führt §  128 HGB selbst dazu, dass bezogen auf organschaftlich vermittelte Gesellschaftsverbindlichkeiten zusätzliche Rechtsverhältnisse der Gesellschaftsgläubiger zu den Gesellschaftern begründet werden.900 Bei diesen handelt es sich jeweils um Schuldverhältnisse im engeren Sinne, weil die rechtliche Wirkung des §  128 HGB in einer zwar akzessorischen (vgl. §  129 HGB),901 aber vollwertigen Forderung als konstituierende Verbindlichkeit im Sinne von §  241 Abs.  1 Satz  1 BGB besteht. IV. Unterschiede zu privatrechts-typischen gesetzlichen Schuldverhältnissen Die Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit führt im Anwendungs­ bereich des §  128 HGB demzufolge dazu, dass die Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeit einzustehen haben und zusätzliche Rechtsverhältnisse der Gesellschaftsgläubiger zu den Gesellschaftern des Personenverbandes    – dieser ist eigentlicher Schuldner    – begründet werden. Bei diesen gesetzlich begründeten Rechtsverhältnissen handelt es sich zwar auch um Schuldverhältnisse im engeren Sinne, allerdings sind sie nicht als privatrechts-typische „gesetzliche Schuldverhältnisse“902 zu qualifizieren, wie sie in verschiedenen Konstellationen durch das BGB angeordnet werden (vgl. Geschäftsführung ohne Auftrag, Delikt, Bereicherungsrecht). Vertragliche und privatrechts-typische gesetzliche Schuldverhältnisse unterscheiden sich im Ausgangspunkt dadurch, dass eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung unmittelbar auf den privatautonomen Willen der Handelnden zurückzuführen ist, gerichtet auf die marktbezogene Zukunftsgestaltung zwischen individualisierten Partnern, die beliebige Interessen in den Aushandlungsprozess einbringen und die wechselseitige Nutzenbewertung nach eigenen Präferenzen vornehmen.903 Eine gesetzliche Verpflichtung führt demgegenüber verkehrsbezogen unabhängig davon zu einem Schuldverhältnis, ob die verpflichtete Partei freiwillig zur Leistung bereit ist. Maßgeblich ist regelmäßig eine Kollision von Interessensphären nicht zuvor individualisierter Partner, die aus Gründen der Gerechtigkeit einen Ausgleich erfordert und bei der das Gesetz für bestimmte Risiken Haftungssanktionen in Form einer 898 Vgl.

Flume, Die Personengesellschaft, S.  285. Wertenbruch, in: E/B/J/S, HGB, §  105 Rn.  175. 900  Habersack, Die Mitgliedschaft    – subjektives und „sonstiges“ Recht, S.  94; K. Schmidt, NJW 2003, 1897 (1898). 901  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.VII. 902 Abweichend Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (257); Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (146 ff.); K. Schmidt, NJW 2003, 1897 (1898). 903  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band   1, AT, Teilband 1, S.  69; vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  7 Rn.  51 , 53, §  8 Rn.  55. 899 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Leistung anordnet und Verbote auch dort formuliert, wo dies vom Handelnden nicht gewünscht ist (sog. Verhaltens- und Kompensationsnormen).904 Das Recht der gesetzlichen Schuldverhältnisse gewährleistet vor diesem Hintergrund einen „Interessenausgleich durch die Zubilligung von Ausgleichsansprüchen des Benachteiligten gegen den Handelnden“.905 Die insoweit zuerkannte Leistung führt zu einem Freiheitseingriff des Einen zur Kompensation eines realisierten Risikos des Anderen und ist damit regelmäßig auf eine Status quo-orientierte Besitzstandswahrung gerichtet, die auf Rückgewähr zielt und nicht auf eine Zukunftsgestaltung.906 Angesichts dieses Freiheitseingriffs sind strenge Anforderungen an die spezifisch rechtliche Legitimation von gesetzlichen Schuldverhältnissen zu stellen, sodass ein solches charakteristisch erst angeordnet wird, wenn es zu einer konkreten Interessenschädigung bzw. Vermögensverschiebung gekommen ist und auf der Grundlage der durch ein gesetzliches Schuldverhältnis angeordneten Leistungsverpflichtung ausgeglichen werden muss.907 Rechtliche Legitimationsbasis ist demnach eine Konfliktsituation, in der die zu verpflichtende Partei nicht freiwillig leisten möchte, gleichwohl aber eine Interessenkollision besteht, die wertungsmäßig einen Ausgleich erfordert. Anhand dieser Unterschiede zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen wird deutlich, dass sich die rechtliche Aufgabe typischer gesetzlicher Schuldverhältnisse darauf beschränkt, besitzstandswahrende, die Vermögens­ lage wiederherstellende Ausgleichstatbestände zu schaffen, sei es durch den Ausgleich von Schäden oder die Wiederherstellung von durch die Rechtsordnung nicht gebilligten Vermögensverschiebungen.908 §  128 HGB orientiert sich indes gerade nicht an einer bestimmten Güterzuordnung, die es angesichts einer konkreten Interessenschädigung oder Vermögensverschiebung wiederherzustellen gäbe, die Vorschrift zielt vielmehr präventiv auf in der Zukunft liegende Ausfallrisiken der Gesellschaftsgläubiger, ohne dass deren Vermögenslage konkret gefährdet wäre. Angesichts der herausgearbeiteten Eigenschaften typischer gesetzlicher Schuldverhältnisse kann die Regelungsanordnung des §  128 HGB nicht als solches qualifiziert werden.909 Dadurch, dass §  128 HGB aber für den Fall einer begründeten Gesellschaftsverbindlichkeit gleichwohl dazu führt, dass kraft gesetzlicher Regelung auch zwischen den Gesellschaftern und den Gesellschaftsgläubigern ein Schuldverhältnis im engeren Sinne entsteht, bietet 904  Peifer, Schuldrecht BT, §  1 Rn.  7; Looschelders, Schuldrecht AT, §  10 Rn.  1 ff., 7 ff., §  5 Rn.  1, 9 ff.; vgl. Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  67 ff. 905  Peifer, Schuldrecht BT, §  1 Rn.  13; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  67; vgl. Ehricke, in: Frenz/Müggenborg, EEG, §  4 Rn.  16; Looschelders, Schuldrecht AT, §  10 Rn.  5, 7. 906  Peifer, Schuldrecht BT, §  1 Rn.  13; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, S.  67; vgl. Ehricke, in: Frenz/Müggenborg, EEG, §  4 Rn.  16. 907  Ehricke, in: Frenz/Müggenborg, EEG, §  4 Rn.  16. 908  Ehricke, in: Frenz/Müggenborg, EEG, §  4 Rn.  16. 909  A. A. Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (147).

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sich aus Abgrenzungsgesichtspunkten eine Bezeichnung als „atypisches gesetzliches Schuldverhältnis“ an. Die gegenüber typischen gesetzlichen Schuldverhältnissen bestehenden Besonderheiten bieten Raum für die Berücksichtigung gesellschaftsrechtlicher Eigenheiten.910 Darüber hinaus haben vertragliche und typische gesetzliche Schuldverhältnisse den gemeinsamen Bezugspunkt, dass sie    – jedenfalls mittelbar    – an das Prinzip der Selbstbestimmung sowie dessen damit verbundenem Korrelat der Selbstverantwortung anknüpfen,911 wonach Rechtssubjekte „in eigener Verantwortung ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse decken und dabei über die Gradskala ihrer Bedürfnisse frei entscheiden können“,912 sie mit ihrer Selbstbestimmung aber gleichzeitig selbstverantwortlich das Risiko deren Verfehlung tragen.913 Ohne diese Basis des Schuldrechts wäre eine Güterverteilung und -verschiebung nicht in einem marktwirtschaftlichen System möglich, sondern müsste durch planwirtschaftliche Akteure gelenkt werden.914 Im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass die Parteien willentlich in einen privatautonomen Aushandlungsprozess eintreten, ein Rechtsverhältnis miteinander begründen und sich gegenseitig berechtigen bzw. verpflichten. Ein gesetzliches Schuldverhältnis knüpft demgegenüber dadurch an die Postulate der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung an, indem es eine eigenverantwortliche Teilhabe am Rechtsverkehr unter Inkaufnahme der daraus resultierenden Haftungsrisiken voraussetzt. Im Rahmen der Haftungsanordnung des §  128 HGB ist fraglich, inwieweit die Grundsätze von Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit berücksichtigt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass das Schuldverhältnis der Gesellschafter zu den Gesellschaftsgläubigern angesichts des Einzelverbindlichkeitsbezugs frühestens mit Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit    – das heißt mit Aktualisierung des Haftungsstatus    – entsteht, ist es naheliegend, die diesbezügliche Bewertung des §  128 HGB auf den Zeitpunkt der Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit zu beziehen und insoweit eine selbstbestimmte Einflussnahmemöglichkeit der Gesellschafter zu fordern, die in deren Selbstverantwortung mündet. Dadurch, dass der Personenverband aber selbst handlungs- und willensfähiges Rechtssubjekt ist, welches vermittelt durch das Verhalten ihrer Organe am Rechts­verkehr teilnimmt, wäre es widersprüchlich, dem Verhalten der Gesellschafterorgane der­ gestalt eine Doppelnatur beizumessen, dass diese neben einer organschaftlichen Verpflichtung des Verbandsvermögens zugleich ein selbstbestimmtes Verhalten 910 

Vgl. zu §  4 EEG, Ehricke, in: Frenz/Müggenborg, EEG, §  4 Rn.  18. Flume, Das Rechtsgeschäft, §  4 8, S.  61; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.13; ­Neuner, BGB AT, §  1 Rn.  4, §  10 Rn.  11 ff., 27 ff., §  30 Rn.  8 ff., §  32 Rn.  2 ff., 26, §  41 Rn.  8; siehe dazu auch unten Kap.  1 §  3 B.III.2. 912  Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, §  1 Rn.  6; siehe auch oben zur Annahme rationalen Verhaltens Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). 913  Flume, Das Rechtsgeschäft, §  4 8, S.  61. 914  Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  8 Rn.  67; Medicus/Petersen, BGB AT, §  17 Rn.  176. 911 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

in Bezug auf die selbstverantwortliche, funktionale    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffende    – Zuordnung ihres Privatvermögens unter den Haftungszugriff der Gesellschaftsgläubiger zeigen. Angesichts der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaften sowie der Trennung der Vermögensverbin­ dungen von Gesellschaft und Gesellschaftern soll bei privatautonomer Vereinbarung der Gesellschaftsverbindlichkeit bzw. bei einem in einer gesetzlichen Verbindlichkeit mündenden Auftritt des Personenverbandes im Rechtsverkehr originär nur dieser selbst verpflichtet werden. Dadurch, dass sich aber bei Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit der von §  128 HGB angeordnete Haftungs-Istzustand lediglich hin zu einem Schuldverhältnis aktualisiert, könnte es zulässig sein, für die Frage hinreichend selbstbestimmter Selbstverantwortlichkeit bereits auf die Entstehung dieses Haftungs-Istzustandes abzustellen. So geht dessen Entstehung unmittelbar auf die Konstituierung des Verbandes als Folge der Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks zurück. Diese Entscheidung der Gesellschafter, sich der Verbandsherrschaft im Rahmen des Verbandszwecks so zu unterwerfen, wie sie in der Mitgliedschaft zum Ausdruck kommt, erfolgt privatautonom unter bewusster Einbeziehung der rechtsformspezifischen Haftungsverfassung in den gesellschaftsvertraglichen Aushandlungsprozess. Mit Blick auf den bei Personenaußengesellschaften geltenden Grundsatz der Selbstorganschaft915 wird darüber hinaus dadurch das aus der privatautonomen Selbstbestimmung folgende Selbstverantwortlichkeitspostulat berücksichtigt, dass die Gesellschafter jedenfalls die abstrakte Möglichkeit erhalten, schlussendlich auf die Begründung von Gesellschaftsverbindlichkeiten Einfluss zu nehmen, weil sie sich jedenfalls nicht dauerhaft von der mitgliedschaftlich vermittelten Einflussnahme ausschließen können. V. Beschränkte Reichweite privatautonomer Rechtfertigung der Gesellschafterhaftung Vor dem Hintergrund des sowohl schuldrechtlich als auch haftungsrechtlich herausgearbeiteten Grundsatzes „ein Rechtssubjekt    – ein Vermögen“, wie er sich auch für die Personenverbände als Rechtssubjekte und Träger des Gesellschaftsvermögens ergibt, stellt sich die Haftung der Gesellschafter mit Blick auf die Gesellschaftsverbindlichkeiten als ein Haftungszugriff auf eine zusätzliche Vermögensverbindung dar, der über den gewöhnlichen Haftungszugriff schuld­ rechtlicher Verbindlichkeiten hinausgeht.916 Legitimationsgrundlage für eine erweiterte haftungsrechtliche Zuweisung    – und damit eine Abweichung vom Grundsatz zweipoliger Leistungsbeziehungen    – kann einerseits eine privatautonome an das Selbstverantwortlichkeitspostulat anknüpfende Unterwerfung 915  916 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.d)bb). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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sein,917 andererseits eine gesetzliche Anordnung. Scheidet eine privatautonome Anbindung aus, kommt die Haftungszuweisung einer schuldnerfremden Vermögensverbindung unter Anknüpfung an eine gesetzliche Regelung nur in dem Umfang in Betracht, wie wertungsmäßig ein rechtliches Ausgleichsbedürfnis gegeben ist, weil sich der Regelungszweck einer kompensatorischen Vorschrift darin erschöpft.918 Bei der Beurteilung, inwieweit in Bezug auf die Interessen der Gesellschafter sowie der Gesellschaftsgläubiger eine privatautonome bzw. eine durch den Regelungszweck vorgezeichnete rechtliche Legitimation gegeben ist, ist die Qualifikation der Gesellschafterhaftung als gesetzliche Ein­ stands­pflicht zu berücksichtigen. Anhand des Umstandes, dass §  128 HGB die Haftung tatbestandlich an die Gesellschafterstellung bindet, wird deutlich, dass die Einstandspflicht zwar nicht schon als unmittelbarer Bestandteil der Mitgliedschaft verstanden werden kann.919 Dadurch, dass §  128 HGB den Haftungs-Istzustand aber bereits unmittelbar an die Mitgliedschaft anknüpft, kann er unabhängig von später eingegangenen konkreten Gesellschaftsverbindlichkeiten sowohl bei der Vereinbarung gesellschaftsvertraglicher Rechte und Pflichten zwischen den Gesellschaftern untereinander sowie gegenüber der Gesellschaft als auch in dem Aushandlungsprozess der Gesellschaft mit ihren Vertragspartnern berücksichtigt und eingepreist werden. 1. Gläubigerseitige, privatautonome Berücksichtigung des §  128 HGB bei Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit Die Gläubiger der Gesellschaft können die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB, wenn sie eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit einem Personenverband treffen, entsprechend ihrer Präferenzen einpreisen. Demgegenüber sind die einzelnen Gesellschafter an dem Aushandlungsprozess über die jeweilige Gesellschaftsverbindlichkeit nicht unmittelbar beteiligt und nur noch über ihre mitgliedschaftlichen Rechte, insbesondere den Grundsatz der Selbstorganschaft, geschützt.920 Aus Sicht der Gesellschafter aktualisiert sich der aus §  128 HGB resultierende Haftungs-Istzustand hinsichtlich jeder Gesellschaftsverbindlichkeit fremdbestimmt durch die Gesellschaft. Treten potenzielle Gläubiger der Gesellschaft hingegen außerhalb rechtsgeschäftlicher Beziehungen gegenüber und erhalten etwa aufgrund eines deliktischen Schuldverhältnisses ­einen Anspruch gegen die Gesellschaft, könnte es sich für diese einerseits als Zufälligkeit darstellen, dass sie über §  128 HGB einen Haftungszugriff auf eine zusätzliche Vermögensverbindung erhalten, den sie bei einem Rechtsverhältnis mit einer natürlichen Person nicht erhielten. Andererseits haben sie auch keine 917 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 918  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.5. 919  Habersack, Die Mitgliedschaft    – subjektives und „sonstiges“ Recht, S.  93 f. 920  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.d)bb).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Möglichkeit, sich auf die Rechtsnatur des Personenverbandes einzustellen. In dieser Konstellation können sie in besonderem Maße auf die gesetzlich angeordnete Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft angewiesen sein, wenn etwa ihr Integritätsinteresse nur durch den Haftungszugriff auf die zusätzliche Vermögensverbindung eines an dem konkreten haftungsauslösenden Ereignis unbeteiligten Rechtssubjekts befriedigt werden kann. Anders als deliktische Gesellschaftsgläubiger haben sich die Gesellschafter mit der Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks jedenfalls bewusst in die Sphäre der Gesellschaft begeben und sich den Folgen ihres Handelns unterworfen.921 Fraglich ist, wie weit dieser privatautonome Entschluss reicht und in welchem Umfang daraus eine rechtliche Legitimation der Einstandspflicht der Gesellschaft für Gesellschaftsverbindlichkeiten abgeleitet werden kann. 2. Reichweite privatautonomer Inbezugnahme des §  128 HGB im Rahmen der Verbandsbeteiligung Denkbar ist, dass die Gesellschafter sich durch die privatautonome Vereinbarung des Verbandszwecks pauschal der Haftungsanordnung, wie sie die herrschende Meinung §  128 HGB zugrunde legt, unterworfen haben. So ist mit der Beteiligung der Gesellschafter an dem Verbandszweck ein der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit vorgelagerter privatautonomer Akt der Gesellschafter gegeben. In Anbetracht des Umstandes, dass der Haftungs-Istzustand unmittelbar an die Gesellschafterstellung und damit die Mitgliedschaft anknüpft, lässt sich die Haftung sogar lückenlos auf die Entscheidung über die Konstituierung des Personenverbandes zurückführen. Vor dem Hintergrund der auf einen marktwirtschaftlichen Aushandlungsprozess ausgerichteten Privatautonomie kann allerdings nur davon ausgegangen werden, dass sich die Gesellschafter privatautonom regelmäßig lediglich in dem Umfang einer haftungsrechtlichen Fremdbestimmung durch die Verbandsherrschaft unterwerfen, wie sie aus subjektiver Sicht ein vermögensausgleichendes Äquivalent erhalten.922 Insofern spricht gegen eine privatautonome Unterwerfung der Gesellschafter unter eine    – insbesondere primäre    – Einstandspflicht, wie sie von der herrschenden Meinung zugrunde gelegt wird, dass diese, indem sie sich in einem Personenverband zusammengeschlossen haben, zum Ausdruck bringen, dass sie    – solange die Gesellschaft werbend am Rechtsverkehr teilnimmt    – gerade nicht selbst Vertragspartner der Gesellschaftsgläubiger werden wollen und sich damit auch nicht unmittelbar verpflichten wollen. Soweit die Gesellschafter die Haftungsanordnung des §  128 HGB als Haftungs-Istzustand im Rahmen des gesellschaftsvertraglichen Aushandlungsprozesses berücksichtigen, werden sie sich 921 

922 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 A.IV. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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darauf selbstbestimmt nur einlassen, soweit sie dafür ein dieses Haftungsrisiko ausgleichendes Äquivalent erhalten.923 Der in diesem Umfang privatautonom legitimierungsfähigen Gesellschafterhaftung stehen die mitgliedschaftlichen Rechte, insbesondere Gewinnbezugsrechte, gewinnunabhängige Entnahmerechte sowie die gesellschaftsanteilsbezogene Beteiligung an dem gewinnvermittelten Wertzuwachs ihres Vermögensanteils gegenüber. Bezogen auf die einzelne Gesellschaftsverbindlichkeit erhalten die Gesellschafter, wenn sie die Forderung des Gesellschaftsgläubigers begleichen, demgegenüber einen Ausgleichsanspruch gegen die Gesellschaft nach §  110 HGB sowie einen anteiligen Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Gesellschafter gemäß §   426 Abs.   1 BGB.924 Nur in dem Umfang, wie diese Ansprüche der Gesellschafter reichen, kann die Gesellschafterhaftung unter unmittelbarer Bezugnahme auf den Grundsatz der Privatautonomie gerechtfertigt werden. Problematisch ist dabei insbesondere, dass diese Regressansprüche mit einem zusätzlichen Ausfallrisiko belastet sind.925 Eine Auslegung des §  128 HGB, die dessen Regelungsanordnung dahin gehend bestimmt, dass die Einstandspflicht der Gesellschafter weitreichender ist als deren Vermögenszuwachs, lässt sich damit jedenfalls nicht unter Rückgriff auf den Grundsatz der Privatautonomie legitimieren. Erst recht liefe die Annahme, die Gesellschafter bezögen §  128 HGB in dem von der herrschenden Meinung zugrunde gelegten Auslegungsverständnis mit ein    – auch wenn dieses das privatautonom zugrunde gelegte Äquivalenzverhältnis außer Acht ließe bzw. den rechtlich legitimierten Regelungszweck der Vorschrift überstiege    –, auf die Fiktion eines so nicht geäußerten Gesellschafterwillens ­hinaus. Privatautonom werden die Gesellschafter eine Haftungsregelung nur in dem Umfang dem Verbandszweck zugrunde legen, wie diese Regelung unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen durch den Regelungszweck ihrerseits rechtlich legitimiert ist.926 Der privatautonome, selbstbestimmte Bezugspunkt der Gesellschafterhaftung kann folglich allenfalls in der Vereinbarung des gemeinsamen Verbandszwecks liegen. Insoweit beschränkt sich die privat­ autonome Berücksichtigung des §  128 HGB auf die Erwartung vermögensausgleichender Zuflüsse sowie den durch dessen Regelungszweck beschränkten Umfang. Soweit die diesbezügliche Reichweite privatautonomer Unterwerfung überschritten ist, würde eine den Regelungszweck des §  128 HGB überschießende Gesellschafterhaftung darauf hinauslaufen, dass die Gesellschaft mit ihren Gläubigern die Gesellschafter als Dritte (gesetzlich vermittelt) verpflichten könnte. Eine gesetzliche Regelung, die einem Rechtssubjekt die Befugnis verleihen würde, willkürlich Pflichten eines Dritten zu schaffen, wäre ihrerseits mit 923 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). Habersack, AcP 198 (1998), 152 (159); siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.VII. 925  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.7. 926  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.5. 924 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

dem Prinzip der Privatautonomie unvereinbar, sodass insoweit keine rechtliche Legitimation in Betracht käme.927 VI. Verhältnis von Haftung und Nachschusspflichten Ebenfalls in die Bewertung des privatautonomen Aushandlungsprozesses zwischen den Gesellschaftern einzubeziehen sind die     – gegebenenfalls gesellschaftsvertraglich modifizierten    – Nachschussplichten nach §  735 BGB, wie sie im Falle der Insolvenz von dem Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse geltend gemacht werden können.928 Eine Nachschusspflicht unterscheidet sich bezogen auf die einzelne Gesellschaftsverbindlichkeit im Grundsätzlichen von der als Außenhaftung konzipierten Einstandspflicht für eine fremde Verbindlichkeit nach §  128 HGB, da es für den Fall einer Nachschusspflicht jedenfalls an einer Ausgleichsregelung, wie der des §  110 HGB, mangelt. Ein entscheidender Unterschied in der Bewertung liegt darin, dass §  735 BGB in Abweichung zu §  128 HGB auf den Fall der Liquidation beschränkt ist, bei dem es am Ende mit der Vollbeendigung des Personenverbandes auch zu einer Aufhebung der Trennung der Vermögensverbindungen kommt.929 Während §  110 HGB der augenscheinliche Ausgleich der Gesellschafter für deren persönliche Gesellschafterhaftung bei Deckung der Gesellschaftsverbindlichkeit im Gesellschaftsvermögen ist, ist §  735 BGB das vermögensmäßige Pendant für den Fall der Unterdeckung, wie sie bei Aufhebung der Vermögenstrennung im Falle der Liquidation auszugleichen ist.930 Demgegenüber ist während des werbenden Zustandes des Verbandes und damit bei Rechtssubjektsverschiedenheit kein vermögensausgleichendes Äquivalent für Nachschüsse der Gesellschafter zu erwarten. Sie sind daher ohne gesonderte privatautonome Grundlage gemäß §  707 BGB ausgeschlossen.931 Abweichungen kommen vor dem Hintergrund des an die verbandsrechtliche Treuepflicht anknüpfenden Grundsatzes „sanieren oder ausscheiden“ in Betracht.932 In Anbetracht der Rechtssubjektivität sowie der Vermögenstrennung findet die liquidationsbezogene Nachschusspflicht des §  735 BGB angesichts des §  707 BGB zwar keine unmittelbare Anwendung während des werbenden Zustandes des Verbandes, sodass sich die Nachschusspflicht nur auf den 927 

S. Huber, Erfüllungshaftung Vertragsfremder, S.  462 f. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 929  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 930  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (174). 931 Vgl. C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, C.III.2; ders., in: FS Ganter, S.  35 ff., 38 ff.; Tröger, JZ 2016, 834 (840). 932  BGH, Uv. 19.10.2009    – II ZR 240/08, BGHZ 183, 1–13 = juris-Rn.  10 ff.; BGH, Uv. 9.6.2015    – II ZR 420/13, juris-Rn.  16 ff.; m. w. N. zu beiden Entscheidungen Westermann, NZG 2016, 9 (9 ff.); vgl. Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (20 ff.); Nentwig, WM 2011, 2168 (2172 f.); C. Schäfer, in: FS Ganter, S.  33 ff., 49 f.; K. Schmidt, JZ 2010, 125 (126 ff.); ders., ZGR 11 (1982), 519 (535 ff.); Wertenbruch, DStR 2007, 1680 (1680 ff.); ders., NZG 2016, 401 (401 ff.). 928 

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Liquidationsfall bezieht.933 Die Nachschusspflicht kann aber einerseits im ­Rahmen des auch den Liquidationsfall miteinbeziehenden gesellschaftsvertrag­ lichen Aushandlungsprozesses Berücksichtigung finden. Die liquidationsbezogene Nachschusspflicht ist Preis der personenverbandsrechtlichen Vermögens­ trennung, die keine gesonderten Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungs­ regelungen kennt. Soweit es andererseits um die Beurteilung der Interessen der Gesellschaftsgläubiger in Bezug auf die Gesellschaftsverbindlichkeiten geht, kann die Nachschusspflicht bei dem Aushandlungsprozess mit der Gesellschaft unmittelbar berücksichtigt werden, weil diese gerade kein Interesse an der Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung haben, sondern sich ihr Interesse vorwiegend an der finalen, gegebenenfalls liquidationsbezogenen, Realisierbarkeit ihrer Forderung orientiert.934 Dadurch, dass die Vorschriften der §§  128 HGB, 110 HGB, 735 BGB, 93 InsO notwendiger Teil der privatautonomen Aushandlungsprozesse der Gesellschafter untereinander sowie der Gesellschaft mit ihren Gläubigern sind, ist es eine dringende Aufgabe der Untersuchung, diese Normen in ein wertungskohärentes Modell zu bringen. Während die Regelungen der §§  128 HGB und 735 BGB mit unterschiedlichem Anknüpfungspunkt eine ähnliche Wirkungsrichtung zugunsten der Gläubiger aufweisen, einmal in Bezug auf das Außenverhältnis, einmal hinsichtlich der liquidationsbezogenen Innenbeziehungen, nimmt §  110 HGB wie die Gewinnbezugsrechte sowie die gewinnunabhängigen Entnahmerechte eine vermögensausgleichende Funktion zugunsten der Gesellschafter ein.935 Die Regelung des §  128 HGB steht daher in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vorschrift des §  110 HGB.936 Angesichts der Tatsache, dass im Falle der Insolvenz die maßgeblichen Bezugspunkte zusammenfallen, ist es einerseits Aufgabe des §  93 InsO, einen wertungsmäßigen Gleichlauf der Vorschriften über Innen- und Außenverhältnis zu realisieren, andererseits ist §  93 InsO nichts anderes als ein verfahrensmäßiges Abbild der Haftungsverfassung von Rechtsformen mit persönlicher Gesellschafterhaftung, sodass eine einheitliche Behandlung der betroffenen Vermögensverbindungen sowie des Innen- bzw. Außenverhältnisses einschließlich der Regress­ risiken angezeigt bleibt.

933 

Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (2 ff.). abweichende Beurteilung kann lediglich in Bezug auf Massegläubiger angezeigt sein. Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 935 Vgl. Wiedemann, WM 1992, 3 (30 ff., 35 f.). 936  Soweit §  128 HGB analog angewandt wird, bedingt dies eine entsprechende Anwendung von §  110 HGB, BGH, Uv. 15.11.2011    – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293–310 = juris-Rn.  35; BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-Rn.  59 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-401, I-980; ders., NZG 2003, 618 (619); vgl. Gramlich/ Müssig, NZG 2019, 1333 (1334 ff.); dementsprechend sieht §  716 BGB-E RegE MoPeG eine Regelung im Recht der GbR vor, S.  18 f., 180 f. 934  Eine

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

VII. Akzessorietät der Haftung im Personenverband Wortlaut und Regelungssystematik von §  128 HGB verdeutlichen, dass die Gesellschafterhaftung von dem Bestehen der Gesellschaftsverbindlichkeit abhängt. Einerseits ordnet §  128 HGB an, dass die Gesellschafter nicht gleich der Gesellschaft „schulden“, sondern „haften“, andererseits hängt die Haftung von dem Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit ab. Diese Abhängigkeit wird im Zusammenspiel mit §  129 HGB konkretisiert, indem die Haftung nach §  128 HGB dem Prinzip der Akzessorietät unterliegt.937 1. Einseitige Wirkungsweise der akzessorischen Gesellschafterhaftung Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen führt §  128 HGB nicht dazu, dass die Gesellschafter unmittelbar in das Schuldverhältnis im engeren Sinne der Gesellschaft mit ihren Gläubigern einbezogen werden, sondern als Rechtswirkung vorwiegend den Haftungszugriff der Gläubiger für die Gesellschaftsverbindlichkeit auf die zusätzlichen Vermögensverbindungen der Gesellschafter ausdehnt. Die Schuldverhältnisse im engeren Sinne der Gläubiger zu den Gesellschaftern werden dabei reflexhaft begründet, weil Schuld und Vermögenshaftung in untrennbarem Zusammenhang stehen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung als Folge der tatbestandlichen Bezugnahme des §  128 HGB auf eine Gesellschaftsverbindlichkeit. Konkretisiert wird diese durch §  129 HGB. Aus der Akzessorietät folgt eine eingeschränkte Geltung des Relativitätsgrundsatzes im Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern. Überwiegend wird die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung als bürgenähnliche Stellung bezeichnet.938 Die aus dem Zusammenspiel von §  128 HGB und §  129 HGB folgende Akzessorietät ist darüber hinaus rechtlich notwendig, weil sich §  128 HGB als gesetzliche Regelung über die Zuweisung schuldrechtlicher Ausfallrisiken an dem von Gläubigern mit der Gesellschaft individualvertraglich vereinbarten oder aus gesetzlichen Kompensationsregelungen folgenden Äquivalenzverhältnis zu orientieren hat. So soll die materielle Außenhaftung des §  128 HGB gewährleisten, dass vorrangig die Gesellschafter und nicht die Gläubiger das Ausfallrisiko der Gesellschaft tragen. Aus der tatbestandlichen Bezugnahme des §  128 HGB auf eine Gesellschaftsverbindlichkeit folgt, dass auch die Haftungserweiterung auf die Privatvermögen der Gesellschafter nicht über das hinausgehen kann, was von der Gesellschaft geschuldet ist. Eine entsprechende Grenze wird durch die ma937  Flume, in: FS Knur, S.  128 ff.; Habersack, AcP 198 (1998), 152 (153 ff.); ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  20; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  39 ff.; Martensen, Der Inhalt der unbeschränkten Haftung, S.  54; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1286); K. Schmidt, in: MüKoHGB §  128, Rn.  24; ders., ZHR 152 (1988), 105 (108); allgemein zur Akzessorietät, Medicus, JuS 1971, 497 (497 ff.); vgl. Begr. zu §  721b BGB-E RegE MoPeG, S.  193 f. 938  Habersack, AcP 198 (1998), 152 (160 f.); ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  20 m. w. N.; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  39.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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teriell-rechtliche Qualifizierung der Gesellschafterhaftung als Außenhaftung gezogen. Während im Innenverhältnis Überkompensationen hinnehmbar wären, weil diese auf den Gesellschafterkonten geführt werden und im Rahmen der Auseinandersetzung entsprechend der gesellschaftsvertraglichen bzw. schuldrechtlichen Vereinbarung berücksichtigt werden können, scheidet eine solche im Außenverhältnis aus, weil die Gesellschaftsgläubiger nur das erhalten dürfen, wozu sie sich regelmäßig im Gegenzug zu einem ausgleichenden Äquivalent verpflichtet haben oder was sie aufgrund einer Interesseneinbuße als Ausfluss eines gesetzlichen Schuldverhältnisse in berechtigter Weise zugesprochen bekommen. Aus den §§  128, 129 HGB sowie aus der Trennung der in Anspruch genommenen Vermögensverbindungen folgt ferner eine nur einseitig wirkende Akzessorietät,939 das heißt die Gesellschaft kann in Bezug auf die Gesellschafsverbindlichkeit keine Einwendungen der Gesellschafter geltend machen. Die einseitige Wirkung der Akzessorietät ergibt sich darüber hinaus daraus, dass die Haftungsanordnung tatbestandlich nur solange aufrechterhalten wird, wie eine Gesellschaftsverbindlichkeit überhaupt existiert; fällt diese weg, gibt es gar keine Grundlage für eine Haftung, die akzessorisch sein könnte. So führt der Einzelverbindlichkeitsbezug des §  128 HGB dazu, dass sich der Haftungs-Istzustand hin zu einer Gesellschafterhaftung für eine konkrete Verbindlichkeit aktualisieren kann, diese Aktualisierung aber bei Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit auch in die umgekehrte Richtung wirkt.940 Im Insolvenzfall kommt diese einseitig wirkende Akzessorietät der Haftungsverbände dadurch zum Ausdruck, dass die Gesellschafter lediglich für den Fall der Unterdeckung der Masse    – bezogen auf den Eröffnungsstichtag    – herangezogen werden können.941 2. Keine Gesamtschuld zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern Aus dem Prinzip der Akzessorietät, wie es sich daraus ergibt, dass die Gesellschafter für eine Verbindlichkeit haften sowie aus der rechtssubjektbezogenen Vorschrift des §  110 HGB folgt, dass die Regeln der Gesamtschuld zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern keine Anwendung finden; es fehlt in­ soweit an einer Gleichstufigkeit der Verbindlichkeiten.942 Im Umkehrschluss ergibt sich dies aus der Vorschrift des §  128 HGB, die ihrerseits eine Gesamt939 

So allgemein zur Akzessorietät, Medicus, JuS 1971, 497 (497). Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  21. 941  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (188 ff., 191); vgl. Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (8); siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 942  Habersack, AcP 198 (1998), 152 (152, 159); ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  20, 23; Hadding, ZGR 2 (1973), 137, 149; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  40 ff.; Geßler, ZGR 142 (1978), 251, 265; vgl. P. Bydlinski, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  421 Rn.  12 ff.; Flume, in: FS Knur, S.  130 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, §  66 Rn.  892; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, §  5 II 7; Westermann/P. Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, §  22 Rn.  1293; teil­ weise kritisch, Looschelders, Schuldrecht AT, §  54 Rn.  23. 940 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

schuld nur zwischen den Gesellschaftern vorsieht. Fraglich ist, was mit der Gesellschaftsverbindlichkeit passiert, wenn der Gesellschafter auf seine Inan­ spruch­nahme nach §  128 HGB hin leistet und inwieweit der Gesellschafter dafür Regress nehmen kann. Mangels Gesamtschuldverhältnisses findet die Regelung des §  422 BGB, wonach die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner wirkt, keine Anwendung. Ferner scheidet ein (anteiliger) Forderungsübergang der Gesellschaftsverbindlichkeit auf den Gesellschafter in unmittelbarer Anwendung des §  426 Abs.  2 BGB aus, weil diese Vorschrift anordnet, dass ein solcher nur „die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner“ erfasst. Angesichts der Tatsache, dass zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft gerade kein Gesamtschuldverhältnis besteht, handelt es sich bei der Gesellschaftsverbindlichkeit auch nicht um eine Forderung gegenüber einem „übrigen Schuldner“, die auf einen Gesellschafter übergehen könnte. Mangels übergangsfähiger Forderung eines in einem Gesamtschuldverhältnis mit den Gesellschaftern stehenden „übrigen Schuldner[s]“ gibt es daher auch keine Forderung aus §  426 Abs.  2 BGB, die der leistende Gesellschafter gegenüber seinen nach §  128 HGB mitschuldenden Gesellschaftern ­geltend machen könnte.943 Hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeit käme allenfalls eine analoge Anwendung des §  426 Abs.  2 BGB in Betracht, die unter Bezugnahme der Gesellschaftsverbindlichkeit einen gesetzlichen Forderungsübergang zur Folge hätte.944 Etwas anders könnte lediglich hinsichtlich der Haftungsforderung aus §  128 HGB gelten. Diese könnte gemäß §  426 Abs.  2 BGB auf den Leistenden übergehen, sie ist jedoch von dem Bestand einer Gesellschaftsverbindlichkeit abhängig.945 Die Anwendung des §  426 Abs.  1 BGB auf die Ausgleichspflicht der Gesellschafter untereinander ist hingegen unproblematisch, weil es sich um eine Regelung des Innenausgleichs der Gesamtschuldner handelt, die hinsichtlich der Haftungsforderung gemäß §  128 HGB ausdrücklich gesamtschuldnerisch einzustehen haben. 3. Modellcharakter des §  110 HGB steht einem Totalregress des akzessorisch haftenden Gesellschafters entgegen Angesichts der akzessorischen Verbindung sowie mangels Gesamtschuld wird teilweise unter Verweis auf die bürgenähnliche Stellung der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaftsverbindlichkeit ein gesetzlicher Forderungsübergang entsprechend §  774 Abs.  1 Satz  1 BGB angenommen mit der Einschränkung, dass der Ausgleich der Gesamtschuldner sich auf das Verhältnis unterei-

943 Vgl. Flume, Die Personengesellschaft, §  16 II 2 c; Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (170, 172); a. A. Sander, ZInsO 2012, 1285 (1286); Blomeyer, BB 1968, 1461 (1463). 944  Vgl. m. w. N. Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (170 ff.); Flume, in: FS Knur, S.  142 f.; siehe dazu aber unten Kap.  1 §  2 C.VII.4. 945  Siehe dazu unten Kap.  1 §  2 C.VII.4.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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nander beziehe.946 Der Gesellschafter hat deswegen ein Interesse an einem gesetzlichen Forderungsübergang der Gesellschaftsverbindlichkeit, weil diese bereits tituliert und dementsprechend leichter durchsetzbar sein kann, die ­Geltendmachung bevorrechtigter oder gesicherter Forderungen ist für den Gesellschafter wirtschaftlich erfolgversprechender.947 Umgekehrt kann durch eine entsprechende Anwendung des §  774 Abs.  1 Satz  1 BGB dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Privilegierung des Schuldners dadurch, dass eine gegebenenfalls titulierte oder gesicherte Forderung unterginge, rechtfertigungsbedürftig wäre.948 So sei §  774 Abs.  1 Satz  1 BGB das „Modell des Total­ regresses eines akzessorisch haftenden Schuldners gegen den Hauptschuldner“ zu entnehmen, sodass in entsprechender Anwendung die Gesellschaftsverbindlichkeit auf den leistenden Gesellschafter übergehe.949 Problematisch ist, dass dies dem systematischen Zusammenhang der §§  128, 110 HGB zuwiderläuft.950 §  110 HGB hat insoweit „Modellcharakter“, als er einem Totalregress des ak­ zessorisch haftenden Gesellschafters entgegensteht.951 Dies ist indes keine unmittelbare Folge des Umstandes, dass der Gesellschafter an dem Vermögen der Gesellschaft partizipiert bzw. durch seine Teilhaberechte auf die Belange der Gesellschaft Einfluss nehmen kann und sich die Gesellschaftsverbindlichkeit für ihn daher lediglich formal aber nicht wirtschaftlich als eine fremde Schuld darstellen würde.952 Die Gesellschaftsverbindlichkeit ist für den Gesellschafter vielmehr stets sowohl formal als auch wirtschaftlich eine fremde Schuld. Die Interessenlage bei der Gesellschafterhaftung unterscheidet sich aber deswegen 946  Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  36; Faust, in: 1. FS K. Schmidt, S.  359; Habersack, AcP 198 (1998), 152 (160 ff.); ders., in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  23, 43 f., 46; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §  128, 129 Rn.  6; Neubauer/Herchen, in: MünchHdb. GesR I, §  69 Rn.  6; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  31; ders., Gesellschaftsrecht, §  49 V 1; unklar, M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  25; zu §  8 PartGG i. V. m. §  426 Abs.  2 BGB, Henssler, PartGG, §  8 Rn.  99; Wiedemann, WM 1992, 3 (36); a. A. BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-Rn.  60; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  30 f.; A. Hueck, Das Recht der oHG, S.  320 f.; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  40; m. w. N. Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (173 f.), die den gesetzlichen Forderungsübergang auf ausgeschiedene Gesellschafter beschränkt; a. A. Sander, ZInsO 2012, 1285 (1286). 947  Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (170). 948 Vgl. Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (173). 949  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 V 1; vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  23, 43 f., 46; a. A. BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-Rn.  60. 950  Soweit §  128 HGB analog angewandt wird, bedingt dies eine entsprechende Anwendung von §  110 HGB, BGH, Uv. 15.11.2011    – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293–310 = juris-Rn.  35; BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-Rn.  59 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-401, I-980; ders., NZG 2003, 618 (619); vgl. Gramlich/ Müssig, NZG 2019, 1333 (1334 ff.). 951  Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (173); so auch BGH, Uv. 19.7.2011    – II ZR 300/08, juris-­ Rn.  60; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §   128 Rn.   30; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  40; vgl. Habersack, AcP 198 (1998), 152 (161 ff.) zu §  774 Abs.  1 Satz  3 BGB; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  42, 99 ff. 952  So noch Preuß, ZHR 160 (1996), 163 (173 f.).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

von der der Bürgenhaftung, weil der Bürge sich unmittelbar privatautonom verpflichtet, der Gesellschafter aber kraft Gesetzes einer gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht unterworfen wird und §  110 HGB für diese eine abweichende und abschließende Regressabwicklung vorsieht. Lediglich die Gesellschafterhaftung ist materielle Außenhaftung, deren gesellschaftsrechtlicher Ausgleich aber in das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis verlagert wird. Auf diese Weise wird verhindert, dass der Gesellschafter, gegebenenfalls entgegen gesellschaftsvertraglichen Bindungen, unmittelbaren Zugriff auf übergehende Sicherheiten erhält. So bedarf es lediglich im Außenverhältnis zwingender gesetzlicher Gewährleistungen; das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis unterliegt demgegenüber vorrangig den antizipiert durch den Gesellschaftsvertrag getroffenen privatautonomen Vereinbarungen.953 Die Gesellschafterhaftung ist zwar eine gesetzliche, jedoch eine auf die gesellschaftsvertragliche Verbindung der Gesellschafter rückführbare, für die es nicht auf die einzelne Gesellschaftsverbindlichkeit ankommt, sondern auf die allgemeine verbandsrechtliche Unterwerfung. So zeigt §  110 HGB, dass eine Gesellschaftsforderung, die ein Gesellschafter gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger begleicht, dazu führt, dass der Gesellschafter gerade keinen gesetzlich übergegangenen Drittanspruch im Außenverhältnis erhält, sondern einen innenrechtlichen Ausgleichsanspruch. Das gesetzliche Leitbild geht damit gerade nicht davon aus, dass wie bei §  774 BGB eine Privilegierung des Schuldners verhindert werden soll. Vielmehr führt die Verlagerung vom Außen- ins Innenverhältnis dazu, dass Titulierungen oder Sicherungsrechte gerade nicht unmittelbar aufrechterhalten bleiben (vgl. §§  426 Abs.  2, 412, 401 BGB), sondern allenfalls auf gesellschaftsrechtlicher Ebene Berücksichtigung finden können.954 Zentrale Wertung des §  110 HGB ist mithin, dass die Begleichung einer Haftungsforderung nach §  128 HGB dazu führt, dass die Aufwendungsersatzansprüche der Gesellschafter gegenüber verbleibenden Gesellschaftergläubigern nachrangig Befriedigung erhalten. Dies dient den Interessen der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger. Der Regress gegenüber der Gesellschaft richtet sich demzufolge nach §  110 HGB, der gegenüber den mithaftenden Gesellschaftern nach §  426 Abs.  1 BGB. 4. Erlöschen der Gesellschaftsverbindlichkeit Ungeachtet der bloß einseitig wirkenden Akzessorietät legen die Regressregelungen der §§  110 HGB, 426 Abs.  1 BGB gegenüber der Gesellschaft sowie den Mitgesellschaftern nahe, dass die Gesellschaftsverbindlichkeit, wenn die Haftungsforderung von dem Gesellschaftsgläubiger gegenüber dem Gesellschafter geltend gemacht wird, im Außenverhältnis gemäß §  362 BGB erlischt, obwohl 953  Vgl. zur gesellschaftsinternen Kompetenzverteilung, jedoch mit abweichenden Folgerungen, Faust, in: 1. FS K. Schmidt, S.  365 ff. 954  Abweichend unter Annahme einer Subsidiarität im Innenverhältnis, Habersack, AcP 198 (1998), 152 (163 f.).

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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der Gesellschafter nicht gemäß §  267 Abs.  1 BGB auf eine Schuld aus einem fremden Schuldverhältnis leistet, sondern seiner eigenen gesetzlichen Leistungspflicht aus §  128 HGB nachkommt, die zu der Begründung eines eigenen Schuldverhältnisses im engeren Sinne geführt hat.955 So folgt aus §  128 HGB, dass bei bestehender Gesellschaftsverbindlichkeit ein weiteres Schuldverhältnis im engeren Sinne zum Gesellschafter begründet wird, allerdings nimmt dieses atypische gesetzliche Schuldverhältnis kraft der gesetzlichen Regelung ausdrücklich auf ein fremdes Schuldverhältnis Bezug. Insoweit lässt sich die Erfüllung der Gesellschaftsschuld auf eine entsprechende Anwendung der §§  363, 267 BGB stützen, die eine Verlagerung des Ausgleiches in das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis zur Folge hat. Dies steht in Einklang mit der Regelung des §  110 HGB. Allerdings führt die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit dazu, dass §  128 HGB nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme der übrigen Gesellschafter herhalten kann, weil es am notwendigen Tatbestandsmerkmal der Gesellschaftsverbindlichkeit fehlt. Aufgefangen wird dies durch die Anwendung des §  426 Abs.  1 BGB im Verhältnis der Gesellschafter untereinander als Gesamtschuldner, der aber nur einen anteiligen Ausgleich gewährt. Nimmt man eine Verlagerung der schuldrechtlichen Ausgleichspflichten in das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis an, hat dies zur Folge, dass die Vorschrift des §  129 HGB als Regelung des Außenrechts keine Anwendung mehr findet. Dies ist indes unproblematisch, weil der innenrechtliche Ausgleich auf diese Weise unter Durchbrechung der Akzessorietät gesellschaftsvertraglichen Regelungen sowie mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten zugänglich wird. VIII. Zwischenergebnis Die Haftungsanordnung des §  128 HGB greift unabhängig von einer privat­ autonomen Mitwirkung der Gesellschafter an dem rechtsgeschäftlichen Aushandlungsprozess bzw. der gesetzlichen Entstehungsgrundlage der Gesellschaftsverbindlichkeit. Sie knüpft vielmehr kraft Gesetzes an den bloßen Umstand der Mitgliedschaft der Gesellschafter an. Sie ist damit ein „Zustand“, der stetig zusätzliche Haftungsverbindlichkeiten für neue Verbindlichkeiten der Gesellschaft auslösen kann.956 Angesichts des Einzelverbindlichkeitsbezugs aktualisiert sich dieser gesetzliche Haftungsstatus mit der Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit und bringt eine neben die Gesellschaftsschuld tretende Einstandspflicht der Gesellschafter zur Entstehung. Mit dieser funktionalen    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffenden    – Zuweisung des Gesellschaftervermögens unter den Gläubigerzugriff für Verbindlichkeiten der 955 A.  A., weil §  422 Abs.  1 BGB keine Anwendung finde, Habersack, in: Habersack/­ Schäfer, HGB, §  128 Rn.  23. 956  So bereits, Affolter, ArchBürgR 5 (1891), 1 (7).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Gesellschaft kommt zum Ausdruck, dass nicht die Gläubiger der Gesellschaft das Insolvenzrisiko der Gesellschaft tragen sollen, sondern die Gesellschafter, sodass die Gesellschafterhaftung materiell-rechtlich als Außenhaftung zu qualifizieren ist. Aus dem notwendigen Zusammenhang von Schuld und Vermögenshaftung folgt, dass durch §  128 HGB zwischen den Gesellschaftsgläubigern und den Gesellschaftern kraft Gesetzes zusätzliche, von der Gesellschaftsverbindlichkeit zu unterscheidende Schuldverhältnisse im engeren Sinne begründet werden. Vor dem Hintergrund, dass §  128 HGB nicht an eine Güterzuordnung in der Vergangenheit anknüpft    – die es angesichts einer konkreten Interessenschädigung oder Vermögensverschiebung wiederherzustellen gäbe    –, sondern präventiv auf in der Zukunft liegende Ausfallrisiken der Gesellschaftsgläubiger zielt    – ohne dass deren Vermögenslage konkret gefährdet wäre    –, handelt es sich um „atypische gesetzliche Schuldverhältnisse“. Dieser an das Gesellschaftsverhalten anknüpfenden gesetzlichen Regelungsanordnung haben sich die Gesellschafter mit der Entscheidung über die Konstituierung als Personenverband selbstbestimmt unterworfen. Mit der Entscheidung, als Verband am Rechtsverkehr teilzunehmen, bringen die Gesellschafter indes zum Ausdruck, dass sie primär das Gesellschaftsvermögen verpflichtet haben möchten, nicht aber ihre private Vermögensverbindung. Soweit §  128 HGB ein strengerer Haftungsmaßstab entnommen werden soll, kann dies daher nicht an einen privat­ autonomen Entschluss der Gesellschafter angeknüpft werden, sondern muss durch spezifisch rechtliche Wertungen legitimiert werden. Derartige, einer gesetzlichen Haftungsanordnung zugrunde zu legenden Wertungen, können im Regelungszweck einer Norm zum Ausdruck kommen und sind Gegenstand der weiteren Untersuchung des mit §  128 HGB zu verwirklichenden Gläubigerschutzes. Nach dem gesetzlichen Leitbild entspricht es dem privatautonomen Aushandlungsprozess der Gesellschafter, dass im Liquidationsfall innenrechtliche Ausgleichspflichten für einen etwaigen Unterdeckungsbetrag des Gesellschaftsvermögens zu leisten sind, weil mit der in der Vollbeendigung mündenden Liquidation der Gesellschaft die Vermögenstrennung des Personenverbandes aufgehoben wird und sich spiegelbildlich dazu der vollständige wirtschaftliche Wert der Gesellschaftsbeteiligung realisiert. §  110 HGB kommt dahingehend Modellcharakter zu, dass die Begleichung einer an die Gesellschaftsverbindlichkeit anknüpfenden gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht nach §  128 HGB dazu führt, dass die Aufwendungser­ satzansprüche der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft im Verhältnis zu verbleibenden Gesellschaftsgläubigern nachrangig sind. Dies dient den Interessen der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger. Der Regress gegenüber der Gesellschaft richtet sich demzufolge nach §  110 HGB, der gegenüber den mithaftenden Gesellschaftern nach §  426 Abs.  1 BGB. Die Verlagerung der schuldrecht­ lichen Ausgleichspflichten in das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis hat zur

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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Folge, dass die Vorschrift des §  129 HGB als Regelung des Außenrechts keine Anwendung mehr findet, sodass der innenrechtliche Ausgleich auf diese Weise unter Durchbrechung der Akzessorietät gesellschaftsvertraglichen Regelungen sowie mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten zugänglich wird.

D. Annahmen über die von §  128 HGB betroffenen bzw. angeordneten Rechtsverhältnisse Die Analyse der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der oHG als normativem Leitbild für alle als Rechtssubjekt verselbstständigten Personenaußengesellschaften mit eigenem Gesellschaftsvermögen führt zu folgenden Annahmen für die weitere Untersuchung: 1. Die zivilrechtliche Rechtsordnung ist von dem Grundsatz geprägt, dass sich in der Person des Schuldners eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne nur ein Rechtssubjekt wiederfinden kann; diesem ist ein konkretes Haftungsvermögen zugeordnet, welches ihm überhaupt erst den Auftritt am Rechtsleben als verkehrsfähiges Wirtschaftssubjekt ermöglicht. 2. Wird ein Rechtssubjekt durch die Entstehung einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit    – als das ein Schuldverhältnis konstituierende Element    – einem Haftungszugriff unterworfen, ist es grundsätzlich ausschließlich das ihr zugewiesene Vermögen, welches den Gläubigern in voller Höhe funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugeordnet wird. 3. Soll darüber hinaus die Vermögensverbindung eines anderen Rechtssubjekts gleichfalls einer Einstandspflicht unterworfen werden, bedarf es diesbezüg­ lich einer privatautonomen Entscheidung des Dritten oder einer gesetzlichen Anordnung, die angesichts spezifisch rechtlicher Erwägungen geeignet ist, eine Abweichung von dem Grundsatz des haftungsunterworfenen Schuldnervermögens zu legitimieren. 4. Vor diesem Hintergrund bedarf nicht die Beschränkung der Haftung auf ein Gesellschaftsvermögen der Rechtfertigung, sondern die Ausweitung der Einstandspflicht auf die Gesellschafter. 5. So ist es die Personenaußengesellschaft selbst, die als Personenverband Schuldner rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeiten wird sowie deren Vermögen, welches aufgrund privatautonomer Entscheidung des Verbandes (organschaftlich vermittelt) einem Haftungszugriff unterworfen wird. 6. Die Rechtssubjektsverschiedenheit sowie die Trennung des Vermögens der Gesellschaft von den Privatvermögen der Gesellschafter erfolgen konsequent. Auch ohne ein normatives Kapitalschutzsystem führt die Eigenschaft der Personenaußengesellschaft als Rechtssubjekt dazu, dass das Gesellschaftsvermögen einer weitreichenden Zweckbindung unterliegt; der einzelne Gesellschafter hat über die kapitalanteilsvermittelten Entnahmerechte hinaus keinen individuellen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

7. In Anbetracht der personengesellschaftsrechtlichen Sozietätskonstruktion ist die Willensbildung im Personenverband stets eine kollektive. Die Einflussnahmemöglichkeit der einzelnen Gesellschafter auf die Geschäftsaktivität der Gesellschaft beschränkt sich auf die Teilhabe an dieser    – gegebenenfalls mehrheitlichen    – Willensbildung durch die Mitgliederversammlung als dem obersten Willensbildungsorgan eines Verbandes. 8. Dadurch, dass sich das Einzelinteresse der Gesellschafter von dem Kollektivinteresse der Gesellschaft unterscheidet, erfolgen Liquiditätsausschüttungen an einzelne Gesellschafter stets nur als Folge eines privatautonomen Aushandlungsprozesses unter Vereinbarung eines regelmäßig vermögensausgleichenden Äquivalents. 9. Demgegenüber kann die Gesellschaftergesamtheit kompensationslos Vermögensausschüttungen an die Gesellschafter vereinbaren. Nur eine solche Vereinbarung, die sich als verbandsrechtliche Modifizierung des gemeinsamen Zwecks darstellt, ist geeignet, die verbandsrechtliche Vermögensbindung zu Lasten der Gläubiger zu überwinden. 10. Es ist diese verbandsspezifische Gefährdungslage, die die Gesellschaftsgläubiger gegenüber solchen von natürlichen Personen schlechterstellt, sodass sich insoweit ein rechtliches Regelungsbedürfnis zur Gläubigersicherung ergibt, wie sie der persönlichen Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB zugrunde liegt. 11. Die von §  128 HGB angeordnete Haftung knüpft mit den Sachverhaltskomponenten Verbindlichkeit und Gesellschafter tatbestandlich an ein Schuldverhältnis der Gesellschaft gegenüber ihren Gläubigern sowie das aus der Gesellschafterstellung folgende mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern an. Sie ist damit aus Sicht der Gesellschafter als Haftungs-Istzustand in ihrer mitgliedschaftlichen Stellung angelegt. Rechtsfolge des §  128 HGB ist, dass die Gesellschafter für die Verbindlichkeit „haften“. Die funktionale Zuweisung einer schuldnerfremden Vermögensverbindung zum Zugriff der Gesellschaftsgläubiger bedeutet in Anbetracht des Zusammenhangs von Schuld und Vermögenshaftung, dass zwischen den Gesellschaftsgläubigern und den Gesellschaftern einzelne atypische gesetzliche Schuldverhältnisse im engeren Sinne begründet werden. Diese sind im Verhältnis zur Gesellschaftsverbindlichkeit einseitig akzessorisch. 12. Unabhängig von der Art der Geltendmachung der Gesellschafterhaftung ist diese materiell-rechtlich als Außenhaftung zu qualifizieren. §  128 HGB steht in engem Zusammenhang mit der Regelung des §  110 HGB, der den Innenausgleich gegenüber der Gesellschaft regelt, darüber hinaus aber Modellcharakter hat und einem gesetzlichen Forderungsübergang entgegensteht. Wird ein Gesellschafter für eine Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch genommen, erlischt diese analog §§  363, 267 BGB. 13. Die verbandsrechtliche Vermögenstrennung setzt sich in der Insolvenz der Gesellschaft fort: Es ist diese, über deren gesamtes Vermögen das Verfahren

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes eröffnet wird. Im Interesse der Gläubigergesamtheit ist das Insolvenzverfahren auf eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung ausgerichtet; dabei kommt dem Insolvenzverwalter unabhängig davon, wie man seine Stellung qualifiziert, die Funktion eines im Fremdinteresse agierenden notwendigen Drittliquidators zu, der das Insolvenzverfahren als ein besonderes Liquidationsverfahren betreibt. Dieselbe Funktion nehmen im Rahmen der Eigenverwaltung die Geschäftsleitungsorgane wahr. 14. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ist angesichts seines Liquidationscharakters    – vorbehaltlich einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter    – auf die Vollbeendigung der Gesellschaft gerichtet, die erst in Betracht kommt, wenn alle Gesellschaftsverbindlichkeiten erloschen sind, etwa im Rahmen eines Insolvenzplans oder unter Beitreibung von Nachschussansprüchen gegenüber den Gesellschaftern nach §  735 BGB, soweit diese nicht gesellschaftsvertraglich abbedungen sind. 15. Angesichts der Eigenschaft des Insolvenzverfahrens als besonderes Liquidationsverfahren finden die Liquidationsvorschriften    – insbesondere §  735 BGB    – soweit Anwendung, wie sie nicht durch speziellere Vorschriften der InsO verdrängt oder durch gesellschaftsrechtlich-teleologische Erwägungen eingeschränkt werden. Dies führt dazu, dass Sozialansprüche der Gesellschaft, anders als die auf das Privatvermögen der Gesellschafter gerichteten Haftungsforderungen, als Teil des Gesellschaftsvermögens zur Insolvenzmasse zu ziehen sind.

E. Arbeitshypothese für die weitere Untersuchung Mit Blick auf die bisherigen Ergebnisse über die von §  128 HGB betroffenen bzw. angeordneten Rechtsbeziehungen lautet die zentrale Arbeitshypothese für die weitere Untersuchung, dass einhergehend mit der dogmatischen Weiterentwicklung der Rechtsnatur der oHG als Personenverband diejenigen Gläubigerrisiken, denen §  128 HGB begegnen soll, einer gewandelten Beurteilung zu unterziehen sind: Die rechtliche Legitimation des §  128 HGB beschränkt sich auf den Ausgleich verbandsspezifischer Risiken, in denen die Gefahr der Aushöhlung des Verbandssubjekts von innen besteht, wie sie etwa beim Vorliegen des Insolvenzeröffnungsgrundes der Zahlungsunfähigkeit Bedeutung erlangen. Ein dahingehender Untersuchungsbefund ist zwar nicht geeignet, den Gesetzgeber zu binden und eine bestimmte Haftungsverfassung für verbindlich zu erklären, bereits die bisherigen Untersuchungsergebnisse verdeutlichen aber, dass eine persönliche    – insbesondere eine primäre    – Einstandspflicht der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft einer gesonderten Rechtfertigung bedarf. Fraglich ist maßgeblich, ob eine solche im werbenden Zustand der Gesellschaft gegeben ist. Die Arbeitshypothese eines gegenüber der herrschenden Meinung reduzierenden Regelungsanspruchs von §  128 HGB beruht auf der herausgearbeiteten Grundannahme, dass §  128 HGB als gesetzliche

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Korrektur den Zugriff auf eine zusätzliche Vermögensverbindung im Falle eines „Marktversagens“ eröffnet, welches sich dadurch kennzeichnen lässt, dass das privatautonome, schuldrechtliche Verhandlungsgleichgewicht zwischen einem Personenverband und seinen Gläubigern als Folge dessen Rechtsnatur gestört werden kann. Die rechtliche Legitimation dieser Wirkungsweise des §  128 HGB reicht dementsprechend so weit, wie die Eröffnung eines Haftungszugriffs deswegen erforderlich ist, weil der Rechtsverkehr anstatt mit einer natürlichen Person mit einem Personenverband kontrahiert. Vor dem Hintergrund des privatautonomen Wechselspiels von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung bedarf es einer derartigen gesetzgeberischen Wertungskorrektur des privatautonomen Aushandlungsprozesses in Form der Anordnung eines atypischen gesetzlichen Schuldverhältnisses nur soweit, wie eine Situation betroffen ist, die der Gläubiger selbst nicht beeinflussen kann und auf die er sich auch nicht im Rahmen des Aushandlungsprozesses einstellen kann.957 Nur insoweit ist der Gläubiger angesichts der verbandsbezogenen Besonderheiten nicht in der Lage, die Eigenheiten seines Vertragspartners bezogen auf die funktionale    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffende    – Zuweisung seines eigenen Vermögens unter den Haftungszugriff des Personenverbandes vermögensäquivalent entsprechend seinen eigenen Präferenzen einzupreisen. Eine derartige verbandsspezifische Störung des privatautonomen Aushandlungsprozesses kommt etwa in Betracht, wenn ein Verband aufgelöst und beendigt wird, wenn er    – gegebenenfalls teilweise    – in eine andere Rechtsform umgewandelt wird oder wenn der Kapitalstock des Verbandes aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vereinbarung aller Gesellschafter dem funktionalen Haftungszugriff der Gläubiger durch eine Übertragung in die Privatvermögen der Gesellschafter entzogen wird (sog. „stille Liquidation“) und ohne Überleitungsnorm eine Einzelvollstreckung in die Privatvermögen nicht in Betracht kommt. Die bloße Insolvenz des Personenverbandes ist mit diesen Konstellationen auf den ersten Blick nicht vergleichbar, weil das Risiko eines Zahlungsausfalls nicht rechtsformoder verbandsspezifisch ist, sondern allen miteinander kontrahierenden Rechtssubjekten gemeinsam ist. Es ist gerade typisch für privatautonome Aushandlungsprozesse, dass ein mehr oder weniger gegebenes Insolvenzrisiko entsprechend den eigenen Präferenzen eingepreist wird. Da aber nicht auszuschließen ist, dass die Insolvenz (auch) auf vorangegangene gesellschaftsrechtliche Vereinbarung über Vermögensausschüttungen aus dem Verbandsvermögen in die Gesellschaftervermögen zurückzuführen ist, ist auch insoweit    – anknüpfend an die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung über die Konstituierung des Verbandes    – ein verbandsrechtliches und kompensationswürdiges Risiko gegeben, wie es sich rechtsformspezifisch mangels eines Stammkapitals insbesondere bei Per957 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2.

§  2 Inanspruchnahme schuldnerfremden Vermögens durch §  128 HGB

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sonenaußengesellschaften zeigt. Lediglich in Bezug auf verbandsspezifische Risikolagen    – in denen dem Gläubiger deswegen ein vermögensmäßiger Nachteil droht, weil ihm durch gesellschaftsrechtliche Vereinbarung der Gesellschafter das aufgrund einer Verbindlichkeit haftungsrechtlich funktional zugewie­ sene Gesellschaftsvermögen entzogen werden kann    – handelt es sich um eine „hinkende Rechtsfähigkeit“ von Personenverbänden, weil nicht jeder Ertrag notwendig im zweckgebundenen Vermögen der Gesellschaft bleibt. Derartige gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen können entweder unmittelbar eine Vermögensverschiebung zur Folge haben oder bereits im Gesellschaftsvertrag angelegt sein. So stellen in geringem Umfang auch die Kapitaldividende sowie (gewinnunabhängige) Entnahmerechte, wie sie im Gesellschaftsvertrag abweichend vom dispositiven gesetzlichen Leitbild geregelt sein können, im Ausgangspunkt eine kompensationswürdige Vermögensverschiebung dar. Hervorzuheben ist, dass die Gesellschafter den vollständigen Wert der von ihnen erbrachten Beiträge erst mit der Liquidation des Verbandes realisieren können. Umgekehrt kommt es hinsichtlich des Wertinteresses der Gläubiger erst zu einer Beeinträchtigung, wenn die oHG als Schuldnerin nicht mehr zahlungsfähig ist. Veranschaulicht man sich anknüpfend an diese vermögensbezogene Interessenlage, dass ein Personenverband    – vorbehaltlich einer gesellschaftsrechtlichen Aushöhlung von innen    – vollrechtsfähig ist, reicht die rechtliche Legitimation für die Eröffnung einer zusätzlichen Vermögensverbindung nur so weit, wie eine solche Aushöhlung zu erwarten ist. Die Gläubiger sind lediglich davor zu schützen, dass das ihnen funktional zugeordnete Verbandshaftungsvermögen entzogen wird, nicht demgegenüber davor, dass sich Forderungen bloß aufwendiger realisieren lassen. Bei dem Risiko, einen Anspruch gerichtlich geltend machen zu müssen, handelt es sich um dem Rechtsstaat immanente Transaktionskosten.958 Unbeachtlich ist daher ebenfalls, inwieweit der Verband ein tatsächliches Gesellschaftsvermögen durch die Leistung von Einlagen gebildet hat. Vielmehr geht vor dem Hintergrund verbandsrechtlicher Beitragspflichten unmittelbar mit der Konstituierung eines Personenverbandes die Bildung eines Gesellschaftsvermögens einher, welches dem unmittelbaren Haftungszugriff funktional zugeordnet werden kann. Solange der Personenverband zahlungsfähig ist, sind Gläubigerinteressen nicht betroffen, sodass rückständige Beiträge während des werbenden Zustandes der Gesellschaft nur für das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis zu berücksichtigen sind. Gemessen an den Lebenszyklen einer Personenaußengesellschaft realisiert sich das verbandsrechtliche Risiko der gesellschaftsrechtlichen Aushöhlung des Verbandes von innen in der materiellen Insolvenz der Gesellschaft. Mit Blick auf das auf diese Weise herausgearbeitete verbandsspezifische Risiko erscheint eine unmittelbare, primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter vor Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft 958 Vgl.

Marotzke, ZInsO 2008, 57 (60 f.).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

als eine Überkompensation. Bei der Grenzziehung zwischen den Rechtsfolgen von Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit handelt es sich zudem nicht um eine Frage des Haftungsrechts, sondern um eine des Liquidationsrechts, wie dies spezialgesetzlich durch die Insolvenzordnung geregelt ist. In Rahmen derer ordnet §  93 InsO eine zentralisierte Haftungsabwicklung der gegen die Gesellschafter gerichteten Gläubigerforderungen durch den Insolvenzverwalter an. Diese Haftungsforderungen fallen nicht in die auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Insolvenzmasse. Vorbehaltlich einer Freigabe geschieht die besondere Gesellschaftsliquidation unter Beibehaltung der aus der einseitig-akzessorischen, einzelverbindlichkeitsbezogenen sowie materiell-rechtlichen Außenhaf­ tung nach §  128 HGB resultierenden Ausfallrisikoverteilung. Die darin unter Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung zum Ausdruck kommende „Verlustausgleichshaftung für fehlende Deckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten aus der Vor-Insolvenzperiode“959 ist geeignet, die beschriebenen verbandsspezifischen Risiken zu kompensieren. Das insolvenzrechtliche Liquidationsregime ist dabei vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung geprägt,960 sodass die Einstandspflicht von einem am Rechtsverhältnis unbeteiligten Dritten unter der Herrschaft des Prioritätsprinzips ihrerseits einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Fraglich ist, ob es für eine, dem Prioritätsprinzip unterliegende, primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter während des werbenden Sta­ diums eines Personenverbandes sowie eine daraus mutmaßlich resultierende Überkompensation ihrerseits eine rechtliche Legitimation gibt. Zu deren Ermittlung sollen die erarbeiteten Annahmen denen der herrschenden Meinung über die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB gegenübergestellt werden. Im Anschluss daran, ist zu prüfen, inwieweit das Haftungsverständnis der herrschenden Meinung modifiziert werden kann, um mit Blick auf den hier entwickelten verbandsrechtlichen Bewertungsmaßstab ein mit den allgemeinen schuldrechtlichen Prinzipien ausgewogeneres Modell zu entwickeln.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung einer primären Gesellschafterhaftung Ausgehend von dieser Arbeitshypothese ist im Folgenden das Haftungsregime im Personenverband auf die durch den Regelungszweck des §  128 HGB bestimmte Reichweite seiner rechtlichen Legitimation hin zu untersuchen. Die Frage lautet, wie weit die spezifisch rechtliche Legitimation des durch §  128 HGB angeordneten Haftungszugriffs auf die zusätzliche Vermögensverbin959 

960 

S.  345.

K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (175). Vgl. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  108; Häsemeyer, in: FS Gerhardt,

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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dung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft unter Berücksichtigung des dogmatisch weiterentwickelten Verständnisses von der Rechtsnatur der oHG als vermögenstragender Personenverband reicht. So kann die gesetzliche Haftungsanordnung nur im Rahmen ihrer rechtlichen Legitimation Geltung entfalten, sei es, weil man die Regelungsanordnung der Vorschrift dahingehend auslegt oder weil man die privatautonome Unterwerfung der Gesellschafter darauf beschränkt. Dabei wird die Frage in den Fokus gestellt, was die Rechtfertigung für eine unmittelbare und primäre Inanspruchnahme eines Gesellschafters ist, der lediglich einen prozentualen Anteil an einem anderen Rechtssubjekt hält, wie er in der mitgliedschaftlichen Gesellschaftsbeteiligung zum Ausdruck kommt. Mit vollzogener Anerkennung der Rechtsfähigkeit der oHG als vermögenstragender Personenverband stellt sich die Gesellschafterhaftung hinsichtlich der einzelnen Gesellschaftsverbindlichkeit aus Sicht der Gesellschafter abweichend von dem privatrechtlichen Wechselspiel aus Selbstbestimmung und Selbstverantwortung als eine Fremdbestimmung der Gesellschaft über das Privatvermögen der Gesellschafter dar.961 Ebenso, wie zu berücksichtigen ist, dass die Gesellschafter diese Möglichkeit privatautonom über die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks initiiert haben, ist zu beachten, dass sie ein Interesse an der Wirtschaftsfähigkeit des Personenverbandes haben. Diese ist nur gegeben, wenn die Gesellschaftsgläubiger kraft gesetzlicher Anordnung vor den verbandsspezifischen Risiken geschützt werden, die sich daraus ergeben, dass sie anstatt mit einer natürlichen Person mit einem Personenverband in Rechtsbeziehungen treten. Anderenfalls würde sich niemand mit der Gesellschaft in einen Güteraustausch begeben. Hinsichtlich verbandsspezifischer Risiken decken sich damit die Interessen von Gesellschaftsgläubigern und Gesellschaftern teilweise. Eine Schnittmenge ist insoweit gegeben, wie die betroffenen Parteien ihr privatautonomes Äquivalenzinteresse befriedigen können. Fraglich ist, inwieweit die Annahmen der herrschenden Meinung zur Wirkungsweise des §  128 HGB mit dieser Interessenlage nach geltendem Recht in Einklang zu bringen sind.

A. Die Annahme primärer, inhaltsgleicher Einstandspflicht der Gesellschafter I. Normverständnis der herrschenden Meinung Nach allgemeiner Auffassung gilt die Haftung nach §  128 HGB unmittelbar gegenüber den Gläubigern, primär    – das heißt nicht subsidiär gegenüber der Gesellschaftsschuld    – und gesamtschuldnerisch, also nicht bloß pro rata.962 961 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 962  Flechtheim, in: Düringer-Hachenburg, HGB, §   128 Rn.  5 ff.; Habersack, in: Haber-

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Überwiegend wird darüber hinaus angenommen, dass die Haftung inhaltsgleich und damit auf Erfüllung und nicht nur auf Geld gerichtet sei.963 Die während des werbenden Zustandes der Gesellschaft in dem Einzelverbindlichkeitsbezug zum Ausdruck kommende Einstandspflicht gemäß §  128 HGB unterliege damit dem Prioritätsprinzip und unterscheide sich insoweit maßgeblich von der bloß auf Zahlung gerichteten Einstandspflicht der Gesellschafter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. zur Umrechnung von Forderungen §  45 InsO), welches dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung unterliegt. Die primäre, unmittelbare Einstandspflicht habe zur Folge, dass eine vorherige Aufforderung der oHG zur Erfüllung der Verbindlichkeit nicht erforderlich sei.964 Ungeachtet des Umstandes, dass §  128 HGB seinerseits keine Einschränkung vorsieht, führt die Annahme einer primären Einstandspflicht nicht dazu, dass der Gesellschafter bei gegebenem Synallagma der Gesellschaftsverbindlichkeit mit einer Gesellschaftsforderung zur Vorleistung verpflichtet wäre; vielmehr ist der Gesellschafter gemäß §  129 Abs.  1 HGB befugt, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht der Gesellschaft nach §  320 BGB zu berufen. Ausgangspunkt dieses Verständnisses sind die §§  105, 128, 129 HGB.965 Während §  105 Abs.  1 HGB lediglich voraussetzt, dass alle Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern persönlich und unbeschränkt haften, sei den §§  128, 129 HGB als zentralen Vorschriften der Haftungsverfassung der oHG eine primäre, unmittelbare Inanspruchnahme zu entnehmen.966 Was den Gesetzgeber des HGB bzw. des ADHGB als dessen Vorläufer    – im Unterschied noch zu Entwürfen des ADHGB    – zu einer derart „stringenten Gleichsetzung von Gesellschaftsschuld und Gesellschaftshaftung veranla[sste,] ist nicht bekannt.“967 sack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  26; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  37; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  18; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 7, S.  320; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  24; Kornblum, Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlich­ keiten von Personengesellschaften, S.  84, 127; Kühne, ZHR 133 (1969), 149 (154 ff., 191 f.); Markworth, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  128 Rn.  99, 102, kritisch in Rn.  109 ff.; Michalski, OHG-Recht, §  128 Rn.  5; Pinner, in: Staub/Pinner, HGB, §  128 Rn.  4 f.; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  1; K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (184); ders., Gesellschaftsrecht, §  49 II 1; ders., in: MüKoHGB, §  128 Rn.  20; Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, §  128 Rn.  15; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  16; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-901; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  8 III 3 b, S.  733 ff.; Wiefels, Gesellschaftsrecht, S.  29; Wieland, Handelsrecht, S.  636; vgl. Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  267 f.; differenzierend ist das Meinungsspektrum demgegenüber vor dem Hintergrund der Treuepflicht bezüglich der Geltendmachung von Gesellschafter-Drittansprüchen, m. w. N. BGH, Uv. 8.10.2013    – II ZR 310/12, juris-Rn.  32 ff. 963  Siehe dazu Kap.  1 §  3 B.II.1.d). 964  Flechtheim, in: Düringer-Hachenburg, HGB, §   128 Rn.  10; Hauer, Rechtsnatur und Schuldinhalt der Haftung des oHG-Gesellschafters, S.  151. 965  Hadding, ZGR 2 (1973), 137, 144 ff. 966  Wieland, Handelsrecht, S.  636. 967  Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2 , §  8 III 3 b, S.  733.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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II. Entwicklung des Haftungsregimes nach §  128 HGB mit Blick auf eine primäre Einstandspflicht Die oHG-Haftungsverfassung und damit auch das Verständnis einer unmittelbaren und primären Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB wurden in der zurückliegenden wissenschaftlichen Diskussion in erster Linie an die positivrechtlichen Regelungen der §§  105 ff. HGB angeknüpft und weniger aus der Rechtsnatur der oHG abgeleitet.968 Dementsprechend ist die praktische Handhabe des §  128 HGB ungeachtet eines sich dogmatisch weiterentwickelnden Gesamthands- bzw. Verbandsverständnisses im Wesentlichen    – ausgehend von Sinn und Zweck der persönlichen Gesellschafterhaftung    – konstant geblieben. Hintergrund ist der Umstand, dass die §§  105 ff. HGB viele Detailfragen ausdrücklich regeln. Anhand den Regelungen über eine eigene Firma sowie über einen eigenen Sitz wird deutlich, dass den HGB-Vorschriften, unabhängig von der Rechtsnatur der oHG als Personenverband, ein Verständnis über diese zugrunde liegt, wonach diese im Rechtsverkehr mit Dritten tatsächlich als eine geschlossene Einheit agiert.969 Die rechtliche Behandlung als geschlossene Einheit kommt sodann in §  124 HGB zum Ausdruck, wonach unter der Firma Rechte und Pflichten eingegangen werden können.970 Ungeachtet dieser ergebnisorientierten, positivrechtlichen Herangehensweise beruht die Annahme einer primären und unmittelbaren Einstandspflicht der oHG-Gesellschafter in ihrem Ausgangspunkt darauf, dass nach ursprünglichem vorherrschendem Verständnis des Wesens der oHG, wonach als Träger der Rechte und Pflichten die Gesellschafter in ihrer Zusammenfassung erschienen, eine einheitliche Verpflichtung vorlag: „In Wahrheit sind die Gesellschafter Schuldner“.971 Nach diesem traditionellen Gesamthandsverständnis erschienen die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Zurechnungsendpunkt für alle Rechte und Pflichten.972 §  128 HGB ordnete nach diesem Befund eine Gesamthaftung qua Gesetz an, weil das Gesellschaftsvermögen eine gewisse Selbstständigkeit erfahre.973 Mit diesem Verständnis über das maßgebliche Verpflichtungssubjekt der Gesellschaftsschuld ging aber noch nicht eine Funktion des §  128 HGB als eine den Haftungszugriff ausweitende Vorschrift der oHG-Haftungsverfassung einher. Vielmehr hatte die (Gesellschafts-)Verbindlichkeit 968  Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  105 Rn.  7, §  128 Rn.  3; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  3 IV, S.  32 f. 969  Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  105 Rn.  7. 970 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  1. 971  Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, S.  206. 972 Vgl. Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  105 Rn.  7 (dort auch zum damals abweichenden Meinungsstand), Rn.  33 ff.; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  86 ff., 106; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  3 IV, S.  32 f.; siehe oben zur traditionellen Gesamthandlehre Kap.  1 §  2 A.I.1; vgl. zur entsprechenden (verzögerten) Entwicklung bei der GbR, Peifer, NZG 2001, 193 (194 f.). 973  Pinner, in: Staub/Pinner, HGB, §  128 Rn.  1 f.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

l­ediglich deswegen eine Doppelwirkung, weil für die daraus resultierende einheitliche Schuld zwei Vermögensverbindungen dem Haftungszugriff unterworfen wurden.974 Dadurch, dass die Gesellschaft lediglich als Zusammenfas­ sung der Gesellschafter verstanden wurde, waren Verträge, die die Gesellschaft abschloss, Verträge der Gesellschafter. Vor dem Hintergrund dieser Annahme einer Identität der Verpflichtungen von Gesellschaft und Gesellschaftern (sog. Identitätstheorie) 975 erschien die primäre Einstandspflicht der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen eine notwendige Konsequenz, weil die Gesellschafter nach diesem dogmatischen Verständnis gesamthänderischer Verbundenheit unmittelbar mitverpflichtet wurden, nur eben mit unterschiedlichen Vermögensverbindungen. Die Haftung nach §  128 HGB wurde dementsprechend als Haftung für eigene Schuld begriffen. Später setzte sich mit Blick auf das Normgefüge der §§  105 ff. HGB die Erkenntnis durch, dass Gesellschaftsschuld und Gesellschafterschuld angesichts der Regelungsanordnung des §  128 HGB jedenfalls nicht identisch sein könnten, weil eine Rechtswirkung, wie sie von §  128 HGB mit der persönlichen Haftung der Gesellschafter ausgelöst wird, nicht identisch sein könne mit einem sie auslösenden Tatbestandsmerkmal.976 Anknüpfend an §  124 HGB sei die oHG ungeachtet des allgemeinen dogmatischen Verständnisses der Gesamthand selbst Träger von Rechten und Pflichten mit der Folge, dass die Gesellschafter neben der Gesellschaft gesondert verpflichtet werden sollten. Dass sich Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung unterschieden, komme insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass die Gesellschafter nur in ihrer Gesamtheit Träger der Gesellschaftsverbindlichkeiten seien, während die persönliche Haftung den Gesellschafter als Einzelnen treffe.977 Angesichts der diesbezüglich ausdrücklichen Regelung bedurfte es im Unterschied zu den Entwicklungen bei der GbR keiner rechtsgeschäftlichen Konstruktion, wie sie im Rahmen der Doppelverpflichtungstheorie angenommen wurde.978 Erst mit diesem Be974  RG, Uv. 13.4.1901    – I 15/01, RGZ 49, 340–345, 340 (343); RG, Uv. 19.1.1933    – IV 390/32, RGZ 139, 252–255 (254); BGH, Uv. 16.2.1961    – III ZR 71/60, BGHZ 34, 293–299 = juris-­ Rn.  15 ff., 18; Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, Kap.  40 III 1, S.  204 f.; vgl. Flume, Die Personengesellschaft, §  16 II 1, S.  283. 975  H. Buchner, JZ 1968, 622 (623); Pinner, in: Staub/Pinner, HGB, §  128 Rn.  1 f.; Müller-­ Erzbach, Deutsches Handelsrecht, Kap.  40 III 1, S.  204 f.; Kühne, ZHR 133 (1969), 149 (151); vgl. zur damals h. M. und zur später zur h. M. werdenden M.M., Hauer, Rechtsnatur und Schuldinhalt der Haftung des oHG-Gesellschafters, S.  30; vgl. zur Entwicklung, Flume, Die Personengesellschaft, §  16 III 1. 976  RG, Uv. 2.5.1932    – VIII 104/32, RGZ 136, 266–273 (270 f.); m. w. N. Flume, in: FS Knur, S.  126 ff.; Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (256 f.); Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (144); vgl. Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  5; Flume, Die Personengesellschaft, §  16 II 1, S.  284; Sander, ZInsO 2012, 1285 (1286); Wieland, Handelsrecht, S.  629. 977  Vgl. bei Flume, Die Personengesellschaft, §  16 II, S.  284. 978  Vgl. m. w. N. zur heute überholten Annahme einer rechtsgeschäftlichen Doppelverpflich­ tung von Gesellschaft und Gesellschaftern, Grunewald, Gesellschaftsrecht, §  1 Rn.  59 ff.; ­Habersack, AcP 198 (1998), 152 (154); Henssler, in: FS Vieregge, S.  365; Mülbert, AcP 199

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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fund ließ sich §  128 HGB entsprechend seines Wortlautes als akzessorische Haftungsanordnung für eine fremde Verbindlichkeit begreifen. Wiederum anknüpfend an den Wortlaut des §  128 HGB, der ein Nebeneinander von Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung voraussetzt, hat sich das Verständnis der oHG-Haftungsverfassung mit der Entwicklung der Theorie der Gesamthand im Sinne der modernen Gruppenlehre schließlich dahingehend gewandelt, dass die Gesellschaft selbst Träger des Gesellschaftsvermögens und Verpflichtungssubjekt der Gesellschaftsverbindlichkeit sei, für die die Gesellschafter ihrerseits nach §  128 HGB einzustehen hätten.979 Ungeachtet dieses ganz grundsätzlichen Wandels in der methodischen Beurteilung der Haftungsanordnung des §  128 HGB wurde die Qualifizierung der Gesellschafterhaftung als primäre und unmittelbare nie in Frage gestellt. III. Inhalt der Gesellschafterhaftung Im Unterschied zur unmittelbaren, primären Einstandspflicht gehen die Auffassungen darüber, wie der Inhalt der Gesellschafterhaftung zu bestimmen ist, angesichts unterschiedlicher Interpretation des Schutzzwecks von §  128 HGB auseinander. Es wird diskutiert, ob die Gesellschafter gerichtet auf die Erfüllung, auf das Interesse oder vermittelnd    – nach Art der Gesellschaftsverbindlichkeit    – für die Gesellschaftsverbindlichkeit einzustehen haben.980 Gleichwohl haben die abweichenden Auffassungen    – insoweit unter gleichartiger Würdigung des Schutzzwecks    – die primäre Einstandspflicht der Gesellschafter zum gemeinsamen Nenner.981 Fraglich ist, inwiefern die der Diskussion über den Inhalt der Gesellschafterhaftung zugrunde gelegte Argumentation mit dem Schutzzweck auf die Ermittlung des heutigen Regelungszwecks des §  128 HGB übertragen werden kann. Historischer Ausgangspunkt der Auseinandersetzung über den Inhalt der Gesellschafterhaftung ist die Abkehr von der Annahme, dass Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung aus der identischen Schuld gegenüber den Gesellschaftsgläubigern resultierten (sog. Identitätstheorie).982 Erst mit Ablehnung der Identität konnte überhaupt ein Streit darüber aufkommen, wie sich der Inhalt der Gesellschafterhaftung zum Inhalt der Gesellschaftsverbindlichkeit verhält.983 Als Legitimationsgrundlage einer Inhaltsgleichheit der Verbindlichkeiten von Gesellschaft und Gesellschaftern (1999), 38 (67 ff.); Schwab, in: FS Hommelhoff, S.  1102 f. mit abweichender Annahme einer Handelndenhaftung. 979  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.2. 980  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 A.III.1. 981  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 A.II. 982  Vgl. m. w. N. Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (256 ff.), insbesondere Fn.   27; Pinner, in: Staub/Pinner, HGB, §  128 Rn.  1, 15. 983 Vgl. Kornblum, BB 1971, 1434 (1438); siehe aber Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, Kap.  40, S.  204 f.; vgl. Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (140).

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

wurde neben dem „Sicherungszweck“984 von §  128 HGB die durch §  129 HGB angeordnete Akzessorietät herangezogen; insoweit stellt sich die Frage, ob die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung zwangsläufig auch deren Inhalt bestimmt.985 1. Meinungsspektrum zum Inhalt der Gesellschafterhaftung Mit Anerkennung des Nebeneinanders von Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung wurde teilweise angenommen, dass sich die Einstandspflicht auf das Interesse beschränke, weil die Gesellschafterhaftung gerade nicht mehr als identisch mit der Gesellschaftsverbindlichkeit zu qualifizieren sei (sog. Haftungstheorie bzw. in modifizierter Gestalt als Einstandstheorie bezeichnet).986 Die Haftung nach §  128 HGB bedeute lediglich ein Einstehen für die Erfüllung der Verbindlichkeit durch die Gesellschaft. Ein unmittelbarer Erfüllungsanspruch gegen den einzelnen Gesellschafter könne sich nach diesem Ansatz, der abzuwägenden Interessenlage entsprechend, durch eine Auslegung des Vertrages selbst ergeben.987 Erforderlich sei eine entsprechende Verpflichtung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft.988 Nähme man eine Erfüllungshaftung an, erwüchse insbesondere dort ein Konflikt, wo eine Erfüllung der Gesellschafter zu einem Erfolg führen würde, der von dem eigentlichen Vertragspartner gar nicht erbracht werden könnte. Ließe man eine Erfüllungshaftung der Gesellschafter zu, griffe dies ferner in die Selbstständigkeit der Personenhandelsgesellschaft dadurch ein, dass man die „Endzuständigkeit“ der Gesellschaft verneinte und jeder Gesellschafter nicht nur als Haftungs-, sondern als Erfüllungssubjekt behandelt werde.989 Ein dem Erfüllungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger verpflichtetes Haftungsverständnis gestalte sich unter Vernachlässigung der Privatinteressen der Gesellschafter als „einseitige Interessenjurisprudenz“, die die Rechtsfindung erschwere.990 Dem die Gesellschafterhaftung auf das Interesse beschränkenden Ansatz stehe nicht entgegen, dass die 984  Str., wie dieser mit Blick auf den Inhalt der Gesellschafterhaftung zu erreichen ist, vgl. Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 HGB Rn.  9; Flume, in: FS Reinhardt, S.  223 ff.; Kornblum, BB 1971, 1434 (1439 f.); zum österreichischen Recht, Rüffler, JBl. 1999, 222 (223 ff.); str. ebenfalls im Schweizer Obligationenrecht, obwohl Art.  568 Abs.  3 OR eine subsidiäre Gesellschafterhaftung anordnet, Pestalozzi/Hettich, in: Basler Kommentar Obligationenrecht II, Art.  568 Rn.  1. 985  Letztlich bejahend, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b) aa). 986 Vgl. Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  9 ff.; ders., Die Haftung des Gesellschafters für Schulden der oHG, S.  76 ff., 84; Hauer, Rechtsnatur und Schuldinhalt der Haftung des oHG-Gesellschafters, S.  151; John, Die organisierte Rechtsperson, S.  255 ff.; Kornblum, BB 1971, 1434 (1437 ff.); Müller-Erzbach, JZ 1957, 383 (384); Wieland, Handelsrecht, S.  635 ff., 639; siehe auch Rüffler, JBl. 1999, 222 (224 ff.); de lege ferenda befürwortend, Markworth, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  128 Rn.  109 ff., 113. 987  Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  12. 988  Kornblum, BB 1971, 1434 (1439 ff.). 989  Wiedemann, JZ 1980, 195 (195). 990  Müller-Erzbach, JZ 1957, 383 (384).

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Einstandspflicht eine primäre sei, weil auch eine auf das Interesse gerichtete Verpflichtung als „Interzessionspflicht“ auf gleicher Stufe stehen könne.991 Auch nach der Haftungstheorie sei die Haftung lediglich dann eine subsidiäre, wenn man das Erfordernis der Vorausklage aufstellte.992 Ebenso lasse sich aus dem Wortlaut keine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht entnehmen.993 Das insoweit allenfalls in Betracht kommende Tatbestandsmerkmal „persönlich“ beziehe sich bei wortsinnerschließender Würdigung auf das verpflichtete Rechtssubjekt und nicht auf den Inhalt der Gesellschafterverbindlichkeit. Gegen den Einstandsansatz spreche ferner nicht, dass Gesellschaft und Gesellschafter auf unterschiedliche Inhalte verklagt werden müssten, weil auch im Rahmen einer Gesamtschuld ohne Weiteres Erfüllungs- und Schadensersatz­ ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden könnten.994 Demgegenüber wurde eingewandt, dass der Sicherungszweck des §  128 HGB es erfordere, dass auch die Gesellschafter auf Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit hafteten (sog. strenge Erfüllungstheorie).995 So spreche die sich aus der Akzessorietät ergebende Parallelität der Verteidigungsmöglichkeiten dafür, dass das persönliche Verpflichtetsein der Gesellschafter von Anfang an den gleichen Inhalt habe, wie die jeweilige Gesellschaftsverbindlichkeit.996 Eine strenge Erfüllungshaftung ist hingegen insbesondere dort problematisch, wo es zu kaum zu kompensierenden Beeinträchtigungen der Privatsphäre der Gesellschafter käme. Teilweise wurden daher Einschränkungen auf der Grundlage der Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Privatinteressen der Gesellschafter sowie Differenzierung nach Art der Verbindlichkeit im Erkenntnis­ verfahren und in der Vollstreckung zugelassen (durch den Zweck der Haftung beschränkte Erfüllungstheorie).997 Dass der auf Erfüllung gerichtete Anspruch gegen die Gesellschafter häufig nicht erfolgversprechend ist, sei vor dem Hin991  Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  9; a. A. A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 3, S.  313 f. 992  Fischer, in: Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, 815R; Hadding, ZGR 10 (1981), 577 (580 ff.). 993  Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  9. 994  Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  9. 995  BGH, Uv. 11.12.1978    – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217–225 = juris-Rn.  10 ff.; Flechtheim, in: Düringer-Hachenburg, HGB, §  128 Rn.  3; vgl. Beuthien, DB 1975, 725 (725); Hadding, ZGR 2 (1973), 137; ders., ZGR 10 (1981), 577 (147); A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 3, S.  313 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  8 III 3, S.  731, 735 ff. 996 Vgl. Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (257); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  27; Martensen, Der Inhalt der unbeschränkten Haftung, S.  54 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b) aa); ders., in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24. 997  Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  26; Flume, in: FS Reinhardt, S.  2 28 ff.; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  27 ff.; Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (149 f.); Henssler, in: FS Vieregge, S.  365; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  22; A. Hueck, Das Recht der oHG§  21 II 3, S.  313 f.; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §§  128, 129 Rn.  5 ff.; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  27 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b) bb); ders., in: MüKoHGB §  128, Rn.  25 ff.; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR,

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

tergrund daran unmittelbar anknüpfbarer Sekundäransprüche unschädlich. Für den Fall der Nichterbringbarkeit in der Person des Gesellschafters bestehe gemäß §  510b ZPO die Möglichkeit, eine Frist zu setzen und den Gesellschafter, für den Fall der nicht fristgemäßen Erbringung, auf Schadensersatz zu verklagen (in der Form des sog. Unvermögenseinwands vor Rechtshängigkeit, vgl. auch §§  255, 259 ZPO).998 Dies vereinfache die Rechtsdurchsetzung, weil eine einmal erstrittene Tenorierung „weiterverwendet“ werden könne, sodass Klageantrag und Urteilstenor im Verhältnis zur Gesellschaft und zu ihren Gesellschaftern einheitlich lauteten.999 Es sei also    – selbst wenn im Einzelfall gar keine Erfüllung von Seiten des Gesellschafters erwartet werden könne    – durchaus ein praktisches Interesse daran erkennbar, dass der Gesellschafter auf dasselbe hafte wie die Gesellschaft. Außerdem könne sich der Gesellschafter regelmäßig für seine Inanspruchnahme nach §  110 HGB bei der Gesellschaft schadlos halten. Die Erfüllungstheorie führe dementsprechend zu überzeugenderen Ergebnissen, auch wenn sie als „Theorie“ schwach begründet sei. Vor diesem Hintergrund sei die „Erfüllungstheorie“ nichts anderes als ein rechtsdogmatisch ausformuliertes Haftungsmodell für die Praxis und da sie mit dem Gesetzeswortlaut harmonierte, sei sie als geltendes Recht anzuerkennen.1000 Die Erfüllungstheorie sei besser geeignet als die Haftungstheorie, der Funktion des §  128 HGB nach Kreditwürdigkeit und Gläubigerschutz gerecht zu werden.1001 Demgegenüber würden die Gesellschafterinteressen nicht über Gebühr beansprucht, weil auch eine Erfüllung durch einen Dritten statthaft sei und die Erfüllung damit den Gesellschafter nicht wesentlich mehr beeinträchtige als eine Geldverpflichtung. Die Rechtsprechung gewährt den Gläubigern der Personengesellschaft    – aufbauend auf der Erfüllungstheorie    – gegenüber den Gesellschaftern unter Trennung von Gesellschafter- und Privatsphäre im Ausgangspunkt einen unmittelbaren Erfüllungsanspruch (sog. Sphärentheorie der Rechtsprechung).1002 Mit dieser Trennung der betroffenen Sphären könne berücksichtigt werden, was sich Gesellschaft und Gesellschafter gegenseitig im Innenverhältnis gesellschaftsrechtlich schuldeten. Der ewige Streit zwischen „Haftungstheorie“ und „ErfülHGB, §  128 Rn.  22; wohl auch Henssler, PartGG, §  8 Rn.  37; kritisch, Markworth, in: Beck­ OGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  128 Rn.  109, 116. 998  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24. 999 So Flume, Die Personengesellschaft, §  16 III 3. 1000  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b) bb). 1001  Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  26; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  8 ff. 1002  Vgl. BGH, Uv. 14.2.1957    – II ZR 190/55, BGHZ 23, 302–307 = juris-Rn.  18 ff. (Rechnungslegung), dazu Flume, Die Personengesellschaft, §  16 III. 1.; ders., in: FS Reinhardt, S.  225 f.; bestätigt durch BGH, Uv. 7.6.1972    – VIII ZR 175/70, BGHZ 59, 64–68 = juris-­ Rn.  12 ff. (Unterlassungsanspruch). Weiter differenzierend BGH, Uv. 11.12.1978    – II ZR 235/­ 77, BGHZ 73, 217–225 = juris-Rn.  10 ff. (Mängelbeseitigung), Besprechung bei Hadding, ZGR 10 (1981), 577; vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  8 III 3 bb, S.  735 ff.

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lungstheorie“1003 sei durch die Rechtsprechung im Wege einer Sphärenbetrachtung einem durchaus praxisnahen Haftungsmodell zugeführt,1004 welches mit dem Gesetzeswortlaut harmonisiere.1005 Um einen interessengerechten Ausgleich herbeizuführen, sollen danach Gläubiger- und Privatinteressen der Gesellschafter letztlich gegenübergestellt werden. Unabhängig von den im Vorfeld thematisierten Theorien sei der Haftungsinhalt durch Auslegung des jeweiligen Vertrages sowie anhand einer Interessenabwägung vorzunehmen. Allerdings gibt es kaum feste rechtliche Orientierungspunkte für die vorzunehmende Abwägung. So liefern die drei maßgeblichen Leitentscheidungen ein sehr uneinheitliches Bild und laufen letztlich auf eine Auslegung im Einzelfall hinaus.1006 2. Bewertung des Meinungsstreits: Vernachlässigung der rechtlichen Entwicklungen hinsichtlich der Rechtsnatur von Personenverbänden Sowohl die primäre Einstandspflicht der Gesellschafter als auch der Inhalt der Gesellschafterhaftung werden folglich    – seit Anerkennung der Nicht-Identität von Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung    – aus dem Schutz­ zweck bzw. dem Sicherungszweck des §  128 HGB abgeleitet. Derartige Begründungsansätze müssen daher in einem ersten Schritt Sinn und Zweck der Vorschrift artikulieren. Es ist allgemeine Auffassung, dass §  128 HGB einerseits dem Gläubigerschutz diene, andererseits für die Aufrechterhaltung der Kreditwürdigkeit der oHG im Rechtsleben erforderlich sei.1007 Verbunden mit dem systematischen Zusammenspiel von §  128 HGB und §  129 HGB ergebe sich sodann eine strenge Akzessorietät der Gesellschafterhaftung mit der Folge, dass diese bei Betroffenheit der Gesellschaftersphäre mit der Gesellschaftsverbindlichkeit inhaltsgleich, das heißt regelmäßig auf Erfüllung gerichtet sei.1008 Bemerkenswert an dem Meinungsstreit über den Inhalt der Gesellschafterhaftung ist der Umstand, dass der Diskussion ungeachtet des gewandelten Verständnisses von der Rechtsnatur der oHG kaum neue Impulse zugeführt wurden. Unabhängig von der vollzogenen Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Personenverbänden sowie deren Vermögensträgerschaft wurde der Inhalt der Gesellschafterhaftung seit Anerkennung der Nicht-Identität von Gesellschafts1003  Die Terminologie der „Theorie“ werde inflatorisch verwendet, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b); vgl. Fischer, in: Staub, HGB, 3.  Aufl., §  128 Rn.  7 f.; Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (257 f.). 1004  Vgl. Zusammenfassung der Entwicklung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III; Windbichler/G. Hueck/Hueck, Gesellschaftsrecht, S.  137 ff. 1005  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b) bb). 1006  Vgl. BGH, Uv. 14.2.1957    – II ZR 190/55, BGHZ 23, 302–307 = juris-Rn.  18 ff.; BGH, Uv. 7.6.1972    – VIII ZR 175/70, BGHZ 59, 64–68 = juris-Rn.  12 ff.; BGH, Uv. 11.12.1978    – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217–225 = juris-Rn.  10 ff. 1007  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II; vgl. Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  26; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128, Rn.  8 ff.; K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  106 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a, S.  536. 1008  Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (147).

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und Gesellschafterverbindlichkeit ausschließlich aus dem „Sicherungszweck“ des §  128 HGB abgeleitet, ohne die Frage zu stellen, ob dieser denn mit gewandeltem Verständnis von der Rechtsnatur überhaupt noch der gleiche ist. Die isolierte Ableitung des Inhalts der Gesellschafterhaftung aus dem Sicherungszweck des §  128 HGB erscheint deswegen problematisch, weil bislang trotz gewandeltem Verständnis von der Rechtsnatur der oHG an keiner Stelle vertiefter analysiert worden ist, worin genau der Sicherungszweck des §  128 HGB liegt, inwieweit überhaupt ein normativ zu korrigierendes Sicherungsinteresse besteht und wie diesem mit Blick auf die Rechtsnatur der oHG begegnet werden kann bzw. muss. Dem mag man angesichts des Wortlauts des §  124 HGB entgegenhalten, dass dieses methodische, an den Sicherungszweck anknüpfende Vorgehen unschädlich sei, weil das HGB die Fähigkeit der oHG, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können, ausdrücklich regelt, sodass es nicht auf die Rechtsnatur der oHG ankomme. Regelmäßig wurde sogar betont, dass der Inhalt der Gesellschafterhaftung nicht im Wege formaler Ableitung aus dem ­Wesen der oHG oder aus einer bestimmten dogmatischen Einordnung der Gesellschafterhaftung gewonnen werden könne.1009 Es bestünde vielmehr Einvernehmen, dass es sich bei der Gesellschaftsschuld und der Haftung der Gesellschafter um verschiedene Verbindlichkeiten handelt und die Gesellschafter für eine fremde Verbindlichkeit haften; umstritten sei lediglich weiterhin der Inhalt.1010 An diesem Ansatz ist zutreffend, dass sich aus den §§  105 ff. HGB bereits unabhängig von der Rechtsnatur die formale Trennung der Vermögensverbindungen sowie der Verbindlichkeiten hinreichend trennscharf ableiten lässt. Allerdings muss eine Diskussion, die die Regelungsanordnung einer Vorschrift unter Rückbezug auf den Regelungszweck führt, diesen seinerseits auf seine Reichweite untersuchen. Selbst wenn man mit Blick auf das detaillierte normative Regelungsgefüge über die oHG den Inhalt der Gesellschafterhaftung von der Rechtsnatur von Personenaußengesellschaften abkoppeln möchte, so steht aber jedenfalls der „Schutzzweck“ bzw. der „Sicherungszweck“ des §  128 HGB in unmittelbarem Wirkungszusammenhang mit den wertungsmäßig zu korrigierenden Schutzlücken, die durch den Auftritt eines Personenverbandes im Rechtsverkehr aufkommen. Nimmt man vor diesem Hintergrund Sinn und Zweck von §  128 HGB zum unmittelbaren Bezugspunkt des Inhalts der Gesellschafterhaftung, so besteht zwischen dieser und der Rechtsnatur von Personenverbänden jedenfalls ein mittelbarer Wirkungszusammenhang.

1009  Windbichler/G. Hueck/Hueck, Gesellschaftsrecht, §  14 III 2. a); vgl. insoweit kritisch, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b) bb). 1010  Seeger, in: Heidel/Schall, HGB §  128 Rn.  2 2.

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3. Zwischenergebnis Ebenso wie die primäre Einstandspflicht isoliert aus dem Schutzzweck des §  128 HGB abgeleitet wird, knüpft das Meinungsspektrum zum Inhalt der Gesellschafterhaftung die jeweiligen Erwägungen nicht an die Rechtsnatur der oHG als Personenverband an. Die Argumentationsführung beschränkt sich auf die positivrechtlichen Vorschriften der §§  105 ff. HGB. Vor dem Hintergrund, dass der Rechtsnatur der oHG erst dogmatische Konturen verliehen werden mussten, die Rechtspraxis aber belastbarer Rahmenbedingungen für die Rechtsanwendung bedarf, erscheint dieses Vorgehen nachvollziehbar, weil eine Ableitung des Haftungsinhalts unter Rückgriff auf die Rechtsnatur mangels fester Kenngrößen nicht möglich war. Eine gesellschaftersphärenorientierte Modifizierung der an das Akzessorietätsprinzip anknüpfenden Erfüllungstheorie führte diesbezüglich zu ausgewogenen Ergebnissen sowohl im materiellen Recht als auch im Vollstreckungsrecht. Mit der dogmatischen Weiterentwicklung der oHG zum rechtsfähigen Personenverband lässt sich aussagekräftiges Bild über die Rechtsnatur der oHG zeichnen. Darauf aufbauend ist eine dogmatische Herangehensweise bei der Bestimmung des Schutzzwecks des §  128 HGB und daran anknüpfend bei der Ableitung des Haftungsinhalts möglich und mit Blick auf die dadurch nunmehr aufkommenden methodischen Schwächen der bisherigen Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung auch erforderlich. In der weiteren Untersuchung gilt es daher, den von der herrschenden Meinung zugrunde gelegten Regelungszweck des §  128 HGB    – unter Einbeziehung der zu Beginn getroffenen Annahmen und Konsequenzen der Rechtssubjektsverschiedenheit, der Vermögenstrennung sowie des Einzelverbindlichkeitsbezugs bei Aktualisierung des Haftungs-Istzustands als materielle Außenhaftung    – auf seine Reichweite hin zu untersuchen und die sich daraus für die Haftungsverfassung im Personenverband ergebenen Folgen herauszuarbeiten. Bezogen auf den Inhalt der Gesellschafterhaftung bedeutet dies insbesondere, dass zu ermitteln ist, ob eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter deswegen dem Regelungszweck des §  128 HGB entspricht, weil nur dadurch die sich aus dem Auftreten es Personenverbandes im Rechtsverkehr ergebenen verbandsspezifischen Risiken im Sicherungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger kompensiert werden können.1011 Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Äquivalenzinteresse der Gläubiger nicht nur durch die originäre Leistungspflicht befriedigt werden kann, sondern auch durch eine schadensrechtliche Kompensation (vgl. §§  249 ff. BGB). Fraglich ist demnach, ob die Interessen der Gesellschaftsgläubiger hinsichtlich der Erfüllungsfähigkeit der Gesellschaft in Anbetracht des Schutzzwecks des §  128 HGB in vergleichbarer Weise gefährdet sind, wie hinsichtlich des verbandsspezifischen Risikos bezogen auf deren Zahlungsfähigkeit. Dafür könnte sprechen, dass die Gläubiger sonst mit den zusätzlichen 1011 

Siehe zum diesbezüglichen Untersuchungsmaßstab oben Kap.  1 §  2 E.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Kosten belastet würden, die dadurch entstehen, dass sie sich im Zeitpunkt der Begründung einer Verbindlichkeit darüber informieren müssten, ob namentlich die Gesellschaft selbst und nicht bloß einzelne Gesellschafter erfüllungsfähig sind. Während es etwa bezüglich des Eigenkapitals von Handelsgesellschaften insoweit durch die Bilanzvorschriften noch Informationsmöglichkeiten geben mag, könnten sich im Rahmen einer Außen-GbR die Informationsmöglichkeiten schnell erschöpfen. Fraglich ist allerdings, inwieweit §  128 HGB die Gläubiger von diesem Informationsaufwand befreien soll und inwiefern dies zur Reduzierung von Bewertungsrisiken beiträgt.1012 IV. Einstandspflicht für vertragliche und gesetzliche, einschließlich deliktischer Verbindlichkeiten Wendet man sich der Art der Gesellschaftsverbindlichkeit zu, für die die Gesellschafter einzustehen haben, so sieht der Wortlaut des §  128 HGB keine Einschränkung vor, sodass eine Einstandspflicht für jegliche schuldrechtliche Verbindlichkeit naheliegt. Wiederum ausgehend vom Regelungszweck des §  128 HGB wird aber teilweise thematisiert, dass die Vorschrift dahingehend teleologisch zu reduzieren sei, dass sich die Gesellschafterhaftung zwar grundsätzlich auch auf gesetzliche Verbindlichkeiten erstrecke, nicht aber auf deliktische Verbindlichkeiten der Gesellschaft.1013 Einer Einstandspflicht der Gesellschafter gegenüber Deliktsgläubigern stehe insbesondere entgegen, dass auf diese Weise jenseits „gültiger Zurechnungsmodelle (§§  31, 831 BGB) persönliche deliktische Überwachungspflichten konstruiert [würden und] so das allgemeine Prinzip durchbrochen [werde], dass fremdes Verschulden deliktisch nicht zuzurechnen ist“,1014 anderenfalls käme es zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung von Gesellschaftsdeliktsgläubigern gegenüber sonstigen Deliktsgläubigern.1015 Potenzielle Geschädigte seien    – anstatt durch eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gesellschafter    – dadurch zu sichern, dass potenziell Haftpflichtige zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu verpflichten seien.1016 1012 Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Kap.   25.9.2.1; siehe dazu Kap.  1 §  3 B.II.2. 1013 Eine Einstandspflicht bei deliktischen Gesellschaftsverbindlichkeiten ablehnend, Altmeppen, NJW 1996, 1017 (1024); ders., NJW 2003, 1553 (1558); Armbrüster, ZGR 34 (2005), 34 (56 ff.); Canaris, ZGR 33 (2004), 69 (111 ff.); Flume, Die Personengesellschaft, §  16 IV 6, S.  343 f.; ders., DB 2003, 1775; Hemberger, Die Haftungsverfassung der GbR, S.  189 ff., 230 ff.; A. Meyer, WM 2007, 2364 (2364 ff.); C. Schäfer, ZIP 2003, 1225 (1227 ff.); ggf. einschränkend zur oHG ders., Gutachten E zum 71. DJt, E 76 f.; Schöpflin, DStR 2003, 1349 (1351 ff.); vgl. Mülbert, AcP 199 (1999), 38 (93); zur Annahme privilegierungsbedürftiger Gesellschaften, Wössner, ZIP 2003, 1235 (1238 f.). 1014  C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, E 77; siehe auch Flume, Die Personengesellschaft, §  16 IV 6, S.  343 f. 1015  Armbrüster, ZGR 34 (2005), 34 (59). 1016  Armbrüster, ZGR 34 (2005), 34 (57); C. Schäfer, ZIP 2003, 1225 (1228); Schöpflin, DStR 2003, 1349 (1351); vgl. Röder, AcP 215 (2015), 450 (515).

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Bei der Haftung der Gesellschafter für Deliktsverbindlichkeiten der Gesellschaft geht es    – anders als im Rahmen von §  31 BGB,1017 bei dem es um die Vermittlung des Organhandelns an die Gesellschaft geht    – um die Frage, in welchem Umfang die Gesellschaftervermögen dem Haftungszugriff der Gesellschaftsgläubiger für ein Eigenhandeln der Gesellschaft unterworfen werden. Im Ausgangspunkt ordnet §  128 HGB als gesetzliche Folge eine Einstandspflicht für jede Art der Gesellschaftsverbindlichkeit an.1018 Es handelt sich gerade auch bei Verbindlichkeiten, die aufgrund deliktischer Verhaltensweisen der Organwalter (als verfassungsmäßig berufene Vertreter)    – welche diese in Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen verwirklicht haben    – entsprechend §  31 BGB dem Verband als Eigenhandeln vermittelt worden sind, um Eigenverbindlichkeiten der Gesellschaft. Teilweise wird daher eine ausdrückliche gesetzliche Beschränkung der Einstandspflicht auf rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten für erforderlich gehalten, wenn man den Anwendungsbereich des §  128 HGB auf rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten reduzieren wollte.1019 Für eine Ein­ standspflicht der Gesellschafter gegenüber Deliktsgläubigern der Gesellschaft spricht der Regelungszweck des §  128 HGB    – weitreichender Gläubigerschutz    – wie er durch die akzessorische Gesellschafterhaftung realisiert werden soll.1020 Zwar suchen sich die Deliktsgläubiger die Personengesellschaft    – anders als im rechtsgeschäftlichen Bereich    – nicht unter privatautonomer Würdigung des Kredits der Gesellschaft als Schuldner aus, sodass sich angesichts der Zufälligkeit „eines spezifisch gesellschaftsrechtlichen Schutzes“ die Frage aufdrängt, wieso ihnen neben dem deliktisch handelnden Organ sowohl die Gesellschaft als auch deren Gesellschafter zum Ausgleich ihrer Schäden als zusätzliche Haftungssubjekte dienen sollten.1021 So könnte zwischen freiwilligen und unfrei1017  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.III; vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  28; Schönewolf, Die persönliche Haftung der Gesellschafter, S.  105 ff. 1018 Eine Einstandspflicht für deliktische Gesellschaftsverbindlichkeiten annehmend, BGH, Uv. 24.2.2003     – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88–95 = juris-Rn.   20 ff.; BGH, Uv. 24.6.2003    – VI ZR 434/01, BGHZ 155, 205–214 = juris-Rn.  16 f.; Boesche, in: Oetker, HGB, §  128 Rn.  19; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  10; Hadding, ZGR 30 (2001), 712 (725 f., 735 ff.); Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  9; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  128 Rn.  5; Kornblum, Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlich­ keiten von Personengesellschaften, S.  117 ff.; Medicus, in: FS Lutter, S.  897 ff. zu §  160 HGB; Röder, AcP 215 (2015), 450 (513 ff.); M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, HGB §  128 Rn.  2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 I 2 a, S.  1411; ders., NJW 2003, 1897 (1898); Schönewolf, Die persönliche Haftung der Gesellschafter, S.  45 ff., 101 ff., 112 ff.; Steitz, in: Henssler/ Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  9; Tröger, JZ 2016, 834 (843); Ulmer, ZIP 2001, 585 (597); Werten­bruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, I. Rn.  896; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  8 III 3 b aa, S.  733; differenzierend, Klerx, NJW 2004, 1907 (1908). 1019 Vgl. Tröger, JZ 2016, 834 (843); Ulmer, ZIP 2001, 585 (597). 1020  BGH, Uv. 24.2.2003    – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88–95 = juris-Rn.  20; Ulmer, ZIP 2001, 585 (597). 1021  Canaris, ZGR 33 (2004), 69 (109 ff., 111); C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, E 76 f.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

willigen Gläubigern zu differenzieren sein. Allerdings droht gerade in deliktsrechtlichen Konstellationen Gefahr, dass sich das verbandsrechtsspezifische Risiko einer Unterkapitalisierung des Verbandes sowie der für diesen handelnden natürlichen Personen realisiert. Würde man §  128 HGB bezogen auf deliktsrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschaft teleologisch reduzieren, führte dies aus der Perspektive der Gesellschafter zu einer Haftungsabschirmung ihres Privatvermögens bei gleichzeitiger mittelbarer Partizipation an den Vorteilen riskanten Gesellschaftsverhaltens. Nach traditioneller Terminologie würde die Haftung für Deliktsschulden    – vergleichbar mit Kapitalgesellschaften    – auf das Gesellschaftsvermögen „beschränkt“. Umgekehrt sind es gerade die persönlich haftenden Gesellschafter, die in ihrer Gesamtheit die verfassungsmäßig berufenen Vertreter auswählen sowie überwachen können; sie sind damit regelmäßig „näher dran“, als die geschädigten Dritten und können das schädigende Verhalten eher beeinflussen und Maßnahmen zur Schadensprävention ergreifen.1022 An diese Nähe der Gesellschafter zur Gesellschaft und die daraus resultierende Einflussnahmemöglichkeit anknüpfend werden ferner rechtsökonomische Erwägungen herangezogen, um die Einstandspflicht der Gesellschafter für deliktische Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begründen.1023 Die Gesellschafterhaftung diene der gesetzlichen Steuerung opportunistischen Verhaltens gegenüber den Gesellschaftsgläubigern.1024 So diene die mit der Rechtssubjektivität von Verbänden verbundene organisationsrechtliche Vermögenstrennung ­einerseits dem Schutz des Gesellschaftsvermögens vor dem Zugriff der Privatgläubiger und andererseits dem Schutz der Privatvermögen vor dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger.1025 Dadurch werden sowohl die wirtschaftliche Stellung eines Verbandes als Schuldner aufgewertet als auch Anreize zur kapitalsammelnden Investitionsförderung geschaffen.1026 Die aus der Verselbstständigung eines Verbandes als Rechtssubjekt resultierenden Risikoverschiebungen hinsichtlich des auf das Verbandsvermögen beschränkten Gläubigerzugriffs können durch Kapitalaufbringungs-, Kapitalerhaltungs- und Liquidationsregelungen sowie die persönliche Gesellschafterhaftung aufgefangen werden.1027 Während im rechtsgeschäftlichen Bereich beide Kompensationsmechanismen rechtsformspezifisch angesichts ausreichend verfügbarer Informationsmöglichkeiten im Rahmen des privatautonomen Aushandlungsprozesses kalkuliert und entsprechend den eigenen Präferenzen eingepreist werden können    – dies zeigt 1022  BGH, Uv. 24.2.2003    – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88–95 = juris-Rn.  21; Tröger, JZ 2016, 834 (843); Ulmer, ZIP 2001, 585 (597); a. A. Altmeppen, NJW 2003, 1553 (1555). 1023  Tröger, in: FS Westermann, S.  1533 ff., 1559 ff. 1024  Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153 f.); Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1546 ff. 1025 Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Kap.  25.9.1. 1026  König, AcP 217 (2017), 611 (617 ff.); vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Kap.  25.9. 1027  Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1547.

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insbesondere der praktische Umgang mit der durch die Niederlassungsfreiheit angezeigten Anerkennung unionsrechtlicher Rechtsformen ohne festes Garantiekapital und dem im europäischen Gesellschaftsrecht praktizierten Informationsmodell    –,1028 sind die Parteien bei deliktischem Kontakt vielmehr auf einen ausgewogenen gesetzlichen Interessenausgleich angewiesen.1029 So wird im Recht der Kapitalgesellschaften, in dem es an einer §  128 HGB entsprechenden Regelung fehlt, diskutiert, ob das sog. Haftungstrennungsprinzip bei deliktischen Verbindlichkeiten sogar relativiert werden sollte, weil Verhaltensanreize der Deliktsrechtsordnung durch das Verbandsrecht bewusst unterlaufen werden könnten, ohne dass dem durch Kapitalgarantien entgegengewirkt werden könne.1030 Ziel des Haftungsrechts ist es neben dem Ausgleich von Vermögenseinbußen, Verhaltensanreize dafür zu setzen, dass risikoreiches, opportunistisches Verhalten vermieden und schadensvermeidende Maßnahmen ergriffen werden.1031 Dieser Anreizmechanismus wird indes verzerrt, wenn die zu erwartenden Schäden geringer sind, als die Schadensvermeidungsmaßnahmen oder die zu befürchtende Einstandspflicht, wie sie bei bloß auf das Gesellschaftsvermögen beschränkter Haftung kalkulierbar wird.1032 Die Effektivität gesetz­ licher Verhaltenssteuerung korreliert mithin mit dem Umfang der haftungs­ unterworfenen Vermögensverbindung. So kann das sog. Haftungstrennungsprinzip dadurch instrumentalisiert werden, dass besonders gefahrträchtige Tätigkeitsfelder auf gering kapitalisierte Gesellschaften ausgegliedert werden.1033 In gewissem Umfang kann diesem Effekt auch durch ein garantiertes Haftungskapital begegnet werden. Der dadurch zu erreichende Schutz bleibt indes relativ, weil die „Trennung und Abschirmung von Haftungssphären“ das Potenzial aufweisen, sich sowohl im Vorfeld opportunistisch zu verhalten, als auch die Gläubiger nach Begründung von Schuldverhältnissen durch Vermögensverschiebungen „opportunistisch auszubeuten“.1034 Durch eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter eröffnet sich eine „Transaktionskosten sparende Institution zur Bekämpfung derartiger Ausbeutungspotenziale“, mit der einer Verzerrung von Verhaltensanreizen wiederum entgegengewirkt werden kann,1035 unabhängig davon, ob die Einstandspflicht eine unmittelbare oder eine mittelbare ist. Dadurch, dass es im Rahmen des Personengesellschafts1028  Vgl. EuGH, Uv. 25.10.2017     – C-106/16 (Polbud), juris-Rn.  29 ff.; vgl. Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1549. 1029 Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Kap.  25.9.2.2. 1030 M.w.N. König, AcP 217 (2017), 611 (624); allgemein zu den Wirkungen des Trennungsprinzips, H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Kap.  25.9. 1031  König, AcP 217 (2017), 611 (623); Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1559 ff., 1563 f.; vgl. Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153 f.). 1032 Vgl. Tröger, in: FS Westermann, S.  1551 f. 1033  König, AcP 217 (2017), 611 (622 f.). 1034  Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1548 ff., 1559 ff.; vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (101). 1035  Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1548 f., 1550 f.; vgl. Bork, in: FS Ganter, S.  142.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

rechts keine Vorschriften über die Aufbringung und den Erhalt eines Kapital­ stocks gibt, kommt der persönlichen Haftung gegenüber der Vermögenstrennung eine maßgebliche Ergänzungsfunktion zu, ohne die eine effektive Verhaltenssteuerung potenziellen opportunistischen Verhaltens versagen würde.1036 Eine bloße Verlustbeteiligung der Gesellschafter beschränkt auf ihren Ge­ sellschaftsanteil ist demgegenüber nicht gleichgeeignet, weil diese im Falle der Insolvenz der Gesellschaft ihre Grenze in der dort durch den begrenzten In­ solvenzbeschlag des Schuldnervermögens angelegten Vermögensrestriktion findet.1037 Dies bedeutet aber auch, dass sich das Problem verzerrter Verhaltensanreize im Personengesellschaftsrecht kaum erst stellt, wenn man §  128 HGB in Bezug auf Deliktsverbindlichkeiten schon nicht teleologisch reduziert.1038 Während eine Gesellschaft, die gegebenenfalls über ein erschöpfliches gebundenes, von den Gesellschaftervermögen getrenntes Gesellschaftsvermögen verfügt, Sanktionen nicht voll einpreist, können persönlich haftende Gesellschafter, die bei der Kollektivwillensbildung mitwirken, die sanktionsrechtlichen Anreize nicht ignorieren.1039 Die aus den Individuen zusammengesetzte Gesellschaftergesamtheit wird demnach Verhaltensanreize des Deliktsrechts berücksichtigen, weil sie die persönliche Einstandspflicht antizipieren und bei der Gremienentscheidung miteinkalkulieren wird. Die Individualinteressen schlagen im deliktsrechtlichen Bereich folglich auf das Kollektivinteresse durch, sodass sich das gesellschaftliche Verhalten an den sozialen Kosten ausrichtet und risikobehaftete Unternehmungen unterbleiben. Sowohl im rechtsgeschäftlichen als auch im deliktischen Bereich bleiben Risikoverteilung und Risikomaß demnach aus volkswirtschaftlicher Perspektive effizient. So sind es gerade die persönlich haftenden Gesellschafter in ihrer Gesamtheit, die als Mitglieder­ versammlung selbst Organ des Verbandes sind, die neben den Einzelorganen von der gesetzlichen Anreizsetzung des Deliktsregimes adressiert werden sollen. Würde das Privatvermögen der Gesellschafter entgegen der Regelung des §  128 HGB von dem Haftungszugriff ausgenommen, hätte dies zur Folge, dass das intendierte deliktsrechtliche Anreizsystem zu Lasten der Gläubiger entsprechend dem Recht der Kapitalgesellschaften verzerrt werden und opportunistischem Verhalten der Gesellschaft Vorschub leisten würde. Indem die ­Haftungsanordnung des §  128 HGB eine unbedingte für jede Gesellschaftsverbindlichkeit ist, wird durch die Vorschrift auch kein eigenständiger materiell-deliktsrechtlicher Überwachungsmaßstab geschaffen, es wird lediglich ein abstrakter Verhaltensanreiz gesetzt.1040 1036  Tröger, in: FS Westermann, S.   1533, 1548, 1563; a. A. Altmeppen, NJW 2003, 1553 (1556); C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, E 76. 1037  Tröger, JZ 2016, 834 (843). 1038 Vgl. Tröger, in: FS Westermann, 1533, 1552. 1039  Tröger, in: FS Westermann, S.  1533, 1563 f. 1040  Tröger, JZ 2016, 834 (843); a. A. C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, E 77.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Bereits die, im Rahmen der Untersuchung bis hier erst grob vorgenommene, Konturierung des Regelungszwecks des §  128 HGB verdeutlicht, dass eine Beschränkung des Anwendungsbereichs nach Art der (deliktischen) Gesellschaftsverbindlichkeit nicht in Betracht kommt. Für eine teleologische Reduktion mangelt es an einer maßgeblichen normativen Anknüpfung. Soweit auf das „allgemeine Prinzip“ abgestellt wird, dass fremdes Verschulden deliktisch nicht zuzurechnen sei, wird außer Acht gelassen, dass die Haftung nach §  128 HGB eine akzessorische Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft anordnet. Aus dem verbandsrechtlichen Grundsatz, wie er in §  31 BGB normiert ist, folgt, dass die Gesellschaft unmittelbar für das deliktische Verhalten ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter einzustehen hat. Es handelt sich demnach um eine Vermittlung des Organverhaltens als Eigenverhalten des Verbandes.1041 Eine Zurechnung fremden Verschuldens auf die Gesellschafter ist damit keineswegs verbunden. Vielmehr sprechen neben Regelungszweck und Regelungssystematik des §  128 HGB auch rechtspolitische und rechtsökonomische Erwägungen gegen eine teleologische Reduktion der Norm hinsichtlich deliktischen Verbindlichkeiten, weil sich gerade im Falle deliktischer Verbindlichkeiten das spezifisch verbandsrechtliche Risiko zu realisieren droht, dass ein Verband als formale Rechtshülle insbesondere in gefahrgeneigten Tätigkeitsfeldern eingesetzt wird, um die organisationsrechtliche Vermögenstrennung zur Abschirmung des Privatvermögens von Deliktsgläubigern zu instrumentalisieren. Gleiches gilt für die Berufung    – gegebenenfalls vermögensloser    – verfassungsmäßig berufener Vertreter. Das deliktische Anreizsystem würde unterlaufen, wenn man die Gesellschaftergesamtheit nicht im Wege einer Haftung für deliktische Verbandsverbindlichkeiten adressieren würde. Dies gilt unabhängig von der im weiteren Verlauf der Untersuchung zu bestimmenden materiellen inhaltlichen Reichweite der rechtlichen Legitimation der Haftungsanordnung des §  128 HGB.

B. Unzureichend legitimierter Haftungsumfang einer primären Erfüllungshaftung nach §  128 HGB Nach der herrschenden Meinung ordnet §  128 HGB damit eine unmittelbare und primäre Erfüllungshaftung des Gesellschafters für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft an. Fraglich ist indes, welche Rechtfertigung es für einen auf diese Weise verstandenen zweiten Anspruch der Gesellschaftsgläubiger geben kann. Im Folgenden sind daher die von der herrschenden Meinung vorgebrachten Legitimationsansätze für eine unmittelbare und primäre Erfüllungshaftung zu überprüfen. Dabei ist maßgeblich zu untersuchen, ob diese auch noch vor dem Hintergrund der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der oHG als 1041 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.III.1.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

rechtsfähigem Personenverband mit einem diesem zugeordneten Gesellschaftsvermögen Geltung beanspruchen können. So könnten dort Widersprüche aufkommen, wo die herrschende Meinung Annahmen zugrunde legt, die in der Vergangenheit geeignet waren, die konkrete Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung zu legitimieren, nunmehr aber einer Legitimation entbehren, weil diese nur dort gegeben ist, wo verbandsrechtliche Defizite aufkommen, die es legislatorisch aufzufangen gilt. I. Rechtsfähigkeit von Personenverbänden als normative Hürde eines vorrechtlichen Grundsatzes der unbeschränkten Gesellschafterhaftung nach dem Ansatz „keine Herrschaft ohne Haftung“ Genauso wie derzeit aus rechtsökonomischer Perspektive bezogen auf Kapitalgesellschaften über die Frage diskutiert wird, ob im deliktsrechtlichen Bereich eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter angezeigt ist, damit es nicht zu einer Verzerrung deliktsrechtlicher Verhaltensanreize kommt,1042 wurde Mitte des 20.  Jahrhunderts ausführlich um die „Sinnhaftigkeit der unbeschränkten Haftung bzw. von Haftungsbeschränkungen“ gerungen.1043 Dabei wurde abstellend auf die regelmäßig hinter einem Verband stehenden natürlichen Personen weithin argumentiert, dass die Haftung der Verbandsmitglieder auf einem „Gleichlauf von Herrschaft und Haftung“ bzw. „Leitungsmacht und Verantwortung“ beruhe, weil jeder, der durch Ausübung unternehmerischer Funktion am Wirtschaftsleben teilnehme und daraus Nutzungen ziehe, die mit dem Unternehmen verbundenen Risiken zu tragen habe.1044 Dieses materiell-­ rechtliche Ordnungsprinzip führe dazu, dass Kapital vorsichtig eingesetzt werde und „glücklose“ Unternehmer vom Markt gedrängt würden.1045 Insoweit ist hervorzuheben, dass die Terminologie der Wechselwirkung von Herrschaft und Haftung auch in anderem Zusammenhang verwendet wird.1046 Während nach ordoliberaler Wirtschaftstheorie von der Herrschaft auf die Haftung geschlossen werden und damit eine Einstandspflicht originär begründet werden soll („keine Herrschaft ohne Haftung“), wird im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Selbstorganschaft sowie der Einstandspflicht von Gesellschaftern für Masseverbindlichkeiten umgekehrt danach gefragt, ob jemand, der keine Leitungsmacht hat    – und damit keine „Herrschaft“    –, persönlich haften soll

1042 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 A.IV. den Überblick bei A. Meyer, Der Grundsatz der unbeschränkten Verbandsmitgliederhaftung, S.  104 ff.; siehe zur Terminologie der „Haftungsbeschränkung“ oben Kap.  1 §  2 A.I.4, Kap.  1 §  2 A.I.5.d)dd), Kap.  1 §  2 C.II.4.a). 1044  Vgl. m. w. N. bei A. Meyer, Der Grundsatz der unbeschränkten Verbandsmitgliederhaftung, S.  105 f. sowie Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  543 ff. 1045  Vgl. m. w. N. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  5 43. 1046  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.III.1. 1043  Vgl.

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(„keine Haftung ohne Herrschaft“).1047 In beiden Konstellationen stellt das Begriffspaar im Ausgangspunkt ein lediglich rechtspolitisches Wertungskriterium dar, welches letztlich nur unter normativer Anknüpfung geeignet ist, als Auslegungskriterium herangezogen zu werden. In methodischer Hinsicht ist es daher zwar geeignet, eine gesetzlich angeordnete Einstandspflicht aus teleologischen Erwägungen zu reduzieren, nicht aber, originär eine Einstandspflicht zu begründen. Selbst wenn man dem Begriffspaar von Herrschaft und Haftung ein allgemeines Prinzip entnehmen wollte,1048 beinhaltete dieses „Rechtsprinzip […] keinen Rechtssatz, denn es ist nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen nicht ausreichend konkretisiert.“1049 Erkennt man die Fähigkeit von Verbänden an, eigenständiges vermögenstragendes Rechtssubjekt zu sein, welches vermittelt durch seine Organe am Wirtschaftsleben teilnimmt, so ist es stets diese normativ anerkannte Organisationseinheit (vgl. §  14 BGB), die als Wirtschafts­ akteur im marktwirtschaftlichen System agiert und dabei schuldrechtlich berechtigt bzw. verpflichtet wird sowie deren Vermögen, welches den Gläubigern funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugewiesen wird.1050 Durch die gesetzliche Verleihung der Rechtsfähigkeit an verbandsrechtliche Rechtsformen fallen die Gesellschafter bei der Beurteilung der Wirtschaftsaktivität im normativen Regelfall aus dem Fokus, sodass es für einen darüber hinausgehenden vorrechtlichen, wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Gesellschafterhaftung an der Bezugsgröße fehlt.1051 Es sind gerade nicht mehr die Gesellschafter als Hinterleute, die unmittelbar an der Verbandstätigkeit partizipieren und damit aus Sicht einer allgemeinen ordoliberalen Wirtschaftsverfassung in den Blick genommen werden könnten. Mit der Verlagerung des rechtssubjektiven Anknüpfungspunktes von den Gesellschaftern auf die Gesellschaft wird der normative Standard umgekehrt, sodass nicht die Beschränkung der Einstandspflicht auf ein Sondervermögen legitimierungsbedürftig ist, sondern die Ausweitung der Haftung auf die Gesellschafter als schuldnerfremde Rechtssubjekte. Es ist fortan der Verband, der „dem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts“ nach unbeschränkter Vermögenshaftung unterliegt, wonach „derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt oder mit dem Ver1047  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.III.1; vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  544, 546. 1048  A. A. K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  105; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  544. 1049  Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  5 44. 1050  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II. 1051  Vgl. m. w. N. A. Meyer, Der Grundsatz der unbeschränkten Verbandsmitgliederhaftung, S.  104 ff.; K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  103 ff., 111 ff., 118 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

tragspartner keine Haftungsbeschränkung vereinbart wird.“1052 In konsequenter Anwendung dieses bereits belegten Grundsatzes der geltenden Rechts­ ordnung sind es nicht die Gesellschafter die in „Gemeinschaft mit anderen“ Geschäfte betreiben, sondern es ist die Gesellschaft, die „als Einzelperson“ selbstbestimmt und selbstverantwortlich agiert.1053 Gesellschaftsverpflichtungen sind allenfalls wertungsmäßig oder wirtschaftlich Angelegenheiten der die Gemeinschaft bildenden, hinter einem Verband stehenden Einzelpersonen, aber gerade nicht in schuldrechtlicher Hinsicht, sodass eine Haftung die Einzelpersonen auch nicht zwingend treffen muss. Gesellschaftsverbindlichkeiten sind im schuldrechtlichen Ausgangspunkt vielmehr Angelegenheiten der Gesellschaft selbst.1054 Soweit es bezogen auf den Gläubigerschutz ein rechtliches Regelungsinteresse gibt, können sodann gläubigerschützende Mechanismen installiert werden, wie zum Beispiel Kapitalaufbringungs- oder Kapitalerhaltungsregelungen bzw. eine Einstandspflicht mit dem Gesellschafterprivatvermögen. Folglich bedarf die Anordnung der akzessorischen Gesellschafterhaftung einer positivrechtlichen Grundlage, wie sie in §  128 HGB (analog) für die Personenverbände Niederschlag gefunden hat.1055 Soweit also dem geltenden Recht ein „unternehmensrechtliches Prinzip der unbeschränkten Haftung“ entnommen wird,1056 beruht dieses nicht auf vorrechtlichen, wirtschaftsverfassungsrecht­ lichen Grundsätzen, sondern ist das Ergebnis einer wertenden Gesamtschau der positivgesetzlichen Haftungsregelungen. Während diese dem positiven Recht zugrundeliegende Einstandspflicht der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten rechtlicher Legitimation bedarf, sind wiederum die von der gesetzlichen Grundsatzentscheidung abweichenden Gestaltungen ihrerseits legitimierungsbedürftig. Gewährleistet wird dies regelmäßig durch ein an registergerichtliche Prüfung anknüpfendes rechtsformspezifisches Informationsmodell („Regime von Prüfung und Publizität“).1057 Die dabei angesprochene Legitimierungsbedürftigkeit von sog. „Haftungsbeschränkungen“1058 auf das Gesellschaftsvermögen ist demnach keine rechtlich notwendige, sondern allenfalls Konsequenz einer rechtsformübergreifenden Systementscheidung nach einer im Ergebnis unbeschränkten, persönlichen Einstandspflicht natürlicher Perso1052  BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  12; vgl. BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  13; siehe zur Terminologie der „Haftungsbeschränkung“ oben Kap.  1 §  2 A.I.4, Kap.  1 §  2 A.I.5.d)dd), Kap.  1 §  2 C.II.4.a). 1053  Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV. 1054  Anders noch Flume, Die Personengesellschaft, §  16 IV 3, S.  326 sowie daran anschließend, BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  13. 1055  Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  35, 58. 1056  K. Schmidt, ZIP 1996, 353 (358); ders., Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  102 ff., 324 ff., 335 ff. 1057  K. Schmidt, ZIP 1996, 353 (358). 1058  Siehe zu dieser Terminologie oben Kap.  1 §  2 A.I.4, A.I.5.d)dd), C.II.4.a).

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nen für wirtschaftliche Unternehmungen.1059 Mit Blick auf die Rechtssubjek­ tivität von Verbänden sowie die daraus resultierende Vermögenstrennung bedeutet dies jedoch erst in einem zweiten Schritt, dass die Einstandspflicht von Gesellschaftern nur so weit überhaupt einschränkungsfähig und einschränkungsbedürftig ist, wie sie in einem ersten Schritt angeordnet wurde. II. Sinn und Zweck der persönlichen Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB Wenn es nun nicht mehr originär die Gesellschafter sind, die von einer Unternehmung profitieren und damit korrespondierend für die Risiken wirtschaftlich einzustehen haben, sondern die Gesellschaft selbst vollwertiges Rechtssubjekt ist, deren Vermögen zum Haftungsobjekt von Verbindlichkeiten wird, stellt sich die Frage, welches Regelungsziel §  128 HGB mit gewandeltem dogmatischen Verständnis von der Rechtsnatur von Personenaußengesellschaften noch verfolgen kann. Der Normzweck, wie ihn die allgemeine Auffassung der Haftungsregelung des §  128 HGB zuerkennt,1060 lässt sich auf drei Aspekte zusammenfassen. Pauschal ausgedrückt, dient die persönliche Gesellschafterhaftung (1.) dem Gläubigerschutz, (2.) der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft sowie (3.) der Verhaltenskontrolle. Der Einstandspflicht wird damit aus dreierlei Perspektiven eine Rechtfertigung zuerkannt: (1.) aus der Sicht Dritter, (2.) aus der Perspektive der Gesellschaft sowie (3.) im Allgemeininteresse. Unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes wird der persönlichen Haftung insbesondere die Funktion zuerkannt, den Gläubigern eine ausreichende Sicherheit dafür zu gewähren, dass die Personengesellschaft im Unterschied zu den Kapitalgesellschaften mangels gesetzlicher Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften über kein gesichertes Eigenkapital verfügt, weil die Gesellschafter beliebig Unterbilanzausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen vornehmen könnten.1061 Vielmehr bestünde ein Anreiz, überhaupt kein Gesellschaftsvermögen zu bilden, sondern die erwirtschafteten Gewinne schnell und möglichst vollständig auszuschütten, sodass der gegen die Gesellschaft gerichtete Anspruch von geringem Wert sein könne.1062 Im Zusammenhang damit, dass es 1059 Vgl. Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §  21 Rn.  56, 183 ff.; G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  3 A.III; Bergmann, ZGR 34 (2005), 654 (675); Beuthien, ZIP 2011, 1589 (1592); a. A. BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  13; Dauner-­ Lieb, in: FS Lutter, S.  835, 836; J. Jacobs, DB 2005, 2227 (2233); Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  288 f. 1060 Vgl. Boesche, in: Oetker, HGB, §   128 Rn.  26; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128, Rn.  8 ff.; K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, S.  106 ff.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 881 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a, S.  536. 1061 Vgl. Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 881. 1062 Vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17; ders., AnwBl 2014, 96 (101 ff.). Von dieser Vorstellung scheint auch die Begründung zu §  122 BGB-E RegE MoPeG auszugehen, indem diese

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

keine zwingenden Liquidationsvorschriften gebe, komme der Gesellschafterhaftung eine Kapitalersatzfunktion zu.1063 So sei es den Gesellschaftern pro­ blemlos möglich, Gesellschaftsvermögen abzuziehen, wenn eine Inanspruchnahme der Gesellschaft droht.1064 Ferner diene die persönliche Haftung der Leistungserzwingung, um Gläubigern zusätzliche Vollstreckungsmöglichkeiten zu eröffnen.1065 Dieses Sicherungsinteresse spiegele sich in der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft, weil die Personenaußengesellschaft ohne persönliche Haftung für den Rechtsverkehr keine attraktive Organisationsform darstelle, sodass §  128 HGB die Personenaußengesellschaften überhaupt erst verkehrs­ fähig mache.1066 Schließlich diene die persönliche Gesellschafterhaftung der Verhaltenskontrolle, sodass die herrschenden Gesellschafter ihre rechtlichen Pflichten im Rahmen ordentlicher Unternehmensführung sorgfältig ausführten.1067 Im Folgenden ist zu untersuchen, inwieweit diese Regelungsanliegen gerechtfertigt sind und eine bestimmte Auslegung des §  128 HGB bedingen. Grundlage der Bewertung hat dabei zu sein, dass die haftungsrechtliche Unterwerfung einer schuldnerfremden Vermögensverbindung bezogen auf die Verbandstätigkeit nur soweit rechtlich legitimierungsfähig ist, wie dies erforderlich ist, um die verbandsspezifischen Nachteile gegenüber einem Schuldverhältnis mit natürlichen Personen zu kompensieren    – sei es bezogen auf die Interessen der Gläubiger, des Verbandes oder der Allgemeinheit. 1. Konkretisierung des von §  128 HGB verfolgten Gläubigerschutzes Ausgangspunkt der Überlegungen zu dem Regelungszweck des §  128 HGB ist mithin das Sicherungsinteresse der Gläubiger.1068 Aus der Perspektive des Rechtsverkehrs stellt sich die Frage, wie der propagierte Gläubigerschutz zu

das Prinzip der Vollausschüttung im Rahmen der Novellierung der §§  120–122 HGB ausdrücklich artikuliert, S.  284. Vgl. insoweit bereits zum geltenden Recht, Staake, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  122 Rn.  4. 1063  BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  17; BGH, Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19; John, Die organisierte Rechtsperson, S.  251; K. Schmidt, JZ 1985, 301 (302); ders., Gesellschaftsrecht, §  18 IV 2, S.  541 ff.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881, I-903; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a bb, S.  536; vgl. Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  58. 1064  Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17; ders., AnwBl 2014, 96 (101). 1065  Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a bb, S.  536. 1066  BGH, Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; Armbrüster, ZGR 34 (2005), 34 (58); Canaris, ZGR 33 (2004), 69 (111); Fischer, Die Haftung des Gesellschafters für Schulden der oHG, S.  80; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-903; vgl. Graßhoff, in: FS Heinitz, S.  131 f. 1067  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  18 IV 2, S.  5 41 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a bb, S.  536. 1068  Fischer, Die Haftung des Gesellschafters für Schulden der oHG, S.  79; Kühne, ZHR 133 (1969), 149 (154).

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erreichen ist,1069 ohne dass es dabei zu einer unbilligen, spezifisch rechtlich nicht legitimierten Belastung der Gesellschafter kommt und damit eine Überkompensation der Gläubiger vermieden wird. Nach herrschender Meinung erfordert der Gläubigerschutz eine primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter.1070 Eine Verweisung auf die vorherige Inanspruchnahme der Gesellschaft entsprechend §  771 BGB komme daher nicht in Betracht. Dass die primäre Einstandspflicht    – zumindest aus gesetzgeberischer Sicht    – aber hinsichtlich des Gläubigerschutzes nicht per se sachlich eine notwendige ist, zeigt der Blick zum Beispiel in Art.  24 Abs.  2 EWIV-VO (EWG/2137/85), Art.  1858 Code civil oder Art.  568 Abs.  3 OR (Schweizer Obligationenrecht).1071 So haftet etwa in der schweizerischen Kollektivgesellschaft die Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft primär, die Gesellschafter demgegenüber haften mit ihrem Vermögen zwar unbeschränkt und solidarisch, dies jedoch nur subsidiär.1072 Gesetzestechnisch wird dieses Konzept dadurch umgesetzt, dass der Wortlaut von Art.  568 Abs.  1 und 2 OR im Wesentlichen dem des §  128 HGB entspricht, Abs.  3 demgegenüber aber als Belangbarkeitsvoraussetzung die Subsidiarität anordnet, wobei Art.  562 OR dem §  124 HGB entspricht. Auch Art.  41 Abs.  1 eines Entwurfs des allgemeinen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) von 1848/49 sah noch ausdrücklich vor, dass „einzelne Gesellschafter […] zur Erfüllung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht verurteilt werden, wenn nicht dieselbe gegen die Gesellschaft vorher gerichtlich festgestellt worden ist, oder gleichzeitig festgestellt wird.“

In Abs.  2 wurde eine Gegenausnahme vorgeschlagen, wonach dies nicht gelte, wenn die Gesellschaft nicht formal „veröffentlicht worden ist“ oder in Konkurs oder Fallitzustand (Bankrott) geraten ist. Zur Internalisierung von Gläubigerrisiken kommt gesetzestechnisch anstelle einer persönlichen Einstandspflicht auch die Errichtung zwingender Versicherungsansprüche für nicht gedeckte Gesellschaftsansprüche in Betracht (vgl. §  8 Abs.  4 PartGG).1073 Dieser Blick auf andere bzw. nicht Gesetz gewordene Haftungsregelungen kann indes allenfalls Anlass sein, die Reichweite der Regelung des §  128 HGB zu hinterfragen, jedenfalls aber nicht als Argument für den Regelungszweck der nationalen Haftungsanordnung herangezogen werden. So kann sich die rechtlich legitimierungs­ 1069  Vgl. allgemein zum „Problem des Gläubigerschutzes“, Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §  21 Rn.  56 ff.; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  14 ff. 1070  Kornblum, Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten von Personengesellschaften, S.  127; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-901. 1071 Vgl. Pestalozzi/Hettich, in: Basler Kommentar Obligationenrecht II, Art.  568 Rn.  1, 16 f., 18; H.-U. Vogt, GesKR 2009, 96 (96 ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  8 III 3 b, S.  733. 1072 Vgl. H.-U. Vogt, GesKR 2009, 96 (96 ff.). 1073 Vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (96 ff., 104 f.); ders., AnwBl 1996, 3 (7 ff.); ders., in: FS Hommelhoff, S.  414.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

fähige Reichweite der Haftungsanordnung des §  128 HGB ausschließlich aus geltendem Gesellschaftsrecht ergeben. Fraglich ist daher, ob die primäre Einstandspflicht mit Blick auf die derzeit geltende Gesellschaftsrechtsordnung eine hinreichende Stütze im vorhandenen Normgefüge findet. Möchte man der persönlichen Gesellschafterhaftung in Personenaußengesellschaften eine gläubigerschützende Funktion zusprechen, stellt sich die Frage, inwieweit potenzielle Gesellschaftsgläubiger überhaupt schützenswert sind. So ist eine per­ sönliche Einstandspflicht der Gesellschafter aus etwaigen Schutzwürdigkeitsgesichtspunkten nur dann zu legitimieren, wenn das in Bezug genommene Rechtssubjekt auch tatsächlich schutzbedürftig ist. Ausgehend von der Rechtsfolge des §  128 HGB, der nach den bisherigen Feststellungen dazu führt, dass die Gesellschaftsgläubiger über ihren eigentlichen Schuldner     – die Gesellschaft    – weitere Ansprüche gegen die Gesellschafter erhalten, wodurch deren Privatvermögen funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – dem Gläubigerzugriff zugewiesen werden, drängt sich die Annahme auf, dass Gesellschaftsgläubiger ein Interesse daran haben, dass sie mit einer Gesellschaft einen solventen Schuldner erhalten. Der Gläubigerschutz des §  128 HGB könnte also bereits darin zu sehen sein, dass die Gesellschaftsgläubiger vor einem schlichten Leistungsausfall der Gesellschaft als Schuldnerin zu bewahren sind. Eine solche Argumentation ist aber bereits deswegen zweifelhaft, weil sich das Risiko einer Insolvenz des Schuldners als ein allgemeines Lebensrisiko des Wirtschaftsverkehrs darstellt. So weiß der regelmäßig informierte Gläubiger, worauf er sich einlässt, kalkuliert dies ein und kann sich dementsprechend durch zusätzliche Sicherheiten schützen.1074 Umgekehrt kann die zweifelhafte Solvenz von Schuldnern privatautonom zum Geschäftsmodell gemacht werden, indem sich eine schlechte Kapitalausstattung durch höhere Preise in der Gesamtkalkulation niederschlägt. Ein generalisierbares Gläubigerinteresse an stets solventen Schuldnern kann es schon deswegen nicht geben. Während dementsprechend ein generelles Gläubigerinteresse an einer bestimmten Kapitalausstattung nicht festgemacht werden kann, entspricht es der privatautonomen Interessenlage gegenseitiger Vertragsverhältnisse, dass das ausgehandelte Vertragsergebnis nicht durch einseitige Gestaltungen einer Partei zulasten des Vertragspartners verschoben wird. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, wenn sich die Gläubiger über die Solvenz ihres Vertragspartners informieren, diese Kapitalausstattung einem Vertragsschluss zugrunde legen und sich sodann nach Vertragsschluss Umstände in der Person des Schuldners ändern, auf die    – vorbehaltlich einer Vertragsanpassung    – nicht mehr hinreichend reagiert werden kann. Ein solches allgemein schützenwertes Gläubiger­ interesse könnte sich in verbandsspezifischer Hinsicht aus dem Umstand er­ geben, dass während der werbenden Tätigkeit einer Personenaußengesellschaft 1074 Vgl.

Bork, in: FS Ganter, S.  135.

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anknüpfend an den originären Entstehungsgrund eines Verbandes    – die konstituierende Vereinbarung eines gemeinsamen Zweckes    – eine einvernehmliche Änderung der gemeinschaftlichen Zweckbindung möglich ist und sich damit nachträglich sowohl quantitativ die wirtschaftliche Ausstattung des Vertragspartners verändern kann, als auch qualitativ dessen rechtliche Verfassung.1075 Im Falle der Aufhebung der gemeinschaftlichen Zweckbindung vertieft sich dieses Schutzbedürfnis der Gläubigerinteressen, weil der Vertragspartner als solcher droht, wegzufallen.1076 Nach allgemeiner Auffassung können derartige Gläubigerrisiken durch eine persönliche Gesellschafterhaftung internalisiert werden.1077 a) Kapitalersatzfunktion durch die Erhaltung des Haftungsvolumens Der von §  128 HGB verfolgte Gläubigerschutz wird von der herrschenden Meinung maßgeblich dadurch konkretisiert, indem ihm    – in Abgrenzung zum Haftungsregime der Kapitalgesellschaften    – eine kapitalersetzende Funktion zuerkannt wird.1078 Die persönliche Gesellschafterhaftung sei in der Personenaußengesellschaft deswegen erforderlich, weil es für diese keine Kapitalaufbringungs- bzw. Kapitalerhaltungsregelungen gebe.1079 Es mangele an einer hin­ reichenden Vermögensbindung.1080 Daher bestehe eine „Komplementarität von Entnahmefreiheit und persönlicher Haftung“.1081 Eine von der Rechtsfähigkeit zu unterscheidende Rechtspersönlichkeit mit auf diese beschränkter Einstands­ pflicht setze voraus, dass der Haftungsverband einer rechtsfähigen Organisationseinheit bis zum Abschluss der Liquidation nicht zur Disposition der Gesellschafter stehe, dass eine Auflösung zur zwingenden Liquidation des Subjekts mit entsprechenden Gläubigerschutzmechanismen führe sowie, dass Insolvenz1075 Vgl.

Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  54. Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  55 f. 1077  Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153 f.). 1078  Beuthien, DB 1975, 725 (725); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  18 IV 2, S.  5 41; ders., JZ 1985, 301 (302); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a, S.  536; Wiesner, in: FS Hellwig, S.  413; vgl. Rüffler, JBl. 1999, 222 (233). 1079 BGH, Uv. 7.4.2003     – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  17; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19, 218; ders., AnwBl 2014, 96 (97); Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  1; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-881; Wiesner, in: FS Hellwig, S.  413. 1080 Vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19, 218; zum Erfordernis der Vermögensbindung, G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  3 B.I mit Verweis auf Reuter, AcP 207 (2007), 673. 1081  BGH, Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370 = juris-Rn.  11; vgl. Canaris, ZGR 33 (2004), 69 (92 ff.), der aber eine generelle Einstandspflicht der Gesellschafter einer Personenaußengesellschaft ablehnt und stattdessen eine Verhaltenshaftung der bevorteilte Gesellschafter bei Entzug von Gesellschaftsvermögen vorschlägt; G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  3 A.IV. 1076 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

reife bereits bei Überschuldung eintrete.1082 Das von dieser Argumentation in Bezug genommene Vergleichssubjekt der Kapitalgesellschaft ist indes nur bedingt geeignet, den Regelungszweck des §  128 HGB zu ermitteln. So kann aus dem Umstand, dass es im Recht der Kapitalgesellschaften regelmäßig Vorschriften über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung gibt, nicht logisch notwendig darauf geschlossen werden, dass es im Recht der Personengesellschaften deswegen einer persönlichen Gesellschafterhaftung bedarf, weil es dort solche Regelungen nicht gibt. Nachvollziehen lässt sich diese Argumentation zwar insoweit, als sich die Haftungsverfassung der rechtsfähigen Personengesellschaft erst nach derjenigen der rechtsfähigen juristischen Person konkretisiert hat, sodass ein unmittelbarer Vergleich der Regelungsinstrumente naheliegt. Allerdings muss sich die verbandsrechtliche Haftungsverfassung stets in die allgemeine, privat- und schuldrechtliche Systematik einfügen und nicht getragen von einer rein gesellschaftsrechtlichen Systematik aus einem verbandsrechtlichen Selbstzweck ergeben. Die Notwendigkeit gesellschaftsrechtlicher Haftungsregelungen ist dementsprechend anhand eines argumentativ lücken­ losen Vergleichs mit der schuldrechtlichen Verbindung natürlicher Personen zu ermitteln. Soweit also ein Vergleich mit den Kapitalvorschriften bei Kapital­ gesellschaften angestellt wird, kann dieser nur insoweit relevant sein, wie er für die Frage belastbar gemacht wird, was die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen neben natürlichen Personen rechtfertigt und ob diese Umstände auf die Personenverbände übertragen werden können. Wie §  14 Abs.  1 BGB zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften in einem vergleichbaren Verhältnis zu den natürlichen Personen stehen. Argumentativ stellt die Verfassung von juristischen Personen damit keinen notwendigen Zwischenschritt der Ermittlung einer Haftungsverfassung für den Personenverband dar. Angesichts der Tatsache, dass die Personenaußengesellschaft ihre Rechtssubjektivität vielmehr unmittelbar aus der verbandsrechtlichen Konstituierung durch ihre Mitglieder ableitet,1083 ist der argumentative Vergleich mit den Kapitalgesellschaften allenfalls ein nachgelagerter.1084 Vorrangig ist daher ein schuldrechtlicher Vergleich mit der Interaktion natür­ licher Personen angezeigt. Bei ausreichender Information über den Vertragspartner kann der Gläubiger im Rahmen der Begründung eines Rechtsgeschäfts eigenständig darüber entscheiden, ob er mit Blick auf das einzugehende Schuldverhältnis zusätzliche Sicherheiten benötigt, um in Anbetracht der Gläubiger­ risiken sein vermögensmäßiges Äquivalenzinteresse im Rahmen des privatauto1082 

Reuter, AcP 207 (2007), 673 (688). wenn die Beteiligung eine mehrstufige ist, bei der die Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, ist die Konstituierung der Verbände letztlich auf das Verhalten natürlicher Personen zurückzuführen, indem diese die Gesellschafter-Gesellschaft auf der obersten Beteiligungsstufe gegründet haben. 1084  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.IV. 1083  Auch

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nomen Aushandlungsprozesses anhand seiner Präferenzen zu befriedigen. Entsprechende Personal- und Realsicherheiten dienen dazu, das Schuldnervermögen in quantitativer Hinsicht zu gewährleisten. Bei der Kontrahierung mit einer natürlichen Person bedarf es keiner darüber hinausgehenden Schutzmechanismen, weil das Schuldnervermögen in dieser Konstellation in qualitativer Hinsicht korrespondierend mit der Rechtsfähigkeit    – vorbehaltlich der §§  104 ff. BGB    – einen festen Bezugspunkt darstellt, auf die bereits im Rahmen der Begründung eines Rechtsverhältnisses privatautonom hinreichend reagiert werden kann. Soll demgegenüber mit einem rechtsfähigen Verband kontrahiert werden, so ist das Schuldnervermögen kein hinreichend kalkulierbares Haftungsobjekt, sondern einerseits in quantitativer Hinsicht    – vermittelt durch die mitgliedschaftlichen Rechte    – potenziell dem nachträglichen gemeinschaftlichen Gesellschafterzugriff ausgesetzt. Andererseits steht ein Rechtsverhältnis mit einem Verband als Schuldner unter der latenten Gefahr, dass das Schuldnervermögen nicht nur in quantitativer Hinsicht, sondern auch in qualitativer Beziehung dem Gläubigerzugriff dadurch entzogen wird, dass sich die Rechtsform und damit die rechtliche Qualität des Schuldners ändert oder dieser gänzlich als Rechtssubjekt wegfällt und damit auch das von ihm getragene Vermögen dem Haftungszugriff entzogen wird. Das Gesellschaftsvermögen ist in An­ betracht der Rechtsnatur des Personenverbandes sowohl quantitativ als auch qualitativ einem gewissen Gesellschafterzugriff zugänglich. Daher besteht eine verbandsspezifische Gefährdungslage, die im Rahmen gesetzlicher Regelungen kompensiert werden kann. Dadurch dass die Gesellschaftsgläubiger keinen Einfluss auf die Erhaltung des Gesellschaftszwecks haben, sind sie vor einer „Ausbeutung“ über gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen zu schützen.1085 In Betracht kommt die Gewährleistung eines festen Haftungskapitals, wodurch dem Schuldnervermögen eine quantitative Konstante verliehen würde, sowie damit korrespondierend ein Schutz dieses Kapitals im Liquidationsfall,1086 wodurch das Schuldnervermögen qualitativ abgesichert würde. Unterwirft man das Schuldnervermögen hingegen keinen diesbezüglichen Gläubigerschutz­ mechanismen, kann ein solcher funktionsähnlich durch eine persönliche Ein­ standspflicht der Gesellschafter in Form einer eigenkapitalersetzenden Per­so­ nal­sicherheit erreicht werden.1087 An diese Gefahr der nachträglichen „Ausbeutung“ des Verbandes knüpft die Erfolgsgeschichte der Kapitalgesellschaften als wirtschaftsfähige Kapitalsammelstelle an, weil in diesen Mechanismen vorgesehen sind, die einen lebzeitigen 1085  Vgl. Tröger, in: FS Westermann, S.  1541 ff., 1547, 1559, aber auch zur alternativen rechts­ ökonomischen Begründung einer anreizbasierten, präventionsorientierten Verhaltenssteuerung, S.  1547 ff.; siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.4. 1086  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c) 1087  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §   18 IV 2, S.  541; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 1 a, S.  536.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Zugriff der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen weitgehend beschränken.1088 So ist es die langfristige Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens in den Kapitalgesellschaften, die dazu führt, dass sich deren Gläubiger mit einem Verband anstatt mit einer natürlichen Person in ein Schuldverhältnis begeben. Gesetzliche Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregelungen führen dazu, dass die Gesellschafter nicht in der Lage sind, das haftungsunterworfene Gesellschaftsvermögen in quantitativer Hinsicht dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Der quantitative Einschluss des Kapitals in dem Verband hat ferner zur Folge, dass die Gesellschaft nicht durch den Abzug von Kapital zu einer Liquidation gezwungen werden kann. Gleichwohl müssen Mechanismen installiert werden, die dazu führen, dass sich der Kapitalschutz auch im Liquidationsfall fortsetzt, weil anderenfalls die Gesellschafter durch Aufhebung oder Änderung des Verbandszwecks gleichwohl den Verband als Schuldner dem Gläubigerzugriff und damit zugleich das haftungsunterworfene Schuldnervermögen in qualitativer Hinsicht entziehen könnten. Bezüglich der Kapitalgesellschaften wird dies durch zwingende, die vermögensmäßigen Interessen der Gläubiger wahrende, Liquidationsvorschriften gewährleistet.1089 Folglich führen die gesetz­ lichen Vorschriften über die Kapitalgesellschaften dazu, dass der Verband als Rechtssubjekt sowie dessen Vermögen, wie sie bei Begründung eines Schuldverhältnisses bestanden haben, grundsätzlich nicht durch einseitige Gestaltungen der Gesellschafter dem Gläubigerzugriff entzogen werden können. Die Gläubiger können sich folglich bereits im Zeitpunkt der Begründung eines Schuldverhältnisses ausreichend über die Finanzausstattung ihres potenziellen Schuldners informieren und diese privatautonom in ihre Kalkulation einstellen, entsprechend einpreisen und dabei zu Tage getretene Risiken gegebenenfalls zusätzlich absichern. Inwiefern die Verhinderung dabei entstehender Informationsbeschaffungskosten dem Regelungszweck des §  128 HGB unterliegt, ist jedenfalls keine Frage des zu gewährleistenden Haftungskapitals.1090 Eine bloße nachträgliche Vermögensverschlechterung des Verbandes als Schuldner    – etwa in Folge schlechten Wirtschaftens    – stellt demgegenüber kein verbandsspezifisches Risiko dar, sondern ein allgemeines Wirtschaftsrisiko der Gläubiger, wie es sich auch gegenüber natürlichen Personen realisieren kann. Mit Blick auf die verbandsspezifische Gefährdungslage, dass die Gesellschaftsgläubiger die Personenaußengesellschaft als ihren potenziellen Schuldner lediglich zum Zeitpunkt der Begründung eines Rechtsgeschäfts beurteilen und ihre eigenen Präferenzen darauf ausrichten können, die Gesellschafter aber 1088 

Vgl. etwa die Kapitalschutzsysteme der §§  30, 31 GmbHG sowie der §§  57, 62 AktG. BGH, Uv. 17.5.1999    – II ZR 76/98, BGHZ 141, 372–380 = juris-Rn.  13; vgl. die §§  65– 74 GmbHG sowie die §§  263–273 AktG, insbesondere die Anordnung eines Sperrjahres gemäß §  73 GmbHG sowie §  272 AktG nach dem Vorbild des §  51 BGB; siehe zum Liquidationsschutz in der Personengesellschaft unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c). 1090  Siehe dazu Kap.  1 §  3 B.II.2. 1089 

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auch nachträglich vermittelt durch ihre mitgliedschaftlichen Rechte    – zumindest einvernehmlich    – auf Ausstattung und Bestand des Verbandes Einfluss nehmen können, kommt §  128 HGB im Gläubigerinteresse jedenfalls die Funktion zu, das Haftungsvolumen, wie es zum Zeitpunkt der Begründung eines Schuldverhältnisses bestanden hat, quantitativ und qualitativ entsprechend zu erhalten. Insoweit ist es zutreffend, dass die persönliche Gesellschafterhaftung eine vergleichbare gläubigerschützende Funktion einnimmt, wie die Kapitalerhaltungs-, Kapitalaufbringungs- und Liquidationsvorschriften im Rahmen der Kapitalgesellschaften. Ausgehend von dem verbandsspezifischen Regelungs­ bedürfnis    – die natürliche Person als Vergleichssubjekt zum Bezugspunkt nehmend    – tritt die persönliche Gesellschafterhaftung allerdings nur dann „an die Stelle“ der Kapitalerhaltungs-, Kapitalaufbringungs- und Liquidationsvorschriften von juristischen Personen des Handelsrechts, wenn man von der Prämisse ausgeht, dass es an solchen Vorschriften bei Personenaußengesellschaften gänzlich fehlt. So besteht nach herrschender Auffassung der wesentliche Unterschied der Personengesellschaften gegenüber den Kapitalgesellschaften in dem Umstand, dass das Personengesellschaftsrecht keine echten Kapitalerhaltungs-, Kapitalaufbringungs- und Liquidationsvorschriften vorsehe.1091 Mangels solcher Vorschriften sei eine primäre auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten erforderlich.1092 Nimmt man diese Prämisse wiederum zum Argumentationsanker, dann ist es konsequent, dass soweit nun    – bei gewandeltem Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft    – kapitalschützende Mechanismen in der Personenaußengesellschaft vorhanden sind auch eine Einstandspflicht hinter dem ursprünglich gegebenenfalls gebotenen Haftungsregime zurückbleiben kann. So kann nach gewandeltem Verständnis von der Rechtsnatur der vermögenstragenden Personenaußengesellschaft nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Personengesellschaftsrecht während des werbenden Zustandes des Verbandes gar keine Kapitalschutzmechanismen beinhaltet;1093 Entsprechendes gilt für den Liquidationsfall.1094 b) „Weicher“ Kapitalschutz im Personenverband Legt man das gewandelte Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft zugrunde, so sind deren Gläubiger auch ohne eine persönliche Gesellschafterhaftung im Hinblick auf das haftungsunterworfene Gesellschaftsvermögen nicht völlig schutzlos gestellt.1095 Wie bereits festgestellt, ist Gläubigerschutz durch Haftungskapital in zweierlei Hinsicht zu gewährleisten. Treten 1091 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.b), Kap.  1 §  3 B.II.1.c). Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 A. 1093  Siehe dazu im Folgenden Kap.  1 §  3 B.II.1.b). 1094  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c). 1095  A. A. BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  17; BGH, 1092 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Gläubiger mit einem Verband in ein Schuldverhältnis ein, bestehen berechtigte Interessen, das zum Zeitpunkt der Begründung eines Schuldverhältnisses haftungsunterworfene Vermögen in quantitativer sowie qualitativer Hinsicht zu erhalten. Von der Vermögenserhaltung zu unterscheiden ist die erstmalige Aufbringung eines Gesellschaftsvermögens. In qualitativer Beziehung wird das Gesellschaftsvermögen durch die, den Verband als solchen konstituierende, Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks begründet. Darüber hinaus ist es zutreffend, dass es keine Vorschriften im Rahmen des Personengesellschaftsrechts gibt, die gewährleisten, dass dieses qualitative Gesellschaftsvermögen auch quantitativ angereichert wird. Die Frage, ob ein Schuldner zur Zeit der Begründung eines Schuldverhältnisses über ein bestimmtes Vermögen verfügt, ist aber kein Aspekt, bezüglich dessen potenzielle Gläubiger ein schützenswertes Interessen entwickeln könnten.1096 Vielmehr kann sich der Rechtsverkehr über den Umfang potenziellen Schuldnervermögens informieren und selbst darüber befinden, ob er mit diesem Rechtssubjekt ein Rechtsgeschäft begründen möchte.1097 Im deliktischen Bereich stellt das anfänglich quantitativ vorhandene Schuldnervermögen demgegenüber grundsätzlich keinen tauglichen Beurteilungsparameter dar, weil die Gläubiger-Schuldner-Beziehung dort stets eine zufällige ist und sich ein qualifiziertes Gläubigerinteresse bezogen auf ein bestimmtes Vermögen in quantitativer Hinsicht zum Zeitpunkt der Begründung eines Schuldverhältnisses nicht entwickeln kann. Soweit diesbezüglich eine bestimmte Haftungssumme gewährleistet werden soll, ist dies keine originäre Aufgabe des Gesellschaftsrechts, sondern eine rechtspolitische Frage nach gefährdungsbezogenen Pflichtversicherungen. Diese Sichtweise steht auch nicht in Widerspruch zu den obigen Ausführungen hinsichtlich einer Einstandspflicht der Gesellschafter für Deliktsverbindlichkeiten.1098 Soweit man diesbezüglich vorzugswürdig darauf abstellt, dass die Gesellschafter für deliktische Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen haben, um opportunistischem Gesellschaftsverhalten entgegenzuwirken, so dient dies terminologisch zwar „Gläubigerschutzgesichtspunkten“. Allerdings erfolgt ein solcher Ansatz vornehmlich nicht vermögens-, sondern verhaltensbezogen. Insoweit ist daher nicht der kapitalbezogene Gläubigerschutz betroffen. Die Frage, ob ein bestimmter Kapitalstock erstmalig überhaupt aufgebracht wird, ist daher kein Problem des Gläubigerschutzes im vermögensrechtlichen Sinne. Folge ist vielmehr, dass sich potenzielle Gläubiger entweder gegen ein Rechtsgeschäft mit dem Verband entscheiden, schlechte Konditionen vereinbaren oder sich zusätzliche Sicherheiten gewähren lassen. Insoweit geht es daher nicht um die Gewähr­ Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19, 128 ff., 193 ff. 1096  Siehe dazu oben zu Beginn von Kap.  1 §  3 B.II.1. 1097  Siehe zu den entstehenden Informationskosten unten Kap.  1 §  3 B.II.2. 1098  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 A.IV.

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leistung von Gläubigerschutz, sondern um die Verkehrsfähigkeit der konkreten Verbandsform.1099 In vermögensrechtlicher Hinsicht ist es dement­sprechend lediglich die quantitative sowie qualitative Erhaltung der haftungsunterworfenen Vermögensverbindung, die durch ein Gläubigerinteresse veranlasst sein können. Konstanter Anknüpfungspunkt für die Frage der Kapitalerhaltung ist das bei Begründung eines Schuldverhältnisses mit einem Verband in qualitativer Hinsicht stets existente Gesellschaftsvermögen. So erhält die Personen­ außengesellschaft mit ihrer Konstituierung als Rechtssubjekt angesichts der mit­gliedschaftsvermittelten Einlageverpflichtungen der Gesellschafter zwangsläufig ein Gesellschaftsvermögen und verliert dieses erst mit ihrer Vollbeendigung.1100 Dieses ist in qualitativer Hinsicht strikt von den Privatvermögen der Gesellschafter zu trennen. Alleiniger Inhaber dieser Vermögensverbindung ist die Personenaußengesellschaft als verselbstständigter Verband.1101 Die Gesellschafter partizipieren an dieser Vermögensverbindung lediglich vermittelt durch ihre mitgliedschaftlichen Rechte.1102 Dieser Umstand hat zur Folge, dass mit Blick auf den Gläubigerschutz zwischen der Zugriffsmöglichkeit des einzelnen Gesellschafters auf das Gesellschaftsvermögen sowie der Zugriffsmöglichkeit der Gesellschaftergesamtheit zu differenzieren ist. Die bloß mitgliedschaftliche Beziehung der Gesellschafter zum Verband führt dazu, dass das Gesellschaftsvermögen hinsichtlich der Vermögensrechte des einzelnen Gesellschafters einer den Kapitalgesellschaften vergleichbaren Zweckbindung durch den Verbandszweck unterliegt.1103 Einmal zugewiesenes Kapital bleibt daher    – vorbehaltlich einer den Verbandszweck modifizierenden Willensbildung aller Gesellschafter    – grundsätzlich in der Gesellschaft. Nach dem gesetzlichen Leitbild der §§  120 ff. HGB hat der einzelne Gesellschafter nur ganz beschränkte vermögensrechtliche Entnahme- bzw. Gewinnbezugsrechte. Zwar sind diese Vorschriften dispositiv und unterliegen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, dies jedoch nur bei einer einvernehmlichen Regelung der Gesellschafter.1104 Sieht ein Gesellschaftsvertrag etwa die Befugnis einzelner Gesellschafter zur freien Kapitalentnahme vor, beruht dies auf dem gemeinschaftlichen Entschluss aller Gesellschafter. Soweit ein einzelner Gesellschafter dem Personenverband als Rechtssubjekt gegenübertritt, hat er hingegen keine kompensationslosen Zugriffsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen.1105 Ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei den §§  120 ff. HGB um Vorschriften des gesellschaftlichen Innenverhältnisses handelt, kommt diesen 1099 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.2. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa). 1101  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.2. 1102  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. 1103  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.b). 1104  Zum diesbezüglichen Minderheitenschutz, Priester, in: Personengesellschaft und Bilanzierung, S.  67 ff. 1105  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. 1100 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

daher in dem Fall, dass die Gesellschafter keine abweichenden Regelungen treffen, eine gläubigerschützende Funktion zu. Im gesetzlichen Ausgangsfall ist die personengesellschaftsrechtliche Vermögensbindung damit eine ganz erhebliche. Diese Kapitalbindung wird durch die personengesellschaftsrechtliche Sozietätskonstruktion abgesichert.1106 Dadurch, dass das personengesellschaftsrechtliche Fundament stets aus mindestens zwei Gesellschaftern bestehen muss, wird gewährleistet, dass sich das Gesellschaftsinteresse von dem Individual­ interesse der einzelnen Gesellschafter unterscheidet.1107 Ferner wird damit sichergestellt, dass die Vermögenstrennung zwischen dem Gesellschaftsvermögen und den Privatvermögen auch realstrukturell aufrechterhalten wird.1108 Im gesetzlichen Regelfall bedarf es zu Lebzeiten der Gesellschaft bezogen auf das Individualinteresse der Gesellschafter daher keiner gläubigerschützenden Vorschriften, weil das Gesellschaftsvermögen hinreichend vor dem Zugriff der Einzelgesellschafter bzw. deren Gläubiger abgeschirmt ist und damit in der Gesellschaft zweckgebunden bleibt. Anders ist die Interessenlage demgegenüber hinsichtlich gemeinschaftlicher Entscheidungen der Gesellschaftergesamtheit, entweder bei Errichtung des Verbandes    – das heißt im Gesellschaftsvertrag    – oder in ihrer Funktion als ­originäres Willensbildungsorgan.1109 In Ermangelung von Kapitalerhaltungs­ regelungen und weil die §§  120 ff. HGB als Regelungen des Innenverhältnisses dispositiv sind, können die Gesellschafter weitreichende Entnahmerechte im Gesellschaftsvertrag festlegen. Ebenso kann die Mitgliederversammlung einverständlich beschließen, dass die Kapitalanteile der Gesellschafter gemindert werden. Auf diese Weise kann bei übereinstimmendem Willen der Gesellschafter die mitgliedschaftsvermittelte Kapitalbindung aufgehoben werden. Die Kapitalbindung ist diesbezüglich    – anders als bei der strengen gegenseitigen Abschirmung des Gesellschafts- bzw. Privatvermögens in Kapitalgesellschaften    – lediglich eine weiche. Ein gewisses Maß an Gläubigerschutz kann insoweit lediglich durch das Erfordernis sozietätsmäßiger Verbindung erreicht werden, weil die Aufhebung der Kapitalbindung nie von dem Willen nur einer Person abhängig sein kann, sondern stets eine kollektive Willensbildung mindestens zweier Gesellschafter erforderlich macht. Fraglich ist, inwieweit durch eine Gesellschafterhaftung auf eine derart weiche Kapitalbindung zu reagieren ist. Stellt man den Gläubigerschutz in den ­Fokus der Schutzzweckbetrachtung des §  128 HGB, so ergibt sich, dass die Gläubiger kein schützenswertes Interesse bezogen auf die Aufbringung eines bestimmten Kapitalstocks haben. Sie sind lediglich insoweit schutzbedürftig, wie das zum Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses vorhandene 1106 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.c). 1108  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.b). 1109  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.I.1. 1107 

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Vermögen dem einmal unterworfenen Haftungszugriff wieder entzogen wird. Bezogen auf das Einzelinteresse der Gesellschafter wird mit der Anerkennung der vermögenstragenden Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaft ein ausreichender Kapitalschutz erreicht und durch die Sozietätskonstruktion abgesichert. Aus Gläubigerperspektive existiert lediglich bezogen auf die gemeinschaftliche Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit eine Gefahr, dass die haftungsunterworfene Vermögensverbindung der Gesellschaft dem Haftungszugriff entzogen wird. Lediglich insoweit ist das Haftungsvolumen als solches betroffen. Diesbezüglich ist eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter geeignet und erforderlich, das verbandsspezifische Risiko zu internalisieren. Im Übrigen wird die Abschirmung des Gesellschaftsvermögens gewährleistet, sodass eine Einstandspflicht der Gesellschafter auf diese mit einem Gläubigerrisiko behafteten Konstellationen zu beschränken sein könnte. Während eine strenge gegenseitige Abschirmung der betroffenen Vermögensverbindungen eine strenge Haftungstrennung ermöglicht, könnte eine immerhin weiche Abschirmung, wie sie durch die sozietätsmäßige Kapitalbindung im normativen Ausgangsfall erreicht wird, konsequenterweise schon durch eine bloß weiche Einstandspflicht kompensiert werden. Eine strenge, insbesondere eine unmittelbare, primäre Einstandspflicht für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten, ist hingegen nicht erforderlich, um das konkretisierte verbandsspezifische Risiko auszugleichen. Angesichts der Tatsache, dass argumentatives Bezugssubjekt nicht die juristische Person, sondern die natürliche Person ist, sollte anstatt von „Kapitalersatzfunktion“ allgemeiner von einer persönlichen „Sicherung des Haftungsvolumens“ gesprochen werden.1110 Dies bedeutet, dass die Gesellschafter mit der Konstituierung des Verbandes bezogen auf das mit Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit der Haftung unterworfene Gesellschaftsvermögen gemeinschaftlich in quantitativer Hinsicht eine Vollwertigkeitsgarantie für die einzelne Gesellschaftsverbindlichkeit übernehmen. Angesichts der Vermögens­ trennung ist es mit Blick auf dieses Haftungsvolumen lediglich angezeigt, dass die Gesellschafter den Differenzbetrag zwischen vorhandenem Gesellschaftsvermögen und den Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufbringen. In dieser Hinsicht ist der Regelungszweck des §  128 HGB dem des §  93 InsO vergleichbar. Mit der dogmatischen Weiterentwicklung des Verständnisses von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft scheint sich aus Gläubigerperspektive der Bereich zu reduzieren, den es durch die persönliche Gesellschafterhaftung gegenüber der Interessenlage bei Schuldverhältnissen mit einer natürlichen Person zu kompensieren gilt.

1110 Vgl.

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  18 IV 2 a, S.  541.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

c) Berücksichtigung der Gläubigerinteressen durch das personenhandelsgesellschaftsrechtliche Liquidationsrecht Flankiert wird der Umstand, dass die Gesellschafter die Gesellschaft über die Änderung des Verbandszwecks von innen als Rechtssubjekt aushöhlen können, dadurch, dass das Personengesellschaftsrecht nur wenige bindende Liquidationsvorschriften vorsieht. Dabei wird angenommen, dass das personengesellschaftsrechtliche Liquidationsregime    – anders als das Recht der Kapitalgesellschaften1111    – keinen gläubigerorientierten Liquidationsschutz vorsehe und dass deswegen eine persönliche Gesellschafterhaftung unerlässlich sei.1112 Abweichendes gelte lediglich angesichts des §  131 Abs.  2 HGB hinsichtlich solcher Personen­ handelsgesellschaften, an der keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist.1113 So könnten die Gesellschafter die Personengesellschaft gegebenenfalls durch den Abzug von Kapital zur Liquidation zwingen. Fraglich ist, inwieweit der Umstand, dass eine Gesellschaft liquidiert wird, auch zu einer Benachteiligung der Gläubiger führt. Genauso wie beim Kapitalschutz während des werbenden Zustandes einer Personenaußengesellschaft stellt sich die Frage, inwieweit es während der Liquidation eines Gläubigerschutzes bedarf. Ausgangspunkt der diesbezüglichen Beurteilung ist wieder der Vergleich mit einer schuldrechtlichen Beziehung zu einer natürlichen Person. Bei dieser kommt eine Abwicklung mit der Folge eines völligen Wegfalls als Rechtssubjekt nicht in Betracht. Soweit es bei der Liquidation demnach um den ersatzlosen Wegfall des Schuldners geht, besteht daher ein unabweisbares Bedürfnis nach Gläubigerschutz, wie es durch eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter aufgefangen werden könnte. Die Gläubiger haben ihrerseits nach Begründung eines Schuldverhältnisses mit einer Personenaußengesellschaft keinen Einfluss auf den Fortbestand der Gesellschaft, weil dieser der Gestaltungsautonomie der Gesellschaftergesamtheit unterliegt. Daher ist es angezeigt, die Gesellschafterhaftung erst dann enden zu lassen, wenn die Gläubiger eine Befriedigung ihrer Gesellschaftsforderungen erlangt haben. Fraglich ist aber, wann es bei der Liquidation einer Personenaußengesellschaft zum Wegfall des Verbandes als Schuldner kommt. Problematisch ist es, dass angesichts der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung sowie der hier vorgenommen rechtlichen Qualifikation deren Wirkungsweise    – als eine ständige Aktualisierung des Haftungs-Istzustandes1114    – 1111 

Grziwotz, DStR 1992, 1404 (1404 ff.); K. Schmidt, ZIP 1981, 1 (1 ff.). Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  16; K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (283 ff.); siehe aber Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  28 ff., 141 ff.; vgl. ­Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  54 ff. 1113 Vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  145 Rn.  12; zur analogen Anwendung der §§  272 AktG, 73 GmbHG, Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  17, §  145 Rn.  5. In Anbetracht der verbandsrechtlichen Regelungssystematik ist §  51 BGB, der ebenfalls ein Sperrjahr vorsieht, in die Bildung dieser Gesamtanalogie miteinzubeziehen. 1114  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 1112 

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eine Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB nur in Betracht kommt, so lange noch ein entsprechendes Verbandssubjekt besteht. Bei Beachtung des hier zugrunde gelegten Verständnisses von der Rechtsnatur der Personenaußenge­ sellschaft ist eine Gesellschafterhaftung ohne schuldrecht­ lich verpflichtetes Rechtssubjekt nicht denkbar. Dies hat zur Konsequenz, dass eine Personenaußengesellschaft so lange als rechtsfähig zu behandeln ist, wie noch Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen, die durch ein irgendwie gelagertes Gesellschaftsvermögen ausgeglichen werden können. Solange Gesellschaftsverbindlichkeiten existieren, gibt es angesichts der innenrechtlichen Ausgleichspflicht nach §  735 BGB regelmäßig ein damit korrespondierendes Gesellschaftsvermögen.1115 Of­ fene Verbindlichkeiten der Gesellschaft stehen daher einer Vollbeendigung ent­ gegen.1116 Eine vermeintlich vollabgewickelte Gesellschaft besteht daher gege­ benenfalls als personenidentischer Nachtragsliquida­tionsverband fort.1117 Eine verbandsrechtliche Einstandspflicht der Mitglieder ohne rechtsfähigen Verband ist schlicht nicht möglich. Die Auflösung einer Gesellschaft ist demnach nicht mit einem Austritt der Gesellschafter nach §  160 HGB vergleichbar; nach dieser Vorschrift wird eine gesellschaftsrechtliche Nachhaftung angeordnet, ohne dass es noch eine mitgliedschaftliche Verbindung zu der Gesellschaft gibt.1118 Anknüpfungspunkt der Verjährungsregelung des §  159 HGB kann dementsprechend auch stets nur die Eintragung der vermeintlichen „Auflösung“    – richtigerweise Vollbeendigung    – sein.1119 Auch für den Fall der Liquidation gilt mithin der Grundsatz, dass Gesellschaftsverbindlichkeiten, die das Gesellschaftsvermögen einem Haftungszugriff unterwerfen, die Gesellschaft so lange als Rechtssubjekt erhalten, bis keine Verbindlichkeiten mehr existieren. Erforderlichenfalls ist eine Begleichung der Verbindlichkeiten in parallel verlaufenden Insolvenzverfahren herbeizuführen. Anders als beim Wegfall des Sozietätsfundaments durch den Austritt des vorletzten Gesellschafters1120 kommt im Rahmen der Liquidation ein schlichter Austausch der Gesellschaft als Schuldnerin durch die Gesellschafter damit nicht in Betracht. Es bleibt bei dem Grundsatz „ein Rechtssubjekt    – ein Vermögen“. 1115 

Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  9, §  149 Rn.  24 f., §  155 Rn.  9. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  9; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  52, 56; siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc); a. A. Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  145 Rn.  1 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701 ff. 1117  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  56 f.; §  157 Rn.  13, 33 ff.; ders., in: Schlegelberger, HGB, §  157 Rn.  12. 1118  K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (107 ff.); Wiesner, in: FS Hellwig, S.  423 ff.; eine Nachwirkung der Mitgliedschaft annehmend, Wiedemann, WM 1992, 3 (37). 1119 Vgl. K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (116 ff.); siehe zur eigenständigen Verjährung der Gesellschafterverbindlichkeit unten Kap.  1 §  3 B.II.1.d)cc); vgl. zwischenzeitlich weiterhin §  735 BGB-E des MoPeG (Mauracher Entwurf), S.  131; abweichend hingegen §  739 BGB-E RegE MoPeG, S.  29, 220 f. 1120  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a). 1116 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

aa) Rechtsstellung der Gläubiger während des Liquidationsstadiums Diese Annahme führt zu der Frage, welche Rechtsstellung die Gesellschaftsgläubiger bis zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten während des Liquida­ tionsstadiums gegenüber der Gesellschaft einnehmen. Dies hängt von der rechtlichen Qualifikation der Personenaußengesellschaft im Liquidationsstadium ab. Anhand dieses Zusammenspiels ist letztlich zu beurteilen, inwieweit eine Gesellschafterhaftung rechtlich erforderlich ist. Die Auflösung einer Personenaußengesellschaft ist nicht abschließend in den §§  131 ff. HGB sowie §§  723 ff. BGB geregelt.1121 Sie ist letztlich in irgendeiner Art auf ein privatautonomes, selbstbestimmtes Verhalten der Gesellschaftergesamtheit zurückzuführen. Die Auflösung hat zur Folge, dass der ursprüngliche den Verband als solchen konstituierende Verbandszweck fortan durch den auf die Vollabwicklung des Verbandes gerichteten Liquidationszweck überlagert wird und insbesondere die Pflichten der Leitungsorgane bestimmt.1122 Während die Gesellschafter einer oHG im Innenverhältnis nun einer den §§  145 ff. HGB unterfallenden, weitgehend dispositiven, Liquidationspflicht unterliegen,1123 hat die Entscheidung der Gesellschafter    – den Verband einer Vollbeendigung zuzuführen    – demgegenüber keinerlei Auswirkungen auf das Außenverhältnis.1124 Als Rechtssubjekt ist der Liquidationsverband personenidentisch mit der ursprünglichen werbenden Personenaußengesellschaft.1125 Dies bedeutet, dass alle Regelungen über das Außenverhältnis der Personenaußengesellschaft    – für die oHG maßgeblich die §§  105 ff. HGB    – weiterhin Geltung entfalten.1126 Angesichts einer dem deutschen Recht fremden Ultra-vires-Doktrin erfährt insbesondere die Vertretungsbefugnis der Liquidatoren keinerlei Einschränkungen im Außenverhältnis durch den Liquidationszweck (vgl. §§  149 Satz  2, 151 HGB).1127 Ferner kann 1121 Vgl.

K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (278 ff.). Anissimov, in: Heidel/Schall, HGB, §  145 Rn.  7; K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (283 ff.); ders., in: MüKoHGB, §  145 Rn.  28, §  156 Rn.  11; a. A. eine Ersetzung annehmend, Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  16 ff.; vgl. Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1706 f. 1123  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  16 ff.; K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (285 f.). 1124  Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §   145 Rn.  14; Lehmann-Richter, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  145 Rn.  9; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  145 Rn.  24, 26; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, I Rn.  1705 f.; a. A. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  14, 21. 1125  Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  145 Rn.  4; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  13; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  32 I, S.  481; K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (291). 1126  K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (112  ff.); vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  156 Rn.  3 ff. 1127  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  149 Rn.  45 ff.; K. Schmidt, AcP 174 (1974), 55 (67 ff.); ders., AcP 184 (1984), 529 (530 ff.); a. A. BGH, Uv. 1.12.1983    – III ZR 149/82, juris-­ Rn.  46 ff.; Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  149 Rn.  20; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  32 IV 5, S.  495 ff.; Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  149 Rn.  19 f. 1122 

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die Liquidationsgesellschaft    – soweit die die Auflösung herbeiführenden Tatsachen beseitigt werden    – grundsätzlich jederzeit durch gemeinschaftliche Entscheidung der Gesellschafter wieder reaktiviert und in den werbenden Zustand zurückversetzt werden.1128 Dadurch, dass die Auflösung einer Gesellschaft in Anbetracht der bloß innenrechtlichen Wirkungen keine Auswirkungen auf deren Identität als vermögenstragendes Rechtssubjekt hat und eine Vollbeendigung erst mit Tilgung der Gesellschaftsverbindlichkeiten in Betracht kommt,1129 ist im Ausgangspunkt kein Raum für spezifisch liquidationsrechtliche Gläubigerinteressen. Dementsprechend ist es aus Gläubigerperspektive grundsätzlich auch unbeachtlich, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Gesellschafter die Gesellschaft durch den Abzug von Kapital in eine Liquidation zwingen können. Selbst wenn die Gesellschafter gemeinschaftlich eine Ausschüttung an sich beschließen, bleibt der Verband als Schuldner erhalten. Auch wenn einzelne Gesellschafter austreten und noch mindestens zwei verbleibende Gesellschafter ein sozietätsmäßiges Fundament bilden können, hat dies keine Auswirkungen auf den Verband als Rechtssubjekt, weil die Gesellschaftsanteile den übrigen Gesellschaftern anwachsen. Mit Blick auf das Sozietätserfordernis ist es lediglich problematisch, wie sich der Austritt des vorletzten Gesellschafters aus dem Verband auswirkt. So führt der Austritt des vorletzten Gesellschafters dazu, dass der Verband unverzüglich und liquidationslos wegfällt und der verbleibende Gesellschafter im Wege der Konfusion dessen unmittelbarer Rechtsnachfolger wird.1130 Insoweit kommt es zur Aufhebung der Vermögenstrennung, weil es mit dem letzten verbleibenden Gesellschafter nur noch ein Rechtssubjekt gibt, von dem der Verband mangels sozietätsmäßiger Verbindung nicht mehr verselbstständigt sein kann. Dies ist aus Sicht der Gläubiger indes unproblematisch, weil mit der Gesamtrechtsnachfolge ein tauglicher Schuldner verbleibt. Diese Situation unterliegt daher keiner anderen Bewertung, als wenn sich ein Schuldner in eine andere Rechtsform personenidentisch umwandelt oder eine natürliche Person verstirbt und der Erbe in die Rechtsposition eintritt. Eine abweichende Bewertung der betroffenen Interessen zwischen dem Liquidations­ stadium und dem Zustand werbender Tätigkeit könnte indes geboten sein, 1128  Siehe aber zu den Einschränkungen durch das Insolvenzverfahren oben Kap.  1 §  2 A. II.3.a)aa); U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  425. 1129  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  52, 56; siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc); a. A. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  9, Rn.  12 (Aktivvermögen unter Einbeziehung der Ansprüche aus §  735 BGB); wiederum abweichend, Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  145 Rn.  1; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701 ff. 1130  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a); abweichend eine Umwandlung annehmend, Henssler, PartGG, §  1 Rn.  42; vgl. v. Bary, AcP 220 (2020), 343 (354 ff.); vgl. §  712a BGB-E RegE MoPeG, der die Gesamtrechtsnachfolge    – auch für die oHG    – ausdrücklich als Ausübungsrecht vorsieht, S.  16 f., 119, 167 f., zur Ablehnung der diesbezüglich vorgeschalteten Anwachsung sowie zur Funktion als Umwandlungsinstrument, S.  168.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

wenn die innenrechtlichen Liquidationsvorschriften bzw. die Entscheidung der Gesellschafter, den Verband einer Vollbeendigung zuzuführen, in irgendeiner Form auf das Außenverhältnis durchschlagen würden. bb) Aufrechterhaltung der verbandsrechtlichen Vermögenstrennung während des Liquidationsverfahrens An die Auflösung schließt sich gemäß §  145 HGB, §  730 BGB unmittelbar das grundsätzlich lediglich innenrechtlich relevante Liquidationsstadium an. Gemäß §  145 Abs.  1 a. E. HGB ist das Insolvenzverfahren als besonderes gläubigerschützendes Liquidationsverfahren vorrangig.1131 Insoweit erfolgt eine Verfahrenseröffnung mit Eröffnungsbeschluss, vgl. §  27 InsO, §§  728 BGB, 131, 145 HGB, es sei denn die Eröffnung wird mangels Masse abgewiesen, vgl. §  26 I­ nsO.1132 Liquidation bedeutet das „Entleeren“ des Verbandes von allen Rechten und Pflichten in einem geordneten Verfahren.1133 Aus dem Auftritt als Rechtssubjekt im Rechtsverkehr folgt, dass die bloße Auflösung noch nicht den Wegfall als Rechtssubjekt bewirkt, weil es angesichts des Gesellschaftsvermögens und der darauf bezogenen Verbindlichkeiten und Forderungen regelmäßig einen noch zu bewältigenden Abwicklungsbedarf gibt.1134 Diesen gibt es sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis. Während es im Innenverhältnis fortan um den Ausgleich der Kapitalkonten und damit letztendlich um die Aufhebung der Vermögensbindung geht, erfährt die Gesellschaft gegenüber Dritten keine Änderung. Die Wirkungsweise der persönlichen Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB bleibt insoweit die gleiche. Der Regelungszweck des §  128 HGB zielt maßgeblich auf den Erhalt des Haftungsvolumens zum Zeitpunkt der Begründung eines Schuldverhältnisses ab.1135 In diesem Zusammenhang ist fraglich, inwieweit trotz des am Ende stehenden vollständigen Wegfalls des Verbandes als Rechtssubjekt die auf diesen bezogene Vermögenstrennung aufrechterhalten bleiben und damit eine gläubigerschützende Kapitalbindung erzeugt werden kann. Jedenfalls ist ungeachtet der Auflösung weiter zu bilanzieren.1136 So steht der schuld- und verbandsrechtliche Grundsatz der Vermögenstrennung augenscheinlich in Konflikt zu dem auf eine Vollabwicklung gerichteten Liquida­ tionszweck. Dies wird noch problematischer, wenn man das Liquidationsverfahren in das Belieben der Gesellschafter stellt („die Gesellschafter als Herren des Liquidationsverfahrens“).1137 So ist §  155 Abs.  1, Abs.  2 Satz  2 HGB zwar ein 1131 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 D. 1133 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  6 . 1134 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  6 , 14, siehe aber Rn.  12; a. A. auf die Verteilung des Aktivvermögens abstellend, Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/ Haas, HGB, §  145 Rn.  2. 1135  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.a). 1136  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  21, §  154 Rn.  15 f. 1137  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  145 Rn.  11. 1132 

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Rangverhältnis zu entnehmen, wonach eine Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter erst erfolgen soll, wenn die Gesellschaftsschulden beglichen sind bzw., dass der Betrag für die Deckung streitiger Verbindlichkeiten zurückzubehalten ist. Allerdings wird dieser Regelung nunmehr ganz allgemein keine gläubigerschützende Funktion dergestalt zugemessen, dass die Regelung als Schutzgesetz im Rahmen eines unmittelbaren Anspruchs übergangener Gläubiger gemäß §  823 Abs.  2 BGB zu qualifizieren wäre.1138 Gleichwohl kann die Regelung des §  155 HGB weiterhin als gläubigerschützend qualifiziert werden. Zwar ist sie nicht subjektiv-rechtlicher Art, weil der Gläubigerschutz lediglich reflex­ artig wirkt,1139 allerdings ist sie Ausdruck der Vermögenstrennung bis zum Zeitpunkt der effektiven Vollbeendigung des Verbandes. Aus §  155 HGB ergibt sich, dass die Auseinandersetzung auf der Grundlage einer Schlussrechnung zu erfolgen hat und die vermögensmäßige Partizipation der Gesellschafter bis zum Erlöschen der Personenaußengesellschaft vermittelt durch die Kapitalanteile erfolgt.1140 Mit Blick auf die Rechtsubjektivität ist diese Konsequenz eine notwendige. Auszahlungen der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter erfolgen nur soweit mit Rechtsgrund, wie keine Gesellschaftsverbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern bestehen.1141 Ein Anspruch der Gesellschafter besteht nur, wenn ihre Liquidations-Kapitalanteile nach Berichtigung aller Schulden positiv sind.1142 Bezogen auf das Schlussabrechnungserfordernis verhängt die ganz überwiegende Auffassung über die Sozialforderungen der Gesellschafter innenrechtlich eine sog. Durchsetzungssperre.1143 Die Sozialverbindlichkeiten der Gesellschaft    – das heißt die Sozialansprüche der Gesellschafter    – verlieren demnach 1138  Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §   155 Rn.  2a; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  16, 4; Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  149 Rn.  17; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  6 III 3 d) aa), S.  576; so nun auch K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  1, 15, 50; anders noch ders., in: Schlegelberger, HGB, §  155 Rn.  15; ders., ZHR 153 (1989), 270 (284); Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  103 ff. 1139  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  1. 1140  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  5 ff., 9, 34. 1141  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  27 f.; vgl. Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  155 Rn.  4. 1142  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  11; siehe zur Ermittlung der Kapitalsalden unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c)ee). 1143  BGH, Uv. 2.7.1962    – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299–305 = juris-Rn.  13; BGH, 6.2.1984    – II ZR 88/83, juris-Rn.  3; BGH, Uv. 4.6.1984    – II ZR 230/83, juris-Rn.  8; BGH, Uv. 9.3.1992    – II ZR 195/90, juris-Rn.  7; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  15; Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  119 ff., 145 ff.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  149 Rn.  21; Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  149 Rn.  17, §  145 Rn.  11; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  730 Rn.  49 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  19; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1754; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  6 III 3 d) aa), S.  575 f.; eingehend, Stüber, Durchsetzungssperre bei Liquidation von Per­ sonengesellschaften, S.  84 ff., 121 ff.; vgl. BGH, Uv. 27.10.2020    – II ZR 150/19, juris-Rn.  37; Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  313 ff.; kritisch, Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  105 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

mit Auflösung der Gesellschaft ihre Selbstständigkeit und werden zur bloßen Rechnungsziffer.1144 Diese Liquidationsbefangenheit ist auf zwei Erwägungen zurückzuführen. Hintergrund ist einerseits der Umstand, dass Hin- und Herzahlungen vermieden werden sollen und nur der sich ergebende Saldo zu tilgen ist.1145 Dies dient der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Abrechnung, sodass sich die Durchsetzungssperre hiernach an die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht anknüpfen lässt.1146 Andererseits kann auf diese Weise die dispositive Rangfolge der §§  733 Abs.  1 BGB, 155 Abs.  1 HGB einer vorrangigen Befriedigung der Drittgläubiger    – einschließlich der Gesellschafter-Drittverbindlichkeiten    – vor der Verteilung des Liquidationsgewinns gewährleistet sowie ein Gleichrang unter den Gesellschaftern selbst erreicht werden.1147 In dieser Hinsicht ergibt sich die Durchsetzungssperre aus Sinn und Zweck des Liquidationsverfahrens als einem geordneten Verfahren, welches auf die Entleerung des Verbandes von allen Rechten und Pflichten gerichtet ist.1148 Das gesamte Gesellschaftsvermögen dient dabei als „Liquidationsmasse“.1149 Die Gesamtabrechnung liegt nach dem Zweck der Abwicklung in der Hand der Gesellschaft, die unter Ausarbeitung eines Abwicklungsplans in der „Schlussbilanz“1150 Ausschüttungsansprüche und Nachschusspflichten in den Liquidations-Kapital­ anteilen abbilden soll.1151 Die effektiven Nachschussansprüche lassen sich aber erst im Rahmen der Schlussabrechnung ermitteln.1152 Unter Akzentuierung der Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft erfolgt die Vollabwicklung bei bestehender Nachschusspflicht nach §  735 BGB in Form einer Sicherung des „Haftungsfonds“1153    – das heißt bei konsequenter Aufrechterhaltung der Vermögenstrennung    – durch die Begleichung offener Gesellschaftsverbindlichkeiten durch die Gesellschaft. Beide Legitimationserwägungen zur Durchsetzungs­ 1144  BGH, Uv. 2.7.1962    – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299–305 = juris-Rn.  15; Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  155 Rn.  9; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  6 III 3 d) aa), S.  575 f.; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  32 V 4, S.  509 f. 1145 Vgl. Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.   139; Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  111 ff. 1146 Vgl. Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  128; Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  145 Rn.  11; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  19; Stüber, Durchsetzungssperre bei Liquidation von Personengesellschaften, S.  125 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  6 III 3 d) aa), S.  576; vgl. allgemein zum Treuegedanken, A. Hueck, in: FS Hübner, S.  73 ff. 1147  Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2 , §  6 III 3 d aa, S.  576 f.; vgl. Haas, in: Röhricht/ Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  155 Rn.  10. 1148  K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (293 f.); ders., in: MüKoHGB, §  155 Rn.  19. 1149 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  9 f. 1150 Vgl. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  114 ff. 1151  K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (293); vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  9. 1152  Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  115; siehe aber BGH, Uv. 27.10.­ 2020    – II ZR 150/19, juris-Rn.  37. 1153  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  111 ff., vgl. S.  137 ff.

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sperre können sich indes nur auf das Innenverhältnis zur Gesellschaft sowie der Gesellschafter untereinander beziehen, weil der Liquidationsverband im Außenverhältnis durch den Eintritt in das Liquidationsstadium keine rechtliche Veränderung erfährt. Erst mit Abschluss der Liquidation bedarf es mit den Gesellschaftern eines neuen Rechtsträgers, dem überschüssiges Vermögen als Rechtsnachfolger des Verbandes zugewiesen werden muss.1154 Eine Liquidations­ befangenheit ist auf den regelmäßigen Willen der Gesellschaftergesamtheit zurückzuführen, untereinander eine gleichmäßige Auseinandersetzung zu gewährleisten. Die Vereinfachung der Liquidationsabrechnung mittels einer Durchsetzungssperre ist insbesondere mit Blick auf die innenrechtliche Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB dienlich,1155 weil die Gesellschaft auch bezüglich dieser auf Kontokorrentbasis agieren kann.1156 Mittelbar dient die Durchsetzungssperre aber auch den Gesellschaftsgläubigern, weil die Gesellschaft schneller Gesellschafterzahlungen eintreiben können wird, wenn die Gesellschafter weniger befürchten müssen, einen Nachteil gegenüber den anderen Gesellschaftern zu erleiden, weil Mitgesellschafter anstatt redlicherweise einzuzahlen, bereits Sozialforderungen gegen die Gesellschaft geltend machen und notwendiges Kapital dadurch abziehen. Anders als die Gesellschafter kann die Gesellschaft ihre Sozialansprüche weiterhin geltend machen, soweit dies für die Tilgung von Drittverbindlich­ keiten erforderlich ist,1157 weil sich anderenfalls die Liquidationsgebundenheit auch auf das Außenverhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern erstrecken würde. Ebenso wie die Sozialansprüche der Gesellschaft unterliegen die Drittverbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern keiner Liquidationsgebundenheit.1158 Auch dies ist Ausdruck dessen, dass das Liquidationsrecht bloß Auswirkungen auf das Innenverhältnis hat, nicht aber auf das Außenverhältnis. §  149 HGB geht dabei von einer Vollbefriedigung aller Gesellschaftsgläubiger aus.1159 Dementsprechend gibt es aus Gläubigersicht auch keinen Anlass, von dem Prioritätsgrundsatz    – wie er zur Zeit der werbenden Tätigkeit des Verbandes nach herrschender Auffassung gilt    – abzuweichen.1160 Eine Rechtspflicht zur Gläubigergleichbehandlung gibt es grundsätzlich nicht.1161 In Anbe1154 Vgl.

G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  3 A.III. Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc). 1156 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  13. 1157  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  188 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  6 III 3 d) aa), S.  576 f. 1158  BGH, Uv. 3.4.2006    – II ZR 40/05, juris-Rn.  18 ff. 1159  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  41. 1160  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  42. 1161  Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §   149 Rn.  16; Habersack, in: Ha­ bersack/Schäfer, HGB, §   149 Rn.   39; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §   149 Rn.   20; ­K amana­brou, in: Oetker, HGB, §  149 Rn.  13; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §  149 Rn.  3; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  42; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1742; siehe dazu aber unten Kap.  2 §  4 C.III.2. 1155 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

tracht der Tatsache, dass es bei der Personenaußengesellschaft    – vorbehaltlich der §§  15a, 15b InsO (vgl. §§  130a, 177a HGB a. F.)    – keine Insolvenzantragspflicht gibt, könnte dies im zeitlichen Überschneidungsbereich zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens problematisch werden insbesondere, wenn eine Eröffnung mangels Masse gemäß §  26 InsO abgelehnt wird.1162 §  155 Abs.  2 HGB geht davon aus, dass die Liquidatoren zwar eine vorläufige Verteilung des liquiden Gesellschaftsvermögens vornehmen können, diese hat jedoch streng anhand der Kapitalanteile zu erfolgen und ist entsprechend zu buchen. Gemäß §  155 Abs.  2 Satz  3 HGB findet §  122 Abs.  1 HGB während der Liquidation keine Anwendung.1163 Daraus ergibt sich, dass die Regelung über die Vorausverteilung an die Stelle des entsprechenden Entnahmerechts tritt. Weichen die Gesellschafter von diesem gesetzlichen Leitbild ab, so können sie dies nur durch eine gemeinschaftliche Regelung vereinbaren. Insoweit realisiert sich aber das gleiche Risiko, wie zu Lebzeiten des Verbandes.1164 Ein gesteigertes Gläubigerrisiko während des Liquidationsverfahrens ist damit nicht verbunden. cc) Zwingendes Gesellschaftsvermögen bei noch nicht getilgten Verbindlichkeiten steht Vollabwicklung des Verbandes entgegen Reicht das Aktivvermögen der Gesellschaft zur Begleichung der Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht aus oder führt die Vorausverteilung dazu, dass nicht alle Gesellschaftsverbindlichkeiten aus liquidem Gesellschaftsvermögen getilgt werden können, erhält die Gesellschaft einen Anspruch gemäß §  735 BGB auf Nachschuss des Fehlbetrages gegen die Gesellschafter; gemäß §  105 Abs.  3 HGB gilt dies nach umstrittener Auffassung insgesamt auch für die Personenhandelsgesellschaften.1165 Allerdings war es lange Zeit herrschende Meinung, dass die Liquidatoren lediglich das liquide Reinvermögen als Aktivvermögen der Gesellschaft zu verteilen hätten.1166 Ein Nachschussanspruch gemäß §  735 BGB 1162 

Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.5. dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.c)ee); vgl. zur Entbehrlichkeit des Verweises auf §  122 HGB-E in §  148 Abs.  7 HGB-E RegE MoPeG in Anbetracht der Novellierung der Bestimmungen über die Ergebnisverwendung in §§  121, 122 HGB-E, §  709 Abs.  3 BGB-E, RegE MoPeG, S.  296 f. 1164  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.a). 1165  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   145 Rn.  9; C. Schäfer, in: Habersack/­ Schäfer, HGB, §  105 Rn.  67; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  21; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701a; unklar, Hillmann, in: E/B/ J/S, HGB, §  155 Rn.  13; Lehmann-Richter, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  149 Rn.  8; a. A. Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  84 Rn.  46 ff., 56. 1166  RG, Uv. 30.10.1897    – I 219/97, RGZ 40, 29–33 (30 f.); BGH, Uv. 11.4.1957    – VII ZR 280/56, BGHZ 24, 91–96 = juris-Rn.  24; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  145 Rn.  8; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  31 II 3, S.  471; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §  145 Rn.  2, §  155 Rn.  4, §  157 Rn.  1; Sonnenschein/Weitemeyer, in: Heymann, HGB, §  145 Rn.  3; a. A. BGH, Uv. 30.1.2018    – II ZR 108/16, juris-Rn.  68 ff. (jedenfalls zur Publikumsgesellschaft); OLG Zweibrücken, Bv. 24.9.2001    – 3 W 201/01, juris-Rn.  10; insbesondere, Haber1163 Siehe

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stehe nicht der Gesellschaft selbst zu.1167 Noch offene Gesellschaftsverbindlichkeiten stünden einer Vollabwicklung des Verbandes nicht entgegen.1168 Für diese Auffassung spricht die Gesetzesbegründung. Nach dieser ist es „von rückständigen Einlagen abgesehen, […] nicht Sache der Liquidatoren, den Passivsaldo eines Gesellschafters zur Ausgleichung der wechselseitigen Ansprüche der Gesellschafter oder zur Tilgung von Gesellschaftsschulden einzuziehen.“1169

Auch bei maßgeblicher subjektiv-teleologischer Gesetzesauslegung folgt aus dieser ausdrücklichen gesetzgeberischen Erwägung keine Restriktion für eine abweichende Auslegung, die die Ansprüche aus §  735 BGB als festen Bestandteil des Gesellschaftsvermögens qualifiziert. So legt die Gesetzesbegründung ein Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft zugrunde, welches noch von einer Verpflichtung der Gesellschafter mit einem Sondervermögen ausgeht. Erkennt man demgegenüber die Rechtsfähigkeit der vermögens­ tragenden Personenaußengesellschaft an, ist auch die Vermögenszuordnung in der Liquidation neu zu bewerten. Der Ausschluss einer Geltendmachung der Ansprüche aus §  735 BGB durch die Liquidatoren könne nach der Gesetzes­ begründung „als allgemein anerkannt gelten [, sodass] es keiner besonderen Vorschriften darüber im Gesetze [bedarf].“1170 „Es handelt sich dabei nicht um Ansprüche der Gesellschaft als solcher; die entgegengesetzte Auffassung würde zu dem Ergebnisse führen, da[ss] die fraglichen Ansprüche auch im Konkurse der offenen Handelsgesellschaft vom Konkursverwalter geltend zu machen wären.“1171

Die Aussage der Gesetzesbegründung ist daher maßgeblich auf die Grund­ annahme gestützt, dass es sich bei §  735 BGB nicht um Ansprüche der Gesellschaft handle. Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit ist die vermögenstragende Personenaußengesellschaft selbst Rechtssubjekt des Liquidationsverfahrens,1172 wodurch die Annahme, auf die die Nichtgeltung des §  735 BGB gestützt wurde, falsifiziert ist. Dementsprechend kann die darauf gestützte Aussage sack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  34, §  145 Rn.  9; siehe aber §  155 Rn.  15 für den Fall des gesellschaftsvertraglichen Ausschlusses von §  735 BGB; ebenso Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701, I-1701b; weitergehend K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  145 Rn.  17, §  157 Rn.  10; vgl. Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  75. 1167  v. Gamm, in: RGRK-BGB, §  735 Rn.  2 ; A. Hueck, Das Recht der oHG, §  32 V 2, 4, S.  507, 509, siehe aber §  23 I, S.  340; vgl. OLG München, Uv. 2.7.2009    – 23 U 4240/08, juris-­ Rn.  30 ff. 1168  BGH, Uv. 14.4.1966    – II ZR 34/64, juris-Rn.  9; BGH, Bv. 11.5.2009    – II ZR 210/08, juris-Rn.  4; m. w. N.; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  157 Rn.  1. 1169  Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  278. 1170  Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  278. 1171  Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  278. 1172  K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270 (283 f.); a. A. Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  55 f.

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hinsichtlich des §  735 BGB keine Geltung mehr beanspruchen. Vielmehr muss umgekehrt gefragt werden, welche Konsequenz es für die Ansprüche aus §  735 BGB hat, wenn es sich bei diesen um solche der Gesellschaft handelt. Auch bei Zuerkennung des Anspruchs aus §  735 BGB an die Gesellschaft wird teilweise vertreten, dass Nachschüsse lediglich für die Begleichung von Drittverbindlichkeiten der Gesellschaft von den Liquidatoren einzuziehen seien, weil die weitere Auseinandersetzung den Gesellschaftern untereinander überlassen sei.1173 Lediglich eine Übertragung an die Liquidatoren komme in Betracht.1174 Jedenfalls, soweit es um die Rückerstattung von Einlagen gehe, finde §  735 Satz  1, 2. Alt. BGB keine Anwendung auf die Personenhandelsgesellschaften, weil bei dieser Einlagen nicht zurückerstattet würden, sondern Kapitalkonten auszugleichen seien.1175 Erkennt man die Ansprüche aus §  735 BGB richtigerweise der Gesellschaft zu,1176 ist es konsequent, deren Geltendmachung gegen die Gesellschafter vollständig den Verbandsorganen, das heißt nach §  146 HGB den Liquidatoren, zuzuweisen bzw. im Wege einer actio pro socio anderen Gesellschaftern.1177 Die Liquidatoren haben die Pflicht, sämtliche Forderungen gegen die Gesellschafter einzuziehen, einschließlich solcher aus (§  105 Abs.  3 HGB i. V. m.) §  735 BGB.1178 Möchten die Gesellschafter den Ausgleich demgegenüber untereinander durchführen, können sie dies in ihrer Gesamtheit als originäres Willensbildungsorgan des Verbandes beschließen, ohne dass es einer vorherigen Abberufung der Liquidatoren bedarf.1179 Nachschüsse können sowohl zum 1173  BGH, Uv. 14.11.1977    – II ZR 183/75, juris-Rn.  10; BGH, Uv. 5.11.1979    – II ZR 145/78, juris-Rn.  20; BGH, Uv. 21.11.1983    – II ZR 19/83, juris-Rn.  38 BGH, Bv. 11.5.2009    – II ZR 210/08, juris-Rn.  4; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  149 Rn.  11; Kindler, in: Koller/Kindler/ Roth/Morck, HGB, §  149 Rn.  2; unklar nun ders., in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §  149 Rn.  4; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  149 Rn.  3; unklar, Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  189; vgl. Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  84 Rn.  55 f. 1174  Vgl. BGH, Uv. 14.11.1977    – II ZR 183/75, juris-Rn.  13; Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  84 Rn.  55 f. 1175  Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  84 Rn.  46 ff., 56. 1176  BGH, Uv. 30.1.2018    – II ZR 108/16, juris-Rn.  61 ff., 68 ff. (jedenfalls für Publikums­ gesellschaften); BGH, Uv. 27.10.2020    – II ZR 150/19, juris-Rn.  11 ff., 19, 22 ff. (für alle Personenaußengesellschaften); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  10; Kilian, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, BGB §  735 Rn.  3; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  735 Rn.  5; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 1753a f. 1177  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   149 Rn.  24 f., 32 f.; Kilian, in: Henssler/ Strohn, GesR, HGB, BGB §  735 Rn.  3, unklar in §  730 Rn.  10; Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  149 Rn.  12; Lehmann-Richter, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  149 Rn.  6 , 9; C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  735 Rn.  5 f.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  21 f., 27, 30, §  146 Rn.  55 ff.; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  735 Rn.  5; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1753a; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  6 III 3 d) bb), S.  578; vgl. BGH, Uv. 15.11.2011    – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293–310 = juris-Rn.  34. 1178 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  149 Rn.  24 f.; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  63 ff., 67. 1179  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  2 2, 30; ders., ZHR 153 (1989), 270 (296); ders., in:

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Ausgleich von Gesellschaftsverbindlichkeiten als auch zum Ausgleich der Kapitalkonten geltend gemacht werden.1180 Eine Differenzierung danach, dass Ansprüche gemäß §  735 BGB nur zur Begleichung von Drittverbindlichkeiten geltend zu machen seien, während der Ausgleich der Kapitalkonten zwischen den Gesellschaftern untereinander vorzunehmen sei, verkennt, dass die Ansprüche aus §  735 BGB ausschließlich der Gesellschaft zustehen.1181 Dementsprechend wird zunehmend angenommen, dass offene Gesellschaftsverbindlichkeiten einer Vollabwicklung regelmäßig entgegenstünden, weil damit    – soweit §  735 BGB nicht abbedungen ist    – jedenfalls offene Sozialansprüche der Gesellschaft verbunden seien.1182 Diese Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter sind von den Beitragspflichten nach §  705 BGB zu unterscheiden,1183 aber gleichsam Teil des Gesellschaftsvermögens und führen dazu, dass, solange Ansprüche nach §  735 BGB offen sind, noch verteilungsfähiges Vermögen existiert. Folge ist, dass noch ein Abwicklungsbedarf besteht, der einer Vollbeendigung entgegensteht und damit vorbehaltlich abweichender Vereinbarung auch einer Auseinandersetzung bloß unter den Gesellschaftern. Dementsprechend ist es bei Anerkennung der Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaft bei Geltung des §  735 BGB ausgeschlossen, dass die Gesellschaft zwar Schulden, aber kein verteilungsfähiges Vermögen mehr hat. Existieren noch offene Gesellschaftsverbindlichkeiten oder ist der Saldo der Liquidations-Kapitalkonten negativ, sind zumindest einzelne Gesellschafter, deren Kapitalkonten negativ sind, gemäß §  735 BGB zu Nachschüssen an die Gesellschaft verpflichtet. Sie hat nach dem gesetzlichen Regelfall damit notwendig ein Verbandsvermögen, welches einer Vollabwicklung entgegensteht. Ein eigenständiges Vermögen ohne ein dieses tragendes Rechtssubjekt ist nicht denkbar.1184 Schlegelberger, HGB, §  149 Rn.  30; a. A. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  149 Rn.  25. 1180  BGH, Uv. 30.1.2018    – II ZR 108/16, juris-Rn.  67 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1753a. 1181 Vgl. Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 1753a. 1182  Eine Vollbeendigung bei Gesellschaftsverbindlichkeiten ablehnend, SG Stralsund, Uv. 29.11.2013    – S 3 KR 68/10, juris-Rn.  26 ff., 28; Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  149 Rn.  10, Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  157 Rn.  6 , §  155 Rn.  34; Salger, in: Reichert, GmbH & Co. KG, §  47 Rn.  5; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  157 Rn.  10, §  155 Rn.  53; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1753a; zur Publikumspersonengesellschaft, BGH, Uv. 15.11.2011    – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293– 310 = juris-Rn.  34; vgl. OLG Düsseldorf, Bv. 27.3.2014    – I-3 Wx 48/14, juris-Rn.  13; OLG Zweibrücken, Bv. 24.9.2001    – 3 W 201/01, juris-Rn.  9 f.; BFH, Uv. 21.5.1971    – V R 117/67, BFHE 102, 174 = BStBl II 1971, 540 = juris-Rn.  37; BFH, Uv. 24.3.1987    – X R 28/80, BFHE 150, 293 = BStBl II 1988, 316 = juris-Rn.  11 ff., 16. 1183  Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, §   735 Rn.  2; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  735 Rn.  1. 1184  Auch im Rahmen von Stiftungen ist das Stiftungsvermögen daher nicht rechtlich verselbständigt, sondern muss stets einem vermögenstragenden Rechtsträger zugewiesen werden

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Soweit angenommen wird, dass die Gesellschaft befugt sei, Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB gegen die Gesellschafter geltend zu machen, wird allerdings davon ausgegangen, dass die Gesellschafter §  735 BGB vollständig abbedingen könnten.1185 Dies habe zur Folge, dass der Ausgleich der Gesellschaftsverbindlichkeiten den Gesellschaftern obläge, die Gesellschaft vermögenslos werde und erlösche.1186 Nach dem gesetzlichen Leitbild solle die Liquidation über das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich die Gesellschafter vor einer persönlichen Inanspruchnahme bewahren.1187 So gehe der Gesellschafterwille bei der Konstituierung als Verband im Ausgangspunkt dahin, dass Ansprüche nach §  735 BGB über das Gesellschaftsvermögen abgewickelt werden,1188 es sei ihnen aber unbenommen, den Innenausgleich im Verhältnis untereinander zu betreiben.1189 Dies ist unproblematisch, soweit es um den Ausgleich der Kapitalkonten der Gesellschafter untereinander im Sinne von §  735 Satz  1 Var.  2 BGB geht. Insoweit sind Gläubigerinteressen an einem Bestand des Verbandes nicht betroffen, sodass eine privatautonome Beschränkung vorgenommen werden kann. Fraglich ist indes, wie damit umzugehen ist, wenn die Nachschusspflicht der Gesellschafter bezogen auf nicht von dem Gesellschaftsvermögen gedeckte Verbindlichkeiten im Sinne von §  735 Satz  1 Var.  1 BGB betroffen ist. Auch diesbezüglich wird ganz überwiegend davon ausgegangen, dass die Vorschrift entsprechend der Verlustbeteiligung nach §  722 BGB abbedungen werden kann.1190 §  731 BGB unterstelle auch §  735 BGB einer privatautonomen Gestaltung durch die Gesellschafter. Eine gesellschaftsvertragliche Verlustbeteiligungsabrede sei ebenso für die Nachschusspflicht verbindlich, soweit diesbezüglich keine abweichende Regelung getroffen ist.1191 können – im Rahmen staatlicher Anerkennung i. S. v. §  80 f. BGB ist dies die juristische Person. Vgl. G. Roth, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.9.2020, §  80 Rn.  197 ff.; Weitemeyer, in: MüKoBGB, §  80 Rn.  1, 260. 1185  Habermeier, in: Staudinger (2003) BGB, §   735 Rn.   1; Habersack, in: Habersack/­ Schäfer, HGB, §  155 Rn.  12; Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, §  735 Rn.  1 f.; Kilian, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, BGB §  735 Rn.  1, 3; R. Koch, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2021, §  735 Rn.  14; C. Schäfer, in: MüKoBGB§  735 Rn.  2, 4; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  735 Rn.  8; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701, I-1782a; Westermann, in: Erman, BGB, §  735 Rn.  3; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  2, §  6 III 3 d) bb), S.  577 ff.; tendenziell nun auch die neuere Rspr., BGH, Uv. 11.10.2011    – II ZR 242/09, juris-Rn.  41; BGH, Uv. 30.1.2018    – II ZR 95/16, juris-Rn.  80; BGH, Uv. 27.10.2020    – II ZR 150/19, juris-Rn.  27; a. A. Aderhold, Das Schuldmodell der BGB-Gesellschaft, S.  242 ff., 248 ff. 1186  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  9, §  155 Rn.  34; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701b. 1187  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation S.  144. 1188  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  144. 1189  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  157 Rn.  10. 1190 Vgl. Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 1701. 1191  C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  735 Rn.  4; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  735 Rn.  8.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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§  735 BGB diene insgesamt lediglich dem Interesse der Gesellschafter an der ordnungsgemäßen Gläubigerbefriedigung zum Zwecke der Vermeidung einer eigenen persönlichen Außenhaftung mit nachfolgendem Teilregress bei den Mitgesellschaftern.1192 Daran anknüpfend kommt auch ein Ausschluss der Verlustbeteiligung sowie der Nachschusspflicht für sämtliche Gesellschafter in Betracht.1193 Dies hat zur Folge, dass nach der Verteilung des Aktivvermögens gegebenenfalls keine Sozialansprüche der Gesellschaft mehr bestehen, sodass man von einem Wegfall des Gesellschaftsvermögens mit der Folge einer Vollbeendigung im Sinne des Liquidationsrechts ausgehen könnte.1194 Dies würde aber bedeuten, dass durch die bloße innenrechtliche Vereinbarung den Gläubigern der Schuldner entzogen werden könnte und dass eine Vollbeendigung des Verbandes ohne Gläubigerbefriedigung in Betracht käme. Diesbezüglich wird darauf abgestellt, dass die Gläubiger auf die persönlich haftenden Gesellschafter zugreifen könnten.1195 Folge wäre eine gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht ohne verbindlichkeitstragende Gesellschaft. Für den Fall, dass nachträglich verteilungsfähiges Gesellschaftsvermögen auftaucht, soll eine Nachtragsliquida­ tion in Betracht kommen.1196 Personenidentisch ist diese indes nur denkbar, wenn der Verband nie aufgehört hat zu existieren. Dogmatisch begründen lässt sich der Fortbestand eines Verbandes für die Dauer des Bestehens von Drittverbindlichkeiten der Gesellschaft damit, dass mit der Begründung einer Verbindlichkeit das Schuldnervermögen funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – einem Haftungszugriff zugewiesen wird. Diese erfolgt zwar in bestimmter Höhe, setzt aber kein nominal gegebenes Gesellschaftsvermögen voraus. Damit ist die funktionale Zuordnung des Schuldnervermögens unter den Haftungszugriff stets nur eine abstrakte. Solange das Schuldnervermögen funktional den Gesellschaftsgläubigern zugewiesen ist, kommt kein Entzug durch eine Vereinbarung der Gesellschafter in Betracht. Eine Vollbeendigung ist daher nur denkbar, wenn die Gesellschaftsverbindlichkeiten in irgendeiner Form erloschen sind, weil erst dann jeglicher Abwicklungsbedarf beseitigt ist. Soweit darauf abgestellt wird, dass die Nachschusspflicht des §  735 BGB abbedungen werden kann, bedeutet dies nicht, dass es die Gesellschafter durch eine Vereinbarung im Innenverhältnis in der Hand hätten, die Existenz des Verbandes gegenüber Dritten unverzüglich zu beenden.1197 §  735 BGB ist vielmehr zu entnehmen, dass dieser an die stets gegebene abstrakte Möglichkeit 1192 

Wertenbruch, NZG 2013, 1006 (1006 f.). Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  735 Rn.  8 f. 1194  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  9; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701b. 1195  Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701b. 1196 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  15. 1197  A. A. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  145 Rn.  9; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1701b; wohl kritisch, Haas, in: Röhricht/­Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  145 Rn.  2. 1193 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

von Sozialansprüchen der Gesellschaft anknüpft und damit bis zur vollständigen Gläubigerbefriedigung ein Gesellschaftsvermögen qualitativ voraussetzt. Jedenfalls solange, wie der Verband noch Verbindlichkeiten gegenüber Dritten hat, ist §  735 BGB folglich unabhängig von einer Vereinbarung der Gesellschafter dahingehend funktional auszulegen, dass die abstrakte Möglichkeit von Sozialansprüchen dazu führt, dass noch ein Gesellschaftsvermögen existiert und der Verband noch nicht vollbeendigt werden kann.1198 So kann etwa Streit über das Vorliegen von Sozialansprüchen bestehen. Zwar können Gläubiger diese nicht unmittelbar geltend machen, allerdings haben sie die Möglichkeit, sich die Ansprüche der Gesellschaft im Wege der Zwangsvollstreckung pfänden und überweisen zu lassen. Die funktionale    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffende    – Zuweisung des Gesellschaftsvermögens unter den Haftungs­ zugriff der Gläubiger bedeutet nicht, dass die Nachschusspflicht des §  735 BGB nicht abbedungen werden kann. Der Disposition der Gesellschafter entzogen ist aber der Bestand des Gesellschaftsvermögens als solcher. Anderenfalls würde eine innenrechtliche Regelung auf das Außenverhältnis durchschlagen. Einer zwingenden Geltung des §  735 BGB entsprechend den teilweise angestellten Erwägungen zu §  733 BGB bedarf es demzufolge nicht.1199 Bei einer Absicherung des Haftungsvolumens durch eine persönliche Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB ist eine zwingende Nachschusspflicht der Gesellschafter in das negative Gesellschaftsvermögen nicht erforderlich. Eine derartige Annahme stünde vielmehr in Widerspruch zu der Qualifizierung des §  735 BGB als einer Vorschrift des Innenrechts. Ferner würde eine Nachschussverpflichtung für jeg­ liche Gesellschaftsverbindlichkeit die eigentliche Vermögenstrennung zwischen den Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen unterlaufen. Zwar ist mit der Auflösung eine Entscheidung getroffen, den Verband einer Vollbeendigung zuzuführen, allerdings erfolgt auch diese als vollwertiges Rechtssubjekt mit eigenständigem, von den Privatvermögen abgeschirmtem Gesellschaftsvermögen. Die dispositive Natur des §  735 BGB ist daher vielmehr Ausdruck der Anerkennung der Personenaußengesellschaft als Rechtssubjekt sowie der daraus folgenden Vermögenstrennung. Reicht das Aktivvermögen der Gesellschaft nicht aus, die Gläubiger zu befriedigen und haben die Gesellschafter die Nachschusspflicht abbedungen, dann ist das Rechtssubjekt eben zahlungsunfähig und über sein Vermögen ist das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Die diesbezügliche Antragspflicht der Liquidatoren ist eine bloß „interne“, auf die „Liquidatorensorgfalt“ zurückzuführende Verpflichtung und damit von §  15a InsO abzugren1198 Vgl. BGH, Uv. 27.10.2020     – II ZR 150/19, juris-Rn.  23; BFH, Uv. 21.5.1971    – V R 117/67, BFHE 102, 174 = BStBl II 1971, 540 = juris-Rn.  37; BFH, Uv. 24.3.1987    – X R 28/80, BFHE 150, 293 = BStBl II 1988, 316 = juris-Rn.  11 ff., 16. 1199  Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.   103 f.; a. A. zu §  735 BGB, Aderhold, Das Schuldmodell der BGB-Gesellschaft, S.  248 ff.; vgl. zu §  733 BGB, C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  733 Rn.  10 ff.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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zen.1200 Die Aufrechterhaltung des Gesellschaftsvermögens bei bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten hat zur Folge, dass diese sodann auf der Grundlage von §  128 HGB, aber unter insolvenzrechtlichem Regime nach §  93 InsO unter Beachtung insolvenzrechtlicher Garantien, wie die der Gläubigergleichbehandlung eingetrieben werden können. Das Bedürfnis, ein Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen eröffnen zu können, spricht dafür, §  735 BGB eine vollbeendigungshindernde Wirkung beizumessen, damit die weiterhin schuldende Gesellschaft bestehen bleibt, für deren Verbindlichkeiten die Gesellschafter einstehen können und damit mit der Gesellschaft sowie deren Vermögen Anknüpfungselemente für eine entsprechende Geltung des §  93 InsO erhalten bleibt.1201 Lehnt man eine Vollbeendigung des Verbandes bei offenen Gesellschaftsverbindlichkeiten ab, stellt sich die Frage, wie sich verjährte Ansprüche auf den Bestand als Verband auswirken. Mit der Verjährung eines Anspruchs gegen den aufgelösten Verband entfällt die funktionale Zuweisung des Gesellschaftsvermögens unter den Gläubigerzugriff. Gleichzeitig können Forderungen nach §  735 BGB nicht mehr geltend gemacht werden. Die Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit ist grundsätzlich auch im Rahmen des 5-Jahres-Zeitraums im Sinne von §  159 HGB1202 für die Gesellschafter relevant, sodass eine Inanspruchnahme nach §  128 HGB regelmäßig ausscheidet und keine Forderungen im Innenverhältnis gemäß §  110 HGB gegen das Gesellschaftsvermögen begründet werden. Eine abweichende Beurteilung ist lediglich angezeigt, soweit eine partielle Hemmung zu einem abweichenden Verjährungsablauf führt.1203 Entsprechendes gilt vor dem Hintergrund des §  160 HGB gegenüber ausgeschiedenen Gesellschaftern. Dementsprechend fehlen Bezugspunkte für eine funktionale Aufrechterhaltung des Gesellschaftsvermögens, sodass Ansprüchen, denen dauerhafte Einreden entgegenstehen, einer Vollbeendigung regelmäßig nicht widersprechen. dd) Zwischenergebnis: Kein spezifisch liquidationsrechtliches Gläubigerschutzdefizit Erkennt man die Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft als Personenverband an, so hat dies konsequent bis zu deren Vollbeendigung zu erfolgen. Gleiches gilt für die damit korrespondierende Vermögenstrennung. Folge ist, dass die Auflösung nichts an der Rechtsnatur des Verbandes ändert.1204 Der eigentliche Verbandszweck wird lediglich durch den auf Abwicklung aller Ver1200 

K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  42. Siehe zur Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse unten Kap.  3 §  7 D. 1202  Siehe zur diesbezüglichen Auslegung: „Eintragung der Vollbeendigung“, zu Beginn dieses Abschnitts; vgl. K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (116 ff.). 1203  Siehe zur Hemmung der Verjährung unten Kap.  1 §  3 B.II.1.d)cc)(2). 1204  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)aa). 1201 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

mögensverhältnisse gerichteten Liquidationszweck überlagert, sodass eine Reaktivierung zu einem werbenden Verband möglich bleibt.1205 Die Vertretung der Gesellschaft durch Liquidatoren steht nicht in Konflikt zum Prinzip der Selbstorganschaft, weil die Gesellschafter die Herrschaft über den Verband jederzeit wieder an sich reißen können; eine Fremdliquidation ist widerruflich (vgl. §  147 HGB).1206 Dementsprechend haben die Gesellschafter auch für neu begründete Liquidationsverbindlichkeiten nach §  128 HGB einzustehen;1207 es handelt sich bei diesen um gewöhnliche Gesellschaftsverbindlichkeiten.1208 Insoweit unterscheidet sich das Liquidationsverfahren von einem Insolvenzverfahren als besonderem Liquidationsverfahren.1209 Dadurch, dass das Liquida­ tionsverfahren keinerlei Auswirkungen auf die Rechtspositionen der Gesellschaft zu Dritten hat    – die Tätigkeit der Liquidatoren im Außenverhältnis ist nicht beschränkt    – und der Verband im Außenverhältnis vollrechtsfähig bleibt, sind Gläubigerinteressen durch die Liquidation nicht berührt.1210 Lediglich im Innenverhältnis unterliegen die Gesellschaftsorgane der oHG fortan einer den §§  145 ff. HGB unterfallenden, weitgehend dispositiven, Liquidationspflicht. Nach dem gesetzlichen Leitbild eröffnet eine Auflösung die Möglichkeit der Gesellschaft, unter normativer Ausschaltung des ebenfalls dispositiven §  707 BGB Nachschussansprüche nach §  735 BGB gegen die Gesellschafter auf Leistung in das Gesellschaftsvermögen geltend zu machen.1211 Aus diesen sind Drittverbindlichkeiten zu tilgen. Sozialansprüche der Gesellschafter unterliegen demgegenüber einer Durchsetzungssperre und können lediglich im Rahmen der Schlussabrechnung geltend gemacht werden.1212 Die Verteilung richtet sich nach den Liquidations-Kapitalkonten.1213 Einzelforderungen existieren nur noch als Rechnungsposten im Rahmen der Feststellung der Liquidations-­ Kapitalanteile. Soweit Vorausausschüttungen an die Gesellschafter vorgenommen werden und diese zu einem Negativsaldo des Gesellschaftsvermögens führen, erfolgen diese unter dem Vorbehalt der Schlussabrechnung und können dementsprechend von der Gesellschaft nach den §§  812 ff. BGB zurückgefordert werden, weil sie ohne Rechtsgrund erfolgen. Rückforderungsansprüche der Gesellschaft ergeben sich aus den Kapitalkonten im Rahmen der Liquidations-­ Gesamtabrechnung.

1205 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)aa). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.d)bb). 1207  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc). 1208  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B. 1209  Siehe dazu Kap.  1 §  3 B.I, Kap.  1 §  3 B.III.1. 1210  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)aa). 1211 Vgl. Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (2 ff., 8 ff.); C. Schäfer, in: MüKoBGB, §  735 Rn.  1; Westermann, in: Erman, BGB, §  735 Rn.  1. 1212  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb). 1213  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb). 1206 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Zwar regelt §  155 HGB leitbildhaft, dass zuerst die Gesellschaftsgläubiger aus dem Gesellschaftsvermögen zu befriedigen sind, ein über die Vermögenstrennung zwischen Personenverband und Gesellschaftern hinausgehender subjektiv-rechtlicher Gläubigerschutz in Form eines Thesaurierungsverbots ist damit jedoch nicht verbunden.1214 Soweit die Gesellschaftergesamtheit daher Gesellschafterausschüttungen an den Gläubigern vorbei veranlasst, unterscheidet sich die Situation nicht von einvernehmlichen Ausschüttungen während des werbenden Zustands des Verbandes. Als bloß innenrechtliche Regelung hat §  155 Abs.  2 HGB keinen Schutzgesetzescharakter im Sinne von §  823 Abs.  2 BGB. Bis zur Vollbeendigung des Verbandes bleiben die Gesellschafter auf Ansprüche gegen die Gesellschaft verwiesen; ein Anspruch gegen die Liquidatoren besteht anders als im Rahmen von §  53 BGB nicht. Hinsichtlich des Aktivvermögens der Gesellschaft bleibt die Vermögenstrennung daher jedenfalls bis zur Schlussabrechnung strikt aufrechterhalten. Anhand der Gesellschaftspassiva wird indes deutlich, dass die Vermögenstrennung sogar darüber hinaus reicht. Solange Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen, bleibt das Gesellschaftsvermögen funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – den Gläubigern zugewiesen.1215 Nach dem gesetzlichen Leitbild des §  735 BGB stehen der Gesellschaft Nachschussansprüche gegen die Gesellschafter zu, bis diese eingetrieben und die Gesellschaftsverbindlichkeiten beglichen wurden. Doch auch wenn die Gesellschafter Nachschussansprüche vollständig ausgeschlossen haben, steht die Zuweisung des Gesellschaftsvermögens unter den funktionalen Haftungszugriff der Gläubiger einer Vollbeendigung des Verbandes entgegen.1216 Insoweit ist §  735 BGB die gesetzliche Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als qualitative Größe zu entnehmen. Reicht das Gesellschaftsvermögen in quantitativer Hinsicht nicht aus, die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu befriedigen, ist über dieses ein Insolvenzverfahren zu eröffnen mit der Folge, dass die Gesellschafterverbindlichkeiten nach §  128 HGB unter dem Regime der Gläubigergleichbehandlung durch den In­ solvenzverwalter gemäß §  93 InsO geltend zu machen sind. Bezugspunkt der Gesellschaftereinstandspflicht sind zwar jeweils die Privatvermögen der Gesellschafter, verfahrensmäßiges Bezugssubjekt, über deren Vermögen ein In­sol­ venz­verfahren zu eröffnen ist, hat aber die Gesellschaft zu bleiben, deren Verbindlichkeiten es sind, die einer Einstandspflicht der Gesellschafter unter­ worfen werden. Dabei kann sich im Liquidationsfalle genau dieselbe Gefahr realisieren, wie während des werbenden Zustandes des Verbandes. Vereinbaren die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit Ausschüttungen an die Gesellschafter oder schließen sie liquidationsrechtliche Nachschusspflichten aus, so führt die 1214 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb). Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc). 1216  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc). 1215 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Vermögenstrennung dazu, dass bei negativem Schlussabrechnungssaldo der Gesellschaft Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht bedient werden können. Die quantitative Aushöhlung des Verbandes von innen kann aber nicht dazu führen, dass die Gesellschaft schlichtweg als Schuldner wegfällt. Sie bleibt als für die Gesellschafterhaftung anknüpfungsfähiges Rechtssubjekt, mit dem ihr qualitativ zugehörigen Verbandsvermögen erhalten. Während das Recht der verbandsrechtlichen juristischen Personen, wie etwa in den §§  47 ff. BGB mit einer Bekanntmachungspflicht, einem Sperrjahr sowie einer originären Schadensersatzpflicht der Liquidatoren konkret gläubigerschützende Mechanismen vorsieht, kennt das personengesellschaftsrechtliche Liquidationsverfahren, als bloß innenrechtliches Regelungsgefüge, keinen spezifischen Liquidationsschutz. Gleichwohl bleibt die Vermögenstrennung im Personenverband bis zuletzt aufrechterhalten. Damit ist der Kapitalschutz der gleiche „weiche“ wie während des werbenden Zustandes,1217 sodass es während des Liquidationsverfahrens keines weitergehenden Schutzes der Gläubiger bedarf, der über die betroffenen Gläubigerinteressen während des werbenden Zustandes hinausreicht. ee) Auswirkungen der Liquidationsbefangenheit auf die Vermögenszuordnung Während die Gläubiger durch das Liquidationsverfahren angesichts der aufrechterhaltenden Vermögenstrennung keine Schlechterstellung gegenüber dem werbenden Zustand der Gesellschaft erfahren, ist fraglich, wie sich die liquidationsrechtliche Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB auf die Rechtsstellung der Gesellschafter auswirkt. Mit Eintritt in das Liquidationsstadium ändert sich am Außenverhältnis der Gesellschaft nichts, sodass die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB gegenüber dem werbenden Stadium unverändert bleibt.1218 Nimmt man eine primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter nach §  128 HGB an, so könnte mit dieser, wenn die Gesellschafter zu Nachschüssen verpflichtet sind, die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme einhergehen.1219 Die Situation ist eine andere als im Fall des §  93 InsO, in dem beide Ansprüche von dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.1220 Im Rahmen der Liquidation bestehen sowohl Ansprüche der Gesellschaft als auch der Gesellschaftsgläubiger. Bei weiterhin negativem Saldo des Gesellschaftsvermögens können die Gesellschafter auch keine Befriedigung von der Gesellschaft nach §  110 HGB erreichen. Gleichwohl kommt dieser Anspruch gegen die Gesellschaft grundsätzlich zur Entstehung, wenn die Gesellschafter einer Forderung nach §  128 HGB nachkommen. Bis zur Vollabwicklung der Gesellschaft bleibt die Vermögenstrennung auch gegenüber den Gesellschaftern aufrechterhalten. Der diesbezügliche 1217 

Siehe dazu üben Kap.  1 §  3 B.II.1.b). Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)aa). 1219 Vgl. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  102 f. 1220  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 1218 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Mitgliederschutz findet durch die liquidationsrechtliche Durchsetzungssperre Berücksichtigung,1221 indem entsprechende Forderungen gegen die Gesellschaft Niederschlag in der Liquidationsschlussbilanz finden. In dieser ist anhand der Liquidations-Kapitalkonten der Verteilungsschlüssel für den Vermögensüberschuss der Gesellschaftsaktiva zu ermitteln. Die gegenseitigen Ansprüche bestehen nur zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, weil die Gesellschaft selbst Rechtssubjekt des Liquidationsverfahrens ist. Kommen einzelne Gesellschafter in der Liquidation ihrer Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB nach, so sind diese Zahlungen ebenfalls in der Liquidationsschlussbilanz auf den entsprechenden Kapitalkonten zu berücksichtigen. Ausgehend von Sinn und Zweck des §  735 BGB sowie §  155 HGB,1222 auch den Ausgleich unter den Gesellschaftern sicherzustellen, fließen in der Liquidation die aus §§  731 bis 735 BGB eigentlich resultierenden Einzelansprüche als Rechnungsziffern in die Gesellschafter-Kapitalkonten und bilden die Grundlage für die Ermittlung der für die Schlussabrechnung relevanten Liquidations-Kapitalanteile.1223 Der Ausgleich der Kapitalkonten ist angesichts der Rechtssubjektivität der Personen­ außengesellschaft sowie der daraus resultierenden Vermögenstrennung Bestandteil der Schlussabrechnung.1224 Die für die eigentliche Schlussabrechnung relevanten Liquidations-Kapitalkonten ergeben sich im Rahmen des Drei-Konten-Modells aus einer Zusammenlegung der Kapitalkonten I und II.1225 Mit der Liquidation entfällt das Bedürfnis einer Trennung beider Kapitalkonten, da es keines festen    – etwa stimmrechtsrelevanten    – Kapitalkontos mehr bedarf, sondern sich die Schlussverteilung nach dem effektiven Saldo der beiden Kapitalkonten richtet.1226 Das Darlehenskonto findet indes keine Berücksichtigung im Rahmen der Schlussabrechnung, sondern ist bereits zuvor bei der „Versilberung“ des Gesellschaftsvermögens sowie der Begleichung von Drittverbindlichkeiten zu berücksichtigen.1227 Dadurch, dass §  122 HGB in §  155 HGB aufgeht, sind nach Zusammenlegung der Kapitalkonten I und II entsprechend dem gesellschaftsvertraglichen Verteilungsschlüssel die Gewinn- bzw. Verlustbeteiligungen an dem Liquidationsgewinn- bzw. Verlust zu bestimmen.1228 Dabei findet auch die 4%ige Kapitaldividende Anerkennung (§§  121 Abs.  1, 156 HGB); 1221 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb). Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  272. 1223  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  29, §  155 Rn.  20 ff.; vgl. U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.  181 f.; Kamanabrou, in: Oetker, HGB, §  149 Rn.  15; siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb). 1224  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  149 Rn.  29; §  155 Rn.  21, 24; vgl. Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  303 ff. 1225  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  307; siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A. II.2.b). 1226  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  162 ff., 173 ff.; siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb). 1227  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  334 f. 1228  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  308 ff. 1222 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

vorläufige Verteilungen werden nach §  122 Abs.  2 Satz  2 HGB berücksichtigt.1229 Im Übrigen richtet sich der Verteilungsschüssel nach Köpfen (§§  122 Abs.  3, 156 HGB). Die auf diese Weise ermittelten Liquidations-Kapitalanteile werden sodann mit den liquidationsbefangenen Forderungen und Verbindlichkeiten verrechnet.1230 Dadurch, dass die liquidationsbefangenen Forderungen und Verbindlichkeiten saldiert werden, erscheinen sie „als bloß bilanzielle Zusammenfassung des Kapitalanteils mit den gesellschaftsvertraglichen Forderungen und Verbindlichkeiten“.1231 Materiell-rechtlich werden sie durch „ein den Bilanzsaldo anerkennendes Schuldanerkenntnis, die Bilanz, abgesichert“.1232 Mit der Schlussabrechnung richtet sich die wirtschaftliche Beteiligung der Gesellschafter sodann nicht mehr nach dem Kapitalanteil, sondern nach dem gesamtsaldierten Liquidationsanteil.1233 Liquidationsbefangene Sozialforderungen der Gesellschafter sind dementsprechend wie Eigenkapital der Gesellschaft zu behandeln.1234 Damit vergrößert sich im Rahmen der Liquidation gegebenenfalls vorübergehend zu Lasten der Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen bis es mit der Vollbeendigung zur Aufhebung der Vermögenstrennung kommt. Dies bedeutet aber auch, dass bis zur tatsächlichen Vollbeendigung eine konsequente Vermögenstrennung anzuerkennen ist. Aktive Liquidationsanteile sind schließlich von der Gesellschaft auszugleichen, passive sind einzufordern.1235 Reicht das Gesellschaftsvermögen nicht aus, diese offenen Gesellschafteraktiva nach Feststellung der Schlussbilanz auszugleichen, steht der Gesellschaft ein weiterer Verlustausgleich nach §  735 BGB zu. Dieser Anspruch kann gegebenenfalls an diejenigen Gesellschafter abgetreten werden, die offene Ausstände nicht zu tragen haben.1236 Nur wenn bei verbleibenden Gesellschafteraktiva eine weitere Liquidation nicht stattfindet, etwa weil Nachschussverpflichtungen ausgeschlossen sind oder weil eine Liquidation im Innenverhältnis zur Gesellschaft privatautonom abbedungen ist,1237 kommt subsidiär ein Gesamtschuldnerausgleich gemäß §  426 Abs.  1 BGB unter den Gesellschaftern in Betracht.1238 Diese Ansprüche finden im Rahmen der Schlussabrechnung deswegen keine Berücksichtigung, weil sie schon über die Kapitalkonten unter Be1229  Nach den §§  120–122 HGB-E RegE MoPeG soll die 4%ige Kapitaldividende demgegenüber entfallen und die Vermögensrechte ausschließlich an Gesellschafts- und Kapitalanteil anknüpfen, vgl. Begr. S.  282 ff. (S.  84, 168 ff., 179 des Mauracher Entwurfs). Zur Kritik an der gesetzlichen Konzeption der §§  120–122 HGB, Hartlieb, StudZR Wissenschaft Online 2020, 25 (32 ff.). 1230  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  319. 1231  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  181. 1232  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  181. 1233  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  181. 1234  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  183. 1235 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  155 Rn.  10 ff. 1236  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  322. 1237 Vgl. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  103 f. 1238  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.VII.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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rücksichtigung des §  110 HGB abgebildet werden.1239 Materiell-rechtlich ergibt sich dies daraus, dass die Gesellschafter innenrechtlich verpflichtet sind, den Ausgleich ihrer beglichenen Forderungen vorrangig nach §  110 HGB gegen die Gesellschaft geltend zu machen.1240 Erst mit Vollbeendigung der Liquidationsgesellschaft kommt daher ein entsprechender unmittelbarer Gesamtschuldnerausgleich in Betracht.1241 Entscheiden sich die Gesellschafter nachträglich gegen einen Ausgleich über die Gesellschaft und wollen sie den Ausgleich der Kapitalkonten unmittelbar untereinander vornehmen, so bedeutet dies eine privatautonome Aufhebung aller offenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern im Wege eines Erlasses nach §  397 BGB zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern. Dies hat zur Folge, dass der Verband voll­ beendigt werden kann. Der sich daran anschließende Ausgleich der Kapitalkonten und gegenseitigen Verbindlichkeiten    – einschließlich derjenigen nach §  426 Abs.  1 BGB    – ist sodann ein privatautonomes, schuldrechtliches Rechtsgeschäft nach §  311 Abs.  1 BGB. Der Umstand, dass die Gesellschafter während des Liquidationsverfahrens gemäß §  735 BGB zu Nachschüssen verpflichtet sind, führt vor dem Hintergrund der auf diese Weise anzustellenden Schlussabrechnung letztlich daher nicht zu einer doppelten Inanspruchnahme.1242 Sowohl die auf eine Gesellschaftsforderung geleisteten Zahlungen als auch solche, die auf eine Gesellschaftsgläubigerforderung nach §  128 HGB erfolgen, finden, vermittelt durch die Ausgleichsregelung des §  110 HGB, angesichts der Liquidationsvorschriften der §§  154, 155, 120 bis 122 HGB Einfluss in die Liquidations-Kapitalkonten. Geleistete Zahlungen werden danach im Ergebnis lediglich nach dem innenrechtlich vereinbarten Gewinn- bzw. Verlustverteilungsschlüssel getragen. Wird allerdings eine Gesellschaftsgläubigerforderung nach §  128 HGB unmittelbar geltend gemacht, nachdem ein Gesellschafter bereits auf eine Nachschussforderung der Gesellschaft gezahlt hat, führt dies dazu, dass der in vorauseilendem Gehorsam zahlende Gesellschafter für eine betragsmäßig identische Forderung vorläufig zweimal zahlt, seine Ausgleichsansprüche gegen die Gesellschaft bzw. seine Mitgesellschafter aber entweder liquidationsgebunden sind und damit einer Durchsetzungssperre unterliegen, oder aber bis zum Abschluss der Liquidation innenrechtlich dem Grundsatz der Subsidiarität unterliegen. Eine primäre Gesellschafterhaftung während des Liquidationsstadiums führt für die Gesellschafter dementsprechend dazu, dass sie für einen gegebe1239 

K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  24; ders., in: Schlegelberger, HGB §  155 Rn.  24. Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  361 ff., 369 ff.; K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  155 Rn.  24, 29. 1241  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  155 Rn.  24. 1242 Vgl. BGH, Uv. 15.11.2011     – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293–310 = juris-Rn.  29 f.; R. Koch, in: BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2021, §  735 Rn.  6; Schöne, in: BeckOK BGB, Stand: 1.11.2020, §  735 Rn.  6. 1240 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

nenfalls nicht unerheblichen Zeitraum Zahlungsausstände tragen müssen. Die primäre Einstandspflicht bedeutet für die Gesellschafter während des Liquidationsverfahrens daher, dass sie das Insolvenzrisiko ihrer Mitgesellschafter in einem weitreichenderen Umfang zu tragen haben als während des werbenden Stadiums der Personengesellschaft. Während die Gesellschafter im Rahmen der Liquidation also durch eine primäre Einstandspflicht eine Schlechterstellung gegenüber dem werbenden Zustand des Verbandes erfahren, korrespondiert damit keine Besserstellung der Gläubiger gegenüber der angenommenen Situa­ tion, dass sie sich zuerst an die Gesellschaft wenden müssten und diese sodann die Nachschussansprüche gegen die Gesellschafter geltend machen würde. d) Annahme einer Erfüllungsfunktion der Gesellschafterhaftung Während sich bezogen auf den bloßen Kapitalschutz eine unmittelbare, primäre Einstandspflicht der Gesellschafter    – in Anbetracht der sehr weitreichenden Aufrechterhaltung des Personenverbandes als Rechtssubjekt sowie der damit verbundenen Vermögenstrennung     – also als Überkompensation darstellt, könn­te sich diese mit Blick auf eine potenzielle Erfüllungsfunktion als gerechtfertigt erweisen.1243 Würde man §  128 HGB aus Gläubigerschutzgesichtspunkten eine Erfüllungsfunktion zuerkennen, so ließe sich diese nur durch eine umfängliche Einstandspflicht für die Gesellschaftsverbindlichkeit realisieren, nicht indes durch eine Differenz-Ausfallhaftung. Den Überlegungen darüber, ob eine unmittelbare Erfüllungshaftung der Gesellschafter aus Gläubigerschutzgesichtspunkten erforderlich erscheint, ist wieder ein Vergleich mit einem Schuldverhältnis zu einer natürlichen Person zugrunde zu legen. Daran anknüpfend ist die verbandsspezifische Gefährdungslage zu ermitteln, wie sie sich unter Beachtung der Rechtsnatur der vermögenstragenden Personenaußengesellschaft vor dem Hintergrund der gesetzlichen Anordnung einer persönlichen Einstandspflicht der Gesellschafter ergibt. aa) Schutzwürdigkeit von Gläubigererfüllungsinteressen Im Rahmen der Begründung einer rechtsgeschäftlichen Forderung verpflichtet sich eine natürliche Person selbstbestimmt und selbstverantwortlich gegenüber ihren Gläubigern unmittelbar zur Erfüllung.1244 Im Falle gesetzlicher Schuldverhältnisse erfolgt dies kraft normativer Anordnung. Der Erfüllungsanspruch richtet sich auf die Befriedigung des Leistungsinteresses des Gläubigers.1245 Unabhängig von der Art der Verbindlichkeit als Vermögens- oder Nichtvermö1243  Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (147); Martensen, Der Inhalt der unbeschränkten Haftung, S.  56; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 903 f. 1244 Vgl. Neuner, BGB AT, §  1 Rn.  4, §  10 Rn.  11 ff., 27 ff., §  30 Rn.  8 ff., §  32 Rn.  2 ff., 26, §  41 Rn.  8. 1245  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, §  17 II 1, S.  277.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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gensverbindlichkeit wird das Vermögen des Schuldners im Rahmen der Haftung funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – dem Gläubiger zugewiesen. Die obigen Ausführungen zeigen, dass sich dies angesichts der Relativität schuldrechtlicher Leistungsbeziehungen grundsätzlich auf das Schuldnervermögen beschränkt.1246 Möchte ein Schuldner eine Verbindlichkeit nicht begleichen, hat der Gläubiger grundsätzlich die Möglichkeit, die Erfüllung im Wege der Zwangsvollstreckung zu erwirken. Ist der Schuldner nicht in der Lage, den Leistungsaustausch in der privatautonom vereinbarten oder gesetzlich angeordneten Weise herbeiführen, führt dies dazu, dass das Gläubigerinteresse gegebenenfalls nicht vollständig befriedigt wird, weil der Schuldner den eigentlichen Leistungsumfang entsprechend den Gläubigerpräferenzen nicht erbringen kann. Kommt es dementsprechend zu einer Störung des Schuldverhältnisses, stellt das Gesetz Mechanismen zur Verfügung, die diese Beeinträchtigung des Leistungsinteresses ausgleichen sollen. Für diesen Fall der Nichteinbringlichkeit in Natura erwachsen dem Gläubiger vermögensrecht­ liche Sekundäransprüche aus dem allgemeinen oder besonderen Leistungsstörungsrecht.1247 Auch diese beschränken sich aber auf das Schuldnervermögen. Zwar bedeutet die Schuld grundsätzlich eine persönliche Einstandspflicht sowie die Unterwerfung des Schuldnervermögens unter den Haftungszugriff des Gläubigers,1248 gleichwohl kann der Leistungserfolg, soweit nicht eine höchstpersönliche Bewirkung des Leistungserfolges vereinbart ist oder sich eine solche aus der Eigenart und dem Schuldzweck ergibt, durch Dritte als Nichtschuldner herbeigeführt werden, §  267 Abs.  1 BGB.1249 Vorbehaltlich rechts­ geschäftlicher Vereinbarung oder gesetzlicher Anordnung bedeutet dies aber keine haftungsrechtliche Inbezugnahme einer schuldnerfremden Vermögensverbindung.1250 Erst im Falle der rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Einzelbzw. Gesamtrechtsnachfolge kommt es zu einer haftungsmäßigen Unterwerfung des neuen Schuldnervermögens. Auf die schuldrechtliche Verbindlichkeit hat die Rechtsnachfolge keine Auswirkung. Erst wenn ein Schuldner ohne Rechtsnachfolger wegfällt oder sich Gläubiger und Schuldner in einer Person vereinigen, erlischt das Schuldverhältnis.1251 Damit ist das jeweilige Schuldnervermögen bis zu einem Wegfall des Rechtssubjekts dem Haftungszugriff unterworfen. Solange die natürliche Person bzw. ihre Rechtsnachfolger als Rechtssubjekt existieren, ist den Gläubigern das haftungsunterworfene Vermögen des 1246 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II. Caspers, in: Staudinger (2019) BGB, Vorbemerkungen zu §§  275–278 Rn.  1 ff.; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, §§  43 ff., S.  188 ff.; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 2, §  22, S.  1 ff.; Larenz, Schuldrecht, §§  20 ff., S.  275 ff.; Looschelders, Schuldrecht AT, §§  20 ff., S.  161 ff. 1248  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II. 1249  Esser/E. Schmidt, Schuldrecht, Band  1, AT, Teilband 1, §  17 III, S.  280 ff. 1250  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.5. 1251  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.1, Kap.  1 §  2 C.II.3. 1247 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Schuldners als vermögensausgleichendes Äquivalent entsprechend der schuldrechtlichen Ausgangslage funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugewiesen. Vermögensverbindungen Dritter werden dem schuldrechtlichen Zugriff grundsätzlich nur bei rechtsgeschäftlicher Vereinbarung oder gesetzlicher Anordnung unterworfen.1252 Fraglich ist, inwiefern eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht vor diesem schuldrechtlichen Hintergrund zu rechtfertigen ist. (1) Befriedigung des Erfüllungsinteresses bei Vermögensverbindlichkeiten Dadurch, dass der Personenverband bis zum Ausgleich aller Drittverbindlichkeiten als Rechtssubjekt erhalten bleibt, ist bei Vermögensverbindlichkeiten bezogen auf das Erfüllungsinteresse grundsätzlich keine abweichende Beurteilung gegenüber natürlichen Personen geboten, soweit sich aus §§  128, 129 HGB nicht etwas anderes ergibt.1253 Die Erwägungen zum Kapital- und Liquidationsschutz zeigen, dass sich hinsichtlich bloßer Vermögensverbindlichkeiten gegenüber einer natürlichen Person keine verbandsspezifischen Risiken realisieren können, die einen bloßen Verlustausgleich übersteigen. So bleibt die Gesellschaft bis zur Vollabwicklung als Rechtssubjekt mit eigenem Schuldnervermögen existent. Reicht das Gesellschaftsaktivvermögen nicht aus, um die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begleichen, ist entweder ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, in diesem kann sodann gemäß §  93 InsO in Verbindung mit §  128 HGB in Höhe der Unterdeckung auf die Privatvermögen der Gesellschafter zugegriffen werden oder die Gesellschafter sind im Rahmen der Liquidation zu Nachschüssen gemäß §  735 BGB verpflichtet;1254 sind diese gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen, ist gleichfalls ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.1255 In beiden Konstellationen bleibt die Gesellschaft bis zum vollständigen Erlöschen der Vermögensverbindlichkeiten als Rechtsträger existent, sei es bis diese erfüllt werden    – gegebenenfalls durch Surrogate    – oder sei es bis diese im Rahmen eines Insolvenzplans erlöschen. In allen Konstellationen ist das vermögensgerichtete Erfüllungsinteresse der Gläubiger gleichfalls durch eine subsidiäre, auf die Unterdeckung beschränkte Einstandspflicht der Gesellschafter zu erreichen, weil die Personenaußengesellschaft bis zu ihrer Vollbeendigung bezogen auf den Leistungsgegenstand erfüllungsfähig ist. Dadurch ist ein vollständiger Ausgleich des originären Leistungsinteresses gewährleistet. Der wahlweisen Eröffnung einer zusätzlichen, dem unmittelbaren Gläubigerzugriff unterworfenen Vermögensverbindung bedarf es mit Blick auf das Erfüllungsinteresse nicht. 1252 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.5, Kap.  1 §  2 C.V. Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.1.d)bb). 1254  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb); zur Abweisung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse, siehe unten Kap.  3 §  7 D. 1255  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c). 1253 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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(2) Schuldrechtliches Nichterfüllungsrisiko bei Nichtvermögensverbindlichkeiten Fraglich ist, ob mit Blick auf Nichtvermögensverbindlichkeiten eine abweichen­ de Beurteilung angezeigt ist. So könnte es problematisch sein, dass eine vermögensmäßige Ausgleichspflicht im Rahmen des gesetzlichen Leistungsstörungsrechts zwar ausreichend ist, das schuldrechtliche Äquivalenzinteresse aufzu­ fangen, aber nicht geeignet ist, das ursprüngliche Leistungsinteresse zu befriedigen.1256 Aus der Eigenschaft der Personenaußengesellschaft als vermögenstragendes Rechtssubjekt ergibt sich, dass sich ein Gläubiger zum Zeitpunkt der Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses auf die Ge­ sellschaft als Schuldner einrichten kann. Er kann sich ausreichend über deren Kapitalausstattung informieren und deren Erfüllungsfähigkeit im Zeitpunkt des privatautonomen Aushandlungsprozesses entsprechend seinen Präferenzen einpreisen.1257 Eine abweichende Behandlung gegenüber natürlichen Personen bedarf es grundsätzlich nicht, weil eine verbandsspezifische Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nicht zu befürchten ist. Zusätzliche Informations­ beschaffungskosten für die Ermittlung der konkreten Vermögenszusammensetzung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sind kaum zu befürchten und nicht geeignet, ein verbandspezifisches Erfüllungsinteresse zu legitimieren.1258 Richtet sich zum Beispiel das Gläubigerinteresse auf eine Erfüllung durch einen bestimmten Gesellschafter, lässt sich dieses befriedigen, indem unmittelbar mit diesem ein Schuldverhältnis begründet wird. Jedenfalls wenn sich bestimmte Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt der Begründung eines Schuldverhältnisses zwar nicht im Gesellschaftsvermögen befinden, aber Gegenstand des Privatvermögens eines Gesellschafters sind, ist kein berechtigtes Interesse der Gläubiger ersichtlich, auf dieses zuzugreifen. Mit der Begründung eines Schuldverhältnisses wird unmittelbar ausschließlich die Vermögensverbindung der Gesellschaft dem Haftungszugriff unterworfen.1259 Dadurch, dass die Gesellschafter als Verband am Markt agieren, bringen diese zum Ausdruck, dass grundsätzlich nur die Gesellschaft mit ihrem Schuldnervermögen verpflichtet werden soll. Soweit die Gesellschaft selbst nicht in der Lage ist, eine Nichtvermögensverbindlichkeit in Natura zu erbringen, so ist dies im Ausgangspunkt eine Frage des auf das Schuldnervermögen bezogenen Leistungsstörungsrechts und kein Aspekt gesellschaftsrechtlicher Haftung der Gesellschafter. Problematisch könnte es mit Blick auf die Gläubigerinteressen indes sein, wenn eine Verbindlichkeit der Gesellschaft nur deswegen nicht in Natura durch die Gesellschaft erbracht werden kann, weil ein Vermögensgegenstand aus dem Gesellschaftsvermögen in ein Privatvermögen übertragen wurde. Insoweit 1256 Vgl.

Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  28. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). 1258  Siehe dazu Kap.  1 §  3 B.II.2. 1259  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.1. 1257 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

könnte sich ein verbandsspezifisches Risiko realisieren. Die konkrete Zusammensetzung des Gesellschaftsvermögens nach Begründung des Schuldverhältnisses unterliegt dementsprechend dann einer abweichenden Beurteilung, wenn die Gesellschafter aufgrund verbandsrechtlicher Befugnisse derart auf das Schuldnervermögen einwirken können, dass über die auch bei natürlichen Personen gegebene Möglichkeit der Abgabe von Vermögensgegenständen an Dritte hinaus, Vermögensverschiebungen drohen. Diese könnten das schuldrechtliche Erfüllungsinteresse der Gläubiger derart beeinträchtigen, dass sich der ursprüngliche schuldrechtliche Interessenausgleich allein aufgrund des Umstandes verschiebt, dass es sich um ein Schuldverhältnis mit einem Personenverband handelt, anstatt mit einer natürlichen Person. Ein insoweit gegebenenfalls anzuerkennendes Erfüllungsinteresse der Gläubiger gegenüber den Gesellschaftern setzt daher voraus, dass eine solche Vermögensübertragung zu befürchten ist sowie, dass es sich bei einer entsprechenden Vermögensübertragung um eine solche handelt, die deswegen möglich ist, weil es sich bei dem Schuldner um einen Verband handelt. In dieser Konstellation könnte eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter aus Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes angezeigt sein.1260 Eigenständige Entnahmen einzelner Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen kommen nur in den Grenzen §§  120 ff. HGB in Betracht.1261 Darüber hinaus bedarf es eines gesonderten Rechtsgrundes, der nur in einer Vereinbarung mit der Gesellschaft liegen kann. Vermögensüber­ tragungen aus dem Gesellschaftsvermögen in die Vermögen der Gesellschafter erfolgen regelmäßig nur, wenn der Gesellschaft im Gegenzug ein vermögens­ ausgleichendes Äquivalent zufließt.1262 Soweit die Gesellschaft daher Vermögensübertragungen an Gesellschafter vornimmt, stehen ihr diese wie Dritte gegenüber. Diesbezüglich realisiert sich daher keine verbandsspezifische Gefahr. Dies ist vielmehr Ausdruck der Relativität schuldrechtlicher Leistungs­ beziehungen.1263 Einzelne Gesellschafter haben ferner weder während des werbenden Zustandes der Gesellschaft noch im Liquidationsverfahren die Möglichkeit, derart auf die Willensbildung des Verbandes Einfluss zu nehmen, dass dieser rechtsgrundlos Vermögensübertragungen aus dem Gesellschaftsvermögen in das Privatvermögen vornimmt.1264 Soweit ein Gesellschafter einzelvertretungsberechtigt ist, stehen entsprechende Rechtsgeschäfte unter dem Schutz des §  181 BGB. Demgegenüber haben die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit die Möglichkeit, entweder schon im Gesellschaftsvertrag oder im Rahmen kollektiver Willensbildung, Vermögensübertragungen unter Ausschaltung privatauto­

1260 

A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 3, S.  313 f. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 1262  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.c). 1263  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b). 1264  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 1261 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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nomer Aushandlungsprozesse mit der Gesellschaft zu vereinbaren.1265 Für die Gläubiger gestaltet sich dies indes als der bloße Schuldnerwille, eine Gesellschaftsverbindlichkeit zunächst nicht erfüllen zu wollen mit der späteren Folge, eine Verbindlichkeit nicht erfüllen zu können. Eine derartige Nichterfüllung hat aber keine spezifisch verbandsrechtliche Prägung. Aus Gläubigerperspektive stellt sich dies vielmehr lediglich als gewöhnliche Erfüllungsverweigerung durch den eigentlichen Schuldner dar. Zwar sind derartige Gesellschaftsdispositionen auf verbandsspezifische Gestaltungsmittel zurückzuführen, ihre Wirkung ist indes nicht verbandsspezifisch. Sie ist vielmehr mit dem Verhalten natürlicher Personen zu vergleichen. Legt man der Frage nach dem Inhalt der ­Gesellschafterhaftung demzufolge Sinn und Zweck von §  128 HGB in seiner Funktion als Instrument des Gläubigerschutzes zugrunde, so ist eine Erfüllungsschuld der Gesellschafter nicht erforderlich. bb) Das Verhältnis eines Gläubigererfüllungsinteresses zu der durch §  128 HGB gesteuerten Verteilung der Regressrisiken Fraglich ist, ob es möglicherweise angezeigt ist, die Gesellschafter deswegen auf eine Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch zu nehmen, weil sie es nach der gesetzlichen Konzeption sind, die das Ausfallrisiko der Gesellschaft zu tragen haben. So soll §  128 HGB verhindern, dass Gläubiger der Gesellschaft deswegen eine Schlechterstellung erfahren, weil sie anstatt mit einer natürlichen Person mit einer Personengesellschaft in ein Schuldverhältnis eintreten.1266 Dadurch, dass die Gesellschafter einzelverbindlichkeitsbezogen einzustehen haben, ergibt sich gegebenenfalls aus Sicht der Gläubiger die Erwartung, dass Gesellschaft und Gesellschafter ungeachtet der Vermögenstrennung sowie der Rechtssubjektsverschiedenheit im hinsichtlich des erstrebten Leistungserfolgs als Einheit auftreten. Dieser Hoffnung entspricht es, dass die Gesellschafter, die für die Gesellschaftsverbindlichkeit einzustehen haben, gemäß §  128 HGB gesamtschuldnerisch herangezogen werden können, sodass sich deren Ausgleich nach §  426 Abs.  1 BGB richtet sowie,1267 dass Ausgleichsansprüche gemäß §  735 BGB bzw. §  110 HGB zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern innenrechtlich ausgestaltet sind.1268 Aus dem Zusammenspiel der Vorschriften ergibt sich, dass die Haftung des §  128 HGB materiell-rechtlich eine Außenhaftung ist und die Gesellschafter neben dem Ausfallrisiko der Gesellschaft (vgl. §  110 HGB) auch die gegenseitigen Ausfallrisiken zu tragen ha-

1265 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.c), Kap.  1 §  2 B.I, Kap.  1 §  2 E. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e), Kap.  1 §  2 E. 1267  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.VII.3; zur Berücksichtigung im Rahmen der Kapital­ konten sowie zum Rangverhältnis zu §  110 HGB oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)ee). 1268  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.VII. 1266 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

ben (vgl. §  426 Abs.  1 BGB).1269 Das „Regresskarussell“ im Personenverband dreht sich folglich rein innenrechtlich. Nun könnte man die These aufstellen, dass sich aus diesem gesetzlichen Leitbild    – wonach die Vermögensverhältnisse von Gesellschaft und Gesellschaftern bloß innenrechtlich relevant sind und nicht auf das Außenverhältnis durchschlagen    – ergebe, dass sich die Beurteilung der Ausfallrisiken auch auf konkrete Leistungsgegenstände erstrecke. So könnte man folgern, dass jeder einzelne Gesellschafter unmittelbar auf Erfüllung in Anspruch genommen werden könne und sodann im Innenverhältnis entsprechenden Rückgriff nehmen könne. Neben dem Insolvenzrisiko würde auf diese Weise auch das Risiko der Nichteinbringlichkeit einer konkreten Erfüllungshandlung von dem Gläubiger auf den in Anspruch genommenen Gesellschafter verlagert. Eine solche Betrachtung wird indes nicht der Vermögenstrennung im Personenverband gerecht. Die Gesellschafter agieren im Rechtsverkehr gerade nicht mehr gemeinsam mit der Gesellschaft als gemeinschaftliche Bezugssubjekte einer einheitlichen schuldrechtlichen Verbindlichkeit, sondern nur noch haftungsrechtlich wird das Gesellschafterprivatvermögen als Bezugsobjekt funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – dem Gläubigerzugriff zugewiesen.1270 Die Einstandspflicht der Gesellschafter erfolgt zwar einzelverbindlichkeitsbezogen und zwischen den Gesellschaftern und den Gläubigern werden einzelne Schuldverhältnisse im engeren Sinne begründet, dies jedoch bloß unter ständiger Aktualisierung des mitgliedschaftsvermittelten Haftungs-Istzustands im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern.1271 So wie die mitgliedschaftliche Beziehung zum Personenverband in vermögensrechtlicher Hinsicht auf die kapitalanteilsvermittelte Teilhabe beschränkt ist,1272 knüpft auch die Einstandspflicht an diese Vermittlung an, sodass eine stärkere Bindung der Gesellschafter an die einzelne schuldrechtliche Verbindlichkeit, die über eine bloße vermögensmäßige Verpflichtung hinaus ginge, kaum nachvollziehbar wäre. Vielmehr ist die Einstandspflicht vermögensrechtliches Spiegelbild der bloß mitgliedschaftlichen Berechtigung. Vor dem Hintergrund der Vermögenstrennung sowie des Umstandes, dass der Personenverband im Rechtsverkehr unabhängig von seinen Gesellschaftern als Rechtssubjekt agiert, ist eine bloß vermögensmäßige Einstandspflicht angezeigt, weil nur die Gesellschaft schuldrechtliches Verpflichtungssubjekt der eigentlichen Verbindlichkeit ist.1273 Konsequenz einer bloß vermögensmäßigen Inbezugnahme der Gesellschaftervermögen ist es, dass die Gesellschafter nicht das Erfüllungsrisiko, sondern lediglich das Ausfallrisiko der Gesellschaft sowie ihrer Mitgesellschafter zu tra1269 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III, Kap.  1 §  2 C.VII. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.1. 1271  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 1272  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. 1273  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.3, Kap.  1 §  2 C.II.3. 1270 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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gen haben. In Anbetracht der Funktionsweise des §  128 HGB ist lediglich das Erfordernis einer Aufrechterhaltung der vermögensmäßigen Ausfallrisikoverteilung zu beachten, wie sie sich aus der einseitig-akzessorischen, einzelverbindlichkeitsbezogenen, materiell-rechtlichen Außenhaftung nach §  128 HGB ergibt.1274 Im Unterschied zu einer Innenhaftung, bei der der Anspruch gegen die Gesellschafter nur der Gesellschaft zustünde,1275 wodurch ein Gläubiger bei der Geltendmachung der Gesellschafterhaftung durch ein doppeltes Ausfallrisiko belastet würde, kommt es bei §  128 HGB als materiell-rechtlicher Außenhaftung dazu, dass die Gläubiger unmittelbar einen Anspruch gegen die Gesellschafter aus §  128 HGB erhalten. Sie werden damit lediglich mit dem Ausfallrisiko des jeweiligen Gesellschafters konfrontiert. Das Erfüllungsinteresse steht dementsprechend in keiner Beziehung zu der durch §  128 HGB gesteuerten Verteilung der Regressrisiken. Auch bei einer Verneinung der Erfüllungshaftung bleibt die Einstandspflicht der Gesellschafter materiell-rechtlich eine Außenhaftung, die den Gesellschaftern des Regress­ risiko aufbürdet. Die ein Erfüllungsinteresse verfolgenden Gesellschaftsgläubiger werden lediglich mit dem Risiko der Verfahrenskosten für eine Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft belastet. Die Transaktionskosten einer Rechtsverfolgung sind aber nicht verbandsspezifisch zu qualifizieren und damit nicht Bestandteil der von §  128 HGB angeordneten Verteilung der Regressrisiken, sondern genauso wie bei einem Schuldverhältnis mit einer erfüllungsunwilligen natürlichen Person dem Rechtsstaat immanent.1276 cc) Zusammenhang von Erfüllungshaftung und Akzessorietät Von der gläubigerschützenden Erforderlichkeit zu unterscheiden ist die Frage, ob sich eine Erfüllungshaftung nicht notwendig aus der Funktionsweise der persönlichen Gesellschafterhaftung als akzessorische Einstandspflicht ergibt. (1) Gewährleistung der Durchsetzungsakzessorietät durch §  129 Abs.  1 bis 3 HGB Soweit teilweise angenommen wird, eine auf Erfüllung durch die Gesellschafter gerichtete Einstandspflicht könne sich aus der Auslegung einzelner Schuld­ verhältnisse ergeben1277 mit der Folge, dass lediglich die Vertretungsmacht der Gesellschaftsorgane zu prüfen wäre,1278 wird dabei grundsätzlich verkannt, dass die Haftung nach §  128 HGB eine gesetzliche ist.1279 Mit Begründung einer 1274 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. K. Schmidt, in: FS Goette, S.  459 ff. 1276 Vgl. Marotzke, ZInsO 2008, 57 (60 f.). 1277  Emmerich, in: Heymann, HGB, §  128 Rn.  21; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  9; Michalski, OHG-Recht, §  128 Rn.  8; a. A. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24. 1278  Emmerich, in: Heymann, HGB, §  128 Rn.  21. 1279  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  29; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24. 1275 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

Gesellschaftsverbindlichkeit aktualisiert sich lediglich der Haftungs-Istzustand.1280 Raum für eine Auslegung der Gesellschaftsverbindlichkeit gibt es dementsprechend nur im Rahmen von haftungsbeschränkenden Vereinbarungen im Sinne von §  128 Satz  2 HGB, weil überhaupt nur diesbezüglich eigenständige rechtsgeschäftliche Verpflichtungen bezogen auf die Gesellschafterhaftung vereinbart werden können.1281 Davon zu unterscheiden ist die Konstellation, in der ein Gläubiger sich auf eine zusätzliche Erfüllung durch die Gesellschafter berechtigterweise einstellt, weil diese dies als Privatperson bei Vertragsschluss privatautonom zum Ausdruck gebracht haben. Dabei kommt es nicht zu einer gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft, sondern es werden zwei parallel liegende Verbindlichkeiten rechtsgeschäftlich begründet. Erforderlich ist, dass die bei Eingehung der Gesellschaftsverbindlichkeit abgegebenen Erklärungen der handelnden Gesellschafter sowohl dahingehend auslegt werden können, dass die Gesellschafter im Rahmen ihrer organschaftlichen Stellung für die Gesellschaft handeln und diese verpflichten wollen, als auch dahingehend, dass die Gesellschafter    – gegebenenfalls konkludent    – sich auch als Privatperson persönlich binden möchten. Darüber hinaus kommt im Umfang gegebenenfalls erteilter rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht bei gewahrter Offenkundigkeit auch eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung ihrer Mitgesellschafter als Privatpersonen in Betracht. Wenn ein diesbezüglicher Wille der Handelnden hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, können sich entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen aus den Umständen ergeben. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den konkreten Leistungsgegenstand, sofern sich dieser zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses offenkundig (auch) im Privatvermögen der Gesellschafter befindet und der Gläubiger seinerseits ein objektiv berechtigtes, gesteigertes Leistungsinteresse zeigt. Fraglich ist, ob sich darüber hinaus bereits aus der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung eine inhaltsgleiche Einstandspflicht ergibt. §  129 HGB regelt in Abs.  1 bis 3 eine wesentliche Ausprägung der akzessorischen Gesellschafterhaftung, indem den Gesellschaftern im Rahmen ihrer Inanspruchnahme nach §  128 HGB das Recht zuerkannt wird, neben den persönlichen Einwendungen, abgeleitete Einwendungen der Gesellschaft geltend zu machen (Abs.  1) sowie dadurch, dass bei gegebener Anfechtungsbefugnis der Gesellschaft (Abs.  2) bzw. bei bestehender Aufrechnungslage (Abs.  3) Leistungsverweigerungsrechte zugesprochen werden.1282 §  129 Abs.  1 bis 3 HGB regeln damit das Verhältnis der persönlichen Gesellschafterhaftung zur Gesellschaftsverbindlichkeit dergestalt, dass eine Forderung solange nicht gegen die Gesellschafter geltend ge1280 

K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  29; vgl. Mülbert, AcP 199 (1999), 38 (94). 1282  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  1. 1281 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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macht werden kann, wie die Gesellschaft ihrerseits eine Befriedigung verweigern oder das Schuldverhältnis zum Erlöschen bringen kann. Dementsprechend ist die Durchsetzung der Gesellschafterhaftung einseitig akzessorisch zur Gesellschaftsverbindlichkeit. §  129 Abs.  1 bis 3 HGB sind damit Ausdruck einer Durchsetzungsakzessorietät.1283 (2) Durchbrechung der Durchsetzungsakzessorietät Demgegenüber ist die Behandlung von Hemmung und Neubeginn der Verjährung von Gesellschaftsverbindlichkeit sowie Einstandspflicht der Gesellschafter umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die Gesellschaftsverbindlichkeit einer eigenständigen Beurteilung unterliege, weil die aus einem vom Gesellschafter zum Gesellschaftsgläubiger bestehenden Rechtsverhältnis resultierenden Verjährungseinreden nicht ohne sein Zutun verkürzt werden könnten.1284 Umgekehrt soll sich der rechtzeitig in Anspruch genommene Gesellschafter auf die Einrede der Verjährung der Gesellschaftsforderung berufen können, weil anderenfalls angesichts der Regressmöglichkeit des Gesellschafters nach §  110 HGB die Einrede der Verjährung für die Gesellschaft effektiv wertlos bliebe.1285 Der rechtskräftig Verurteilte könne die Verjährung der Gesellschaftsforderung demgegenüber nicht mehr im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen.1286 Die herrschende Meinung nimmt demgegenüber an, dass die Gesellschafterhaftung keiner eigenständigen Verjährung unterliege und erst mit der „Auflösung“ der Gesellschaft    – richtigerweise Eintragung der vermeintlichen Vollbeendigung    – nach §  159 HGB eine von der Gesellschaftsverbindlichkeit abweichende Haftungsverjährung laufe.1287 Entsprechendes gelte für den ausgeschiedenen Gesellschafter gemäß §  160 HGB.1288 Hintergrund sei der Umstand, dass die Einstandspflicht nach §  128 HGB keine Schuld sei, sondern ein Zustand, der sich ständig aktualisiere.1289 Die Unterbrechung der Verjährung gegen die Gesellschaft entfalte dementsprechend unmittelbar auch gegen

1283 

Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  1. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  7 ff., §  128 Rn.  17. 1285  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  8; a. A. BGH, Uv. 22.3.1988    – X ZR 64/87, BGHZ 104, 76–82 = juris-Rn.  14; BGH, Uv. 9.7.1998    – IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214–225 = juris-Rn.  9; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  129 Rn.  9. 1286  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   129 Rn.  9; insoweit auch die h. M., vgl. Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  129 Rn.  4; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  129 Rn.  8 , 2; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  129 Rn.  11. 1287  BGH, Uv. 9.7.1998    – IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214–225 = juris-Rn.  11; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  129 Rn.  7, §  128 Rn.  3; vgl. Flume, in: FS Knur, S.  133; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Kap.  18 II 3 f, S.  639. 1288  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  129 Rn.  8; zu §  159 HGB a. F., Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Kap.  18 II 3 f, S.  639. 1289  K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  128 Rn.  6 , §  129 Rn.  7; siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 1284 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

die Gesellschafter Wirkung.1290 Angesicht der bloß einseitigen Akzessorietät wirke eine Hemmungshandlung gegenüber einem in Anspruch genommenen Gesellschafter nicht gegenüber der Gesellschaft sowie gegenüber den übrigen für die Gesellschaftsverbindlichkeit haftenden Gesellschaftern.1291 Allerdings könne sich ein in Anspruch genommener Gesellschafter, dem gegenüber die Verjährung gehemmt ist, nicht auf die zwischenzeitliche Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit berufen.1292 Dies geböten Sinn und Zweck der Gesellschafterhaftung sowie der Verjährungsregelungen, sodass §  129 Abs.  1 HGB insoweit teleologisch zu reduzieren sei.1293 Dem Gläubiger sei es nicht zuzumuten, eine gegebenenfalls nicht mehr liquide Gesellschaft ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Dadurch, dass der Gesellschafter auch bei verjährter Gesellschaftsverbindlichkeit Rückgriff gemäß §  110 HGB nehmen könne, werde die Gesellschaft effektiv ihres Verjährungseinwands verlustig. Dies sei jedoch unschädlich, weil diese Konstellation der eines Gesamtschuldnerausgleichs vergleichbar sei, bei dem §  426 Abs.  1 BGB gleichfalls einen Anspruch bei zwischenzeitlich verjährter Hauptforderung gewähre.1294 Einer eigenständigen Verjährung der Gesellschafterverbindlichkeiten bedarf es nach dieser vorzugswürdigen Auffassung nicht. So wird mit §  128 HGB keine gänzlich eigenständige Schuld der Gesellschafter angeordnet. Die schuldrechtliche Einstandspflicht der Gesellschafter im Verhältnis zu den Gläubigern wird vielmehr    – unter Aktualisierung des Haftungs-Istzustands im Verhältnis zur Gesellschaft    – durch die tatbestandliche Bezugnahme des §  128 HGB auf eine einzelne Gesellschaftsverbindlichkeit als Folge des notwendigen Zusammenhangs von Schuld und Vermögenshaftung reflexhaft begründet. Konsequente Folge des Einzelverbindlichkeitsbezugs der Haftungsanordnung ist die einseitig wirkende Akzessorietät. §  128 HGB unterwirft das Gesellschaftervermögen dem Haftungszugriff soweit, wie es unter Berücksichtigung berechtigter Gläubigerinteressen erforderlich ist, sie vor den Nachteilen einer schuldrechtlichen Verbindung mit einem 1290  BGH, Uv. 22.9.1980     – II ZR 204/79, BGHZ 78, 114–121 = juris-Rn.  12; BGH, Uv. 22.3.1988    – X ZR 64/87, BGHZ 104, 76–82 = juris-Rn.  9 ff.; Emmerich, in: Heymann, HGB, §  129 Rn.  8; Flume, in: FS Knur, S.  134 f.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  129 Rn.  4; Michalski, OHG-Recht, §  129 Rn.  9; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  129 Rn.  2; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  129 Rn.  8; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-969. 1291  Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  129 Rn.  4; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  129 Rn.  9; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-969; offen lassend, BGH, Uv. 22.3.1988    – X ZR 64/87, BGHZ 104, 76–82 = juris-Rn.  17. 1292  Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020; Rn.  I-753, I-969. 1293  BGH, Uv. 22.3.1988    – X ZR 64/87, BGHZ 104, 76–82 = juris-Rn.  16; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §   129 Rn.   4; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §   129 Rn.   16; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  129 Rn.  9; Wertenbruch, in: Handbuch Personen­ gesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-753. 1294  Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  129 Rn.  16.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Verband, anstatt mit einer natürlichen Person zu schützen. Würde man eine einheitliche Verjährung der Verbindlichkeiten ablehnen, könnte dies zur Folge haben, dass ein Gläubiger, obwohl er noch eine Forderung gegen die Gesellschaft hat, weil deren Verjährung etwa gehemmt ist, das ihm funktional zugewiesene Gesellschaftervermögen nicht mehr geltend machen kann, weil ihm der Zugriff auf Ebene der Durchsetzung abgeschnitten wird. Aus den §§  159 f. HGB ergibt sich, dass ein derartiges Auseinanderlaufen von Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschaftereinstandspflicht nur angezeigt ist, wenn sich der Haftungs-Istzustand nicht mehr kraft mitgliedschaftlicher Verbindung aktualisieren kann.1295 Auch auf Ebene der Durchsetzbarkeit ist die Einstandspflicht daher eine akzessorische. Problematischer ist demgegenüber die Frage, ob sich ein in Anspruch genommener Gesellschafter auf eine zwischenzeitliche Verjährung der nicht zwangsläufig gehemmten Gesellschaftsverbindlichkeit berufen kann.1296 Bei strenger Annahme der einseitig wirkenden Akzessorietät auf Durchsetzungsebene müsste sich die Einstandspflicht ständig auf das Schicksal der Gesellschaftsverbindlichkeit beziehen. Angesichts der einseitigen Wirkungsweise der Akzessorietät kommt jedenfalls keine Erstreckung der Hemmung gegenüber einem Gesellschafter auf das Rechtsverhältnis zur Gesellschaft in Betracht. In unmittelbarer Anwendung des §  129 Abs.  1 BGB ist das Ergebnis ebenfalls eindeutig. Der Gesellschafter kann danach die Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit geltend machen. Allenfalls eine teleologische Reduktion der Durchsetzungsakzessorietät kommt in Betracht. Dabei stehen sich die Interessen der Gläubiger sowie die Gesellschaftsinteressen wertungsmäßig gegenüber. Die in Anspruch genommenen Gesellschafter können sich demgegenüber im Innenverhältnis zur Gesellschaft nach §  110 HGB sowie gegenüber den Mitgesellschaftern gemäß §  426 Abs.  1 BGB schadlos halten.1297 Sie tragen damit lediglich das von der Gesellschafterhaftung intendierte Ausfallrisiko. Dieser Mechanismus ist Ausdruck der materiellen Außenhaftung des §  128 HGB. Es stellt sich demgegenüber einerseits die Frage, ob es einem Gläubiger zuzumuten ist, Gesellschaft und Gesellschafter stets gemeinsam zu verklagen, damit beide Ansprüche gehemmt werden, sowie andererseits, ob die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse an einer endgültigen Durchsetzungssperre hinsichtlich den gegenüber ihr verjährten Forderungen hat, welche sich auch auf Regressansprüche nach §  110 HGB erstreckt. Während es dem Regelungszweck des §  128 HGB 1295 

Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-969. Ablehnend, BGH, Uv. 22.3.1988    – X ZR 64/87, BGHZ 104, 76–82 = juris-Rn.  16; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  129 Rn.  4; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  129 Rn.  16; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  129 Rn.  9; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-753. 1297  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III, Kap.  1 §  2 C.VII.3, zur Berücksichtigung im Rahmen der Kapitalkonten sowie zum Rangverhältnis des §  426 Abs.  1 BGB zu §  110 HGB oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)ee). 1296 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

entspricht, dass Gesellschaftsgläubiger aus dem Schuldverhältnis gegenüber dem Verband keine Schlechterstellung erfahren, spricht für einen Vertrauensschutz der Gesellschaft hinsichtlich den gegenüber ihr verjährten Forderungen ihre Eigenschaft als eigenständiges Rechtssubjekt. Als solches kommt sie grundsätzlich genauso in den Genuss der Befriedung durch eine Verjährung wie andere Rechtssubjekte auch. Gegen ein entsprechendes Verständnis spricht indes der Vergleich mit dem Regelungsregime der gesamtschuldnerischen Haftung.1298 Wenn schon bei Gleichstufigkeit von Verbindlichkeiten die Verjährung gegenüber einem Schuldner keine Auswirkungen auf die Regressverteilung im Innenverhältnis hat, spricht dies dafür, dass bei einer vorrangigen Einstandspflicht im Innenverhältnis insbesondere dann keine abweichende Beurteilung in Betracht kommt, wenn diese sogar Auswirkungen auf das Außenverhältnis hätte. Könnte sich ein Gesellschafter gegenüber seiner Inanspruchnahme auf die zwischenzeitliche Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit berufen, würde dies ferner einer möglichst einfachen Gläubigerbefriedigung zuwiderlaufen, weil dem Gläubiger, der gegenüber einem Gesellschafter die Gesellschaftsverbindlichkeit eintreiben möchte, die eigentliche Forderung abgeschnitten würde. Unmittelbar profitieren würde davon die Gesellschaft. Die Gläubiger haben insbesondere keine Möglichkeit, antizipiert Ansprüche des Gesellschafters nach §  110 HGB pfänden und überweisen zu lassen, weil diese noch nicht zur Entstehung gekommen sind. Ferner trüge der Gläubiger ein gesteigertes    – weil gestuftes    – Ausfallrisiko. Ließe man den Verjährungseinwand des Gesellschafters zu, würde sich daher für die Gläubiger ein zusätzlicher Aktionsaufwand ergeben, der darin besteht, dass sie sich im Zeitpunkt der Inanspruchnahme über die Vermögensverhältnisse von Gesellschaft und Gesellschaftern genau informieren müssten, um ihren Rechtsverfolgungsaufwand kalkulieren zu können. Dieser Aufwand ergäbe sich ausschließlich aus dem Zusammenschluss als Verband. Derartige Informationsbeschaffungskosten sind von solchen zu unterscheiden, bei denen es um die erstmalige Analyse des Schuldnervermögens sowie das Vorhandensein konkreter Vermögensgegenstände in einem Vermögen geht.1299 Die einseitige Akzessorietät würde bei Zulassung des Verjährungseinwands des Gesellschafters ein zusätzliches verbandsspezifisches Risiko produzieren. Dies liefe dem Regelungszweck des §  128 HGB, der darauf gerichtet ist, solche Risiken zu internalisieren, zuwider. Beschränkt man den Anwendungsbereich des §  128 HGB demgegenüber auf diejenigen Konstellationen, in denen sich das verbandsspezifische Risiko realisiert, dass die Personenaußengesellschaft nicht mehr als verkehrsfähiges Rechtssubjekt zur Verfügung steht, ergeben sich entsprechende Probleme hinsichtlich einer Hemmung der Verjährung nicht. Vielmehr bliebe die strenge einseitige 1298 Vgl. 1299 

Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  129 Rn.  16. Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.2.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Akzessorietät dadurch gewahrt, dass sich die Gesellschafter zuerst an die Gesellschaft als ihren Schuldner wenden müssten. Maßgeblich bliebe ausschließlich eine Hemmung der Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeit. Macht etwa der Insolvenzverwalter im Rahmen von §  93 InsO Forderungen nach §  128 HGB geltend, richtet sich deren Verjährung strikt einseitig akzessorisch nach der Gesellschaftsverbindlichkeit. Soweit im Rahmen einer Liquidation Ansprüche nach §  735 BGB geltend zu machen sind, beginnt deren Verjährung neu, da es sich dabei um neue Ansprüche handelt. Eine Gläubigerbeeinträchtigung ist insoweit nicht zu befürchten. (3) Wechselwirkung von materieller Akzessorietät nach §  128 HGB und Durchsetzungsakzessorietät nach §  129 HGB Die herrschende Meinung leitet aus der in §§  129, 128 HGB verankerten Akzessorietät der Gesellschafterhaftung ab, dass der Inhalt der Gesellschafterschuld demjenigen der Gesellschaftsschuld entspreche.1300 Die Akzessorietät gelte hinsichtlich Entstehung, Fortbestand, Durchsetzung und Inhalt der Gesellschafterschuld.1301 Die Ausführungen über die Reichweite der Verjährungshemmung zeigen, dass §  129 Abs.  1 bis 3 HGB nicht selbst Ausdruck der akzessorischen, materiell-rechtlichen Einstandspflicht sind. §  129 HGB flankiert vielmehr die materiell-rechtliche Einstandspflicht nach §  128 HGB auf Ebene der Durchsetzung. Die Vorschrift dient damit der korrigierenden Feinsteuerung, damit es nicht zu Über- bzw. Unterkompensation der Gläubiger kommt. Sie gewährleistet die Aufrechterhaltung der aus der einseitig-akzessorischen, einzelverbindlichkeitsbezogenen, materiell-rechtlichen Außenhaftung nach §  128 HGB sowie die daraus resultierende Verteilung der Ausfallrisiken. Über die Durchsetzungsakzessorietät hinaus trifft §  129 HGB damit aber keine Aussage über die materiell-rechtliche Reichweite sowie die Auswirkungen der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung. Dies ist eine Frage, die sich ausschließlich nach §  128 HGB zu beurteilen hat, der die Gesellschafterhaftung in materiell-rechtlicher Hinsicht anordnet. Soweit daher darauf abgestellt wird, dass die sich aus der Akzessorietät ergebende Parallelität der Verteidigungsmöglichkeiten dafür spreche, dass das persönliche Verpflichtetsein der Gesellschafter von Anfang an den gleichen Inhalt habe wie die jeweilige Gesellschaftsverbindlichkeit,1302 wird das Wechselspiel zwischen der Akzessorietät auf Ebene der materiellen Anspruchsentstehung sowie deren Durchsetzung nicht hinreichend berücksichtigt. So kann der Inhalt der Gesellschafterhaftung jedenfalls dann nicht aus der Parallelität der Verteidigungsmöglichkeiten abgeleitet werden, wenn sich diese 1300  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  20 ff., 27 ff.; K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  128 Rn.  24. 1301  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  21. 1302 Vgl. Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (257); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  27; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  49 III 1. b) aa); ders., in: MüKoHGB, §  128 Rn.  24.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

aus §  129 HGB ergeben. Vielmehr dient die Akzessorietätsanordnung des §  129 HGB nur zum Ausgleich derjenigen Nachteile, die die Gesellschafter durch eine persönliche Einstandspflicht zu erleiden drohen, aber über den Zweck der Haftungsanordnung des §  128 HGB hinausgehen. Soweit dieses Risiko nicht droht, kommt daher auch eine teleologische Reduktion zugunsten von Gläubigerinteressen in Betracht. Der Gegenstand solcher Überlegungen beschränkt sich aber auch auf die bloße Durchsetzung eines Anspruchs, ohne Auswirkungen auf den eigentlichen Forderungsbestand zu nehmen. Mangels materiell-­ rechtlicher Ausrichtung des §  129 HGB, kann sich also der Inhalt der Verpflichtung der Gesellschafter ausschließlich aus §  128 HGB bestimmen. Nach dem bisherigen Untersuchungsbefund ist es für den intendierten Gläubigerschutz indes nur erforderlich, dass die Einstandspflicht der Gesellschafter materiell-­ rechtlich eine Außenhaftung bleibt. Die Frage der Subsidiarität ist damit nicht berührt. Auch eine bloß nachgelagerte Einstandspflicht steht einer rechtlichen Einordnung als akzessorischer Außenhaftung nicht entgegen. Veranschaulicht man sich den Regelungszweck des §  129 HGB, dient die Regelung gerade der Verhinderung einer Überkompensation der Gesellschaftsgläubiger durch die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die Frage einer Erfüllungsfunktion läuft diesem Ziel indes zuwider, sodass eine solche nicht aus der Regelung des §  129 HGB abgeleitet werden kann. Dieser sichert lediglich die Durchsetzungsakzessorietät im Gesellschafterinteresse. Eine inhaltliche Akzessorietät kann sich dementsprechend lediglich aus dem Umstand ergeben, dass die Gesellschafter nach §  128 HGB für die Gesellschaftsverbindlichkeit einzustehen haben. Eine Erfüllungsfunktion der Gesellschafterhaftung ergibt sich demnach nicht notwendig aus der gesetzlichen Systematik. Allenfalls der Regelungszweck des §  128 HGB kann eine solche indizieren. Dies kommt indes nur in Betracht, wenn die Gesellschaftsgläubiger diesbezüglich ein spezifisch rechtliches Interesse haben, wie es sich daraus ergaben kann, dass sie ein Schuldverhältnis mit einem Personenverband begründet haben anstatt mit einer natürlichen Person. Bei entsprechend schutzbedürftigem Interesse käme eine Aktualisierung des Haftungs-Istzustands in Richtung einer Erfüllungshaftung in Betracht. Ungeachtet des Einzelverbindlichkeitsbezugs als normative Entstehungsgrundlage der Gesellschafterhaftung folgt aus der materiellen Akzessorietät als solcher jedenfalls keine notwendige Inhaltsgleichheit. dd) Vollstreckungsrechtliche Fortwirkung der Vermögenstrennung Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund des §  129 Abs.  4 HGB. Dieser stellt lediglich klar, dass aus einem Titel gegen die Gesellschaft nicht in die Privatvermögen der Gesellschafter vollstreckt werden kann und ergänzt damit §  124 Abs.  2 HGB. Angesichts der Vermögenstrennung ist diese Annahme bei Anerkennung der Rechtssubjektivität zwingend. Aus der

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Vermögenstrennung ergibt sich, dass ein Gesellschafter nicht mit einer Gesellschaftsforderung gegen eine Privatschuld aufrechnen kann sowie die Gesellschaft nicht mit einer Privatforderung gegen eine Gesellschaftsschuld.1303 „Der nach außen wirksamen Selbstständigkeit des Gesellschaftsvermögens, insbesondere der Zulassung eines besonderen Gesellschaftskonkurses, welcher nur zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dient, entspricht es, da[ss] das Gesellschaftsvermögen überhaupt dem unmittelbaren Zugriffe der Privatgläubiger entzogen wird, selbst wenn für die Schuld alle Gesellschafter haften.“1304

Ebenso hat die Eigenständigkeit der Gesellschaft zur selbstverständlichen Folge, dass ein Gesellschafter nicht für die Gesellschaft Gestaltungsrechte ausüben kann. Im Rahmen der Durchsetzungsakzessorietät ordnen §  129 Abs.  2, Abs.  3 HGB daher gesellschafterschützende Leistungsverweigerungsrechte an. Gleichwohl hat die Durchsetzungsakzessorietät zur Folge, dass durch ein Urteil gegen die Gesellschaft abgeschnittene Einwendungen entsprechend §  767 Abs.  2 ZPO akzessorietätsbedingt präkludiert sein können.1305 In vollstreckungsrechtlicher Hinsicht bedeutet eine Erfüllungshaftung der Gesellschafter demzufolge nicht, dass mit einem Gesellschaftstitel auch in die Gesellschaftervermögen vollstreckt werden kann. Sie ist daher auch nicht aus Aspekten der Verfahrensökonomie angezeigt, um eine unkomplizierte Vollstreckung in die Gesellschaftervermögen zu ermöglichen. Die Ablehnung einer (primären) Erfüllungshaftung der Gesellschafter führte zwar dazu, dass ein Titel gegenüber der Gesellschaft anders lauten würde als gegenüber den Gesellschaftern.1306 Eine bestimmte Bewertung der §  128 HGB zugrundeliegenden Einstandspflicht als Erfüllungshaftung ist damit indes nicht verbunden, weil Klageantrag und Titel ohnehin stets auf den jeweiligen Schuldner bezogen sein müssen. Im Rahmen der Einzelvollstreckung sind die Gläubiger bei der Möglichkeit einer primären auf Erfüllung gerichteten Inanspruchnahme lediglich in der Lage zu entscheiden, ob sie mit gleichlautendem Klageantrag gegen die Gesellschaft einen Titel erwirken bzw. gegen die Gesellschafter.1307 Auch ein gleichlautender Titel führt indes nicht dazu, dass mit einem schuldnerfremden Titel vollstreckt werden kann. Eine wechselseitige Titelumschreibung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter oder umgekehrt kommt    – vorbehaltlich einer Gesamtrechtsnachfolge eines einzelnen Gesellschafters    – nicht ohne Weiteres in Betracht, 1303 

Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  264. Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  264, 267 f. 1305  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   129 Rn.  11; eine Rechtskrafterstreckung sui generis annehmend, Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-966 mit Verweis auf v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S.  594 ff. 1306 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  28 ff., 31 ff. 1307  Eine „Umwandlung“ der Verbindlichkeit problematisierend, Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-904. 1304 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

vgl. §  727 ZPO, dessen analoge Anwendung §  129 Abs.  4 HGB zuwider liefe.1308 Auch eine inhaltsgleiche Einstandspflicht bedeutet daher lediglich die Möglichkeit, gleiche Klageanträge zu formulieren. Problematisch erscheint die Ablehnung einer Erfüllungshaftung hingegen mit Blick auf den Wortlaut des §  736 ZPO, wonach „[z]ur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach §  705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft […] ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich [ist].“1309

Erklären lässt sich dies mit dem früheren Verständnis von der Rechtsnatur der Gesamthand.1310 Weiterhin zutreffend ist dieses zwangsvollstreckungsrecht­ liche Vorgehen im Zusammenhang mit bloßen Innengesellschaften, weil diese nicht rechtsfähig sind und nicht Träger eines Vermögens sein können.1311 Soweit im Rahmen einer Innengesellschaft eine Vermögenssonderung vorgenommen wird, entfaltet diese noch keine rechtssubjektive Außenwirkung mit der Folge, dass die Vermögensverbindung den Innengesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zusteht.1312 Ein vollstreckungsrechtlicher Zugriff auf diese Vermögensverbindung erfordert notwendig einen Titel gegen alle Gesellschafter. Nur in dieser Konstellation entfaltet §  736 ZPO noch einen Geltungsbereich. Soweit eine Personenaußengesellschaft demgegenüber Rechtsfähigkeit erlangt, sollte die Regelung teleologisch unter Zugrundelegung der §§   124 Abs.  2, 129 Abs.  4 HGB reduziert und ein Titel gegen die Gesellschaft verlangt werden.1313 Unter gleichzeitiger Beachtung von Sinn und Zweck des §  736 ZPO, 1308  OLG Hamm, Bv. 10.2.1978    – 20 W 39/77, NJW 1979, 51 (52); Boesche, in: Oetker, HGB, §  129 Rn.  15; Emmerich, in: Heymann, HGB, §  129 Rn.  18; Gummert, in: MünchHdb. GesR I, §  20 Rn.  32 ff.; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  26; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  129 Rn.  15; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §§  128, 129 Rn.  6; Klimke, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  129 Rn.  26; Neubauer/Herchen, in: MünchHdb. GesR I, §  71 Rn.  1 ff.; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  129 Rn.  15; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  129 Rn.  27 ff.; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  129 Rn.  18. 1309 Vgl. K. Schmidt, NJW 2003, 1897 (1897 f.); de lege ferenda angesichts der Reservierung des Gesellschaftsvermögens für deren Gläubiger eine Streichung befürwortend, Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2083 ff., 2089 ff., 2091); siehe zu §  736 ZPO auch unten Kap.  3 §  8 A.IV; zur Ersetzung des §  736 ZPO durch §  722 BGB-E sowie zum Zusammenhang mit der durch §  713 BGB-E manifestierten Vermögenstrennung, RegE MoPeG, S.  21, 194, 237. Nach §  722 BGB-E soll (ausdrücklich klarstellend) einen Titel gegen den jeweiligen Schuldner erfordern. 1310 Vgl. Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2082 f.). 1311  Diese Funktion des §  736 ZPO aus §  750 ZPO ableitend, Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2083, 2091). 1312  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.7. 1313  Hadding/Kießling, in: Soergel, (2012) BGB, §  705 Rn.  56; Hadding, ZGR 30 (2001), 712 (734); a. A. BGH, Uv. 22.3.2011    – II ZR 249/09, juris-Rn.  11 f.; BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  23 ff.; sodann aber eine Drittwiderspruchsklage befürwortend, C. Schäfer, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  718 Rn.  57 f.; K. Schmidt, NJW 2001, 993 (1001 f.); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-865; vgl. ders., ZIP 2019, 2082 (2085) m. w. N. in Fn.  34 f.; siehe dazu unten Kap.  3 §  8 A.IV; vgl. RegE MoPeG, S.  21, 195.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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die Vermögenstrennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zu gewährleisten,1314 ließe sich ein solcher Titel gegen die Gesellschaft unter das Tatbestandsmerkmal „gegen alle Gesellschafter“ im Sinne der Vorschrift subsumieren. Mit diesem teleologischen Vorgehen würde man insbesondere den Gerichts­ vollzieher von der überflüssigen Prüfung des Gesellschafterbestands befreien.1315 Überwiegend wird §  736 ZPO aber    – in Abgrenzung zu §  124 Abs.  2 HGB    – als vollstreckungsrechtliche Sonderregelung über das Recht der GbR verstanden.1316 Während „die Vollstreckung in das Vermögen eines eigenständigen Rechtssubjekts grundsätzlich einen Titel voraussetzt, dessen Gegenstand eine nach materiellem Recht bestehende Verpflichtung dieses Schuldners ist und ein Titel nur die Vollstreckung in das Vermögen des im Titel bezeichneten Schuldners eröffnen kann[, sei dies] hinnehmbar, wenn Gegenstand der titulierten Verpflichtung eine Verbindlichkeit der Gesellschaft ist, für die die in Anspruch genommenen Gesellschafter haften, und alle Gesellschafter dem Vollstreckungszugriff unterworfen sind“.1317

Für eine derartige Sonderrolle spricht, dass §  705 BGB sowohl Innen- als auch Außengesellschaften erfasst. Allerdings erfährt eine abweichende Behandlung der Außen-GbR gegenüber der oHG keine materielle Rechtfertigung.1318 Angesicht der Möglichkeit fließender identitätswahrender Umwandlung steht die Außen-GbR der oHG    – und damit einer analogen Anwendung des §  124 Abs.  2 HGB    – deutlich näher, als der bloßen Innen-GbR.1319 Dies folgt ebenfalls aus der Beschränkung der Rechtssubjektivität auf Personenaußengesellschaften. Nach vorzugswürdigem Verständnis bedarf es daher für eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen unmittelbar eines Titels gegen die Gesellschaft. Ungeachtet einer Qualifizierung der Gesellschafterhaftung als primär oder sub­ sidiär sind Antrag und Titel bezogen auf das Privatvermögen demgegenüber gesondert zu formulieren. Lässt man hingegen weiterhin einen Titel gegen alle Gesellschafter ausreichen, um in das Gesellschaftsvermögen zu vollstrecken, ist es aber vor dem Hintergrund der Vermögenstrennung unter allen Umständen angezeigt, jedenfalls im Ergebnis einen Gesellschaftsbezug der Verbindlichkeit zu verlangen.1320 Mit Blick auf die Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens bietet sich eine Berücksichtigung im Rahmen einer Drittwider-

1314  BGH, Uv. 29.1.2001    – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341–361 = juris-Rn.  24 ff.; vgl. Werten­ bruch, ZIP 2019, 2082 (2082). 1315 Vgl. Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2086 f.). 1316 Vgl. Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2085). 1317  BGH, Uv. 22.3.2011    – II ZR 249/09, juris-Rn.  12. 1318  So auch Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2089 ff.). 1319 Vgl. Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2090 f.). 1320  So BGH, Uv. 22.3.2011    – II ZR 249/09, juris-Rn.  11 f.; OLG Hamburg, Bv. 10.2.2011    – 13 W 5/11, juris-Rn.  11; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, §  736 Rn.  4; Ulrici, in: BeckOK ZPO, Stand: 1.12.2020, §  736 Rn.  12.2.

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spruchsklage gemäß §  771 ZPO an.1321 Demgegenüber wird teilweise angenommen, dass die gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens lediglich einen Zugriff einzelner Gesellschafter bzw. deren Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen verhindern solle, nicht hingegen einen vom Gesellschaftszweck abstrahierten Zugriff der Gesellschaftergesamtheit.1322 Dementsprechend könne ein Gläubiger einen Gesamtschuldtitel gegen alle Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken, sogar wenn die Verbindlichkeit nicht in der „Gesellschaftssphäre“ entstanden ist.1323 Auch wenn die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit in der Lage sind, die Gesellschaft als Rechtssubjekt von Innen auszuhöhlen, führt dieses Verständnis zu einer Verkennung der konsequenten Vermögenstrennung bis zur Vollbeendigung der Gesellschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Gesellschaft materiell-rechtlich als Schuldnerin existent. Anlass, davon auf vollstreckungsrechtlicher Ebene abzuweichen, gibt es nicht. Allenfalls mit dem Wegfall der Gesellschaft als Schuldnerin sowie der Aufhebung der Vermögenstrennung entsteht ein Bedürfnis, aus einem Titel gegen die Gesellschaft in ein Gesellschaftervermögen vollstrecken zu können. Bei offenen Gesellschaftsverbindlichkeiten kommt ein Wegfall des Personenverbandes als Rechtssubjekt nur in Betracht, wenn durch den Austritt des vorletzten Gesellschafters das Sozietätsfundament wegbricht. Dann ist der verbleibende Gesellschafter aber auch Rechtsnachfolger der Gesellschaft (vgl. §§  325, 727 ZPO). Folglich ergibt sich auch aus §  129 Abs.  4 HGB keine Notwendigkeit einer unmittelbaren Erfüllungshaftung der Gesellschafter. ee) Zusammenfassung: Keine aus dem Normzweck folgende Erfüllungsfunktion In der Vergangenheit wurde davon ausgegangen, dass die Analyse der Haftung nach §  128 HGB sich auf Sinn und Zweck dieser Regelung beschränken könne, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur der tatbestandlich in Bezug genommenen Gesellschaft bedürfte, weil die systematisch voranstehenden Regelungen der §§  105 ff. HGB hinreichend ausführlich    – insbesondere mit §  124 HGB    – das Außenverhältnis der Gesellschaft gegenüber Dritten bestimmten.1324 Mangels argumentativ belastbarer Bezugsmöglichkeit auf die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft erfolgte die Bestimmung des Regelungszwecks des §  128 HGB abstrakt. Mit der Konturierung der dogmatischen Natur der Außengesamthand ist eine Untersuchung der persönlichen Gesellschafterhaftung nunmehr unter Rückbezug auf die verbandsrechtliche Verfassung der Personenaußengesellschaft möglich. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Identifikation der von einem Personenverband im Rechtsverkehr be1321 

1322 

559.

1323  1324 

C. Schäfer, in: MüKoBGB, 7.  Aufl., §  718 Rn.  57 f.; K. Schmidt, NJW 2001, 993 (1001 f.). Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, I-190c, 865, Heßler, in: MüKoZPO, §  736 Rn.  24 ff., 27. Fischer, in: Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, S.  815.

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troffenen Gläubigerrisiken, denen durch die Regelung des §   128 HGB zu begegnen ist und die im Rahmen des Regelungszwecks der Haftung innere Grenzen setzen können. Der Regelungszweck der Gesellschafterhaftung hat sich danach zu orientieren, inwieweit auch ein verbandsspezifisches Regelungsbedürfnis gegeben ist. Nur soweit, wie Gläubiger der Gesellschaft dadurch eine Schlechterstellung erfahren, dass sie mit einer Personenaußengesellschaft in ­einem Schuldverhältnis stehen, anstatt mit einer natürlichen Person, erfährt die Haftungsunterwerfung der Gesellschafterprivatvermögen eine spezifisch rechtliche Legitimation. Erstreckt man die Gesellschaftereinstandspflicht hingegen über verbandsspezifische Gefährdungslagen hinaus, erfahren die Gläubiger eine rechtlich nicht gerechtfertigte Überkompensation. Mit Blick auf die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft ist weder eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter noch eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschaftervermögen aus Gläubigerschutzgesichtspunkten angezeigt. Vor dem Hintergrund der Rechtsnatur als Personenverband sowie der daraus folgenden Vermögenstrennung ergibt sich, dass den Gläubigern bis zur Vollbeendigung des Verbandes mit diesem ein haftungsfähiges Rechtssubjekt sowie ein diesem zugeordnetes Vermögen als Haftungsobjekt zur Verfügung stehen. Angesichts des Umstandes, dass offene Gesellschaftsverbindlichkeiten einer Vollbeendigung entgegenstehen, ist ein berechtigtes Interesse der Gläubiger, vorrangig auf die Gesellschaftervermögen zugreifen zu können, nicht ersichtlich. Auch für den Fall, dass die Gesellschaft selbst nicht in der Lage ist, eine Verbindlichkeit zu erfüllen oder schlicht nicht dazu gewillt, ergibt sich weder aus der Regelungssystematik noch aus dem Regelungszweck des Gläubigerschutzes eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter. Haben Gesellschaftsgläubiger ein Interesse an einer unmittelbaren Erfüllung durch die Gesellschafter, können Sie dies im Rahmen gesonderter Schuldverhältnisse individuell mit den Gesellschaftern vereinbaren. Im Übrigen besteht lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung der Gesellschaft, auf die Gesellschafter einzuwirken, aus ihrem Privatvermögen heraus eine Erfüllung zu bewirken, wie dies etwa bei der Veräußerung einer in fremdem Eigentum stehenden Sache angezeigt wäre. Ist der Dritte dazu nicht bereit, ist die Erfüllung der Verbindlichkeit für den Schuldner unmöglich mit der Folge der Eröffnung des Leistungsstörungsrechts. Eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter ist damit nicht aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten. Allenfalls das rechtspolitische Interesse an einer gesteigerten Kreditwürdigkeit der Personenaußengesellschaft, im Sinne einer leichteren Befriedigung der Gläubiger,1325 kann daher eine Erfüllungshaftung der Gesellschafter rechtfertigen.

1325 

A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 3, S.  313 f.

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2. Kreditwürdigkeit von Personengesellschaften Aus Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes bedarf es dementsprechend keiner Erfüllungshaftung der Gesellschafter. Allerdings wird überwiegend angenommen, dass die persönliche Gesellschafterhaftung auch für die Kreditwürdigkeit der Personengesellschaften erforderlich sei.1326 Eine Erfüllung durch die Gesellschafter trage maßgeblich zu deren Kreditfähigkeit bei.1327 Mit Blick auf das Argument der Kreditwürdigkeit ist zu berücksichtigen, dass bereits die Eigenschaft als Rechtssubjekt zu einem Attraktivitätsgewinn der Rechtsform der Personenaußengesellschaft für den Rechtsverkehr führt. Die Zulässigkeit des verbandsrechtlichen Zusammenschlusses ermöglicht, dass individuelle Kompetenzen mehrerer Subjekte in der Person eines Schuldners gebündelt werden können.1328 Fraglich ist, auf welche Art und Weise der schon lange existenten Annahme zu gewährleistender Kreditwürdigkeit mit Blick auf das gewandelte Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft zu genügen ist.1329 Entsprechend dem Vorgehen der bisherigen Untersuchung ist hinsichtlich der Aussage, dass die Gesellschafterhaftung erforderlich sei, um die Kreditwürdigkeit der Personengesellschaft zu gewährleisten, zu differenzieren. Dabei sind letztlich drei Ebenen zu würdigen. Insoweit ist das bloße „ob“ der materiellen Gesellschafter-Außenhaftung zu berücksichtigen, die primäre Inanspruchnahme sowie der Inhalt der, gegebenenfalls auf Erfüllung gerichteten, Einstandspflicht. Je weitreichender die Gläubiger auf die Gesellschafter zugreifen können, desto attraktiver könnte sich eine Interaktion mit einer Personenaußengesellschaft gestalten. Bejaht man die Einstandspflicht auf allen drei Ebenen, besteht ein maßgeblicher Vorteil für die Gläubiger darin, dass es über die Information der Rechtsform hinaus keiner weiteren Informationsbeschaffung bedarf.1330 Auf diese Weise wird das Bewertungsrisiko minimiert.1331 Von den damit eingesparten Informationsbeschaffungskosten profitieren mittelbar die Gesellschaft sowie die Gesellschafter, weil ihre Kreditkosten geringer ausfallen.1332 Sinn und Zweck des §  128 HGB ist es indes nicht, die Attraktivität aus Sicht der Gläubiger auf ein Maximum anzuheben. Der Regelungszweck gebietet es vielmehr, durch die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter die wirtschaftliche Stellung der Personengesellschaft mit Blick auf die verbandsspezifischen Gemengelagen aufzuwerten und auf ein marktfähiges Interaktionsniveau anzuheben. Ein sach1326 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1. A. Hueck, Das Recht der oHG, §  21 II 3, S.  313 f.; Martensen, Der Inhalt der unbeschränkten Haftung, S.  58 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-903; vgl. BGH, Uv. 22.3.1988    – X ZR 64/87, BGHZ 104, 76–82 = juris-Rn.  15. 1328 Vgl. Henssler, AnwBl 1996, 3 (10). 1329  Unter Verweis auf das preußische Recht, Canaris, ZGR 33 (2004), 69 (69 ff). 1330  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 A.III.3. 1331 Vgl. Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (154). 1332  Siehe dazu oben Einführung §  1 B.III. 1327 

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gerechter Interessenausgleich der beteiligten Akteure gebietet es daher, Gläubigerrisiken zu internalisieren, dies jedoch nicht einseitig durch eine maximale Externalisierung der Gesellschafterrisiken, sondern lediglich auf ein, der Privatautonomie entsprechendes, Gleichgewichtsniveau. Maßgeblich ist nämlich auch, dass das Institut der persönlichen Gesellschafterhaftung der privatautonomen Interessenlage der Gesellschafter zum Zeitpunkt der Konstituierung des Verbandes entspricht. So sind es neben den Gläubigerinteressen auch die Gesellschafterinteressen, die Auswirkungen auf die Wirtschaftsfähigkeit der Personenaußengesellschaften haben. Bei übermäßiger Belastung der Gesellschafter würde die Attraktivität der Gesellschaftsform von deren Kreditfähigkeit letztlich „erdrückt“. Fraglich ist daher, welche Informationsbeschaffungen oder zusätzlichen Sicherheiten dem Rechtsverkehr mit Blick auf die Interessen der beteiligten Akteure zuzumuten sind, ohne dass damit ein signifikanter Attraktivitätsverlust der Rechtsform Personengesellschaft als solcher verbunden ist. Maßgebliche Anknüpfungspunkte für die Beurteilung zu gewährleistender Kreditwürdigkeit sind die Regelung des §  128 HGB sowie der diesem zugrunde liegende Regelungszweck. Ungeachtet der dogmatischen Weiterentwicklung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft hat sich die Regelung des §  128 HGB nicht verändert. Daher sollen zuerst hilfsweise rechtsökonomische Erwägungen darüber herangezogen werden, was rechtsformunabhängig die Kreditwürdigkeit von Personenvereinigungen im Rechtsverkehr kennzeichnet, bevor sich dann der Frage zugewandt wird, wie dem sehr unbestimmten Merkmal der Kreditwürdigkeit mit Blick auf die konkrete Rechts­natur der Personenaußengesellschaft rechtliche Konturen verliehen werden können. Aus rechtsökonomischer Perspektive ergibt sich die Attraktivität von Verbänden sowohl für Gläubiger als auch für Schuldner und damit deren Verkehrsfähigkeit    – unabhängig von einer Anerkennung als Rechtssubjekt durch die Rechtsordnung    – im Wesentlichen aus folgenden Elementen: (1.) einer Vertretung des Prinzipals durch einen Agenten, (2.) einer Abschirmung des Gesellschaftsvermögens vor dem Zugriff der Privatgläubiger, (3.) einer dauerhaften Zweckbindung des dem Verband zugewiesenen Vermögens, (4.) einer abstrakten Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile sowie (5.) einer beschränkten Verantwortlichkeit der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft.1333 Maßgeblicher Attraktivitätsaspekt aus Gesellschaftersicht ist der Umstand, dass sie nur begrenzt für Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen haben; dies gilt insbesondere in Konstellationen, in denen das mit dem gemeinsamen Zweck einhergehende wirtschaftliche Risiko effektiv nicht versicherbar ist.1334 Ausgeglichen wird dies durch den Attraktivitätsgewinn der Gläubiger, der dar1333  Dari-Mattiacci/Gelderblom/Jonker u. a., The Journal of Law, Economics, and Organization 33 (2017), 193 (199 f.). 1334 Vgl. Henssler, AnwBl 1996, 3 (6 ff., 10 f.).

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in liegt, dass das Gesellschaftskapital langfristig in dem Verband zweckgebunden wird. Die Möglichkeiten des Vermögens- und Risikopoolings führen zu gesteigerten Investitionsanreizen im Interesse der Gesamtwohlfahrt. Der wirtschaftliche Erfolg der Kapitalgesellschaften wird demnach dadurch gewährleistet, dass das Kapital langfristig in dem Verband gebunden bleibt. Die Frage der beschränkten Gesellschafterhaftung steht bei rechtsökonomischer Bewertung damit in einem Wechselspiel mit der gesellschaftlichen Kapitalbindung. Daraus ergibt sich die Annahme, dass eine Rechtsform, die keine persönliche Gesellschafterhaftung kennt, nur dann attraktiv ist, wenn ihr Vermögen streng in dem Verband gebunden ist. Umgekehrt führt diese Annahme dazu, dass eine Rechtform, die über kein gebundenes Kapital verfügt, dann für den Rechtsverkehr attraktiv ist, wenn die Gesellschafter persönlich für Gesellschaftsverbindlichkeiten haften. Dies bedeutet aber auch, dass die Rechtsform keinen Attraktivitätsverlust erleidet, wenn bei bedingter Vermögensbindung die Einstandspflicht der Gesellschafter auch nur bedingt ist. Vor dem Hintergrund, dass die Personenaußengesellschaft insbesondere durch §  14 Abs.  2 BGB bereits von der Rechtsordnung als Rechtssubjekt anerkannt ist, sollen diese rechtsökonomischen Erwägungen nicht herangezogen werden, um die Verbandsqualität zu beweisen, sondern sie sollen als Maßstab dafür eingesetzt werden, was die Attraktivität der Personenaußengesellschaft als Gesellschaftsform kennzeichnet. Wie bei den juristischen Personen wird die Personengesellschaft im Rechtsverkehr durch ihre Organe repräsentiert (zu 1.).1335 Ein Zugriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen ist zudem ausgeschlossen, lediglich die mitgliedschaftlichen Rechte unterliegen einem zwangsvollstreckungsrechtlichen Zugriff (zu 2.).1336 Ferner ist die Mitgliedschaft der Personenaußengesellschaft verfügungsfähig und damit übertragbar (zu 4.).1337 Abweichendes gilt hingegen hinsichtlich der dauerhaften Zweckbindung des Vermögens (zu 3.) sowie hinsichtlich der beschränkten Verantwortlichkeit (zu 5.).1338 Die Untersuchung zeigt aber, dass die Kapitalbindung (zu 3.) angesichts der Rechtsnatur als Personenverband auch in der Personenaußen­ gesellschaft eine sehr weitreichende ist.1339 In qualitativer Hinsicht bleibt das Gesellschaftsvermögen bis zur Begleichung der Gesellschaftsverbindlichkeit    – erst dann ist eine Vollbeendigung des Verbandes möglich    – konsequent von den Gesellschafterprivatvermögen getrennt.1340 Lediglich für den Fall der sozietätsbedingten Konfusion bei einem einzig verbleibenden Gesellschafter kommt es im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge zu einer Saldierung der betroffenen 1335 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.III.1. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. 1337  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.4. 1338  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.b), Kap.  1 §  2 C.III. 1339  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.b), Kap.  1 §  3 B.II.1.b). 1340  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)dd). 1336 

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Vermögensverbindungen.1341 Die Bindung des Gesellschaftsvermögens an den konstituierenden Verbandszweck ist dabei unabhängig von einer gemeinschaftlichen Änderung des Gesellschaftszwecks auf einen anderen Unternehmensgegenstand. Bis zur Vollbeendigung ist das Kapital damit in qualitativer Hinsicht dauerhaft zweckgebunden und der Gesellschaft zugeordnet. Lediglich für den Fall gemeinschaftlicher Vereinbarung aller Gesellschafter kommt ein Abzug des Gesellschaftsvermögens in quantitativer Hinsicht in Betracht.1342 Im Unterschied zu den Kapitalgesellschaften ist die Verantwortlichkeit der Gesellschafter in der Personengesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (zu 5.), wie sie sich aus §  128 HGB ergibt, im Ausgangspunkt hingegen nicht beschränkt.1343 Dies hat zwar für die Gläubiger einen Attraktivitätsgewinn zur Folge, für die Gesellschafter demgegenüber einen Attraktivitätsverlust. Genauso wie das Gesellschaftsvermögen von einem Zugriff der Gesellschafter sowie deren Gläubiger abzuschirmen ist, kommt eine Abschirmung der Gesellschaftervermögen von dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger in Betracht. Eine strenge Kapitalabschirmung bedingt dabei eine strenge Vermögens- und Haftungstrennung, während umgekehrt eine weiche Kapitalabschirmung mit einer weichen Vermögens- und Haftungstrennung korrespondiert. Bloße Defizite der Kapitalabschirmung können konsequenter Weise bereits durch eine bloß eingeschränkte Haftungstrennung ausgeglichen werden. Aus Sicht der Gläubiger stellt auch eine bloß teilweise Verantwortlichkeit der Gesellschafter einen Attraktivitätsgewinn dar.1344 So werden Gläubigerrisiken bereits durch die weitreichende Zweck- und Sozietätsbindung des Vermögens, wie sie sich aus der mitgliedschaftlichen Beteiligung der Gesellschafter ergibt, sowie eine bloße Ausfallhaftung internalisiert, wenn diese ihrerseits nicht zusätzliche Regress­ risiken zur Folge hat. Verkehrsfähigkeit erfährt die Personenaußengesellschaft dementsprechend bereits dann, wenn sich die Verantwortlichkeit der Gesellschafter auf die verbandsspezifischen Risiken beschränkt. Wie dargelegt, droht das Gesellschaftsvermögen lediglich in quantitativer Hinsicht (durch gemeinschaftliche Entscheidung der Gesellschafter) dem Gläubigerzugriff entzogen zu werden. Dementsprechend ist eine persönliche Gesellschafterhaftung mit Blick auf die Kreditfähigkeit der Personenaußengesellschaft nur soweit erforderlich, wie es den quantitativen Kapitalabfluss zu kompensieren gilt. Bereits ein nachgelagerter Zugriff auf die Privatvermögen in Höhe des drohenden Zahlungsausfalls genügt insoweit, ohne dass damit eine nicht hinzunehmende Attraktivitätseinbuße verbunden wäre. Eine subsidiäre Einstandspflicht würde zwar dazu führen, dass die Gläubiger zum Risikoträger für Rechtsverfolgungskosten wür1341 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a)ff); vgl. Kruth, NZI 2011, 844 (845 ff.). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 1343  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C. 1344 Vgl. Graßhoff, in: FS Heinitz, S.  131 f. 1342 

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den.1345 So hat der Gläubiger, wenn er die Gesellschafter bzw. die Gesellschaft gerichtlich in Anspruch nehmen möchte, einerseits das Risiko der Unterliegens zu tragen, andererseits aber auch für den Fall des Obsiegens das Risiko der Nichteinbringlichkeit. Allerdings haften die Gesellschafter wiederum für die von der Gesellschaft zu tragenden Gerichtskosten gemäß §  128 HGB. Das Risiko, Verfahrenskostenvorschüsse effektiv nicht realisieren zu können, ist jedenfalls kein verbandsspezifisches. Problematisch könnte es indes sein, das die Gesellschafter nach überwiegender Auffassung nicht mehr für die Kosten des Insolvenzverfahrens nach §  128 HGB einzustehen haben.1346 Dieses Risiko ist gerade ein verbandsspezifisches, weil die Ablehnung der diesbezüglichen Einstandspflicht gerade darauf zurückzuführen ist, dass die Vermögenstrennung sich konsequent auch im Insolvenzverfahren fortsetzt.1347 Allerdings unterliegt das insolvenzrechtliche Regime gegebenenfalls einer eigenständigen Beurteilung. So ist die Haftungsverfassung unter insolvenzrechtlichem Regime von abweichenden Wertungen geprägt, weil neben die Gläubiger-Einzelinteressen das Interesse der Gläubigergesamtheit tritt.1348 Die aufgeworfenen Fragen mit Blick auf die Verkehrsfähigkeit der Personenaußengesellschaft können hinsichtlich der erforderlichen Reichweite der Gesellschafterhaftung dementsprechend dahingehend beantwortet werden, dass es angesichts der verbandsspezifischen Risiken zwar einer persönlichen Gesellschafterhaftung bedarf, dass diese aber nicht die gleiche Qualität und Quantität wie die originäre Verbindlichkeit der Gesellschaft haben muss. Zwar kommt regelmäßig ein Interesse der Gesellschaftsgläubiger an einer Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit durch die Gesellschafter in Betracht.1349 Fraglich ist aber, ob dieses Interesse deswegen ein berechtigtes ist, weil die Personenaußengesellschaft ohne eine Erfüllung durch die Gesellschafter nicht verkehrsfähig wäre. Eine Erfüllungshaftung der Gesellschafter würde die Gläubiger augenscheinlich von dem Aufwand befreien, sich vorab über das Vorhandensein eines konkreten Vermögensgegenstandes im Gesellschaftsvermögen bzw. Gesellschaftervermögen zu informieren. Eine Verkehrsfähigkeit der Personenaußengesellschaft könnte abzulehnen sein, wenn dadurch    – zum Zwecke der Internalisierung von Bewertungsrisiken     – entstehende Informationsbeschaffungs­ kosten, dazu führen würden, dass der Rechtsverkehr insgesamt von einer Kontrahierung mit einer Personenaußengesellschaft absieht.1350 Von den Informationskosten zum Zeitpunkt der Begründung einer Verbindlichkeit zu unter1345 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)dd). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc) sowie unten Kap.  1 §  3 B.III.1. 1347  Siehe zum Ausgleich der diesbezüglichen Gemengelage, insbesondere mit Blick auf die Frage der Verfahrenseröffnung unten Kap.  1 §  3 B.III.1. 1348  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.II.5. 1349  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d). 1350  Vgl. zum Bewertungsrisiko, Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (154). 1346 

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scheiden sind solche, die dadurch entstehen, dass sich ein Gläubiger im Zeitpunkt der Inanspruchnahme erneut über die Vermögensverhältnisse von Verband und Gesellschaftern informieren muss, damit er eine Entscheidung darüber treffen kann, gegen wen er seinen Anspruch geltend macht.1351 Dadurch, dass die Gläubiger sich angesichts der Gesellschafterhaftung darauf ­verlassen können, dass sie jedenfalls einen vermögensmäßigen Ausgleich gegenüber der Gesellschaft sowie den Gesellschaftern werden geltend machen können, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gläubiger in Anbetracht der Informations­ kosten für die Ermittlung der konkreten Vermögensverteilung zwischen Verband und Gesellschaftern von einem Vertragsschluss absehen, bereits als gering zu qualifizieren. Darüber hinaus ist zweifelhaft, inwiefern die Ermittlung der konkreten Vermögensverhältnisse überhaupt zu zusätzlichen Informationskosten führt. So werden sich die Gläubiger eines Verbandes, bei dem die Gesellschafter persönlich haften, ohnehin stets über die Gesamt-Vermögensverhältnisse im Verband informieren, weil sie nur auf diese Weise ihr Kreditrisiko abschätzen können.1352 Haben Gläubiger ein spezifisches Interesse an einem konkreten Vermögensgegenstand, ist ein erhöhter Informationsaufwand, das Vorhandensein im Gesellschafts- bzw. Gesellschaftervermögen zu ermitteln, neben den ohnehin anzustellenden Informationsbemühungen kaum zu erwarten. Schließlich haben sie keinen Einfluss darauf, dass ein Vermögensgegenstand über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses hinaus auch in einer bestimmten Vermögensverbindung verbleibt. Die Gläubiger sind wie bei Rechtsgeschäften mit natürlichen Personen stets auf die schuldrechtlich versprochene Erfüllungsfähigkeit angewiesen. Informationsbemühungen über die Vermögen von Gesellschaft und Gesellschaftern können nur dahingehend ein Risiko internalisieren, dass für eine versprochene Leistung jedenfalls ein wertmäßiger Ausgleich des Sekundärinteresses realisiert werden kann. Ferner ist die Gläubigerseite im Falle der Ablehnung einer Erfüllungshaftung wertmäßig lediglich mit dem Risiko belastet, wie es sich aus der Differenz einer unmittelbaren, auf Erfüllung gerichteten, Einstandspflicht und dem vermögensmäßigen Ausgleich eines frustrierten Leistungsinteresses ergibt. Das bürgerlich-rechtliche Leistungsstörungsrecht ist darauf gerichtet, dieses Risiko größtmöglich zu minimieren. Auf Seiten der Gesellschafter ist demgegenüber eine viel größere Diskrepanz gegeben. So haben sich die Gesellschafter mit der Konstituierung als Verband gerade dazu entschlossen, anstatt mit ihrem Privatvermögen, mitgliedschaftlich vermittelt als Verband im Rechtsverkehr aufzutreten. Eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht würde diesen privatautonomen Entschluss schlichtweg übergehen. Demgegenüber sind die rechtsgeschäftlichen Gläubiger sehenden Auges mit einem Verband in ein Schuldverhältnis eingetreten, wobei 1351 

1352 

Sieh dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)cc)(2). Siehe dazu oben Einführung §  1 B.III.2.

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sie den privatautonomen Entschluss der Gesellschafter in ihre Würdigung miteinbeziehen konnten. Soweit die Gläubiger bzw. die Gesellschafter eine Erfüllung durch die Gesellschafter wünschen, können sie dies vereinbaren. Zwar lässt sich einwenden, dass die Gesellschafter dahingehend auf die Gesellschaft sowie deren Gläubiger einwirken könnten, dass die Einstandspflicht sich im Einzelfall nicht auf eine Erfüllung durch die Gesellschafter richtet. Allerdings würde auf diese Weise die letztliche Aktionslast auf ein Rechtsubjekt verlagert, welches von der konkreten zu bestimmenden Leistungshandlung selbst gar nicht betroffen ist. Ein Verständnis, welches im normativen Regelfall von einer Nichterfüllung der Gesellschafter ausgeht, steht demgegenüber in Einklang mit der tatsächlichen Vermögensverteilung sowie der diesbezüglichen Entscheidungsbefugnis. Geht man von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft aus, entspricht es sowohl schuldrechtlicher als auch dinglicher Zuordnung, dass diese hinsichtlich ihres Vermögens verpflichtungs- und verfügungsfähig ist. Soll nun von der schuldrechtlichen bzw. dinglichen Zuordnung abgewichen werden, ist angezeigt, die diesbezügliche Aktionslast denjenigen aufzuerlegen, die von der eigentlichen Vermögenstrennung abweichen wollen. Mit Blick auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft bedarf es im Ergebnis also zur Erhaltung eines garantierten Haftungsvolumens in quantitativer Hinsicht eines Rückgriffs auf die Gesellschafterprivatvermögen, ohne dass damit aber eine Aussage darüber getroffen ist, dass nur eine primäre Inanspruchnahme eine den Kapitalerhaltungsregeln entsprechende Kreditwürdigkeit gewährleisten würde. Vielmehr zeigt der Vergleich eines Schuldverhältnisses mit einer natürlichen Person, dass die Gläubiger bei gegebener Sicherung des Gesellschaftsvermögens in qualitativer Hinsicht über die quantitative Gewährleistung hinaus kein schützenswertes Interesse entwickeln können. Bei diesbezüglichem Bedürfnis sind die Gläubiger vielmehr darauf verwiesen, eine entsprechende Sicherheit gesondert mit den Gesellschaftern zu vereinbaren. Es ist damit die Gesellschafterhaftung als solche, nach der sich die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zu bestimmen hat.1353 Einer auf Erfüllung gerichteten Einstandspflicht der Gesellschafter bedarf es insofern nicht. Soweit es nicht um rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten geht, sondern um gesetzliche, spielt die Frage nach der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft und damit nach deren Attraktivität hingegen gar keine Rolle. Für den Gläubiger ist insbesondere die Begründung eines deliktischen Schuldverhältnisses eine zufällige. Dadurch, dass §  128 HGB seinerseits nicht nach Art der Verbindlichkeit unterscheidet, ließe sich auch die umgekehrte Frage stellen, wieso es bei rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten maßgeblich sein sollte, eine 1353 Vgl. Markworth, in: BeckOGK HGB, Stand: 1.1.2021, §  128 Rn.  109 ff.; zum Schweizer Personengesellschaftsrecht, welches nach Art.  568 Abs.  3 OR eine subsidiäre Gesellschafterhaftung anordnet, Pestalozzi/Hettich, in: Basler Kommentar Obligationenrecht II, Art.  568 Rn.  1.

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Erfüllung durch die Gesellschafter dem Regelungszweck der Vorschrift zu unterwerfen. 3. Zusätzliche aus der Rechtsnatur des Personenverbandes folgende Argumente zur Bestimmung des Regelungszwecks von §  128 HGB Mit dem vollzogenen vermögensrechtlichen Paradigmenwechsel, wie er mit der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der Personenaußengesellschaften einhergeht, ergeben sich zusätzliche Argumentationsparameter zur Konkretisierung des Regelungszwecks von §  128 HGB. Diese lassen sich insbesondere anhand der Regelungen der InsO nachvollziehen. Spätestens mit deren Einführung zeigt sich das gewandelte Verständnis von der Rechtsnatur und der Haftungsverfassung der Personenaußengesellschaft, indem §  11 Abs.  2 InsO deren Insolvenzrechtsfähigkeit und damit deren Vermögensträgerschaft anerkennt. Methodisch lässt sich anhand der Regelungen der InsO wie §  93 InsO nachvollziehen, welche gesellschaftsrechtlichen Grundannahmen diesen zugrunde liegen und welche Widersprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens aufkommen, wenn diese nicht konsequent berücksichtigt werden, etwa im Rahmen der Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung.1354 Dies betrifft maßgeblich die verbandsrechtliche Trennung zwischen dem Gesellschaftsvermögen, über das ein eigenständiges Insolvenzverfahren durchgeführt werden kann, sowie den durch §  128 HGB haftungsrechtlich in Bezug genommenen Privatvermögen der Gesellschafter.1355 Die gesellschafts- und vermögensrechtlichen Konsequenzen der Vermögenstrennung im Personenverband werden insbesondere durch die insolvenzrechtliche Behandlung von Gesellschaftersicherheiten für Gesellschaftsverbindlichkeiten bei parallel verlaufenden Insolvenzverfahren verdeutlicht.1356 Ferner zeigt §  93 InsO, dass jedenfalls bei wirtschaftlichem Versagen der Gesellschaft sowie bei Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsgrundes über das Gesellschaftsvermögen, den Gesellschafterprivatvermögen im Interesse der materiell berechtigten Gläubigergesamtheit eine bloß haftungsergänzende Funktion gegenüber dem für Gesellschaftsverbindlichkeiten haftungsunterworfenen Schuldnervermögen zukommt. So werden die Privatvermögen nach vorzugswürdigem Verständnis lediglich in Höhe des Unterdeckungsbetrages haftungsrechtlich den Insolvenzgläubigern zuerkannt.1357 Legt man der verbandsrecht­ lichen Beurteilung des Regelungszwecks von §  128 HGB den Vergleich eines Schuldverhältnisses mit einer natürlichen Person anstatt mit einer Kapital­ gesellschaft zugrunde, wird deutlich, dass sich die betroffenen Gläubigerinteressen in denen der Gesamtheit der Haftungsgläubiger während des Insolvenzverfahrens erschöpfen, weil sich erst dann das verbandsspezifische Risiko reali1354 

Siehe dazu unten Kap.  2 §  4 C.III., Kap.  3 §  7 D. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3. 1356  Siehe dazu unten Kap.  3 §  9 A. 1357  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3 sowie unten Kap.  2 §  5 C, Kap.  3 §  7 A. 1355 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

siert. Maßgebliche Rückschlüsse über die Reichweite des §  128 HGB lassen sich schließlich aus den Auswirkungen von durch den Insolvenzverwalter oder im Rahmen der Eigenverwaltung begründeten Verbindlichkeiten auf die Ein­ stands­pflicht der Gesellschafter ableiten.1358 So findet die gesetzlich angeordnete Einstandspflicht der Gesellschafter dort ihre Grenze, wo die aus §  128 HGB folgende Selbstverantwortung nicht auf ein eigennütziges, selbstbestimmtes Verhalten der Gesellschafter zurückzuführen ist. Der Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung bedingt eine Einschränkung gesetzlich angeordneter schuldnerfremder Einstandspflicht.1359 Erkennt man die Personenaußengesellschaft als vermögenstragendes Rechtssubjekt an,1360 beschränken sich die selbstbestimmten Verhaltensweisen der Gesellschafter maßgeblich auf die mitgliedschaftliche Unterwerfung unter die verbandsrechtliche Kollektivherrschaft.1361 Gleichzeitig kommt der unmittelbare Nutzen einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit nur der Gesellschaft selbst zu.1362 Ist die Selbstbestimmung lediglich eine mitgliedschaftlich vermittelte, ist die damit verbundene Selbstverantwortung entsprechenden Abstufungen zu unterziehen; rechtlich bestimmt sich dies danach, inwieweit die Herrschaftsausübung mit einem eigennützigen Tätigwerden verbunden ist.1363 4. Präventive Verhaltenskontrolle durch mittelbare Außenhaftung Während rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse dem Ausgleich privatautonom ausgehandelter Interessen dienen, verfolgen gesetzliche Schuldverhältnisse den Zweck, Vermögensverschiebungen auszugleichen.1364 Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass es zur Kompensation verbandsspezifischer Risiken in der Personenaußengesellschaft keiner primären, auf Erfüllung gerichteten Einstandspflicht der Gesellschafter bedarf. Unter ergänzender Berücksichtigung rechtsökonomischer Erwägungen wird der Gesellschafterhaftung teilweise darüber hinaus eine verhaltenssteuernde Funktion beigemessen. Zwar handelt es sich bei dieser Sichtweise nicht um eine spezifisch gesellschaftsrechtliche Argumentation, jedoch stellt es zumindest eine rechtspolitisch begrüßenswerte Folge der Gesellschafterhaftung dar, wenn durch diese opportunistischem Gesellschafterhandeln entgegengewirkt werden kann. Auch wenn eine Verhaltenssteuerung nicht unmittelbar dem Regelungszweck des §  128 HGB zugrunde gelegt werden kann, muss sich eine Argumentation, die sich gegen eine primäre Einstandspflicht richtet, auch mit rechtstatsächlichen Folgen einer solchen An1358 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc) sowie unten Kap.  1 §  3 B.III.1. Siehe dazu Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III. 1360  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I. 1361  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. 1362  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. 1363  Siehe dazu unten Kap.  1 §  3 B.III.2. 1364  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.IV. 1359 

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nahme auseinandersetzen. Es stellt sich die Frage, inwieweit es einer entsprechenden Verhaltenskontrolle bedarf, wenn doch die Gesellschafter überhaupt nicht unmittelbar an den Gewinnen der Gesellschaft teilhaben, sondern lediglich mitgliedschaftlich vermittelt. Die bisherige Untersuchung zeigt jedoch, dass die Gesellschaftergesamtheit, wenn sie als originäres Willensbildungsorgan des Verbandes agiert, auch zu Lasten eines Gläubigers im kollektiven Gesellschafterprivatinteresse entscheiden kann.1365 Aus der organschaftlichen Vertretung der Personenaußengesellschaft durch die an der Gesellschaft beteiligten Mitglieder ergeben sich nach volkswirtschaftlicher Bewertung so genannte Prinzipal-Agenten-Probleme, die daraus resultieren, dass die handelnden Gesellschafter gegenüber der verpflichteten Gesellschaft zwar fremdes Vermögen im Drittinteresse verwalten, dabei aber    – jedenfalls wenn die Gläubigergesamtheit agiert    – auch eigene Interessen wahrnehmen.1366 Im Unterschied zur Verwaltung eigenen Vermögens besteht dabei typischerweise kein bedingungsloser Anreiz zur Beachtung größtmöglicher Sorgfalt. Indem die persönliche Haftung auch das Privatvermögen der Gesellschafter dem Haftungszugriff der Gesellschaftsgläubiger aussetzt, ist sie geeignet, Verhaltensanreize dahingehend zu setzen, dass die handelnden Gesellschafter auch bezüglich des Gesellschaftshandelns sorgfältig agieren. Dieses Anreizsystem kommt letztlich den aktuellen und potenziellen Gesellschaftsgläubigern zu Gute. Richtet man den Betrachtungsfokus auf die verhaltenssteuernden Wirkungen des §  128 HGB, stellt die persönliche Gesellschafterhaftung ein transaktionskostengünstiges, wirksames Gegengewicht gegen im Raum stehendes opportunistisches Verhalten der Gesellschafter dar.1367 Die persönliche Einstandspflicht veranlasst die Gesellschafter „in erhöhtem Maße zu einer vorsichtigen, die Belange der Gläubiger hinreichend berücksichtigenden Geschäftsführung“.1368 Dies gilt sowohl hinsichtlich zukünftigen deliktischen Verhaltens als auch in Bezug auf Verschiebungen des bereits durch Altverbindlichkeiten haftungsunterworfenen Vermögens. Bezogen auf zukünftiges Verhalten veranlasst die persönliche Gesellschafterhaftung die Gesellschafter, darauf hinzuwirken, dass die Gesellschaft nur schadenseffiziente Geschäfte und Tätigkeiten wahrnimmt. Hinsichtlich der Altverbindlichkeiten führt die Gesellschafterhaftung    – wie sie die herrschende Meinung §  128 HGB zuerkennt    – dazu, dass die Gesellschafter erst gar kein Interesse haben, gemeinschaftlich opportunistische Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen in die Privatvermögen vorzunehmen, weil diese ihrerseits unmittelbar 1365 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.I.1, Kap.  1 §  2 A.II.2.c). H.-B. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, Kap.  25.9. 1367  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.   143 f.; Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  57 m. w. N. in Fn.  91; Tröger, JZ 2016, 834 (843); vgl. BGH, Uv. 18.3.1974    – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216–230 = juris-Rn.  18, 22; BGH, Uv. 14.1.1985    – II ZR 103/84, BGHZ 93, 246–254 = juris-Rn.  12; Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S.  202 f., 205 ff. 1368  BGH, Uv. 18.3.1974    – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216–230 = juris-Rn.  2 2. 1366 

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dem Haftungszugriff unterworfen sind. Erkennt man richtiger Weise das Bedürfnis nach einer Gesellschafterhaftung in der Personenaußengesellschaft an, stellt sich die Frage, in welchem Umfang eine solche erforderlich ist, um aus­ reichende Verhaltensanreize zu setzen. Am stärksten ausgeprägt ist die Anreizwirkung, wenn die Gesellschafter unmittelbar und primär auf Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit haften. Fraglich ist, ob es demgegenüber zu einer signifikanten Reduzierung der Anreizwirkung führt, wenn die Gesellschafterhaftung als subsidiäre Ausfallhaftung ausgestaltet wird. Auch eine solche ist grundsätzlich geeignet, opportunistischem Verhalten entgegenzuwirken, weil die Gesellschafter in letzter Konsequenz befürchten müssen, persönlich in Anspruch genommen zu werden. Allerdings könnte mit einer subsidiären Einstandspflicht das von der herrschenden Meinung zu §  128 HGB angenommene Anreizsystem ausgehebelt werden und ein Anreiz der Gesellschafter geschaffen werden, bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft das Privatvermögen auf Dritte zu verlagern, sodass es häufiger zu parallelen Insolvenzen kommen könnte. Die ursprünglich beabsichtigte Anreizwirkung würde damit verzögert und deutlich abgeschwächt. Die Möglichkeit sodann bloß denkbarer insolvenzrechtlicher Anfechtungsansprüche könnte letztlich gegenüber einer primären Inanspruchnahme zu einer erheblichen Erschwernis führen.1369 Während die Vermögensverschiebung von der Gesellschaft auf die Gesellschafter noch der verbandsrechtlichen Zweckbindung unterliegt    – die nur durch gemeinschaftliche Vereinbarung umgangen werden kann    –, können die Gesellschafter Vermögensübertragungen aus ihrem Privatvermögen eigen­ initiativ veranlassen. Werden durch Vermögensübertragungen Anfechtungstatbestände begründet, sind diese gegebenenfalls weniger wert als der unmittel­ bare Anspruch gegen die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter, weil die Anfechtungsrechte nicht die Zugriffrechte zusätzlicher Gläubiger beseitigen.1370 Diese Verzögerung der Anreizwirkung ist indes hinnehmbar, wenn sie durch andere Anreize kompensiert werden kann. So hat die Subsidiarität der Einstandspflicht zur Folge, dass eine sorgfältige Geschäftsführung sogar dazu führen kann, dass eine Inanspruchnahme mit dem Privatvermögen entsprechend der eigentlichen privatautonomen Entscheidung    – als Verband im Rechtsverkehr aufzutreten    – gänzlich vermieden wird.1371 Eine bloß nachgelagerte persönliche Gesellschafterhaftung schafft folglich Anreize für die Gesellschafter, die oHG „lebens­ fähig“ zu halten und gegebenenfalls sogar Nachschüsse gemeinschaftlich zu vereinbaren. Die subsidiäre Einstandspflicht hat dementsprechend sogar unmittelbar verbandsspezifisch verhaltensfördernde Wirkungen sowohl auf die Gesellschaftergesamtheit als auch auf die einzelnen Gesellschafter. Eine primä1369  Vgl. zum Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht. 1370 Vgl. Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, S.  57. 1371 Vgl. Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  144.

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re Einstandspflicht zielt demgegenüber entgegen der privatautonomen Interessenlage der Gesellschafter vorwiegend auf die Vermeidung missbräuchlicher Verhaltensweisen. Ansprüche bei missbräuchlichen Verhaltensweisen sind aber häufig ohnehin nicht realisierbar.1372 Diese zu vermeiden, ist auch nicht originäre Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Regelung der Gesellschafterhaftung, sodass entsprechende Reflexwirkungen in der Argumentation als sachfremd erscheinen und im Rahmen des wertungsmäßigen Interessenausgleichs keine Berücksichtigung finden können. Eine derartige Zweckmäßigkeitserwägung zur Verhinderung missbräuchlicher Vermögensverschiebungen müsste ausdrücklichen gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Unterstellt man, dass sich die Gesellschafter redlich verhalten, ist nicht ersichtlich, dass jemand seine Einstellung in negativer Hinsicht ändert, wenn er weiß, dass er lediglich subsidiär in Anspruch genommen wird, die Vermögensverhältnisse aber so gelagert sind, dass er im Ergebnis leisten muss. Die mittelbare Einstandspflicht erzeugt folglich sogar einen zusätzlichen Anreiz, der geeignet ist, die Verzögerung der Anreizwirkung zu kompensieren. Weitgehend wird darauf verwiesen, dass die persönliche Gesellschafterhaftung nach dem Verständnis der herrschenden Meinung ein besonders transaktionskostengünstiges Instrument zur Verhaltenssteuerung sei.1373 Diese Annahme ist aus Gläubigersicht indes nur bedingt zutreffend. Transaktionskosten entstehen für diese etwa mit der Inanspruchnahme vollstreckungsrechtlicher Instrumente. Diese können allerdings sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die einzelnen Gesellschafter eingesetzt werden. Verlagerte man demgegenüber die Einstandspflicht der Gesellschafter auf den Fall, dass die Gesellschaft ihrerseits nicht mehr zahlungsfähig ist, hat der einzelne Gesellschafter seine Bemühungen auf die Geltendmachung gegen die Gesellschaft zu beschränken. Sodann ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren zu eröffnen und die von dort an zentralisierte Geltendmachung des noch offenen Ausfallsaldos obliegt einheitlich dem Insolvenzverwalter. Ein verhaltenssteuernder Regelungszweck des §  128 HGB ließe sich demzufolge sogar transaktionskostengünstiger im Wege einer nachgelagerten Verlustdeckungshaftung der Gesellschafter realisieren, als dies bei einer primären Inanspruchnahme möglich ist. 5. Haftungsrechtlicher Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung Anhand dieser materiell-rechtlichen Durchsetzungssystematik wird die Stellung einer Forderung nach §  128 HGB während des werbenden Stadiums der Gesellschaft sowie im Rahmen des Insolvenzregimes deutlich. Nach dem Verständnis der herrschenden Meinung unterliegt die materiell-rechtlich primäre Einstandspflicht der Gesellschafter hinsichtlich ihrer vollstreckungsrechtlichen Geltend1372 Vgl.

1373 Vgl.

Henssler, AnwBl 1996, 3 (11). Tröger, JZ 2016, 834 (843).

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machung dem sog. Prioritätsgrundsatz (auch Prioritäts- oder Präventionsprinzip). Dieser stellt den im Grundsatz der Privatautonomie fußenden, die deutsche Wirtschafts- und Wettbewerbsordnung prägenden marktwirtschaftlichen Normalfall dar. Dieser Standard ergibt sich im Rahmen der Einzelvollstreckung aus §  804 Abs.  3 ZPO, §  11 Abs.  2 ZVG, §§  928, 930 Abs.  1 ZPO sowie §§  879 Abs.  1 S.  1, 885 Abs.  1 Satz  1 BGB i.V.m §  935 ZPO.1374 Die materiell-­rechtlich primäre Einstandspflicht bedeutet, dass die Gläubiger der Gesellschaft sowohl einen unmittelbaren Anspruch gegen diese erhalten als auch gegenüber den Gesellschaftern. Unter dem sog. Prioritätsgrundsatz ist sodann das vollstreckungsrechtliche Rangverhältnis der Gläubiger untereinander zu verstehen. Angesichts der Anwendbarkeit des §  128 HGB während des Liquidationsverfahrens ist dieses ebenfalls sowohl vom materiell-rechtlichen Grundsatz der primären Einstandsplicht als auch vom vollstreckungsrechtlichen Prinzip der Priorität geprägt. Ist hingegen über das Vermögen der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet, führen die §§  80 ff. InsO abweichend vom privatrechtlichen Normalfall dazu, dass die Gläubigerbefriedigung gleichmäßig erfolgt, mit Blick auf §  128 HGB insbesondere dadurch, dass §  93 InsO bei materiell-rechtlich gleichbleibender Forderungszuständigkeit der Haftungsgläubiger deren Einziehungs­ berechtigung sperrt und auf den Insolvenzverwalter überträgt.1375 Ist die Gesellschaft zahlungsunfähig und liegt damit ein insolvenzrechtlicher Eröffnungsgrund (§  17 InsO) vor, soll der vollstreckungsrechtliche Wettlauf auf die persönlich haftenden Gesellschafter vermieden werden. Das im Rahmen der Einzelvollstreckung geltende „Windhundprinzip“ während des werbenden Zustandes der Gesellschaft sowie im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Liquidation wird dementsprechend im Rahmen der insolvenzrechtlichen Gesamtvoll­ streckung im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung durch den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung überlagert (sog. Ausgleichsprinzip).1376 Der durch den vollstreckungsrechtlichen Prioritätsgrundsatz bedingte „Wettlauf der Gläubiger“ ist rechtsstaatlich grundsätzlich solange unbedenklich, wie das Schuldnervermögen für alle Gläubiger ausreicht.1377 Im Übrigen ist es problematisch, wenn die schnellsten Gläubiger befriedigt werden und andere 1374 Vgl. m.  w.  N. zum Prioritätsgrundsatz, Gruber, in: MüKoZPO, §   804 Rn.   31  ff.; Knoche/­Biersack, NJW 2003, 476 (477 f.); Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (322 ff.). 1375  Vgl. BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  16. 1376  Ganter/Bruns, in: MüKoInsO, §   1 Rn.  51; I. Pape, in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2; Stürner, in: MüKoInsO, Einleitung Rn.  1; vgl. Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S.  61 ff., 75; Häsemeyer, KTS 1982, 507 (509 ff.); Heitsch, ZInsO 2008, 793 (793); zu den materiell-rechtlichen Grundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Insolvenz, Berges, KTS 1957, 49 (50 ff.). 1377  Ganter/Bruns, in: MüKoInsO, §  1 Rn.  51; a. A. Schlosser, ZZP 97 (1984), 121 (121 ff.). Eine gruppenweise Beschränkung des im privatrechtlichen Regelfall geltenden vollstreckungs­ rechtlichen Prioritätsprinzips vollzieht sich in der Praxis aber bereits faktisch durch das Sammeln von Vollstreckungsanträgen gemäß §  117 Abs.  1 Satz  1 GVGA (§  169 GVGA a. F.), Gaul, ZZP 112 (1999), 135 (160 f.); Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (323).

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leer ausgehen. Solange genügend Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, ist eine Vollstreckung unter der Geltung des Prioritätsgrundsatzes transaktionskostengünstiger, weil keine zusätzlichen Instanzen zur Koordinierung gemeinschaftlicher Befriedigung installiert werden müssen. Hintergrund des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung ist der Umstand, dass etwa das einem privatautonom begründeten Synallagma innewohnende individualvertragliche Gleichgewicht durch das wirtschaftliche Versagen des Schuldners gestört wird.1378 Dies macht einen marktordnungsrechtlichen Eingriff des Staates erforderlich, weil der Schutz der Allgemeinheit die Gläubigereinzelinteressen überlagert.1379 Aufgabe des Insolvenzrechts ist es, diesen Vorgang gesellschaftsverträglich im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft zu gestalten.1380 Bezogen auf die Gesellschafterhaftung wird demgegenüber teilweise in Frage gestellt, dass insoweit der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz herrsche und angenommen, die Sperr- und Ermächtigungswirkung des §  93 InsO dienten lediglich dem Schutz der Sanierungsmasse.1381 Insoweit wird zutreffend darauf abgestellt, dass die §  93 InsO unterfallenden Ansprüche gerade nicht Masse­ bestandteile sind, sondern als Sondervermögensverbindung getrennt davon zu führen sind.1382 Dementsprechend könne die Gläubigergleichbehandlung bezüglich der Haftung nach §  128 HGB nicht eigentliche Aufgabe des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens sein, sondern lediglich begrüßenswerter Neben­ effekt.1383 Dieser ergebe sich daraus, dass das Gesellschaftervermögen zwar kein Teil der Insolvenzmasse sei, es aber dennoch möglichst unverkürzt zur Sanierung des Unternehmens zur Verfügung stehen müsse; Hintergrund sei, dass die einheitliche Geltendmachung der Koordination zwischen Unternehmensinsolvenz und Gesellschafterhaftung dienen soll.1384 Nach diesem Verständnis gewährleistet §  93 InsO die „Planverfügbarkeit der Gesellschafterhaftung“.1385 Einem solchen Verständnis wäre jedenfalls dann die Grundlage entzogen, wenn bereits §  128 HGB nicht dem Prioritätsprinzip unterläge, sondern seinerseits der Gläubigergleichbehandlung diente. Blickt man bloß auf die der Gläubigergleichbehandlung unterliegende Insolvenzmasse, stellt sich insbesondere im unmittelbaren Vorfeld der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Frage, inwieweit durch das mit der primären Einstandsflicht einhergehende vollstreckungsrechtliche Windhundprinzip der insolvenzrechtliche Regelungszweck einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung gefährdet wird. Dabei ist 1378 Vgl.

Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  348. Vgl. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  73 ff., 75, 77 ff., 108. 1380  Wellensiek, WM 1999, 405 (405). 1381  Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  103, 99 ff., 107, 109, 114. 1382  Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, 109. 1383  Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  101, 114. 1384  Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  103 f.; K. Schmidt, Gutachten D zum 54. DJt, D 46. 1385  Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  104. 1379 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

hervorzuheben, dass sich das gesellschaftsrechtliche Regelungsregime nicht nach dem insolvenzrechtlichen richtet, es wird vielmehr bloß umgekehrt im Einzelnen überlagert. Vorwirkungen des Insolvenzverfahrens bestehen allerdings im Rahmen der Insolvenzanfechtung nach §§  129 ff. InsO sowie der für juristische Personen und atypische Personengesellschaftern geltenden Insol­ venz­ antragspflicht gemäß §  15a InsO sowie der daran anknüpfenden Ausgleichsansprüche (vgl. §  15b InsO, §  130a HGB a. F.), wobei sich diese nicht gegen die Gesellschaft oder die Gesellschafter richten und damit keine Auswirkung auf die diesbezügliche Priorität haben (vgl. §  15b Abs.  4, Abs.  6 InsO, §  130a Abs.  2 HGB a. F.). Im Rahmen des Rechts der Insolvenzanfechtung ist es umstritten, inwieweit der Gleichbehandlungsgrundsatz durch §  133 InsO auf den Zustand der materiellen Insolvenzreife vorverlagert wird.1386 Die Gesellschafterhaftung in der rechtsformtypisch strukturierten Personenaußengesellschaft unterliegt dementsprechend nach herrschender Auffassung    – jedenfalls vorbehaltlich einer berechtigten Insolvenzanfechtung    – dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsgrundsatz.1387 Fraglich ist, ob dies mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft noch sachgerecht ist. Unproblematisch ist der Grundsatz der Priorität, wenn es um die Inanspruchnahme des eigentlichen Schuldners geht, also des Personenverbandes als Rechtssubjekt. Ein allgemeiner schuldrechtlicher Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ist der Rechtsordnung fremd. Der Prioritätsgrundsatz ist heute vielmehr Ausdruck des von der Privatautonomie geprägten marktwirtschaftlichen Systems.1388 Das Vollstreckungsrecht folgt insoweit der materiell-­ rechtlichen Lage bezogen auf privatrechtliche Pfandrechte und damit der Rangordnung des Privatrechts.1389 Auch im materiellen Recht der dinglichen Verfügung gilt im Interesse der Rechtssicherheit das Prinzip der Rangordnung, weil es unverzüglich klare Verhältnisse schafft und dementsprechend künftiges Wirtschaftshandeln kalkulierbar macht.1390 Hintergrund des vollstreckungsrechtlichen Prioritätsgrundsatzes ist das Anliegen, „dem rechtzeitig die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger ‚die Früchte seiner Wachsamkeit‘ solange vorrangig zu sichern, bis ihn der Eintritt der Insolvenz des Schuldners auf das Ausgleichsprinzip des [Insolvenzverfahrens] verweist“ 1386  Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, Vor §  129 Rn.  1; ders., ZIP 2014, 797; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Kap.  1 Rn.  24; Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, §  133 Rn.  7; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  2.31; I. Pape, in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2. 1387  Gaul, ZZP 112 (1999), 135 (164). 1388  Vgl. zum Hintergrund des Prioritätsgrundsatzes, Gaul, ZZP 112 (1999), 135 (153 ff., 159 f.) mit Bedenken hinsichtlich der praktischen Handhabe; kritisch, Schlosser, ZZP 97 (1984), 121 (121 ff.). 1389  Unter Verweis auf die diesbezügliche Tradition des römischen und gemeinen Rechts Gaul, ZZP 112 (1999), 135 (153 f., 164 ff.); Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (323 f., 326). 1390  Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (328).

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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und um damit den sich zügig um die Realisierung seiner Forderung bemühenden Gläubiger zu privilegieren.1391 Der mit dem Prioritätsprinzip einhergehende maßvolle Zugriff auf das Schuldnervermögen verhindere eine Überpfändung, wie sie im Rahmen der Gesamtvollstreckung bei unüberschaubaren Verwertungsergebnissen drohe.1392 Erst der Eintritt der Insolvenz erfordere eine Überlagerung des Prioritätsprinzips durch das Leitbild der Gläubigergleichbehandlung.1393 Die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung könnte sodann dafürsprechen, dass der vollstreckungsrechtliche Prioritätsgrundsatz unter den Gläubigern auch auf die Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu erstrecken ist. Diesbezüglich ist allerdings der Regelungszweck der diese Haftung anordnenden Vorschrift zu berücksichtigen. So dient §  128 HGB maßgeblich dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor solchen verbandsspezifischen Gefahren, die dadurch aufkommen, dass ein Schuld­ verhältnis anstatt mit einer natürlichen Person mit einer Personenaußengesellschaft begründet wird. Neben dem Umstand, dass die persönliche Einstandspflicht die Personenaußengesellschaft überhaupt erst verkehrsfähig macht,1394 ist es in erster Linie der Gläubigerschutz, der die funktionale Zuordnung von Vermögensverbindungen Dritter unter den Gläubigerzugriff rechtfertigt.1395 Gläubigerschutz kann sowohl gegenüber dem einzelnen Gesellschaftsgläubiger Wirkung entfalten, als auch gegenüber der Gläubigergesamtheit. Problematisch erscheint das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip daher bereits ohne Anknüpfung an das insolvenzrechtliche Regime, wenn man berücksichtigt, dass die Möglichkeit unmittelbarer, rangwahrender Inanspruchnahme stets den Einzelnen zu Lasten der übrigen Gläubiger privilegiert. Erkennt man mit der Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft auch den konsequenten Fortbestand deren Gesellschaftsvermögens in qualitativer Hinsicht an, gibt es bis zum Erlöschen der Gesellschaftsverbindlichkeiten ein dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip unterworfenes Gesellschaftsvermögen. Reicht dieses Vermögen des Personenverbandes insgesamt nicht mehr aus, ist ein insolvenzrechtlicher Eröffnungsgrund gegeben und es kann ein Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen eröffnet werden. Ohne einen Eröffnungsbeschluss folgt die Gläubigergleichbehandlung zwar noch nicht nach §§  1, 93 InsO, gleichwohl ist ein Zustand materieller Insolvenzreife gegeben. Entsprechendes gilt in Konstellationen masseloser Liquidation. Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um ein Insolvenzverfahren kostendeckend durchzuführen, ist die Eröffnung des Verfahrens gemäß §  26 InsO abzulehnen und ein Liquidationsverfahren 1391  Gaul, ZZP 112 (1999), 135 (154); vgl. Schlosser, ZZP 97 (1984), 121 (128); Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (324). 1392 Vgl. Schlosser, ZZP 97 (1984), 121 (128); Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (324). 1393 Allgemeiner, Schlosser, ZZP 97 (1984), 121 (123). 1394  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.2. 1395  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

durchzuführen.1396 Haftungsmäßig bedeutet dies, dass sich die Haftung ausschließlich nach §  128 HGB richtet, ohne dass §  93 InsO Anwendung findet. Indem aber feststeht, dass das Gesellschaftsvermögen nicht zur Begleichung der Verbindlichkeiten ausreicht    – und damit ein Zustand materieller Insolvenzreife erreicht ist    –, besteht mit dem Insolvenzverfahren eine vergleichbare Interessenlage. Teilweise wird daher vorgeschlagen, das masselose Liquidationsverfahren unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Garantien    – wie die der Gläubigergleichbehandlung    – zu betreiben.1397 Dagegen könnte sprechen, dass §  15b Abs.  6 InsO (§  130a HGB a. F.) den Zustand materieller Insolvenzreife lediglich bei Personengesellschaften in Bezug nimmt, in denen auf keiner Stufe eine natürliche Person beteiligt ist (vgl. §§  15b Abs.  6 , 15a Abs.  1 Satz  3 InsO, §  130a Abs.  1 Satz  4 HGB a. F.). Fraglich ist demnach, wie sich die persönliche Gesellschafterhaftung im Span­ nungsverhältnis von vollstreckungsrechtlichem Prioritätsprinzip und Gläu­ bigergleichbehandlungsgrundsatz verhält. Dabei gilt es zu untersuchen, welche materiell-rechtliche Wirkungsweise der von §  128 HGB bezweckte Gläubigerschutz erfordert. Stellt man den Einzelverbindlichkeitsbezug der Vorschrift sowie die damit verbundene Haftungsakzessorietät in den Fokus, liegt es nahe, die Haftungsverfassung des Personenverbandes in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht dem Prioritätsgrundsatz zu unterwerfen. §  129 HGB zeigt, dass die materielle Akzessorietät auf die diesbezügliche Durchsetzungsebene ausstrahlt. Die Erstreckung auf die materielle Durchsetzungsebene erfolgt indes im Interesse der Gesellschafter und nicht der Gläubiger.1398 Ferner führt die Anerkennung von Rechtssubjektivität und Vermögensträgerschaft der Personenaußengesellschaft dazu, dass diese eigenständig im Rechtsverkehr agiert. Der Regelungszweck des §  128 HGB erstreckt sich dementsprechend nicht auf eine Erfüllung, sondern beschränkt das rechtliche Kompensationsbedürfnis auf den Betrag der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens.1399 Darüber hinaus soll die Gesellschafterhaftung die Attraktivität als Rechtssubjekt im Rechtsverkehr gewährleisten.1400 Sowohl die Gewährleistung der Vollwertigkeit des Haftungsfonds der Gesellschaft als auch die Frage nach der Kreditwürdigkeit der Personenaußengesellschaft richten sich dabei aber im Unterschied zur Relativität einzelner schuld­ rechtlicher Leistungsbeziehungen nicht auf die Interessen der Gläubiger als Individuen, sondern orientieren sich an denen der Gläubigergesamtheit. Schließlich 1396 

Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 D. zur masselosen Liquidation einer GmbH unter dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  37, 94 ff., 160 ff., 174 ff.; ablehnend, da „wirtschaftlich sinnlos“, G. Buchner, Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz, S.  59 ff., 64 f., 75; siehe zur Legitimation der Abwicklung bei Masseunzulänglichkeit, Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  344 ff. 1398  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)cc). 1399  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d). 1400  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.2. 1397  Vgl.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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erfasst §  128 HGB nicht nur rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten, sondern auch gesetzliche. Zum effektiven Schutz der Geschädigten ist es insbesondere bei deliktischer Betroffenheit angezeigt, die Haftungsfunktion auf die Gesamtheit potenziell betroffener Individuen zu erstrecken, anstatt die Schutzrichtung auf den schnellsten, am besten informierten Gläubiger zu beschränken. Die Geltung des vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips gegenüber den Gesellschaftern bei Annahme deren primärer Einstandspflicht hätte zur Folge, dass große gewerbsmäßig tätige Gläubiger, die ohnehin bessere Sicherungsmittel haben, eher Befriedigung erlangen könnten, als kleinere. Erkennt man der Gesellschafterhaftung zuletzt auch eine verhaltenssteuernde Funktion zu,1401 so ist auch diese auf den Rechtsverkehr insgesamt und nicht auf einzelne Gläubiger gerichtet. Zwar besteht diese Interessenlage bei jedem deliktischen Schuldner, anders als bei Gläubigern natürlicher Personen beruht die Einstandspflicht der Gesellschafter aber nicht unmittelbar auf einer deliktischen Norm, sondern auf der die verbandsrechtliche Gefährdungslage kompensieren Vorschrift des §   128 HGB. Die jederzeitige verbandsrechtliche Möglichkeit, dass der deliktische Schuldner droht wegzufallen, indiziert eine abweichende Beurteilung der haftungsrechtlichen Zugriffsmöglichkeit. Der von §  128 HGB zu verwirklichende Gläubigerschutz ist in seiner materiell-rechtlichen Ausrichtung demnach auf die Gläubigergesamtheit bezogen. Deren Schutz lässt sich am geeignetsten durch eine Gläubigergleichbehandlung verwirklichen, wie sie durch das insolvenzrechtliche Regime gewährleistet wird. Eine Privilegierung der schnellsten Gläubiger ist hingegen nicht gerechtfertigt. Ließe man eine solche zu, wären Effektivität und Leistungsfähigkeit des von §  128 HGB verfolgten Gläubiger- und Verkehrsschutzes gefährdet. Vor dem Hintergrund des Regelungszwecks des §  128 HGB, der Haftungsdogmatik im Personenverband sowie der gesetzlichen Systematik sind die Annahme einer materiell-rechtlich primären Einstandspflicht sowie die Geltung des vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips jedenfalls keine Notwendigkeit. Vorzugswürdig erscheint vielmehr die Annahme eines    – auch vorinsolvenzrechtlichen    – allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung. Diese Beschränkung der Gesellschafterhaftung auf ein die Gläubigergesamtheit schützendes Ausgleichsprinzips führt    – anders als bei einer allgemeinen Verdrängung des Prioritätsprinzips im Rahmen der Einzelvollstreckung    – nicht zu einer Ungleichbehandlung von Geldvollstreckung und Naturalvollstreckung.1402 So können eine Naturalvollstreckung sowie deren Sicherung naturgemäß nur dem Prioritätsgrundsatz unterliegen, weil eine Sache nur einmal an den schnellsten Gläubiger übereignet werden kann, während ein Geldgläubiger sich mit einer Quote begnügen müsste.1403 Erstreckt man die Einstandspflicht demge1401 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.4. Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (328). 1403  Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (328). 1402 Vgl.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

genüber, wie nach hier vertretener Auffassung, nicht auf die Erfüllung, ist eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung unter Geltung des Ausgleichsprinzips konsequent zu realisieren.1404 Mit diesem Verständnis soll keine Vorwirkung der Insolvenzordnung angenommen werden, sondern die These aufgestellt werden, dass bereits die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegt. Unterwirft man bereits die Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB dem Gleichbehandlungsgrundsatz, gilt dies sodann auch mit Blick auf die insolvenzrechtliche Haftungsabwicklung nach §  93 InsO. Anders als bei der Diskussion um die Haftungsausrichtung in der Vor-GmbH1405 geht es dabei nicht um die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenhaftung, sondern darum, durch wen und zu welchem Zeitpunkt die Haftung geltend zu machen ist. Während sich Innen- und Außenhaftung darin unterscheiden, wer die „Abwicklungslast“ zu tragen hat, unterscheiden Prioritätsprinzip und Gleichbehandlungsgrundsatz über das Prozedere der Geltendmachung. Beides sind Fragen der Haftungsabwicklung, die keine Auswirkungen auf das Haftungsvolumen haben. Der Unterschied von Innen- und Außenhaftung besteht aber darin, dass eine Außenhaftung die Vermögenstrennung aufrechterhält, während im Rahmen einer Innenhaftung, die Ausgleichsforderung Teil des Gesellschaftsvermögens wird.1406 Insoweit kommt der Unterscheidung von Innen- und Außenhaftung materiell-rechtlicher Gehalt zu, während die Frage der Priorität verfahrensrechtlicher Gestalt ist. Eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung bei materieller Außenhaftung lässt sich dadurch realisieren, dass Zeitpunkt und berechtigte Institution der Geltendmachung verlagert werden. In Betracht kommen das Liquidationsverfahren sowie das Insolvenzverfahren als besonderes Liquidationsverfahren. Belastbarer Berechnungszeitpunkt wäre der Eröffnungsstichtag des Insolvenzverfahrens bzw. der Zeitpunkt der Ablehnung mangels Masse. Während die Regress­ abwicklung auf diese Weise bei den Gesellschaftern verbleibt, würde die Haftungsverwirklichung der Gläubigergesamtheit überantwortet. Eine zentralisierte Geltendmachung der Haftungsansprüche kommt entweder durch den Insolvenzverwalter oder einen anderen im Fremdinteresse agierenden Drittliquidator in Betracht.1407 Der Regelungszweck des §  128 HGB spricht demnach dafür, die Gesellschafterhaftung per se der stichtagsbezogenen Gesamtvollstreckung zu unterwerfen. 1404 Vgl. Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (328 f.), der ein optionales Insolvenzverfahren zu vorschlägt. 1405  Vgl. BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  13 ff., 19 ff.; BGH, Bv. 4.3.1996    – II ZR 123/94, ZIP 1996, 590 mit Anm. K. Schmidt; Altmeppen, NJW 1997, 3272; Gehrlein, DB 1996, 561; K. Schmidt, ZIP 1996, 353 (357); Stimpel, in: FS Fleck (358 ff.); Ulmer, ZIP 1996, 733 (735 f.). 1406  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 1407 Siehe zur Funktion des Insolvenzverwalters als notwendiger Drittliquidator oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb).

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III. Am Nutzen orientierte Konkretisierung des normativ angelegten Gleichlaufs von Haftung und Herrschaft Überantwortet man die Liquidation eines Personenverbandes einem im Fremd­ interesse der Gläubigergesamtheit agierenden Dritten, wie im Rahmen des Insolvenzverfahrens, stellt sich die Frage, inwieweit die Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB weiteren Einschränkungen unterliegt, weil die Gesellschafter in Anbetracht des Übergangs der Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach §  80 InsO noch nicht einmal mitgliedschaftlich vermittelt auf die Begründung weiterer Verbindlichkeiten Einfluss nehmen können.1408 Abstrahiert man diese Problematik, ist fraglich, ob jemand, der keine Leitungsmacht hat    – und damit keine „Herrschaft“    –, persönlich haften soll („keine Haftung ohne Herrschaft“).1409 Nach ordoliberalem Ansatz führt die wechselseitige Verknüpfung von Herrschaft und Haftung zu effizienten Investitionen eines Rechtssubjekts, weil es auf diese Weise nicht zu einer opportunistischen Verschiebung von Risiken kommt.1410 Zwar handelt es sich bei der Annahme, dass wer herrscht auch haftet, nicht um einen vorrechtlichen Grundsatz, jedoch wird weitgehend argumentiert, dass es sich dabei um ein dem positiven Recht zu entnehmendes, handelsrechtliches Prinzip handle.1411 §  128 HGB sei ein Element dieser gesetzlichen Gesamtwertung. Die Vorschrift artikuliere das rechtspolitische Bestreben, die Gesellschafter einer Haftung zu unterwerfen, weil diese sowohl im Gesellschafts- als auch im Eigeninteresse Herrschaft über die Gesellschaft ausübten. Diese Freiheit korrespondiere mit deren Verantwortlichkeit.1412 Nach diesem Ansatz führe die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter dazu, dass diese im Eigeninteresse ihren Einfluss auf die Gesellschaft verantwortungsvoll ausübten, sodass diese keine riskanten Geschäfte wahrnehme. Möchte man §  128 HGB diese Wertung zugrunde legen, darf bei dessen Analyse aber nicht die rechtssubjektive Verschiedenheit von Personenverband und Mitgliedern außer Betracht bleiben. So trifft das jeweils agierende Rechtssubjekt in seiner Entscheidungssphäre    – bei Annahme rationalen Verhaltens des Individuums als homo oeconomicus1413    – die aus seiner Sicht effizienten Investitionen. Dadurch, dass bei der Personengesellschaft nicht der einzelne Gesellschafter, sondern das Kollektiv entscheidungsbefugt ist, trifft es in seiner Gesamtheit diejenigen Entscheidungen, die für das Kollektiv unter Berücksichtigung der Präferenzen des Verbandes die effiziente Güterallokation bewirken, ohne dabei einzelne Gesellschafterprivatinteressen in die Würdigung 1408 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc). Siehe zum umgekehrten Ansatz „keine Herrschaft ohne Haftung“ oben Kap.  1 §  3 B.I. 1410  König, AcP 217 (2017), 611 (619 f.). 1411  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.I. 1412  Windel, KTS 2011, 25 (42). 1413  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.2.b)bb). 1409 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

einzustellen.1414 Bezogen auf die Gesellschafterprivatinteressen trifft der Einzelne seine Entscheidungen demgegenüber lediglich bezogen auf die eigenen mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten. Hinsichtlich konkreter Marktaktivitäten übt daher nur der Verband die unmittelbare Herrschaft aus, sodass ihn mit seiner schuldrechtlichen Einstandspflicht die unmittelbare Haftung trifft. Die Gesellschafter üben in Anbetracht der auf die Mitgliedschaft beschränkten Rechte hingegen nur eine mittelbare individuelle Herrschaft aus. Im Geltungsbereich des §  80 InsO haben sie bezogen auf die vermögensrechtlichen Liquidationskompetenzen sogar keinerlei Einflussnahmemöglichkeit mehr. Fraglich ist, inwieweit diese Limitierungen der Herrschaft Haftungsbeschränkungen indizieren. Legt man §  128 HGB die positivrechtliche Wertung einer Verbindung von Herrschaft und Haftung zugrunde, läuft die Anordnung einer unmittelbaren Einstandspflicht der Gesellschafter in dem Umfang, wie den Gesellschaftern eine hinreichende Einflussnahmemöglichkeit fehlt, letztlich auf eine nicht gerechtfertigte Fiktion der unmittelbaren Herrschaftsausübung hinaus. Dementsprechend könnte die auf der Annahme einer Verbindung von Herrschaft und Haftung fußende Anordnung der Gesellschafterhaftung teilweise teleologisch zu reduzieren sein. 1. Einschränkung der Gesellschafterhaftung angesichts des Grundsatzes „keine Haftung ohne Herrschaft“ unter dem Regime der InsO Während ohne gesetzliche Regelung nicht von der Einflussnahmemöglichkeit unmittelbar auf eine Haftung geschlossen werden darf, kann jedoch umgekehrt bei gesetzlicher Anordnung einer Einstandspflicht eine fehlende Einflussnahmemöglichkeit in einem Haftungsausschluss münden.1415 So stelle es einen rechtsstaatlichen Grundsatz dar, dass eine Haftung ausscheide, wenn die haftungsunterworfenen Individuen keinerlei Einflussnahmemöglichkeit haben.1416 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei vielen Haftungsnormen ein gesellschaftsrechtlicher Grundsatz „keine Haftung ohne Herrschaft“ zwar existiert,1417 dass dieser Grundsatz in systematisch engem Zusammenhang mit §  128 HGB aber bereits durch die sog. Nachhaftung von ausgeschiedenen Gesellschaftern gemäß §  160 HGB eine Durchbrechung erfährt.1418 Es handelt sich insoweit um eine Ausweitung des handelsrechtlichen Grundsatzes der unbe1414 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.c). Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.I. 1416  Vgl. zur Korrespondenz von Herrschaft und Haftung, K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (105 ff.); ders., Gesellschaftsrecht, §  18 IV 1 b bb, S.  539 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band  1, §  10 III 2 a, S.  543 ff. 1417  OLG Brandenburg, Uv. 23.5.2007    – 7 U 173/06, juris-Rn.  29; LG Neuruppin, Uv. 20.9.­ 2006    – 1 O 507/04, BeckRS 2009, 29394 unter I.; K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (167); Zimmer, ZInsO 2011, 1081 (1083); i. E. so auch BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  10 ff.; BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff. 1418  Zimmer, ZInsO 2011, 1081 (1083). 1415 

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schränkten Haftung. Nach §  160 HGB reicht die an die Mitgliedschaft anknüpfende Einstandspflicht der Gesellschafter über deren gesellschaftliche Verbundenheit hinaus. Mit Wirksamwerden des Austritts wird der Haftungs-Istzustand des scheidenden Gesellschafters eingefroren. Mit Blick auf die betroffenen Interessen von (ausgeschiedenen) Gesellschaftern, Alt- sowie Neugläubigern ist diese erweiterte Haftung wiederum in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht beschränkt. Aus der Gesellschaft ausgeschiedene Gesellschafter haften gemäß §  160 HGB im Interesse des Rechtsfriedens für bis dahin begründete Verbindlichkeiten lediglich, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig sind. Die Nachhaftung gilt sowohl für rechtsgeschäftliche als auch für gesetzliche Gesellschaftsverbindlichkeiten.1419 In Anbetracht der gesellschaftsrechtlichen Nachhaftung ist auch hinsichtlich des Grundsatzes „keine Haftung ohne Herrschaft“ von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen, sofern diesbezüglich eine gesetzliche Regelung existiert. a) Haftungsbeschränkung gegenüber Masseverbindlichkeiten Mit der dem Grundsatz „keine Haftung ohne Herrschaft“ zugrunde liegenden wertungsmäßigen Gemengelage wird teilweise unter teleologischer Reduktion des §  128 HGB die Haftungsbeschränkung für durch den Insolvenzverwalter begründete Masseverbindlichkeiten begründet.1420 Der BGH kommt unter Berücksichtigung rein insolvenzrechtlicher Erwägungen zu einem vergleichbaren Ergebnis.1421 Ergänzend wird angeführt, dass der Insolvenzverwalter nicht mehr im Interesse der Gesellschafter agiere, sondern in dem der Gläubigergesamtheit.1422 Schließlich seien Massegläubiger weniger schützenswert, weil sich deren privatautonomes Vermögensinteresse auf die Masse beschränke.1423 Beide Ansätze sind als Legitimationsbasis für eine Haftungsbeschränkung grundsätzlich geeignet. Dogmatisch vorzugswürdig ist allerdings die argumentative Anknüpfung an §  128 HGB, die dessen Geltungsbereich im Rahmen des Insolvenzverfahrens unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses hinzutretenden Regelungsregimes würdigt. Ungeachtet der dogmatischen Herleitung ist es vorwiegend die beschränkte Einflussnahmemöglichkeit der Gesellschafter, die 1419  Medicus, in: FS Lutter, S.  897 ff.; Wiesner, in: FS Hellwig, S.  414 ff.; vgl. BGH, Uv. 15.12.­ 2020    – II ZR 108/19, juris-Rn.  29 ff. 1420  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (166 ff.); so nun auch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  25 ff.; inhaltlich abgestimmt mit BGH, Uv. 15.12.2020    – II ZR 108/19, juris-­ Rn.  18 ff.; siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc). 1421  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  10 ff., in erster Linie auf die insolvenzrechtliche Verwaltungs- bzw. Vertretungskompetenz des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Gesellschafterprivatvermögen abstellend, Rn.   12 ff.; Aufgabe dieser Rechtsprechung durch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff., 25 ff.; vgl. BGH, Uv. 15.12.2020    – II ZR 108/19, juris-Rn.  18 ff., 24, 29, 33 ff., 36 ff., 42 ff. 1422  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  81. 1423  J. Sieveking, Die Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S.  37 ff., 40.

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einer Einstandspflicht für Masseverbindlichkeiten entgegensteht, weil die Abwicklung im besonderen insolvenzrechtlichen Liquidationsverfahren fremdbestimmt durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Auf ein gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren sind diese Erwägungen nicht ohne Weiteres übertragbar. Zwar wird die gesellschaftsrechtliche Liquidation auch durch Liquidatoren vorgenommen und damit nicht durch die Gesellschaftergesamtheit, deren Bestellung ist indes frei widerruflich. Ferner ist das personengesellschaftsrechtliche Liquidationsrecht im Unterschied zu dem der juristischen Personen, welches nach dem Vorbild der §§  45 ff. BGB ein Sperrjahr vorsieht (vgl. §§  73 GmbHG, 272 AktG), weitestgehend dispositiv. Anders ist die Interessenlage lediglich bei einem amtsgerichtlich bestellten Notliquidator, weil die Gesellschafter auf dessen Liquidatorenamt keinen Einfluss mehr nehmen können (vgl. §§  146 Abs.  2, 148 Abs.  2 HGB, §  29 BGB). Soweit demgegenüber die Verfahrenskosten nach §  54 InsO von der Ein­ standspflicht der Gesellschafter ausgenommen werden, ist dies indes nicht auf das Verhältnis von Herrschaft und Haftung zurückzuführen, weil diese Kosten bereits auf dem Vorliegen der materiellen Gesellschaftsinsolvenz beruhen, bei Verfahrenseröffnung angelegt sind und damit letztlich auf das der Einflussnahme der Gesellschafter unterliegende vorinsolvenzliche Gesellschaftsverhalten zurückzuführen sind.1424 Deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der Gesellschafterhaftung sei vielmehr dem Insolvenzverfahren immanent; sie sollen daher nur die Masse treffen, was ihre Behandlung als Neuverbindlichkeiten rechtfertige.1425 Normativ ergebe sich diese Behandlung aus der Systematik von Eröffnung und Einstellung des Insolvenzverfahrens wie sie in §§  26, 207 Abs.  1 Satz  1 InsO zum Ausdruck kommt.1426 Danach ist die Verfahrenseröffnung abzulehnen bzw. das Verfahren einzustellen, wenn die Masse nicht ausreicht, die Verfahrenskosten zu decken. Hinsichtlich der Herrschaftsmöglichkeiten der Gesellschafter ist im Rahmen gegenseitiger Verträge fraglich, wie sich die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters gemäß §  103 InsO auswirkt. Verweigert der Insolvenzverwalter danach die Erfüllung, sind die Gesellschaftsgläubiger darauf verwiesen, ihre Forderung im Insolvenzverfahren geltend zu machen mit der Folge, dass die Gesellschafter für diese Nichterfüllungsansprüche im Rahmen des §  93 InsO einzustehen haben. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zu gewöhnlichen Altverbindlichkeiten. Problematisch ist es demgegenüber, wenn der Insolvenzverwalter sein Wahlrecht in Richtung der Erfüllung ausübt, weil dies dazu führt, dass unter Herrschaft des Insolvenzverwalters Masseverbindlichkeiten gemäß §  55 1424  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  21; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  81. 1425  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  19 ff. m. w. N. zu abweichenden Ansätzen in Rn.  24 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  81 m. w. N. in Fn.  283. 1426  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  21.

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Abs.  1 Nr.  2 InsO begründet werden.1427 Demgegenüber ist die Grundlage für eine entsprechende Vermögensdisposition bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt, sodass nur eine Einstandspflicht der Gesellschafter eine wertungsmäßig stimmige Behandlung gewährleisten kann.1428 Hintergrund ist, dass der Insolvenzverwalter mit der Erfüllungswahl keine neuen Verbindlichkeiten begründet, sondern lediglich deren Durchsetzbarkeit wiederherstellt.1429 Angesichts der stichtagsbezogenen Bewertung der Gesellschafterhaftung während des Insolvenzverfahrens stellt sich ferner die Frage, wie sich diese mit Blick auf fortgesetzte Dauerschuldverhältnisse verhält, weil auch insoweit die Grundlage für die Vermögensdisposition bereits unter der Einflussnahmemöglichkeit der Gesellschafter gelegt wurde.1430 Hinsichtlich der Beurteilung der haftungsrelevanten Gesellschafterherrschaft ist maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter eine Entscheidung trifft. In Betracht kommt, auf die Nichtausübung der ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit der Insolvenzschuldnerin abzustellen.1431 In dieser ist eine haftungsschädliche Fortsetzungsentscheidung des Insolvenzverwalters zu sehen, auf die die Gesellschafter keinen Einfluss mehr nehmen konnten. b) Haftungsbeschränkungen außerhalb des Regelverfahrens Angesichts der Tatsache, dass Hintergrund einer Einschränkung der Gesellschafterhaftung während der Gesellschaftsinsolvenz der normativ angelegte Gleichlauf von Herrschaft und Haftung ist, greifen die diesbezüglichen Erwägungen grundsätzlich nur bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit der Einsetzung eines starken Insolvenzverwalters.1432 Kennzeichnend sind dabei die Fremdverwaltung, die Einflusslosigkeit der Gesellschafter sowie die Verwaltung im Gläubigerinteresse.1433 Dementsprechend problematisch erscheint eine Verneinung der Gesellschafterhaftung unter dem Regime der Eigenverwaltung nach den §§  270 ff. InsO, weil die Gesellschaftergeschäftsleiter ihrerseits insoweit vertretungsberechtigt bleiben und damit Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können.1434 Während der BGH auch diesbezüglich zu entsprechenden Haftungsbeschränkung käme, weil er diese als dem Insolvenzregime immanent entnimmt,1435 1427 

K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (177 f.). K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (178). 1429  BGH, Uv. 25.4.2002    – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353–356 = juris-Rn.  24; K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (177); Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, §  103 Rn.  178. 1430  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (178 ff.). 1431  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (181). 1432 Vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  81. 1433  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  81. 1434  Vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, Anh. §  158 Rn.  47; zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Rahmen vorläufiger Eigenverwaltung, Swierczok, ZInsO 2016, 2366 (2369 ff.). 1435 BGH, Uv. 24.9.2009     – IX ZR 234/07, juris-Rn.  12; Aufgabe dieser Rechtsprechung durch BGH, Uv. 28.1.2021    – IX ZR 54/20, juris-Rn.  21 ff., 25 ff. 1428 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

wird auch von Vertretern, die eine teleologische Reduktion des §  128 HGB als maßgeblich erachten, eine Haftungsbeschränkung angenommen, „weil auch die Eigenverwaltung eine Verwaltung des Gesellschaftsvermögens unter dem Regime des Insolvenzrechts ist“.1436 Ein entsprechendes Verständnis kommt nur in Betracht, wenn die eigenverwaltenden Gesellschafter nicht mehr als solche agieren, sondern ihre Stellung der eines Insolvenzverwalters vergleichbar ist. Un­ geachtet der Regelung des §  280 InsO    – dieser regelt lediglich flankierend und die Gläubigergesamtheit schützend, Kompetenzen des Sachwalters1437    – werden dem durch seine Organe eigenverwalteten Insolvenzschuldner gemäß §   270 Abs.  1 Satz  1 InsO Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse zugewiesen, die ­denen des Insolvenzverwalters aus §  80 InsO entsprechen, ohne dass er dabei gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegt.1438 Die Ausübung der insolvenzrechtlichen Liquidationskompetenzen des eigenverwaltenden Insolvenzschuldners ist angesichts des §  1 InsO ausschließlich an den Interessen der Gläu­bi­ger­ gesamtheit auszurichten, sodass die Geschäftsleiter bezogen auf die Masse wie ein Insolvenzverwalter als Drittliquidator agieren. Eine vergleichbare Gemengelage ist bereits während eines schwebenden Insolvenzantrags gegeben, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt und über die Gesellschaft ein allgemeines Verfügungsverbot verhängt wurde.1439 Jedenfalls hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Wertungen über eine Haftungsbeschränkung ist problematisch, dass das Insolvenzverfahren zu ­diesen Zeitpunkt noch nicht eröffnet ist und die §§  21 bis 25 InsO lediglich der Sicherung im Insolvenzeröffnungsverfahren dienen. Während das eröffnete Verfahren der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger dient, verfolgt die vorläufige Insolvenzverwaltung lediglich die Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens, nicht hingegen dessen Verwertung.1440 Hintergrund ist, dass die formale Insolvenz des Schuldners noch nicht gegeben ist und das Eröffnungsverfahren zum Beispiel durch Antragsrücknahme wieder beendet werden kann.1441 Gemäß §  55 Abs.  2 Satz  1 InsO gelten aber die von einem solchen starken vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten nach Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten, sodass jedenfalls nach Eröffnung eine Einstandspflicht der Gesellschafter abzulehnen ist.1442 Aus §  55 Abs.  2 Satz  1 InsO in Verbindung mit dem Zusammenspiel von Herrschaft und Haf1436 

K. Schmidt, in: MüKoHGB, Anh. §  158 Rn.  47. Vgl. zu dessen Kompetenzen, Kampshoff/T. Schäfer, NZI 2016, 941 (942 f.). 1438  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.3; Huhn, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren, S.  218 f.; H. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777 (780); a. A. Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406. 1439 Vgl. Marotzke, in: 2. FS K. H. Schwab, S.  65 ff. 1440  Hefermehl, in: MüKoInsO, §   55 Rn.  220; vgl. zur gleichwohl gläubigerschützenden Ausrichtung, Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  346. 1441  Hefermehl, in: MüKoInsO, §  55 Rn.  2 20. 1442  Blankenburg, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 76. EL 5/2018, §   22 Rn.  41; Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  4b. 1437 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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tung ergibt sich insoweit, dass sich nach Verfahrenseröffnung die Einstandspflicht der Gesellschafter auf Verbindlichkeiten beschränkt, deren Rechtsgrund vor Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen starken Insolvenzverwalter gelegt wurde.1443 Hinsichtlich des Gläubigerzugriffs auf die unterschiedlichen Vermögensverbindungen wird sodann ungeachtet der Reichweite dieser Haftungsbeschränkung teilweise angenommen, dass die eine Gläubigergleichbehandlung gewährleistenden und damit die Geltung des Prioritätsgrundsatzes hindernden Vorschriften     – zum Beispiel §§   1, 93 InsO    – mangels Verfahrenseröffnung noch keine (analoge) Anwendung fänden.1444 Die gerichtlichen Anordnungen im Eröffnungsverfahren bezögen sich nicht auf die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger, sondern richteten sich lediglich gegen den Schuldner.1445 Dafür spricht, dass gemäß §  21 Abs.  1 Satz  2 InsO lediglich der Schuldner gegen angeordnete Maßnahmen sofortige Beschwerde einreichen kann, nicht aber die Gläubiger.1446 Hingegen sehen §  21 Abs.  2 Nr.  3 und Nr.  5 InsO etwa vor, dass Maßnahmen Dritter untersagt werden können. Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters wären unvollständig, wenn dieser den prioritären Gläubigerzugriff auf die Gesellschaftervermögen zulassen müsste und diese im späteren Insolvenzverfahren nicht mehr realisierbar wären, weil ein Wettlauf der Gläubiger entstünde.1447 Entsprechend problematisch ist die Gesellschafterhaftung bezogen auf einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß §  22 Abs.  2 InsO. Dann ist dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt und die Gesellschafter können weiterhin Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Konsequenterweise sieht §  55 InsO für durch einen vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten nicht vor, dass diese Masseverbindlichkeiten werden.1448 Gleichwohl kommt eine gerichtliche Zustimmung für die Begründung von Verbindlichkeiten durch den schwachen Insolvenzverwalter in Betracht, ohne dass die Gesellschafter darauf Einfluss hätten. Dennoch wird eine analoge Anwendung des §  55 Abs.  2 InsO abgelehnt.1449 Konsequente Folge ist die Behandlung der eingegangenen Verbindlichkeiten als Altverbindlichkeiten, sodass kein Raum für eine teleologische Reduktion des §  128 HGB vor dem Hintergrund des Zusammenspiels von Herrschaft und Haftung bliebe. Hingegen sieht §  55 Abs.  4 InsO eine Sonderregelung vor, wonach Verbindlichkeiten aus Steuer1443 

Hofmann, in: Graf-Schlicker, InsO, §  93 Rn.  5. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  15; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  13; a. A. H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  6. 1445  K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  13. 1446  Hölzle, in: K. Schmidt, InsO, §  21 Rn.  30. 1447  H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  6 . 1448  Blankenburg, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 76. EL 5/2018, §   22 Rn.  156; ­Hefermehl, in: MüKoInsO, §  55 Rn.  221. 1449  BGH, Uv. 18.7.2002    – IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353–374 = juris-Rn.  7 ff.; Blankenburg, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 76. EL 5/2018, §  22 Rn.  156. 1444 

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schuldverhältnissen auch dann als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind, wenn sie im Eröffnungsverfahrens durch einen schwachen Insolvenzverwalter begründet werden.1450 Mit den §§  69 i. V. m. 34, 35 AO wird ein gegenüber den §§  128 HGB, 93 InsO vorrangiger Haftungsanspruch begründet, bei dem aber keine gesellschaftsrechtliche, sondern eine spezifisch steuerrechtliche Interessenlage betroffen ist.1451 Daher soll die diesbezügliche Einstandspflicht von der Untersuchung ausgenommen werden.1452 So knüpft §  69 AO mit den durch die §§  34 f. AO in Bezug genommenen Verpflichteten nicht an eine schuld- bzw. vermögensrechtliche Zuordnung an, sondern allein an die geschäftsführenden, verfügungsberechtigten „Funktionäre“, sodass die Vorschriften nicht einen organisationsrechtlichen Anknüpfungspunkt haben, sondern sanktionsrechtlichen Hintergrund aufweisen.1453 Derartige Privilegien des Fiskus sind nicht geeignet, Rückschlüsse auf die der Insolvenzordnung zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen Annahme zu ziehen. So werden etwa auch Steuerschulden als Masseverbindlichkeiten nicht von den Wirkungen eines Insolvenzplanverfahrens erfasst.1454 Dass die steuerrechtlichen Anknüpfungsmomente von den gesellschaftsrechtlichen abweichen und die Vermögenslage umgekehrt auch nicht der steuerrechtlichen Zuordnung folgt, zeigt sich ferner daran, dass von den Gesellschaftern zu versteuernde Gewinne im Gesellschaftsvermögen erzielt werden, ohne dass damit gar ein mitgliedschaftliches Entnahmerecht korrespondiert. Vielmehr ist es eine Obliegenheit der Gesellschaftergesamtheit entsprechende Entnahmerechte gesellschaftsvertraglich zu vereinbaren.1455 Hintergrund ist, dass die Personengesellschaft selbst nicht Steuersubjekt der Einkommensteuer ist, sodass Steuerrecht und Insolvenzrecht nicht aufeinander abgestimmt sind.1456 Demgegenüber knüpft §  191 Abs.  1 AO an eine Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft sowie eine Steuerhaftungsschuldnerschaft der Gesellschafter an.1457 Ein Insolvenzplan gemäß §§  217 ff. InsO erfordert demgegenüber keine gesonderte Beurteilung der Reichweite der Gesellschafterhaftung. Maßgebliche 1450 Vgl.

Thole, in: K. Schmidt, InsO, §  55 Rn.  45 ff.; Zimmer, ZInsO 2011, 1081 (1086 ff.). Bunke, KTS 2002, 471 (489 ff.). 1452  Zimmer, ZInsO 2011, 1081 (1087); vgl. Bitter, ZInsO 2002, 557 (557 ff.); Bunke, NZI 2002, 591 (592 ff., 594). 1453 Vgl. Bunke, KTS 2002, 471 (491); Kling, ZIP 2002, 881 (882 f.). 1454  BFH, Uv. 23.10.2018    – VII R 13/17, ZIP 2019, 85; vgl. Undritz, ZGR 39 (2010), 201 (214 ff.). 1455  Ehricke, in: E/B/J/S, HGB, §  122 Rn.  50 ff., 54 ff.; a. A. Priester, in: MüKoHGB, §  122 Rn.  60 ff.; siehe zum an die Treuepflicht anzuknüpfenden außerordentlichen Steuerentnahmerecht Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 1456  Bunke, NZI 2002, 591 (592 ff.); Hefermehl, in: MüKoInsO, §   55 Rn.  72; Kling, ZIP 2002, 881 (882 f.); Olbing, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 38. EL 12/2009, InsSteuerR A. Rn.  78 ff.; vgl. zur GmbH & Co. KG, Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Kap.  18 VI, S.  660 f., Kap.  25 I, S.  779; vgl. zur Umsatz- bzw. Gewerbesteuer, bei denen die oHG selbst Steuerschuldnerin ist, Wiesner, in: FS Hellwig, S.  415 f. 1457  Wiesner, in: FS Hellwig, S.  415. 1451 Vgl.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Folge eines Insolvenzplans ist der teilweise Erlass von Forderungen der Gläubigergruppe gegenüber der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin; das Insolvenzplanverfahren ist Instrument der Gläubigerautonomie.1458 Mit Blick auf die einseitig wirkende Akzessorietät der Gesellschafterhaftung geht mit dem Teilerlass einer Gesellschaftsverbindlichkeit notwendig die Reduzierung des haftungsunterworfenen Gesellschaftervermögens einher, §  227 Abs.  2 InsO, ohne dass der Insolvenzplan autonom davon abweichen könnte.1459 Soll der Insolvenzplan sich demgegenüber nicht auf die Gesellschafterhaftung erstrecken, bedarf dieser der privatautonomen Zustimmung der betroffenen Gesellschafter.1460 c) Kompensation der Haftungsbeschränkung durch die Haftung des Insolvenzverwalters Im Gläubigerinteresse tritt an die Stelle der Gesellschafterhaftung für Masseverbindlichkeiten die Haftung des Insolvenzverwalters nach §§  60, 61 InsO.1461 Gemäß §  21 Abs.  2 Satz  1 Nr.  1 InsO gelten diese Normen entsprechend für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters. Unterliegt die Insolvenzschuldnerin der Eigenverwaltung nach den §§  270 ff. InsO, finden die §§  60 bis 62 InsO gemäß §  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3 InsO im Rahmen der Haftung des Geschäfts­ leiters gleichermaßen Anwendung.1462 Für Masseverbindlichkeiten wird auf diese Weise eine zusätzliche Vermögensverbindung für den Haftungszugriff eröffnet. Dies ist diejenige des nunmehr „herrschenden“ besonderen Drittliquidators unabhängig davon, ob dies der Insolvenzverwalter ist oder ein die Insolvenz in Eigenverwaltung lenkender Geschäftsleiter unter Aufsicht des Sachwalters. 2. Am Nutzen orientiertes Zusammenspiel von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung Hintergrund einer Einschränkung unbeschränkter Gesellschafterhaftung ist daher grundsätzlich, dass die haftungsrechtliche Selbstverantwortung aus der

1458 Vgl.

K. Schmidt, ZGR 27 (1998), 633 (648 f.). Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  39 ff.; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  139; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, §  227 Rn.  19; dies gilt ebenso für Altgesellschafter, weil der Plan an die gesellschaftsrechtliche Haftungsverfassung anknüpft, Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  39 ff.; Eidenmüller, ZGR 30 (2001), 680 (684 ff.); Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  139; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, §  227 Rn.  19; a. A. Breuer, in: MüKoInsO, §  227 Rn.  15. 1460  Breuer, in: MüKoInsO, §  2 27 Rn.  13; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, §  2 27 Rn.  16 f.; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  41. 1461  Vgl. BGH, Uv. 16.3.2017    – IX ZR 253/15, BGHZ 214, 220–228 = juris-Rn.  12 ff. 1462  Bis zur Novellierung des §  276a Abs.  2 , Abs.  3 InsO durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) vom 22.12.2020 (BGBl. I S.  3256), in Kraft getreten am 1.1.2021 wurden die §§  60, 61 InsO bereits entsprechend angewandt. Vgl. Bitter, ZIP 2021, 321 (334); BGH, Uv. 26.4.2018    – IX ZR 238/17, juris-Rn.  10 ff.; Bachmann/Becker, NJW 2018, 2235 (2236 ff.). 1459 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

privatautonomen Selbstbestimmung folgt.1463 Entsprechend diesem privatautonomen Grundsatz, ist den gesellschaftsrechtlichen Regelungen die allgemeine Wertung zu entnehmen, dass eine Einstandspflicht regelmäßig nur soweit in Betracht kommt, wie eine Selbstbestimmung ausgeübt werden kann. Bei positivrechtlich angeordneter Gesellschafterhaftung ergibt sich im Rahmen des Personengesellschaftsrechts daraus zwingend der Grundsatz der Selbstorganschaft.1464 Zwar ist die rechtsgeschäftliche Vertretung des Personenverbandes grundsätzlich auch auf Dritte delegierbar, erforderlich bleibt aber ein Minimum an Einflussnahme durch die Gesellschafter, indem diesen jedenfalls ein Widerrufsrecht bezogen auf die Vertretungsmacht verbleiben muss. Ebenso ist die organschaftliche Vertretung mit der Folge von Widerspruchsrechten (vgl. §§  114 f. HGB) auf einzelne Gesellschafter übertragbar, sie muss aber wenigstens einem persönlich haftenden Gesellschafter allein verbleiben. Nimmt man die Einflussnahme­ möglichkeit zum Maßstab persönlicher Verantwortlichkeit, hat sich die Ein­ standspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten des Personenverbandes den gleichen Abstufungen zu unterziehen, wie die Möglichkeit rechtlicher Einflussnahme. Der Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung spricht maßgeblich gegen eine primäre Einstandspflicht der Gesellschafter, wenn man berücksichtigt, dass die Einflussnahmemöglichkeit des einzelnen Gesellschafters eine lediglich mitgliedschaftlich vermittelte ist. Durch den Auftritt der Personenaußengesellschaft am Rechtsverkehr als Rechtssubjekt agiert lediglich diese selbstbestimmt, sodass auch nur diese unmittelbar selbstverantwortlich einer schuldrechtlichen Einstandspflicht unterliegt und deren Vermögen dem Gläubigerzugriff funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugeordnet wird.1465 Demgegenüber können die Gesellschafter lediglich im Rahmen kollektiver Willensbildung auf die Geschicke der Gesellschaft einwirken und partizipieren spiegelbildlich auch nur über ihren Kapitalanteil im Wege mitgliedschaftlicher Wertbeteiligung an der Gesellschaft.1466 Zwar können die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit auf das Vermögen der Gesellschaft zugreifen, dementsprechend ist es auch sachgerecht, dass sie in ihrer Gesamtheit für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haftbar gemacht werden können. Die bloß mitgliedschaftliche Beteiligung am Personenverband führt aber dazu, dass sich Gesellschafts- und Gesellschafterinteresse grundsätzlich maßgeblich unterscheiden.1467 Während das Gesellschaftsinteresse bei langfristiger Vermögensbindung bezogen auf einzelne Geschäftsvorfälle sowie das operative 1463  Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV; vgl. Neuner, BGB AT, §  1 Rn.  4, §  10 Rn.  11 ff., 27 ff., §  30 Rn.  8 ff., §  32 Rn.  2 ff., 26, §  41 Rn.  8. 1464  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.d)bb). 1465  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.1. 1466  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. 1467  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.c); vgl. mit Blick auf Gewinn- und Entnahmerechte, A. Hueck, in: FS Hübner, S.  85 f.

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Geschäft gerichtet ist, weisen die Gesellschafter    – auch in ihrer Gesamtheit    – während der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft lediglich ein turnusmäßiges Renditeinteresse zur Befriedigung ihres Alimentationsinteresses auf.1468 Die vollwertige Wertschöpfung ihrer Mitgliedschaft lässt sich hingegen erst mit Vollbeendigung des Verbandes realisieren.1469 Die betroffenen Interessen stehen dabei keineswegs in Widerspruch, ein Gleichlauf der Interessen findet indes erst mit Vollbeendigung des Verbandes statt. Der verbandsrechtlichen Interessenlage entspricht es, die beteiligten Akteure entsprechend ihren Möglichkeiten zur Ziehung von Nutzungen sowie der Einflussnahme auf die Gesellschaft einer Einstandspflicht zu unterwerfen. Damit steht es in Einklang, dass die Gesellschafter aus Neuverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren weder individuellen Nutzen ziehen können, weil ihnen in vermögensrechtlicher Hinsicht keine Kompetenzen mehr zustehen,1470 noch für diese haften.1471 Während des werben­ den Stadiums der Gesellschaft zeigen sich die Herrschaftsmöglichkeiten sowie die aus einer Gesellschaftstätigkeit resultierenden Nutzen anhand der personengesellschaftsrechtlichen Vermögenszuordnung.1472 Während das Gesellschafts­ vermögen spiegelbildlich zum unmittelbaren, aus einer schuldrechtlichen Verbindung resultierenden Gesellschaftsnutzen direkt haftungsunterworfen wird, partizipieren die Gesellschafter an solchen Rechtsbeziehungen lediglich mitgliedschaftsvermittelt, sodass auch nur eine in diesem Maße korrespondierende Einstandspflicht in Betracht kommt. So ist das Zusammenspiel von Herrschaft und Haftung letztlich nur bezüglich der Gesellschaft selbst als Rechtssubjekt konsequent zu realisieren. Hinsichtlich der Gesellschafter ist die Einflussnahme ebenso wie deren Nutzen stets lediglich eine mittelbare, was korrespondierend auch nur eine mittelbare Einstandspflicht rechtfertigt. Das Prinzip der Selbst­ organschaft1473 ist nicht geeignet, das unmittelbare Herrschafts­defizit zu kompensieren, weil auch bei Zuerkennung einer notwendigen Organfunktion die Einflussnahmemöglichkeit eine mittelbare bleibt. Das normativ in der Rechtsordnung verankerte Zusammenspiel von Herrschaft und Haftung findet positivrechtlich eine Ergänzung durch das Erfordernis des Eigennutzes. Vermögensrechtlich kommt dies dadurch zum Ausdruck, welchem Berechtigten eine verpflichtete Vermögensverbindung funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugeordnet ist. Bezogen auf Neuverbindlichkeiten während des Insolvenzverfahrens fällt der daran bestehende Nutzen im Interesse der Gläubigergesamtheit der dieser funktional zugewiesenen Insolvenzmasse an, sodass die Haftung auf diese zu beziehen ist. 1468 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e), Kap.  1 §  2 B.II.3. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 1470  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb). 1471  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.a). 1472  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II. 1473  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.d)bb). 1469 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

a) Interessenwahrnehmung durch den insolvenzrechtlichen Drittliquidator Bezieht man darüber hinaus die haftungsrechtliche Situation im Rahmen der Eigenverwaltung in die Beurteilung mit ein,1474 so zeigt sich, dass es nicht nur das Zusammenspiel von Herrschaft und Haftung ist, welches die Rahmen­ bedingungen der Gesellschafterhaftung schafft. Vielmehr ist maßgeblich, in wessen Interesse und zu wessen Nutzen die herrschenden Funktionäre agieren. In Bezug auf Masseverbindlichkeiten ist es grundsätzlich der Insolvenzverwalter, der diese im Interesse der Gläubigergesamtheit begründet. Dabei ist es unerheblich, ob der Insolvenzschuldner saniert oder abgewickelt werden soll, weil vorrangiges Verfahrensziel des Insolvenzregimes stets die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung ist (vgl. §  1 InsO). So soll eine Sanierung nach der gesetzlichen Konzeption immer nur dann angestrebt werden, wenn diese nicht zu einer schlechteren Behandlung der Gläubiger führt als eine Liquidation.1475 Insoweit ist das Sanierungsziel dem Gläubigerinteresse nachgelagert, sodass die Sanierung letztlich auch dem Gläubigergesamtinteresse dient.1476 Eine Sanierung ist durchzuführen, wenn durch sie mit Blick auf die Interessen der Gläubigergesamtheit die in der insolventen Gesellschaft gebundenen Ressourcen der wirtschaftlich produktivsten Verwendung zugeführt werden.1477 Sie ist nach vorzugswürdigem Verständnis „Mittel zur bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger“.1478 Der Erhalt der Insolvenzschuldnerin ist damit bloßer Reflex der insolvenzrechtlichen Gesamtvollstreckung.1479 Ausgehend von dieser in §  1 InsO angelegten Beurteilung des Verfahrenszwecks werden auch der vorläufige Insolvenzverwalter, weil die Sicherungsfunktion des Eröffnungsverfahrens bereits der Insolvenzmasse dient, sowie die in Eigenverwaltung agierenden Geschäftsführer nicht originär im Eigen- oder Gesellschaftsinteresse tätig. Sie sind vielmehr unter dem insolvenzrechtlichen Regime den Gläubigerinteressen verpflichtet. Pflichtenkollisionen soll durch §§  274, 280 InsO begegnet werden. Das Tätigwerden im Gläubigerinteresse zeigt sich maßgeblich in der schadensersatzbewährten Pflichtenerfüllung der Geschäftsleiter.1480 Mit dieser Interessenlage einhergehend ist die Haftung der Gesellschafter gestaltet. Obwohl die Gesellschafter im Rahmen der Eigenverwaltung selbst Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen können, wird sowohl von der Rechtsprechung als auch von den Vertretern, die eine Haftungsbeschränkung während des Insolvenz1474 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.II.3. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  74 f., 76; Ganter/Lohmann, in: MüKo­ InsO, 3.  Aufl., §  1 Rn.  85; Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  352 ff. 1476  Ganter/Bruns, in: MüKoInsO, §  1 Rn.  85; Ganter/Lohmann, in: MüKoInsO, 3.  Aufl., §  1 Rn.  85; vgl. U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  414 f. 1477  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  7 7. 1478  Brinkmann/Zipperer, ZIP 2011, 1337 (1338). 1479 Vgl. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  343 1480  BGH, Uv. 26.4.2018    – IX ZR 238/17, juris-Rn.  10 ff.; Bachmann/Becker, NJW 2018, 2235 (2236 ff.); siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.c). 1475 

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verfahrens unter teleologischer Reduktion des §  128 HGB herleiten, eine Gesellschafterhaftung für Neuverbindlichkeiten abgelehnt.1481 Dogmatisch begründen lässt sich dieser Ansatz nur, wenn man zur Annahme einer Einstandspflicht neben der Einflussnahmemöglichkeit der Gesellschafter auch verlangt, dass die Einflussnahme im Eigeninteresse erfolgt. Entsprechend diesem Gedanken wird im Rahmen der Diskussion über die Einstandspflicht der Gesellschafter für Masseverbindlichkeiten ergänzend angeführt, dass der Insolvenzverwalter nicht mehr im Gesellschaftsinteresse tätig werde, sondern fortan im Gläubigerinteresse agiere.1482 Dies stehe einer Einstandspflicht der Gesellschafter für in diesem Stadium begründete Verbindlichkeiten entgegen. Entsprechendes gilt sodann auch für das eigenverwaltete Insolvenzverfahren. b) Keine eigennützige Ausübung von Herrschaft der Gesellschafter im Eigeninteresse Verlangt man nun anknüpfend an diese Erwägungen, dass eine gesetzlich angeordnete Einstandspflicht sowohl die Ausübung von Herrschaft erfordert als auch ein eigennütziges Tätigwerden im Eigeninteresse, verwundert es umso mehr, dass die Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB eine primäre sein soll. So werden die Gesellschafter in Anbetracht ihrer beschränkten Einflussnah­ memöglichkeit auf die Gesellschaft hinsichtlich der Gesellschaftstätigkeit im Rechtsverkehr nie ihr Eigeninteresse durchsetzen können.1483 Vielmehr setzt sich in Anbetracht der Sozietätskonstruktion das Gesellschaftsinteresse stets nur aus der Gesamtheit der auf die Gesellschaft bezogenen Gesellschafterinteressen zusammen. Dabei begegnen sich zwar Individual- und Kollektivinteressen, angesichts der mehrheitlichen Willensbildung im Personenverband decken sich die betroffenen Interessensphären aber nicht. Vor dem Hintergrund der sozietätsvermittelten Vermögenstrennung in der Personenaußengesellschaft vertieft sich diese Trennung der betroffenen Interessen, indem die Gesellschafter ungeachtet fehlender Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregelungen keinen freien Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen haben. Unmittelbar verwirklichen können die Gesellschafter lediglich ihr Alimentationsinteresse.1484 Zwar kommt das finanzielle Gesellschaftsinteresse letztlich auch den ­Gesellschaftern zugute, dies jedoch nur bei finaler Betrachtungsweise auf den Liquidationsfall, weil sich die Gewinnerwartungen angesichts der bloß mitgliedschaftlichen Wertbeteiligung über den Kapitalanteil erst dann vollständig realisieren.1485 Während des werbenden Zustandes der Gesellschaft unterschei1481 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.b). J. Sieveking, Die Haftung des Gemeinschuldners für Masseansprüche, S.  37 ff., 39 f. 1483  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.c). 1484  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e), Kap.  1 §  2 B.II.3.; vgl. A. Hueck, in: FS Hübner, S.  85 f. 1485  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 1482 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

det sich das Gewinninteresse der Gesellschaft maßgeblich von dem egoistischen Alimentationsinteresse der Gesellschafter. So zeigt sich das vermögensmäßige Interesse der Gesellschafter vorrangig in der Gewinnausschüttung und den Entnahmerechten.1486 Soweit die Gesellschafter diesbezüglich keine gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen getroffen haben, sind diese auf ein Minimum beschränkt. Die Gesellschafter können die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Vereinbarung mehrheitlicher Entscheidungsfindung sowie die Bestellung von Entscheidungsorganen weiter beschränken. Insoweit stehen dem einzelnen Gesellschafter zwar Widerspruchsrechte zu (§§  114 f. HGB), diese haben aber wiederum nur zur Folge, dass sich die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter auf eine angemessene Lösung einigen müssen. Nichtgeschäftsführungsbefugte Gesellschafter agieren demgegenüber lediglich im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses.1487 Diese Mitwirkungsbefugnis tritt an die Stelle derjenigen, die diesen Gesellschaftern bei der Aufstellung verwehrt ist. Letztlich geht es den Gesellschaftern mit der Konstituierung als Verband vorrangig darum, Drittverbindlichkeiten der Gesellschaft über das Gesellschaftsvermögen abzuwickeln anstatt über eine persönliche Inanspruchnahme.1488 Insoweit sind Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen sogar gegenläufig. c) Teleologische Reduktion des §  735 BGB hinsichtlich Masseverbindlichkeiten Legt man einer Einstandspflicht der Gesellschafter dieses am Eigennutz orientierte Zusammenspiel von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung als Beurteilungsmaßstab zugrunde, stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Gesellschafter über die liquidationsrechtliche Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB mittelbar für Gesellschaftsverbindlichkeiten herangezogen werden können. So stehen einer Nachschusspflicht der Gesellschafter im Liquidationsfall    – auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens    – grundsätzlich weder die Regelung des §  707 BGB noch die rechtssubjektive Vermögenstrennung entgegen, weil die Ver­ mögenstrennung am Endpunkt der Liquidation mit der Vollbeendigung des Verbandes ihr Ende findet.1489 Mit den gleichen Erwägungen, die gegen eine Einstandspflicht nach §  128 HGB für durch den Insolvenzverwalter in Ausübung seiner Drittliquidationskompetenzen begründete Masseverbindlichkeiten sprechen,1490 könnte eine Inanspruchnahme der Gesellschafter in Form von Nachschussansprüchen unter teleologischer Reduktion des §  735 BGB abzulehnen sein. Anderenfalls könnte den Gesellschaftern solcher Gesellschaften, bei 1486 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2; A. Hueck, in: FS Hübner, S.  85 f. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.d). 1488  Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  144; vgl. demgegenüber zur Haftung für Drittverbindlichkeiten, Faust, in: 1. FS K. Schmidt, S.  368 f. 1489  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 1490  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc), Kap.  1 §  3 B.III.1. 1487 

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denen §  735 BGB gesellschaftsvertraglich nicht abbedungen ist, über den Umweg der Nachschusspflicht eine Einstandspflicht für Masseverbindlichkeiten auferlegt werden.1491 Während eine Haftung der Gesellschafter nach §  128 HGB für durch den Insolvenzverwalter begründete Verbindlichkeiten vor dem Hintergrund des Zusammenspiels von Herrschaft und Haftung ausscheidet,1492 könnte der Umstand, dass die Nachschussansprüche Teil des Gesellschaftsvermögens sind,1493 dafür sprechen, dass insoweit eine teleologische Reduktion im Hinblick auf Masseverbindlichkeiten nicht in Betracht kommt. So obliegen dem Insolvenzverwalter gerade hinsichtlich des Vermögens der Insolvenzschuld­ nerin grundsätzlich jegliche vermögensbezogenen Liquidationsbefugnisse.1494 Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive spricht nichts dagegen, den Gesellschaftern den gesamten Liquidationsaufwand aufzuerlegen.1495 Ebenso finden die gesellschaftsrechtlichen Nachschusspflichten, wenn diese gesellschaftsvertraglich nicht abbedungen sind, in Anbetracht der sodann jedenfalls konkludenten Billigung des §  735 BGB, Einfluss in die privatautonome Entscheidung, sich über die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks zusammen zu schließen und sich der haftungsrechtlichen Fremdbestimmung durch den Verband unter dem Regime des §  128 HGB zu unterwerfen.1496 So richtet sich der Wille der Gesellschafter, wie er in der gemeinschaftlichen Konstituierung als Personenverband zum Ausdruck kommt, zwar darauf, zunächst nur mittelbar über die mitgliedschaftliche Gesellschaftsbeteiligung sowie die daran anknüpfende persönliche Einstandspflicht in Anspruch genommen werden zu können.1497 Dieser Wille beschränkt sich aber auf das werbende Stadium der Ge­ sellschaft. Mit der Liquidation der Gesellschaft können die Gesellschafter ihrerseits den Vermögenswert ihrer Gesellschaftsbeteiligung realisieren;1498 jedenfalls mit Vollbeendigung der Gesellschaft geht damit spiegelbildlich die vollständige Einstandspflicht für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einher.1499 Auch insolvenzrechtlich erscheint eine Inanspruchnahme der Gesellschafter für den Liquidationsaufwand mit Blick auf die verbandsrechtliche Vermögens­ trennung wenig problematisch, weil es sich bei den Nachschussansprüchen gegen die Gesellschafter um dem Insolvenzbeschlag unterliegendes Gesellschaftsvermögen handelt.1500 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterliegt das gesamte Vermögen der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin dem Insolvenz­ 1491 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc). Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.a). 1493  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 1494  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a). 1495  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 1496  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.V, Kap.  1 §  2 C.VI. 1497  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.V. 1498  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.a)aa)(2). 1499  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.VI. 1500  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 1492 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

beschlag.1501 Dieser erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Nachschussansprüche der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern. Gerade aus der Masse sollen die durch den Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten getilgt werden.1502 Dies könnte zur Folge haben, dass insbesondere unter Rückgriff auf die Nachschussansprüche etwa eine Sanierung betrieben werden könnte, während eine Inanspruchnahme der Gesellschafterprivatvermögen nach §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB insoweit nicht in Betracht kommt.1503 Zwar können die Gesellschafter auch mit Blick auf §  128 HGB zu „Sanierungshelfer wider Willen“ in dem Sinne werden, dass die Masse von Insolvenzforderungen weitgehend frei gehalten wird, indem diesbezüglich auf die Haftungsforderungen zurückgegriffen wird, um aus der Masse die Sanierungskosten bestreiten zu können.1504 Fraglich ist aber, ob für Nachschussansprüche ein vergleichbarer Maßstab anzulegen ist oder ob hinsichtlich Sanierungskosten sowie anderer Masseverbindlichkeiten unbeschränkt ein Rückgriff auf die Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB zulässig ist. Problematisch ist, dass der Insolvenzverwalter diesbezüglich in Anbetracht des §  1 InsO ausschließlich im Interesse der Gläubigergesamtheit agiert und der durch §  735 BGB vermittelte Zugriff auf die Gesellschafterprivatvermögen für die Gesellschafter weder einen zusätzlichen Nutzen bringt noch diesen irgendwelche Einflussnahmemöglichkeiten verbleiben.1505 Das am Eigennutz orientierte Zusammenspiel von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung gebietet es vor diesem Hintergrund,1506 §  735 BGB hinsichtlich der Begründung von Masseverbindlichkeiten eine dem §  128 HGB vergleichbare teleologische Zäsur aufzuerlegen. Anderenfalls könnte der Insolvenzverwalter als Dritter unbeschränkt und willkürlich Pflichten zu Lasten der Privatvermögen begründen.1507 Zwar handelt es sich bei den Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB haftungsrechtlich um einen Vermögensteil der Gesellschaft, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Dieses Vermögen wird aber stichtagsbezogen mit der Eröffnungsentscheidung lediglich hinsichtlich der Insolvenzforderungen für den Gläubigerzugriff in Beschlag genommen.1508 Die Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB sind dementsprechend nur so weit als Gesellschaftsvermögen zu behandeln, wie eine Herrschaft der Gesellschafter im Eigennutz betroffen ist. Zur Begleichung von Masseverbindlichkeiten kommt ein Rückgriff auf die Nachschussansprüche folglich 1501 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)aa). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc), Kap.  1 §  3 B.III.1. 1503  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 A.I. 1504  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 A.I. 1505  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb) sowie zu §  128 HGB unten Kap.  3 §  7 A.I. 1506  Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV. 1507  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.V.2. 1508  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.a) sowie unten Kap.  2 §  5 C. 1502 

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nicht in Betracht.1509 Hinsichtlich der eingezogenen Nachschussansprüche ist demzufolge eine insolvenzrechtliche Vermögenssonderung vorzunehmen, aus der Masseverbindlichkeiten nicht beglichen werden dürfen. In Anbetracht des Insolvenzbeschlags über diesen Teil des Gesellschaftsvermögens ist es angezeigt, anders als bei den Haftungsforderungen nach §  128 HGB, von einer „Sondermasse“ zu sprechen.1510 Fraglich ist ferner die Behandlung der Nachschussansprüche aus §  735 BGB mit Blick auf die Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß §  54 InsO. Insoweit ist es gerade nicht der Insolvenzverwalter, der diesbezüglich eigenverantwortlich im Fremdinteresse zusätzliche Verbindlichkeiten begründet. Zwar erstreckt sich die Einstandspflicht der Gesellschafter gemäß §  128 HGB wie hinsichtlich der Masseverbindlichkeiten nicht auf die Verfahrenskosten, fraglich ist aber, ob die Zugehörigkeit der Nachschussansprüche zum Gesellschaftsvermögen eine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Eine Einstandspflicht gemäß §  128 HGB wird abgelehnt, weil die Verfahrenskosten in Anbetracht der §§  26, 207, 54 f. InsO sowie §  788 ZPO darauf angelegt seien, allein aus der Masse des insolventen Rechtsträgers beglichen zu werden, weil sie dem Insolvenzverfahren immanent seien.1511 Hintergrund ist, dass die Deckung der Verfahrenskosten anhand der Masse zu ermitteln ist (sog. „Kostenmasse“)1512 und daran anknüpfend eine Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in Betracht kommt.1513 Diesbezüglich könnten sich die Ansprüche aus §  128 HGB und §  735 BGB maßgeblich unterscheiden, weil die Nachschussansprüche anders als die Haftungsforderungen gemäß §  128 HGB unmittelbar Masse­ bestandteil sind. Problematisch könnte sein, dass die Nachschussansprüche erst mit der Auflösung der insolventen Gesellschaft aktiviert werden. Aufgelöst wird die Gesellschaft hingegen erst mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts, das Insolvenzverfahren zu eröffnen (vgl. §  131 Abs.  1 Nr.  3 HGB, §  728 Abs.  1 Satz  1 BGB). Demgegenüber erfolgt die Beurteilung der Kostenmasse im vorher durchzuführenden Eröffnungsverfahren. Allerdings hat das Insolvenzgericht potenziell realisierbare Forderungen der Insolvenzschuldnerin in seine Kostendeckungsprognose miteinzustellen.1514 Unmittelbar haben die Gesellschafter 1509 

Siehe zur verbandsrechtlichen Vermögenstrennung oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)cc). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd). 1511 Siehe dazu oben Kap.   1 §  3 B.III.1 sowie unten Kap.  3 §  7 D.II.2.a). Vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  19 ff., 24 f.; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  10; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  73; Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  21; ders., ZInsO 2008, 21 (22 f.); K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  81; keine Ausstattungspflicht, Marotzke, ZInsO 2008, 57 (59 ff.). 1512  Siehe dazu unten Kap.   3 §  7 D.II. Vgl. Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106 f.; ders., in: FS Gerhardt, S.  344; a. A. unter Ablehnung einer „Kostenneutralität“ der Haftungsforderungen, Schaltke, ZInsO 2010, 1249 (1254). 1513 Siehe dazu unten Kap.   3 §  7 D; vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  73; kritisch, Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1699); Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  344. 1514  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 D.II.1. 1510 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

die Verfahrenskosten ebenfalls nicht durch die Ausübung von Herrschaft im Eigeninteresse veranlasst, weil die Massekosten zwar an ein durch die Gesellschafter    – vermittelt durch ihre mitgliedschaftlichen Befugnisse    – beeinflusstes wirtschaftliches Versagen der Gesellschaft anknüpfen, dies jedoch nur als eine tatsächliche Voraussetzung, ohne dass die materielle Insolvenzreife zugleich Rechtsgrund für die Verfahrenskosten ist.1515 Im Unterschied zur Gesellschafterhaftung sind die Nachschussansprüche als Teil des Gesellschaftsvermögens aber    – insoweit maßgeblich    – vom Insolvenzbeschlag erfasst. Die Vereinbarung von liquidationsbezogenen Nachschussansprüchen in das Gesellschaftsvermögen erfolgt anders als die Haftung nach §  128 HGB privatautonom und eigennützig, weil es den Gesellschaftern freisteht, abweichende Regelungen zu treffen. Dementsprechend kommt mittelbar eine Kostentragung durch die Gesellschafter unter Rückgriff auf die Nachschussansprüche aus §   735 BGB in Betracht, soweit dieser nicht im Gesellschaftsvertrag abbedungen oder abweichend geregelt ist. Zwar kommt es auf diese Weise zu einem partiellen Auseinanderfallen des Umfangs der Gesellschafterhaftung gegenüber dem der Nachschussansprüche. Dieses ist aber dem Umstand geschuldet, dass Vermögensverbindungen unterschiedlicher Rechtsträger betroffen sind. d) Zwischenergebnis Aus der Analyse der Gesellschafterhaftung im eröffneten Insolvenzverfahren ergibt sich mithin, dass nicht ausschließlich die Einflussnahme der Gesellschafter auf die Geschicke der Gesellschaft entscheidender Aspekt der beschränkten Gesellschafterhaftung ist, sondern dass dieser Gesichtspunkt maßgeblich auch davon begleitet wird, in wessen Interesse die verpflichteten Rechtssubjekte agieren. In Einklang mit der Zielvorgabe des §  1 InsO zeigt insbesondere die Einstandspflicht der Geschäftsleiter gemäß §§  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3, 60, 61 InsO, dass auch die Gesellschafter, wenn sie eigenverwaltend tätig werden, dies im Gläubigerinteresse tun und nicht mehr im Gesellschafts- oder Eigeninteresse. Dementsprechend ist es konsequent, deren Haftung für Masseverbindlichkeiten abzulehnen, dies jedoch mit dem Ergebnis, dass es das Zusammenspiel von Einflussnahme, Eigennutz und damit verbundenem Eigeninteresse ist, welches eine unmittelbare Inanspruchnahme rechtfertigt. Angesichts der Tatsache, dass die Insolvenzordnung in dieser Hinsicht an die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen anzuknüpfen hat, sind die aus dem Insolvenzrecht abgeleiteten Erfordernisse an die gesellschaftsrechtliche Dogmatik rückanzukoppeln. Dabei steht das Kriterium der „Einflussnahme im Eigeninteresse“ in Einklang mit dem erarbeiteten Regelungszweck des §  128 HGB, nach dem dieser die spezi1515  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  21, 28; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  10; Marotzke, ZInsO 2008, 57 (60); vgl. H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  245; siehe dazu unten Kap.  3 §  7 D.II.2.a).

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fisch verbandsrechtlichen Gefährdungen der Gesellschaftsgläubiger zu kompensieren hat. Eine primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter ist danach weder mit dem Regelungszweck des §  128 HGB vereinbar, weil diese einen überschießenden Gläubigerschutz zur Folge hat, noch steht sie im Einklang mit der dem positiven Recht zu entnehmenden Wertung, dass eine Einstandspflicht nur in dem Maße in Betracht kommt, wie im Eigeninteresse ein eigennütziger Einfluss auf die Gesellschaft ausgeübt werden kann. IV. Stellung der personengesellschaftsrechtlichen Haftungsverfassung im System des verbandsrechtlichen Gläubigerschutzes Die Untersuchung zeigt, dass die Beurteilung des Regelungszwecks von §  128 HGB zwar ausgehend von einem Vergleich mit Schuldverhältnissen zwischen natürlichen Personen zu erfolgen hat, dass sich gleichzeitig aber auch Erkenntnisse aus dem eine vergleichbare Ausrichtung aufweisenden Gläubigerschutz des Rechts der Kapitalgesellschaften ergeben können. Hintergrund sind die aus der gleichartigen verbandsrechtlichen Organisation resultierenden spezifischen Gläubigerrisiken. Nicht in die Beurteilung miteinfließen sollen demgegenüber sonstige unionsrechtliche Rechtsformen    – insbesondere andere mitgliedstaat­ liche Personengesellschaften.1516 So ermöglicht die Niederlassungsfreiheit in EU und EWR zwar im Rahmen der Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten (sog. Geschöpftheorie) und den von diesen vorausgesetzten Anknüpfungs­ momenten im Sinne von Art.  54 AEUV eine freie Rechtsformwahl.1517 Andere mitgliedstaatliche Rechtsordnungen beruhen aber auf abweichenden dogmatischen Grundlagen und sind damit dem hier angestellten verbandsrechtlichen Untersuchungsmaßstab nicht zugänglich. Insoweit wird der Gläubigerschutz durch das ebenfalls im Insolvenzrecht angelegte Insolvenzanfechtungsregime gewährleistet.1518 Probleme ergeben sich mit Blick auf nichteintragungspflichtige Gesellschaften, wenn eine Rechtsordnung für solche das Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Satzungssitz zulassen sollte, weil das deutsche Recht ungeachtet abweichender dogmatischer Grundlagen einen identitätswahrenden Rechtsformwechsel unter Anerkennung der Rechtsfähigkeit zulassen müsste. Im Vergleich des für die Untersuchung maßgeblichen Personengesellschaftsrechts der §§  704 ff. BGB, 105 ff. HGB zum Recht der Kapitalgesellschaften wird regelmäßig darauf verwiesen, dass eine primäre Gesellschafterhaftung in der Personengesellschaft erforderlich sei, weil es in dieser kein gesichertes Mindestkapital gebe.1519 Mit Blick auf eine solche Argumentation verwundert zu1516 Vgl.

Henssler, BB 2010, 2 (3); Henssler/Mansel, NJW 2007, 1393. EuGH, Uv. 25.10.2017    – C-106/16 (Polbud), juris-Rn.  29 ff. 1518 Eingehend, Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  279 ff. 1519  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.a); BGH, Uv. 7.4.2003    – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370–378 = juris-Rn.  11; BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  17; 1517 

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mindest auf den ersten Blick die mit §  5a GmbHG zuletzt geschaffene Rechtsform der Unternehmergesellschaft (UG) (haftungsbeschränkt). 1. Trennungsprinzip in der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) aus §  5a GmbHG bedarf im Zeitpunkt der Gründung auch keines gesicherten Mindestkapitals. Die Kapitalsicherung erfolgt vielmehr durch Rücklagenbildung und sukzessive Auffüllung des Stammkapitals, vgl. §  5a Abs.  3 GmbHG. Gleichwohl kommt die Rechtsform der UG in den vollen Genuss der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungstrennung, ohne dass auf die Gesellschaftervermögen zugegriffen werden könnte, weder unmittelbar noch subsidiär. Lediglich in wenigen Ausnahmekonstellationen ist unter Anknüpfung an §  826 BGB oder §  242 BGB eine Einstandspflicht der Gesellschafter möglich. §  5a GmbHG zeigt damit, dass es keinen allgemeinen handelsrechtlichen Grundsatz der unbeschränkten Gesellschafterhaftung gibt, der lediglich dann mit einer „Haftungsbeschränkung“ durchbrochen wird, wenn ein gesichertes signifikantes Stammkapital vorliegt. Es ist vielmehr die bloß mitgliedschaftlich vermittelte Beteiligung der Gesellschafter an der Gesellschaft, die dazu führt, dass der haftungsrechtliche Regelfall die Haftungstrennung ist, von dem für die Frage der Erstreckung auf zusätzliche Vermögensverbindungen bei gegebenem Regelungsbedürfnis positivrechtlich abgewichen werden kann. Es ist demnach die Konstituierung als Verband in einer vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten mit Rechtsfähigkeit versehenen Rechtsform, die dazu führt, dass sich im Ausgangspunkt die schuldrechtliche Haftung auf das Vermögen dieses Rechtssubjekts beschränkt. So zeigen auch die §§  21 ff. BGB, dass grundsätzlich lediglich das Verbandsvermögen einem schuldrechtlichen Haftungszugriff unterworfen wird. Lediglich im Falle rechtsformverfehlender wirtschaftlicher Betätigung findet die Regelung des §  128 HGB Anwendung, soweit es sich nicht um einen konzessionierten Verein gemäß §  22 BGB handelt. Vor diesem Hintergrund stellt §  5a ­GmbHG auch keinen Fremdkörper im Recht der Kapitalgesellschaften dar. Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) wird als Rechtssubjekt vielmehr entsprechend schuldrechtlichen Grundsätzen lediglich selbst verpflichtet und    – bei Erfüllung der gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen    – ausschließlich das ihr zugewiesene Vermögen    – unabhängig von dessen quantitativem Umfang    – einem Haftungszugriff unterworfen. Das Haftungstrennungsprinzip bedarf demzufolge im Rahmen der von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsformen keiner darüberhinausgehenden Legitimation. Möglich ist daher auch eine „UG & Co. KG“.1520 Henssler, PartGG, §  8 Rn.  17, 19, 218; ders., AnwBl 2014, 96 (97); Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  1. 1520 Vgl. Henssler, NJW 2014, 1761 (1764); ders., Verhandlungen des 71. DJt, Band  II/1, O

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2. Kapitalgesellschaftsrechtliches System materieller Innenhaftung und verbandsrechtliche Auffangfunktion des §  128 HGB Ausgehend von dem auf diese Weise normativ zum Ausdruck kommenden strukturell einheitlichen Verbandsverständnis ist die Qualifikation der Gesellschafterhaftung in der auf die Eintragung als GmbH gerichteten Gründungs­ gesellschaft (Vor-GmbH)1521 als eine Innenhaftung weniger eine spezifisch kapitalgesellschaftsrechtliche Frage, als eine über die Reichweite des §  128 HGB. So entscheidet letztlich der Regelungszweck des §  128 HGB darüber, bezogen auf welche Vor-Gesellschaften die Regelung Geltung beansprucht und damit anordnet, dass die Mitglieder des Verbandes für die Verbindlichkeiten der Gründungsorganisation einzustehen haben. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass die Gründungsgesellschafter ganz grundsätzlich haften, soweit nicht ohnehin der Gründungszweck auf eine Gründung kraft Eintragung mit gesichertem Mindestkapital    – verbunden mit einer Vorbelastungs-Innenhaftung1522    – gerichtet ist. Vielmehr folgt aus der Rechtsfähigkeit eines Gründungsverbands, dass die Gesellschafter im schuldrechtlichen Ausgangspunkt nicht für fremde Verbindlichkeiten einzustehen haben. Erst im Rahmen der Frage einer (analogen) Anwendung des §  128 HGB ist sodann zu untersuchen, inwieweit es der Regelungszweck gebietet, die Einstandspflicht für eine Gesellschaftsverbindlichkeit auf eine zusätzliche Vermögensverbindung auszuweiten. Dies ist der Fall, wenn die Gläubiger verbandsspezifischen Gefahren ausgesetzt werden, wenn etwa der Verband droht, von innen ausgehöhlt zu werden.1523 Eine derartige Gefährdungslage ist indes nicht gegeben, wenn die Mitglieder das Gründungsvorhaben weiter betreiben und mit Eintragung der Gesellschaft die gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen erfüllen.1524 Soweit die Vorgesellschaft bereits Verbindlichkeiten begründet hat, entsteht im Innenverhältnis eine Vorbelastungshaftung als Unterbilanzhaftung.1525 Daneben tritt die Handelndenhaftung des §  11 Abs.  2 GmbHG.1526 Verbandsspezifische Risiken werden auf diese Weise internalisiert; Raum für eine Anwendung des §  128 HGB verbleibt insoweit nicht. Wird demgegenüber die Eintragungsabsicht aufgegeben, handelt es sich bei dem Verband nicht mehr um eine kapitalgesellschaftsrechtliche Gründungsgesellschaft, sondern um eine Personenaußengesellschaft bezogen auf die keine abwei56; siehe aber zu den Restriktionen freiberuflicher Betätigung, Henssler/Markworth, NZG 2015, 1 (6 f.); Henssler, NZG 2011, 1121 (1121 ff.). 1521  Vgl. zum Vorgründungsstadium, Altmeppen, GmbHG, §  11 Rn.  4 ff. 1522  BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  19 ff.; a. A. Alt­ meppen, GmbHG, §  11 Rn.  55 ff., 86 ff. 1523  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.e). 1524  Vgl. BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  19 ff.; a. A. Altmeppen, GmbHG, §  11 Rn.  86 ff. 1525  BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  19 ff.; a. A. erst mit Eintragung der GmbH eine Innenhaftung annehmend, Altmeppen, GmbHG, §  11 Rn.  55 ff. 1526 Vgl. Altmeppen, GmbHG, §  11 Rn.  114 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

chenden Gläubigerschutzmechanismen greifen, sodass der Regelungszweck des §  128 HGB eine Anwendung gebietet und das Gesellschaftervermögen einem Zugriff für Gesellschaftsverbindlichkeiten unterwirft.1527 Die kapitalgesellschaftsrechtlichen Vorschriften über das Gesellschaftskapital beeinflussen damit die Regelungsreichweite des §  128 HGB, dies jedoch nicht, weil sie dessen Anwendung originär erforderlich machen, sondern, weil §  128 HGB in deren Geltungsbereich nicht rechtlich legitimiert wäre. Hintergrund des dem Regelungsbereich des §  128 HGB entgegenstehenden ausreichenden Gläubigerschutzes ist die rechtspolitische Entscheidung, den Kapitalvorschriften gegenüber verbandsspezifischen Gläubigergefährdungen eine kompensierende Wirkung zuzuerkennen. Dabei handelt es sich vor dem Hintergrund der mit wirtschaftlichem Tätigwerden verbundenen Investitionsrisiken um ein ganzes Kapitalregime, welches durch entsprechende Anwendung rechtsformkongruenter Vorschriften ein gegenüber §  128 HGB geschlossenes System bildet. So stellt etwa §  73 Abs.  3 ­GmbHG eine gegenüber den §§  30, 31 GmbHG speziellere Kapitalerhaltungsvorschrift in der Liquidation dar. Dabei haftet der Liquidator grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber, ohne dass die Vorschrift    – Gläubigern gegenüber    – die rechtliche Qualifikation als Schutzgesetz im Sinne von §  823 Abs.  2 BGB einnähme.1528 Der Schutz der Gläubiger wird dadurch lediglich reflexhaft begründet. Diese positivrechtlichen Regelungen sind Ausdruck der bloßen Innenhaftung in der GmbH. Lediglich für den Fall der vermeintlichen Beendigung der Liquidation, wenn die GmbH bereits (augenscheinlich) abgewickelt und gelöscht ist und damit nicht mehr werbend tätig ist, entstehe ein Bedürfnis unmittelbarer Außenhaftung des Liquidators, weil eine Pfändung von Ausgleichansprüchen aus dem Innenverhältnis eine Nachtragsliquidation erforderlich machen würde.1529 Zwar habe der Gläubiger auch die Möglichkeit, einen Titel gegen die Gesellschaft zu erlangen, der ihm die Pfändung des Anspruchs der Gesellschaft gegen den Liquidator nach §  73 Abs.  3 GmbHG erlaubt. Dabei handle es sich indes um einen zeitintensiven, kostenträchtigen und nicht prozessökonomischen Weg.1530 Aus diesem Schutzdefizit wird von der Rechtsprechung sodann im Gläubigerinteresse für den Fall, dass die Gesellschaft bereits gelöscht ist, ein Direktanspruch gegen den Liquidator in entsprechender Anwendung der §§  268 Abs.  2, 93 Abs.  5 AktG angenommen.1531 Dabei handelt es sich mit Blick auf die eigentliche materielle Innenhaftung in der GmbH um eine Ausnahmekonstellation. Einem vergleichbaren Schutzdefizit könnte sich die Annahme einer auf die 1527 Vgl. Altmeppen, GmbHG, §  11 Rn.  75 ff., 82, 86 ff.; grundsätzlich weiterhin eine Innenhaftung annehmend, BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  19 ff., eine Außenhaftung bei Fortführung des Geschäftsbetriebs offenlassend, Rn.  27; siehe Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  105 Rn.  22. 1528  BGH, Uv. 13.3.2018    – II ZR 158/16, juris-Rn.  13 ff., 17, 23. 1529  BGH, Uv. 13.3.2018    – II ZR 158/16, juris-Rn.  37 ff., 42, 51. 1530  BGH, Uv. 13.3.2018    – II ZR 158/16, juris-Rn.  41 f. 1531  BGH, Uv. 13.3.2018    – II ZR 158/16, juris-Rn.  46, 55 m. w. N.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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Verlustdeckung gerichteten Einstandspflicht der Gesellschafter einer Personenaußengesellschaft ausgesetzt sehen. Allerdings greift die materielle Außenhaftung des §  128 HGB auch bei bloß nachgelagerter Einstandspflicht gerade in der Konstellation, dass die Gesellschaft vermögenslos ist. Problematisch ist es allerdings, wenn man die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft deswegen ablehnt, weil dieser noch liquidationsbedingte Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB gegen die Gesellschafter zustehen.1532 Allerdings ist diese Situation wertungsmäßig nicht mit der Konstellation vergleichbar, dass eine GmbH bereits vermeintlich liquidiert und aus dem Handelsregister gelöscht ist. Der liquidationsmäßige bzw. insolvenzrechtliche Ausgleich der Gesellschafterkonten, der zu einer Berücksichtigung des §  735 BGB führt, findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem die Gesellschaft als solche für den Rechtsverkehr noch ohne Weiteres greifbar ist, weil ihre Organe noch ordnungsgemäß besetzt sind oder die Gesellschaftspflichten durch einen im Fremdinteresse agierenden Drittliquidator wahrgenommen werden. Diesen obliegt es, die Ansprüche der Gesellschaft nach §  735 BGB gegen die Gesellschafter geltend zu machen. Zu welchem Zeitpunkt die Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter geltend gemacht werden können, führt zu keiner abweichenden Beurteilung der betroffenen Interessen. Das Prozedere der Geltendmachung im Rahmen der Nachtragsliquidation einer GmbH ist damit nicht vergleichbar. Schließlich ist die Haftung nach §  128 HGB unabhängig von dem Abwicklungsregime stets in materiell-rechtlicher Hinsicht eine Außenhaftung, sodass die Gläubiger im Unterschied zu einer Innenhaftung nicht das Ausfallrisiko der Gesellschaft tragen müssen. Ein Bedürfnis nach einer unmittelbaren, dem Prioritätsprinzip unterliegenden Inanspruchnahme der Gesellschafter resultiert daraus nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Frage des Durchsetzungsmechanismus keine, die in unmittelbarem Zusammenhang zur Wirksamkeit des Gläubigerschutzes steht. So ergibt sich die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme eines Innenanspruchs gegenüber einer GmbH maßgeblich daraus, dass für die Gesellschaft eine Nachtragsliquidation betrieben werden muss. Ist die Gesellschaft demgegenüber unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anknüpfungsmerkmale noch handlungsfähig, ist es zumutbar, bei vorhandenem Gesellschaftsvermögen auf dieses zuzugreifen, sei es im Rahmen eines (besonderen) Liquidationsverfahrens. Anders als bei den Kapitalgesellschaften kommt das Vereinsrecht auch unter erheblicher Ausweitung des sog. Nebenzweckprivilegs auf Mittelbeschaffungsbetriebe sogar ohne entsprechende Re­ gelungen über einen Kapitalstock aus. Hintergrund ist die mangelnde Gewinn­ orientierung im Rahmen ideeller Zweckverfolgung.1533 Lediglich mit §  53 BGB ist im Gläubigerinteresse eine Schadensersatzpflicht der Liquidatoren geregelt.

1532  1533 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc). BGH, Bv. 16.5.2017    – II ZB 7/16, BGHZ 215, 69–81 = juris-Rn.  18 ff.

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

3. Überschießende Anhäufung von Kapitalschutzvorschriften und Gesellschafterhaftung im Rahmen des Konzernrechts Im Rahmen des Aktienrechts verdienen die konzernrechtlichen Vorschriften eine besondere Beachtung, weil diese Ausgleichspflichten über das Haftungstrennungsprinzip hinaus statuieren. Während §  1 AktG klarstellend vorsieht, dass lediglich die Aktiengesellschaft für ihre eigenen Verbindlichkeiten einzustehen hat, regelt §  322 Abs.  1 AktG für den Eingliederungskonzern gemäß §  319 AktG, dass die Hauptgesellschaft für Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft haftet. Demgegenüber regelt §  302 AktG, dass im Rahmen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags im Sinne von §  291 AktG Jahresfehlbeträge entsprechend der kapitalgesellschaftsrechtlichen Systematik im Innenverhältnis als bilanziell abzugrenzende Verlustausgleichspflicht auszugleichen sind.1534 Genauso besteht im Rahmen eines faktischen Konzerns    – bei Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses im Sinne von §  17 AktG    – gemäß §  311 AktG eine Pflicht Nachteile auszugleichen, die im Rahmen veranlasster nachteiliger Geschäfte der abhängigen Gesellschaft entstehen. So ist die herrschende Gesellschaft der abhängigen Gesellschaft im Innenverhältnis gemäß §  317 AktG zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Vor dem Hintergrund der hier zugrunde gelegten haftungsrechtlichen Systematik ist eine Vorschrift wie §  322 AktG, die eine zusätzliche Vermögensverbindung einem Haftungszugriff für Verbindlichkeiten eines anderen Rechtssubjekts unterwirft, in besonderem Maße legitimierungsbedürftig. Insoweit bestehen Parallelen zur Regelungsanordnung des §  128 HGB.1535 So ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zu §  322 Abs.  1 AktG, dass dieser in Bezug auf das Gesamtschuldverhältnis auf den Vorschriften der §§  128, 129 HGB aufbaut.1536 Die Regelung wird erweiternd auf den faktischen Einmitglieds-GmbH-Konzern angewandt.1537 Hintergrund der Einstandspflicht der Konzernmutter für Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft nach §  322 AktG seien die unbegrenzte Einwirkungsmöglichkeit der Hauptgesellschaft sowie die aufgehobene Vermögensbindung nach 1534 

K. Schmidt, ZGR 12 (1983), 513 (515 ff.). Auch bezogen auf die kartellrechtliche Bußgeldhaftung wird eine Einstandspflicht der Konzerngesellschaften nach dem Vorbild des §  128 HGB thematisiert. Vgl. Kersting, Der Konzern 2011, 445 (448 ff., 452 ff.); ders., ZHR 182 (2018), 8 (14 ff.). Die überwiegende Auffassung geht demgegenüber davon aus, dass der Konzern vor dem Hintergrund des Haftungstrennungsprinzips keinesfalls als haftungsrechtliches Rechtssubjekt qualifiziert werden könne, auch nicht bezüglich der kartellrechtlichen Bußgeldadressateneigenschaft. Einen neuen Anstoß für die Diskussion der Rechtsfähigkeit „wirtschaftlicher Einheiten“ nach nationalem Recht ist allerdings mit §  33a GWB gelegt, wonach der Rechtsverletzer („wer einen Verstoß nach §  33 […] begeht“) im Rahmen von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen passivlegitimiert sein soll. 1536  Begr. RegE AktG v. 6.9.1965 bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S.  426; vgl. Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (252, 255, 259 f.); J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  322 Rn.  2 f.; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  322 Rn.  3 f., 11 ff. 1537  BGH, Uv. 16.9.1985    – II ZR 275/84, BGHZ 95, 330–349 = juris-Rn.  13 ff., 33 f. 1535 

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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den §§  323 f. AktG.1538 Danach hafte die Hauptgesellschaft primär, unmittelbar, persönlich und unbeschränkt auf Erfüllung.1539 Für die vorliegende Untersuchung kann im Übrigen dahinstehen, ob §  322 AktG den §§  128, 129 HGB folgt oder ob die Regelung aus sich heraus auszulegen ist.1540 Mit Blick auf den bisherigen Untersuchungsbefund erweist sich die Anhäufung von Gläubigerschutzmechanismen in mehrfacher Hinsicht als überschießend. Während sich bereits eine primäre auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht eines schuldnerfremden Rechtssubjekts den gleichen Bedenken ausgesetzt sieht, wie bezüglich der Haftung der Gesellschafter einer Personenaußengesellschaft, ist dies umso problematischer, wenn darüberhinausgehende gläubigerschützende, kapitalgesellschaftsrechtliche Verpflichtungen greifen. So führt die aktienrechtliche Eingliederung nicht zu einem völligen Leerlauf des Kapitalschutzregimes. Dieses richtet sich im Eingliederungskonzern nach den §§  323, 324 AktG. Während §  323 AktG die Organisationsverfassung der eingegliederten Gesellschaft regelt, verpflichtet §  324 AktG die Hauptgesellschaft unter Befreiung von Rück­ lageverpflichtungen soweit zum Verlustausgleich, wie das Grundkapital der eingegliederten Gesellschaft ungedeckt ist.1541 Damit wird durch §  324 AktG gewährleistet, dass der eingegliederten Gesellschaft ein dem Grundkapital entsprechendes Vermögen zur Verfügung steht.1542 Insoweit ordnet §  322 AktG eine Einstandspflicht über den Fall unzureichenden Grundkapitals hinaus an. Gläubigerinteressen finden dadurch über die Möglichkeit des Zugriffs auf das Gesellschaftskapital hinaus Berücksichtigung.1543 Teilweise wird angenommen, dass §  324 AktG neben der Haftung gemäß §  322 AktG insoweit rechtspolitische Rechtfertigung zukomme, als er verhindere, dass vermögenslose Gesellschaften am Rechtsverkehr teilnähmen.1544 Eine solche Betrachtungsweise lässt hingegen unberücksichtigt, dass dadurch gleichzeitig die rechtliche Legitima­ tion des §  322 AktG ausgehöhlt wird.

1538 

Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  322 Rn.  1. Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  322 Rn.  8. 1540 Vgl. Geßler, ZGR 142 (1978), 251 (252, 255, 259 f.); Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  322 Rn.  4; für eine Auslegung aus sich heraus, Grunewald, in: MüKoAktG, §  322 Rn.  5; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  322 Rn.  2 f.; ­Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, §  322 Rn.  3 f., 11 ff. 1541  Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  324 Rn.  2. 1542 Vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  324 Rn.  2. 1543  Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  324 Rn.  2. 1544  J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, §  324 Rn.  1; vgl. Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, §  324 Rn.  1. 1539 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

4. Umwandlungsrechtlicher Einzelfallausgleich von Schäden identitätswahrender Rechtsnachfolge Stellt man das kapitalgesellschaftsrechtliche Kapitalschutzregime sowie die persönliche Einstandspflicht in der Personengesellschaft als sich gegenseitig bedingende Gläubigerschutzmechanismen gegenüber,1545 so ergibt sich insbesondere mit Blick auf identitätswahrende Umwandlungen die Frage nach Umgehungsmöglichkeiten. So kommt einerseits in Betracht, dass die Gesellschafter durch die Wahl einer „haftungsbeschränkten“ Rechtsform sich ihrer persönlichen Einstandspflicht entledigen, andererseits kann eine Umwandlung in eine Personengesellschaft dazu führen, dass die strengen Kapitalschutz- und Liquidationsvorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts nicht mehr einzuhalten sind.1546 So können gemäß §  191 UmwG Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften sowohl formwechselnde Rechtsträger sein, als auch Zielrechtsträger. In den Grenzen des Abs.  3 kommt auch eine formwechselnde Reaktivierung in Betracht. Der Gläubigerschutz wird im Umwandlungsrecht maßgeblich gemäß §§  204, 22 UmwG durch den Anspruch auf Sicherheitsleistungen gewährleistet.1547 Beim Formwechsel einer Personengesellschaft gelten ergänzend die §§  224, 225c, 237, 249, 257 UmwG, wonach die mit dem Formwechsel ausscheidenden Gesellschafter nach dem Vorbild des §  160 HGB nachhaften.1548 Der Anspruch auf Sicherheitsleistung besteht aber nicht neben dem schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft, sondern nur, soweit nicht vom formwechselnden Rechtsträger Befriedigung verlangt werden kann (§  22 Abs.  1 Satz  1 a. E. UmwG) und die Gläubigeransprüche konkret gefährdet sind.1549 Besteht eine fällige Forderung, ist der formwechselnde Rechtsträger in Anspruch zu nehmen, weil dessen Vermögensverbindung angesichts der Identitätswahrung haftungsrechtlich unverändert dem Gläubigerzugriff unterworfen bleibt. Ist eine Forderung noch nicht fällig, wird angenommen, dass sich eine konkrete Gefährdung aus dem Wegfall zwingender Kapitalschutz- und Liquidationsschutzvorschriften bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ergeben könne, weil diesbezüglich das Risiko bestünde, dass das Gesellschaftsvermögen durch gemeinschaftliche Entscheidung der Personengesellschafter ohne vermögenswertes Äquivalent entzogen wird.1550 Die persönliche Gesellschafterhaftung soll insoweit im Einzelfall nicht ausreichend 1545 Vgl.

Wiesner, in: FS Hellwig, S.  413. Hoger, in: Lutter, UmwG, §  204 Rn.  1; Priester, GmbHR 2015, 1289 (1290 f.). 1547  Hoger, in: Lutter, UmwG, §  204 Rn.  1 ff. 1548  Hoger, in: Lutter, UmwG, §   204 Rn.  3; vgl. zur „Nachhaftung“ in der PartG mbB, Henssler, AnwBl 2014, 96 (99). 1549  Althoff/Bender, in: NK-UmwG, §  204 Rn.  2 ; Hoger, in: Lutter, UmwG, §  204 Rn.  8; Grunewald, in: Lutter, UmwG, §  22 Rn.  9. 1550  Althoff/Bender, in: NK-UmwG, §  204 Rn.  2 ; Winter, in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG, §  204 Rn.  1. 1546 Vgl.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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sein. Unabhängig davon, ob eine persönliche Einstandspflicht tatsächlich nicht geeignet ist, den Wegfall zwingender Kapitalschutz- und Liquidationsvorschriften auszugleichen, ist ein solches Verständnis zumindest in den auf alle Rechtsformwechsel anwendbaren §§  204, 22 UmwG angelegt. Umgekehrt ergibt sich aus den §§  224, 225c, 237, 249, 257 UmwG    – indem diese bei entgegengesetztem Formwechsel eine Nachhaftung vorsehen    – in systematischer Hinsicht, dass die kapitalgesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzvorschriften die personengesellschaftsrechtliche Gesellschafterhaftung nicht vollständig kompensieren können. Eine eindeutige Aussage darüber, welches Schutzregime letztlich gläubigerschützender ist, lässt sich anhand der umwandlungsrechtlichen Vorschriften daher nicht eindeutig nachvollziehen. Die §§  204, 22 UmwG erfordern vielmehr eine konkrete Gefährdung im Einzelfall. Der umwandlungsrechtliche Gläubigerschutz wird gemäß §   205 UmwG durch eine persönliche Haftung der Verwaltungsträger flankiert.1551 Hintergrund ist, dass mit der Diskontinuität des anwendbaren Regelungsrahmens eine Beeinträchtigung von Gesellschaftern und Gläubigern verbunden sein kann.1552 Die Haftung ist gemäß §  206 Satz  3, §  26 Abs.  1 Satz  3 UmwG gegenüber der Befriedigung nach §§  204, 22 UmwG eine subsidiäre, ohne dass die Zwangsvollstreckung versucht werden müsste.1553 Einschlägig ist die Regelung daher nur, wenn es infolge der Umwandlung zu einer Verminderung der haftungsunterworfenen Vermögensverbindung kommt. Die subsidiäre Einstandspflicht der Verwaltungsträger legt es daher ebenfalls nahe, dass die Gläubigerschutzvorschriften des Kapital- bzw. Personengesellschaftsrechts im Wesentlichen funktionsäquivalent sind und nur im Einzelfall hinter dem jeweils anderen Schutzregime zurückbleiben können. Den umwandlungsrechtlichen Vorschriften lässt sich demnach nicht pauschal entnehmen, ob die personengesellschaftsrechtlichen oder kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften weitreichender sind. Im Rahmen einer Umwandlung strahlen die jeweiligen Schutzvorschriften vielmehr in die Rechtsordnung der Zielrechtsform hinein. Dies führt dazu, dass der Gläubigerschutz in der jeweiligen Gesamtbetrachtung zwar als gleichwertig qualifiziert werden kann, das einzelne Regelungsregime punktuell aber hinter dem der anderen Rechtsformgruppe zurückbleiben kann. Der umwandlungsrechtliche Gläubigerschutz vollzieht sich sodann im Einzelfall nach dem Meistbegünstigungsprinzip.

1551 

Hoger, in: Lutter, UmwG, §  205 Rn.  1 ff., §  204 Rn.  3. Hoger, in: Lutter, UmwG, §  205 Rn.  1, 12. 1553  Hoger, in: Lutter, UmwG, §  206 Rn.  6 . 1552 

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

C. Zwischenergebnis Ungeachtet des terminologischen Einzelverbindlichkeitsbezug des §  128 HGB zeigt die Untersuchung, dass der Regelungszweck der persönlichen Gesellschafterhaftung kein primäre Einstandsplicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfordert. Vielmehr führt das Verständnis der herrschenden Meinung zu widersprüchlichen Konsequenzen. Diese sollen im Rahmen der weiteren Untersuchung im Wege eines modifizierten Haftungsmodells aufgelöst werden. I. Schuldrechtliche Wertungskonflikte im Rahmen von §  128 HGB 1. Nimmt man eine primäre Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft an, läuft dies dem privatautonomen Aushandlungsprozess im Rahmen von schuldrechtlichen Verbindlichkeiten zuwider. Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse kommen grundsätzlich zustande, weil Leistung und Gegenleistung aus Sicht der Parteien übereinstimmen; die formelle Äquivalenz folgt der materiellen Äquivalenz. So dienen etwa Preisanpassungsklauseln (vgl. §  315 BGB), die Änderung der Geschäftsgrundlage (vgl. §  313 BGB) oder eine ergänzende Vertragsauslegung (§§  133, 157, 242 BGB) der formellen Anpassung an die materielle Interessenlage. 2. Die gesetzliche Einstandspflicht der Gesellschafter ist von dem privatautonomen Aushandlungsprozess über die Gesellschaftsverbindlichkeit grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Bei punktueller Betrachtung erfolgt die Einstandspflicht der Gesellschafter fremdbestimmt durch eine Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern. Die Gesellschafter agieren selbstbestimmt lediglich antizipiert durch die gesellschaftsvertragliche Unterwerfung unter den Verbandszweck. 3. Verbindlichkeiten werden in der Regel nur begründet, weil sie gewollt sind oder weil einem gesetzlichen Schuldverhältnis die gesetzgeberische Wertung zugrunde liegt, dass dieses an die Stelle zweier aufeinander gerichteter und miteinander korrespondierender Willenserklärungen treten soll. Die unmittelbare primäre Haftung der Gesellschafter ist von diesen indes nicht gewollt. Vielmehr haben sich die Parteien im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Gesellschaftsverbindlichkeit dahingehend geeinigt, dass das Gesellschaftsvermögen haftungsunterworfen werden soll. 4. Eine Vorverlagerung der selbstbestimmten Beteiligung der Gesellschafter an der haftungsrechtlichen Inbezugnahme ihrer Vermögensverbindung auf den Zeitpunkt der privatautonomen Unterwerfung unter die Verbandsherrschaft kommt nur in dem Maße in Betracht, wie eine vermögensmäßige Teilhabe erfolgt; unmittelbaren Eigennutzen erlangt nur die Gesellschaft, die Gesellschafter partizipieren über ihre mitgliedschaftliche Wertbeteiligung sowie die damit verbundenen Wertrechte und realisierbaren Ansprüche lediglich nachgelagert.

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

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5. Damit kommt allenfalls eine gesetzliche Überlagerung der privatautonomen Vereinbarung in Betracht. Im Falle der Liquidität der Gesellschaft gibt es im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gläubigern gerade keine Störung der Privatautonomie, die es kraft gesetzgeberischer Wertung zu kompensieren ­gälte. Ein staatliches Eingriffsbedürfnis entsteht vielmehr erst im Falle der ­Zahlungsunfähigkeit. Mit dem wirtschaftlichen Versagen des Schuldners ist ein die Privatautonomie störender Umstand gegeben, der eine staatliche Korrektur erforderlich macht. 6. Die Gesellschaftsgläubiger sind lediglich dem verbandsspezifischen Risiko ausgesetzt, dass der Verband droht, aufgrund verbandsrechtlicher Vereinbarung der Gesellschafter von innen ausgehöhlt zu werden. Dies kann etwa darauf beruhen, dass in der Personengesellschaft angesichts fehlender Kapital­ erhaltungs- und Kapitalaufbringungsvorschriften, auf Grundlage des Gesellschaftsvertrages vereinbart werden kann, dass jährlich das gesamte Kapital entnommen werden darf; dadurch kommt ein kompensationsbedürftiges Defizit verbandsrechtlicher Organisation zum Ausdruck. Ebenso kommt eine gemeinschaftliche Vereinbarung der Ausschüttung an die Gesellschafter in Betracht. 7. Dasjenige Defizit, das die Gesellschaftsgläubiger erfahren, weil sie mit einem Verband kontrahieren, der durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung von innen ausgehöhlt werden kann, besteht bei jedem Verband. Dieser Umstand macht verbandsübergreifend gesetzliche Korrekturen notwendig, welche aber rechtsformspezifisch variieren. Es handelt sich um eine gesetzgeberische Entscheidung, dieses Defizit bei Kapitalgesellschaften durch mehr oder weniger strenge Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln zu gewährleisten; im Personengesellschaftsrecht demgegenüber wurde eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung für die Sozietätskonstruktion getroffen. Schon durch diese wird eine gewisse Kapitalbindung dergestalt erreicht, dass stets eine mitgliedschaftliche Kapitalbindung erzeugt wird, sodass keine willkürliche Kapitalentnahme zugunsten einzelner Gesellschafter erfolgen kann, ohne dass der Gesellschaft als Rechtssubjekt regelmäßig ein vermögensausgleichendes Äquivalent zufließt. Insoweit findet stets ein privatautonomer Aushandlungsprozess statt. Für den Fall kollektiver Kapitalentnahmen ist demgegenüber ein gesetzliches Korrektiv notwendig; §  128 HGB nimmt diese Funktion ein, indem kraft gesetzlicher Anordnung das Gesellschaftervermögen funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger zugewiesen und in Anbetracht des Zusammenhangs von Schuld und Vermögenshaftung ein atypisches gesetzliches Schuldverhältnis begründet wird. 8. Im Rahmen der Haftung nach §  128 HGB erhält der Gesellschafter bei seiner Inanspruchnahme durch den Gläubiger der Gesellschaft bei primärer Inanspruchnahme keine unmittelbare Gegenleistung. Eine Kompensation wird erst nachträglich über §  110 HGB ermöglicht. Dieser Regressanspruch ist indes mit dem Insolvenzrisiko der oHG belastet, welches einen eigenen Vermögens-

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

wert verkörpert. Darüber hinaus ist der Haftungsanspruch des §  128 HGB deshalb nicht wertäquivalent mit dem Aufwendungsersatzanspruch des §   110 HGB, weil dieser als innenrechtliche Norm der gesellschaftsvertraglichen Disposition unterliegt. Dies bedeutet gegebenenfalls eine Einstandspflicht nach §  128 HGB ohne eine damit korrespondierende Kompensation nach §  110 HGB. Verschärft wird dieser Konflikt durch die Liquidationsbefangenheit von Sozialforderungen der Gesellschafter. 9. Neben dem Regressanspruch gegen die Gesellschaft bleiben auch die mitgliedschaftlichen Gewinn- und Entnahmerechte nach dem gesellschafts-bilanz­ rechtlichen Leitbild hinter den Haftungsforderungen der Gesellschaftsgläubiger zurück; gesellschaftsrechtliche Entnahmerechte sind lediglich Konsequenz der mitgliedschaftlichen Beitragspflichten. Folglich stimmen Leistung und Gegenleistung im Rahmen von §  128 HGB während des werbenden Zustandes des Personenverbandes nicht überein. Erst im Rahmen der Vollbeendigung amortisiert sich der Vermögenswert der Mitgliedschaft. II. Keine Notwendigkeit primärer Einstandspflicht im Personenverband 1. Während die bisherige Diskussion die personengesellschaftsrechtliche Haftungsverfassung ausgehend vom positivrechtlichen Normativgefüge unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des §  128 HGB beurteilt, ist mit gefestigter dogmatischer Weiterentwicklung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft eine Beurteilung unter Berücksichtigung deren Eigenschaft als Personenverband angezeigt. 2. Mit der Verlagerung des rechtssubjektiven Anknüpfungspunktes einer Gesellschaftsverbindlichkeit von den Gesellschaftern auf die Gesellschaft wird der normative Standard umgekehrt, sodass nicht die Beschränkung der Einstandspflicht auf ein Sondervermögen legitimierungsbedürftig ist, sondern die Ausweitung der Haftung auf die Gesellschafter als schuldnerfremde Rechtssubjekte. Es ist fortan der Personenverband, der „dem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts“ nach unbeschränkter Vermögenshaftung unterliegt, wonach „derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt oder mit dem Vertragspartner keine Haftungsbeschränkung vereinbart wird.“1554 In konsequenter Anwendung dieses Grundsatzes der geltenden Rechtsordnung sind es nicht die Gesellschafter, die in „Gemeinschaft mit anderen“ Geschäfte betreiben, sondern es ist die Personenaußengesellschaft, die „als Einzelperson“ agiert. 1554  BGH, Uv. 27.9.1999    – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315–323 = juris-Rn.  12; vgl. BGH, Uv. 27.1.1997    – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333–342 = juris-Rn.  13.

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3. Aus dem Umstand, dass es im Recht der Kapitalgesellschaften regelmäßig Vorschriften über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung gibt, kann nicht logisch notwendig darauf geschlossen werden, dass es im Recht der Personengesellschaften deswegen einer persönlichen Gesellschafterhaftung bedarf, weil es dort solche Regelungen nicht gibt; maßgeblicher Vergleichssachverhalt ist vielmehr ein Rechtsverhältnis mit einer natürlichen Person anstatt mit einem Verband. 4. Die mitgliedschaftliche Verbindung mit dem Personenverband führt dazu, dass das Gesellschaftsvermögen hinsichtlich des einzelnen Gesellschafters einer den Kapitalgesellschaften vergleichbaren Zweckbindung durch den Verbandszweck unterliegt. Einmal zugewiesenes Kapital bleibt daher grundsätzlich in der Gesellschaft. Diese Kapitalbindung wird durch die Sozietätskonstruktion abgesichert, weil durch das personengesellschaftsrechtliche Fundament aus mindestens zwei Gesellschaftern gewährleistet wird, dass sich das kollektive Gesellschaftsinteresse stets von dem Individualinteresse der einzelnen Gesellschafter unterscheidet. Ferner wird damit sichergestellt, dass die Vermögenstrennung zwischen dem Gesellschaftsvermögen und den Privatvermögen auch realstrukturell aufrechterhalten wird. Im gesetzlichen Regelfall bedarf es während des werbenden Stadiums der Gesellschaft bezogen auf das Individualinteresse der Gesellschafter daher keiner gläubigerschützenden Vorschriften, weil das Gesellschaftsvermögen hinreichend vor dem Zugriff der Einzelgesellschafter bzw. deren Gläubiger abgeschirmt ist und damit in der Gesellschaft zweckgebunden bleibt. 5. Bei kollektiver Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit ist die Kapitalbindung demgegenüber    – anders als bei der strengen gegenseitigen Abschirmung des Gesellschafts- bzw. Privatvermögens in Kapitalgesellschaften    – lediglich eine weiche. Dadurch, dass argumentatives Bezugssubjekt nicht die ­juristische Person, sondern die natürliche Person ist, sollte anstatt von „Kapital­ ersatzfunktion“ allgemeiner von einer persönlichen „Sicherung des Haftungsvolumens“ gesprochen werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Gesell­ schafter mit der Konstituierung des Personenverbandes bezogen auf das mit Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit der Haftung unterworfene Gesellschaftsvermögen gemeinschaftlich eine Vollwertigkeitsgarantie für die einzelne Gesellschaftsverbindlichkeit übernehmen. 6. Die vollwertige Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft hat zur Folge, dass während des Liquidationsverfahrens gegenüber deren werbenden Zustand grundsätzlich keinerlei abweichende Gläubigerschutzinteressen aufkommen und etwaige fehlende zwingende Liquidationsvorschriften auch keinen darüber hinausgehenden Gläubigerschutz rechtfertigen. Dementsprechend ist es aus Gläubigerperspektive grundsätzlich auch unbeachtlich, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Gesellschafter die Gesellschaft durch den Abzug von Kapital in eine Liquidation zwingen können. Selbst wenn die Gesellschaf-

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

ter gemeinschaftlich eine Ausschüttung an sich beschließen, bleibt der Personenverband als Schuldner erhalten. 7. Bei Beachtung des hier zugrunde gelegten Verständnisses von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft ist eine Gesellschafterhaftung ohne schuldrechtlich verpflichtetes Rechtssubjekt nicht denkbar. Hinsichtlich des Aktivvermögens der Gesellschaft bleibt die Vermögenstrennung daher jedenfalls bis zur Schlussabrechnung strikt aufrechterhalten. Anhand der Gesellschaftspassiva wird indes deutlich, dass die Vermögenstrennung sogar darüber hinaus reicht. Solange Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen, bleibt das Gesellschaftsvermögen in qualitativer und quantitativer Hinsicht funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – den Gläubigern zugewiesen. Dies steht einer Vollbeendigung entgegen, sodass eine Personenaußengesellschaft solange als rechtsfähig zu behandeln ist, wie noch Gesellschaftsverbindlichkeiten bestehen. Nach dem gesetzlichen Leitbild des §  735 BGB stehen der Gesellschaft Nachschussansprüche gegen die Gesellschafter zu, bis diese eingetrieben und die Gesellschaftsverbindlichkeiten beglichen wurden. Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB sind während eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft Bestandteil der Masse, ohne dass sie jedoch zur Begleichung von Masseverbindlichkeiten herangezogen werden können. Eine vermeintlich vollabgewickelte Gesellschaft besteht gegebenenfalls als personenidentischer Nachtragsliquidationsverband fort. 8. Auch wenn die Gesellschafter Nachschussansprüche vollständig ausgeschlossen haben, kommt eine Vollbeendigung des Verbandes bei offenen Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht in Betracht, weil das Vermögen in qualitativer Hinsicht funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – den Gläubigern zugewiesen bleibt. Reicht danach das Gesellschaftsvermögen nicht aus, die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu befriedigen, ist ein Insolvenzverfahren zu eröffnen mit der Folge, dass die Gesellschafterverbindlichkeiten nach §  128 HGB unter dem Regime der Gläubigergleichbehandlung durch den Insolvenzverwalter gemäß §  93 InsO geltend zu machen sind. Reicht das Gesellschaftsvermögen in quantitativer Hinsicht nicht aus, ist eine masselose Liquidation zu betreiben. Auch über das Vermögen eines Nachtragsliquidationsverbandes kann ein Insolvenzverfahren oder eine masselose Liquidation durchgeführt werden. 9. Mit Blick auf die Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft sowie deren Vermögensträgerschaft sind weder eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter noch eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschaftervermögen aus Gläubigerschutzgesichtspunkten angezeigt. Vor dem Hintergrund der Rechtssubjektivität sowie der daraus folgenden, strikten Vermögenstrennung ergibt sich, dass den Gläubigern bis zur Vollbeendigung des Personenverbandes mit diesem ein haftungsfähiges Rechtssubjekt zur Verfügung steht. Angesichts des Umstandes, dass offene Gesellschaftsverbindlichkeiten einer Vollbeendigung entgegenstehen, ist ein berechtigtes Interesse der

§  3 Teleologisch überschießende Regelungsanordnung

355

Gläubiger vorrangig auf die Gesellschaftervermögen zugreifen zu können, nicht ersichtlich. Auch für den Fall, dass die Gesellschaft selbst nicht leistungsfähig oder erfüllungswillig ist, ergibt sich weder aus der Regelungssystematik noch aus dem Regelungszweck des Gläubigerschutzes eine auf Erfüllung gerichtete Einstandspflicht der Gesellschafter. 10. Zwar gibt es im Recht der Personengesellschaft weder zwingende Vorschriften über die Kapitalaufbringung bzw. Kapitalerhaltung noch existieren zwingende gläubigerschützende Liquidationsvorschriften. Die daraus resultierenden verbandsspezifischen Gläubigerrisiken werden aber durch §  128 HGB    – flankiert durch die sozietätsmäßige Kapitalbindung    – internalisiert. Einer auf Erfüllung gerichteten Einstandspflicht bedarf es insoweit nicht; diesbezügliches Interesse ist vielmehr im Wege von privatautonom zu vereinbarenden Sicherheiten zu befriedigen. Während dies im rechtsgeschäftlichen Bereich bereits antizipiert in Betracht kommt, sind deliktische Gläubiger auf eine nachträgliche Vereinbarung angewiesen. Indes ist damit keine Schlechterstellung deliktischer Gläubiger verbunden, weil deren schuldrechtliche Verbindung mit einem Schuldner ohnehin eine zufällige ist; zumal deren Interesse regelmäßig bereits vollständig in Geld zu befriedigen sein wird. 11. Verkehrsfähigkeit erfährt die Personenaußengesellschaft bereits dann, wenn sich die Verantwortlichkeit der Gesellschafter auf die verbandsspezifischen Risiken beschränkt. Wie dargelegt, droht das Gesellschaftsvermögen lediglich in quantitativer Hinsicht durch eine gemeinschaftliche Entscheidung der Gesellschafter dem Gläubigerzugriff entzogen zu werden. Dementsprechend ist eine persönliche Gesellschafterhaftung mit Blick auf die Kreditfähigkeit der Personenaußengesellschaft nur soweit erforderlich, wie es den quantitativen Kapitalabfluss zu kompensieren gilt. Bereits ein nachgelagerter Zugriff auf die Privatvermögen in Höhe des drohenden Zahlungsausfalls genügt insoweit, ohne dass damit ein dem Regelungszweck des §  128 HGB zuwiderlaufender Attraktivitätsverlust verbunden wäre. 12. Der von §  128 HGB zu verwirklichende Gläubigerschutz ist in seiner materiell-rechtlichen Ausrichtung auf die Interessen der Gläubigergesamtheit bezogen. Dies gilt umso mehr seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaft, weil diese originärer Schuldner der Verbindlichkeit ist, deren Vermögen dem Gläubigerzugriff funktional     – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugewiesen wird. Der Schutz der Gläubigergesamtheit lässt sich am besten durch eine Gläubigergleichbehandlung verwirklichen, wie sie durch das insolvenzrechtliche Regime erfolgt. Eine Privilegierung der schnellsten Gläubiger ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt. Ließe man eine solche zu, wären Effektivität und Leistungsfähigkeit des von §  128 HGB verfolgten Gläubiger- und Verkehrsschutzes gefährdet. 13. In Anbetracht des Regelungszwecks des §  128 HGB, der Haftungsdogmatik des Personenverbandes sowie der gesetzlichen Systematik ist die Geltung

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Kapitel  1: Wirkungsweise der Gesellschafterhaftung gemäß §  128 HGB

des Prioritätsprinzips bezogen auf die Einstandspflicht der Gesellschafter jedenfalls keine Notwendigkeit. Vorzugswürdig ist vielmehr die Annahme eines    – auch vorinsolvenzrechtlichen    – allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung. 14. Während    – vorbehaltlich abweichender ausdrücklicher Regelung    – aus der Möglichkeit einer Einflussnahme nicht bedingungslos auf eine persönliche Haftung zu schließen ist, kann eine persönliche Einstandspflicht bei mangelnder Einwirkungsmöglichkeit ausgeschlossen sein. Hintergrund einer Einschränkung unbeschränkter Gesellschafterhaftung ist, dass die haftungsrechtliche Selbstverantwortung aus der privatautonomen Selbstbestimmung folgt. Entsprechend diesem privatautonomen Grundsatz ist den gesellschaftsrecht­ lichen Regelungen die allgemeine Wertung zu entnehmen, dass eine Einstandspflicht regelmäßig nur soweit in Betracht kommt, wie eine Selbstbestimmung ausgeübt werden kann. Bei positiv angeordneter Gesellschafterhaftung ergibt sich im Rahmen des Personengesellschaftsrechts daraus notwendig der Grundsatz der Selbstorganschaft. Zwar sind organschaftliche und rechtsgeschäftliche Vertretung in unterschiedlichem Maße grundsätzlich delegierbar, erforderlich bleibt aber ein Minimum an Einflussnahme durch die Gesellschafter, indem diesen jedenfalls Widerspruchsrechte (vgl. §§  114 f. HGB) bzw. ein Widerrufsrecht bezogen auf die Vertretungsmacht verbleiben müssen. 15. Nimmt man die selbstbestimmte Einflussnahme zum Maßstab persön­ licher Verantwortlichkeit, hat sich die Einstandspflicht der Gesellschafter den gleichen Abstufungen zu unterziehen, wie deren Möglichkeiten rechtlicher Einflussnahme. Der Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung spricht maßgeblich gegen eine primäre Einstandspflicht der Gesellschafter, wenn man berücksichtigt, dass die Einflussnahmemöglichkeit des einzelnen Gesellschafters eine lediglich mitgliedschaftlich vermittelte ist. Durch den Auftritt des Personenverbandes im Rechtsverkehr agiert lediglich dieser selbstbestimmt, sodass auch nur dieser unmittelbar selbstverantwortlich einer schuldrechtlichen Einstandspflicht unterliegt. Demgegenüber können die Gesellschafter lediglich im Rahmen kollektiver Willensbildung auf die Geschicke der Gesellschaft einwirken und partizipieren spiegelbildlich auch nur über ihren Kapitalanteil im Wege mitgliedschaftlicher Wertbeteiligung an der Gesellschaft. 16. Eine primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter ist weder mit dem Regelungszweck des §  128 HGB vereinbar, weil diese einen überschießenden Gläubigerschutz zur Folge hätte, noch steht sie im Einklang mit der dem positiven Recht zu entnehmenden Wertung, dass eine Einstandspflicht nur in dem Maße in Betracht kommt, wie im Eigeninteresse ein eigennütziger Einfluss auf die Gesellschaft ausgeübt werden kann.

Kapitel  2

Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung (Gesellschafter-Exithaftung) §  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung für Verbindlichkeiten des Personenverbandes Die Untersuchung zeigt, dass die Behandlung der durch §  128 HGB angeordneten Einstandspflicht der Gesellschafter als unmittelbare, primäre Haftung vor dem Hintergrund des gewandelten Verständnisses von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft nicht spezifisch rechtlich legitimiert ist. Der Anwendung des §  128 HGB, wie sie durch die herrschende Meinung vorgenommen wird, gestaltet sich damit als überschießend. Die rechtliche Einordnung der ­Personenaußengesellschaft als rechtsfähiger Personenverband sowie die damit einhergehende Vermögensträgerschaft führen verbunden mit hinreichender Vermögenstrennung dazu, dass eine unmittelbare, primäre Einstandspflicht nicht vom Regelungszweck des §  128 HGB erfasst ist, weil willkürliche Vermögensverschiebungen nicht per se zu befürchten sind. Der haftungsrechtliche Standard bedarf demzufolge einer dogmatischen Neuausrichtung. Dabei gilt es insbesondere, die Schnittstellen der gesellschafts- und insolvenzrechtlichen ­relevanten Lebenszyklen des Personenverbandes auszubalancieren. In der Vergangenheit wurde davon ausgegangen, dass die Analyse der Haftung in der oHG sich auf Sinn und Zweck des §  128 HGB beschränken könne, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur der oHG bedürfte, weil die Regelungen der §§  105 ff. HGB hinreichend ausführlich    – insbesondere mit §  124 HGB    – das Außenverhältnis der oHG gegenüber Dritten bestimmten.1 Eine Ableitung der Art sowie des Inhalts der Gesellschafterhaftung auf einer, die Rechtsnatur der oHG würdigenden, rechtsdogmatischen Basis wurde insbesondere in Anbetracht rechtlicher Unklarheiten über die Vermögensträgerschaft sowie die verbandsrechtliche Einordnung der oHG als Rechtssubjekt abgelehnt. Mangels einheitlicher Argumentationsgrundlage über die Rechts­ natur der Personenaußengesellschaft erfolgte die wissenschaftliche Ausein­ andersetzung mit dem Regelungszweck des §  128 HGB abstrakt. Mit der Präzisierung der verbandsrechtlichen Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft ist auch eine darauf bezogene grundlagenorientierte Herangehensweise zulässig 1 

Fischer, in: Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, S.  815.

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

und angezeigt. Während die wissenschaftliche Diskussion über die personen­ gesellschaftsrechtliche Haftungsverfassung sich in der Vergangenheit maßgeblich auf den Inhalt der Gesellschafterhaftung konzentrierte, wurde die Art der Haftung als primäre und unmittelbare ungeachtet der dogmatischen Weiter­ entwick­lung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft sowie dem damit einhergegangen vermögensrechtlichen Paradigmenwechsel weitestgehend nicht in Frage gestellt. Aufgabe der weiteren Untersuchung ist es, ein der dogmatisch weiterent­ wickelten Rechtsnatur    – sowie dem daran auszurichtenden Regelungszweck    – entsprechendes modifiziertes Haftungsmodell zu entwickeln, welches hinsichtlich der zu begegnenden verbandsrechtlichen Gefährdungslage mit der rechtlich gegebenen Legitimation der Gesellschafterhaftung in Einklang steht. Maß­ gebliche Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass es im Rahmen einer Gesellschaftsverbindlichkeit das Gesellschaftsvermögen ist, welches dem Gläubigerzugriff funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugeordnet wird. Die Verwirklichung dieser haftungsrechtlichen Vermögens­ zu­weisung richtet sich entsprechend dem marktwirtschaftlichen Normalfall nach dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip. Solange der Personenverband existent ist, bedarf es unter Berücksichtigung der bisherigen Unter­ suchungsergebnisse keines zusätzlichen unmittelbaren Zugriffsobjekts. Zur Kom­pen­sation der verbandsspezifischen Risiken genügt es, wenn die Privatvermögen der Gesellschafter lediglich subsidiär für den Fall herangezogen werden, dass das Schuldnervermögen nicht ausreicht, die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu tilgen. Das vermögensmäßige Gläubigerinteresse erschöpft sich dabei in der Höhe des nicht durch das Gesellschaftsvermögen gedeckten Betrages. Reicht das Schuldnervermögen nicht aus, betrifft dies aber nicht mehr nur die Interessen einzelner Gläubiger, vielmehr richtet sich der Regelungszweck des §  128 HGB auf die Interessen der Gläubigergesamtheit. Im Zustand materieller Insolvenz des Schuldners wird durch das wirtschaftliche Versagen einer Vertragspartei das privatautonome, individualvertragliche Gleichgewicht, wie es einer gegenseitigen    – häufig synallagmatischen    – schuldrechtlichen Verbindung zugrunde liegt, gestört.2 Dies macht aus marktordnungsrechtlicher Perspektive einen Eingriff des Staates erforderlich, weil der Schutz der Allgemeinheit insoweit die Interessenlage privatautonom begründeter Verbindlichkeiten überlagert. Bei deliktischen Verbindlichkeiten ist das Interesse der Gläubigergesamtheit gesteigert schützenswert. Aufgabe des Insolvenzrechts ist es, den Eingriff gesellschaftsverträglich im Sinne sozialer Marktwirtschaft zu gestalten.3 Zum Ausdruck kommt diese Gemengelage in §  93 InsO, der die Abwicklung der Gesellschafterhaftung in ein Innenverhältnis gegenüber dem Insolvenzverwalter 2 Vgl. 3 

Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  348. Wellensiek, WM 1999, 405 (405).

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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verlagert. Diese durch §  93 InsO für das eröffnete Insolvenzverfahren zum Ausdruck kommende Interessenlage besteht indes bereits im Rahmen der Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB als solcher. Angesichts der strikten Trennung zwischen dem Gesellschafts- und den Gesellschaftervermögen bedarf es eines unmittelbaren Gläubigerzugriffs auf die Gesellschaftervermögen nicht. Das zu entwickelnde Modell hat es dementsprechend zur Aufgabe, die Geltendmachung der Gesellschafterhaftung generell in ein Liquidationsstadium sowie in die Hände eines im Interesse der Gläubigergesamtheit agierenden Drittliquidators zu verlagern (sog. Gesellschafter-Exithaftung). Allenfalls im Rahmen missbräuchlicher Verhaltensweisen kommt im Einzelfall eine primäre Direkthaftung in Betracht, weil dann gegebenenfalls die individuelle Schutzbedürftigkeit die Interessen der Gläubigergesamtheit überwiegt. Aus rechtsökonomischer Sicht führt dieser Ansatz auch nicht zu einem Leerlauf des haftungsrechtlichen Anreizsystems, wonach die Gesellschafterhaftung opportunistischem Gesellschafterverhalten entgegenwirken soll. Vielmehr wird eine etwaige Abschwächung des Anreizsystems, wie es mit einer unmittelbaren Gesellschafterhaftung verbunden ist, durch andere Anreize kompensiert. So hat die mit einer Gesellschafter-Exithaftung verbundene Subsidiarität der Einstandspflicht zur Folge, dass eine sorgfältige Geschäftsführung sogar dazu führen kann, dass eine Inanspruchnahme mit dem Privatvermögen, entsprechend der eigentlichen privatautonomen Entscheidung als Verband am Rechtsverkehr teilzunehmen, gänzlich vermieden wird.4 Eine bloß nachgelagerte persönliche Gesellschafterhaftung schafft folglich Anreize für die Gesellschafter, den Personenverband „lebensfähig“ zu halten und gegebenenfalls sogar Nachschüsse gemeinschaftlich zu vereinbaren. Dies bedeutet eine unmittelbar verbandsspezifisch verhaltensfördernde Wirkung sowohl auf die Gesellschaftergesamtheit als auch auf die einzelnen Gesellschafter. Eine Verlagerung der vollstreckungsrechtlichen Zugriffsmöglichkeit in die Privatvermögen auf den Zeitraum einer (besonderen) Liquidation der Gesellschaft generiert den Vorteil, dass zu Lebzeiten des Verbandes ein Vermögenspooling möglich bleibt und    – beschränkt auf den werbenden Zustand des Verbandes    – die Investitionsbereitschaft der Gesellschafter stärkt. Dies führt regelmäßig zu einer höheren Eigenkapitalquote des Personenverbandes, was dessen Stellung als Schuldner stärkt und die Attraktivität der personengesellschaftsrechtlichen Rechtsformen steigert. Im Folgenden gilt es, dieses modifizierte Haftungsmodell normativ anzubinden.

4 Vgl.

Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S.  144.

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

A. Der Gläubigergesamtheit verpflichtete Haftungsanordnung des §  128 HGB Möchte man die Gesellschafterhaftung generell als auf den Ausgleich einer Unterdeckung beschränkte Exithaftung qualifizieren und ausgestalten, ist hinsichtlich der Haftungsanordnung des §  128 HGB zu berücksichtigen, dass die Vorschrift zu einer Zeit verabschiedet wurde, zu der man noch von einem evident anderen Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft ausging als heute. Dementsprechend kommt einer Auslegung nach dem Wortlaut des §  128 HGB bei der Bestimmung des materiell-rechtlichen Regelungs­ gehalts eine bloß untergeordnete Bedeutung zu. Der Regelungsgehalt ist daher vorwiegend aus gesetzesinterner bzw. gesetzesübergreifender Systematik sowie aus Sinn und Zweck der Gesellschafterhaftung zu bestimmen. I. Tatbestandliche Orientierungspunkte im Rahmen einer die Gläubigergesamtheit schützenden Unterdeckungshaftung §  128 HGB knüpft positiv lediglich an eine Gesellschaftsverbindlichkeit sowie die Gesellschafterstellung an und beschränkt die Regelungsanordnung auf eine persönliche Haftung als Gesamtschuldner. Daher steht der Wortlaut einer Gesellschafterhaftung im Sinne eines Ausgleichsprinzips jedenfalls nicht entgegen. Darüber hinaus ergibt sich aus der Regelungssystematik, dass zwischen Gesellschaftsverbindlichkeit und diesbezüglicher Haftung keine Identität besteht, weil eine Rechtswirkung    – wie sie von §  128 HGB ausgelöst wird    – nicht identisch sein kann mit einem sie auslösenden Tatbestandsmerkmal.5 Darüber hinaus legt der sprachlich ermittelbare Wortsinn der Anordnung „haften“ zwar eine unmittelbare Einstandspflicht nahe, weil sie eine Einschränkung nicht artikuliert. Beschränkungen von diesem augenscheinlichen Ausgangspunkt sind allerdings teleologischen Erwägungen zugänglich. An diese sind keine zu strengen Voraussetzungen zu stellen, weil sich eine dem Ausgleichsprinzip folgende Gesellschafterhaftung der von der herrschenden Meinung angenommenen primären Haftung für eine fremde Verbindlichkeit gegenüber sieht, die in Anbetracht der rechtssubjektiven Vermögenstrennung ihrerseits rechtfertigungs­ bedürftig ist. So ist das haftungsrechtliche Ausgleichsprinzip bereits in der schuldrechtlichen Verbindung mit einem Verband angelegt, weil einer Vermögensdisposition regelmäßig ein subjektiv vermögensausgleichendes Äquivalent gegenübersteht und ein Zugriff auf die Gesellschaftervermögen nur so weit erforderlich ist, wie dies von der Gesellschaft nicht zu erlangen ist. 6 Darüber hinaus knüpft §  128 HGB an eine (Einzel-)Verbindlichkeit der Gesellschaft an. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Begründung einer Gesell5 Vgl. 6 

Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (144). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2.

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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schaftsverbindlichkeit aus Sicht der Gesellschafter grundsätzlich lediglich die Aktualisierung des Haftungs-Istzustands zur Folge hat.7 Dies bedeutet indes nicht, dass die Haftung inhaltsgleich um die Gesellschaftsverbindlichkeit an­ gereichert wird. 8 Die Anordnung der Haftung der Gesellschafter führt im Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu den Gesellschaftsgläubigern nur in Anbetracht des notwendigen Zusammenhangs von Schuld und Vermögenshaftung zur Begründung eines atypischen gesetzlichen Schuldverhältnisses, ohne dass damit eine Aussage über Umfang und Inhalt der Gesellschafterhaftung getroffen ist.9 Diese bestimmt sich vielmehr nach dem aktualisierten Haftungs-Istzustand, wie er aus der mitgliedschaftlichen Verbindung mit der Gesellschaft resultiert. Wie gleichzeitig eine Berücksichtigung der Interessen einer Gläubigergesamtheit erfolgen kann, wird im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft deutlich.10 Verlagert man die mitgliedschaftlich vermittelte Einstandspflicht im Rahmen der Haftungsabwicklung    – so während des Insolvenzverfahrens nach §  93 InsO    – in ein durch einen Drittliquidator im Fremdinteresse wahrzunehmendes Innenverhältnis, hat dies zur Folge, dass sich die Verlustdeckungshaftung der Gesellschafter in Einklang mit der mitgliedschaftlichen Wertbeteiligung über einen Kapitalanteil als kontenmäßiger Buchungsposten im Rahmen der liquidationsrechtlichen Vermögenssonderung niederschlägt.11 Die damit aufrechterhaltene Vermögenstrennung hat zur Folge, dass die Gesellschafterhaftung materiell-­ rechtlich als Außenhaftung bestehen bleibt und lediglich für die Haftungsabwicklung im Interesse der Gläubigergesamtheit in ein Innenverhältnis verlagert wird.12 Wird über das Vermögen der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet, hat die stichtagsbezogene Verlagerung der Haftungsabwicklung in das Innenverhältnis zum Insolvenzverwalter als besonderen Drittliquidator zur Folge, dass ein Gleichlauf der Haftungsverwirklichung zwischen den Ansprüchen nach §  735 BGB und    – über §  93 InsO    – den Ansprüchen gemäß §  128 HGB hergestellt wird.13 Soweit die Gesellschafter vorbehaltlich innenrechtlicher Vereinbarung nach dem Leitbild des §  735 BGB zu Nachschüssen nicht gedeckter Gesellschaftsverbindlichkeiten verpflichtet sind, werden die diesbezüglichen Sozialansprüche Teil der Insolvenzmasse.14 Ist demgegenüber eine Nachschusspflicht für den (spezialgesetzlichen) Liquidationsfall ausgeschlossen, erfolgt die Befriedigung der Gläubiger aus den für die Haftungsforderungen zu bildenden 7 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d). 9  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II, Kap.  1 §  2 C.IV. 10  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3. 11  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b), Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb), Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd). 12  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III, Kap.  1 §  2 C.II.6. 13  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 14  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb); §  2C.VI; Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  82 ff., 146. 8 

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

Sondervermögensverbindungen.15 Insoweit dient der Einzelverbindlichkeits­ bezug des §  128 HGB dazu,16 dass die Gläubiger jede einzelne Verbindlichkeit in dem Insolvenzverfahren anmelden können und so ihren entsprechenden quotalen Anteil an dem Haftungsvolumen realisieren können. Beschränkt man die materielle Rechtfertigung der persönlichen Haftung der Gesellschafter im Interesse der Gläubigergesamtheit entsprechend der verbandsspezifischen Gefährdungslage auf die Konstellation, dass das haftungsunterworfene Vermögen der Gesellschaft als eigentlicher Schuldnerin nicht zur Gläubigerbefriedigung ausreicht, wird die Verwirklichung der Haftung regelmäßig in das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft verlagert und ist unter dem Regime des §  93 InsO durch den Insolvenzverwalter geltend zu machen. Wie nach dem von Karsten Schmidt entwickelten sog. Ausfallhaftungsmodell ist die persönliche Haftung der Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens nur noch auf Zahlung gerichtet, das heißt nicht auf Leistung in Natur, und auf die Unterdeckung der Masse beschränkt.17 „Eine auf §§  128 HGB, 93 InsO gestützte Insolvenzverwalterklage kann überhaupt nicht, wie die Direktklage eines einzelnen Gläubigers, auf eine einzelne Forderung gegen die Gesellschaft […] gestützt werden, sondern stets nur auf die Unterdeckung der Masse, begrenzt auf die der Haftung nach §  128 HGB unterliegenden Verbindlichkeiten.“18

Die Darlegungspflicht des Insolvenzverwalters konzentriert sich daher auf die Unterdeckung der Masse.19 Das hier zu entwickelnde Modell führt hingegen dazu, dass die Durchsetzung der materiell-rechtlich unveränderten, einzelverbindlichkeitsbezogenen Haftungsansprüche der einzelnen Gesellschaftergläubiger unter der Prozessstandschaft des Insolvenzverwalters zwar auf die Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens beschränkt ist, nicht hingegen dazu, dass sie erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine „neue, konsolidierte Gestalt“ annehmen.20 Diese Art der Geltendmachung der auf die Unterdeckung beschränkten Einstandspflicht der Gesellschafter im Interesse der Gläubiger­ gesamtheit ergibt sich vielmehr unmittelbar aus §  128 HGB. II. Überwindung des artikulierten Willens des historischen Gesetzgebers kraft dogmatischer Weiterentwicklung der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft Die Gesetzesbegründung zu §  128 HGB (§  126 des Entwurfs) sieht anknüpfend an die Vorgängervorschriften der Art.  112, 122 ADHGB vor, dass 15 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C. 17  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (186). 18  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (186). 19 Vgl. K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (186 f.). 20  Siehe dazu unten Kap.  2 §  4 B. 16 

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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„das H.G.B. im Allgemeinen davon ausgeht, da[ss] die Gesellschaftsgläubiger sich wegen ihrer Ansprüche nach ihrer Wahl an die Gesellschaft oder an jeden einzelnen Gesellschafter halten können, also nicht verpflichtet sind, zunächst aus Gesellschaftsvermögen Befriedigung zu suchen“. 21

Diese „prinzipale Haftung der Gesellschafter“ werde erst gemäß §  201 Kon­ kursO zu einer „subsidiären“, wenn sowohl über das Gesellschaftsvermögen als auch über das Privatvermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters das Konkursverfahren eröffnet werde.22 Möchte man nun    – ausgehend vom Normzweck    – eine auf den besonderen Liquidationsfall der Gesellschaft verlagerte „Exithaftung“ annehmen, so erscheint dies mit Blick auf den augenscheinlich ausdrücklich im Gesetzgebungsverfahren artikulierten Regelungsumfang problematisch. So hat das BVerfG zuletzt ausdrücklich entschieden, dass sich die Rechtsfortbildung „nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen [darf]“, weil anderenfalls in unzulässiger Weise in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingegriffen werde.23 Die Beachtung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers sei Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit.24 Das zu entwickelnde Haftungsmodell hat sich demzufolge an der verfassungsrechtlich gebotenen subjektiv-teleologischen Gesetzesauslegung zu orientieren. So darf nicht eine „eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers“ treten.25 Allerdings darf lediglich „der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht übergangen oder verfälscht werden“.26 Ob der Gesetzgeber eine solche eindeutige Entscheidung getroffen hat, ist wiederum durch Auslegung zu ermitteln.27 Zwar ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, sein „Regelungsanliegen in bestimmten Zeitabständen aufs Neue zu bestätigen“.28 Allerdings ist die Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, sowohl anhand der Gesetzesmaterialien, als auch der Systematik sowie des statischen bzw. gewandelten Verständnisses der Vorschrift in der Praxis zu beurteilen.29 Aufgabe der Rechtsanwendung ist es, die gesetzgeberische Grundentscheidung zu akzeptieren und „den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen 21 

Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  268. Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  268 f., 445. 23  BVerfG, Bv. 6.6.2018    – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, juris-Rn.  73. 24  BVerfG, Bv. 6.6.2018    – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, juris-Rn.  75. 25  BVerfG, Bv. 6.6.2018    – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, juris-Rn.  73. 26  BVerfG, Bv. 6.6.2018    – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, juris-Rn.  75. 27  Vgl. die Sondervoten von Voßkuhle, Osterloh und Di Fabio zu BVerfG, Bv. 15.1.2009    – 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248, Rn.  95 ff., 97. 28  Voßkuhle, Osterloh und Di Fabio zu BVerfG, Bv. 15.1.2009    – 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248, Rn.  95 ff., 101. 29  BVerfG, Uv. 11.7.2012    – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99–133 = juris-­ Rn.  73 ff.; Voßkuhle, Osterloh und Di Fabio zu BVerfG, Bv. 15.1.2009    – 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248, Rn.  95 ff., 101. 22 

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen“.30 Demgegenüber ist der Gesetzgeber nicht für dogmatische Einsichten zuständig; diese obliegen vielmehr der Rechtswissenschaft.31 Die Einordnung und Weiterentwicklung des dogmatischen Verständnisses von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft unter­liegt daher nicht denselben legitimatorischen Anforderungen wie eine Rechtsfortbildung.32 So legt der Gesetzgeber die „Rechtsfolgen gesetzlich vertypter Sachverhalte verbindlich fest. Bei der dogmatischen Qualifikation kann er (ursprünglich) irren oder (nachträglich) überholt werden. […] Da es […] Funktion der Dogmatik ist, Wertungsfragen in Denkaufgaben zu übersetzen, darf sie den verbindlichen gesetzlichen Wertungen (= Rechtsfolgeanordnungen für die geregelten Sachverhalte) nicht widersprechen. Eine Veränderung der Dogmatik muss sich im Gegenteil dadurch legitimieren, dass sie die gesetzlichen Wertungen überzeugender ‚übersetzt‘ und/oder für nicht geregelte Fragen sachgerechtere Antworten ermöglicht.“33

Maßgeblich ist daher, mit welchem Regelungsanliegen der historische Gesetzgeber die „prinzipale Haftung der Gesellschafter“ vorgesehen hat. So dient die primäre Einstandspflicht der Gesellschafter keinem Selbstzweck, sondern der Kreditwürdigkeit der Personenaußengesellschaft sowie dem Gläubigerschutz.34 Mit gewandeltem dogmatischen Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft eröffnet sich zugleich ein Auslegungsspielraum, der über die in den Gesetzgebungsmaterialien getroffenen Regelungsabsichten hinausgehen bzw. bezogen auf die konkrete Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung hinter diesen zurück bleiben kann, solange sie dem originären Regelungsanliegen gerecht werden. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass die „prinzipale Haftung der Gesellschafter“ keine Stütze im Normtext findet und das HGB lediglich im „Allgemeinen“ davon ausgeht, dass die Gesellschaftsgläubiger sich wegen ihrer Ansprüche nach ihrer Wahl an die Gesellschaft oder an jeden einzelnen Gesellschafter halten könnten.35 Dieser eröffnete Auslegungsspielraum wird weder unter Berücksichtigung des §  8 PartGG, der für die Partnerschaftsgesellschaft eine §  128 HGB entsprechende Regelung vorsieht und ein vergleichbares Verständnis nahe legt, wieder verschlossen, noch als Folge der ausdrücklichen Klarstellungen zur Haftungsverfassung in der Personenaußengesellschaft, wie sie Einfluss in den Regierungsentwurf zum MoPeG gefunden haben.36 30 

BVerfG, Bv. 25.1.2011    – 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193–224 = juris-Rn.  53. Reuter, AcP 207 (2007), 673 (674). 32 Vgl. Reuter, AcP 207 (2007), 673 (674 ff., 713). 33  Reuter, AcP 207 (2007), 673 (674). 34  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II. 35  Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, S.  268. 36  Begr. RegE MoPeG zu §  721 BGB-E, S.  190 ff., zurückgehend auf Begr. zu §  721 BGB-E des Mauracher Entwurfs, S.  116. 31 Vgl.

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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Zwar ordnet §  8 Abs.  1 PartGG, in dessen Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Vorschrift des §  128 HGB verwiesen wird,37 eine Haftung der Partner „neben“ der Gesellschaft an. Auch darüber hinausgehend finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien zu §  8 Abs.  1 PartGG deutliche Hinweise, die auf eine primäre Einstandspflicht der Gesellschafter deuten.38 Daher kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe sich hinsichtlich einer primären Einstandspflicht nicht positionieren wollen. Unerheblich ist insoweit, dass die Vorschrift bereits aus der Zeit vor der Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit der Außen-GbR durch die Rechtsprechung des BGH stammt,39 weil der Paradigmenwechsel über die Rechtsnatur und Vermögensträgerschaft von Personenverbänden zu dieser Zeit jedenfalls weit fortgeschritten war. Noch deut­ licher ist die Gesetzesbegründung zu §  721 BGB-E, der die Regelung des §  128 HGB in das BGB überführen soll. Nach dem Regierungsentwurf soll an den Formulierungen des Mauracher Entwurfs festgehalten werden, wonach aus der gesamtschuldnerischen Haftung folge, „dass der in Anspruch genommene Gesellschafter den Gesellschaftsgläubiger nicht zunächst auf das Gesellschaftsvermögen verweisen kann“.40 Ungeachtet einer deutlichen Positionierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hat eine solche Artikulierung der primären Einstandspflicht insofern keine bindende Auslegung des §  128 HGB    – sowie dessen Adaptionen in anderen Gesetzen    – zur Folge, weil der Entwurf zum MoPeG von der unzutreffenden Annahme ausgeht, dass es bei Personenaußengesellschaften an einer Kapitalsicherung vollständig fehle.41 Entsprechendes gilt für die Partnerschaftsgesellschaft. III. Prägung der Gesellschafterhaftung durch den die Gläubigergesamtheit vor verbandsspezifischen Gefahren schützenden Regelungszweck von §  128 HGB Nach den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung erstreckt sich der Regelungszweck des §  128 HGB unter Zugrundelegung des gewandelten Verständnisses von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft lediglich auf die ­Aufrechterhaltung des Haftungsvolumens. Vor diesem Hintergrund ist eine darüber hinaus gehende Regelungsanordnung, wie sie von der herrschenden Meinung mit der unmittelbaren, primären Inanspruchnahme der Gesellschafter zugrunde gelegt wird, nicht hinreichend rechtlich legitimiert und dementsprechend überschießend. Die Erweiterung des Haftungszugriffs auf eine zusätzliche Vermögensverbindung kommt nach diesem Verständnis nur in dem 37  Gesetzesbegründung zu §  8 Abs.  1 PartGG, BT-Drucks. 12/6152, S.  17 f.; vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  4 ff., 37 ff., 40 f. 38  Zum Gleichlauf bei der Auslegung, Henssler, PartGG, §  8 Rn.  40. 39  J.-H. Schulze, Die akzessorische Haftungsverfassung der Außengesellschaft; ablehnend, Schwab, in: FS Hommelhoff, S.  1093 ff. 40  Begr. RegE MoPeG zu §  721 BGB-E, S.  190 (S.  116 des Mauracher Entwurfs). 41  Begr. RegE MoPeG zu §  721 BGB-E, S.  190 (S.  115 f. des Mauracher Entwurfs).

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

Maße in Betracht, wie sie angesichts der verbandsspezifischen Gläubigergefährdung zur Aufrechterhaltung des Haftungsvolumens erforderlich ist. So ist vor dem Hintergrund der Rechtssubjektivität, der Sozietätskonstruktion sowie den Konsequenzen von schuldrechtlichen, privatautonomen Aushandlungsprozessen grundsätzlich eine weitreichende Kapitalbindung gegeben. Die Gläubiger sind lediglich vor der Gefahr zu bewahren, dass auf verbandsrechtlicher Basis Kapital an die Gesellschaftergesamtheit ausgekehrt wird. Mit der Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung als materiell-rechtliche Außenhaftung bei bloßer Verlagerung der Haftungsabwicklung in das Innenverhältnis zu einem Drittliquidator tragen weiterhin die Gesellschafter das gegenseitige Ausfallrisiko, ohne dass es einer primären Inanspruchnahme bedürfte. Eine verlustdeckungsbezogene Ausgleichshaftung    – wie sie durch §  93 InsO im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens gewährleistet wird    – genügt. Auch insoweit bleiben Gläubiger von dem Ausfallrisiko der Gesellschaft verschont; dies geschieht aber um den Gewinn der Gläubigergleichbehandlung. 1. Hinreichende Kreditwürdigkeit bei Vollwertigkeitsgarantie für das Haftungsvolumen Neben dem Gläubigerschutz dient §  128 HGB maßgeblich der Kreditwürdigkeit von Personenaußengesellschaften, ohne dass damit gleichzeitig eine überschießende Privilegierung der Gläubiger einhergehen muss.42 Aus Sicht der Gläubiger sind die Rechtsformen der Personenaußengesellschaften bereits deswegen hinreichend attraktiv, weil in dem Personenverband die Kompetenzen der Gesellschafter in dem Subjekt eines Schuldners gebündelt werden43 und durch §  128 HGB eine Vollwertigkeitsgarantie für das Haftungsvolumen erreicht wird.44 Einer unmittelbaren Einstandspflicht oder gar einer auf Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeit gerichteten Haftung bedarf es dafür nicht.45 Demzufolge kann auch der Einzelverbindlichkeitsbezug des §  128 HGB darauf beschränkt werden, dass dieser in der Forderungsanmeldung aufgeht und damit nur noch im Rahmen der gegebenenfalls bloß quotalen Befriedigung unter dem Regime der Gesamtvollstreckung Berücksichtigung findet.46 Der Umstand, dass von den Gesellschaftern keine persönliche Erfüllung verlangt werden kann, führt aus Sicht der Gläubiger zwar zu einem Attraktivitätsverlust; ein diesbezügliches Gläubigerinteresse ist indes nicht vom Regelungszweck des §  128 HGB erfasst.47 So beruht der Umstand, dass gegenüber einem Schuldner die privatautonom vereinbarte Erfüllung nicht realisiert werden kann, nicht auf 42 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.2. Henssler, AnwBl 1996, 3 (10). 44  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.a). 45  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d). 46  Siehe dazu oben Kap.  2 §  4 A.I. 47  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.2. 43 Vgl.

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verbandsspezifischer Gefährdungslage, denn vielmehr stellt dies ein allgemeines Lebensrisiko dar, welchem der Normgeber im Rahmen des schuldrecht­ lichen Leistungsstörungsrechts zu begegnen hat.48 Zusätzliche Informations­ beschaffungskosten zum Zwecke der Reduzierung von Bewertungsrisiken,49 die für die Ermittlung entstehen, ob sich ein Leistungsgegenstand bei der Gesellschaft oder bei den Gesellschaftern befindet, können diesbezüglich keine Berücksichtigung finden, weil diese schon nicht geeignet sind, Verfügungen über den Leistungsgegenstand vorzubeugen. Etwaigen gesteigerten Erfüllungsinteressen haben die Gläubiger im Wege von privatautonom zu vereinbarenden Sicherheiten zu begegnen. Im Unterschied zu den Kapitalgesellschaften kann bezogen auf die Haftungsverfassung der Personenaußengesellschaft hingegen nicht eingewandt werden, dass bereits das Insolvenzrisiko des Personenverbandes allgemeines Lebensrisiko des Gläubigers sei, weil die Gesellschaftergesamtheit ungeachtet weitreichender Kapitalbindung in der Personenaußengesellschaft gemeinschaftlich Kapital aus der Gesellschaft abziehen kann.50 Genau dieser Gefährdungslage soll §  128 HGB entgegenwirken. Solange die Gesellschaft indes zahlungsfähig ist, besteht kein Bedürfnis, auf die Privatvermögen der Gesellschafter zuzugreifen; diesbezüglich überwiegen die Gesellschafterprivatinteressen. Demgegenüber führt die Verlagerung der Gesellschaftereinstandspflicht auf den Fall der Unterdeckung des Schuldnervermögens dazu, dass die Rechtsform der Personenaußengesellschaft einen Attraktivitätsgewinn aus Sicht der Mitglieder erfährt, weil diesen ein Vermögenspooling unter Abschirmung der Privatvermögen ermöglicht wird.51 Damit verbunden ist der Anreiz, gegebenenfalls Kapital nachzuschießen, um die Gesellschaft lebensfähig zu halten und einer persönlichen Inanspruchnahme vorzubeugen. 2. Sozietätsvermittelte Vermögensbindung Die zur Argumentationsgrundlage gemachte personengesellschaftsrechtliche Kapitalbindung beruht maßgeblich auf der zwingenden Sozietätskonstruk­ tion.52 Diese stellt das verbleibende Strukturmerkmal dar, welches die Personengesellschaft noch von verbandsrechtlichen juristischen Personen unterscheidet.53 Die Sozietätskonstruktion führt dazu, dass das personengesellschaftsrechtliche Fundament stets auf einer Gesellschaftergesamtheit fußt, was sich in der verbandsrechtlichen Willensbildungsbildung als dem Gesellschaftsinteresse verpflichtete Kollektiventscheidung niederschlägt.54 Die daraus resultierende 48 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)aa). Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (154). 50  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.b). 51  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.2. 52  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a), Kap.  1 §  2 A.I.5.b). 53  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5. 54  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.c). 49 Vgl.

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

Trennung der Interessensphären wird durch die lediglich mitgliedschaftlich vermittelte Wertbeteiligung der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen über den Kapitalanteil vertieft.55 3. Faktische insolvenzrechtliche Vorwirkungen der Gesellschafterhaftung Mit Blick auf Sinn und Zweck des §  128 HGB    – eine Vollwertigkeitsgarantie für das Haftungsvolumen zu gewährleisten    – kommt der Vorschrift reflexhaft die Eigenschaft einer vorinsolvenzrechtlichen Haftungsnorm zu, die im Interesse der Gläubigergesamtheit unter Vermeidung eines Wettlaufs auch dazu dient, die Privatvermögen der Gesellschafter bereits im Vorfeld der Insolvenz als mate­ rielle Außenhaftung dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zuzuordnen und damit den Fall der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens als späterer Insolvenzmasse abzusichern. Dieses Haftungsverständnis beruht indes nicht auf einer Vorwirkung des Insolvenzregimes, sondern ist der Regelungsanordnung des §  128 HGB immanent. Die Rechtssubjektivität der vermögenstragenden Personen­ außengesellschaft gebietet es nach dem hier vertretenen Ansatz, dass eine In­ anspruchnahme der Gesellschafter nur in Betracht kommt, wenn das Gesellschaftsvermögen    – unter Einbeziehung der liquidationsmäßigen Nachschusspflichten der Gesellschafter     – zur Begleichung einer Verbindlichkeit nicht ausreicht.56 Damit wird die Gesellschafterhaftung letztlich zu einer Unter­ deckungs- bzw. Ausgleichshaftung.57 Auf diese Weise wird vermieden, dass eine Inanspruchnahme der Gesellschafter dazu führt, dass über den eigent­lichen Regelungszweck des §  128 HGB    – Gesellschaftsgläubiger vor den verbandsspezifischen Gefahren des Auftritts als Personenaußenverband am Rechts­verkehr zu schützen    – hinaus, in die Gesellschafterprivatinteressen eingegriffen wird, weil es gerade nicht deren Vermögen ist, welches im Rahmen einer schuldrechtlichen Verbindung von Gläubigern mit der Gesellschaft originär dem Haftungszugriff unterworfen wird, sondern lediglich aufgrund gesetzlicher Haftungsanordnung.58 Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Ausrichtung ist §  128 HGB daher als zweckgleich mit der Regelung des §  93 InsO zu qualifizieren, dies jedoch nicht deswegen, weil §  128 HGB dem §  93 InsO folgt, sondern weil dies der Regelungszweck des §  128 HGB gebietet, dem die Haftungsabwicklung gemäß §  93 InsO sodann folgt. Demgegenüber wird weitgehend davon ausgegangen, dass sowohl die Gesellschaftsgläubiger als auch der Insolvenzverwalter grundsätzlich jeden Gesellschafter voll in Anspruch nehmen könnten.59 Lediglich dem Insolvenzverwal55 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb), Kap.  1 §  2 C.VIII, Kap.  1 §  3 C. 57  So für den Insolvenzfall, K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  86. 58  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.III, Kap.  1 §  2 B.II, Kap.  1 §  2 C.II. 59  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb) sowie unten Kap.  3 §  9 A.II.2. 56 

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ter sei dies gemäß §  242 BGB verwehrt, wenn die Voll-Inanspruchnahme zu einer Überdeckung der insolvenzrechtlichen Masse führte und deswegen rechtsmissbräuchlich wäre. 60 Vor dem Hintergrund, dass bereits die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht lediglich auf eine Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens ausgerichtet ist, kommt sodann für den Insolvenzfall keine abweichende Beurteilung mehr in Betracht, sodass auch kein Raum für eine Einschränkung des Regelungsgehalts anhand von §  242 BGB bleibt.

B. Anbindung der Gesellschafter-Exithaftung an die gesellschaftsrechtliche Systematik Normativ lässt sich dieses    – an den Regelungszweck der Gesellschafterhaftung anknüpfende und dem gewandelten Verständnis von der Rechtsnatur und Vermögenszuordnung der Personenaußengesellschaft entsprechende    – Haftungsmodell sowohl gesetzesintern als auch gesetzesübergreifend systematisch anbinden. Nach der gesetzlichen Konzeption ist es originär die oHG, die unter gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit als rechtsfähiger Verband am Rechtsverkehr teilnimmt und Verbindlichkeiten eingehen kann (vgl. §  124 HGB). Dementsprechend fungieren die §§  105 ff. HGB als Ausgangspunkt für die normative Anbindung der personengesellschaftsrechtlichen Haftungsverfassung, wie sie in §  128 HGB zum Ausdruck kommt.61 Der Verweis des §  105 Abs.  3 HGB auf die Vorschriften des BGB zeigt indes, dass die §§  105 ff. HGB lediglich Spezialregelungen für den Betrieb eines Handelsgewerbes in der Rechtsform einer Personenaußengesellschaft darstellen und damit nach der Anerkennung deren Rechtsfähigkeit durch §   14 Abs.   2 BGB hinsichtlich innerer sowie äußerer Struktur lediglich die §§  21 ff., 705 ff. BGB modifizieren oder teilweise sogar nur noch eine klarstellende Funktion einnehmen, wie etwa anhand von §  124 HGB deutlich wird. 62 Dabei macht sich §  105 HGB insbesondere die zwingende So­ zie­tätskonstruktion der §§  705 ff. BGB zu eigen.63 Innerhalb dieser normativen Rahmungen nehmen die §§  120 bis 122 HGB hinsichtlich Bilanzierung und Kontenführung nach dem heute zugrunde zu legenden Verbandsverständnis sodann maßgeblich Bezug auf die in den allgemeinen verbandsrechtlichen Vorschriften der §§  21 ff. BGB verankerten Strukturmerkmale der Mitgliedschaft (§  38 BGB). Aus diesen ergibt sich, dass das Gesellschaftsvermögen auch in der Personengesellschaft gerade nicht der freien Verfügbarkeit unterliegt, sondern 60  OLG Hamm, Uv. 30.3.2007    – 30 U 13/06, juris-Rn.  151 f.; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082 f.); Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  25 ff.; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/ Drüen, HGB, §§  128, 129 Rn.  7; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  57; a. A. Heitsch, ­ZInsO 2003, 692 (696). 61 Vgl. zur geplanten Regelung der persönlichen Haftung in §   721 BGB-E sowie §  126 HGB-E RegE MoPeG, S.  190 f. 62 Vgl. C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  41 f., 63 ff. 63  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a)cc).

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die Gesellschafter lediglich mitgliedschaftlich vermittelt über ihren Kapitalanteil daran teilhaben und signifikanten Entnahmebeschränkungen unterliegen. 64 Ferner ergibt sich aus den §§  105 ff. HGB, dass das Innenverhältnis grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zu Dritten hat. 65 So ist ein Ausschluss von der Gewinnbeteiligung etwa nicht mit einem Haftungsausschluss verbunden. Dieser Grundsatz bedarf allerdings normativer Absicherung, soweit Vereinbarungen des Innenverhältnisses drohen, auf das Außen­ verhältnis durchzuschlagen. Dies zeigt sich maßgeblich im Rahmen der Liquidation der Gesellschaft nach den §§  145 ff. HGB, weil die Gesellschafter dann nach dem gesetzlichen Leitbild zu Nachschüssen in das Gesellschaftsvermögen verpflichtet werden (§  735 BGB), gegen das sich die Forderungen der Gläubiger richten. Wird aber von dem gesetzlichen Leitbild abgewichen, entsteht ein Bedürfnis, die weitreichende personengesellschaftsrechtliche Gestaltungsfreiheit durch zwingende gesellschaftsrechtliche Regelungen zu kompensieren. Dies geschieht durch §  128 HGB; Gesellschafterinteressen finden auf der Durchsetzungsebene durch §  129 HGB Berücksichtigung, indem sich der Gesellschafter auf Einwendungen bzw. Anfechtungslagen der Gesellschaft berufen kann.66 §  129 Abs.  1 bis 3 HGB finden auch bei bloßer Unterdeckungshaftung einen Anwendungsbereich, weil sich in Anbetracht des Einzelverbindlichkeitsbezugs durch diese Regelungen der Umfang der auf den Ausgleich der Unterdeckung gerichteten Einstandspflicht vermindert. Erforderlich ist insoweit aber, dass man im Rahmen der liquidationsrechtlichen Haftungsverwirklichung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens    – anders als nach dem von Karsten Schmidt zu §  93 InsO entwickelten sog. Ausfallmodell    – keine Umwandlung oder Novation der stichtagsbezogen auf Unterdeckung gerichteten Gesellschafterhaftung annimmt. 67 Leitet man die Unterdeckungshaftung der Gesellschafter unmittelbar aus dem Regelungszweck des §  128 HGB ab, wird die Gesellschafterhaftung bloß in Höhe des Unterdeckungsbetrages fällig. 68 Der Haftungs-Istzustand aktualisiert sich gleichzeitig ständig. Vorbehaltlich einer Einwendungspräklu­ sion führen §  129 Abs.  1 bis 3 HGB auf akzessorischer Durchsetzungsebene dazu, dass der Haftungsunterdeckungsbetrag in Höhe bestehender Gesellschaftseinwendungen nicht geltend gemacht werden darf. Flankierend kommt der Regelung des §  110 HGB weiterhin insoweit Modellcharakter zu, dass die Gesellschafter gegenseitig sowie gegenüber der Gesell64 Siehe dazu oben Kap.   1 §  2 A.II.2; vgl. zu den geplanten Regelungen der §§  120–122 HGB-E, 709 Abs.  3 BGB-E RegE MoPeG, S.  160 ff., 282 ff. (S.  82 ff., 168 ff. des Mauracher Entwurfs). 65  Siehe insoweit zur Liquidation oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)dd). 66  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)dd). 67  So wohl hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Haftungsverwirklichung nach §  93 InsO, K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  86; ders., in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35; ablehnend, Oepen, ZInsO 2002, 162 (164 f.); ders., Massefremde Masse, Rn.  65 ff. 68  Siehe dazu Kap.  2 §  5 C., Kap.  2 §  5 D.

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schaft das Regressrisiko zu tragen haben, 69 sodass §  128 HGB unabhängig von der Art der Inanspruchnahme die Funktion einer materiellen Außenhaftung durch die Eröffnung des Haftungszugriffs auf schuldnerfremde Vermögensverbindungen einnimmt.70 Allerdings führt der hier entwickelte Ansatz dazu, dass der Geltungsbereich des §  110 HGB mit Blick auf die Haftungsforderungen nach §  128 HGB neu auszurichten ist.71 Jedenfalls verbleibt der Regelung des §  110 HGB ein maßgeblicher Anwendungsbereich, indem sie bei allen sonstigen Aufwendungen und Verlusten, die in Zusammenhang mit der Gesellschaftssphäre stehen, in denen der Gesellschafter in Gesellschaftsangelegenheiten tätig wird, über die §§  667 ff. BGB hinaus einen Ersatzanspruch gewährt.72 Damit ist §  110 HGB unmittelbarer Ausdruck der getrennten Interessensphären, wie sie in der verbandsrechtlichen Vermögenstrennung sowie der bloßen Ausgleichshaftung zum Ausdruck kommen.

C. Gesetzesübergreifende Legitimation der Gesellschafter-Exithaftung I. Bürgerlich-rechtliche Rahmenbedingungen Schuldrechtlich ergibt sich das hier vertretene Ausfallmodell maßgeblich daraus, dass es unmittelbar lediglich der Personenverband ist, der Schuldner einer Verbindlichkeit wird.73 Die Gesellschafter wirken selbstbestimmt bei der Begründung von Schuldverhältnissen der Gesellschaft mit ihren Gläubigern in keiner Weise individuell mit und die Gesellschaft hat auch keine Berechtigung, die Gesellschafter zu einem Einstehen zu verpflichten. Infolgedessen kommt als maßgeblicher privatautonomer Anknüpfungspunkt für die Gesellschafter lediglich die Beteiligung an der Vereinbarung des gemeinsamen Verbandszwecks als die eigenverantwortliche Unterwerfung unter eine korporative Mehrheitsherrschaft in Betracht.74 Dadurch, dass sich die Gesellschafter über die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks dazu entschieden haben, gerade nicht als natürliche Person am Rechtsverkehr teilzunehmen, bringen sie gleichzeitig zum Ausdruck, dass sie in erster Linie das Gesellschaftsvermögen einem Haftungszugriff unterwerfen möchten und gerade nicht ihre Privatvermögen. Eine nachgelagerte Einstandspflicht der Gesellschafter lässt sich hingegen auf die Gründungentscheidung der Gesellschafter rückbeziehen, weil sich die Gesellschafter für eine Personengesellschaft anstatt für eine juristische Person entschieden haben. Eine entsprechende privatautonome Anbindung ist allerdings nur dann unproblematisch, wenn die Gesellschafter die Personengesellschaft so betreiben, wie dies 69 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.VII.3. Armbrüster, ZGR 38 (2009), 1 (3 f.). 71  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 I. 72 Relativierend, C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  110 Rn.  1. 73  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.3, Kap.  1 §  2 B.II. 74  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 C.V. 70 Vgl.

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nach dem gesetzlichen Leitbild vorgesehen ist. Artikulieren die Gesellschafter demgegenüber ihren Willen abweichend von den gesetzlichen Vorschriften, etwa indem eine Verlustbeteiligung ausgeschlossen wird, be­gegnet eine    – auf einen privatautonomen Entschluss zurückzuführende    – Rechtfertigung der Gesellschafterhaftung Bedenken. Um das Vermögen der Gesellschafter abweichend von der schuldrechtlichen Ausgangslage einem Haftungszugriff zu unterwerfen, bedarf es dementsprechend einer gesetzlichen Anordnung wie §  128 HGB.75 Ausgehend von der schuldrechtlichen Ausgangslage ergibt sich, dass grundsätzlich nicht eine dem Recht der Kapitalgesellschaften entsprechende Beschränkung der Haftung in der Personengesellschaft rechtfertigungsbedürftig ist, sondern deren Anordnung.76 So existiert gerade kein vorrechtlicher Grundsatz der persönlichen Einstandspflicht für Verbindlichkeiten aus der Verbandstätigkeit, vielmehr ist dies ein das positive Recht durchziehender Grundsatz, der wiederum seinerseits zu legitimieren ist.77 Die Reichweite der Gesellschafterhaftung richtet sich daher nach deren rechtlicher Legitimation, die sich danach bestimmt, inwieweit betroffene Gläubigerinteressen angesichts verbandsspezifischer Gefährdungslagen unter Berücksichtigung der Gesellschafterinteressen kompensierungsbedürftig sind.78 Die Gesellschafterhaftung ist in dieser Gemengelage nicht originär schuldrechtlicher Natur; die aufgrund gesetzlicher Anordnung entstehenden Rechtsverhältnisse haben vielmehr einen gesellschaftsrechtlichen Ursprung. Die Einstandspflicht der Gesellschafter lässt sich aber als atypisches gesetzliches Schuldverhältnis qualifizieren.79 II. Abgrenzung der Gesellschafter-Exithaftung zum kapitalschützenden Institut der Existenzvernichtungshaftung Abstrahiert man das hier vorgeschlagene Modell darauf, dass ein Zugriff der Gesellschaftsgläubiger auf die Gesellschaftervermögen nur im Rahmen der verbandsspezifischen Gefährdungslage in Betracht kommt, die sich dadurch kennzeichnet, dass die Gesellschafter kraft verbandsrechtlicher Vereinbarung die Gesellschaft als Rechtssubjekt von innen aushöhlen, erinnert dies an das deliktische Institut der Existenzvernichtungshaftung im Rahmen von §  826 BGB.80 Danach kommt ausnahmsweise unter Durchbrechung des Haftungstrennungsprinzips ein Zugriff auf das Gesellschaftervermögen eines Mitglieds einer Kapi75 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.5. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.4, Kap.  1 §  2 A.I.5.d)dd), Kap.  1 §  2 C.II.4.a). 77  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.I. 78  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II. 79  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.IV. 80  Vgl. BGH, Uv. 16.7.2007    – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246–269 = juris-Rn.  14 ff.; BGH, Uv. 6.11.2018    – II ZR 199/17, juris-Rn.  26 ff.; König, AcP 217 (2017), 611 (678 ff.); G. Roth, Verbandszweck und Gläubigerschutz, §  11 B.III.2.b)aa); zum Verein, Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §  21 Rn.  187 f.; zur PartG mbB, Henssler, PartGG, §  8 Rn.  92 f., 218 ff.; ders., AnwBl 2014, 96 (101 f.). 76 

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talgesellschaft in Betracht, wenn dieses in vorwerfbarer Weise zur Insolvenz der Gesellschaft beigetragen hat und dies zu einem Forderungsausfall eines Gläubigers und damit zu einem Vermögensschaden geführt hat.81 Die Existenzvernichtungshaftung wird von der Rechtsprechung als reine schadensersatzrechtliche Innenhaftung konzipiert, weil sie eine missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens darstelle.82 Aus dieser augenscheinlichen Parallelität des entwickelten Haftungsmodells zu der Figur der Existenzvernichtungshaftung könnte gefolgert werden, dass §  128 HGB letztlich eine spezialgesetzliche Ausprägung sittenwidriger Schädigung sei, was zur Folge hätte, dass aus Gründen der Systemkonformität ein Gleichlauf der Kriterien angezeigt wäre. 83 Dies hätte sodann zur Konsequenz, dass man letztlich auch für die Personengesellschaften vom Grundsatz der Haftungstrennung ausgehen würde. Auf dieses Ergebnis soll die hier aufgestellte These aber keinesfalls hinauslaufen. Vielmehr lässt sich die Gesellschafter-Exithaftung in der Personengesellschaft trennscharf von dem Institut der Existenzvernichtungshaftung abgrenzen. Mit der normativen Anknüpfung der Existenzvernichtungshaftung an §  826 BGB ist es erforderlich, dass den Gläubigern der Gesellschaft vermittelt über das Gesellschaftsvermögen ein Schaden entsteht; erst dann entfaltet der deliktische Tatbestand eine Regelungsanordnung auf der Rechtsfolgenseite. Ferner erforderlich sind „missbräuchliche, zur Insolvenz der Gesellschaft führende oder diese vertiefende ‚kompensationslose‘ Eingriffe in [das zweckgebundene] Gesellschaftsvermögen“.84

Demgegenüber verlangt §  128 HGB nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis keine konkrete Vermögensdisposition der Gesellschafter; vielmehr soll die Vorschrift abstrakt vor solchen Gefährdungslagen schützen. Ferner soll §  128 HGB gerade nicht in eine Innenhaftung umqualifiziert werden, sondern in materiell-rechtlicher Hinsicht eine Außenhaftung bleiben, deren Haftungsabwicklung lediglich zentralisiert durch einen im Fremdinteresse agierenden Drittliquidator vorzunehmen ist. Das „Aushöhlen der Gesellschaft von Innen“, wie es hier zum legitimierenden Anknüpfungspunkt der Gesellschafterhaftung gemacht wurde, 85 ist dabei Wesensmerkmal der personengesellschaftsrecht­ lichen Gestaltungsfreiheit. Anders als bei den Kapitalgesellschaften, die zwingende Kapitalerhaltungsregelungen vorsehen, führt die gemeinschaftliche Vereinbarung des Abzugs von Kapital daher nicht zu einer den §§  30, 31 GmbHG 81  König, AcP 217 (2017), 611 (677 ff.) m. w. N.; zur rechtsfortbildenden Anerkennung der Existenzvernichtungshaftung auf den Verein, Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §  21 Rn.  187 f.; zur PartG mbB, Henssler, PartGG, §  8 Rn.  219. 82  BGH, Uv. 16.7.2007    – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246–269 = juris-Rn.  14 ff. 83  Vgl. BGH, Uv. 16.7.2007    – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246–269 = juris. 84  BGH, Uv. 16.7.2007    – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246–269 = juris-Rn.  16, 24; vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (101 f.). 85  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 E.

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

entsprechenden Schutzlücke im Kapitalschutzregime. Daher kommt es nicht zu einem eine Innenhaftung begründenden Schaden der Gesellschaft, was lediglich reflexhaft eine Benachteiligung der Gläubiger zur Folge hätte. Dementsprechend nimmt die Gesellschafterhaftung des §  128 HGB auch keine deliktische Gestalt an. Ein systemkonformer Gleichlauf der Kriterien ist damit weder gewollt noch angezeigt. Soweit teilweise eine rechtsfortbildende Ausweitung des Instituts der Existenzvernichtungshaftung auf andere Rechtsformen thematisiert wird, deren Haftungsstruktur nicht von einem normativen Kapitalschutzsystem geprägt ist    – so beim Verein und der PartG mbB    –, 86 sind diese Über­ legungen ebenfalls nicht allgemein auf die Personenaußengesellschaft zu übertragen, weil dort zwar auch zweckgebundenes und haftungsunterworfenes Gesellschaftsvermögen eigentlich für den Gläubigerzugriff reserviert ist, die Gläubigergesamtheit dort aber angesichts der Gesellschafterhaftung zu gemeinschaftlichem Kapitalabzug befugt ist. Auch in der Personenaußengesellschaft ist es hingegen denkbar, dass die Gesellschafter neben ihrer Einstandspflicht nach §  128 HGB einen deliktischen Tatbestand vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Sinne des §  826 BGB erfüllen, etwa im Rahmen der Vollstreckungsvereitelung.87 Bereits über die deliktische Haftung der Gesellschafter nach §  826 BGB kann daher das verbandsspezifische Risiko des missbräuchlichen Kapitalabzugs abgemildert werden, dies jedoch angesichts der strengen Tatbestandsmerkmale nur teilweise.88 Denkbar wäre es, neben §  128 HGB im Rahmen von §  826 BGB eine allgemeine verbandsrechtliche Fallgruppe für gemeinschaftliche Vereinbarungen der Gesellschaftergesamtheit anzunehmen, aufgrund derer diese derart kompensa­ tionslos in das zweckgebundene Gesellschaftsvermögen eingreifen, welches bereits funktional den Gesellschaftsgläubigern zugewiesen ist, wenn diese vorsätzlich zur Insolvenz der Gesellschaft führen.89 Der damit einhergehende Kapitalschutz, welcher nicht bei jeder Kapitalentnahme greifen würde,90 ist angesichts der strengen Tatbestandsvoraussetzungen des §  826 BGB sowie der Qualifizierung als bloße Innenhaftung nicht geeignet, an die Stelle des §  128 HGB zu treten.

86  Vgl. zum Verein, Leuschner, in: MüKoBGB, Vor §  21 Rn.  187 f.; zur PartG mbB, Henssler, AnwBl 2014, 96 (102); Henssler, PartGG, §  8 Rn.  92 f., 218 ff. m. w. N., 222; Lieder, NotBZ 2014, 81 (85); a. A. Korch, NZG 2015, 1425 (1428 f.); C. Schäfer, in: MüKoBGB, PartGG §  8 Rn.  52. 87 Vgl. G. Wagner, in: MüKoBGB, §  826 Rn.  159. 88  Vgl. zur PartG mbB, Henssler, AnwBl 2014, 96 (101 f.). 89  Dem Institut der Existenzvernichtungshaftung ein allgemeines „Institut des Verbandsrechts“ für „haftungsbeschränkte“ Rechtsformen entnehmend, Henssler, AnwBl 2014, 96 (102); Tröger/Pfaffinger, JZ 2019, 812 (820). 90 Vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (101 f.), der auf Konstellationen abstellt, in denen bei unterstellter Bilanzierungspflicht, eine Rückstellung zu bilden wäre.

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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III. Teilweiser Vollzug des Paradigmenwechsels durch die InsO Gesetzlich übergreifend zeigt sich das gewandelte Verständnis von Rechtsnatur und Haftungsverfassung der Personengesellschaft spätestens mit Einführung der InsO und der damit verbundenen Anerkennung der Insolvenzfähigkeit der Personenaußengesellschaften durch den Gesetzgeber. Anhand dieser lassen sich Rückschlüsse auf die gesellschaftsrechtliche Beurteilung ziehen, ohne dass sich diese unmittelbar aus dem Insolvenzregime ergeben. Vielmehr lässt sich anhand der InsO nachvollziehen, welche gesellschaftsrechtlichen Grundannahmen den Neuregelungen zugrunde zu legen sind. Dabei wird allerdings auch deutlich, dass die InsO den vollzogenen Paradigmenwechsel allein nicht bewältigen kann insbesondere dann, wenn das insolvenzrechtliche Regime verlassen werden muss, etwa bei Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse. Maßgeblich an der Schnittstelle zum Insolvenzverfahren sind Rückkopplungen des insolvenzrechtlichen Regimes auf die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften erforderlich. „[Als] Kind der Insolvenzrechtsreform […] versteht sich [§  93 InsO zwar] als Ausdehnung der fast 100 Jahre älteren Regelung über die Kommanditistenhaftung in der Insolvenz (§  171 Abs.  2 HGB) auf die unbeschränkte Haftung [der Gesellschafter]“.91

Aus dem gesetzesübergreifenden Zusammenspiel der §§  105 ff. HGB mit dem §  93 InsO ergibt sich allerdings ein Paradigmenwechsel, der sich in einer konsequenten Vermögenstrennung zeigt. 1. Verhältnis von Gesellschafts- und Insolvenzrecht im Rahmen (besonderer) Liquidation Die methodische Vorgehensweise, parallel zu einer von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft sowie von Sinn und Zweck des §  128 HGB ausgehenden Argumentation, auch von Regelungen des Insolvenzrechts auf gesellschaftsrechtliche Grundlagen zu folgern, ist zulässig, weil das Insolvenzrecht zwar aus dem allgemeinen Zivilrecht entkoppelt ist,92 aber damit auch Rückkopplungen auf die zugrunde liegenden Annahmen möglich bleiben. So lässt sich anhand des Insolvenzrechts der Anpassungsbedarf an gewandelte recht­ liche Vorstellungen dokumentieren. Es ist die wirtschaftsrechtliche Ordnungsfunktion des Insolvenzrechts,93 die für den Fall, dass ein Wirtschaftsakteur zahlungsunfähig wird, das Abwicklungsregime im Interesse der Gläubigergesamtheit überlagert, ohne gleichzeitig an die Stelle der gesellschaftsrechtlichen Regelungen zu treten. Mit Blick auf diese Ordnungsfunktion kommen umgekehrt keine insolvenzrechtlichen Eingriffe in Gesellschaftsrechte ohne das Vor91 

K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (184). RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  140. 93  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  74 f.; vgl. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  343. 92 

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

liegen materieller Insolvenz in Betracht.94 Zur Gewährleistung gesetzesübergreifender Wertungsgleichheit ist das Insolvenzverfahren nach vorzugswürdiger Auffassung als besonderes Liquidationsverfahren zu qualifizieren, an welches sich    – vorbehaltlich einer Freigabe    – kein gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren mehr anschließt.95 In diesem besonderen Liquidationsverfahren finden die gesellschaftsrechtlichen Regelungen dem Grunde nach soweit Anwendung, wie das Insolvenzrecht keine abweichenden Vorschriften vorsieht. Nur die Haftungsverwirklichung durch den Insolvenzverwalter ist normsystematisch daher eine insolvenzrechtliche; über den Haftungsumfang unter Insolvenzbedingungen hat das Gesellschaftsrecht zu entscheiden. Folglich beanspruchen auch die Regelungen der §§  705 ff. BGB sowie der §§  105 ff. HGB weiterhin Geltung. Dies schlägt sich sowohl in der Anwendung des §  735 BGB sowie der Vermögenstrennung auch während des Insolvenzverfahrens nieder.96 Insoweit kommt keine Überlagerung des materiellen Gesellschaftsrechts durch das Insolvenzrecht in Betracht. Zum Ausdruck kommt dies in der Notwendigkeit der kontenmäßigen Bildung von Sondervermögensverbindungen, weil die auf die Gesellschaftervermögen gerichteten Haftungsforderungen nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst sind.97 Konsequenterweise ist im Rahmen eines Insolvenzverfahrens an §  735 BGB sodann allerdings der gleiche teleologische Maßstab anzulegen wie an §  128 HGB, wenn es um die Inanspruchnahme für Masseverbindlichkeiten geht.98 Geht man parallel dazu    – entsprechend den Erwägungen zu §  128 HGB    – von einem Ausfallmodell im Rahmen von §  93 InsO aus, verbleibt demgegenüber mit Blick auf die Gesellschafterhaftung für §  110 HGB kein Anwendungsbereich in der Insolvenz; erst im Rahmen eines gegebenenfalls durchzuführenden Innenausgleichs findet die Regelung im Rahmen der Schlussabrechnung Berücksichtigung.99 Problematisch wäre es mit Blick auf die Ordnungsfunktion des Insolvenzregimes, wenn zu viele Verfahrenseröffnungen mangels Masse abgelehnt würden    – wie dies etwa unter der Konkursordnung der Fall war    – und die Gläubigerbefriedigung einer ungeordneten Liquidation überlassen würde.100 Daran anknüpfend stellt sich die Frage, inwieweit auch unter der geltenden InsO in Konstellationen, in denen die Verfahrenseröffnung mangels Masse nach §  26 InsO abgelehnt wird, ein vergleichbarer Funktionsverlust droht. Problematisch ist es insbesondere, wenn eine Verfahrenseröffnung abgelehnt wird, obwohl 94  Vgl. zum Verlust von Minderheitenrechten durch Umwandlung in eine AG aufgrund eines Insolvenzplans, BGH, Bv. 17.7.2014    – IX ZB 13/14, BGHZ 202, 133–150 = juris-Rn.  6 ff.; BVerfG, Bv. 18.12.2014    – 2 BvR 1978/13, juris-Rn.  12 ff.; Westermann, NZG 2015, 134. 95  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)aa); vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  145 Rn.  15. 96  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a). 97  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd). 98  A. A. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  150 ff., 176 ff. 99  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 I. 100  Vgl. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  72.

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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noch ausreichend Gesellschaftskapital vorhanden ist, nur weil dieses nicht in liquider Form vorhanden ist. Mit Blick auf die Genese der InsO, wonach    – gegenüber der Konkursordnung    – maßgeblich der Abweisung von Anträgen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse entgegengewirkt werden soll,101 ist zu untersuchen, inwieweit die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen jedenfalls zu Verfahrenskostenvorschüssen herangezogen werden können, ohne dass damit letztendlich auch eine Einstandspflicht für diese Kosten verbunden wäre.102 Auf diese Weise könnte der Abweisung von Anträgen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse zwar entgegengewirkt werden, verhindert werden können diese aber nicht. Einer abweichenden Behandlung des sodann durchzuführenden masselosen Liquidationsverfahrens gegenüber dem Insolvenzverfahren könnte mit einer Ausstrahlung insolvenzrecht­ licher Garantien zu begegnen sein.103 Insoweit besteht ein maßgeblicher Unterschied der Liquidationsregime mit Blick auf die Tragung der Verfahrenskosten. So wird nach überwiegender Auffassung davon ausgegangen, dass sich aus den §§  26, 207 InsO ergebe, dass die Kosten für das Insolvenzverfahren ­lediglich aus der Schuldnermasse zu begleichen sind und eine Haftung der Gesellschafter für Verfahrenskosten ausscheide.104 Demgegenüber haften die Gesellschafter für die Kosten der masselosen Liquidation grundsätzlich gemäß §  128 HGB. 2. Haftungsrechtlicher Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung Bezogen auf das Vermögen des Insolvenzschuldners ist das Insolvenzrecht stichtagsbezogen die Weichenstellung zur Gesamtvollstreckung im Interesse der Gläubigergleichbehandlung. Der Regelungszweck des §  128 HGB hat demgegenüber zur Folge, dass bereits die Gesellschafterhaftung selbst als Ausfallhaftung im Interesse der Gläubigergleichbehandlung der Gesamtvollstreckung zu unterwerfen ist.105 So unterliegt bereits während des werbenden Stadiums der Gesellschaft lediglich das Gesellschaftsvermögen der Einzelvollstreckung. Hinsichtlich der Gesellschafterhaftung hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens damit keine Modifizierung der Haftungsabwicklung zur Folge, sie führt lediglich dazu, dass die Gesellschafterhaftung überhaupt erst zu realisieren ist.

101 

RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  85, 139 f. Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 E. 103  Siehe dazu aber unten Kap.  3 §  7 D. 104  Vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  25; BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  11; Smid, DZWIR 2011, 45 (46 ff.). 105  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.5. 102 

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

3. Vermögenszuordnung und Haftungsverwirklichung im eröffneten Insolvenzverfahren Im eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft ist lediglich diese Insolvenzschuldnerin. Im Zusammenspiel mit §  93 InsO folgt daraus, dass die Gesellschaftervermögen über §  128 HGB nicht Teil der Masse werden können und, dass zur Realisierung der Gesellschafterhaftung Vermögenssonderungen vorzunehmen sind, auf die in dem Umfang zurückgegriffen werden kann, wie die Insolvenzmasse eine Unterdeckung aufweist.106 Dies ist Abbild des vollzogenen Paradigmenwechsels, wonach auf die Gesellschaftervermögen nur zugegriffen werden kann, wenn das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gläubigerforderungen nicht ausreicht.107 Ein entsprechender Maßstab ist für die dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB anzulegen.108 Hinsichtlich der Haftungsverwirklichung während des Insolvenzverfahrens entspricht dies im Wesentlichen dem von Karsten Schmidt entwickelten sog. Ausfallmodell, wonach §  93 InsO dafür sorge, dass die Haftung gemäß §  128 HGB    – ungeachtet des Umstandes, dass sie weiterhin materiell-rechtliche Außenhaftung ist109    – wie eine Innenhaftung abgewickelt wird, dass die auf Einzelverbindlichkeiten der Gesellschaft bezogene Haftung nach §  128 HGB „bei dieser Form der Geltendmachung Züge einer Verlustausgleichshaftung für fehlende Deckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten aus der Vor-Insolvenzperiode annimmt“

und dass dieser Verlustausgleich vom Insolvenzverwalter des Insolvenzschuldners geltend gemacht wird, als gehöre er zur Masse.110 Anders als nach diesem Ansatz findet nach dem hier entwickelten Modell indes mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Umwandlung der Haftungsforderungen statt, sondern, diese werden lediglich in Höhe der Unterdeckung fällig.111 a) Stichtagsbezogene Beschränkung der Einstandspflicht auf Altverbindlichkeiten Vor dem Hintergrund, dass die Gesellschafter während des eröffneten Insolvenzverfahrens angesichts der Sperrwirkung des §  93 InsO weder Einfluss auf die Gesellschaftstätigkeit ausüben können,112 noch aus einer solchen mitgliedschaftlich vermittelt einen Nutzen ziehen, kommt eine Einstandspflicht für 106 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)aa). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 E. 108  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 109  Siehe dazu oben Kap.   1 §  2 C.III; vgl. U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  497. 110  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (175). 111  Siehe dazu unten Kap.  2 §  5 D; vgl. K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (175); ders., in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35. 112  Vgl. BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  16. 107 

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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Neuverbindlichkeiten nicht in Betracht.113 Aus Sicht der Gläubiger wird dieses Haftungsdefizit durch eine Haftung des Insolvenzverwalters bzw. der eigenverwaltenden Geschäftsleiter ausgeglichen.114 Es ist Aufgabe der im Fremdinteresse agierenden Drittliquidatoren, verantwortungsvoll mit der Masse umzugehen und diese anzureichern. Anknüpfend an die Einflussnahmemöglichkeit findet eine Haftung der Gesellschafter für während des Vorverfahrens begründete Verbindlichkeiten nicht statt, wenn ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt ist, weil den Gesellschaftern ein dem §  93 InsO entsprechendes Verfügungsverbot auferlegt ist.115 Im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung trifft die Geschäftsleiter zwar gemäß §§  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3, 60, 61 InsO eine Haftung,116 sodass ein Haftungsausschluss nach dem Erfordernis der Tätigkeit im eigennützigen Interesse naheliegt,117 allerdings sind die Geschäftsleiter erst mit Verfahrenseröffnung ausschließlich den Interessen der Gläubigergesamtheit verpflichtet. Erst mit Verfahrenseröffnung ist eine verbindliche Entscheidung über das einschlägige Verfahrensregime sowie die insolvenzrecht­ liche Vollbeendigung gefallen; so kommt etwa auch noch eine Abweisung der Verfahrenseröffnung mangels Masse in Betracht, welche die Abwicklung außerhalb des Insolvenzregimes zur Folge hat. b) Aus der Ermächtigungswirkung folgende relative Gläubigergleichbehandlung Mit Blick auf eine Ausfallhaftung der Gesellschafter erscheint es problematisch, dass sich nach herrschender Auffassung die Ermächtigungswirkung des §  93 InsO zugunsten des Insolvenzverwalters    – anderes als die Sperrwirkung    – lediglich auf angemeldete Gläubiger erstreckt, weil sich seine Aufgabe der Befriedigung der Gläubiger nur auf die am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger beschränkt.118 Gleichzeitig erfasst die Ermächtigungswirkung die Befugnis des Insolvenzverwalters, sich mit den Gesellschaftern zu vergleichen, dies wiederum jedoch ausschließlich bezüglich solcher Forderungen, die von den Gläubigern angemeldet wurden.119 Diese Reichweite der Ermächtigungswirkung steht in Widerspruch zu dem Gedanken der allgemeinen haftungsrechtlichen Gläubigergleichbehandlung. Problematisch könnte es sein, dass die Vergleichsbefugnis der Ermächtigungswirkung des §  93 InsO folgt und es zu einem Auseinander-

113 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1. Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.c). 115  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.b); vgl. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  583 116  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.c). 117  BGH, Uv. 26.4.2018    – IX ZR 238/17, juris-Rn.  10 ff. 118  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b); BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  16 f., 22, 27; S. Krüger, NZI 2002, 367 (369 f.); a. A. unter Annahme eines Forderungsübergangs, Heitsch, ZInsO 2003, 692 (695). 119  BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  2 2 ff.; S. Krüger, NZI 2002, 367 (369 ff.). 114 

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

fallen mit der Sperrwirkung kommt.120 Mit Blick auf das Haftungsverständnis zu §  128 HGB könnte ein Gleichlauf von Sperr- und Ermächtigungswirkung erforderlich sein; ebenfalls könnte ein Bedürfnis bestehen, die Ermächtigungswirkung auf alle bekannten Forderungen zu erstrecken. Die Gläubigergleich­ behandlung während des Insolvenzverfahrens ist vor diesem Hintergrund bloß relativ, weil sie eine vorherige Anmeldung in dem Insolvenzverfahren voraussetzt. Als besonderes Liquidationsverfahren dient das Insolvenzverfahren der Abwicklung sowie der Vorbereitung der Vermögenslosigkeit. Zwar existiert kein Sperrjahr, jedoch könnte dem Insolvenzverfahren eine §  51 BGB entsprechende Befriedungsfunktion zukommen. Wird eine Forderung nicht angemeldet und bleibt diese damit unbekannt, hat dies zur Folge, dass der Insolvenzverwalter weder Nachschüsse nach §  735 BGB zur Masse einfordern kann, noch dass ein Verlustausgleich gemäß §  128 HGB zu realisieren ist.121 Insoweit ist es problematisch, dass offene Verbindlichkeiten einer Vollbeendigung des Personenverbandes entgegenstehen.122 Zwar führt die Nichtanmeldung einer Forderung nicht zu deren materiell-rechtlichen Erlöschen, allerdings wird sie einerseits nicht fällig, weil sie nicht in die stichtagsbezogene Forderungsaufstellung zur Ermittlung der Unterdeckung einfließt und andererseits kommt ein Er­ löschen der Forderung im Rahmen eines Insolvenzplans zu Lasten sich nicht meldender Gläubiger in Betracht. Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle ist damit als eine Obliegenheit zu qualifizieren, deren Nichtbeachtung ohne Einwirkungsmöglichkeit den Verlust der eigenen Forderung zur Folge haben kann. Angesichts dieser Interessenlage ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend §  50 BGB bekannt zu geben. IV. Materielle Innenhaftung im Recht der Kapitalgesellschaften Der Vergleich zum Kapitalgesellschaftsrecht zeigt, dass dort regelmäßig eine Innenhaftung angeordnet wird.123 Dies gilt etwa sowohl im Rahmen des Vertragskonzerns nach §  302 AktG, der die Innenhaftung der Konzernmutter gegenüber der Gesellschaft regelt,124 als auch im Rahmen der Vor-GmbH.125 Kraft gesetzlicher Anordnung wird in diesen Konstellationen das auf den Rechtsträger bezogene Haftungstrennungsprinzips durchbrochen. Kennzeichnend ist dabei, dass die Gesellschafter im Unterschied zu §  128 HGB regelmäßig nicht gesamtschuldnerisch, sondern quotal einzustehen haben.126 Lediglich bei der 120  Vgl. BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  17, 22, 27; vgl. S. Krüger, NZI 2002, 367 (369 f.). 121 Vgl. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  178. 122  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc). 123  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.IV. 124  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (173 ff., 175); ders., ZGR 12 (1983), 513 (516 ff.). 125  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.IV. 126  BGH, Uv. 16.1.2006    – II ZR 65/04, BGHZ 165, 391–402 = juris-Rn.  10 ff.

§  4 Auslegung des §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

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Partenreederei gemäß §  507 Abs.  1 HGB a. F.127 sowie in einzelnen Konstella­ tionen bei der GbR wird hinsichtlich Rechtsformen, die von persönlicher Haftung der Gesellschafter gekennzeichnet sind, eine bloß quotale Haftung angenommen.128 Im verbandsrechtlichen Ausgangspunkt könnte man erwägen, dass mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Personenaußengesellschaften die Haftung vergleichbar zu den Kapitalgesellschaften zu gestalten ist. So könnte man argumentieren, dass die Kapitalerhaltung der juristischen Personen des Handelsrechts letztlich die gleiche materiell-rechtliche Ausrichtung aufweist, wie die insolvenzrechtliche Masseerhaltung in der Personengesellschaft, wobei fehlende Vorschriften über Stamm- bzw. Mindestkapital über eine Ausweitung des Haftungsvolumens durch Hinzuziehung der Gesellschafterprivatvermögen bei strikter Trennung von der Masse des Insolvenzschuldners kompensiert werden. Demgegenüber ist eine Innenhaftung bereits mit dem Wortlaut des §  128 HGB unvereinbar, weil dieser von einer Haftung gegenüber den Gläubigern spricht. Der entscheidende Unterschied der beiden Rechtsformgruppen liegt darin, dass die Rechtsformen der juristischen Personen des Handelsrechts auf eine „Haftungsbeschränkung“ kraft Eintragung abzielen, verbunden mit einem mehr oder weniger gesicherten Stammkapital. Seit Aufgabe des Vorbelastungsverbots gehen die Innenhaftungsansprüche bei diesen Gründungsverbänden mit Eintragung auf die personenidentische „haftungsbeschränkte“ Rechtsform über. Umgekehrt wandelt sich mit Aufgabe der Eintragungsabsicht nach vorzugswürdiger Auffassung die Innenhaftung in eine Außenhaftung um.129 Die Bezugsgröße des der Gesellschaft zugeordneten Stammkapitals rechtfertigt es, dieser den Ausgleichsanspruch gegen die Gesellschafter zuzuerkennen, weil die Gesellschaft mit Blick auf das Stammkapital im eigenen Interesse tätig wird. Lediglich reflexhaft kommt der Erhalt des Stammkapitals den Gläubigern zu Gute. Demgegenüber stehen die Ansprüche aus §  128 HGB den Gesellschaftsgläubigern zu, sodass die Geltendmachung auch in deren Interesse zu erfolgen hat. Eine Inanspruchnahme der Gesellschafter durch die Gesellschaft liefe dem zuwider, weil diese im Rahmen einer Innenhaftung im Eigeninteresse agieren würde. Eine Vorbelastungshaftung, die man analog zum Recht der Kapital­ gesellschaften zum Leitbild für die persönliche Gesellschafterhaftung machen könnte, gibt es mangels eines Stammkapitals bzw. damit korrespondierenden Kapitalerhaltungsregeln sowie darauf bezogener Gesellschaftsinteressen nicht. Im Umkehrschluss kommt eine Innenhaftung für die Personenverbände nicht in Betracht. So würde eine echte Innenhaftung schließlich zu einer Vermi127 

Geändert durch Artikel  1 G. v. 20.4.2013 (BGBl. I S.  831). Uv. 21.1.2002    – II ZR 2/00, BGHZ 150, 1–6 = juris-Rn.  11 ff.; C. Schäfer, Gutachten E zum 71. DJt, E 75, 79 f.; vgl. aber Begr. zu §  721 BGB-E RegE MoPeG, S.  190 f., die insoweit lediglich auf die Möglichkeiten stillschweigender Vereinbarung oder ergänzender Vertragsauslegung verweist. 129  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.IV. 128  BGH,

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

schung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern führen, die seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit sowie daraus resultierender Vermögenstrennung zu vermeiden ist. Darüber hinaus ist maßgeblich hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts der Haftung zu unterscheiden. Während die Außen­ haftung nach §  128 HGB mit jeder Verbindlichkeit entsteht, indem der Haftungs-Istzustand aktualisiert wird, entsteht eine Innenhaftung demgegenüber erst in dem Zeitpunkt der Eintragung, weil nunmehr die Vorbelastungshaftung endet    – das heißt nicht mehr durch weitere Neuverbindlichkeiten erweitert wird.130 Aus dem Umkehrschluss zum Recht der Kapitalgesellschaften ergibt sich damit, dass die aus Sinn und Zweck des §  128 HGB folgende Ausfallhaftung der Gesellschafter nicht durch eine Innen-, sondern nur durch eine Außenhaftung zu realisieren ist, die sich in materiell-rechtlicher Hinsicht von einer echten Innenhaftung dadurch unterscheidet, dass es die Gesellschafter sind, die das gegenseitige Ausfallrisiko sowie das der Gesellschaft tragen müssen. Im Rahmen einer Innenhaftung würde das Ausfallrisiko demgegenüber teilweise auf die Gläubiger verlagert. Dadurch, dass die Gesellschafterhaftung aber nicht dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip folgen darf, kommt nur eine Geltendmachung der Gesellschafterhaftung im Interesse der Gläubigergesamtheit in Betracht. Die Regelung des §  93 InsO zeigt, wie ein Außenverhältnis in ein Innenverhältnis verkehrt werden kann. Für das masselose Liquidationsverfahren ist eine vergleichbare Geltendmachung durch einen Drittliquidator denkbar, dessen Pflichtverletzungen wiederum schadensersatzbewährt sein könnten, wie dies im Rahmen von §  53 BGB oder §§  60, 61 InsO angeordnet ist.

§  5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung Die Arbeitsthesen über die Haftungsverfassung der Personenaußengesellschaft lauten damit, dass die persönliche Gesellschafterhaftung stets eine in das (besondere) Liquidationsverfahren verlagerte Ausfallhaftung ist. Die Verbindung mit der Liquidation des Personenverbandes führt dazu, dass die Gesellschafterhaftung als „Exithaftung“ bezeichnet werden kann. Sie ist das Resultat der Annahme, dass die Gesellschafter im Interesse der Gläubigergesamtheit das Risiko der Belastung der Gesellschaft mit Verbindlichkeiten zu tragen haben, angesichts des Regelungszwecks des §  128 HGB aber nicht unmittelbar und primär in Anspruch genommen werden dürfen. In Anbetracht der aus der Rechtssubjektivität folgenden Vermögenstrennung ist es nicht bereits das bloße wirtschaftliche Versagen des Personenverbandes, welches eine Inanspruchnahme der Gesellschafter rechtfertigt, sondern dessen scheidende rechtliche Existenz. 130 

K. Schmidt, ZIP 1996, 353 (355).

§  5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung

383

Dementsprechend führt auch noch nicht das bloß erfolglose Beitreiben der Gesellschaftsforderung zur Einstandsplicht der Gesellschafter, weil damit die Gläubigeransprüche noch nicht ernsthaft gefährdet sind, sondern der Eintritt in das (besondere) Liquidationsstadium, welches regelmäßig mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft bzw. mit dessen Ablehnung mangels Masse einhergeht. §  93 InsO stellt in dieser Gemengelage keine Einschränkung der gesellschaftsrechtlichen Haftungsanordnung nach §  128 HGB dar, vielmehr verkörpert die Vorschrift das kompetenzielle Abwicklungsregime durch den Insolvenzverwalter bei Vorliegen der Tatbestands­ voraussetzungen aus §  128 HGB. Die Exithaftung ist nicht mit einer Einrede der Vorausklage vergleichbar. Vielmehr bedarf die Geltendmachung der Gesellschafterhaftung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sowie einer Anmeldung der Forderung zu diesem Verfahren.

A. Haftungsvolumen: Gläubigerschutz durch Vollwertigkeitsgarantie Die Gesellschafter-Exithaftung im Personenverband ist vor dem Hintergrund des Regelungszwecks nach dem Befund der Untersuchung auf den Ausgleich der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens beschränkt. Der Gläubigerschutz verlangt lediglich ein garantiertes Haftungsvolumen.131 Dabei ist die Vermögenstrennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen strikt aufrechtzuerhalten. Eine Vollwertigkeitsgarantie ist dadurch zu realisieren, dass die Summe von Schuldner-Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen als garantiertes kumuliertes Zugriffsvolumen dem Gläubigerzugriff funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – zugewiesen wird. Die Gesellschafter-Exithaftung wird als Kontokorrent behandelt, welches sukzessive anwächst und wieder abschmilzt. Gegenüber dem Verständnis der herrschenden Meinung erfährt die Gesellschafterhaftung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Unterscheidung hinsichtlich des Haftungsvolumens, sondern lediglich in der Art der Haftungsabwicklung.

B. Haftungsrichtung: In ein dem Interesse der Gläubigergesamtheit verpflichtetes Innenverhältnis verlagerte materielle Außenhaftung Eine Gesellschafter-Exithaftung stellt nicht grundsätzlich das System der Außenhaftung in Frage. Die Einstandspflicht der Gesellschafter ist vielmehr unter allen Umständen in materiell-rechtlicher Hinsicht als Außenhaftung zu qualifizieren.132 Die Einstandspflicht der Gesellschafter wirkt während des werben-

131 

132 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.a). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III, Kap.  1 §  3 B.II.

384

Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

den Stadiums der Gesellschaft weiterhin präventiv,133 während das Abwicklungsregime im Interesse der Gläubigergesamtheit in das (besondere) Liquida­ tionsstadium verlagert wird. Anders als die kapitalgesellschaftsrechtliche Innenhaftung führt eine Exithaftung nicht zu einer Vermischung der Ver­ mögensverbindungen.134 Die Qualifikation der Außenhaftung als primäre Einstandspflicht stellte sich hingegen in Widerspruch zu der privatautonomen Entscheidung, einen Personenverband zu gründen; die Gesellschafter haben sich gerade dazu entschlossen, im Rechtsverkehr nicht gemeinschaftlich als Privatpersonen zu agieren und damit korrespondierend als solche verpflichtet zu werden. Die Beachtung der Vermögenstrennung hat zur Folge, dass das haftende Gesellschaftsvermögen über §  128 HGB nicht in Form von Verlustdeckungsoder Nachschusspflichten erweitert wird; diese ergeben sich lediglich aus §  735 BGB.135 Ist bei nicht hinreichendem Gesellschaftsvermögen ein Insolvenzverfahren einzuleiten bzw. bei Ablehnung mangels Masse gemäß §  26 InsO ein masseloses Liquidationsverfahren durchzuführen, bleibt es bei einer strikten Trennung der Vermögensverbindungen,136 sodass im eröffneten Insolvenzverfahren für die nach §  93 InsO einzuziehenden Forderungen gemäß §  128 HGB Sondervermögensverbindungen zu bilden sind.137 Etwas anderes gilt, soweit der Gesellschaft Ansprüche gemäß §  735 BGB zustehen; diese sind im Interesse der Masseanreicherung vorrangig geltend zu machen.138 Die zentralisierte Geltendmachung der Gesellschafterhaftung in einem (besonderen) Liquidationsverfahren hat zur Folge, dass den Gläubigerinteressen durch einen notwendigen Drittliquidator in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird. Dabei handelt es sich insbesondere nicht um eine mit Blick auf den Rechtsverkehr unzulässige Risikoverlagerung, weil sich das quotale Ausfallrisiko zwar zu Lasten einzelner Gläubiger verschiebt, dies jedoch im Interesse der Gläubigergesamtheit, indem das garantierte Haftungsvolumen gleichmäßig auf diese verteilt wird.

C. Stichtagsbezogene Haftungsfälligkeit Die Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB ist eine gesetzliche, sie knüpft aber an die privatautonome Entscheidung der Gesellschafter an, Mitglied einer Personenaußengesellschaft zu sein und durch diese in organisationsrechtlicher Verbundenheit am Rechtsverkehr teilzunehmen.139 Bereits mit Konstituierung als Verband unterliegen die Gesellschafter kraft gesetzlicher Anordnung dem­ 133 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.4. Siehe dazu oben Kap.  2 §  4 C.II. 135  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2, Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 136  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)cc). 137  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd). 138  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb); a. A. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  174 f. 139  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II.5, Kap.  1 §  2 C.III, Kap.  1 §  2 C.IV. 134 

§  5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung

385

zufolge einem Haftungs-Istzustand, welchen die Gläubiger im Rahmen eines Rechtsgeschäfts mit der Gesellschaft privatautonom einpreisen können.140 Insoweit dient die Gesellschafterhaftung dem Kredit der Personengesellschaft.141 Angesichts des Einzelverbindlichkeitsbezugs des §  128 HGB wird dieser Haftungs-Istzustand mit jeder einzelnen Gesellschaftsverbindlichkeit aktualisiert. Maßgeblich ist insoweit die Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit; mit dieser wird die Rechtsgrundlage für die Einstandspflicht der Gesellschafter gelegt, auf die der Rechtsverkehr vertraut. Ungeachtet einer Lösung des mitgliedschaftlichen Bandes findet dieses Vertrauen Anerkennung, indem §  160 HGB eine gesellschaftsrechtliche Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter anordnet.142 Fortbestehende Haftungsvoraussetzung bleibt in Anbetracht der tatbestandlichen Voraussetzungen des von §  128 HGB angeordneten atypischen gesetzlichen Schuldverhältnisses aber der Fortbestand des Verbandes, gegenüber dem die Verbindlichkeit besteht.143 Die Qualifikation als Gesellschafter-Exithaftung führt ungeachtet dieser Haftungsentstehung aber dazu, dass die Forderungen gegen die Gesellschafter als Kontokorrent erst mit der Liquidation der Personenaußengesellschaft fällig werden. Dies gilt unabhängig von der Art der Verbindlichkeit als rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Gesellschaftsverbindlichkeit. Entgegen dem von Karsten Schmidt entwickelten sog. Ausfallmodell zur insolvenzrechtlichen Haftungsverwirklichung nach §  93 InsO findet keine materielle Umwandlung oder Novation der durch den Drittliquidator geltend zu machenden Haftungsforderungen statt,144 sodass nach dem hier vertretenen Ansatz keine neue Einheitsforderung begründet wird. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat lediglich Auswirkungen auf den Umfang, der durch einen notwendigen Dritt­ liquidator im Interesse der Gläubigergesamtheit zentralisiert geltend zu machenden gesellschaftsrechtlichen Haftungsfälligkeit. Entsprechend der zu §  45 InsO geführten Diskussion, bei der es um die Frage einer materiellen Umwandlung einer nach dieser Vorschrift zur Tabelle festgestellten und umgerechneten Forderung geht, hat das gesamtvollstreckungsrechtliche Regelungsre­gime der InsO grundsätzlich keine gegenständlichen Auswirkungen auf den materiellen Forderungsbestand.145 Die Verfahrenseröffnung betrifft weder die dingliche Zuordnung der Forderungszuständigkeit noch deren Inhalt. Entsprechende Wirkungen folgen entweder unmittelbar aus §  128 HGB oder sind Folge 140 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.2. 142  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c), Kap.  1 §  3 B.III.1; vgl. -Rn.  29 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 HGB Rn.  50. 143  Siehe dazu oben Kap.   1 §  2 B.II.1.c)cc); vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 HGB Rn.  57 144 Vgl. K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (175); ders., in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35. 145 Vgl. Bitter, in: MüKoInsO, §  45 Rn.  42. 141 

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Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

der Wahrnehmung von Verwalterkompetenzen, dem diese etwa nach den §§  80, 92, 93 InsO zugewiesen sind. Die von §  129 HGB angeordnete Durchsetzungsakzessorietät146 ist im Rahmen dieses Haftungskontokorrents dadurch zu verwirklichen, dass solche Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern nicht in die Unterdeckungs­ berechnung miteinfließen, gegenüber denen der Gesellschaft Einwendungen zustehen bzw. hinsichtlich derer sie Gestaltungsrechte ausüben könnte.147

D. Liquidationsrechtliche Umwandlung des insolventen Personenverbandes in eine Abwicklungsgesellschaft sui generis („haftungsbeschränkt“) Regelungszweck des §  128 HGB ist es, im Interesse der Gläubigergesamtheit eine Vollwertigkeitsgarantie für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten verwirklichen, die in einem Stadium der Gesellschaft begründet werden, im Rahmen dessen die Gesellschafter im Eigeninteresse einen mittelbaren Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaft nehmen können.148 Sobald die Haftung des Dritt­ liquidators greift, entfaltet die teleologische Reduktion des §  128 HGB in An­ betracht der Fremdverwaltung eine „Haftungsbeschränkung“.149 Grundsätzlich endet mit dem Stichtag der (besonderen) Liquidationseröffnung angesichts der Abwicklung im Fremdinteresse das Risiko der Gesellschafter, mit einer Haftung für Neuverbindlichkeiten belastet zu werden. Der Haftungs-Ist­ zustand wird dementsprechend nicht mehr durch künftige Verbindlichkeiten aktualisiert. Daraus folgt, dass das Belastungsrisiko mit Verbindlichkeiten der (insolventen) Gesellschaft ab der Verfahrenseröffnung auf die Gläubigergesamt­ heit übergeht. Es haftet nur noch die Insolvenzmasse. Der Personenverband verfügt in diesem Stadium zwar noch über ein sozietätsmäßiges Fundament    – anderenfalls wäre er nicht mehr als Außengesamthand rechtsfähig und damit auch nicht mehr insolvenzrechtsfähig    –,150 er verfügt aber soweit Liquidationskompetenzen betroffen sind, nicht mehr über eine personengesellschaftsrechtliche Organisation, deren Eigenverhalten über ihre Organe vermittelt wird.151 Dadurch, dass Vertretung und Geschäftsführung hinsichtlich der vermögensrelevanten Liquidationskompetenzen fortan dem Insolvenzverwalter obliegen,152 ist das Prinzip der Selbstorganschaft außer Kraft gesetzt.153 Gleichwohl 146 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)cc). Siehe dazu unten Kap.  3 §  8 B, insbesondere zur modifizierten Behandlung persönlicher Einwendungen. 148  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III. 149  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1. 150  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a). 151  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 B.I.2. 152  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb). 153  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.d)bb). 147 

§  5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung

387

unterliegen die Gesellschafter des Personenverbandes weiterhin einer gesamthänderischen Bindung; soweit Rechte und Pflichten der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin betroffen sind, obliegt den Gesellschaftsorganen deren Wahrnehmung. Durch diese weitreichende organschaftliche Abkopplung der Gesellschafter von dem Personenverband wird dieser als Liquidationsverband zu einer „haftungsbeschränkten“ Abwicklungsgesellschaft sui generis. Soweit bereits im Eröffnungsverfahren ein Verfügungsverbot verhängt und ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt wird, ist die Haftungsbegrenzung entsprechend vorzuverlagern; die Haftung wird hingegen erst mit der Eröffnungs- oder Ablehnungsentscheidung fällig. Ein in Eigenverwaltung betriebenes Insolvenzverfahren unterliegt der gleichen Beurteilung wie ein Regelverfahren, weil die Gesellschaft auch insoweit im Gläubigerinteresse zu betreiben ist, was in der Kompetenzzuweisungsnorm des §  270 Abs.  1 Satz  1 InsO    – diese entspricht weitgehend derjenigen des §  80 InsO    – sowie der Geschäftsleiterhaftung nach den §§  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3, 60, 61 InsO zum Ausdruck kommt.154 Pflichtenkollisionen ist im Rahmen von §§  274, 280 InsO zu begegnen. Soweit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens demgegenüber mangels Masse abgelehnt wird, ist das sodann durchzuführende masselose Liquidationsverfahren gleichfalls im Fremdinteresse der Haftungsgläubiger zu betreiben. Zu unter­ suchen ist aber, durch wen diesbezüglich die Haftungsforderungen geltend zu machen ist und wie sich diese Liquidation auf die Einstandspflicht der Gesellschafter auswirkt.155 Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Haftungskontokorrents kommt die Entscheidung über die Ablehnung der Insolvenzverfahrenseröffnung mangels Masse in Betracht. Angesichts der organschaftlichen Abkopplung lässt sich eindeutig die Höhe der von den Gesellschaftern nach §  128 HGB auszugleichenden Verbindlichkeiten ermitteln. Ein derart rechtsverlässlicher Zeitpunkt führt dazu, dass der Haftungskontokorrent mit Blick auf den durchzuführenden bilanziellen Ausgleich der Gesellschafterkonten endgültig feststellbar und buchbar ist. Die von §  128 HGB bezweckte Vollwertigkeitsgarantie der haftungsunterworfenen Vermögensgesamtheit entfaltet seine Wirkung dementsprechend zum Stichtag der Eröffnung des (besonderen) Liquidationsverfahrens. Bis zu diesem Zeitpunkt begründete Verbindlichkeiten kumulieren bzw. saldierenden sich in dem Maße, wie sie von der Gesellschaft beglichen werden. Dieser Zeitpunkt der Inanspruchnahme hat indes keine Auswirkungen auf die Haftungsentstehung; die Haftung dem Grunde nach wird bereits mit der Altverbindlichkeit begründet. Die von §  93 InsO ausgehende Ermächtigungswirkung hat zur Folge, dass der notwendige Drittliquidator nur solche Forderungen geltend machen kann,

154  155 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.b), Kap.  1 §  3 B.III.1.c). Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 D.III.

388

Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

die in dem Insolvenzverfahren angemeldet wurden.156 Angesichts der    – vorbehaltlich einer Freigabe    – auf Vollabwicklung zielenden Wirkungsweise des Insolvenzverfahrens kommt diesem als besonderem Liquidationsverfahren eine Befriedungsfunktion zu. Diese ergibt sich daraus, dass die Anmeldung einer Gesellschaftsforderung eine Obliegenheit der Gesellschaftsgläubiger darstellt, bei deren Versäumen angesichts der Wirkungen eines Insolvenzplans ein Verlust der Forderung droht, ohne dass die Forderungsinhaber Einfluss darauf hätten. Gerechtfertigt wird dies dadurch, dass der ordnungsrechtliche Eingriff des Staates bei wirtschaftlichem Versagen eines Marktakteurs im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich wird und die Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens nur dadurch wirksam wahrgenommen werden kann, dass die Interessen einzelner Gläubiger zurückgedrängt werden.157

E. Haftungsinhalt: Unterdeckungsausgleich in Geld Zwar sieht §  45 Satz  1 InsO für das Insolvenzverfahren vor, dass „Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, […] mit dem Wert geltend zu machen [sind], der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann“ (sog. quotale Geldwertliquidation).158 Die Qualifikation der Gesellschafter-Exithaftung nach §  128 HGB als Ausfallhaftung bedeutet aber, dass diese stets nur auf Zahlung in Geld gerichtet ist, weil die Gesellschaftsgläubiger kein im Rahmen von §  128 HGB geschütztes Interesse auf Erfüllung durch einen anderen als den eigentlichen Schuldner für sich beanspruchen können und das durch §  128 HGB gewährleistete Leistungsinteresse originär auf eine bloße Ausgleichspflicht beschränkt ist.159 Die Qualifikation der Gesellschafterhaftung als Ausfallhaftung führt dabei nicht zu einer Durchbrechung der einseitig wirkenden Akzessorietät.160 Die von §  129 HGB vorgesehene Durchsetzungsakzessorietät wirkt sich vielmehr dadurch aus, dass bestimmte Gesellschaftsforderungen nicht in die Bildung des Haftungskontokorrents miteinfließen. Entsprechend dem von Karsten Schmidt entwickelten sog. Ausfallhaftungsmodell zu §  93 InsO erstreckt sich die im Insolvenzverfahren geltend zu ma156  Vgl. BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  16 f., 22, 27; vgl. S. Krüger, NZI 2002, 367 (369 f.). 157  Vgl. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  7 7 ff., Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  348. 158  Vgl. zu §  69 KO, Blomeyer, BB 1968, 1461 (1462). Soweit die §§  103 ff. InsO Ausnahmen von dem Grundsatz der Geldliquidation aus §  45 InsO vorsehen, so beziehen sich diese auf das Verhältnis der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin gegenüber ihren Gläubigern, nicht jedoch auf die Gesellschafterhaftung. 159  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c).; so auch i. E. im Rahmen von §  93 InsO, K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (186). 160 Abweichend, K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (185).

§  5 Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung

389

chende Gesellschafterhaftung lediglich auf nicht durch die Insolvenzmasse gedeckte Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin.161 Dies wird teilweise bestritten.162 In dem Umfang, wie das Gesellschaftsvermögen und damit die Insolvenzmasse ausreichen, die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu tilgen, ist die Gesellschafterhaftung nach dem hier erarbeiteten Modell demgegenüber noch gar nicht fällig, sodass eine Vollinanspruchnahme unter dem Einwand des Rechtsmissbrauchs oder eine verlagerte Berücksichtigung ins Verteilungsverfahren nicht in Betracht kommen.163 Der Umfang der Inanspruchnahme durch den Drittliquidator bestimmt sich nach dem Verbindlichkeitsfehlbetrag, wie er sich nach Verrechnung mit den liquidationsbedingten Sozialansprüchen der Gesellschaft ergibt, insbesondere unter Einbeziehung offener Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB. Kommt es hinsichtlich des Verlustbetrages zu einer zentralisierten Inanspruchnahme der Gesellschafter aufgrund von §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB führt die Gesellschafter-Exithaftung dazu, dass die Anmeldung eines daraus resultierenden Aufwendungsersatzanspruchs nach §  110 HGB zum Insolvenzverfahren nicht in Betracht kommt, weil dies zu einer Benachteiligung bloß quotal befriedigter Gläubiger führen würde. In Anbetracht des Entstehungszeitpunktes während Insolvenzverfahrens würde es sich bei dem Aufwendungsersatzanspruch gemäß §  110 HGB um eine Masseverbindlichkeit handeln, deren Gläubiger sich nicht auf eine bloße Quote verweisen lassen müssten. §  110 HGB ist daher während eines eröffneten Insolvenzverfahrens teleologisch zu reduzieren.164 Im Rahmen eines durchzuführenden gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens    – sei es angesichts einer Freigabe oder einer Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse    – findet §  110 HGB demgegenüber grundsätzlich Anwendung, allerdings verfügt die Gesellschaft insoweit regelmäßig gerade nicht mehr über ein liquidationsfähiges Gesellschaftsvermögen in quantitativer Hinsicht. §  110 HGB erfährt hinsichtlich der Haftungsforderungen nach §  128 HGB daher nur noch im Rahmen der liquidationsrechtlichen Schlussabrechnung und des damit verbundenen Ausgleichs der Kapitalkonten Bedeutung.165 Während Nachschussansprüche ge161 Vgl.

K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (186); ders., in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb) sowie unten Kap.  3 §  9 A.II.2. 163  Vgl. OLG Hamm, Uv. 30.3.2007    – 30 U 13/06, juris-Rn.  151 f.; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082 f.); Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  25 ff., 28; Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  85 Rn.  77 f.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  26 f.; Kindler, in: Koller/Kindler/ Roth/Drüen, HGB, §§  128, 129 Rn.  7; Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  7; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  57, 68; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar InsO, §  93 Rn.  54. 164  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 I. 165  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III, Kap.  1 §  2 C.VII.3, zur Berücksichtigung im Rahmen der Kapitalkonten sowie zum Rangverhältnis des §  426 Abs.  1 BGB zu §  110 HGB oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)ee). 162 

390

Kapitel  2 : Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als liquidationsbezogene Ausfallhaftung

mäß §  735 BGB bei der Auseinandersetzung der Konten auf der Grundlage der Schlussbilanz als Eigenkapital auf dem Kapitalkonto zu behandeln sind, weil sie in das Gesellschaftsvermögen fließen, sind die Aufwendungsersatzansprüche nach §  110 HGB    – die aus einer Inanspruchnahme gemäß §  128 HGB resultieren    – als Fremdkapital auf dem Darlehenskonto zu verbuchen.166

F. Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Gesellschafter Der Eigenschaft als materielle Außenhaftung entspricht es im Einklang mit dem Wortlaut des §  128 HGB, dass die Gesellschafter nicht pro rata haften, sondern gesamtschuldnerisch.167 Dies folgt ebenso aus dem Regelungszweck, weil anderenfalls die Ausfallrisiken auf die Gläubiger verlagert werden würden. Dementsprechend kann sich der notwendige Drittliquidator etwa aussuchen, ob er die Gesellschafter gemeinschaftlich als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt, ob er sich an den solventesten Gesellschafter hält oder ob er die Haftungsforderung gegenüber dem zahlungswilligsten Gesellschafter geltend macht.168 Der Insolvenzverwalter folgt insoweit dem Leitbild, „möglichst schnelle und effektive Ergebnisse zu erzielen“, jedenfalls soweit sich dies im Rahmen des materiell-rechtlich Zulässigen, unter Berücksichtigung der Haftung nach §§  60, 61 InsO, realisieren lässt. Folge dessen ist, dass die Ausübung dieses Wahlrechts dazu führen kann, dass in der Person des in Anspruch genommenen Gesellschafters ein Eröffnungsgrund generiert wird, obwohl andere Gesellschafter noch zahlungsfähig gewesen wären. Freistellungsansprüche sind durch den Liquidator nur zu berücksichtigen, wenn diese einbringlich sind.

166 

Siehe zur diesbezüglichen Kontenführung oben Kap.  1 §  2 A.II.2.b). K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (188). 168  Vgl. zu Rechten und Pflichten von Liquidatoren, Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation, S.  145 ff., 218. 167 Vgl.

Kapitel  3

Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung Im Rahmen des dritten Teils der Untersuchung ist das modifizierte Haftungsmodell einer Gesellschafter-Exithaftung1 in den jeweiligen Lebenszyklen des Personenverbandes auf seine materiell-rechtliche und vollstreckungsrechtliche Belastbarkeit sowie die praktischen Konsequenzen hin zu untersuchen. Analog zur vermögensrechtlichen Ausrichtung der Argumentation ist zunächst in materiell-rechtlicher Hinsicht zwischen Liquidität und Zahlungsunfähigkeit zu differenzieren. Aus der Eigenschaft der Gesellschafterhaftung als Exithaftung ergibt sich sodann, dass eine gerichtliche Geltendmachung von Gesellschaftsverbindlichkeiten sowie eine anschließende Vollstreckung bei Liquidität der Gesellschaft nur gegenüber dieser in Betracht kommt. Demgegenüber führt die Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens dazu, dass über dieses ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, im Rahmen dessen auf die haftungsunterworfenen Gesellschaftervermögen im Wege der Gesamtvollstreckung zugegriffen werden kann.2 Im Falle der Masseunzulänglichkeit ist eine Verfahrenseröffnung mangels Masse hingegen abzulehnen und in das Stadium masseloser Liquidation überzuleiten.

§  6 Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung im werbenden Stadium des Personenverbandes Die Grundannahme des modifizierten Haftungsmodells lautet, dass im werbenden Stadium des Personenverbandes nach dem Schutzzweck des §  128 HGB keine unmittelbare und primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter in Betracht kommt.3 Daraus folgt, dass in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht während dieses Lebenszyklus lediglich das Gesellschaftsvermögen als Zugriffs­ objekt zur Verfügung steht.

1 

Siehe zu dieser Terminologie oben Kap.  2 §  5. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  343. 3  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 C. 2 Vgl.

392

Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

A. Aktualisierung des Haftungs-Istzustandes bei originärer sowie abgeleiteter Mitgliedschaft Im Ausgangspunkt führt die Mitwirkung an dem konstituierenden Verbandszweck dazu, dass die Personenaußengesellschaft bei gegebenem Sozietäts­ fundament als Rechtssubjekt mit notwendig eigenem Gesellschaftsvermögen entsteht,4 sodass diese Vermögensverbindung dem Haftungszugriff für sämt­ liche Gesellschaftsverbindlichkeiten unterliegt.5 §  128 HGB unterwirft nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis unter tatbestandlicher Bezugnahme der Gesellschafterstellung die Gesellschaftervermögen einem Haftungs-Ist­ zustand,6 welcher mit Begründung einer Gesellschaftsverbindlichkeit in materieller Hinsicht aktualisiert wird, ohne dass aber eine primäre Geltendmachung gegenüber den Gesellschaftern in Betracht käme.7 Eine Regressproblematik stellt sich im Rahmen werbender Gesellschaftstätigkeit demzufolge nicht. §  110 HGB hat im werbenden Stadium der Gesellschaft hinsichtlich des §  128 HGB somit keinen Anwendungsbereich. Die Haftung der Gesellschafter bedeutet eine funktionale    – die Zuständigkeit der Rechts noch nicht betreffende    – Zuweisung der Gesellschaftervermögen unter den Gläubigerzugriff. 8 In Anbetracht des Zusammenhangs von Schuld und Vermögenshaftung werden dabei atypische gesetzliche Schuldverhältnisse mit den Gesellschaftsgläubigern reflexhaft begründet. Der Eintritt eines neuen Gesellschafters in die Personenaußengesellschaft kommt sowohl durch den bloßen Erwerb einer bereits bestehenden Mitgliedschaft in Betracht als auch durch die Aufnahme als zusätzlicher Gesellschafter.9 In haftungsrechtlicher Hinsicht kommt es vor dem Hintergrund des §  128 HGB lediglich darauf an, ob ein Rechtssubjekt mit der Personenaußengesellschaft mitgliedschaftlich verbunden ist. Ungeachtet des Entstehungsgrundes der Mitgliedschaft regelt §  128 HGB eine ständige Aktualisierung des Haftungs-Istzustandes der Gesellschafter um die bestehenden bzw. neu begründeten Einzelverbindlichkeiten.10 Mit dem Erwerb der Gesellschafterstellung wird dieser Zustand daher unverzüglich um alle Altverbindlichkeiten aktualisiert. §  130 Abs.  1 HGB kommt dementsprechend vor dem Hintergrund der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft und des damit verbundenen Mitgliedschaftsverständnisses lediglich klarstellende Bedeutung zu.11 Ob es mit dem Beitritt zur

4 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I, Kap.  1 §  2 B.II.1.c)cc). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.II. 6  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 7  Siehe dazu oben Kap.  2 §  4, Kap.  2 §  5. 8  Siehe dazu Kap.  1 §  2 C.II. 9  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.4. 10  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 11  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 5 

§  6 Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung im werbenden Stadium

393

Gesellschaft zu einem An- bzw. Abwachsen der Gesellschaftsanteile kommt,12 ist für die Einstandspflicht der Gesellschafter im Außenverhältnis unerheblich, weil diese eine gesamtschuldnerische ist.13 Der eintretende Gesellschafter kann wie die übrigen Gesellschafter ebenfalls erst im Falle der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.

B. Nach- und Enthaftung bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus werbender Gesellschaft Mit Blick auf das entwickelte Haftungsverständnis ist das Ausscheiden eines Gesellschafters demgegenüber problematischer. Mangels mitgliedschaftlicher Verbundenheit kommt jedenfalls keine Haftung für Neuverbindlichkeiten in Betracht.14 Solange der Gesellschafter Mitglied des Personenverbandes ist, wird dessen Vermögen stets neu einem Haftungszugriff unterworfen. Das Ausscheiden führt dazu, dass das mitgliedschaftliche Band zur Gesellschaft gelöst wird. Dies führt in Anbetracht der Nachhaftungs- und Enthaftungsregelung des §  160 HGB indes nicht dazu, dass gleichzeitig die funktionale Zuordnung des Gesellschaftervermögens unter den Gläubigerzugriff aufgehoben wird. Vielmehr bleibt das Gesellschaftervermögen gemäß §  128 HGB in dem akzessorischen Umfang haftungsunterworfen, wie es im Zeitpunkt des Ausscheidens den Gesellschaftern funktional zugewiesen wurde. Der mitgliedschaftlich begründete Haftungs-Istzustand wird    – ungeachtet der Lösung der mitgliedschaftlichen Verbundenheit    – mit dem Ausscheiden eingefroren; erforderlich bleibt der Fortbestand der Gesellschaft, deren Vermögen mit der Gesellschaftsverbindlichkeit originär haftungsunterworfen ist. §  160 HGB verkörpert insoweit eine dem §  128 HGB vergleichbare Haftungsüberleitungsvorschrift, dies jedoch unter Anknüpfung an eine zurückliegende Gesellschafterstellung. §  160 HGB bekräftigt den Regelungswillen des §  128 HGB und legt dessen Reichweite fest, indem die Vorschrift als Nachhaftungs- und Enthaftungsregel, einerseits die Nachhaftung positiv ungeachtet fehlender Gesellschafterstellung anordnet, andererseits aber solche Verbindlichkeiten von der Haftung ausnimmt, deren Fälligkeit gegenüber der Gesellschaft fünf Jahre nach dem Ausscheiden liegt    – maßgeblich ist die Eintragung in das Handelsregister bzw. die positive Kenntnis der Gläubiger.15 12 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.d)cc). Siehe dazu oben Kap.  2 §  5 F. 14  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III. 15 Vgl. Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §   160 Rn.  7 ff.; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/ Drüen, HGB, §  160 Rn.  10 ff.; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  160 Rn.  1; ablehnend hinsichtlich positiver Kenntnis, Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, §  160 Rn.  9, anders sodann zur GbR, Rn.  10; zu §  159 BGB a. F., Hadding, ZGR 2 (1973), 137 (140 ff., 150 ff.); Ulmer/ Wiesner, ZHR 144 (1980), 393 (394 ff.). vgl. zum Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, Büscher/ 13 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Vor dem Hintergrund des modifizierten Haftungsmodells kommt auch eine primäre Inanspruchnahme ausgeschiedener Gesellschafter bei Liquidität der Gesellschaft nicht in Betracht. Erst bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann das dem Gläubigerzugriff funktional zugeordnete Vermögen des ehemaligen Gesellschafters, wie die übrigen insolvenzschuldnerfremden Vermögensverbindungen der aktiven Gesellschafter, im Wege der Bildung von Sondervermögensverbindungen im Rahmen des stichtagsbezogenen Haftungskontokorrents Berücksichtigung finden.16

C. Gesellschaftsrechtliche Auflösung und Liquidation Soweit die Gesellschaft nicht gemäß §  131 Abs.  1 Nr.  3 HGB durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen aufgelöst wird, führt die Auflösung dazu, dass die Gesellschaft in das gesellschaftsrechtliche Liquida­ tionsverfahren eintritt. Anders als das Insolvenzverfahren als besonderes Liquidationsverfahren führt die gewöhnliche Abwicklung nicht zu einer Beschränkung der Gesellschafterhaftung auf Altverbindlichkeiten.17 Eine stichtagsbezogene Fälligkeit der Gesellschafterhaftung kommt dementsprechend nicht in Betracht.18 Demzufolge führt das modifizierte Haftungsmodell dazu, dass eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter in einem gewöhnlichen gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahren ausscheidet. Da der Regelungszweck des §  128 HGB sich im Interesse der Gläubigergesamtheit auf den Ausgleich der Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens beschränkt,19 wird die Gesellschafterhaftung im Rahmen einer „liquiden“ Liquidation gar nicht erst fällig. Alle Gesellschaftsverbindlichkeiten sind dementsprechend unmittelbar gegen die personenidentische Liquidationsgesellschaft geltend zu machen. Reichen die Nachschussansprüche der Gesellschaft gemäß §  735 BGB gegenüber den Gesellschaftern nicht aus, ist erforderlichenfalls rechtzeitig ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Der darüberhinausgehende Innenausgleich der Gesellschafter bleibt der liquidationsrechtlichen Schlussabrech­ nung vorbehalten.20 Indem das gesellschaftsrechtliche Liquidationsverfahren nicht zu einer Haftungsbeschränkung der Gesellschafter führt, erstreckt sich §  735 BGB auch auf Liquidationsverbindlichkeiten.21 Damit hat die Auflösung einer Gesellschaft weder Auswirkungen auf das Außenverhältnis noch auf das Klusmann, ZIP 1992, 11 (11 ff.); zur Haftung für deliktische Gesellschaftsverbindlichkeiten, Medicus, in: FS Lutter, S.  891 ff., 897 ff.; vgl. zu 728b BGB-E RegE MoPeG, S.  205 f. 16  Siehe aber zur unterschiedlichen Behandlung von Einwendungen unten Kap.  3 §  8 B.I.1.a). 17  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1. 18  Siehe dazu oben Kap.  2 §  5 C. 19  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II. 20  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c). 21  Siehe insoweit zum Insolvenzverfahren oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb).

§  6 Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung im werbenden Stadium

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Haftungsregime, sodass ein Auflösungsbeschluss mangels irgendwie beeinträchtigter Interessen auch konkludent gefasst werden kann.22 Ebenso kommt eine jederzeitige Reaktivierung der Gesellschaft durch Wiederaufnahme der werbenden Tätigkeit in Betracht, auch wenn bereits mit der Vermögensver­ teilung begonnen wurde.23 Angesichts der Tatsache, dass eine Liquidation Nachschussansprüche zur Folge haben kann, ist bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personenaußengesellschaft mit Blick auf den hypothetischen Gesellschafterwillen im Zweifel ein Fortbestand der Gesellschaft unter An­ wach­sung des Gesellschaftsanteils anzunehmen. Dies gilt ungeachtet des für die GbR den §§  723 bis 740 BGB zugrunde liegenden normativen Grundprinzips „Auflösen statt Ausscheiden“,24 wobei insoweit an den Akt privatautonomer, konkludenter Willensbetätigung strengere Anforderungen zu legen sein können als hinsichtlich der oHG. Die Rechtssubjektivität der Personenaußengesellschaft in Liquidation führt bei ausreichendem Gesellschaftsvermögen dazu, dass es diesbezüglich keiner zwingenden Liquidations- oder Kapitalschutzvorschriften bedarf.25 Zwingende Regelungen wie §  128 HGB werden erst bei Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens erforderlich. Wird aufgrund einer Entscheidung der Gesellschaftergesamtheit Kapital aus der Liquidationsgesellschaft abgezogen, reicht dieses in der Liquidation nicht aus, weil Nachschussbzw. Verlustausgleichsansprüche nach §§  721, 722, 735 BGB ab­bedungen wurden oder kommt es aus anderen Gründen zu einem wirtschaft­lichen Versagen der Gesellschaft, kann dies dazu führen, dass die Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Garantien,26 fälliger Ge­sellschaf­terhaftung sowie effektiven Anfechtungsbefugnissen erforderlich wird. Auf diese Weise nimmt §  128 HGB eine den zwingenden Liquidationsvorschrif­ten für juristische Personen entsprechende Funktion ein (zum Beispiel §§  47 ff. BGB). Die Haftungsfunktion des §  128 HGB beschränkt sich auf einen vergleichbaren liquidationsrechtlichen Anwendungsbereich. In Anbetracht dieser vergleichbaren Wirkung scheidet grundsätzlich auch eine analoge Anwendung der §§  47 ff. BGB auf „nicht rechtsfähige“ Wirtschaftsvereine (oHG, KG bzw. GbR) mangels vergleichbarer Interessenlage aus.

22 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)aa). Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)dd). 24  Henssler, BB 2010, 2 (2). 25  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)dd). 26 Vgl. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  348. 23 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der GesellschafterExithaftung bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Entsprechend dem ermittelten Regelungsumfang des §  128 HGB verlagert sich die Inanspruchnahme der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten nach dem zu modifizierenden Haftungsmodell im Interesse der Gläubiger­ gesamtheit regelmäßig auf den Zustand der Zahlungsunfähigkeit des Personenverbandes.

A. Haftungsabwicklung im eröffneten Insolvenzverfahren Die Geltendmachung der Gesellschafterhaftung konzentriert sich nach dem modifizierten Haftungsmodell im Regelfall auf das Stadium des eröffneten Insolvenzverfahrens. Insoweit richtet sich das Abwicklungsregime weitgehend nach dem etablierten Verständnis. Dementsprechend ist dieser normative Liquidationsrahmen der weiteren Untersuchung voranzustellen, um in den Randbereichen zu abweichenden Regelungskomplexen trennscharfe Abgrenzungskriterien zur rechtlichen Behandlung der Gesellschaft im werbenden Stadium herausarbeiten zu können. I. Unerheblichkeit begleitender Verfahrensziele sowie der „Person“ des Drittliquidators Nach Verfahrenseröffnung macht es keinen Unterschied, ob das Insolvenzverfahren fremdbestimmt durch einen Insolvenzverwalter durchgeführt wird oder ob über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin die Eigenverwaltung angeordnet ist, weil auch die eigenverwaltenden Gesellschafter das besondere Liquidationsverfahren nicht im Eigeninteresse betreiben, sondern im Interesse der Gläubigergesamtheit.27 Gewährleistet wird dies durch die Einstandspflicht der Geschäftsleiter nach §§  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3, 60, 61 InsO.28 Ferner ordnen die §§  274 ff., 280 InsO zur Vermeidung von Interessenkonflikten eine Kompetenzaufteilung zwischen den Geschäftsleitern sowie dem Sachwalter an. Auch in den Konstellationen, in denen das Insolvenzverfahren nach §  1 InsO unter dem Regime des ergänzenden Verfahrensziels der Sanierung geführt wird,29 weil eine übertragende Sanierung oder eine Sanierung im Wege des In­ solvenzplan- bzw. Eigenverwaltungsverfahrens    – insbesondere unter dem Schutz des sanierungsvorbereitenden Schutzschirmverfahrens    – in Betracht kommen,30 27 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2, Kap.  1 §  3 B.III.1.b). Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.c). 29 Vgl. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  353. 30 Vgl. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.   77; Bitter, ZGR 39 (2010), 147 (151 ff.); Ganter/Bruns, in: MüKoInsO, §  1 Rn.  9 0 ff.; Undritz, ZGR 39 (2010), 201 (205 ff., 208 ff.); Wellensiek, WM 1999, 405 (408). 28 

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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ist keine abweichende Beurteilung der Haftungsabwicklung angezeigt. So kommt eine Sanierung des Unternehmens regelmäßig zwar mittelbar auch den Gesellschaftern der Insolvenzschuldnerin zu Gute, weil sie abgesehen von der übertragenden Sanierung bei erfolgreicher „Rettung“ des Unternehmens zukünftig von dessen Erträgen profitieren.31 Bei der übertragenden Sanierung kommt lediglich ein ideelles Interesse der Gesellschafter an der Fortführung „ihrer“ Unternehmung in Betracht. Bei allen Sanierungsformen handelt es sich aber um eine Form der Vermögensverwertung und die insolvenzrechtlichen Kompetenzträger sind    – flankierend durch deren Haftung    – vorrangig den Gläubigerinteressen verpflichtet.32 Dabei ist es unerheblich, dass eine Sanierung des Unternehmens häufig nicht zu einer Liquidation des Rechtsträgers führt. So ändert eine Sanierung nichts an der Eigenschaft des Insolvenzverfahrens als besonderem Liquidationsverfahren, weil auch ohne eine Vollabwicklung des Insolvenzschuldners der gläubigerschützende Verfahrenszweck derart im Vordergrund steht, dass alle Gläubigerforderungen mittelfristig zum Erlöschen gebracht werden sollen und somit die Voraussetzungen für eine Vollbeendigung geschaffen werden.33 Die Sanierung stellt sich sodann als eine Quasi-Reaktivierung des Verbandszwecks dar mit der Folge, dass die Gesellschaft mit liquidationsrechtlich bereinigtem Gesellschaftsvermögen wieder in den werbenden Zustand eintritt.34 Hinsichtlich des modifizierten Haftungsmodells bedeutet dies, dass während des zur Sanierung betriebenen Insolvenzverfahrens die Gesellschafterhaftung in Höhe des Unterdeckungsbetrages fällig wird, im Rahmen des sich anschließenden werbenden Stadiums der Gesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens hingegen ein Zugriff auf die Gesellschaftervermögen wieder ausscheidet. Diesbezüglich stellt sich die Frage, inwieweit die Gesellschafterhaftung während des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzplanfinanzierung herangezogen werden kann.35 Mit Blick auf den Regelungsgehalt des §  128 HGB kommt eine Einstandspflicht der Gesellschafter für Verbindlichkeiten des operativen Sanierungsgeschäfts während des Insolvenzverfahrens nicht in Betracht, weil die Gesellschafter diesbezüglich keinen Einfluss im Eigennutz ausüben können.36 Problematisch könnte es allerdings auch sein, wenn der Insolvenzverwalter eine aufwendige Sanierung aus Mitteln der Masse betreibt und für die Insolvenzforderungen die Gesellschafterhaftung „instrumentalisiert“.37 Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn man die aus der Gesellschafterhaf31 Vgl. Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541 (542 ff.); Undritz, ZGR 39 (2010), 201 (205 ff.); R. Paulus, DZWIR 2008, 5 (10 ff.). 32  Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  352 ff.; Wellensiek, WM 1999, 405 (408 ff.); siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.a), Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 33  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a). 34 Vgl. U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  416 ff. 35 Vgl. K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (189 f.). 36  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (189); siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III. 37  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (189). Eine Finanzierung der Sanierung unter Rück-

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

tung gebildeten Sondervermögensverbindungen als erweiterte Sanierungsmasse qualifiziert und den Regelungsgehalt des §  93 InsO dahingehend deutet, dass es dessen Hauptziel sei, diese Vermögensverbindungen lediglich vor Einzelzugriffen zu bewahren.38 Mit dieser Art Vermögensumschichtung würden die Gesellschafter    – vergleichbar mit dem der Treuepflicht entspringenden Grundsatz der Rechtsprechung „sanieren oder ausscheiden“39    – zu „Sanierungshelfern wider Willen“, was umso problematischer sein könnte, weil die Gesellschafter in den Grenzen des §  247 Abs.  2 Nr.  1 InsO einem Sanierungsplan des Unternehmens nicht zustimmen müssen.40 Sowohl mit Blick auf die insolvenzrechtliche Beurteilung als auch die diesbezüglichen schuld- bzw. gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen bestehen hinsichtlich einer solchen bloß faktischen Sanierungshaftung demgegenüber keine Bedenken, wenn etwa der Insolvenzverwalter     – vorbehaltlich arglistiger Verhaltensweisen     – die Gesellschafterhaftung dazu instrumentalisiert, die Insolvenzmasse von Insolvenzforderungen freizuhalten.41 Entsprechendes gilt hinsichtlich der Nachschussansprüche aus §  735 BGB.42 Mit Blick auf die Vermögenstrennung sowie die diesbezüglich gebotene teleologische Reduktion von §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB kommt lediglich keine unmittelbare Einstandspflicht der Gesellschafter für als Masseverbindlichkeiten zu qualifizierende Sanierungsbeträge in Betracht.43 Bei den Sanierungsbeträgen handelt es sich insbesondere nicht um solche, die zu einem unmittelbaren Nutzen der Gesellschafter führten und eine Korrektur dieser teleologischen Einschränkung der Gesellschaftereinstandspflicht erforderlich machen könnten. So sind die Folgen einer Sanierung auf die Gesellschafter stets nur reflexhafte, weil auch die Sanierung vorrangig im Interesse der Gläubigergesamtheit durchzuführen ist.44 Nur diesen gegenüber ist der Insolvenzverwalter verpflichtet.45 Zwar erstreckt sich dessen Haftung nach §  60 InsO auch auf Schäden der Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin,46 dies jedoch nur bezogen auf eine ordnungsgemäße Haftungsrealisierung im Rahmen von §  93 InsO sowie auf griff auf die Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB kommt ungeachtet deren Zuordnung zur Masse hingegen nicht in Betracht. Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 38  Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  103 ff., 114; ders., ZGR 32 (2003), 264 (272 ff.); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  3; kritisch, Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  358; K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (189 f.). 39  BGH, Uv. 19.10.2009    – II ZR 240/08, BGHZ 183, 1–13 = juris-Rn.  23 ff.; vgl. C. Schäfer, in: FS Ganter, S.  33 ff., 49 f.; K. Schmidt, JZ 2010, 125 (126 ff.). 40  K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (189 f.). 41  Kritisch demgegenüber, K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (190); siehe insoweit zur Behandlung von Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 42  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 43  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc), Kap.  1 §  3 B.III.1 sowie zu §  735 BGB oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 44  Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  348, 352 ff. 45 Vgl. Bitter, ZGR 39 (2010), 147 (189 ff.). 46  Thole, in: K. Schmidt, InsO, §  60 Rn.  6 .

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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den Ausgleich der Gesellschafterkonten, nicht hingegen hinsichtlich des rechtlichen Schicksals der Insolvenzschuldnerin. Was mit dieser geschieht, wird unabhängig von den Gesellschafterbelangen gemäß §  1 InsO durch die Interessen der Gläubigergesamtheit vorgezeichnet. Diese gesetzliche Wertung zu Lasten der Gesellschafterinteressen zeigt sich insbesondere daran, dass die Mehrheit der Gläubiger angesichts des Obstruktionsverbots des §  245 InsO auch den völligen Anteilsverlust der Gesellschafter vereinbaren können. Umgekehrt stehen auch bei einem Fortbestand des Personenverbandes nicht die privatautonomen Interessen der Mitglieder einer Gesellschaft entgegen, selbst zu entscheiden, in welchem Umfang sie sich organisationsrechtlich einem Verbandszweck unterwerfen. So bestimmt das Insolvenzverfahren lediglich, nach welchem Abwicklungsmechanismus die Gläubigerinteressen bestmöglich befriedigt werden. Eine Entscheidung über den dauerhaften Fortbestand des Personenverbandes, der aus der Insolvenzmasse saniert wird, ist damit nicht getroffen.47 Vielmehr ist es den Gesellschaftern    – in den Grenzen des Insolvenzplans    – unbenommen, nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die Verfolgung des Verbandszwecks schnellstmöglich wiedereinzustellen. Zwar kann gemäß §  225a Abs.  3 InsO der Fortsetzungsbeschluss einer mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelösten Gesellschaft unabhängig von gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsquoren in dem Insolvenzplan vereinbart werden, sodass es grundsätzlich keines Gesellschafterbeschlusses mehr bedarf, weil ein entgegenstehender Wille durch das Obstruktionsverbot des §  245 InsO ersetzt werden kann.48 Ist der Fortbestand allerdings    – wie in einer Personengesellschaft    – mit einer persönlichen Gesellschafterhaftung verbunden, sieht §  230 Abs.  1 Satz  2 InsO vor, dass haftungs­ betroffene Gesellschafter an der Fortführungsentscheidung zu beteiligen sind. Im Übrigen bleiben die Gesellschafter an die Fortsetzungsentscheidung nicht gebunden. II. Auswirkungen der Gesellschafter-Exithaftung auf die insolvenzrechtliche Haftungsverwirklichung Maßgeblicher Ausgangspunkt des eröffneten Insolvenzverfahrens ist in allen diesen Variationen die strikte Trennung der betroffenen Vermögensverbindungen.49 Vom Insolvenzbeschlag erfasst ist lediglich das gesamte Vermögen der Insolvenzschuldnerin als Insolvenzmasse im Sinne von §  35 InsO.50 Aus dieser sind Insolvenzforderungen, Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten zu begleichen. Daneben stehen gemäß §  128 HGB die Vermögen der Gesellschafter 47  Zur Unzulässigkeit eines Fortsetzungsbeschlusses durch die Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens, U. Noack, in: FS Zöllner, Band  1, S.  425. 48 Vgl. Undritz, ZGR 39 (2010), 201 (212 ff.). 49  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b). 50  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)aa); Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  103; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.12 f., S.  912.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

zur Befriedigung von Gesellschaftsverbindlichkeiten zur Verfügung. Diese werden aber nicht Teil der Insolvenzmasse, weil sie nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen und die Gesellschaftervermögen auch nicht für Verfahrenskosten sowie Masseverbindlichkeiten herangezogen werden dürfen.51 Vielmehr ordnet §  93 InsO zwar deren zentralisierte Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter an, dies jedoch unter Bildung von Sondervermögensverbindungen.52 Darüber hinaus kommt bezogen auf jeden einzelnen Gesellschafter die zusätzliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über deren jeweiliges Privatvermögen in Betracht.53 Charakteristikum der zentralisierten Geltendmachung der Gesellschafterhaftung während des Insolvenzverfahrens sind nach herkömmlichem Verständnis die Sperrwirkung sowie die Ermächtigungswirkung des §  93 InsO,54 die derjenigen des §  80 InsO folgt. Sperrwirkung bedeutet, dass es den Gläubigern verwehrt ist, ihrerseits die Gesellschafterhaftung geltend zu machen sowie über die Haftungsforderung zu verfügen.55 Nach der sog. Ermächtigungswirkung werden diese Befugnisse sodann dem Insolvenzverwalter eingeräumt.56 Insoweit ergeben sich indes Abweichungen vor dem Hintergrund einer Gesellschafter-Exithaftung. 1. Reichweite der Sperrwirkung des §  93 InsO Unter Zugrundelegung des modifizierten Haftungsmodells kommt der §  93 InsO zugesprochenen Sperrwirkung nur noch eine sehr eingeschränkte Bedeutung zu, weil sich aus §  128 HGB bereits sehr weitreichende Einschränkungen ergeben. Dadurch, dass die Gesellschafterhaftung angesichts des Regelungszwecks des §  128 HGB erst bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft stichtagsbezogen mit der Eröffnungsentscheidung fällig wird, haben die Gesellschaftsgläubiger ohnehin keine Möglichkeit, eigenständig auf die Gesellschaftervermögen zu­ zugreifen.57 Prozesse von Gesellschaftsgläubigern gegen Gesellschafter, die es analog §  17 AnfG oder §  240 ZPO, §  85 InsO zu unterbrechen gäbe,58 kommen damit nicht in Betracht. Ebenso stellt sich nicht die Frage, inwieweit vorange51 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b), Kap.  1 §  3 B.III.1. dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd); H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  56; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  88. 53  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 H, Kap.  3 §  9 A.II. 54  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb), Kap.  2 §  4 C.III.3; vgl. S. Krüger, NZI 2002, 367 (369 f.). 55  BGH, Uv. 9.10.2008    – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171–181 = juris-Rn.  10; BGH, Uv. 17.12.­2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  16; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  23. 56  BGH, Uv. 9.10.2008    – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171–181 = juris-Rn.  11; BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  17; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  23. 57  Siehe dazu oben Kap.  2 §  4 C.III.3.a). 58 Vgl. K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  24. 52 Siehe

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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gangene Leistungen der Gesellschafter an die Gläubiger in (entsprechender) Anwendung der §§  82, 93 InsO genehmigt, kondiziert oder angefochten werden können,59 weil diese gar nicht in Betracht kommen. Für eine analoge Anwendung der §§  94 ff. InsO (z. T. §§  406, 412 BGB analog) gegenüber der Inanspruchnahme nach §  128 HGB    – bzw. umgekehrt    – ist bereits deswegen kein Raum, weil sich der Gesellschafter zu keinem Zeitpunkt einer isolierten Individualforderung des einzelnen Gesellschaftsgläubigers gegenüber sieht, 60 sondern lediglich für die Unterdeckung der Insolvenzmasse einzustehen hat. 61 Demgegenüber stellt sich mit Blick auf die aus §  93 InsO folgende Sperrwirkung die Frage, inwieweit ein einzelner Gläubiger über Gesellschafts- bzw. Gesellschafterhaftungsforderungen verfügen kann. Spiegelbildlich zu der Obliegenheit, eine Gesellschaftsforderung überhaupt zum Insolvenzverfahren an­ zumelden und sich auf diese Weise an dem Verfahren zu beteiligen,62 ist es den Gläubigern überlassen, gänzlich auf eine Gesellschaftsforderung zu verzichten oder teilweise zu verzichten und bloß einen Teil zum Insolvenzverfahren anzumelden. 63 Die Verzichtserklärung hinsichtlich der Gesellschaftsforderung führt dazu, dass schon die Gesellschaftsverbindlichkeit nicht bei der Bemessung der Unterdeckung Berücksichtigung findet, die es mit der Gesellschafterausgleichhaftung aufzufangen gelte; für eine Einstandspflicht nach §  128 HGB mangelt es an einer Gesellschaftsverbindlichkeit, sodass sich der Haftungs-Istzustand entsprechend aktualisiert. 64 Ebenso kann eine Gesellschaftsforderung als solche abgetreten oder Gegenstand eines Vergleichs sein. 65 Dies hat in Anbetracht der Akzessorietät entsprechende Auswirkungen auf die Haftungsforderungen. Während damit hinsichtlich der Gesellschaftsforderung im Ausgangspunkt jegliche Verfügung in Betracht kommt, weil die Gläubiger in jeder Hinsicht Inhaber der Forderung bleiben und sich die Sperrwirkung des §  93 InsO auf die Forderungen gegenüber den Gesellschaftern beschränkt, kommt bezüglich der Haftungsforderung angesichts der einseitig wirkenden Akzessorietät nach §  128 HGB unabhängig vom Lebenszyklus der Gesellschaft eine isolierte Übertragung nicht in Betracht, weil die Haftungsforderung der Hauptverbindlichkeit folgt.66 Fraglich ist, ob ein isolierter Verzicht auf die Haf59 Vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  4 f.; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  39 ff.; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  25. 60  A. A. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  148 ff.; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  96 ff.; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  60 ff. m. w. N. 61  So auch K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  26. 62  Siehe dazu oben Kap.  2 §  5 D. 63  Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  48; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  53; vgl. Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1093). 64  K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  30. 65  Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  6; Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  30. 66  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  16.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

tungsforderung möglich ist. Nach überwiegender Auffassung ist es im Rahmen der Insolvenz genauso wie während des werbenden Zustandes des Personenverbandes möglich, dass ein Gläubiger eine isolierte Gesellschaftsverbindlichkeit unter Erlass der Haftungsforderung zum Insolvenzverfahren anmeldet. 67 Der Verzicht binde sodann den Insolvenzverwalter. 68 Demnach stünde der Verzicht auf eine Haftungsforderung nicht deren Geltendmachung gleich. Nach teilweise vertretener Gegenauffassung sei dies indes nicht mit der masseanreichernden Funktion des §  93 InsO vereinbar. 69 Dagegen spricht, dass §  93 InsO grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Insolvenzmasse hat. Verzichtet ein Gläubiger auf die Haftungsforderung, nimmt er lediglich nicht an der Verteilung aus der Sondervermögensverbindung teil. Dies spricht dagegen, dass eine Benachteiligung der Gläubigergesamtheit zu befürchten ist. So sind für die Gesellschaftsgläubiger hinsichtlich der gegen die Insolvenzmasse gerichteten Gesellschaftsforderungen sowie bezüglich der gegen die Gesellschaftsvermögen gerichteten Haftungsforderungen gesonderte Quoten auszugeben. Dies bedeutet, dass die übrigen Gläubiger bei einem Verzicht eines Gläubigers auf seine Haftungsforderung hinsichtlich der aus den Haftungsforderungen gebildeten Sondervermögensverbindung sogar eine höhere Quote erzielen können. Dies hat zur Folge, dass der auf die Haftungsforderung verzichtende Gläubiger letztlich nur selbst eine finanzielle Beeinträchtigung erfährt. Werden etwa aus der Insolvenzmasse Sanierungskosten als Masseverbindlichkeiten beglichen, ist es lediglich der verzichtende Gläubiger, der keine Kompensation über die Gesellschaftervermögen erlangen kann. Die aus §  93 InsO folgende Sperrwirkung erschöpft sich unter dem modifizierten Haftungsmodell folglich darin, dass die Haftungsgläubiger ihre Haftungsforderung ungeachtet deren akuter Fälligkeit bei gegebener Forderungsinhaberschaft weiterhin nicht isoliert geltend machen oder sich über diese vergleichen können. Sie ist damit letztlich Ausdruck der zentralisierten Geltendmachung der Gesellschafterhaftung durch den Insolvenzverwalter. Gleichwohl können die Haftungsgläubiger isoliert auf ihre Haftungsforderungen (teilweise) verzichten, weil dies keine Auswirkungen auf die Interessen der Gläubigergesamtheit hat; insoweit ist die Sperrwirkung nicht betroffen. 2. Auf den Unterdeckungsbetrag angemeldeter Forderungen beschränkte Ermächtigungswirkung Ebenso erfährt die Reichweite der aus §  93 InsO resultierenden Ermächtigungswirkung unter dem modifizierten Haftungsmodell eine neue Ausrichtung. Indem die Gesellschafterhaftung im Rahmen des besonderen Liquidationsverfah67  Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  15; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  49 f. 68  Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  6 . 69  H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  53.

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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rens    – bereits aus §  128 HGB folgend    – stichtagsbezogen in dem Umfang der Unterdeckung zu den Händen des Insolvenzverwalters fällig wird, ist dieser nicht bezogen auf die einzelnen Haftungsforderungen einziehungs- und verfügungsbefugt, sondern hinsichtlich des fälligen Ausgleichsanspruchs. Die aus §  128 HGB sowie §  93 InsO folgende Ermächtigung des Verwalters umfasst auch den Vergleich mit einem Gesellschafter über die Höhe seiner Haftung.70 Dies ist Ausdruck der bloß einseitig wirkenden Akzessorietät.71 Anders als die Gläubiger selbst, hat der Insolvenzverwalter diese Möglichkeit, weil die Gesellschafterhaftung zwar einzelne Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern begründet, diese aber mangels Fälligkeit nicht individuell gegenüber den Gesellschaftern geltend gemacht werden können. Die Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Unterdeckungshaftung der Gesellschafter ermöglicht es, sich im Interesse der Gläubigergesamtheit an den finanziellen Möglichkeiten der Gesellschafter zu orientieren, ohne über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnen zu müssen.72 Die Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters bezieht sich allerdings nicht auf einzelne Haftungsverbindlichkeiten, sondern auf den jeweils fälligen Unterdeckungsbetrag. Hintergrund ist, dass sich die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters auf die Geltend­ machung der Unterdeckung im Fremdinteresse konzentriert. Auf diese erstreckt sich die Vergleichsbefugnis, sodass ein mit dem Vergleich einhergehender Teilerlass, im Rahmen des sich Aufeinanderzubewegens, sich auf den Unterdeckungsbetrag bezieht. Die Verzichtsbefugnis hinsichtlich der einzelnen Haftungsforderung verbleibt hingegen bei den Haftungsgläubigern.73 Die einzelverbindlichkeitsbezogene Gesellschafterhaftung als solche bleibt aufrechterhalten und teilt im Übrigen das Schicksal der Gesellschaftsverbindlichkeiten. Eine Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters bezüglich einzelner materiell-­ rechtlicher Haftungsforderungen würde zu einem unauflöslichen Konflikt führen, wenn sich nachträglich eine Korrektur des Unterdeckungsstatus herausstellt, etwa weil aus der Insolvenzmasse Sanierungsbemühungen finanziert werden, wodurch sich der Unterdeckungsstatus erhöht.74 Vor dem Hintergrund, dass sich der Vergleich des Insolvenzverwalters über die Gesellschafterhaftung auf den allgemeinen Unterdeckungsbetrag richtet, erfolgt dieser letztlich stets mit Gesamtwirkung zugunsten und zulasten der Gläubigergesamtheit und nicht hinsichtlich einzelner Gläubiger. Dementsprechend ist auch allenfalls 70 Vgl.

S. Krüger, NZI 2002, 367 (368 f.). Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.VII. 72  Vgl. BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  26; BAG, Uv. 28.11.2007    – 6 AZR 377/07, juris-Rn.  16. 73  Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 A.II.2; BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  22; BAG, Uv. 28.11.2007    – 6 AZR 377/07, juris-Rn.  19; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  52; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  30; a. A. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  6; Klinck, NZI 2008, 349 (349 ff.). 74  Vgl. dazu, K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1087). 71 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

eine Zustimmung der Gläubigergesamtheit angezeigt, nicht demgegenüber diejenige einzelner Gläubiger.75 3. Auf das insolvenzrechtliche Planverfahren beschränkte materielle Befriedungsfunktion Sowohl mit Blick auf die erst stichtagsbezogene Fälligkeit der zentralisiert geltend zu machenden Gesellschafterhaftung als auch den Umstand, dass offene Verbindlichkeiten einer Vollbeendigung des Verbandes entgegenstehen,76 erscheint es problematisch, dass sich die Einziehungs- und Prozessführungs­ befugnis des Insolvenzverwalters lediglich auf die Haftungsforderungen der Gläubiger erstreckt, die sich am Insolvenzverfahren durch die Anmeldung ihrer Ansprüche beteiligen, weil sich die Aufgabe des Drittliquidators nach insolvenz­ rechtlichem Regime auf die Befriedigung nur dieser Gläubiger beschränkt.77 Damit folgt die Ermächtigungswirkung nicht der Sperrwirkung, die sämtliche Insolvenzforderungen erfasst, gleich ob angemeldet oder nicht und ob zur Tabelle festgestellt oder nicht.78 a) Aus der Anmeldeobliegenheit folgende Relativität der Stellung als Gesellschafterhaftungsgläubiger sowie deren Überwindung durch den Insolvenzplan Verlagert man die Abwicklung der Gesellschafterhaftung in das besondere Liquidationsverfahren, hat dies also zur Folge, dass sich die aus §  93 InsO sowie §  128 HGB folgende Sperrwirkung zwar auf sämtliche Forderungen der Gesellschaftsgläubiger bezieht, der Drittliquidator aber lediglich befugt ist, solche Haftungsforderungen geltend zu machen bzw. sich über deren Gesamtheit in Höhe des fälligen Unterdeckungsbetrages mit den Gesellschaftern zu vergleichen, deren Hauptverbindlichkeit auch zu dem Insolvenzverfahren angemeldet ist. Soll es nach dem Leitbild des §  199 Satz  2 InsO mit dem Abschluss des Insolvenzverfahrens nun aber zu einer Vollbeendigung des Personenverbandes kommen können,79 setzt dies voraus, dass sämtliche Forderungen gegenüber der Gesellschaft zum Erlöschen kommen, weil die qualitative Vermögenslosigkeit insoweit notwendige Vollbeendigungsvoraussetzung ist.80 Zu einem entsprechenden Erlöschen kann es nur bei einer Gesamtwirkung der Verfahrensbeendigung gegenüber allen Gläubigern kommen. Eine solche kommt lediglich nach den Vorschriften über den Insolvenzplan in Betracht, weil dieser gemäß §§  254, 75 Vgl.

Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  53. Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc). 77  BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  17, 19; H.-F. ­Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  53. 78  BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris-Rn.  16 f., 22, 27; vgl. S. Krüger, NZI 2002, 367 (369 f.). 79  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)aa). 80  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)cc). 76 

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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254b InsO Wirkung gegenüber allen in §  217 InsO bezeichneten Planbeteiligten entfaltet und damit auch gegenüber Gläubigern, die ihre Forderungen nicht ­angemeldet haben, sowie für Beteiligte, die dem Insolvenzplan widersprochen haben.81 Wird danach durch den gestaltenden Teil des Plans eine Gesellschaftsverbindlichkeit teilweise erlassen, entfaltet dies akzessorische Wirkung für die Gesellschafterhaftung. Demgegenüber beschränkt sich die Ermächtigungswirkung des §  93 InsO lediglich auf die Haftung für angemeldete Forderungen der Gesellschafts­ ­ gläubiger; die diesbezügliche Vergleichsbefugnis des Verwalters folgt dieser Reichweite, 82 indem diese nur Beteiligte des Insolvenzverfahrens bindet. Das Insolvenzverfahren entfaltet hinsichtlich der Haftungsforderungen daher grundsätzlich nur eine relative Wirkung gegenüber den ihre Gesellschaftsforderung zur Tabelle anmeldenden Gesellschafterhaftungsgläubigern. Bezogen auf die Gesellschafterhaftung kann dieses Auseinanderfallen von Sperr- und Ermächtigungswirkung dazu führen, dass sich die Gesellschafterhaftung bei Nichtanmeldung der Hauptverbindlichkeit letztlich nicht realisieren lässt. Zwar aktualisiert sich die Unterdeckungshaftung der Gesellschafter, wenn sich nachträglich eine Unterdeckung der Masse herausstellt. Eine Geltendmachung außerhalb des besonderen Liquidationsverfahrens kommt hingegen nicht in Betracht. Die Nichtanmeldung einer Gesellschaftsverbindlichkeit kommt hinsichtlich der Gesellschafterhaftung einem Verzicht auf diese gleich. Ein solcher faktischer Verlust der Gesellschafterhaftung könnte mit Blick auf den grundgesetzlichen Eigentumsschutz nach Art.  14 GG problematisch sein. In materiell-rechtlicher Hinsicht teilt die Gesellschafterhaftung allerdings das Schicksal der Hauptverbindlichkeit. Dementsprechend führt die bloße Nichtanmeldung noch nicht zu einem Erlöschen der Forderung. Damit kommt es auf eine Qualifikation der Nichtanmeldung als „beredtes Schweigen“ nicht an. Vielmehr ist der Insolvenzverwalter gehalten, eine Gesamtwirkung gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern auf der Grundlage eines Insolvenzplans herbeizuführen, sodass mit Blick auf den grundrechtlichen Eigentumsschutz aus Art.  14 GG keine Bedenken hinsichtlich der Verlagerung des haftungsrechtlichen Abwicklungsregimes in das besondere Liquidationsverfahren bestehen. Erst eine solche Gesamtwirkung gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern führt zu einer Durchbrechung der bloß relativen Verfahrensstellung der Haftungsgläubiger sowie zu einem Erlöschen der Gesellschaftsverbindlichkeit und damit auch der Gesellschafterhaftung mit der Folge, dass der Personenverband mangels Gesellschafts­ vermögen vollbeendigt werden könnte. Dementsprechend kommt der bloßen Nichtanmeldung keine eigenständige privatautonome Verzichtsbedeutung zu. 81 Zum Insolvenzplanverfahren, Beck/Pechartscheck, in: Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan, §  3 Rn.  1 ff.; Madaus, ZIP 2016, 1141; ders., Der Insolvenzplan. 82  Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 A.II.2.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Damit korrespondierend nimmt das Regelinsolvenzverfahren auch noch keine allgemeine Befriedungsfunktion ein; erst im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens lässt sich gewährleisten, dass die Gesellschaft tatsächlich vermögenslos wird, weil sich die Wirkungen des Insolvenzplans auch auf Gläubiger erstreckt, die sich nicht am Insolvenzverfahren beteiligt haben. Ebenfalls mit Blick auf Art.  14 GG problematisch sind unerkennbare Gläubigerforderungen.83 Solche zeigen sich insbesondere bei deliktisch Geschädigten, wenn sich die Folgen der Schädigung erst später zeigen. Ohne materielle Befriedigung hätten solche lediglich eine Nachtragsliquidation zur Konsequenz. Demgegenüber erstreckt §  254b InsO die Wirkungen des Plans auch auf solche Gläubiger mit der Folge, dass der Verband als Rechtssubjekt wegfällt. Eine Einstandspflicht gemäß §  128 HGB kommt dementsprechend auch nicht mehr in Betracht. Insoweit wird vorgeschlagen, zwingend in dem Insolvenzplanverfahren einen Repräsentanten für die Gruppe unerkennbarer Gläubiger einzusetzen. 84 b) Bekanntmachungspflicht analog §§  50, 51 BGB und Befriedungsfunktion des Planverfahrens In Anbetracht der Tatsache, dass dem Planverfahren im Unterschied zur bloßen Nichtanmeldung eine materielle Befriedungsfunktion zukommt, ist sicherzustellen, dass die Gläubiger eine hinreichende Möglichkeit erhalten, von der Entscheidung über den Plan Kenntnis zu erlangen, um sich durch die Anmeldung entsprechende Mitwirkungsrechte sichern zu können (§§  235 ff., 77 InsO). Mit der Befriedungsfunktion korrespondiert daher eine Publizitätspflicht, wie sie mit liquidationsrechtlichen Sperrjahren verbunden ist, vgl. §§  50, 51 BGB. Die entsprechend §  50 BGB erforderliche Publizität wird durch die öffentliche Bekanntmachung der Insolvenz nach §  9 InsO, die Gläubigeraufforderung gemäß §  28 InsO, die Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses gemäß §  30 InsO sowie durch die Niederlegung des Plans nach §  234 InsO und die abschließende Bekanntgabe der Entscheidung gemäß §  252 InsO gewährleistet. Das Befriedigungsinteresse der Gläubiger steht in Konflikt mit der Regelung des §  28 InsO, die einer schnellen Abwicklung des Insolvenzverfahrens dient. Zu einem materiellen Forderungsausschluss kann aber erst das Planverfahren führen, sodass die Gläubigerinteressen erst mit dessen Ende vollständig zu berücksichtigen sind. Die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens über das Vermögen eines Personenverbandes hat sich hinsichtlich seiner Länge an dem Sperrjahr des §  51 BGB zu orientieren. Die Eigentumsgarantie führt dazu, dass Ausschlussklauseln hinsichtlich unbekannter Gläubiger nicht in Betracht kommen, vielmehr sind im Rahmen des Planverfahrens Sondergruppen für bislang unbe-

83 Vgl. 84 

Madaus, in: MüKoInsO, §  254b Rn.  11. Madaus, in: MüKoInsO, §  254b Rn.  11.

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

407

kannte Gläubiger zu bilden, weil sich auch die positiven Gestaltungswirkungen des Plans auf passive Gläubiger erstrecken. 85 4. Unzulässigkeit der Freigabe von Haftungsforderungen an Gläubiger Im Rahmen der Sperr- und Ermächtigungswirkung von §  93 InsO wird teilweise angenommen, dass der Insolvenzverwalter in entsprechender Anwendung des §  85 Abs.  2 InsO dergestalt über seine Einziehungsbefugnis verfügen könne, dass einzelne Forderungen an die Haftungsgläubiger freigegeben werden könnten und diese sodann im Wege der Einzelvollstreckung gegen die Gesellschafter vorgehen könnten, weil die Geltendmachung von schwer realisierbaren Forderungen angesichts damit verbundener Kosten dem der Gläubigergesamtheit zugewiesenen Haftungsvermögen Nachteile zufügen könnte. 86 Diese sog. Rück­ ermächtigung ist zu unterscheiden von der Freigabe von Forderungen gegen die Gesellschaft.87 Unter dem modifizierten Haftungsregime lässt sich ein solches Verständnis nicht aufrechterhalten, weil der Regelungszweck des §  128 HGB dazu führt, dass die Gesellschafterhaftung im Interesse der Gläubigergesamtheit zu Händen des besonderen Drittliquidators lediglich in Höhe des Unterdeckungsbetrages fällig wird und sich die Einziehungsermächtigung des Insolvenzverwalters auf diesen Betrag beschränkt. Die einzelne Haftungsforderung wird im Rahmen dieses Anspruchs zur bloßen Rechnungsziffer, sodass jedenfalls eine Rückübertragung nicht in Betracht kommt.88 Eine Realisierung der Gesellschafterhaftung im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft wird sodann überwiegend zugelassen (sog. modifizierte Freigabe).89 Für diese Geltendmachung spreche, dass Kostenrisiken externalisiert werden könnten. Dagegen spreche indes, dass sich der Insolvenzverwalter auf diese Weise einer e­ ffektiven Einflussnahmemöglichkeit auf Art und Weise der Prozessführung begebe, weil diese lediglich im Innenverhältnis bestimmt werden könne.90 Gegen eine modifizierte Freigabe spricht letztlich, dass die (einzelnen) Gläubiger zwar ebenfalls im Interesse der Gläubigergesamtheit agieren würden, dies jedoch ohne einer 85 Vgl.

Madaus, in: MüKoInsO, §  254b Rn.  5 ff. Böckmann, ZIP 2005, 2186 (2187 ff.); lediglich im Einzelfall, Gehrlein, in: MüKoInsO, §  92 Rn.  17; weitergehend, Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  44, §  92 Rn.  36; insoweit offen lassend, BGH, Uv. 10.12.2007    – II ZR 239/05, BGHZ 175, 12–28 = juris-­R n.  43; a. A. OLG Dresden, Uv. 9.8.2005    – 2 U 897/04, juris-Rn.  251 ff.; Runkel/J. M. Schmidt, ZInsO 2007, 505 (508); teilweise unter Beschränkung der Freigabe zur Zahlung an den Insolvenzverwalter, Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  92 Rn.  24; Lüke, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  92 Rn.  33 f.; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  55; zu §  171 HGB, M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  171 Rn.  12; a. A. OLG Schleswig, Bv. 9.2.2004    – 5 W 4/04, BeckRS 2004, 1618 Rn.  6. 87  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)aa). 88  So auch i. E., K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  93 Rn.  32. 89  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  93 Rn.  33; a. A. OLG Schleswig, Bv. 9.2.2004    – 5 W 4/04, BeckRS 2004, 1618 Rn.  6. 90  OLG Schleswig, Bv. 9.2.2004    – 5 W 4/04, BeckRS 2004, 1618 Rn.  6 . 86 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

entsprechenden Geschäftsleiterhaftung nach §§  60, 61 InsO zu unterliegen (vgl. auch §  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3 InsO). Eine Freigabe hinsichtlich der Haftungsforderungen ohne korrespondierende Haftung der Prozessstandschafter kommt unter dem Regime der §  128 HGB zugrundeliegenden haftungsrecht­ lichen Gläubigergleichbehandlung nicht in Betracht. III. Zwischenergebnis Im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens richtet sich die Geltendmachung der modifizierten Gesellschaft-Exithaftung weitgehend nach dem eta­ blierten Verständnis. Nach Verfahrenseröffnung macht es keinen Unterschied, ob das Insolvenzverfahren fremdbestimmt durch einen Insolvenzverwalter durchgeführt wird oder ob über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin die Eigenverwaltung angeordnet ist, weil auch die eigenverwaltenden Gesellschafter das besondere Liquidationsverfahren nicht im Eigeninteresse betreiben, sondern im Interesse der Gläubigergesamtheit.91 Auch in den Konstellationen, in denen das Insolvenzverfahren nach §  1 InsO unter dem Regime des ergänzenden Verfahrensziels der Sanierung geführt wird, weil eine übertragende ­Sanierung oder eine Sanierung im Wege des Insolvenzplan- bzw. Eigenverwaltungsverfahrens    – insbesondere unter dem Schutz des sanierungsvorbereitenden Schutzschirmverfahrens    – in Betracht kommen, ist keine abweichende Beurteilung der Haftungsabwicklung angezeigt. Dabei ist es unerheblich, dass eine Sanierung des Unternehmens häufig nicht zu einer Liquidation des Rechtsträgers führt. So ändert eine Sanierung nichts an der Eigenschaft des Insolvenzverfahrens als besonderem Liquidationsverfahren, weil auch ohne eine Vollabwicklung des Insolvenzschuldners der gläubigerschützende Verfahrenszweck derart im Vordergrund steht, dass alle Gläubigerforderungen mittelfristig zum Erlöschen gebracht werden sollen und somit die Voraussetzungen für eine Vollbeendigung geschaffen werden. Hinsichtlich des modifizierten Haftungsmodells bedeutet dies, dass während des zur Sanierung betriebenen Insolvenzverfahrens die Gesellschafterhaftung in Höhe des Unterdeckungsbetrages fällig wird, während im Rahmen des sich anschließenden werbenden Stadiums der Gesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ein Zugriff auf die Gesellschaftervermögen wieder ausscheidet. Sowohl mit Blick auf die insolvenzrechtliche Beurteilung als auch die diesbezüglichen schuld- bzw. gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen bestehen hinsichtlich einer bloß faktischen Sanierungshaftung der Gesellschafter keine Bedenken, wenn etwa der Insolvenzverwalter    – vorbehaltlich arglistiger Verhaltensweisen    – die Gesellschafterhaftung dazu instrumentalisiert, die Insolvenzmasse von Insolvenzforderungen freizuhalten. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Nachschussansprüche aus §  735 BGB. Mit Blick auf die Vermögens­ 91 

Siehe dazu Kap.  3 §  7 A.I.

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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trennung sowie die diesbezüglich gebotene teleologische Reduktion von §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB kommt lediglich keine unmittelbare Einstandspflicht der Gesellschafter für als Masseverbindlichkeiten zu qualifizierende Sanierungsbeträge in Betracht. Einer Einschränkung dieser teleologischen Korrektur bedarf es mit Blick auf Sanierungsbeiträge nicht, weil diese nicht zu einem unmittelbaren Nutzen der Gesellschafter führen. Die Vermögenstrennung im Personenverband setzt sich im Insolvenzbeschlag, wie er in der Insolvenzmasse im Sinne von §  26 InsO zum Ausdruck kommt, sowie in der Haftungsverwirklichung nach §  93 InsO    – mit der Folge zu bildender Sondervermögensverbindungen    – strikt fort. Unter Zugrunde­ legung des modifizierten Haftungsmodells kommt der §  93 InsO zugesprochenen Sperrwirkung nur noch eine sehr eingeschränkte Bedeutung zu, weil die Gesellschaftsgläubiger ohnehin keine Möglichkeit haben, eigenständig auf die Gesellschaftervermögen zuzugreifen. Die aus §  93 InsO folgende Sperrwirkung erschöpft sich unter dem modifizierten Haftungsmodell darin, dass die Haftungsgläubiger ihre Haftungsforderung ungeachtet deren akuter Fälligkeit bei gegebener Forderungsinhaberschaft weiterhin nicht isoliert geltend machen oder sich über diese vergleichen können. Sie ist damit letztlich Ausdruck der zentralisierten Geltendmachung der Gesellschafterhaftung durch den Insolvenzverwalter. Gleichwohl können die Haftungsgläubiger isoliert auf ihre Haftungsforderungen (teilweise) verzichten, weil dies keine Auswirkungen auf die Interessen der Gläubigergesamtheit hat; insoweit ist die Sperrwirkung nicht betroffen.92 Ebenso erfährt die Reichweite der aus §  93 InsO resultierenden Ermächtigungswirkung unter dem modifizierten Haftungsmodell eine neue Ausrichtung.93 Indem die Gesellschafterhaftung im Rahmen des besonderen Liquidationsverfahrens    – bereits aus §  128 HGB folgend    – stichtagsbezogen in dem Umfang der Unterdeckung zu den Händen des Insolvenzverwalters fällig wird, ist dieser nicht bezogen auf die einzelnen Haftungsforderungen einziehungsund verfügungsbefugt, sondern hinsichtlich des fälligen Ausgleichsanspruchs. Die darauf bezogene Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters ermöglicht es, sich im Interesse der Gläubigergesamtheit an den finanziellen Möglichkeiten der Gesellschafter zu orientieren, ohne über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnen zu müssen. Die Verzichtsbefugnis hinsichtlich der einzelnen Haftungsforderung verbleibt hingegen bei den Haftungsgläubigern. Verlagert man die Abwicklung der Gesellschafterhaftung in das besondere Liquidationsverfahren, hat dies zur Folge, dass sich die aus §  93 InsO sowie §  128 HGB folgende Sperrwirkung zwar auf sämtliche Forderungen der Gesellschaftsgläubiger bezieht, der Drittliquidator aber lediglich befugt ist, solche 92  93 

Siehe dazu Kap.  3 §  7 A.II.1. Siehe dazu Kap.  3 §  7 A.II.2.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Haftungsforderungen geltend zu machen bzw. sich über deren Gesamtheit in Höhe des fälligen Unterdeckungsbetrages mit den Gesellschaftern zu vergleichen, deren Hauptverbindlichkeit auch zu dem Insolvenzverfahren angemeldet ist. Nur dem Planverfahren kommt daher eine materielle Befriedungsfunktion zu, die es ermöglicht, die Insolvenzschuldnerin nach dem Leitbild des §  199 Satz  2 InsO vollzubeendigen. Mit der Befriedungsfunktion korrespondiert eine Publizitätspflicht, wie sie mit liquidationsrechtlichen Sperrjahren verbunden ist. Die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens über das Vermögen eines Personenverbandes hat sich hinsichtlich seiner Länge an dem Sperrjahr des §  51 BGB zu orientieren.94 Eine Freigabe hinsichtlich der Haftungsforderungen ohne korrespondierende Haftung der Prozessstandschafter kommt unter dem Regime der §  128 HGB zugrundeliegenden haftungsrechtlichen Gläubigergleichbehandlung nicht in Betracht, weil die Gesellschafterhaftung zu Händen des besonderen Drittliquidators lediglich in Höhe des Unterdeckungsbetrages fällig wird und sich die Einziehungsermächtigung des Insolvenzverwalters auf diesen Betrag beschränkt. Die einzelne Haftungsforderung wird im Rahmen dieses Anspruchs zur bloßen Rechnungsziffer, sodass eine Rückübertragung nicht in Betracht kommt.95

B. Liquiditätsorientierte Verfahrenseröffnung Indem die Haftungsabwicklung nach dem hier entwickelten Modell den Eintritt in das besondere Liquidationsverfahren voraussetzt, kommt dessen Einleitungsvoraussetzungen maßgebliche Bedeutung zu. Befindet sich eine Gesellschaft in der Krise, ist die Gefahr opportunistischen Verhaltens    – sei es durch die Ausplünderung des Gesellschaftsvermögens, durch die Übernahme zusätzlicher Verbindlichkeiten auf Kosten vorhandener Altgläubiger oder durch eine riskante Investitionspolitik    – besonders groß, weil die Anreize für die Organe in wirtschaftlich schwieriger Situation zu riskanten Vermögensverschiebungen angesichts des Endspielcharakters steigen.96 Dabei wird die Fähigkeit, noch eine Wende herbeizuführen, häufig überschätzt.97 Zwar werden diese Risiken auch durch in das vorinsolvenzliche Stadium zurückwirkende Anfechtungsrechte internalisiert (vgl. etwa §  134 InsO; zur Anfechtung während des werbenden Stadiums, §  4 AnfG),98 indem diese die Vermögensbindung wiederherstellen, der dadurch zu erreichende Gläubigerschutz ist aber lediglich ein ergänzender. Grundsätzlich ist es originäre Aufgabe des gesellschaftsrechtlichen Haftungsregimes, angesichts verbandsspezifischer Risiken einen effektiven Gläubiger94 

Siehe dazu Kap.  3 §  7 A.II.3. Siehe dazu Kap.  3 §  7 A.II.4. 96  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  14; vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (101). 97  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  16. 98  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  279 ff. 95 

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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schutz zu gewährleisten. Verlagert man dessen Realisierung im Interesse der Gläubigergesamtheit in das besondere Liquidationsverfahren, kommt der Beurteilung der stichtagsbezogenen Fälligkeit besondere Bedeutung zu. Während im Rahmen des geschlossenen Kapitalschutzsystems juristischer Personen des Handelsrechts eine strenge haftungs- und strafbewährte Insolvenzantragspflicht gilt (vgl. §§  15a, 15b InsO, §  64 GmbHG a. F., §§  92 Abs.  2, 93 Abs.  3 AktG a. F.; ergänzt durch §  130a HGB a. F.), sieht das Recht der Personenaußengesellschaften angesichts der persönlichen Gesellschafterhaftung diesbezüglich fließendere Grenzen vor. Nach §  15 InsO sind zur Stellung des Insolvenzantrags die Gläubiger sowie die persönlich haftenden Gesellschafter bzw. in Liquidation die Liquidatoren berechtigt.99 Unter dem modifizierten Haftungsmodell ist ein berechtigtes Interesse der Gläubiger zur Stellung des Insolvenzantrags jedenfalls nicht mit Blick auf die Zahlungswilligkeit einzelner Gesellschafter abzulehnen,100 da eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter durch die Gläubiger gar nicht in Betracht kommt. Im Unterschied zu §  15a InsO    – das Gläubigerantragsrecht ist von dieser Antragspflicht ausgenommen    – sind die Gesellschafter der Personenaußengesellschaft bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes nicht generell verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen; Hintergrund ist die persönliche Haftung der Gesellschafter.101 Dies ist auch unter dem modifizierten Haftungsmodell sachgerecht. So ist die verspätete Stellung eines Insolvenzantrags in der Personenaußengesellschaft unproblematisch, weil das dem Haftungszugriff unterworfene Haftungsvolumen von der Antragstellung nicht beeinträchtigt wird. Abflüsse aus dem Gesellschaftsvermögen, die nach Insolvenzreife erfolgen, können in Höhe der Unterdeckung durch den Zugriff auf die Gesellschaftervermögen ausgeglichen werden. Damit ist ein verschleppter Insolvenzantrag jedenfalls ohne Auswirkung auf die Haftungsinteressen einzelner Gläubiger. Auch mit Blick auf die Interessen der Gläubigergesamtheit führt eine verzögerte Insolvenzantragstellung    – bezogen auf die Gesellschafterhaftung    – nicht zu einer Beeinträchtigung, weil einzelne Gläubiger ohnehin nicht auf die Gesellschaftervermögen zugreifen können. Problematisch ist es demgegenüber, dass hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeiten das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip gilt, sodass zügige Gläubiger im Stadium materieller Insolvenzreife zu Lasten der Gläubigergesamtheit noch auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen können, ohne im späteren Gesellschaftsinsolvenzverfahren auf eine Quote verwiesen zu werden. Zwar sind bei Gesellschaften ohne Gesellschafterhaftung die vermögensrechtlichen 99 Vgl. Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 1812, I-1817. 100 Vgl. Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-­ 1818. 101  Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1819; vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  221.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Konsequenzen eines Wegfalls des haftenden Gesellschaftsvermögens ungleich höher, auch hinsichtlich Personenaußengesellschaften könnte insoweit aber ein Schutzdefizit bestehen. Demgegenüber ließe sich einwenden, dass bei der Personengesellschaft schon deswegen keine Insolvenzantragspflicht zu regeln ist, weil rechtsformspezifisch bei dieser jederzeit die Gefahr besteht, dass die Gesellschaftergesamtheit den Abzug des Gesellschaftsvermögens beschließt. Dieser latente Zustand der drohenden Insolvenzreife könnte der Regelung einer Insolvenzantragspflicht entgegenstehen. Diese Interessenlage ist indes auch bei solchen Personengesellschaften gegeben, in denen kein Gesellschafter eine persönlich haftende natürliche Person ist. Insoweit ist §  15a InsO aber einschlägig und §  15b InsO (§  130a HGB a. F.) regelt diesbezüglich ein Zahlungsverbot. Dementsprechend kann es nur die persönliche Haftung der Gesellschafter sein, die eine derart strenge, strafbewährte Insolvenzantragspflicht obsolet macht. Soweit hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeiten daher ein Wettlauf der Gläubiger aufkommt, wird dieser also durch die Gesellschafterhaftung aufgefangen. Die Risiken einer späteren Antragstellung werden durch das Gesetz den Gläubigern überantwortet. Gleichzeitig haben die Gesellschafter die Stellung des Insolvenzantrags selbst in der Hand und können bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach §  18 InsO durch eine rechtzeitige Antragstellung ihre Haftung auf Altverbindlichkeiten begrenzen. Diese von der persönlichen Haftung ausgehende Anreizwirkung ist letztlich die rechtspolitische Legitimation dafür, dass der Gesetzgeber auf eine Antragspflicht verzichtet hat.102 Dieses unterschiedliche Bild über die Risikoverteilung hinsichtlich der Insolvenzantragstellung spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Insolvenzgründen der §§  16 ff. InsO wider. So setzt nach §  16 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes der §§  17 bis 19 InsO voraus. Während die §§  17, 18 InsO auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des zukünftigen Insolvenzschuldners und damit auf Illiquidität abstellen,103 sieht §  19 InsO einen eigenen daneben tretenden Eröffnungsgrund der Überschuldung bei Verbänden vor, bei denen kein Gesellschafter eine persönlich haftende, natürliche Person ist. §  19 InsO stellt damit die Vermögenssituation der potenziellen Insolvenzschuldnerin in den Vordergrund.104 Dadurch, dass eine Überschuldung (das Vermögen deckt bei Ansatz von Liquidationswerten die Verbindlichkeiten nicht mehr und eine Fortführung erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich, weil die Finanzkraft mittelfristig nicht ausreicht)105 früher vor102 Vgl.

Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  15 Rn.  8. Gehrlein, GmbHR 2021, 183 (184 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 VI 3 a, S.  322; RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  84; ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  43 ff. 104 Vgl. Bitter, ZIP 2021, 321 (322 ff.); Pott, NZI 2012, 4 (4 ff.); Wolfer, in: BeckOK InsO, Stand: 15.10.2020, §  19 Rn.  4; generell ablehnend, Frystatzki, NZI 2011, 521 (526);  Hunke­ möller/Tymann, ZInsO 2011, 712 (712 ff., 715). 105 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §   11 VI 3 a, S.  322 f.; zur Novellierung des §  19 103 Vgl.

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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liegen kann als die Zahlungsunfähigkeit (das Unvermögen zur Bedienung der fälligen Zahlungspflichten), soll einerseits ein früherer Beschlag des Schuldnervermögens ermöglicht werden. Angesichts des erschöpflichen Vermögens der Insolvenzschuldnerin soll dadurch eine größere Massedeckung erreicht werden. Andererseits entfaltet die damit verbundene Insolvenzantragspflicht für juristische Personen sowie atypische Personengesellschaften im Sinne von §§  15a Abs.  1 Satz  3, 15b Abs.  6 InsO im vorinsolvenzlichen Stadium einen gewissen Gläubigerschutz, weil materiell insolvenzreife Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person persönlich haftet, früher in das Insolvenzverfahren überführt werden. Einer entsprechenden Vorverlagerung bedürfe es bei gegebener Gesellschafterhaftung demgegenüber nicht, weil bei der Insolvenz einer Personen­ außengesellschaft über das Schuldnervermögen hinaus die Gesellschaftervermögen zur Begleichung von Insolvenzforderungen herangezogen werden können.106 So genössen rechtsformtypische Personenaußengesellschaften angesichts der Einstandspflicht natürlicher Personen auch im Stadium der Überschuldung im Unterschied zu Rechtsformen ohne persönliche Haftung noch eine ausreichende Kreditwürdigkeit, sodass die Einleitung des Insolvenzverfahrens nur auf freiwilliger Basis unter dem Regime des §  18 InsO in Betracht komme.107 Solange die Personengesellschaft demzufolge noch zahlungsfähig ist, ist eine Aktivierung der Fälligkeit der Gesellschafterhaftung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erforderlich. Gleichwohl wird die Nichtanwendung des Eröffnungsgrundes der Überschuldung auf Personengesellschaften rechtspolitisch problematisiert, weil es angesichts insoweit unzureichenden Gläubigerschutzes auch bei persönlicher Gesellschafterhaftung bei keiner Rechtsform hinzunehmen sei, dass überschuldete Rechtsträger ohne Insolvenzeröffnung weiter operierten.108 So drohen insbesondere im Stadium der Überschuldung Anreize zu opportunistischem, gläubigerschädigendem Verhalten.109 Durch diese wird das anfängliche Nichterfüllungsrisiko nachträglich einseitig erhöht (Entwertungsrisiko).110 Knüpft man mit den §§  17, 18 InsO für die Eröffnung InsO, Brinkmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2020, juris-Rn.  13; kritisch, Gehrlein, GmbHR 2021, 183 (186 ff.). 106  Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1984, LS 1.2.6. II.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  7.16; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  19 Rn.  5 f. 107  Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1984, LS 1.2.6. II.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  7.16; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  19 Rn.  5 f.; vgl. Mock, in: Uhlenbruck, InsO, §  19 Rn.  7. 108  Mock, in: Uhlenbruck, InsO, §   19 Rn.  8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 VI 3, S.  323; ders., Gutachten D zum 54. DJt, D 64 f.; ders., JZ 1985, 301 (302 f.); ders., JZ 1982, 165 (171 f.); ders., ZIP 1980, 233 (237 f.); ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  46 ff., 59 ff.; ders., ZGR 27 (1998), 633 (656 f.); vgl. H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  19 Rn.  5; K. Schmidt, ZGR 15 (1986), 178 (186 ff., 195 f.); ablehnend, RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  84. 109  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  14; vgl. Henssler, AnwBl 2014, 96 (101). 110  Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (153).

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des Insolvenzverfahrens an den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit an und legt damit lediglich eine liquiditätsbezogene Betrachtung zugrunde, bleibt unberücksichtigt, dass die Gesellschafterhaftung Liquiditätsausfälle zwar kompensieren kann, eine rein liquiditätsbezogene Betrachtung aber den Umstand unberücksichtigt lässt, dass auch die Gesellschaftervermögen erschöpflich sind.111 Eine bloß liquidationsbasierte Bewertung der Insolvenzeröffnung über das Vermögen von Personenaußengesellschaften lässt sich hingegen dadurch rechtfertigen, dass einerseits die von der Gesellschafterhaftung ausgehende Kreditwürdigkeit Berücksichtigung findet,112 andererseits wird dadurch aber auch der auf das wirtschaftliche Versagen des Personenverbandes folgende Ordnungseingriff des Staates weitestmöglich im Interesse der Privatautonomie der Gesellschafter zurückdrängt.113 Dabei kommt der Beschränkung auf den Eröffnungsgrund der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit    – mit Blick auf das modifizierte Haftungsmodell    – eine entscheidende haftungsrechtliche Bedeutung zu, die mit dem Regelungszweck des §  128 HGB in Einklang steht. Erst wenn von der Gesellschaft keine Befriedung einer fälligen Forderung zu erreichen ist, gebietet der Regelungszweck des §  128 HGB stichtagsbezogen eine Einstandspflicht der Gesellschafter.114 So kommt es mit Blick auf die Rechtssubjektivität des werbenden Personenverbandes und die daran auszurichtenden schuldrechtlichen Grundsätze unter Geltung des vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips lediglich auf das Leistungsinteresse der einzelnen Gläubiger an, sodass kein Bedürfnis für eine besondere Liquidation im Rahmen des Insolvenzverfahrens gegeben ist, wenn die fälligen Gesellschaftsverbindlichkeiten aus dem liquiden Gesellschaftsvermögen erfüllt werden können. Reicht dieses demgegenüber nicht mehr aus, entfaltet §  128 HGB angesichts der zu kompensierenden verbandsspezifischen Gefährdungslage im Interesse der Gläubigergesamtheit seine haftungsrechtliche Regelungswirkung, sodass eine Gesamtvollstreckung nach insolvenzrechtlichem Regime unter Einbeziehung der Gesellschaftervermögen nach §  128 HGB i. V. m. §  93 InsO erforderlich wird. Erst zu dem liquiditätsorientierten Zeitpunkt der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit bedarf es einer Aktivierung der von §  128 HGB intendierten haftungsrechtlichen Vollwertigkeitsgarantie des aus Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen gebildeten Haftungsfonds, wie sie mit dem besonderen Liquidationsfall durch die Saldierung der Vermögensverbindungen unter Beachtung der rechtssubjektiven Vermögenstrennung zu realisieren ist. Damit ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens liquiditätsbezogen und der liquidationsrechtliche Ausgleich vermögensbezogen zu bestimmen. Darüber hinaus berücksichtigt nur der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit das privatautonome Zusammenspiel von Selbstbe111 

Mock, in: Uhlenbruck, InsO, §  19 Rn.  7. Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.2. 113  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  7.16; vgl. Wellensiek, WM 1999, 405 (405). 114  Siehe dazu oben Kap.  2 §  5 C. 112 

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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stimmung und Selbstverantwortung.115 Solange die Gesellschaft in der Lage ist, fällige Verbindlichkeiten zu begleichen, ist maßgeblich nur sie einer Inanspruchnahme auszusetzen, weil die Gesellschafter mit der Konstituierung als Verband die Grundlage dafür gelegt haben, dass dieses Rechtssubjekt solange wie möglich selbstbestimmt und selbstverantwortlich im Rechtsverkehr agiert. Erst wenn der Rechtsverkehr Nachteile aus der verbandsmäßigen Aktivität in Form von Zahlungsausfällen erfährt, erfordert die selbstbestimmte Entscheidung der Gesellschafter, als Verband zu agieren, vor dem Hintergrund der daraus resultierenden Selbstverantwortung eine entsprechende Einstandspflicht. Der bloße Umstand, dass gegebenenfalls auch die Gesellschaftervermögen nicht ausreichen, die offenen Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begleichen, findet im Rahmen der Insolvenz des Personenverbandes demgegenüber keine Berücksichtigung, dies ist vielmehr eine Frage des gegebenenfalls einzuleitenden Insolvenzverfahrens über das Privatvermögen.116 Eine wertungsmäßige Vorverlagerung der von einer Gesellschafterinsolvenz betroffenen Interessen auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen steht in Widerspruch zu der eigentlichen Vermögenstrennung der unterschiedlichen Rechtssubjekte und der darauf ausgerichteten Insolvenzverfahren.

C. Die Abschlussentscheidung des Eröffnungsverfahrens als Weichenstellung für das anzuwendende Liquidationsregime Wird nun bei gegebenem Eröffnungsgrund die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beantragt (§  13 InsO), tritt das zuständige Insolvenzgericht in die Prüfung über die Eröffnung des Verfahrens ein. Das Eröffnungsverfahren findet bei zulässigem Antrag vorbehaltlich einer Antragsrücknahme nach §  13 Abs.  2 InsO seinen Abschluss entweder gemäß §  27 InsO mit dem Eröffnungsbeschluss oder, wenn das Schuldnervermögen voraussichtlich nicht ausreicht, die Verfahrenskosten zu decken, mit der Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse nach §  26 InsO. Zur vorläufigen Massesichtung kann das Insolvenzgericht gemäß der §§  21 bis 25 InsO erforderliche Maßnahmen treffen. Hinsichtlich der Gesellschafterhaftung hat der bloße Eröffnungsantrag noch keine Auswirkungen, weil die Gesellschaft nach §§  131 HGB, 728 BGB grundsätzlich erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. der Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse (vgl. §  31 Nr.  2 InsO) aufgelöst wird und damit in das besondere Liquidationsverfahren eintritt.117 Bezogen auf das modifizierte Haftungsmodell bedeutet dies, dass erst mit diesem 115 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 116  Siehe zu parallel verlaufenden Insolvenzverfahren unten Kap.  3 §  7 H, Kap.  3 §  9 A.II. 117  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 D.III.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Zeitpunkt neben der schuldrechtlichen Einstandspflicht der Gesellschaft im Interesse der von dem wirtschaftlichen Versagen des Verbandes betroffenen Gläubigergesamtheit auch die persönliche Gesellschafterhaftung im    – sich gegebenenfalls aktualisierenden    – Umfang der Unterdeckung fällig wird. Bezogen auf die unterschiedliche Reichweite der Einstandspflicht der Gesellschafter für Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten bzw. Verfahrenskosten ist ebenfalls der Eröffnungs- bzw. Ablehnungsbeschluss der maßgebliche Scheidepunkt.118 An diesem Befund ändert sich grundsätzlich auch nichts dadurch, dass das Insolvenzgericht vorläufige Maßnahmen anordnet. Lediglich die Anordnung eines Verfügungsverbots nach §  21 Abs.  2 Nr.  2 InsO hat dadurch Auswirkungen auf den Haftungsumfang, dass sich die Gesellschafterhaftung nicht auf Verbindlichkeiten erstreckt, die ein nach §§  21 Abs.  1 Nr.  1, 22 Abs.  1 InsO bestellter starker vorläufiger Insolvenzverwalter begründet. Der Fälligkeitszeitpunkt der Einstandspflicht der Gesellschafter wird dadurch demgegenüber nicht berührt.119

D. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse bzw. Einstellung des Verfahrens mangels Masse Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt nach dem entwickelten Modell im Regelfall eine Voraussetzung für eine gebündelte Einziehung der Haftungsforderungen für angemeldete Forderungen gegenüber der Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter dar, weil sich die Haftungsverwirklichung im Interesse der Gläubigergesamtheit zu vollziehen hat und die InsO mit §  93 ein entsprechendes Instrument zur Verfügung stellt. Verlagert man aufgrund des Regelungszwecks des §  128 HGB mit dem modifizierten Haftungsmodell die Fälligkeit der Gesellschafterhaftung im Interesse der Gläubigergesamtheit auf den Stichtag der Eröffnungsentscheidung, stellt sich insbesondere die Frage, was passiert, wenn das Vermögen der Gesellschaft noch nicht einmal ausreicht, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken und das Insolvenzgericht dementsprechend entweder bereits die Verfahrenseröffnung nach §  26 InsO ablehnt oder aber sich später herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken und das Verfahren nach §  207 Abs.  1 InsO einzustellen ist, was einen teilweisen Richtungswechsel des Verfahrensziels beinhaltet, weil zuerst Altmassegläubiger vor Neumassegläubigern zu befriedigen sind.120 Es stellt sich daher die Frage, ob im Falle der masselosen Insolvenz und damit außerhalb eines Insolvenzverfahrens eine dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsgrundsatz unterliegende, primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter unentbehrlich 118 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1, Kap.  2 §  5 C. Siehe dazu oben Kap.  2 §  5 C. 120 Vgl. Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1702); H. Roth, in: FS Gaul, S.  576 ff.; Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  342 ff., 344 ff. 119 

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ist.121 Bei einer Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse ist der Anwendungsbereich des §  93 InsO grundsätzlich nicht eröffnet. Dementsprechend könnte die Überleitung in das Liquidationsverfahren nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften dazu führen, dass die Gesellschafterhaftung nun doch unter Geltung des vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzips durchzuführen wäre, verbunden mit einer primären Inanspruchnahme der Gesellschafter. Fraglich ist umgekehrt, ob §  93 InsO bei einer Überwindung der Massearmut helfen kann,122 damit ein Insolvenzverfahren ungeachtet anfänglicher Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens durchgeführt werden kann. Problematisch ist insoweit insbesondere, dass die nach §  93 InsO geltend zu machenden Ansprüche gerade nicht Teil der Masse sind,123 sondern dass diesbezüglich Vermögenssonderungen vorzunehmen sind und außerdem eine Haftung für Verfahrenskosten sowie Masseverbindlichkeiten grundsätzlich gerade nicht in Betracht kommt.124 I. Genese von §§  26, 207 sowie §  93 InsO Unter der Geltung der Konkursordnung kam es häufig dazu, dass ein Insolvenzverfahren trotz Zahlungsunfähigkeit vieler Personenhandelsgesellschaften mangels Masse nicht eröffnet werden konnte.125 Diesem Missstand sollte durch die Einführung der InsO    – unter anderem durch die Regelung des §  93 InsO    – abgeholfen werden.126 Mit der InsO sollte die Eröffnung des Verfahrens so ausgestaltet werden, dass die Abweisung mangels Masse von der Regel wieder zur Ausnahme würde.127 Nach der Gesetzesbegründung sollten Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger zur Überwindung der Massearmut der Insolvenzmasse zugewiesen werden.128 Der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Regelungszweck des §  93 InsO steht damit augenscheinlich einer Trennung der Insolvenzmasse gegenüber der aus den Haftungsansprüchen zu bildenden Sondervermögensverbindungen sowie einer Beschränkung der Gesellschafterhaftung auf Insolvenzforderungen entgegen.129 Ferner wendet sich die Begründung ausdrücklich dagegen, dass die Gesellschafterhaftung 121 Vgl.

K. Schmidt, ZIP 1996, 353 (356); Ulmer, ZIP 1996, 733 (735 f.). RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  85, 139 f.; BGH, Uv. 17.12.2015    – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227–242 = juris Rn.  10 m. w. N.; Bunke, KTS 2002, 471 (478 f.); Heitsch, ZInsO 2008, 793 (793); , S.  573. 123  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b). 124  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1. 125  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  72; H. Roth, in: FS Gaul, S.  573 f. 126  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  85, 139 f. 127  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  1. 128  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  85; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  50, 57; vgl. Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  10; Scherf, Die Nachschuss­ pflicht im Gesellschaftsrecht, S.  99. 129  Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  50, 57. 122  Vgl.

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eine bloße Ausfallhaftung sein könne,130 während sie sodann darauf verweist, dass „der Verwalter keine Zahlungen einfordern [darf], die über den Betrag hinausgehen, der bei Berücksichtigung des Liquidationswertes der bereits vorhandenen Insolvenzmasse zur Befriedigung aller Insolvenzgläubiger erforderlich ist“.131

Dies ist indes mit Blick auf das entwickelte Haftungsmodell unbeachtlich, weil diese Aussagen auf evident unzutreffenden gesellschaftsrechtlichen Annahmen unter Verkennung der rechtssubjektiven Vermögenstrennung aufbauen. Eine derartige Umformung gesellschaftsrechtlicher Grundlagen vermag die Insolvenzordnung, ohne ausdrückliche normative Regelung nicht zu bewirken. Die Regierungsbegründung entfaltet daher keine Bindungswirkung für eine sogar gegenläufige Auslegung.132 II. Abhängigkeit der Verfahrenseröffnung von der „Kostenmasse“-Deckung Mit §  26 InsO wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens davon abhängig gemacht, dass Kosten und Auslagen des gerichtlichen Verfahrens sowie die Vergütung und Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters sowie der Mitglieder des Gläubigerausschusses aus der Masse getilgt werden können (vgl. §§  54, 207 Abs.  1 InsO).133 Die Kostendeckung der Insolvenzmasse ist im Rahmen der Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Insolvenzantrag zu prognostizieren.134 1. Vermögensbezogene Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung Für die anzustellende Prognose über die sog. „Kostenmasse“135 ist maßgeblich, dass die Insolvenzmasse voraussichtlich ausreicht, das heißt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, die gesamten Kosten des Verfahrens zu decken.136 Realisierungschancen sind dabei zu berücksichtigen.137 Zur Ermittlung des „Vermögens des Schuldners“ hat das Insolvenzgericht neben der Feststellung des Insolvenzgrundes und damit des Eintrittszeitpunkts der materiellen Insolvenz    – aus diesem können sich anfechtungsrelevante Umstände und schadensersatzbewährtes, 130 

RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  85, siehe aber S.  140. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  140. 132  Siehe zum Erfordernis subjektiver Gesetzesauslegung oben Kap.  2 §  4 A.II. 133  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  85, 118, 249; vgl. Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (104); H. Roth, in: FS Gaul, S.  754; Runkel/Schnurbusch, NZI 2000, 49 (55 f.); siehe zur Berücksichtigung von Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 134  Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (103 f.). 135 Vgl. Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106 f.; ders., in: FS Gerhardt, S.  344; a. A. unter Ablehnung einer „Kostenneutralität“ der Haftungsforderungen, Schaltke, ZInsO 2010, 1249 (1254). 136  Haarmeyer, in: MüKoInsO, §  26 Rn.  14; Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106; G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  32 f., 54 ff. 137  Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (105 f.); Schilken, in: Jaeger, InsO, §  26 Rn.  14. 131 

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gesetzeswidriges Gesellschafterfehlverhalten ergeben, die zu einer Ergänzung des tatsächlichen Ist-Vermögens beitragen können    – die Vermögensgegenstände und -rechte der Gesellschaft zu ermitteln, die bestehend aus Anlage- und Umlaufvermögen die Grundlage der künftigen Insolvenzmasse bilden.138 Aus dieser Gesamtheit aller gegenwärtigen und zukünftigen liquidierbaren Vermögenswerte    – das heißt unter Berücksichtigung von Neuerwerben während des Verfahrens (vgl. §  35 Abs.  1 InsO) sowie der Realisierung anfechtungs- und haftungsrechtlicher Ansprüche zugunsten der Masse    – ist die Insolvenzmasse zu bilden.139 Anders als bei der punktuellen liquiditätsmäßigen Beurteilung des Eröffnungsgrundes kommt es für die Eröffnungsentscheidung dementsprechend auf die überwiegend wahrscheinliche Liquidierbarkeit in das Gesellschaftsvermögen an.140 Dementsprechend sind auch Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB zu berücksichtigen.141 Diese sog. Deckungsprognose setzt einen angemessenen Prognosezeitraum voraus, sodass die Insolvenzmasse bei Verfahrensbeendigung von der Prognoseziffer abweichen kann.142 Grundsätzlich hat das Gericht angesichts des Liquidationscharakters des Insolvenzverfahrens die Liquidationswerte anzusetzen. Soll demgegenüber eine Sanierung betrieben werden, kommt eine Ansetzung nach den Fortführungswerten in Betracht.143 Auszusondernde Gegenstände fließen nicht in die Beurteilung; hinsichtlich Absonderungsrechten ist das Verwertungsrecht des Verwalters gemäß §  166 Abs.  1 InsO mit der Massebeachtlichkeit gemäß §  170, 171 InsO zu würdigen.144 Nicht berücksichtigt werden demgegenüber sonstige Masseverbindlichkeiten im Sinne von §  55 InsO, weil der Katalog des §  54 InsO hinsichtlich der „Kosten des Insolvenzverfahrens“ abschließend ist.145 Demgegenüber wird teilweise de lege ­ferenda vorgeschlagen, solche Kosten in die Beurteilung der „Kostenmasse“-­ Deckung miteinzubeziehen, die aus Sicht des Insolvenzverwalters unausweichlich sind, um der eigenen Inanspruchnahme aus §§  60, 61 InsO zu entgehen.146 138  Haarmeyer, in: MüKoInsO, §   26 Rn.  14a; Keller, in: K. Schmidt, InsO, §  26 Rn.  14; G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  54 ff., 80 ff.; Voß, in: Graf-Schlicker, InsO, §  26 Rn.  11 f. 139  Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (106); ders., in: MüKoInsO, §  26 Rn.  20; K. Schmidt, NJW 2011, 1255 (1256); siehe zur Differenzierung zwischen Ist- und Soll-Masse oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)cc). 140  Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (105); ders., in: MüKoInsO, §  26 Rn.  20, 23. 141  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 142  Keller, in: K. Schmidt, InsO, §   26 Rn.  17; Schilken, in: Jaeger, InsO, §  26 Rn.  26 ff.; Denkhaus, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  26 Rn.  28; Voß, in: Graf-Schlicker, InsO, §  26 Rn.  11. 143  Voß, in: Graf-Schlicker, InsO, §  26 Rn.  13. 144  Schilken, in: Jaeger, InsO, §  26 Rn.  14. 145  Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (105); ders., in: MüKoInsO, §   26 Rn.  23; G. Pape, in: Kübler/­Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  32 f., 34 f., 54 ff.; Runkel/Schnurbusch, NZI 2000, 49 (55 f.). 146 Vorschläge zur Änderung des Unternehmensinsolvenzrechts des Arbeitskreises der Insolvenzverwalter Deutschland e. V., mit Einführung Runkel, NZI 2002, 2 (2 ff.).

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Allerdings würde eine solche Ausweitung dem Anliegen des Gesetzgebers zu­ widerlaufen, Abweisungen des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse entgegenzuwirken.147 Demensprechend ist eine drohende Masse­ unzulänglichkeit im Sinne von §  208 InsO nicht in die Beurteilung der Kosten­ deckung miteinzubeziehen.148 Stellt sich die Masseunzulänglichkeit im Rahmen des eröffneten Verfahrens heraus, richten sich die Rechtsfolgen nach den §§  207 ff. InsO.149 2. Rechtspolitisches Bestreben einer Einbeziehung der Gesellschafterhaftung zur „Überwindung von Massearmut“ Angesichts des gesetzgeberischen Anliegens, weniger Insolvenzverfahrens mangels Masse abzulehnen,150 stellt sich die Frage, inwieweit die Gesellschafter­ haftung nach §  128 HGB in die Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung miteinbezogen werden kann.151 Ein solches rechtsformspezifisches Bedürfnis wird noch größer, wenn man berücksichtigt, dass es bei Personengesellschaften grundsätzlich keine Insolvenzantragspflicht bzw. kapitalbezogene, schadens­ ersatzbewährte Verhaltenspflichten gibt, die zur Gewährleistung der Kosten­ deckung beitragen können. Für eine entsprechende Berücksichtigungsmöglichkeit der Gesellschafterhaftung spricht, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens artikuliert wurde, mit §  93 InsO werde ein Beitrag zur „Überwindung von Massearmut“152 durch die Gesellschafterhaftung geleistet.153 Teilweise wird hingegen angenommen, die Überwindung von Massearmut sei ein bloßer Ne147 Vgl. G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  105 ff., 99 ff., insbesondere mit Blick auf die Konturlosigkeit des Begriffs „unausweichlicher Masseverbindlichkeiten“, sodann aber eine Reduzierung des Pflichtenkatalogs vorschlagend. 148  G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  100 f.; Runkel/ Schnurbusch, NZI 2000, 49 (56). 149 Vgl. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  341 ff. 150  Vgl. RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  85, 139 f. 151  So AG Hamburg, Bv. 27.11.2007    – 67g IN 370/07, juris-Rn.  2 ff.; Heitsch, ZInsO 2003, 692 (693); vgl. Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106 f.; ders., in: FS Gerhardt, S.  357 f.; siehe zur Berücksichtigung von Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 152  RegE InsO v. 15.4.1992, BT-Drucks. 12/2443, S.  139 f. 153  So allgemein, BGH, Uv. 9.10.2008    – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171–181 = juris-Rn.  11; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  1, 10; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  50, 57; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  76; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  4; Kroth, in: Braun, InsO, §  93 Rn.  1; Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  2; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  4, 88 ff.; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  3, 43 ff.; Pohlmann, ZInsO 2008, 21 (23 f.); Denkhaus, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  26 Rn.  7; Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626); ablehnend bzgl. der Verfahrenseröffnung, Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1706 f.); Floeth, EWiR 2008, 281, 282; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.16; Marotzke, ZInsO 2008, 57 (60 f.); Keller, in: K. Schmidt, InsO, §  26 Rn.  14; P. Ries, in: Uhlenbruck, InsO, §  208 Rn.  61; S. Ries, NZI 2009, 844 (845); Runkel/J. M. Schmidt, ZInsO 2007, 578 (579); Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  50 f.; kritisch, Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106 f.

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beneffekt der konsolidierten Haftungsabwicklung.154 Gegen eine unmittelbare Berücksichtigung der Haftungsforderungen bei der Verfahrenskostendeckung spricht insbesondere der Umstand, dass die Gesellschaftsgläubiger Inhaber der Gesellschafterhaftungsforderungen bleiben. So sind die Haftungsforderungen kein Teil des Schuldnervermögens und somit nicht Bestandteil der Insolvenzmasse, vielmehr hat der Insolvenzverwalter im Fremdinteresse für die Gesellschafter Sondervermögensverbindungen zu bilden.155 a) Keine Haftung der Gesellschafter nach §  128 HGB für Kosten des Insolvenzverfahrens Mit der Berücksichtigung der Gesellschafterhaftung bei der Beurteilung der Verfahrenskostendeckung ginge einher, dass sich die Gesellschafterhaftung auf diese erstrecken würde. Dies wird teilweise mit Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte sowie den Umstand, dass die Gesellschafter die Verfahrenseröffnung veranlasst haben, bejaht.156 Ungeachtet der Formulierung im Gesetzgebungsverfahren („Überwindung von Massearmut“) kommt eine derartige Haftung der Gesellschafter für die Kosten des Verfahrens hingegen nicht in Betracht, weil die Verfahrenskosten dem Insolvenzverfahren immanent sind.157 Gegen die Berücksichtigung der Gesellschafterhaftung im Rahmen der Verfahrenskosten spricht maßgeblich die Systematik der §§  26, 207, 54 f. InsO, wonach die Deckung der Verfahrenskosten anhand der Masse zu ermitteln ist (sog. „Kostenmasse“)158 und daran anknüpfend eine Abweisung des Antrags auf Er­ öffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in Betracht kommt.159 Auch haben die Gesellschafter die Verfahrenskosten nicht durch die Ausübung von Herrschaft im Eigeninteresse veranlasst, weil die Massekosten zwar an ein durch die Gesellschafter    – vermittelt durch ihre mitgliedschaftlichen Befugnisse    – beeinflusstes wirtschaftliches Versagen der Gesellschaft anknüpfen, dies jedoch nur als eine tatsächliche Voraussetzung, ohne dass die materielle Insol154 

K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  1. Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd). 156  Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  50, 57; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  245 ff.; ders., in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  3, 43 ff., ablehnend lediglich hinsichtlich Vergütung und Auslagen des Gläubigerausschusses; a. A. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  26. 157  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  19 ff., 24 f.; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  10; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  73; Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  19; ders., ZInsO 2008, 21 (22 f.); K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  81; keine Ausstattungspflicht, Marotzke, ZInsO 2008, 57 (59 ff.). 158 Vgl. Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106 f.; ders., in: FS Gerhardt, S.  344; a. A. unter Ablehnung einer „Kostenneutralität“ der Haftungsforderungen, Schaltke, ZInsO 2010, 1249 (1254). 159  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  73; kritisch, Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1699); Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  344; siehe hingegen zu Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 155 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

venzreife zugleich Rechtsgrund für die Verfahrenskosten ist.160 Ferner sollten die Gesellschafter materiell-rechtlich durch §  93 InsO nicht schlechtergestellt werden.161 So soll §  93 InsO lediglich eine Konzentration in der Hand des Verwalters bewirken und nicht darüber hinaus eine Finanzierungsfunktion für das Verfahren einnehmen.162 Die Einbeziehung der Gesellschafterhaftung zur Deckung der Massekosten würde dazu führen, dass die Eigenvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter nicht nur den materiell forderungsberechtigten Gläubigern zukäme, sondern auch den Massegläubigern.163 Teilweise wird analog §§  170, 171 InsO ein prozentuales Entnahmerecht zur Kostendeckung angenommen.164 Aber auch ein derartiges Vorgehen würde die aus der Rechtssubjektivität von Personenverbänden folgende Vermögenstrennung verwischen und der gesetzgeberischen Entscheidung einer bloßen „Kostenmasse“ zuwiderlaufen.165 Mit den §§  170, 171 InsO ist ferner bereits deswegen keine vergleichbare Interessenlage gegeben, weil diese Regelungen Teil des eröffneten Insolvenzverfahrens sind sowie Konsequenz der amtlichen Kompetenzen eines ordnungsgemäß eingesetzten Insolvenzverwalters. b) Keine Beleihung der Gesellschafterhaftung zum Zwecke der vorläufigen Verfahrenskostendeckung Vermittelnd wird vorgeschlagen, dass zwar eine Haftung für Verfahrenskosten ausscheide, die Gesellschafterhaftung aber insoweit Berücksichtigung bei der Beurteilung der Verfahrenskostendeckung finden könne, dass der Verwalter befugt sei, Haftungsforderungen i. V. m. §  93 InsO gegenüber den Gesellschaftern geltend zu machen, damit das Insolvenzverfahren eröffnet werden könne.166 Die dadurch entstandene Lücke in den Sondervermögensverbindungen zugunsten der Haftungsgläubiger habe der Insolvenzverwalter sodann gemäß §  35 InsO wieder zu schließen, ohne dass bei Ausfällen eine Inanspruchnahme des Verwal160  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  21, 28; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  10; Marotzke, ZInsO 2008, 57 (60); vgl. H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  245. 161  BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  26; Pohlmann, in: Hamburger Kommen­ tar, InsO, §  93 Rn.  19; Marotzke, ZInsO 2008, 57 (61). 162  Floeth, EWiR 2008, 281 (282). 163  Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1706). 164  Marotzke, ZInsO 2008, 57 (62 f.); vgl. AG Hamburg, Bv. 27.11.2007    – 67g IN 370/07, juris-Rn.  5; ablehnend unter Verweis auf das Prognoserisiko, Schaltke, ZInsO 2010, 1249 (1251, 1255). 165  A. A. unter Durchbrechung der Vermögenstrennung sowie Ablehnung einer Zweckbindung der nach §  93 InsO eingezogenen Beträge, Schaltke, ZInsO 2010, 1249 (1252 ff.). 166  AG Hamburg, Bv. 27.11.2007    – 67g IN 370/07, juris-Rn.  4 f.; Lüke, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  89; Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  21 f.; ders., ZInsO 2008, 21 (23 f.); offen lassend, BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  25; a. A. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  102 f.; Marotzke, ZInsO 2008, 57 (62); vgl. K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  42; siehe hingegen zur Berücksichtigung von Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c).

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ters nach §  60 InsO in Betracht käme.167 Insoweit würde die Gesellschafterhaftung lediglich für die Verfahrenskostendeckung beliehen, um sie später wieder ausgleichen zu können.168 Eine solche Vorgehensweise ist allerdings bereits deswegen problematisch, weil ohne eine Verfahrenseröffnung der Anwendungsbereich des §  93 InsO noch gar nicht eröffnet ist, sodass jedenfalls eine Einziehung zum Zweck der Verfahrenseröffnung nicht in Betracht kommt. Im Rahmen von §  26 Abs.  1 Satz  1 InsO ist allenfalls eine prognostische Berücksichtigung der ­geltend zu machenden Haftungsforderungen denkbar. Ferner könnten die Haftungsforderungen auch dann zur reinen Kostendeckung und damit zu einer ­Eröffnung des Insolvenzverfahrens herangezogen werden, wenn die Gesellschaftervermögen gerade ausreichten, die Kosten zu decken, ohne dass eine darüberhinausgehende Gläubigerbefriedigung erreicht werden könnte und mitunter eine Gesellschafterinsolvenz produziert würde. Dies führte zu einer Gläubigerbenachteiligung, die ohne eine Verfahrenseröffnung nicht existierte. Eine solche Vorgehensweise liefe dem Regelungszweck des §  26 InsO zuwider, wonach die Verfahrenskosten aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin zu finanzieren sind,169 und führte letztlich entweder zu einer Haftung der Gesellschafter für die Verfahrenskosten, weil sich die Gesamtheit der ungedeckten Gesellschaftsverbindlichkeiten im Umfang der Verfahrenskosten nicht mindert oder, wenn man die den Haftungsfond bildenden Vermögensverbindungen stichtagsbezogen ihrem Volumen nach einfriert, zu einer unfreiwilligen Vorschussleistung der Gläubigergesamtheit. §  26 InsO überlässt die Entscheidung darüber indes einzelnen Gläubigern. Lehnte man vor diesem Hintergrund eine Berücksichtigung im Rahmen von §  26 Abs.  1 Satz  1 InsO hingegen ab und nähme man gleichwohl eine Beachtung im Rahmen der Eröffnungsentscheidung an, käme allenfalls eine kontenmäßig durch die Bildung einer Sondervermögensverbindung zu berücksichtigende Vermögenstrennung im Rahmen von §  26 Abs.  1 Satz  2 InsO in Betracht.170 Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine Berücksichtigung im Rahmen der Eröffnungsentscheidung, sondern vielmehr um die Fiktion eines Verfahrenskostenvorschusses durch die Gesellschafter. Angesichts der strikten Vermögenstrennung zwischen dem Personenverband und seinen Mitgliedern sowie mit Blick auf die Systematik des §  26 InsO ist es lediglich denkbar, dass die geschäftsführenden Gesellschafter verhaltensbezogen im Wege eines Verfahrenskostenvorschusses in Anspruch genommen werden.171 Mit Blick

167 

Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  10; Pohlmann, ZInsO 2008, 21 (24). P. Ries, in: Uhlenbruck, InsO, §  208, Rn.  63. 169 Vgl. Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106 f. 170  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 E. 171  Vgl. den diesbezüglichen Vorschlag bei K. Schmidt, NJW 2011, 1255 (1258), unter IV.4., zweiter Vorschlag zu (4); zur haftungsrechtlichen Vermögenstrennung, Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106 f. 168 

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auf die eindeutige Systematik des §  26 InsO bedürfte es insoweit allerdings einer ausdrücklichen Regelung.172 c) Keine rechtliche „Überwindung von Massearmut“ unter Einbeziehung der Gesellschafterhaftung Soweit angenommen wird, dass der Verwalter die Gesellschafterhaftung zu der von ihm verwalteten Masse einziehe,173 bedeutet dies nicht, dass sie in die Berechnung der Masse einfließen darf,174 sondern lediglich, dass er die Beträge im Fremdinteresse kontenmäßig zu verwalten hat.175 Parallel zur Annahme der Geltendmachung der Gesellschafterhaftung zur Masse wird vertreten, dass eine „Sondermasse“176 zu bilden sei, hinsichtlich derer es aber keiner dinglichen Trennung bedürfe.177 Indes sind die Beiträge aus der Gesellschafterhaftung zu keinem Zeitpunkt irgendwie gelagerte Massebestandteile, sodass weder eine Geltendmachung zur Masse noch die Bildung einer Sondermasse in Betracht kommt.178 So ist die Gesellschafterhaftung    – anders als die Verfahrenseröffnung     – auch unter insolvenzrechtlichem Regime nicht liquiditätsorientiert, sondern strikt vermögensbezogen vorzunehmen.179 Zur Überwindung von Massearmut kann die Gesellschafterhaftung dementsprechend jedenfalls rechtlich nicht beitragen.180 Gegen eine Berücksichtigung der Beiträge aus der Gesellschafterhaftung spricht unter dem modifizierten Haftungsmodell schließlich, dass die Gesellschafterhaftung erst stichtagsbezogen mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts fällig wird in Höhe der Unterdeckung der Masse bezogen auf die Altverbindlichkeiten. Referenzgröße der Fälligkeit der Gesellschafterhaftung sind dementsprechend die Altverbindlichkeiten, abzüglich der Insolvenzmasse; diese berechnet sich wiederum aus dem Aktivvermögen abzüglich den Verfahrenskosten sowie den Masseverbindlichkeiten. d) Faktische Bereicherung der Masse durch die Gesellschafterhaftung An diese Rechnung anknüpfend ist fraglich, ob die Gesellschafterhaftung zu einer faktischen Bereicherung der Masse beitragen kann. So kann im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens die Gesellschafterhaftung dazu führen, 172 

Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 E. Chemnitz, Uv. 15.6.2020    – 5 O 1454/18, ZIP 2020, 1826 (1827); Gehrlein, in: MüKo­InsO, §  93 Rn.  1; S. Krüger, NZI 2002, 367 (369); K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  85; Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  122 f. 174  Anders ist dies bezüglich der Nachschussansprüche aus §  735 BGB, siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 175  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)cc). 176  Siehe zu dieser unzutreffenden Terminologie oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd). 177  K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  28; ders., in: MüKoHGB, §  128 Rn.  88. 178  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)dd). 179  Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 B. 180 Vgl. Marotzke, ZInsO 2008, 57 (59). 173 LG

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dass diese zur Begleichung von Insolvenzforderungen herangezogen wird und auf diese Weise faktisch ein größerer Teil des Schuldnervermögens zur Begleichung von Verfahrenskosten sowie Masseverbindlichkeiten    – gegebenenfalls im Interesse einer Sanierung    – zur Verfügung steht.181 Zu einer abweichenden Beurteilung im Rahmen der Eröffnungsentscheidung führt dies allerdings nicht, weil potenzielle Masseverbindlichkeiten oder anzumeldende Insolvenzforderungen zu diesem Zeitpunkt gar nicht in die Beurteilung der Masse einfließen. So ist es lediglich das potenzielle Aktivvermögen der Gesellschaft, welches zur Kostendeckung zur Verfügung stehen muss, ohne dass Masseverbindlichkeiten nach §  55 InsO oder Insolvenzforderungen Berücksichtigung finden. Die Gesellschafterhaftung wird dementsprechend nur insoweit masseerheblich, wie deren Geltendmachung eine Belastung des Gesellschaftsvermögens reduziert und dementsprechend aus der auf diese Weise geschonten Insolvenzmasse ­Masseverbindlichkeiten sowie Verfahrenskosten beglichen werden können, dies allerdings erst im eröffneten Insolvenzverfahren.182 So weit wie die Gesellschafterhaftung reicht    – das heißt insbesondere mit Blick auf Insolvenzforderungen     –, kann diese daher dazu beitragen, im eröffneten Verfahren einer Masseunzulänglichkeit zu begegnen. Hinsichtlich der Verfahrenseröffnung, im Rahmen derer nur solche Kosten in die Bewertung einfließen, für die die Gesellschafter nicht nach §  128 HGB einzustehen haben, kommt eine Berücksichtigung der Gesellschafterhaftung zur erstmaligen Überwindung der Masse­ armut demgegenüber nicht in Betracht. Eine abweichende Beurteilung der Zugriffsmöglichkeit auf die Gesellschaftervermögen ergibt sich hingegen mit Blick auf §  735 BGB.183 Angesichts des Liquidationscharakters des Insolvenzverfahrens werden mit der Eröffnungsentscheidung bzw. einer Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse Sozialansprüche der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern nach §  735 BGB fällig, soweit solche nicht gesellschaftsvertraglich abbedungen sind.184 Diese Ansprüche gegen die Gesellschafter sind als Aktivvermögen der Gesellschaft zu qualifizieren und dementsprechend sowohl Teil des Gesellschaftsvermögens als auch der Insolvenzmasse.185 Innenrechtliche Nachschussansprüche können dementsprechend in Höhe der nichtgedeckten Gesellschaftsverbindlichkeiten bei der Prognose der „Kostenmasse“-Deckung berücksichtigt werden. Das durch den Gesetzgeber mit §  93 InsO ursprünglich intendierte Regelungsziel der Überwindung von Massearmut kann angesichts der strikten Ver-

181 

Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 A.I; vgl. K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  42. Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 A.I. 183  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c) sowie zu dessen Anwendung im Insolvenzverfahren oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 184  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)aa); Kap.  1 §  2 A.II.3.b)bb). 185  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c). 182 

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mögenstrennung dementsprechend nicht durch §  93 InsO realisiert werden.186 Qualifiziert man aber das Insolvenzverfahren nach vorzugswürdigem Verständnis als besonderes Liquidationsverfahren, kann bei Anwendung des §  735 BGB das Regelungsanliegen weitreichend befriedigt werden.187 Ist eine Nachschusspflicht demgegenüber gesellschaftsvertraglich abbedungen, kommt indes auch auf diesem Weg keine Überwindung der Massearmut in Betracht. III. Rechtsfolge der Überleitung in das masselose Liquidationsverfahren Reicht die zukünftige Insolvenzmasse noch nicht mal aus, die Verfahrenskosten zur gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung durch einen Insolvenzverwalter zu decken, ist §  26 InsO zu entnehmen, dass die Verfahrenseröffnung abzulehnen ist, weil die Gläubiger in dieser Konstellation letztlich genauso mit einem Totalausfall ihrer Forderungen rechnen müssten, wie bei fruchtloser Individualzwangsvollstreckung, sodass für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens kein Raum sei.188 Genauso wie die Verfahrenseröffnung, ist die Ablehnung mangels Masse nach §  26 Abs.  1 Satz  3 InsO öffentlich bekannt zu machen.189 Dies führt dazu, dass die Gläubiger der Gesellschaft hinreichend über die voraussichtliche Abwicklung der Gesellschaft sowie über die Nichtgeltung insolvenzrechtlicher Gläubigerschutzmechanismen informiert werden. Ungeachtet dieses Publizitätsaktes wird überwiegend vertreten, dass bei einer Personen­ gesellschaft, die über persönlich haftende Gesellschafter verfügt, mangels Geltung des §  131 Abs.  2 Nr.  1 HGB die Ablehnung der Verfahrenseröffnung nicht zu einer Auflösung der Personengesellschaft führe.190 Ein solches Verständnis könnte bindend durch §  131 HGB vorgegeben sein, indem dieser zwar die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als allgemeinen Auflösungsgrund definiert, die Ablehnung mangels Masse aber nur für Personengesellschaften vorsieht, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Selbst von den Kritikern wird angenommen, dass diese rechtspolitische Entscheidung de lege lata hinzunehmen sei und sogar einer analogen Anwendung des §  131 Abs.  1 Nr.  3 HGB auf masselose typische Gesellschaften entgegenstehe.191 Zwar 186 Vgl. Marotzke, ZInsO 2008, 57 (59), der von einer bloßen „Hoffnung der Entwurfsverfasser“ ausgeht. 187 Siehe dazu oben Kap.   1 §  3 B.III.2.c), vgl. Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  137 ff., 175 ff. 188  G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  34 ff.; zur Kostentragung des Verfahrens bei Ablehnung mangels Masse sowie den Rechtsschutzmöglich­ keiten, Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (107 f.); Marotzke, ZInsO 2008, 57 (59); Runkel/Schnurbusch, NZI 2000, 49 (50 ff.). 189  G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  12 f. 190  Schilken, in: Jaeger, InsO, §  26 Rn.  40; kritisch, K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  131 Rn.  50; vgl. zu sog. haftungsbeschränkten Gesellschaften, G. Pape, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  206 ff. 191  Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §   83 Rn.  20; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas,

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ist nicht ersichtlich, warum die anfängliche Ablehnung der Verfahrenseröffnung192 eine andere Beurteilung erfahren sollte, als ein später eingestelltes Insolvenzverfahren    – dieses geht erforderlichenfalls in eine gesellschaftsrechtliche Liquidation über    –, die Systematik des §  131 HGB erscheint aber eindeutig, sodass überwiegend angenommen wird, dass die Auflösungsgründe des §  131 HGB abschließend seien.193 Folge ist, dass es eines entsprechenden Auflösungsbeschlusses bedarf. Darin kommt die Wertung zum Ausdruck, dass die Gesellschafter eines Personenverbandes selbst darüber entscheiden sollen, ob sie den Verbandszweck durch entsprechende Nachschüsse in das Gesellschaftsvermögen weiter fördern möchten (vgl. §  144 HGB), oder ob sie die Liquidation der Gesellschaft anstreben. So wird mit Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Schicksal der Gesellschaft aus dem ordnungsrecht­ lichen Insolvenzregime entlassen und in die privatautonome Verantwortung der Gesellschafter zurückgegeben. Problematisch könnte unter dem modifizierten Haftungsmodell sein, dass die Rückgabe der Verfügungsgewalt zur Folge hat, dass die Gesellschafterhaftung keine primäre ist und damit gar nicht erst fällig wird. So ist eine Geltendmachung der Gesellschafterhaftung im Interesse der Gläubigergesamtheit    – wie dies vom Regelungszweck des §  128 HGB verlangt wird    – außerhalb eines ­Liquidationsverfahrens schlechterdings nicht möglich. Allerdings geht mit der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse regelmäßig eine konkludente Auflösungsentscheidung einher, weil ein masseloser Personenverband wirtschaftlich nicht fortführungsfähig ist.194 Die Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse führt damit nicht zu einer gesetzlichen Auflösung der Personengesellschaft, sie entfaltet allerdings insoweit einen „Liquidationszwang“, als die Entscheidung der Gesellschafter    – keine Nachschüsse zu leisten    – als Auflösungsentscheidung zu qualifizieren ist; die werbende Fortführung einer materiell insolventen Gesellschaft kommt nicht in Betracht.195 Indem die Gesellschafter aber bereits mit der Vereinbarung eines konstituierenden Verbandszwecks zum Ausdruck gebracht haben, dass sie vorrangig als Personenverband im Rechtsverkehr berechtigt und verpflichtet werInsO-­Hdb, §  94 Rn.  21; Heidel, in: Heidel/Schall, HGB, §  131 Rn.  22; Kamanabrou, in: O ­ etker, HGB, §  131 Rn.  13; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, §  131 Rn.  4; Lehmann-­ Richter, in: BeckOK HGB, Stand: 15.1.2021, §  131 Rn.  17; Lorz, in: E/B/J/S, HGB, §  131 Rn.  26; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  131 Rn.  37; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  131 Rn.  30, 22 f.; Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-1611; vgl. K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  131 Rn.  50; ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  186 ff., der dort grundsätzlich noch einen Erst-Recht-Schluss zu §  131 Abs.  1 Nr.  3 HGB annimmt. 192  K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  184 ff., 186. 193  A. A. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  131 Rn.  9, 45 ff. 194  Klöhn, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §   131 Rn.  19; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  131 Rn.  22, 19. 195 Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  188 f.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

den wollen, haben sie sich gleichzeitig darüber geeinigt, dass sie die Gesellschafterhaftung für den Fall der Vermögensunzulänglichkeit der Gesellschaft zur Entstehung bringen wollen; eine abweichende Willensäußerung ist vor dem Hintergrund der Unbeachtlichkeit widersprüchlichen Verhaltens (§  242 BGB) unerheblich. So ist die Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB eine auf den Liquidationsfall bezogene. Jedenfalls dadurch, dass die Gesellschafter trotz Ablehnung der Insolvenzverfahrenseröffnung keine Nachschüsse zur Reaktivierung der werbenden Tätigkeit in das Gesellschaftsvermögen erbringen, erklären sie konkludent eine Auflösung der Gesellschaft. Dies hat sodann    – vorbehaltlich abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung    – zur Folge, dass nun liquidationsbedingt Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB entstehen. Diese liquiditätsbezogenen Nachschussansprüche bleiben allerdings maßgeblich hinter solchen zurück, die erforderlich wären, den Personenverband in einen wirtschaftsfähigen Zustand zurückzuversetzen. Sind Nachschusszahlungen ausgeschlossen, hat §  128 HGB nach seinem Regelungszweck seine Haftungswirkung zu entfalten, dies jedoch ebenfalls im Interesse der Gläubiger­ gesamtheit. Ein solches Verständnis ist indes noch nicht mit einer Ausstrahlung insolvenzrechtlicher Garantien in das gesellschaftsrechtliche Liquidationsverfahren verbunden, sondern eine rein gesellschaftsrechtlich angelegte Notwendigkeit. Die sodann durchzuführende sog. „masselose Liquidation“ ist Folge der Systementscheidung des §  26 InsO. Diese ist bislang wenig diskutiert und wird daher als „Stiefkind des Insolvenzrechts“ bezeichnet.196 1. Gläubigergleichbehandlung im Stadium masseloser Liquidation Es stellt sich die Frage, in welchem Umfang eine durch §  128 HGB bedungene Gläubigergleichbehandlung im masselosen Liquidationsverfahren erreicht werden kann, weil diesem grundsätzlich eine Rangfolge der Gläubigerbefriedigung fremd ist.197 Mit Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse verweist das Insolvenzregime auf das allgemeine Gesellschaftsstatut. Daher ist dies­ bezüglich grundsätzlich eine originär gesellschaftsrechtliche Herangehensweise geboten,198 obwohl es sich bei einer masselosen Liquidation in Anbetracht des wirtschaftlichen Versagens der Personenverbandes wertungsmäßig um ein

196 Vgl. K. Schmidt, ZIP 1982, 9; ders., Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  177 ff.; ders., ZGR 15 (1986), 178 (206); zur GmbH, Cziupka, in: Scholz, GmbHG, §  60 Rn.  33 ff.; K. Schmidt/Bitter, in: Scholz, GmbHG, 11.  Aufl., §  60 Rn.  28 ff.; K. Schmidt, GmbHR 1994, 829 (833). 197 Vgl. G. Buchner, Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz, S.  48 ff., 58 ff., 75 f.; K. Schmidt, ZIP 1982, 9 (12) m. w. N.; Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  37, 106 ff. 198 Vgl. Cziupka, in: Scholz, GmbHG, §  60 Rn.  38; K. Schmidt/Bitter, in: Scholz, GmbHG, 11.  Aufl., §  60 Rn.  28; noch zur KO, K. Schmidt, GmbHR 1994, 829 (833); Uhlenbruck, ZIP 1993, 241 (242 f.).

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Insolvenzverfahren handelt.199 Dies führt ungeachtet der unzureichenden Liquidität der Gesellschaft dazu, dass die Gesellschaftsverbindlichkeiten dem ­prioritären Einzelzugriff unterliegen,200 die Gesellschafterhaftung demgegenüber im Interesse der Gläubigergesamtheit geltend zu machen ist.201 Vor dem Hintergrund, dass sich die Gesellschafterhaftung nach dem hier entwickelten Haftungs­modell stets nur auf die Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens erstreckt, stellt sich diesbezüglich gar nicht die Frage nach einer vollstreckungsrechtlichen Prioritätsdurchsetzung; die Geltendmachung ist stets stichtags­­be­ zo­gen im Interesse der Gläubigergesamtheit zu verwirklichen.202 Fraglich ist insoweit, ob der Regelungszweck des §  128 HGB auf die Art und Weise der Geltendmachung der Gesellschaftsverbindlichkeiten durchschlägt, weil anderenfalls eine Umgehung des Regelungszwecks drohte. Dies könnte etwa dadurch geschehen, dass bestimmte Gesellschafter nicht gegenüber allen Gläubigern einzustehen haben, zum Beispiel deswegen, weil es sich um einen ausgeschiedenen Gesellschafter handelt, der nicht für nach seinem Austritt begründete Verbindlichkeiten haftet.203 Würde man trotz des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes die Geltendmachung der Gesellschaftsverbindlichkeit dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip unterwerfen, 204 so könnte die Inanspruchnahme der Gesellschaft für diese Forderung dazu führen, dass das Vermögen des diesbezüglich haftenden, ausgeschiedenen Gesellschafters vollständig aus dem Gläubigerzugriff zu Lasten der Gläubigergesamtheit entlassen wird. Eine bloße rangweise Einzelbefriedigung der Gläubiger ist angesichts des regelmäßig unzulänglichen Gesellschaftsvermögens sowie der ebenfalls erschöpflichen Gesellschaftervermögen daher bedenklich. Möchte man das gesellschaftsrechtliche Liquidationsverfahren bei einer Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse auch hinsichtlich der Gesellschaftsverbindlichkeiten dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung unterwerfen, 205 wäre dies grundsätzlich nicht auf insolvenzrechtliche Wertungen zurückzuführen, sondern Folge des §  128 HGB selbst, wie sich dessen Regelungszweck im Falle unzulänglicher Liquidität der Gesellschaft entfaltet.

199 Vgl. Cziupka, in: Scholz, GmbHG, §  60 Rn.  38; K. Schmidt/Bitter, in: Scholz, GmbHG, 11.  Aufl., §  60 Rn.  28. 200  Vgl. G. Buchner, Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz, S.  48 ff., 58 ff. 65 ff. 201  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.5. 202  Siehe dazu oben Kap.  2 §  4 A. 203  Siehe dazu oben Kap.  3 §  6 B. 204  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.5; vgl. Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1699, 1702). 205  Ablehnend, da „wirtschaftlich sinnlos“, G. Buchner, Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz, S.  59 ff., 64 f., 75.

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2. Dem Regelungszweck des §  128 HGB immanente Sperrund Ermächtigungswirkung Ferner könnte es in Anbetracht des die Gläubigergesamtheit schützenden Regelungszwecks des §  128 HGB problematisch sein, dass das personengesellschaftsrechtliche Liquidationsregime grundsätzlich keine Regelung wie die §§  93 InsO, 171 Abs.  2 HGB vorsieht. Gleichwohl gebietet es der Regelungszweck des §  128 HGB, dass gegenüber den Haftungsforderungen eine Sperrwirkung entfaltet wird sowie dass die „Liquidatoren“ zur Einziehung der Gesellschafterhaftung ermächtigt werden. Einer ausdrücklichen Sperr- bzw. Ermächtigungsanordnung bedarf es nach dem modifizierten Haftungsmodell bezogen auf die Haftungsforderungen indes nicht. Zwar stehen die Haftungsforderungen materiell-­ rechtlich stets den Gläubigern zu. Bereits der Regelungszweck des §  128 HGB führt aber dazu, dass die Haftung zu Händen des obligatorischen Drittliquidators in Höhe der Unterdeckung fällig wird und es den Gläubigern ihrerseits verwehrt ist, ihre Haftungsansprüche individuell geltend zu machen. Während im eröffneten Insolvenzverfahren regelmäßig der Insolvenzverwalter als notwendiger Drittliquidator agiert, nehmen diese Funktion im Rahmen der Liquidation bei Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse im Ausgangspunkt die organschaftlichen Liquidatoren wahr. Deren Bestellung sowie Befugnisse gilt es, zu konkretisieren. Fraglich ist ferner, wie im Stadium masseloser Liquidation mit den Gesellschaftsverbindlichkeiten umzugehen ist. Wie bereits festgestellt, ist es problematisch, wenn diese dem vollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip unterliegen. Demgegenüber soll es den Gesellschaftern überlassen bleiben zu entscheiden, ob sie den Personenverband „retten“ und weiter betreiben möchten. Dementsprechend könnte man für die Zeit der Liquidation über eine Stundung der Gesellschaftsverbindlichkeiten nachdenken. Diese könnte in einer allgemeinen Liquidationsgebundenheit von Gesellschaftsverbindlichkeiten zum Ausdruck kommen. Woraus eine solche zu Lasten der Gläubiger abgeleitet werden sollte, ist indes fraglich. Vorzugswürdiger erscheint es, angesichts der ohnehin nahezu nicht gegebenen Liquidität der Gesellschaft, einen prioritären Zugriff der Gläubiger auf das Gesellschaftsvermögen zuzulassen.206 Dafür spricht, dass die Beurteilung der materiellen Insolvenzreife beim Personenverband an dessen Liquidität anknüpft und die Ablehnung mangels Masse gezeigt hat, dass Vollstreckungen in das Gesellschaftsvermögen ohnehin wenig erfolgversprechend sind. Soweit liquidationsbedingte Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB bestehen, hätte das Insolvenzgericht diese mit in die Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung miteinbeziehen müssen,207 sodass ganz regelmäßig 206  A. A. zur masselosen Liquidation einer GmbH unter dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  37, 94 ff., 160 ff., 174 ff. 207  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c).

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quantitativ kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist. In Anbetracht der Zuordnung von liquidationsrechtlichen Nachschussansprüchen zum masse­ relevanten Gesellschaftsvermögen kommt §  735 BGB im Rahmen masseloser Insolvenz daher praktisch keine Bedeutung zu. Dementsprechend ist es gerechtfertigt, den Gläubigerschutz auf die zentralisierte Geltendmachung der Haftungsforderungen zu konzentrieren. 3. Im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit durchzuführende Haftungsverwirklichung durch einen Drittliquidator Es ist problematisch, dass die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse dazu führt, dass die Gesellschaft bei gegebenem konkludentem Auflösungsbeschluss, anstatt durch einen Insolvenzverwalter durch Liquidatoren abzuwickeln ist. Aus dem Regelungszweck des §  128 HGB folgt, dass die Gesellschafterhaftung in Höhe der Unterdeckung zu Händen des im Fremdinteresse agierenden „Dritt“-Liquidators fällig wird. Im Rahmen des gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens sind dies originär die Gesellschafter selbst als geborene Liquidatoren (§  146 Abs.  1 HGB). Nimmt man die gesellschaftsrechtliche Eigenliquidation zum Ausgangspunkt, führte das modifizierte Haftungsmodell zu der augenscheinlich absurden Folge, dass die Gesellschafter im Rahmen eines auch im Fremdinteresse zu führenden Liquida­ tionsverfahrens die Haftungsforderungen zwar im Interesse der Gläubiger­ gesamtheit geltend zu machen hätten, dies jedoch gegenüber sich selbst sowie gegenüber den Mitgesellschaftern. Bei Liquidität der Gesellschaft besteht ein hinreichendes Eigeninteresse der Gesellschafter, die Liquidation ordnungsgemäß und zügig zu betreiben, weil sie am Ende der Liquidation    – bei Vollbeendigung des Personenverbandes    – den Vermögenswert ihrer Gesellschaftsanteile vollständig realisieren können.208 Angesichts dessen ist eine Eigenliquidation durch die Gesellschafter bei Liquidität der Gesellschaft auch mit Blick auf die Gläubigerinteressen zu rechtfertigen. Ist hingegen kein hinreichendes Gesellschaftsvermögen vorhanden, können die Gesellschafter nicht erwarten, aus dem Gesellschaftsanteil mit Vollbeendigung der Gesellschaft noch einen nennenswerten Vermögenswert realisieren zu können. Folge ist, dass der geschilderte Anreizmechanismus leerläuft. Ein hinreichender Anreiz, ein masseloses Liquidationsverfahren gewissenhaft zu betreiben, ist effektiv kaum gegeben. Die Liquidation nach Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse unterscheidet sich daher von der allgemeinen liquida­ tionsrechtlichen Interessenlage grundlegend    – sie ist vielmehr mit der besonderen insolvenzrechtlichen Liquidation vergleichbar. Dort wird die Vollbeendigung der Gesellschaft im Ausgangspunkt fremdbestimmt im Interesse der Gläubigergesamtheit durch den Insolvenzverwalter durchgeführt. Gegenüber 208 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.2.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

der Gläubigerbefriedigung stellt die Vollbeendigung nur eine Begleitfolge dar.209 Soweit die Gesellschafter eigenverwaltend tätig werden, unterliegen sie im Interesse der Gläubigergesamtheit der Aufsicht des Sachwalters. Die kom­ petenzordnende Regelung des §  280 InsO findet bei masseloser Liquidation mangels Verfahrenseröffnung hingegen keine Anwendung. Wie im eröffneten Insolvenzverfahren tritt bei einer Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse das schützenswerte Eigeninteresse der Gesellschafter in den Hintergrund, weil die Gesellschaft voraussichtlich keine Vermögenswerte aufweist, die zugunsten der Gesellschaftervermögen realisiert werden könnten. Die Liquidation hat sich daher nahezu ausschließlich an dem sich in den Haftungsforderungen niederschlagenden Gläubigerinteresse zu orientieren. Dies spricht für das Erfordernis einer Fremdliquidation im Falle einer Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse. Der Grundsatz der Selbstorganschaft steht dem in Anbetracht der in §  146 Abs.  1 HGB angelegten Möglichkeit der Übertragung auf Dritte nicht entgegen.210 Dadurch, dass die Gesellschafter ein geringes Eigeninteresse daran haben, die Haftungsforderungen aus dem Gesellschaftervermögen zu begleichen, bedarf es eines Mechanismus, der es den Gläubigern ermöglicht, die Gläubigergleichbehandlung jedenfalls zu initiierten. Ein die Haftung im Gläubiger­in­ teresse entsprechend §§  280, 93 InsO geltend machender Sachwalter existiert außer­halb des Insolvenzverfahrens nicht. Die gesellschaftsrechtliche Bestellung eines Drittliquidators im Interesse der Gläubigergesamtheit richtet sich nach §  146 Abs.  2 Satz  1 Hs.  2 HGB.211 Eines Notliquidators analog §§  29, 48 BGB bedarf es im Rahmen des Personengesellschaftsrechts mithin nicht.212 Die ­Antragsberechtigung des §  146 Abs.  2 Satz  2 HGB ist insoweit auf alle Haftungsgläubiger zu erweitern, weil diesen bei Illiquidität der Gesellschaft    – vor Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse    – bereits ein insolvenzrechtliches Antragsrecht zu Gute kam. Diese Antragsberechtigung schlägt auf §  146 HGB durch; insoweit ist eine von §  146 Abs.  2 Satz  2 HGB in Bezug genommene, §  135 HGB vergleichbare, Situation gegeben. Zwar soll §  146 HGB auch die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherstellen insbesondere dann, wenn keine Liquidatoren bestellt sind. Ein wichtiger Grund wird allerdings auch anerkannt, wenn ein begründeter Verdacht unredlicher Verhaltensweisen, eine Pflichtvergessenheit der Liquidatoren oder ein begründetes Misstrauen gegen die Liquidatoren gegeben ist, etwa aufgrund eines Mangels an Unparteilichkeit oder Unredlichkeit bzw. angesichts der Gefahr

209 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)aa). Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  146 Rn.  6. 211  Vgl. zu §  736a BGB-E sowie §  145 HGB-E, RegE MoPeG, S.  27 f., 69, 214 f., 294. 212  So zur GmbH unter Verzicht auf ein Antragserfordernis, Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  106 ff. 210 

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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einseitiger Wahrnehmung von Interessen oder einer Interessenkollision.213 Entsprechendes ist bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen    – die unter anderem gegen sich selbst geltend zu machen sind    – zu befürchten. Ein solcher Drittliquidator hätte keine insolvenzrechtlichen Befugnisse.214 Dies kann dazu führen, dass gegebenenfalls unzulässige, gläubigerbenachteiligende Vermögensverschiebungen nicht aufgedeckt werden.215 Diesem Kompetenzdefizit kann bei Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse nur durch die Leistung eines, auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gerichteten, Vorschusses entgegengewirkt werden.216 Ein entscheidender Vorteil der gesellschaftsrechtlichen Liquidation besteht demgegenüber darin, dass ein Dritt­ liquidator nach §  146 Abs.  2 HGB grundsätzlich ungleich kostengünstiger als ein Insolvenzverwalter ist. Zwar verursacht ein Drittliquidator im Unterschied zu einer Eigenliquidation durch die Gesellschafter, die lediglich verauslagte Unkosten verursacht, zusätzlich Kosten für den Arbeitsaufwand (inklusive Einarbeitung in die Verhältnisse der Gesellschaft). Allerdings bleiben diese Kosten hinter denen des Insolvenzverwalters zurück, weil dieser nach §  4 Abs.  1 Satz  1 InsVV Geschäftskosten anzusetzen hat.217 In entsprechender Anwendung des §  265 Abs.  4 AktG kann das Gericht die Vergütung des Drittliquida­tors festsetzen.218 Ebenso sind die Gerichtskosten niedriger. Soweit vorgeschlagen wird, zum Liquidator einen „nachträglichen Insolvenzverwalter“ zu bestellen, weil bei diesem    – wenn er als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig war    – der Aufwand für die Einarbeitung in die Verhältnisse der Gesellschaft entfällt, ­stehen dem keine grundsätzlichen Bedenken entgegen, weil dieser weiterhin im Interesse der Gläubigergesamtheit unter Berücksichtigung der Gesellschaft­interessen agiert und entsprechenden Schadensersatzverpflichtungen unterliegt.219 Fraglich ist, ob eine umfassende Drittliquidation der Gesellschaft den Gesellschafterinteressen gerecht wird oder ob die Liquidationsbefugnisse des Drittliquidators auf die Haftungsforderungen zu beschränken sind mit der Folge, dass die Liquidation den Gesellschaftern obläge und flankierend ein Drittliquidator die Gesellschafterhaftung zentralisiert geltend zu machen hätte. Zwar ist bei Abweisungen von Anträgen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse grundsätzlich kaum verteilungsfähiges Gesellschaftsvermögen vorhanden; auch Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB gibt es nennenswert nicht, es verbleibt aber liquidierungsbedürftiges Gesellschaftsvermögen. Insoweit stellt sich die 213 Vgl.

K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  146 Rn.  31 m. w. N. G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  211 f. 215  Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (103); Keller, in: K. Schmidt, InsO, §  26 Rn.  6; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  177 ff.; ders., NJW 2011, 1255; ders., ZIP 1982, 9. 216  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 E. 217  Vgl. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  27; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  248. 218  K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  146 Rn.  43. 219  G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  211 f. 214 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Frage, ob dessen Verteilung den Gesellschaftern überlassen bleibt oder ob der zu bestellende Drittliquidator ebenfalls diesbezüglich die erforderlichen Befugnisse erhält. Bleibt die grundsätzliche Liquidationsbefugnis bei den Gesellschaftern, können deren gesellschaftsspezifische Kenntnisse nutzbar gemacht werden. Mit Blick auf die Regelung des §  146 HGB ist es erforderlich, die originäre Befugnis zur saldierenden Geltendmachung der Gesellschafterhaftung sowie die Liquidation im Übrigen originär den Gesellschafter-Liquidatoren zuzuerkennen. Sodann ist es auf Antrag der Gläubiger oder der Gesellschafter Aufgabe des Gerichts, die Personen der (Dritt-)Liquidatoren nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Hinsichtlich der zentralisierten Geltendmachung der Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter reduziert sich das gerichtliche Ermessen regel­mäßig auf Null. Sowohl ein Drittliquidator als auch die Gesellschafter werden sodann als Liquidatoren im Gläubigerinteresse tätig und sind einer aufgabenspezifischen Haftung zu unterwerfen. 4. Haftung der (Dritt-)Liquidatoren Nur durch eine eigenständige aufgabenspezifische Haftung der Liquidatoren ist es zu rechtfertigen, die Geltendmachung der Haftung der Gesellschafter, die materiell-rechtlich den Gläubigern zugewiesen bleibt, im Ausgangspunkt im Fremdinteresse den Gesellschafterliquidatoren zuzuerkennen. Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ob sodann ein Drittliquidator eingesetzt wird und ob dieser lediglich zur Geltendmachung der Unterdeckungshaftung nach §  128 HGB ermächtigt wird oder ob dieser die gesamte Liquidation durchzuführen hat. Die sich daran orientierende notwendige Haftung der Liquidatoren richtet sich nach dem Umfang der gerichtlichen Aufgabenbestimmung. Soweit die Gesellschafter die Liquidation im Eigeninteresse betreiben, haben diese für Neuverbindlichkeiten wie zu Lebzeiten des Verbandes einzustehen. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten. §  155 HGB ent­ faltet diesbezüglich genauso wenig eine Drittwirkung als Schutzgesetz, die zu einer Einstandspflicht nach §  823 BGB führen könnte, wie bei der liquiden Liquidation.220 Hinsichtlich der Geltendmachung der Gesellschafterhaftung im Fremdinteresse bedarf es demgegenüber einer gesonderten Einstandspflicht. Diese Tätigkeit ist mit der des Insolvenzverwalters im Rahmen von §  93 InsO vergleichbar, sodass eine analoge Anwendung des §  60 InsO in Betracht kommt. Diesbezüglich ist es unerheblich, ob die Haftungsunterdeckung von den Gesellschafterliquidatoren eingezogen wird oder von einem Drittliquidator. Beide Personengruppen müssen insoweit zwar die Gesellschafterinteressen berücksichtigen, sie agieren aber vorwiegend im Gläubigerinteresse. Diese Situation ist mit derjenigen Interessenlage, wie sie sich im Rahmen der Eigenverwaltung gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren ergibt, gleichzusetzen (vgl. §  276a Abs.  2 220 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb).

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Satz  2, Abs.  3 InsO). Anders als etwa nach den §§  268 Abs.  2, 93 Abs.  2 AktG oder §§  71, 43 GmbHG ist die erforderliche Haftung der Liquidatoren keine gegenüber der Gesellschaft, sondern eine gegenüber denjenigen, deren Interessen betroffen sind. Insoweit kommen überwiegend die Interessen der Gläubiger in Betracht, da es um die Geltendmachung der Haftung nach §  128 HGB geht. Aber auch die Gesellschafter können in berechtigen Interessen beeinträchtigt werden. In gläubigerschützender Hinsicht entspricht diese Interessenlage derjenigen des §  53 BGB, der eine eigenständige Anspruchsgrundlage der Verbandsgläubiger darstellt. Würde man §  53 BGB angesichts seiner systematischen Stellung als allgemeinen Grundsatz des Verbandsrechts qualifizieren, stünde diese Regelung einer generellen analogen Anwendung des §  60 InsO mangels planwidriger Regelungslücke entgegen. In Betracht käme daher gegenüber den Gläubigern eine direkte Anwendung des Grundsatzes aus §  53 BGB. In Bezug auf Pflichtverletzungen gegenüber den in Anspruch genommenen Gesellschaftern käme hingegen eine analoge Anwendung des §  60 InsO in Betracht. Gegen die Qualifizierung des §   53 BGB als einen solchen allgemeinen verbandsrechtlichen Grundsatz spricht, dass das Recht der juristischen Personen des Handelsrechts    – insbesondere das der GmbH    – keine entsprechende eigenständige Außenhaftung kennt, sodass §  53 BGB eine vereinsrechtliche Besonderheit sein könnte. Umgekehrt könnte es sich bei den kapitalgesellschaftsrechtlichen Vorschriften allerdings auch bloß um eine spezialgesetzliche Ausprägung gegenüber einem verbandsrechtlichen Grundsatz handeln. Allerdings regelt §  93 Abs.  5 i. V. m. §  268 Abs.  2 AktG, dass der Anspruch der Gesellschaft auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden kann. Diese Regelung wird von der Rechtsprechung auch auf die GmbH angewandt.221 Einer entsprechenden Analogie würde es nicht bedürfen, wenn §  53 BGB als allgemeiner Grundsatz verstanden werden könnte. Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des §  53 BGB spricht zuletzt, dass diese Vorschrift Ausdruck zwingender körperschaftlicher Liquidationsvorschriften ist, welche insbesondere in engem Zusammenhang mit dem Sperrjahr des §  51 BGB zu betrachten sind. Darüber hinaus dient §  53 BGB dazu, die vereinsrechtlichen Liquidationspflichten aus dem verbandsinternen Verhältnis in das Außenverhältnis zu verkehren. Die Verpflichtungen der Liquidatoren bei der Geltendmachung der materiellen Außenhaftungsansprüche aus §  128 HGB sind demgegenüber unmittelbare Außenpflichten gegenüber den Gläubigern, sodass insoweit eine andere Interessenlage gegeben ist als bei der vereinsrechtlichen Liquidation, bei der es lediglich um die Verteilung des Verbandsvermögens geht. Auch eine gegebenenfalls außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegenüber §  60 InsO vor­ rangige analoge Anwendung von §  93 Abs.  5 i. V. m. §  268 Abs.  2 AktG auf die 221 

BGH, Uv. 13.3.2018    – II ZR 158/16, juris-Rn.  46 ff.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

pflichtwidrige Geltendmachung der Haftungsansprüche nach §   128 HGB kommt nicht in Betracht. Während es bei §  93 Abs.  5 i. V. m. §  268 Abs.  2 AktG um die pflichtwidrige Verteilung von Gesellschaftsvermögen geht, 222 ist im Rahmen von §  128 HGB der Umgang mit Forderungen Dritter maßgeblich. Der Bezug zu dem Gesellschaftsvermögen ist ein bloß mittelbarer, weil sich die Fälligkeit des Haftungsanspruchs nach der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens gegenüber den Gesellschaftsverbindlichkeiten bestimmt. Diese Verbindung ist indes eine bloß mitgliedschaftlich vermittelte, einseitig akzessorische. Auch ein analoger Rückgriff auf §§  1991 Abs.  1, Abs.  4, 1978 BGB kommt nicht in Betracht. Zwar sind die Regelungen über die erbrechtliche Dürftigkeitsein­ rede der einer masselosen Liquidation insoweit vergleichbar, als eine Sondervermögensverbindung nicht ausreicht, darauf bezogene Verbindlichkeiten zu tilgen, die Interessenlage unterscheidet sich aber mit Blick auf das verantwortliche Zugriffssubjekt. So handelt der Erbe bei Verwaltung der Erbschaft vorwiegend in antizipiertem Eigeninteresse; demgegenüber hat der (Dritt-)Liquidator maßgeblich im Fremdinteresse der Gläubiger die Vermögensverwaltung zu betreiben. Dementsprechend ist keine Vorschrift ersichtlich, die einer analogen Anwendung des §  60 InsO auf den Drittliquidator oder die Gesellschafterliquidatoren bei der Geltendmachung der Haftungsansprüche aus §   128 HGB entgegenstünde. Zwar handelt es sich bei §  60 InsO um eine insolvenzrechtliche Vorschrift, wertungsmäßig ist im Rahmen der liquidationsrechtlichen Haftungsabwicklung, wie sie bei Illiquidität des Personenverbandes vorzunehmen ist, aber eine vergleichbare Interessenlage bei vorhandener Regelungslücke gegeben. §  60 InsO ermöglicht gesetzesanknüpfend eine hinreichende Füllung dieser Lücke. Die Einstandspflicht besteht sowohl gegenüber den Gläubigern als auch gegenüber den Gesellschaftern, nicht hingegen gegenüber der Gesellschaft, weil deren Interessen im Rahmen der Haftungsverwirklichung nach §  128 HGB nicht betroffen sind. Wird einem Dritten die Gesamtliquidation übertragen, so haben die Gesellschafter ihrerseits keine Einflussmöglichkeit mehr auf die Gesellschaft, sodass sich einerseits die Frage der Einstandspflicht der Gesellschafter für Neuverbindlichkeiten stellt, was sodann    – wenn man diese ablehnen möchte    – andererseits ein Bedürfnis nach einer Haftung des Drittliquidators gegenüber den Gläubigern bekräftigt. Diese Interessenlage entspricht derjenigen des §  61 InsO, der eine eigene gläubigerbezogene Einstandspflicht des Insolvenzverwalters regelt. Unterwirft man den Drittliquidator einer solchen Einstandspflicht, führt dies dazu, dass die Gesellschafter wie während des Insolvenzverfahrens von einer Einstandspflicht für Neuverbindlichkeiten freigestellt werden können. Diesbezüglich ist eine teleologische Reduktion des §  128 HGB angezeigt, weil die Gesellschafter mangels Selbstbestimmung keiner Selbstverantwortung zu 222 

BGH, Uv. 13.3.2018    – II ZR 158/16, juris-Rn.  47.

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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unterwerfen sind.223 Die Neugläubiger der Liquidationsgesellschaft sind sodann durch eine eigenständige Einstandspflicht des handelnden Liquidators als nunmehr originäres Gesellschaftsorgan vor den verbandsspezifischen Gefährdungen zu schützen. Bei gegebener vergleichbarer Interessenlage bedarf es diesbezüglich einer entsprechenden Anwendung des §  61 InsO, weil eine angesichts größerer Sachnähe in Betracht zu ziehende erweiternde Anwendung des §  128 HGB auf den Drittliquidator mangels Gesellschaftsstellung nicht in Betracht kommt. Im Unterschied zum Insolvenzverfahren ist demgegenüber eine Einstandspflicht der Gesellschafter nach §  128 HGB für die Kosten des Liquidationsverfahrens möglich und angezeigt. 5. Problematik fehlender organisierter Gläubigerbeteiligung Überwiegend wird abgelehnt, die gesellschaftsrechtliche Liquidation unter Beachtung insolvenzrechtlicher Regeln    – insbesondere des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung sowie der daraus folgenden verhältnismäßigen Befriedigung    – durchzuführen, weil ein derartiges insolvenzrechtliches Liquidationsverfahren sich von dem Insolvenzverfahren maßgeblich durch das Fehlen einer organisierten Beteiligung der Gläubiger unterscheide.224 Bislang ist versucht worden, die Liquidation masseloser Gesellschaften durch die Ausstrahlung insolvenzrechtlicher Wirkungen im Interesse der Gläubigergesamtheit zu verwirklichen.225 Hintergrund ist, dass das gesellschaftsrechtliche Liquidationsverfahren grundsätzlich in das Belieben der Liquidatoren gestellt ist. Angesichts der Tatsache, dass dieses Amt originär von den Gesellschaftern bekleidet wird, werden diese versucht sein, vorrangig etwa Drittgläubigerforderungen der Gesellschafter zu befriedigen.226 Das hier erarbeitete Modell ist indes nicht mit der Beachtung insolvenzrechtlicher Regeln im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens verbunden. Der Liquidator soll insbesondere keine insolvenzrechtlichen Befugnisse erhalten, mittels derer insolvenzrechtliche Ansprüche zu verwirklichen wären. Auch sollen die Gesellschaftsverbindlichkeiten keiner verhältnismäßigen Befriedigung unterworfen werden. Vielmehr gilt es, die Haftungsabwicklung des §  128 HGB entsprechend seines die Gläubigergesamtheit schützenden Regelungszwecks zu realisieren. Doch auch dieses Anliegen sieht sich gegebenenfalls der Problematik einer unzulänglichen Organisation der Gläubigergesamtheit gegenüber. Fraglich ist, in welchem Umfang die Haftungsgläubiger zu organisieren sind, um eine zentralisierte Geltendma223 Siehe zum Bedingungszusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, Kap.  1 §  2 C.II.1, Kap.  1 §  2 C.IV, Kap.  1 §  3 B.III.2. 224  G. Buchner, Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz, S.  48 ff., 53 ff., 56 ff., 65 ff.; Heller, Die vermögenslose GmbH, S.  170 ff., 158 ff., 151 ff.; Uhlenbruck, ZIP 1993, 241 (242); abweichend, Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  94 ff., 160 ff., 167 ff. 225  Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  94 ff. 226 Vgl. K. Schmidt/Bitter, in: Scholz, GmbHG, 11.  Aufl.§  60 Rn.  28; siehe aber, Cziupka, in: Scholz, GmbHG, §  60 Rn.  40.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

chung der Haftung durch den im Fremdinteresse agierenden Drittliquidator zu ermöglichen. Das Insolvenzrecht sieht insoweit die Bildung eines Gläubigerausschusses vor, der Mitwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Verfahrensführung erhält, vgl. §  69 InsO. Eine vergleichbare Möglichkeit zur Artikulation der Interessen der Gläubigergesamtheit sowie zur Überwachung der Liquidatoren gibt es im Rahmen der Haftungsverwirklichung nach §  128 HGB nicht. Vielmehr wird der Liquidator grundsätzlich selbstbestimmt tätig. Fraglich ist allerdings, ob es einer entsprechenden gemeinschaftlichen Willensbildung überhaupt bedarf. Im Rahmen von §  128 HGB geht es nur darum, dass die Gläubiger die Möglichkeit erhalten, ihre Haftungsansprüche gegenüber dem Liquidator anmelden zu können, der diese sodann in die Unterdeckungsbilanz miteinzubeziehen hat. Dazu bedarf es lediglich eines Publizitätsaktes, anhand dessen zu erkennen ist, dass die Haftungsansprüche fällig sind. Dieser sollte sich auf die Haftung selbst beziehen, weil die Auflösung der Gesellschaft oder die Bestellung der Liquidatoren von diesem Zeitpunkt abweichen können. Angesichts der notwendigen Bekanntgabe der Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse gibt es einen solchen hinreichenden Publizitätsakt, der es entsprechend den Regelungen der §§  143, 148 HGB, §  50 BGB den Gläubigern ermöglicht, gegenüber den Liquidatoren ihre Haftungsansprüche anzumelden. Problematisch könnte es sein, dass es hinsichtlich der Haftungsverwirklichung nach §  128 HGB an einer Regelung wie §  51 BGB fehlt, die ein vorübergehendes Ausschüttungsverbot anordnet, damit die Gläubiger eine zumutbare Möglichkeit haben, ihre Forderungen geltend zu machen. Hintergrund dieser Regelung ist es, dass Auszahlungen der Liquidatoren einer Körperschaft    – auch an die Gesellschafter    – nach Ablauf des Sperrjahres gegenüber den unbekannten Gläubigern, die sich nicht gemeldet haben, mit Rechtsgrund und dementsprechend kondiktionsfest erfolgen.227 Hervorzuheben ist, dass die Annahme eines gesonderten Gläubigeraufrufs sowie die Einhaltung eines Sperrjahres zusätzliche Liquidationskosten mit sich brächten.228 Im Unterschied zu einer Körperschaft wie dem Verein, bei dem das Haftungsvermögen auf den Verband beschränkt ist und ein Zugriff auf die Gesellschaftervermögen nicht in Betracht kommt, bedarf es im Rahmen der Haftungsverwirklichung nach §  128 HGB keines entsprechenden Sperrjahres. Vielmehr wird die Fälligkeit des im Fremd­ interesse geltend zu machenden Haftungsanspruchs dadurch aktualisiert, dass sich weitere Gläubiger melden. Zwar wird durch die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme keine Organisation der Gläubigergesamtheit erreicht, ungeachtet der Geltendmachung der Gesellschafterhaftung im Interesse der Gläubigergesamtheit reicht es aber aus, wenn die Gläubiger dem Liquidator einzeln gegenübertreten, diese ihre Einzelinteressen vertreten können, die der Liquidator 227 

228 

Leuschner, in: MüKoBGB, §  51 Rn.  7. Heller, Die vermögenslose GmbH, S.  170.

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sodann im Gesamtinteresse wahrzunehmen hat. Einer darüberhinausgehenden Organisation der Gläubiger bedarf es nicht, weil der Liquidator keine insolvenzrechtlichen Befugnisse hat, hinsichtlich derer das Gesamtinteresse zu artikulieren wäre, etwa mit Blick auf die Eigenverwaltung oder eine Sanierung. So geht es im Rahmen des Liquidationsverfahrens lediglich noch um die Geltendmachung von Zahlungen. Nach dem gesetzlichen Leitbild ist dies originäre Aufgabe von Liquidatoren, ohne dass es eines Gläubigergremiums bedürfte. IV. Zusammenfassung Die Haftungsforderungen gegenüber den Gesellschaftern nach §  128 HGB fließen nicht in die für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens maßgebliche Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung mit ein, weil eine Einstandspflicht der Gesellschafter nach dieser Vorschrift für Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten nicht in Betracht kommt. Lediglich die der Disposition der Gesellschafter unterliegenden Nachschussansprüche gemäß §  735 BGB können daher zu einer rechtlichen Überwindung von Massearmut beitragen. Die Durchführung eines Liquidationsverfahrens in der Folge einer Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse durch das Insolvenzgericht entspricht nur dann dem Regelungszweck des §  128 HGB, wenn man den Gläubigern das Recht zuerkennt, die Geltendmachung der Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter durch einen amtsgerichtlich zu bestellenden Dritt­ liquidator zu initiieren. Während das Gesellschaftsvermögen im Rahmen masseloser Liquidation dem prioritären Einzelzugriff der Gläubiger unterliegt, obliegt ausschließlich den (Dritt-)Liquidatoren die zentralisierte Geltendmachung der Haftungsforderungen im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit. Sie haften analog §§  60, 61 InsO sowohl gegenüber den Gläubigern als auch gegenüber den in Anspruch genommenen Gesellschaftern für Pflichtverletzungen im Rahmen der zentralisierten Geltendmachung der Gesellschafter-Exithaftung. Ein entscheidender Unterschied dieser Abwicklung gegenüber der im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens liegt darin, dass diesen Liquidatoren keine insolvenzrechtlichen Befugnisse zustehen, sodass gegebenenfalls unzulässige Vermögensverschiebungen nicht aufgedeckt und nicht zum Gesellschaftsvermögen gezogen werden können.229 Dementsprechend stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, das Insolvenzregime durch die Verfahrenseröffnung mit entsprechenden Verwalterbefugnissen trotz Masseunzulänglichkeit aktivieren zu können. §  26 Abs.  1 Satz  2 InsO ermöglicht die Verfahrenseröffnung über das nicht kostendeckende Vermögen einer Gesellschaft, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird.230 229 

Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (103). Eine Stundung gemäß §  4a InsO kommt demgegenüber nur bei natürlichen Personen in Betracht. 230 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

E. Verfahrenskostenvorschuss nach §  26 Abs.  1 Satz  2 Hs.  1 InsO zur Aktivierung insolvenzrechtlicher Befugnisse Die Regelung des §  26 InsO differenziert zwischen einem weiten Kreis der Vorschussberechtigten nach §  26 Abs.  1, Abs.  3 InsO (vgl. §  207 Abs.  1 InsO) und speziellen verhaltensbezogenen Adressaten einer Vorschussverpflichtung in §  26 Abs.  4 InsO. I. Gläubigervorschussberechtigung zur Aktivierung der insolvenzrechtlichen Befugnisse zwecks Masseanreicherung Angesichts des Umstandes, dass in die „Kostenmasse“-Deckung auch solche Umstände miteinfließen, die zu einer Anfechtung berechtigen und damit zu einer Anreicherung der Insolvenzmasse beitragen, stellt sich die Frage, welchen Vorteil ein Vorschuss nach §  26 Abs.  1 Satz  2 InsO bringt.231 Schließlich ist das Insolvenzverfahren kostenträchtiger als eine masselose Gesellschaftsliquida­ tion.232 Denkbar wäre, dass Gläubigern auf diese Weise durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegen der Einschätzung des Insolvenzgerichts die Möglichkeit eröffnet wird, Vermögensverschiebungen des Insolvenzschuldners rückgängig zu machen. Dem Vorschuss käme auf diese Weise die Funktion einer Erzwingung der Verfahrenseröffnung im Gläubigerinteresse zu. Allerdings haben Antragsteller und Schuldner ohnehin die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen den abweisenden Beschluss in Form der sofortigen Beschwerde einzulegen.233 Demgegenüber hat das Gericht die Kostendeckungsprognose lediglich mit Blick auf einen zwar großzügigen, aber auch bloß angemessenen Zeitraum anzustellen, sodass die Gläubigererwartung liquiden Gesellschaftsvermögens über die gerichtliche Prüfungspflicht hinausreichen kann.234 Außerdem ist das Eröffnungsverfahren angesichts des Prognosecharakters nur bedingt geeignet, die Begründetheit von Gesellschaftsansprüchen zu prüfen, derer es bei der Beurteilung der Kostendeckung durch die Masse bedarf, sodass in der Realität der Rechtsanwendung in vielen Fällen die Ablehnung mangels Masse lediglich eine scheinbare ist.235 Die praktische Relevanz einer individuellen Vorschussberechtigung wird bezweifelt; zur Steigerung der Attraktivität wird insoweit vorgeschlagen, die zur Masse erwirtschafteten Vermögenswerte vorrangig auszukehren.236 Jedenfalls ist für einen eingezahlten Vorschuss eine Sondervermögensverbindung zu bilden, auf die nur für die Verfahrenskosten zurückgegriffen

231 

G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  39 ff., 123 ff. Vgl. zu den zu deckenden Kosten, Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (103 f.). 233  Schilken, in: Jaeger, InsO, §  26 Rn.  7 7 ff. 234 Vgl. Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (104 ff.). 235  K. Schmidt, NJW 2011, 1255 (1256). 236 Vgl. Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (107); K. Schmidt, NJW 2011, 1255. 232 

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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werden darf.237 Überschüssige Zahlungen sind daher zurückzugewähren. Zur Steigerung des Gläubigeranreizes sieht §  26 Abs.  3 InsO einen Erstattungsanspruch des Vorschussleistenden gegen die Organe juristischer Personen bzw. solcher Personengesellschaften vor, die keinen persönlich haftenden Gesellschafter haben, weil nur diese zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet sind; auf sonstige Personenaußengesellschaften findet diese Regelung indes keine Anwendung.238 Dieser Anreiz fällt bei rechtsformtypischen Personenverbänden weg. Folglich ist fraglich, ob dem Vorschussanspruch insoweit überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt.239 Dafür spricht, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Regime des §  93 InsO eröffnet wird und damit ein Zugriff auf die Gesellschaftervermögen möglich wird. Ein darauf gerichteter Anreiz setzt allerdings voraus, dass ein vergleichbarer Zugriff im masselosen Liquidationsverfahren ausscheiden würde, zumal eine Realisierung unter diesem Regime kostengünstiger wäre. Nach dem modifizierten Haftungsmodell ist die Einstandspflicht der Gesellschafter indes keine insolvenzrechtliche, sondern eine liquiditätsbezogen liquidationsrechtliche, sodass die Gesellschafterhaftung auch mit Ablehnung der Verfahrenseröffnung mangels Masse stichtagsbezogen fällig wird. Sie kann sodann durch die Gesellschafter­ liquidatoren oder einen amtsgerichtlich bestellten Drittliquidator im Interesse der Gläubigergesamtheit geltend gemacht werden. Der maßgebliche Unterschied der Liquidationsregime besteht darin, dass diesen Drittliquidatoren des gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens    – anderes als dem Insolvenzverwalter    – keine insolvenzrechtlichen Befugnisse zur „Masseanreicherung“ zur Verfügung stehen. So drohen bei fehlender Verfahrenseröffnung, die gläubigerschützenden Mechanismen des Insolvenzrechts als „Befriedigungspool“ auszufallen.240 Dieses Kompetenzdefizit ist gegen die Kosten eines Insolvenzverfahrens abzuwägen. II. Kein Bedürfnis personengesellschaftsrechtlicher Vorschusspflicht Wenn die Inanspruchnahme der Gesellschafter im Rahmen der Beurteilung der „Kostenmasse“-Deckung nicht effektiv zu einer Haftung der Gesellschafter für die Kosten des Insolvenzverfahrens führen soll, kommt lediglich die Inanspruchnahme der Gesellschafter im Wege eines Vorschusses in Betracht.241 Im Unterschied zu einer Haftung für Verfahrenskosten unter Anknüpfung an §  93 InsO würde dadurch die Vermögenstrennung aufrechterhalten. Die anhand von §  93 InsO zu bildende Sondervermögensverbindung bliebe der Tilgung von 237 

Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (107). G. Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 85. EL 9/2020, §  26 Rn.  146 ff. 239 Vgl. K. Schmidt, NJW 2011, 1255 (1256). 240  K. Schmidt, NJW 2011, 1255 (1257). 241  Abweichend hingegen zu Nachschussansprüchen gemäß §  735 BGB, siehe oben Kap.  1 §  3 B.III.2.c), Kap.  3 §  7 D.II.2.d). 238 Vgl.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Insolvenzforderungen vorbehalten,242 sodass die Interessen von Gläubigern und Gesellschaftern Berücksichtigung fänden. Die Leistung eines Vorschusses aus der Vermögensverbindung der Haftungsforderungen ginge allerdings mit einer diesbezüglichen Verpflichtung der Gesellschaftsgläubiger in der Form eines teilweisen Verzichts auf ihre Haftungsansprüche aus §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB einher. Dies erscheint problematisch, weil diese mit einer entwerteten Gesellschafterhaftung auf etwas verzichten müssten, für das sie keinen Ausgleich erhielten.243 Eine Vorschusspflicht der Gesellschafter könnte daher eine unverhältnismäßige, enteignende Wirkung für die Haftungsgläubiger zur Folge haben, obwohl ein kostengünstigeres Liquidationsverfahren in Betracht kommt. Denkbar wäre hingegen eine echte auf die Gesellschaftervermögen bezogene Vorschusspflicht. Letztlich bezöge sich diese Vorschusspflicht aber auf die gleiche Vermögensverbindung, wie sie schon von §  128 HGB in Bezug genommen wird. Die eigentliche Ausrichtung von dem zuletzt novellierten §  26 InsO ist aber eine andere. Nach der gesetzlichen Konzeption können Vorschüsse gerade nicht aus dem jeweiligen Haftungsvermögen abgezweigt werden. Durch die Hintertür könnte damit vielmehr eine Haftung der Gesellschafter für Verfahrenskosten eingeführt werden. Für den Gesellschaftervorschuss wäre gleichfalls eine Sondervermögensverbindung zu bilden, welche aus den liquidierten Vermögenswerten der Insolvenzschuldnerin zu befriedigen wäre. Die Anordnung einer entsprechenden Vorschusspflicht der Gesellschafter hätte eine Verlagerung des Regressrisikos von den (einzelnen) Gläubigern auf die (einzelnen) Gesellschafter zur Folge. Aus §  128 HGB ergeben sich diesbezüglich keine Wertungen, weil die Frage der insolvenzrechtlichen Liquidation anhand des Vermögens der Gesellschaft zu beurteilen ist. Eine Vorschusspflicht kann sich dementsprechend lediglich aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften ergeben. Im Unterschied zu §  26 Abs.  1 Satz  2, Abs.  3 InsO    – welcher die Vorschussberechtigung zum Zwecke der Verfahrenserzwingung mit entsprechender Regressmöglichkeit gegenüber etwaigen Vorschussverpflichteten regelt    – beschränkt §  26 Abs.  4 InsO die Vorschussverpflichtung auf insolvenzantragsverpflichtete Personen. Für die Gesellschafter einer rechtsformtypischen Personenaußengesellschaft ist demgegenüber keine Verpflichtung geregelt. Fraglich ist, woraus sich diese Ungleichbehandlung rechtfertigt. Bei den Verpflichteten des §  26 Abs.  3, Abs.  4 InsO handelt es sich um organschaftliche Vertreter solcher Verbände, bei denen lediglich das Gesellschaftsvermögen einem Haftungszugriff unterworfen wird und eine persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter nicht in Betracht kommt. Ebenso wie §  15a InsO weist die Regelung angesichts des regelmäßig sehr begrenzten Haftungsfonds vorwiegend eine präventive Wirkungsweise auf, die einen Anreiz für die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags schaf242 

Haarmeyer, ZInsO 2001, 103 (107). Dinstühler, ZIP 1998, 1697 (1706).

243 Vgl.

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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fen soll. Die Inanspruchnahme solcher Organe zum Zwecke des Vorschusses ist förderlich, weil sie es sind, die einer gebotenen Masseschonung zuwidergehandelt haben. Es besteht eine normative zugrunde gelegte Wahrscheinlichkeit, dass die zukünftige Insolvenzmasse bei rechtzeitiger Antragstellung ausgereicht hätte, die Verfahrenskosten zu tilgen und im Übrigen eine Gesamtvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen zu ermöglichen. Die Vorschussverpflichtung ist ein Annex zur Liquidationsverantwortlichkeit der Organe „haftungsbeschränkter“ Rechtsformen.244 Die persönlich haftenden Gesellschafter triff eine solche Verhaltenspflicht demgegenüber mangels Adressatenstellung im Sinne von §  15a InsO nicht. Eines zusätzlichen Verhaltensanreizes bedarf es dementsprechend grundsätzlich nicht. Gleichwohl ist fraglich, inwiefern dennoch ein berechtigtes Interesse der Gläubigergesamtheit an der Durchführung eines Insolvenzverfahrens besteht. Reicht das Gesellschaftsvermögen nicht aus, die Verfahrenskosten zu tilgen, ist auch eine Gesamtvollstreckung nicht um jeden Preis erstrebenswert.245 Bei Unzulänglichkeit des Gesellschaftsvermögens ist grundsätzlich die Vollwertigkeitsgarantie des §  128 HGB zu verwirklichen. Daneben bedarf es keiner zusätzlichen, kostenintensiven insolvenzrechtlichen Ordnungseingriffe mit Bezug auf das Gesellschaftsvermögen sowie die Ge­ sellschaftervermögen. Ausreichend ist, wenn die Haftungsverwirklichung im In­teresse der Gläubigergesamtheit realisiert wird. Ist insoweit ausreichend Vermögen der Gesellschafter vorhanden, kann dies originär unter gesellschaftsrechtlichem Regime erfolgen, ohne dass es einer Überlagerung durch insolvenz­ rechtliche Vorschriften bedarf. Eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur um den Zweck der Haftungsabwicklung nach §  93 InsO kommt folglich nicht in Betracht, weil sich der Regelungszweck des §  128 HGB auch unter gesellschaftsrechtlichem Liquidationsregime ohne Ausstrahlung etwaiger „insolvenzrechtlicher Garantien“ verwirklichen lässt. Mit einem solchen Verständnis ist auch keine gesteigerte Gefahr verbunden, dass Gesellschafter durch vorinsolvenz­ liche Vermögensverschiebungen zu Lasten der Gläubigergesamtheit versuchten, eine Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse zu provozieren, ohne die strikten insolvenzrechtlichen Restriktionen und Eingriffsmittel befürchten zu müssen. Solche sind einerseits im Rahmen der Eröffnungsentscheidung zu würdigen, andererseits haben die Gläubiger die Möglichkeit, mittels eines Vorschusses die Verfahrenseröffnung ihrerseits zu erzwingen. Folglich bedarf es bei der Personengesellschaft angesichts der gesellschaftsrechtlichen Regelungen unter dem modifizierten Haftungsmodell keiner weiteren Anreize für die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses. Teilweise wird darüber hinaus vorgeschlagen, die Einleitung und Durchführung des Insolvenz- bzw. Liquidationsverfahrens mittels eines Staatskostenvor244 

Haarmeyer, in: MüKoInsO, §  26 Rn.  68. Häsemeyer, in: FS Gerhardt, S.  343.

245 Vgl.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

schusses vorzufinanzieren.246 Ebenso existieren Vorschläge für eine Insolvenzkosten-Pflichtversicherung für Gewerbetreibende247 sowie ein Insolvenzeröffnungskapital,248 Letzteres allerdings nur für Kapitalgesellschaften. Für die rechtsformtypischen Personenverbände bedarf es entsprechender Mechanismen indes nicht, weil bei bloßer Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft der liquida­ tionsrechtliche Zugriff auf die Gesellschaftervermögen ermöglicht wird. Die Verwirklichung der Haftungsansprüche ist sodann eine gesellschaftsrechtliche, dies jedoch unter Berücksichtigung der haftungsrechtlich gebotenen Gläubigergleichbehandlung.249 Einer irgendwie gelagerten (staatlichen) Vorfinanzierung des Insolvenzverfahrens bedarf es insoweit nicht.

F. Gesellschaftsrechtliche Nachtragsliquidation nach Abschluss des Insolvenzverfahrens Anders als die liquiditätsmäßige Beurteilung der Verfahrensführung hat die Verfahrensbeendigung nach §  199 Satz  2 InsO vermögensbasiert zu erfolgen. Hintergrund ist der Liquidationscharakter des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens, an dessen Ende    – vorbehaltlich einer Freigabe    – die Vollbeendigung der Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter als besonderen Drittliquidator zu stehen hat.250 Eine weitere Überleitung in ein sich anschließendes Liquidationsverfahren kommt nach diesem Leitbild grundsätzlich nicht in Betracht. Vielmehr sollen sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten    – vorzugswürdig im Rah­ men eines Insolvenzplans mit Wirkung für alle Gesellschaftsgläubiger    – zum Erlöschen gebracht werden. In Anbetracht der einseitig wirkenden Akzessorietät bedeutet dies für die Haftungsverbindlichkeiten der Gesellschafter, dass diese mit dem Wegfall der Gesellschaftsverbindlichkeit ebenfalls erlöschen. Werden nach vermeintlicher Vollbeendigung gleichwohl Gesellschaftsverbindlichkeiten entdeckt oder hat eine Freigabe stattgefunden, ist eine (Nachtrags-)Liquidation nach gesellschaftsrechtlichem Regime durchzuführen, weil mangels quantitativen Gesellschaftsvermögens regelmäßig keine „Kostenmas246  Vgl. bei K. Schmidt, NJW 2011, 1255 (1256 f.), zwar insoweit sympathisierend, die politische Durchsetzbarkeit aber kategorisch ablehnend, mit Verweis auf Schulz, Die masselose Liquidation der GmbH, S.  120 ff., insoweit als „Liquidationskostenhilfe“; ebenso, K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  190; ders., ZGR 25 (1996), 209 (221); ders., ZGR 15 (1986), 178 (208); ablehnend, Uhlenbruck, ZIP 1993, 241 (242); siehe auch Burgard/ Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1571); Cziupka, in: Scholz, GmbHG, §  60 Rn.  39; K. Schmidt/ Bitter, in: Scholz, GmbHG, 11.  Aufl., §  60 Rn.  30; zur Auslage der Kosten durch den Verwalter, Häsemeyer, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S.  106. 247  Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 (1571 ff.). 248  Thiessen, ZIP 2006, 1892 (1993 ff.). 249  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.5. 250  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a); vgl. H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  11 ff., 16 ff., 23, 429; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  27, 99 ff., 115, 154, 161; a. A. Kluth, NZI 2000, 351 (356).

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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se“-Deckung gegeben ist. Eine unmittelbare Inanspruchnahme der „ehemaligen“ Gesellschafter kommt auch insoweit, angesichts des Regelungszwecks des §  128 HGB, grundsätzlich nicht in Betracht, sodass die Realisierung der Gesellschafterhaftung im Fremdinteresse zentralisiert durch einen Drittliquidator zu erfolgen hat. Vorbehaltlich einer amtsgerichtlichen Bestellung ist diese Liquidatorenaufgabe von den Gesellschaftern wahrzunehmen (vgl. §  146 HGB). Fraglich ist, inwieweit das modifizierte Haftungsmodell einzuschränken ist, wenn sich bloß ein einziger Gläubiger meldet. Mit Blick auf die Interessen potenzieller anderer verbleibender Gläubiger ist es angezeigt, gleichwohl eine gericht­ liche Ermächtigung nach §  146 Abs.  2 HGB zu eröffnen. Das Gericht hat sodann auf Antrag die Möglichkeit, den verbleibenden Gläubiger als Dritt-Nachtragsliquidator einzusetzen.251 Nur soweit die Gesellschafter freiwillig zahlen, ist dieses Vorgehen entbehrlich.

G. Primärhaftung der Gesellschafter im Interesse der Gläubigergesamtheit bei mitgliedschaftlichem Missbrauch der Vermögenstrennung Gestaltet man die Gesellschafterhaftung als eine im Interesse der Gläubigergesamtheit zentralisiert geltend zu machende materielle Außenhaftung, stellt sich die Frage, inwieweit im Einzelfall ein berechtigtes Bedürfnis aufkommen kann, primär auf die Gesellschaftervermögen zugreifen zu können. Ein solches Bedürfnis könnte sowohl hinsichtlich eines Einzelzugriffs als auch hinsichtlich eines Gesamtzugriffs der Gläubigergesamtheit in Betracht kommen. Eine primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter könnte entsprechend zu den Fallgruppen entwickelt werden, in denen eine Durchbrechung des Haftungstrennungsprinzips bei den Kapitalgesellschaften in Betracht kommt. Zwar ist die Interessenlage eine völlig andere, weil bei Kapitalgesellschaften die alleinig haftungsunterworfene Vermögensverbindung der Körperschaft erweitert wird, während es im Rahmen von §  128 HGB lediglich um den Zeitpunkt der In­ anspruchnahme einer bereits haftungsunterworfenen zusätzlichen Vermögensbindung geht. Gemeinsamer argumentativer Ausgangspunkt könnte allerdings die rechtssubjektive Vermögenstrennung bilden, die es angesichts vorwerfbaren Gesellschafterverhaltens unter Ausnutzung struktureller, verbandsrechtlicher Besonderheiten zu überwinden gelten könnte. In beiden Konstellationen käme der Aktivierung der Gesellschafter eine vergleichbare, kapitalersetzende Funktion zu. Allerdings ist bereits problematisch, inwieweit Gläubiger der Gesellschaft ein Interesse daran entwickeln könnten, vorrangig auf das Gesellschaftervermögen zuzugreifen, wenn noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, anhand dessen Sie unmittelbar ihr Leistungsinteresse befriedigen können. In Anlehnung an die Rechtsprechung über die Durchgriffshaftung bei den Kapi251 

Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 D.III.3.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

talgesellschaften in der Fallgruppe der „Vermögensvermischung“252 kommt eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter durch einzelne Gläubiger bzw. die Gläubigergesamtheit unter Anknüpfung an §  128 HGB, §  242 BGB in Betracht, wenn das Berufen auf die Ausfallhaftung eine unzulässige Rechtsausübung der Gesellschafter darstellen würde, weil etwa eine unzureichende Buchführung existiert.253 Zwar kann die Gesellschaftergesamtheit im Unterschied zu „haftungsbeschränkten“ Kapitalgesellschaften auch ohne vermögens­ ausgleichendes Äquivalent einen Kapitalabfluss zu Lasten der Gesellschaft beschließen, weil dies die Einstandspflicht der Gesellschafter auslöst, allerdings kommen vergleichbare vorwerfbare Handlungen in Betracht, die die personengesellschaftsrechtliche Vermögenstrennung zu Lasten der Gläubigergesamtheit verschleiern und einer Berufung auf die Vermögenstrennung entgegenstehen könnten. Im Rahmen derartiger Vermögensvermischungen kommt unmittelbar eine Geltendmachung der Gesellschafterhaftung in Betracht. Bloße Vermögensverschiebungen mit der Folge einer quasi materiellen Unterkapitalisierung können eine unmittelbare Einstandspflicht demgegenüber nicht rechtfertigen, weil es einerseits in der Personengesellschaft keine zwingenden Kapitalaufbringungs- bzw. Kapitalerhaltungsregelungen gibt, die als Bezugsgröße dienen könnten und andererseits ein unterkapitalisierender Vermögensabfluss unverzüglich dazu führt, dass die Gesellschafterhaftung fällig wird, dies aber zu den Händen eines Drittliquidators. Soweit Vermögensverschiebungen zu befürchten sind, ist ein hinreichender Schutz durch die Gesellschafterhaftung sowie durch insolvenzrechtliche Anfechtungsrechte gegeben. Noch weniger ist ein schützenswertes Gläubigerinteresse an einem unmittelbaren Einzelzugriff zu erkennen. Ein solcher Einzeldirektzugriff liefe maßgeblich dem Regelungszweck des §  128 HGB zuwider. Auch eine primäre Einstandspflicht der Gesellschafter wäre angesichts dieses Regelungszwecks zentralisiert durch eine im Interesse der Gläubigergesamtheit agierende Mittelsperson geltend zu machen. Auch eine primäre Einstandspflicht der Gesellschafter bei missbräuchlichem Verhalten ist demzufolge eine materielle Außenhaftung unter dem Regime zentralisierter Geltendmachung. Eine Vermeidung der aufwendigeren Liquidationsabwicklung käme allenfalls in Betracht, wenn es lediglich einen einzelnen Gesellschaftsgläubiger gäbe. Nur in dieser Konstellation steht der Regelungszweck des §  128 HGB bei missbräuchlichem Verhalten einer unmittelbaren Inanspruchnahme nicht entgegen. Eine Situation, in der demgegenüber lediglich    – entsprechend der kapitalgesellschaftlichen Fallgruppe    – ein einziger Gesellschafter vorhanden ist und Vermögensvermischungen zu befürchten sind, ist angesichts der Sozietätskonstruk­ tion lediglich im Rahmen der Sonderzuordnung von Mitgliedschaften denk252 Vgl. 253 

Raiser, in: FS Lutter, S.  6 44 ff. BGH, Uv. 14.11.2005    – II ZR 178/03, BGHZ 165, 85–96 = juris-Rn.  14, 17.

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bar,254 sodass auch diesbezüglich eine primäre Einstandspflicht ausscheidet. Bloß für den Fall kollusiven Zusammenwirkens einzelner Gesellschaftsgläubiger mit den Gesellschaftern oder der Gesellschaft kommt eine vorrangige Befriedigung der übrigen Gläubiger in Betracht. Eine primäre Inanspruchnahme der Gesellschafter in Anlehnung an die Fallgruppe der Existenzvernichtung nach §  826 BGB ist im Rahmen von Personengesellschaften demgegenüber nicht denkbar.255 Diese dient als Innenhaftung maßgeblich der Kapitalauffüllung und bleibt damit in ihrer nachgelagerten Ausrichtung hinter der Einstandspflicht nach §  128 HGB zurück.

H. Gewährleistung des Gläubigerschutzes hinsichtlich verschiedener Gläubigergruppen im Rahmen von parallel verlaufenden Insolvenzverfahren Besondere Bedeutung kommt dem modifizierten Haftungsmodell schließlich in den Fällen (teilweise) parallel verlaufender Insolvenzen von Gesellschaft und Gesellschaftern zu    – etwa bei (nahezu) gleichzeitiger Doppelinsolvenz, gestufter Insolvenz oder Ketteninsolvenz.256 Treten neben die Gesellschaftsinsolvenz weitere Insolvenzen der Gesellschafter ist angesichts unterschiedlicher normativer Rahmenbedingungen danach zu differenzieren, ob über das Gesellschaftsvermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist oder ob die Beurteilung der Gesellschafterinsolvenzen im Rahmen einer masselosen Gesellschaftsinsolvenz zu erfolgen hat. Demgegenüber stellt sich unter dem modifizierten Haftungsmodell nicht mehr die Problematik kollidierender Anfechtungsrechte der Insolvenzverwalter über die unterschiedlichen Vermögensverbindungen für Gesellschafterzahlungen vor Eintritt in das besondere Liquidationsstadium, 257 weil derartige Leistungen ohne primäre Inanspruchnahme nicht in Betracht kommen. I. Verfahrenseingebettete Berücksichtigung der unterschiedlichen Gläubigerinteressen unter insolvenzrechtlichem Regelungsregime Entsprechend zu dem von Karsten Schmidt vorgeschlagenen sog. Ausfallmodell zu §  93 InsO hat das modifizierte Haftungsmodell bei eröffnetem Gesellschaftsinsolvenzverfahren zur Folge, dass in den Insolvenzverfahren über die Gesellschaftervermögen nur die Unterdeckung der Gesellschaftsmasse anzumelden ist, nicht demgegenüber die einzelnen Haftungsforderungen der Gesellschaftsgläubiger.258 Soweit diesbezüglich abweichende Ansätze vertreten werden, sind 254 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.I.5.a)dd). Siehe dazu bereits oben Kap.  2 §  4 C.II. 256  Vgl. zu den unterschiedlichen Konstellationen, Reiswich, ZInsO 2010, 1809 (1811 ff.). 257  BGH, Uv. 9.10.2008    – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171–181 = juris-Rn.  7 ff.; Jeitner, NZI 2009, 673 (673 ff.). 258 Vgl. K. Schmidt, in: MüKoHGB, §   128 Rn.  87, Anh. §  158 Rn.  66 ff.; ders., ZGR 25 (1996), 209 (216 ff.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1087). 255 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

diese mit dem hier entwickelten allgemeinen haftungsrechtlichen Ausfallmodell nicht vereinbar.259 Die einzelnen Haftungsforderungen verlieren gerade in der Insolvenz eines Gesellschafters ihre Selbstständigkeit, weil die Gesellschafterhaftung stichtagsbezogen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen zu Händen des zuständigen im Fremdinteresse agierenden Drittliquidators fällig wird. Anders als nach dem von Karsten Schmidt zu §  93 InsO entwickelten Ausfallmodell handelt es sich im Rahmen des hier herausgearbeiteten Haftungsmodells aber nicht um eine neue Einheitsforderung, sondern um eine dynamische Unterdeckungseinstandspflicht.260 Hinsichtlich der Liquidation der Gesellschaft führen zusätzliche Insolvenzverfahren über die Gesellschaftervermögen dazu, dass sich die Vollbeendigung des Personenverbandes verzögert, weil die Anmeldung der Haftungsforderung zu den Gesellschafterinsolvenzverfahren ein Abwarten des Insolvenzverwalters der Gesellschaft in diesen Verfahren zur Folge hat. Gerade im Falle paralleler Insolvenzen, im Rahmen derer gegebenenfalls nicht nur die Gesellschaftsverbindlichkeiten quotal zu befriedigen sind, sondern auch die Haftungsforderungen gegenüber den Gesellschaftern nicht vollständig verwirklicht werden können, kommt dem Regelungszweck des §  128 HGB nach Realisierung der Gesellschafterhaftung im Interesse der Gläubigergesamtheit besondere Bedeutung zu, weil anderenfalls einige Gläubiger volle Befriedigung erhalten könnten, während andere drohten mit ihren Haftungsforderungen auszufallen. Die Haftungsverwirklichung in den formalisierten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft sowie über die Vermögen der einzelnen Gesellschaftervermögen gewährleistet insoweit eine verhältnismäßige Gläubigerbefriedigung unter hinreichender Beteiligung aller Interessengruppen. Ungleich problematischer ist die gleichmäßige Gewährleistung der Gleich­ behandlung von Gesellschafts-, Gesellschafterhaftungs- sowie Gesellschafterprivatgläubigern, wenn die Gesellschafterinsolvenz erst eintritt, nachdem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen mangels Masse abgelehnt wurde bzw. mit der Ablehnungsentscheidung zusammenfällt. Denn während unter insolvenzrechtlichem Regime sowohl die Gesellschaftsverbindlichkeiten als auch die Haftungsforderungen sowie die Gesellschafterprivatverbindlichkeiten eine vergleichbare Behandlung im Interesse der jeweiligen Gläubigergruppen erfahren, unterliegen diese im Rahmen masseloser Gesellschaftsliquidation ganz unterschiedlichen Abwicklungssystemen. Während die Gesellschaftsverbindlichkeiten dem Prioritätsprinzip unterliegen, ist die Gesellschafterhaftung aus haftungsrechtlichen Gründen der Gläubigergleichbehandlung verpflichtet, die Gesellschafterinsolvenz ist sodann nach insolvenzrechtlichem Regime zu verwirklichen. 259 

260 

Siehe dazu unten Kap.  3 §  9 A.II.2. Siehe dazu oben Kap.  2 §  4 B., Kap.  2 §  5 C.

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II. Masselose Liquidation Während sich im Falle der masselosen Liquidation grundsätzlich die Frage aufdrängt, warum man die Geltendmachung der Gesellschafterhaftung überhaupt zentralisiert durch den Liquidator für erforderlich hält, wenn sich die Unterdeckungshaftung ohnehin stets um jede neu angemeldete Haftungsforderung aktualisiert, zeigt sich im Rahmen paralleler Insolvenzen das rechtliche Bedürfnis eines solchen Verständnisses. So wird anhand paralleler Insolvenzen von Gesellschaft und Gesellschaftern deutlich, welche bedeutende Rolle die zentralisierte Geltendmachung der Gesellschafterhaftung durch einen im Fremdinteresse agierenden Drittliquidator im Falle der masselosen Liquidation für den Schutz der Gläubigergesamtheit unter dem Regelungsregime des §  128 HGB einnimmt. Würde man auf eine haftungsrechtliche Gläubigergleichbehandlung verzichten, unterfiele die Haftung nach §  128 HGB wie die Inanspruchnahme der Gesellschaft dem Prioritätsprinzip, sodass mit der Ablehnungsentscheidung mangels Masse die schnell agierenden    – in der Regel professionellen    – Gläubigergruppen, soweit diese nicht durch weitere Gesellschaftersicherheiten abgesichert sind,261 volle Befriedigung erhalten würden, während die übrigen Gläubiger    – wozu häufig auch die unfreiwilligen, deliktischen Gläubiger zählen    – das volle Risiko der Gesellschafterinsolvenz mit bloß quotaler Befriedigung tragen würden. Die Ablehnungsentscheidung mangels Masse würde dementsprechend nicht bloß über das Schicksal der Gesellschaft entscheiden, sondern auch über die Gesellschafterinteressen, die Interessen der individuellen Haftungsgläubiger sowie die Interessen der Gesellschafterprivatgläubiger. Dies liefe    – jedenfalls auch    – einem dem Interesse der Gesamtheit der Haftungsgläubiger verpflichteten Regelungszweck des §  128 HGB zuwider.262 Es würde sich für einzelne Gläubigergruppen ein Risiko realisieren, wie es sich verbandsspezifisch nur in dem Fall der materiellen Gesellschaftsinsolvenz bei Abweisung der Verfahrenseröffnung mangels Masse realisieren kann. Die zentralisierte Geltendmachung der Gesellschafterhaftung ist geeignet, diesem Risiko zu begegnen und dient als haftungsrechtlicher Puffer auch für den Fall der Zahlungsunfähigkeit einzelner Gesellschafter oder der Gesellschaftergesamtheit. So kann der die Haftungsansprüche geltend machende Drittliquidator weitere Auszahlungen im Interesse der Gesamtheit der Haftungsgläubiger aussetzen, wenn sich eine Gesellschafterinsolvenz abzeichnet und so für den Fall, dass ein Ausfall der Gläubiger mit ihren Forderungen droht, dieses Risiko letztlich verhältnismäßig auf die Gläubigergesamtheit verteilen. Reflexhaft dienen die zen­ tralisierte Geltendmachung der Haftungsforderungen und eine damit gegebenenfalls verbundene frühzeitigere Beantragung eines Insolvenzverfahrens über 261 

262 

Siehe dazu unten Kap.  3 §  9 A.II.2. Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.5.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

ein Gesellschaftervermögen auch den Interessen der Gesellschafterprivatgläubiger. Gesellschafterinsolvenzen während einer masselosen Gesellschaftsliquida­ tion haben dementsprechend zur Folge, dass der notwendige Drittliquidator die Finanzlage der Gesellschafter zu antizipieren hat, um gegebenenfalls das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters zu beantragen. Soweit auszugleichende Gesellschaftsverbindlichkeiten bzw. Haftungsforderungen noch unklar sind, sind Auszahlungen aus der Sondervermögensverbindung an die Haftungsgläubiger gegebenenfalls auszusetzen bzw. entsprechende Rückstellungen zu bilden.

I. Teleologische Einschränkung von §  110 HGB im Hinblick auf den Gesellschafterregress Schließlich gilt es, den Anwendungsbereich des §  110 HGB unter dem modifizierten Haftungsmodell zu bestimmen. Zwar wird die Vorschrift nach dem Verständnis der herrschenden Meinung insbesondere auf solche Aufwendungen des Gesellschafters bezogen, die dieser dadurch tätigt, dass er auf eine Inanspruchnahme nach §  128 HGB an einen Gesellschaftsgläubiger leistet. Derartige Aufwendungen scheiden bei der Anwendung des modifizierten Haftungsmodells während des werbenden Stadiums des Personenverbandes indes aus, weil eine Inanspruchnahme der haftenden Gesellschafter auf die Unterdeckung im Rahmen der besonderen Liquidation beschränkt ist. I. Nichtanwendung von §  110 HGB im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens Problematisch erscheint die Anwendung des §  110 HGB hinsichtlich der Haftungsforderungen nach §  128 HGB allerdings auch im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens i. V. m. §  93 InsO, weil die daraus resultierenden Forderungen gegenüber der Gesellschaft    – anders als ein Freistellungsanspruch aus §  257 BGB    – erst nach Verfahrenseröffnung begründet werden würden. Dies würde dazu führen, dass es sich bei dem Anspruch aus §  110 HGB nicht um eine lediglich quotal zu befriedigende Insolvenzforderung handelte, sondern zu Lasten der Gläubigergesamtheit um eine voll zu befriedigende Masseverbindlichkeit.263 §  110 HGB würde auf diese Weise entgegen seines eigentlichen innenrechtlichen Regelungszwecks eine nicht hinnehmbare Außenwirkung entfalten. Anstatt das Regressrisiko in das gesellschaftliche Innenverhältnis zu verlagern, würde die Anwendung von §  110 HGB zu einer Benachteiligung der Gläubigergesamtheit führen, solange diese nur eine quotale Befriedigung erhalten, sodass die 263  Vgl. zu dieser Gemengelage mit abweichendem Ansatz sogar bei Erwerb einer Forderung nach §  110 HGB im vorinsolvenzlichen Stadium, Blomeyer, BB 1968, 1461 (1463 f.).

§  7 Liquidationsrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafter-Exithaftung

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Regelung im eröffneten Insolvenzverfahren teleologisch zu reduzieren ist. Als Insolvenzforderung können Ansprüche nach §  110 HGB im Rahmen des modifizierten Haftungsmodells hingegen keine Bedeutung erlangen, weil außerhalb des Insolvenzverfahrens formal noch ein hinreichendes Gesellschaftsvermögen zur Gläubigerbefriedigung existiert, sodass die auf den Ausgleich der Unter­ deckung gerichtete Gesellschafterhaftung noch gar nicht fällig geworden ist und eine Inanspruchnahme der Gesellschafter vor Verfahrenseröffnung ausscheidet, für die ein Aufwendungsersatzanspruch nach §  110 HGB begründet werden könnte. Behandelte man den Aufwendungsersatzanspruch hingegen wie einen vor Eröffnung des Verfahrens begründeten Freistellungsanspruch nach §  257 BGB, würde es sich zwar um eine Insolvenzforderung handeln, eine Verfahrensteilnahme der Gesellschafter mit diesem Regressanspruch wäre nach §  44 InsO aber solange verhindert, wie für die Gläubiger nur eine quotale Befriedigung zu erreichen ist, weil anderenfalls eine doppelte Berücksichtigung zu befürchten wäre.264 Eine Würdigung von Forderungen der Gesellschafter nach §   110 HGB hinsichtlich beglichener Haftungsforderungen aus §   128 HGB kommt demzufolge jedenfalls während eines eröffneten Insolvenzverfahrens nicht in Betracht. II. Beschränkung des Gesellschafterregresses auf kontenmäßigen Innenausgleich im Rahmen der liquidationsrechtlichen Schlussabrechnung Eine abweichende Beurteilung kommt hingegen bei einer Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in Betracht. Insoweit unterliegen lediglich die Haftungsforderungen einem besonderen Gläubigerschutz, an dem die innenrechtlichen Sozialansprüche nicht teilhaben, sodass grundsätzlich keine Bedenken hinsichtlich weiteren auf das Gesellschaftsvermögen gerichteten Forderungen auf der Grundlage von §  110 HGB bestehen. Das Gesellschaftsvermögen ist in diesem Stadium hingegen regelmäßig quantitativ aufgezehrt, sodass ein Regressanspruch der Gesellschafter gegen die Gesellschaft faktisch nicht in Betracht kommt. Jedenfalls unterliegt der Anspruch nach §  110 HGB als Sozialanspruch gegen die Gesellschaft der liquidationsrechtlichen Durchsetzungssperre.265 Der Ausgleichsregelung des §  110 HGB kommt daher nur insoweit Bedeutung zu, als diese angesichts der Liquidationsvorschriften der §§  154, 155, 120 bis 122 HGB Niederschlag in den Liquidations-Kapitalkonten findet. Dies entspricht der rein innenrechtlichen Wirkung des §  110 HGB. Geleistete Zahlungen werden danach im Ergebnis lediglich

264 Vgl. Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  145; Armbruster, Die Stellung des haftenden Gesellschafters, S.  208; siehe ebenso unten Kap.  3 §  8 zu Parallelsicherheiten der Gesellschafter. 265  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)bb).

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

nach dem innenrechtlich vereinbarten Gewinn- bzw. Verlustverteilungsschlüssel getragen.266 §  110 HGB erfährt hinsichtlich der Haftungsforderungen daher nur noch im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens Bedeutung    – ent­ weder weil dieses aufgrund einer Freigabe erforderlich geworden ist oder weil das Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen worden ist    –, dort allerdings bloß als Rechnungsziffer im Rahmen der Schlussabrechnung, weil in quantitativer Hinsicht kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, sodass der Aufwendungsersatzanspruch lediglich den Innenausgleich anhand der Gesellschafterkonten beeinflusst.267 Der Regelung des §  110 HGB verbleibt gleichwohl ein maßgeblicher Anwendungsbereich, indem er allen sonstigen Aufwendungen und Verlusten, die in Zusammenhang mit der Gesellschaftssphäre stehen, in denen ein Gesellschafter in Gesellschaftsangelegenheiten tätig wird über §  667 ff. BGB hinaus einen Ersatzanspruch gewährt.268 Damit ist §  110 HGB unmittelbarer Ausdruck der getrennten Interessensphären, wie sie in der Vermögenstrennung im Personenverband sowie der bloßen Ausgleichshaftung zum Ausdruck kommt. III. Inanspruchnahme ausgeschiedener Gesellschafter Im Rahmen des „internen“ Ausgleichs mit den aktiven Gesellschaftern können sich ausgeschiedene Gesellschafter nach überwiegender Auffassung mangels mitgliedschaftlicher Verbindung schon gar nicht auf §  110 HGB berufen.269 Teilweise wird angesichts des Umstandes, dass der Erstattungsanspruch auf dem früheren Rechtsverhältnis mit der Gesellschaft beruhe, eine analoge Anwendung angenommen.270 Abweichend wird dem ausgeschiedenen Gesellschafter entsprechend §  105 Abs.  3 HGB i. V. m. §  738 Abs.  1 Satz  2 BGB ein Freistellungs- bzw. Aufwendungsersatzanspruch zuerkannt.271 Teilweise wird demgegenüber ein Aufwendungsersatzanspruch nach §  670 BGB angenommen.272 Unabhängig davon, auf welche Norm man den Aufwendungsersatzan266  BGH, Uv. 30.1.2018    – II ZR 95/16, juris-Rn.  82; OLG Hamburg, Uv. 21.12.2018    – 11 U 106/17, juris-Rn.  29. 267  BGH, Uv. 30.1.2018    – II ZR 95/16, juris-Rn.  82; OLG Hamburg, Uv. 21.12.2018    – 11 U 106/17, juris-Rn.  29. 268 Relativierend, C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  110 Rn.  1; vgl. Begr. zu §  716 BGB-E RegE MoPeG, S.  180 ff. 269  BGH, Uv. 9.5.1963    – II ZR 124/61, BGHZ 39, 319–332 = juris-Rn.  18; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  45; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  31; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  61; vgl. Flume, in: FS Knur, S.  141 f. 270  Wiedemann, WM 1992, 3 (36). 271  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  42 ff.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  38; C. Schäfer, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  105 Rn.  67; K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  128 Rn.  61; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  38 ff. 272  M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  36.

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spruch stützt, ist dieser als Fortwirkung des §  110 HGB zu qualifizieren, sodass hinsichtlich der Ansprüche ausgeschiedener Gesellschafter gegen die Gesellschaft die gleichen Einschränkungen zu beachten sind, wie sie gegenüber §  110 HGB herausgearbeitet wurden. In Anbetracht des innenrechtlichen Modellcharakters des §  110 HGB, welcher als Folge der durch §  160 HGB angeordneten Nach- bzw. Enthaftung auf den ausgeschiedenen Gesellschafter ausstahlt, kommt eine entsprechende Anwendung des §  774 BGB nicht in Betracht.273 Wird ein ausgeschiedener Gesellschafter vom Drittliquidator in Anspruch genommen, besteht grundsätzlich auch ein Ausgleichsanspruch gegenüber den Gesellschaftern nach §  426 Abs.  1 BGB, 274 weil die Regelungsanordnung des §  128 HGB bezogen auf Altverbindlichkeiten weiterhin Geltung beansprucht und das diesbezügliche Gesamtschuldverhältnis von dem Ausscheiden unberührt bleibt.275 Dieser Ausgleichsanspruch erstreckt sich hinsichtlich des ausgeschiedenen Gesellschafters nicht bloß auf einen anteiligen Ausgleich unter Anrechnung des ehemaligen Verlustanteils, weil die Gesellschaftsverbindlichkeit bereits im Rahmen der Bemessung des Auseinandersetzungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters Berücksichtigung gefunden hat.276 Anders ist dies lediglich, soweit das Ausscheiden auf einer Übertragung des Gesellschaftsanteils beruht, weil in diesem Fall kein Auseinandersetzungsanspruch entstanden ist.277 Nach dem modifizierten Haftungsmodell unterliegen die Regressansprüche einer liquidationsrechtlichen Durchsetzungssperre. Hintergrund ist, dass die Gesellschafterhaftung als solche erst im Rahmen der besonderen Liquidation fällig wird, sodass die auf dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis beruhenden Ausgleichsansprüche genauso wie der Ausgleich der Kapitalkonten erst im Rahmen der Gesamtabrechnung als bloße Rechnungsposten Berücksichtigung finden.278 Dies gilt auch für die an das ehemalige Mitgliedschaftsverhältnis des ausgeschiedenen Gesellschafters anknüpfenden Ansprüche.

273  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.VII.3; a. A. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  43; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  128 Rn.  61. 274  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 C.III, Kap.  1 §  2 C.VII.3; zur Berücksichtigung im Rahmen der Kapitalkonten sowie zum Rangverhältnis zu §  110 HGB oben Kap.  1 §  3 B.II.1.c)ee). 275 Vgl. M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  36; a. A. K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  128 Rn.  61, der einen Anspruch analog §  774 BGB annimmt; so auch Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  43; mit abweichendem Ansatz, Steitz, in: Henssler/ Strohn, GesR, HGB, §  128 Rn.  40. 276 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  50 f. 277  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  51. 278 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §   128 Rn.  52; K. Schmidt, in: MüKo­ HGB, §  128 Rn.  61, §  131 Rn.  131.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

§  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen der Gesellschafter-Exithaftung In prozessualer Hinsicht hat das modifizierte Haftungsmodell zur Folge, dass die Gläubiger der Gesellschaft lediglich ihre unmittelbaren Forderungen gegenüber der Gesellschaft prozessual sowie zwangsvollstreckungsrechtlich realisieren können. Insoweit kommt §  129 Abs.  4 HGB bloß klarstellende Bedeutung zu, weil sich die Frage, ob die Gläubiger aus einem Titel gegen die Gesellschaft auch gegen die Gesellschafter vollstrecken können, gar nicht mehr stellen kann. Aus Sicht der Gläubiger sind Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung schon gar nicht mehr auf einen vergleichbaren Streitgegenstand gerichtet. Ein gewillkürter Parteiwechsel hinsichtlich der Beklagten ist nicht mehr möglich, weil Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung nicht mehr inhaltsgleich sind und den Gläubigern gegenüber den Gesellschaftern keine Einziehungsbefugnis zukommt.

A. Ausschließliche Prozessführungsbefugnis des im Gläubigerinteresse agierenden Drittliquidators Die Haftungsforderungen nach §  128 HGB gegenüber den Gesellschaftern stehen den Gesellschaftsgläubigern lediglich materiell-rechtlich zu, deren prozessuale Realisierbarkeit ist ihnen aber im Interesse der Gläubigergesamtheit vorenthalten. Während bei Liquidität der Gesellschaft jegliche Realisierung der Haftungsforderungen ausscheidet, kommen während des eröffneten Insolvenzverfahrens bzw. im Rahmen des bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse durchzuführenden gesellschaftsrechtlichen Liquidationsverfahrens Klage und Vollstreckung gegen die Gesellschafter in Betracht. Zuständig ist der im jeweiligen (besonderen) Liquidationsverfahren im Gläubigerinteresse agierende Drittliquidator. In Anbetracht der Tatsache, dass aus Sicht der Gläubiger eine unmittelbare Klage gegen die Gesellschafter ausscheidet, beschränkt sich deren Aktionslast auf die Beantragung eines Gesellschaftsinsolvenzverfahrens mit entsprechender Forderungsanmeldung sowie im Falle dessen Ablehnung mangels Masse gegebenenfalls auf die Beantragung eines amtsgerichtlich zu bestellenden gesellschafterfremden Drittliquidators.279 Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Gesellschafterhaftung materiell-rechtlich um gegenüber der Gesellschaftsverbindlichkeit eigenständige Forderungen gegen die einzelnen Gesellschafter handelt, sind diese keine notwendigen Streitgenossen im Rahmen eines Verfahrens gegen die Gesellschaft.280 279 

280 

Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 A.II.3, Kap.  3 §  7 D.III.3. BGH, Uv. 24.9.2009    – IX ZR 234/07, juris-Rn.  7.

§  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen

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Auch eine einfache Streitgenossenschaft im Verfahren gegen die Gesellschaft kommt nicht in Betracht, weil die Gesellschafterhaftung außerhalb des besonderen Liquidationsverfahrens noch gar nicht fällig ist und mit dieser keine Gesamtschuld besteht. Möglich sind hingegen eine Streitverkündung des Klägers gegenüber den Gesellschaftern sowie deren Nebenintervention nach den §§  66 ff. ZPO. Soweit die Gesellschafter hinsichtlich der Unterdeckung in Anspruch genommen werden, haften diese gesamtschuldnerisch und können im Wege subjektiver Klagehäufung als einfache Streitgenossen in Anspruch genommen werden. Es obliegt dem Drittliquidator, zu entscheiden, ob er die Gesellschafter gesamtschuldnerisch in Anspruch nimmt oder ob er sich isoliert an den solventesten bzw. den zahlungswilligsten Gesellschafter wendet, weil es seine Auf­ gabe ist, schnelle und effektive Ergebnisse für die Gläubiger zu erzielen.281 Möglich sind auch diesbezüglich Streitverkündung und Nebenintervention. I. Variable Streitgegenstandsbestimmung der dynamischen Unterdeckungsausfallhaftung Die Einstandspflicht des einzelnen Gesellschafters besteht als Haftungskontokorrent in Höhe der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens im Verhältnis zu den Gesellschaftsverbindlichkeiten zum Stichtag der Eröffnungs- bzw. Ablehnungsentscheidung durch das Insolvenzgericht, weil die Gesamtheit der Haftungsforderungen in dieser Höhe fällig wird. Der notwendige Drittliquidator hat den „Unterdeckungsstatus“ des Gesellschaftsvermögens    – nach den Grundsätzen einer „bilanziellen Überschuldungsmessung“282    – zu berechnen und die Gesellschafter in Höhe dieses Betrags in Anspruch zu nehmen. Der Haftungskontokorrent ist auf den Stichtag der Eröffnungsentscheidung zu bestimmen, insoweit besteht eine klare zeitliche Zäsur    – wie sie bei der Bilanzierung dem Geschäftsjahr zukommt    –, weil mit der Drittliquidation im Fremdinteresse eine Einstandspflicht für ab diesem Zeitpunkt begründete Verbindlichkeiten nicht mehr in Betracht kommt.283 Die Substantiierungslast beschränkt sich auf die Unterdeckung, anstatt der Benennung einzelner Forderungen im Sinne von §  253 Abs.  2 Nr.  2 ZPO.284 Die Gesellschafter haben grundsätzlich die Möglichkeit, sich nach §  129 Abs.  1 bis 3 HGB auf Einwendungen der Gesellschaft zu berufen, weil sich insoweit der Haftungskontokorrent reduziert. Diesbezüglich tragen sie die Substantiierungslast. Im Rahmen mitgliedschaftlich angelegter, persönlicher Einwendungen hat der Drittliquidator diejenigen Forderungen zu substantiieren, die eine Gläubigergruppenbildung erforderlich 281 

Siehe dazu oben Kap.  2 §  5 F. So zum sog. Ausfallmodell unter §  93 InsO, K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (187). 283  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III. 284  A. A. BGH, Uv. 9.10.2006    – II ZR 193/05, juris-Rn.  6 ff. 282 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

machen.285 Die auf den Unterdeckungsbetrag beschränkte Haftungsklage ist grundsätzlich unabhängig von den einzelnen Gläubigerforderungen auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen, wobei sich die örtliche Zuständigkeit gemäß §  22 ZPO nach dem Gerichtsstand der Mitgliedschaft richtet.286 Soweit es auf die materiell-rechtliche Beurteilung einzelner Gesellschaftsverbindlichkeiten in Anbetracht geltend gemachter Einwendungen oder hinsichtlich der Bildung weiterer Sondervermögensverbindungen ankommt und bezüglich dieser ausschließliche, spezialgesetzliche Gerichtsstände etwa im Sinne von §  87 Satz  2 GWB, §  14 Abs.  1 UWG greifen, ist die Haftungsklage gegebenenfalls solange auszusetzen, bis über derartige entscheidungserhebliche (Vor-)Fragen durch einen Spezialspruchkörper entschieden ist. Der zweigliedrig zu bestimmende Streitgegenstand setzt sich zusammen aus dem Klageantrag, in dem sich die von dem Drittliquidator in Anspruch genommene Rechtsfolge des prozessualen Anspruchs konkretisiert sowie dem dazu zusammengetragenen Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstandsbestimmung bildet und aus dem sich die begehrte Rechtsfolge herleitet.287 Dieser Streitgegenstandsbegriff hat eine einheitliche Bedeutung und unterscheidet sich weder bei der Rechtshängigkeit (§  261 Abs.  1 ZPO), der Rechtskraft (§   322 Abs.   1 ZPO) noch bei der Klagehäufung (§   260 ZPO) oder Klageänderung (§  263 ZPO). Dabei liefern die dem Klagebegehren zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Normen die grundlegenden Orientierungspunkte für die Beurteilung des prozessualen Anspruchs. Zwar liegen der Inanspruchnahme der Gesellschafter die materiell-rechtlichen Einzelverbindlichkeiten der Gesellschaft zugrunde, die konkrete Ausgestaltung der Inanspruchnahme wird jedoch durch §  128 HGB zu Händen des im Gläubigerinteresse agierenden Drittliquidators vermittelt. Der dem Klagegrund zugrunde liegende Lebenssachverhalt ist dementsprechend derjenige Tatsachenkomplex, wie er sich bei Illiquidität der Gesellschaft aus der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens ergibt. Aus dem Umstand, dass die Unterdeckung eine variable sein kann, wenn sich im Verlauf der Liquidation ein aktualisierter Haftungs-Istzustand ergibt, folgt, dass auch der dem Streitgegenstand zugrunde zu legende Klagegrund unabhängig von den Einzelforderungen flexibel ist. Ergeben sich Ausweitungen der Unterdeckung etwa durch weitere Forderungsanmeldungen, ursprünglich unvorhersehbar nicht liquidierbare Gesellschaftsforderungen oder sich reduzierendes Gesellschaftsvermögen    – zum Beispiel im Rahmen von 285 

Siehe dazu unten Kap.  3 §  8 B.II. Bei abweichendem Ansatz, Heitsch, ZInsO 2003, 692 (694); a. A. Bork, NJW 2018, 2985 (2985 ff.). 287 BGH, Uv. 19.12.1991     – IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1–7 = juris-Rn.   14; BGH, Uv. 19.11.2003    – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47–55 = juris-Rn.  9; H. Prütting, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, Einleitung Rn.  14 ff., 20 f.; Thole, ZZP 124 (2011), 403 (416 ff.); Völzmann-Stickelbrock, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, §  322 Rn.  28 ff. 286 

§  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen

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Sanierungsausgaben    –, führt dies dazu, dass der Drittliquidator den geltend zu machenden Haftungsumfang auszuweiten hat, ohne dass dies mit einer einwilligungsbedürftigen oder sachdienlichen Klageänderung im Sinne von §  263 ZPO einhergeht, weil die Ausweitung der Unterdeckung keine Auswirkung auf den zweigliedrigen Streitgegenstand hat. So stellt die betragsmäßige Ausweitung der Unterdeckung lediglich eine kraft Gesetzes zulässige Erweiterung des Klageantrags im Sinne von §  264 Nr.  2 ZPO bei grundsätzlich gleichbleibendem Lebenssachverhalt des ungedeckten Gesellschaftsvermögen dar. Dieser ist als solcher dynamisch und wird durch den Klageantrag konkretisiert. Ebenso erweitert sich im Falle der masselosen Liquidation die Gesellschafterhaftung um den Betrag der Kosten des Drittliquidators. Zeigt sich eine Unterdeckung erst später, handelt es sich um eine aktualisierte Unterdeckung, die der Drittliquidator gesondert geltend machen kann, ohne dass Rechtshängigkeit oder Rechtskraft entgegenstünden, 288 weil sich die Rechtskrafterstreckung an dem ursprünglich antragsmäßig konkretisierten Klagegrund orientiert. II. Antragsformulierung Unter Anknüpfung an diesen dynamischen Klagegrund ist es der Drittliquidator, dem es obliegt, das Klagebegehren gegenüber den Gesellschaftern im Rahmen eines Klageantrags zutreffend zu artikulieren. Er macht die Gesellschafterhaftung im Namen der Gläubigergesamtheit, gerichtet auf Zahlung an sich geltend. Damit korrespondierend ist der Urteilstenor auf Zahlung an den Drittliquidator gerichtet, der Partei des Rechtsstreits ist, kraft seiner aus §  128 HGB folgenden gesetzlichen Stellung.289 Dabei ist es unerheblich, ob die Haftungsansprüche während eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden oder in dem gegebenenfalls durchzuführenden masselosen Liquidationsverfahren, weil die Zahlung der Haftungsforderungen zu seinen Händen im Interesse der Gläubigergesamtheit beansprucht wird und nicht entsprechend §  149 Satz  2 HGB in das Gesellschaftsvermögen. Angesichts der Flexibilität des Klagegrundes sowie dessen Konkretisierung durch den Klageantrag steht es mit Blick auf den Streitgegenstand    – vorbehaltlich einer Verfahrensverbindung    – grundsätzlich zur Disposition des Drittliquidators, inwieweit eine zu Tage tretende Unterdeckung im gleichen Prozess im Wege der Klageausweitung nach §  264 Nr.  2 ZPO geltend gemacht wird oder mit einem zusätzlichen parallel bzw. nachgelagert verfolgten Klageantrag.290 Zwar führt der Umstand, dass Klage und Vollstreckung gegen die Gesellschafter erst geltend gemacht werden können, wenn die Gesellschaftsgläubigerforderungen festgestellt sind, zu einer erschwerten prozessualen Geltendma288 Vgl.

K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35. Vgl. zum Insolvenzverwalter, Vuia, in: MüKoInsO, §  80 Rn.  77 ff. 290 Vgl. K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35. 289 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

chung von Haftungsforderungen, jedoch ist dies zu Lasten einzelner Gläubiger im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich.291 Demgegenüber ergeben sich prozessuale Erleichterungen der Haftungsverwirklichung, weil die Ein­ standspflichten der Gesellschafter stets auf Zahlung in Geld gerichtet sind. III. Keine prozessualen Gläubigerbeteiligungsrechte Vor dem Hintergrund, dass die Haftungsforderungen gegen die Gesellschafter materiell-rechtlich weiterhin den Gläubigern zugeordnet sind, stellt sich die Frage der prozessualen Beteiligungsrechte der einzelnen Gläubiger an den Verfahren des Drittliquidators gegen die Gesellschafter. Solche wären lediglich bei subjektiv-individueller Betroffenheit zu gewähren. Angesichts des Regelungszwecks steht der Haftungsunterdeckungsbetrag jedoch nicht den einzelnen Gläubigern zu, sondern der Gläubigergesamtheit. Mangels organisatorischer Verfasstheit kommt diesbezüglich aber keine Verfahrensbeteiligung in Betracht.292 Vielmehr ist es der besondere Drittliquidator, der deren Interessen prozessual wahrzunehmen hat. Ferner würden darüberhinausgehende Beteiligungsrechte einzelner Gläubiger oder der Gläubigergesamtheit zu einer kaum zu praktizierenden Verfahrenserschwernis führen. Bereits aus prozessökonomischen Gründen sind die Haftungsgläubiger dementsprechend bei vorwerfbar fehlerhafter Verfahrensführung auf den Haftungsanspruch gegen den Dritt­ liquidator verwiesen.293 So ist es gerade dessen Einstandspflicht, die entsprechenden liquidationsrechtlichen Pflichtverletzungen begegnen und sie erforderlichenfalls kompensieren soll.294 IV. Gewandelter Anwendungsbereich des §  736 ZPO als Folge der Rechtssubjektivität von Personenverbänden Korrespondierend mit der Prozessführungsverpflichtung im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit obliegt dem Drittliquidator erforderlichenfalls die Vollstreckung gegen die Gesellschafter. Auf das Verhältnis eines Gesellschaftstitels zur Vollstreckung in die Gesellschaftervermögen findet §  129 Abs.  4 HGB bereits deswegen weiterhin Anwendung, weil die    – gegebenenfalls titulierten    – Ansprüche gegen die Gesellschaft weder inhaltlich noch der Höhe nach mit dem Unterdeckungsanspruch gegen die Gesellschafter vergleichbar sind. Ein antragsgemäß titulierter Unterdeckungsanspruch lautet zu Händen des Dritt­ liquidators, sodass die einzelnen Gläubiger nicht aus diesem vollstrecken können. Einziger Ansprechpartner der Gesellschaftsgläubiger ist der Drittliquidator. Begeht dieser Pflichtverletzungen zu ihren Lasten, kommt eine Einstands291 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.5. Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 D.III.5. 293  Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 D.III.4. 294  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.c), Kap.  3 §  7 D.III.4. 292 

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pflicht nach §§  60, 61 InsO (analog) in Betracht.295 Im Rahmen masseloser Liquidation haben sich die Gesellschaftsgläubiger an die Liquidationsorgane der Gesellschaft zu wenden. Vorbehaltlich eines amtsgerichtlich bestellten Drittliquidators sind dies die Gesellschafter. Vor dem Hintergrund des modifizierten Haftungsmodells verbleibt indes für Personenaußengesellschaften kein Anwendungsbereich mehr für §  736 ZPO.296 Diese Regelung wird schlicht nicht dem gewandelten Verständnis von der Rechtsnatur von Personenverbänden gerecht. Eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer Personenaußengesellschaft kommt nicht aufgrund gleichlautender Titel gegen alle Gesellschafter in Betracht. So sind diese Titel lediglich auf die Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens in dem durch den Dritt­ liquidator geltend gemachten Umfang gerichtet. Sie erfassen daher lediglich die Haftung für diejenigen Verbindlichkeiten, die nicht durch das Gesellschaftsvermögen gedeckt sind. Darüber hinaus kommt, nachdem ein Titel gegen die Gesellschafter erwirkt wurde, effektiv keine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen mehr in Frage. Im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens ist ein solcher Einzelzugriff ohnehin ausgeschlossen. Sodann ist die Gesellschaft    – vorbehaltlich einer Freigabe    – grundsätzlich vollabzuwickeln. Lediglich außerhalb des Insolvenzverfahrens    – das heißt insbesondere im Rahmen masseloser Insolvenz    – kommt eine Fortsetzung der werbenden Gesellschaft durch die Leistung von Nachschüssen in das Gesellschaftsvermögen in Betracht. In einer diesbezüglich ablehnenden Entscheidung der Gesellschafter ist hingegen ein Auflösungsbeschluss der Gesellschaftergesamtheit zu sehen. In beiden Konstellationen wäre zwar ein prioritärer Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen denkbar, in letzterer Fallgestaltung ist das Gesellschaftsvermögen indes regelmäßig bereits aufgebraucht. Überhaupt kommt daher eine effektive Vollstreckung nur im Falle von Nachschüssen in das Gesellschaftsvermögen in Betracht. Fraglich ist, ob in dieser einzig relevanten Konstellation eine Vollstreckung in das Vermögen der Außen-GbR denkbar ist    – für die oHG steht §  124 Abs.  2 HGB entgegen    –, weil §  736 ZPO dies anordnet.297 Dagegen spricht, dass Titelschuldner und Vollstreckungsschuldner rechtssubjektsverschieden sind.298 Allerdings könnte §  736 ZPO eine die Rechtssubjektsverschiedenheit ignorierende Sondervorschrift für das Recht der Außen-GbR darstellen, die eine gesetzliche Titel­ erstreckung anordnet, ohne dass es einer Titelumschreibung im Sinne von §  727 ZPO bedürfte. §  124 Abs.  2 HGB könnte insoweit eine eigenständige Bedeutung zukommen, damit die Regelung des §  736 ZPO über §  705 BGB, §  105 295 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.c), Kap.  3 §  7 D.III.4. Siehe zu §  736 ZPO oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)dd); vgl. zu §  722 BGB-E, der anstelle des §  736 ZPO einen Titel gegen den jeweiligen Schuldner erfordern soll, Begr. RegE MoPeG, S.  21, 194 f. 297  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)dd). 298 Vgl. Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2082 f.). 296 

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Abs.  3 HGB nicht auch auf die oHG Anwendung findet. Ein rechtliches Bedürfnis für eine solche gesetzliche Titelerstreckung könnte man darin sehen, dass die liquidationsrechtliche Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB    – wie sie mit der besonderen Auflösung der Gesellschaft aktiviert wurde    – für den Fall deren werbender Fortsetzung wieder „geschlossen“ wird. Wertungsmäßiger Hintergrund könnte der Umstand sein, dass die dem Interesse der Gläubigergesamtheit dienende Gesellschafterhaftung im Stadium der werbenden Verbands­ tätigkeit    – bei unmittelbar dem Gläubigerzugriff unterliegendem Gesellschaftsvermögen    – eine subsidiäre ist. Daran anknüpfend könnte man erwägen, die Wirkung des §  736 ZPO auf die oHG im Rahmen der masselosen Liquida­tion zu erstrecken und insoweit angesichts der hinsichtlich §  128 HGB vergleichbaren Interessenlage den Anwendungsbereich des §  124 Abs.  2 HGB teleologisch zu reduzieren. Der Regelung käme insoweit ein eigenständiger Anwendungsbereich zu, als eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nur aufgrund solcher Gesellschaftertitel in Betracht kommt, die aus der liquida­tionsrechtlichen Gesellschafterhaftung resultierten. Im Übrigen würde die Rechtssubjektsverschiedenheit akzentuiert, sodass auf das Gesellschafter-Privatvermögen gerichtete Titel, die sich nicht aus der Gesellschafterhaftung ergeben, konsequent nicht gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden könnten. Darüber hinaus kommt auch eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des §  736 ZPO auf Innengesellschaften in Frage.299 Dagegen spricht zwar, dass diesen keine Rechtssubjektivität zukommt, sodass sie über kein eigenes „Gesellschaftsvermögen“ verfügen können. Allerdings könnte die Regelung mit dem „Gesellschaftsvermögen“ das von den Gesellschaftern einer bloßen Innengesellschaft gegebenenfalls gleichwohl gebildete und von diesen als Individuen gemeinsam getragene Sondervermögen in Bezug nehmen. Insoweit ist es sodann selbstverständlich, dass es für eine Vollstreckung in dieses Vermögen eines Titels gegen alle Innengesellschafter bedarf, die dieses Vermögen gemeinschaftlich tragen, weil sie es als Individuen sind    – verbunden über einen gemeinsamen Innenzweck    –, die im Außenverhältnis am Rechtsverkehr teilnehmen (vgl. §  750 ZPO).300 Mit den geplanten Regelungen des MoPeG scheinen sich derartige „Rettungs­ versuche“ für einen Anwendungsbereich des §  736 ZPO hingegen gänzlich zu erübrigen. Nach §  722 BGB-E soll entsprechend den Regelungen der §§  124 Abs.  2, 129 Abs.  4 HGB ausdrücklich stets ein gegen den jeweiligen Schuldner gerichteter Titel erforderlich werden.301

299 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.II.1.d)dd). Wertenbruch, ZIP 2019, 2082 (2091) 301  Siehe zum Zusammenhang mit der durch §  713 BGB-E manifestierten Vermögenstrennung, RegE MoPeG, S.  21, 194 sowie zu §  736 ZPO-E, S.  41, 237. 300 Vgl.

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B. Erscheinungsformen der Einwendungspräklusion entsprechend §  767 Abs.  2 ZPO bei Annahme einer Gesellschafter-Exithaftung Angesichts des Umstandes, dass Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterhaftung inhaltlich nicht mehr auf das Gleiche gerichtet sind und sich die Fälligkeitszeitpunkte unterscheiden, kommt eine gemeinsame Klage unter subjektiver Klagehäufung nicht in Betracht. Ebenso ist bereits aus diesem Grund eine Vollstreckung aus einem Gesellschaftstitel gegen die Gesellschafter ausgeschlossen. Gleichwohl kann die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung gegen die Gesellschaft dazu führen, dass deren Einwendungen präkludieren, was sich auch im Rahmen der Durchsetzungsakzessorietät von §  129 HGB in den Haftungsforderungen gegenüber den Gesellschaftern niederschlagen könnte. Rechtskräftige Entscheidungen gegen die Gesellschaft kommen sowohl aus dem Stadium der werbenden Gesellschaftstätigkeit als auch während des besonderen Liquidationsverfahrens bei Ablehnung mangels Masse in Betracht. Eine vergleichbare Konstellation ergibt sich im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens, in dem an die Stelle der Einzelvollstreckung die Forderungsfeststellung tritt, die gemäß §§  178 Abs.  3, 201 Abs.  2 InsO die gleichen Wirkungen wie ein rechtskräftiges Urteil entfaltet.302 In beiden Konstellationen stellt sich die Frage der Rechtskrafterstreckung einer gerichtlichen Entscheidung bzw. Forderungsfeststellung zu Lasten der Gesellschaft auf die Gesellschafter. Dadurch, dass eine Vollstreckung gegen die Gesellschafter aus einem Titel gegen die Gesellschaft nicht in Betracht kommt, erfährt die Rechtskraft eines gegen die Gesellschaft gerichteten Titels lediglich im Rahmen von Einwendungen Bedeutung. Herkömmlich ist im Rahmen von §  129 HGB zwischen den Gesellschaftseinwendungen und den persönlichen Einwendungen des Gesellschafters zu differenzieren. I. Auf die der Unterdeckung zugrundeliegenden Einzelverbindlichkeiten bezogene Gesellschaftseinwendungen Der einzelne in Anspruch genommene Gesellschafter kann, weil auch die Unterdeckungshaftung auf der mit dem Gesellschaftsvermögen saldierten Summe der Gesellschaftsverbindlichkeiten als Einzelverbindlichkeiten beruht, gemäß §  129 Abs.  1 HGB grundsätzlich alle diejenigen Einwendungen gegenüber dem notwendigen Drittliquidator geltend machen, die der Gesellschaft selbst zustünden.303 Auf diese Weise kann der Gesellschafter allerdings nicht die Begleichung einzelner Haftungsforderungen verweigern, weil ihm gegenüber lediglich die Unterdeckung geltend gemacht wird; es reduziert sich aber der gegen302 Vgl. BGH, Uv. 21.7.2020     – II ZR 175/19, juris-Rn.  15 ff.; Heitsch, ZInsO 2003, 692 (697); zu §  164 Abs.  2 KO, Blomeyer, BB 1968, 1461 (1462). 303  H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  248 f.; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35; vgl. Begr. zu §  721b BGB-E RegE MoPeG, S.  193 f.

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über ihm in Ansatz gebrachte Betrag. Die Haftungsforderungen verlieren lediglich im Rahmen der zentralisierten Geltendmachung durch den Drittliquidator ihre Selbstständigkeit, in materieller Hinsicht bleiben sie den Gläubigern zugeordnet, sodass sich in Anbetracht der Einzelverbindlichkeiten der Gesellschaft    – angesichts der Durchsetzungsakzessorietät    – Einwendungen im Haftungskontokorrent niederschlagen können, die sich die Haftungsgläubiger entgegenhalten lassen müssen.304 1. Gesellschaftereinwendungsausschluss im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und scheidet deswegen eine Einzelvollstreckung gegen die Gesellschaft aus, kann die nicht bestrittene Forderungsfeststellung nach den §§  174 ff. InsO    – gegebenenfalls mit Wirkung im Rahmen von §  129 Abs.  1 HGB    – zu einem Einwendungsausschluss führen, weil die Feststellung gemäß §  178 Abs.  3 InsO gegenüber den Gläubigern sowie dem Insolvenzverwalter die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hat.305 Bei einem Urteil gegen die Gesellschaft richtete sich der Einwendungsausschluss der Gesellschafter nach §  767 Abs.  2 ZPO.306 Teilweise wird angenommen, dass auch die Feststellung nach §  178 Abs.  3 InsO gegenüber den Gesellschaftern Wirkung entfalte, soweit diese nicht zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ausgeschieden waren.307 Dies wird darauf zurückgeführt, dass aktive Gesellschafter die Möglichkeit hatten, sich am Feststellungsverfahren zu beteiligen.308 Zwar ist den Gesellschaftern in den §§  176 f., 178 Abs.  1, Abs.  2, 179, 184 InsO kein eigenes Widerspruchsrecht zuerkannt, allerdings sei ihnen ein solches entsprechend §§  178 Abs.  2, 201 Abs.  2 InsO zu gewähren, weil die Feststellung in Anbetracht des §  129 Abs.  1 HGB Auswirkung auf ihre Haftung haben könne.309 Mit der bloßen Widerspruchsmöglichkeit kann jedenfalls keine unmittelbare Feststellungswirkung über das Bestehen der Forderung zu Lasten der Gesellschafter erreicht werden mit der Folge, dass gegen diese nach §  201 Abs.  2 InsO vollstreckt werden könnte, weil diese nicht Insolvenzschuldner und damit anders als Schuldner und Gläubiger bloße Dritte sind.310 Allerdings kommt eine mittelbare Feststellungswirkung in Betracht, weil für die Gesell304 

Vgl. insoweit zur Haftung des Kommanditisten, Sander, ZInsO 2012, 1285 (1291 f.). Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  31; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  66; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  12; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  41; K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35; Heitsch, ZInsO 2003, 692 (697). 306  Siehe dazu unten Kap.  3 §  7 B.I.2. 307  Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  41. 308  BGH, Uv. 14.11.2005    – II ZR 178/03, BGHZ 165, 85–96 = juris-Rn.  23; BGH, Uv. 9.10.­ 2006    – II ZR 193/05, juris-Rn.  11; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  66. 309  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.18. 310  H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  249; Zenker, in: BeckOK InsO, Stand: 15.10.2020, §  178 Rn.  27; a. A. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  41 m. w. N. 305 

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schafter hinsichtlich der Gesellschaftseinwendungen in Anknüpfung an die Rechtskraftwirkung eines Urteils gegenüber dem Insolvenzverwalter    – sowie gemäß §  201 Abs.  2 InsO gegenüber der Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin, soweit diese keinen Widerspruch erhoben hat    – gegebenenfalls entsprechend §  129 Abs.  1 HGB die Rügepräklusion des §  767 Abs.  2 ZPO greift und damit die insolvenzrechtliche Forderungsfeststellung Anknüpfungspunkt für Rechtswirkungen gegenüber Dritten sein kann.311 Fraglich ist vor dem Hintergrund des Art.  103 Abs.  1 GG, inwieweit eine derartige Präklusionswirkung von einer irgendwie gelagerten Teilnahme der Gesellschafter am Prüftermin abhängig gemacht werden muss, damit diesen rechtliches Gehör gewährt werden kann. Problematisch ist, dass die Gesellschafter selbst kein Widerspruchsrecht im Sinne des §  178 Abs.  2 InsO bezogen auf die festzustellenden Forderungen haben, sondern nur die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin.312 Gegen eine entsprechende Anwendung der §§  178 Abs.  2, 201 Abs.  2 InsO auf den Einwendungsausschluss entsprechend §  178 Abs.  3 InsO, §  129 Abs.  1 HGB, §  767 Abs.  2 ZPO spricht, dass die Gesellschafter selbst keine Verfahrensbeteiligten sind. Soweit die vertretungsberechtigten Gesellschafter in Ausübung ihrer verbleibenden organschaftlichen Befugnisse das Widerspruchsrecht für die Gesellschaft geltend machen, wird dies auch in ihrer Person als Gesellschafter mit Blick auf Art.  103 Abs.  1 GG für ausreichend erachtet.313 Teilweise wird darüber hinaus vorgeschlagen, den nichtvertretungsberechtigten Gesellschaftern bezogen auf die Gesellschaftseinwendungen im Sinne von §  129 Abs.  1 HGB entsprechend §  4 InsO, §§  66 ff. ZPO das Recht einer (streitgenössischen) Nebenintervention zuzuerkennen.314 Fraglich ist allerdings, ob den Gesellschaftern überhaupt eine konkrete Beteiligungsmöglichkeit im Feststellungsverfahren eingeräumt werden muss. Auf eine solche könnte verzichtet werden, wenn gegenüber den Gesellschaftern schon kein Einwendungsausschluss in Betracht käme. a) Einem Ausscheiden entsprechendes Informationsdefizit der Gesellschafter im Rahmen des Insolvenzverfahrens Wäre eine Situation gegeben, die mit derjenigen ausgeschiedener Gesellschafter vergleichbar ist, könnte dies einen Einwendungserhalt zur Folge haben. Ausgeschiedenen Gesellschaftern wird das Recht zuerkannt, sich auf die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens bestehenden Gesellschaftseinwendungen weiterhin berufen zu können, obwohl der Gesellschaft solche nicht mehr zustehen; auch 311 Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  12; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  249; abweichend, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.18; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  41. 312  Gehrlein, in: MüKoInsO, §   93 Rn.  31; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  249 f. 313  H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  248 m. w. N. 314  H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  250 ff.

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die Rechtskraft von späteren Urteilen wirke nicht mehr gegen sie.315 Hintergrund ist, dass der ausgeschiedene Gesellschafter keinerlei verbandsbezogene Informations- und Gestaltungsmöglichkeit mehr hat. Er wird daher von einer Prozessführung regelmäßig keine Kenntnis erlangen; erst recht kann er nicht mehr die verbandsrechtliche Willensbildung beeinflussen.316 Letztlich wird auf den Einwendungsausschluss insoweit auch der Grundsatz „keine Haftung ohne Herrschaft“ angewandt,317 indem ein Ausschluss von Einwendungen nur dann angenommen wird, wenn der Gesellschafter hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten hatte. Fraglich ist, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine vergleichbare Auswirkung auf die Gesellschafter der insolventen Gesellschaft hat, sodass diese mit Blick auf §  129 Abs.  1 HGB wie ausgeschiedene Gesellschafter zu behandeln wären. Dies setzt voraus, dass es den Gesellschaftern im eröffneten Verfahren in vergleichbarer Weise an Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten fehlt. Dagegen könnte sprechen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft keine Auswirkung auf deren verbandsrechtliche Struktur und Verfassung hat.318 Anders als ausgeschiedenen Gesellschaftern verbleiben den aktiven Gesellschaftern daher gesellschaftsrechtliche Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten bezogen auf die weiterhin existenten Gesellschaftsorgane. Deren Kompetenzen werden lediglich durch die des Insolvenzverwalters als notwendigem Drittliquidator überlagert.319 So nehmen die Gesellschafter im Rahmen ihrer organschaftlichen Kompetenzen nach den §§  114 ff., 125 ff. HGB die Rechte der Insolvenzschuldnerin im Verfahren wahr.320 Aus diesen könnte sich auch unter dem Verwaltungsregime des Insolvenzverwalters eine ausreichende Informations- und Einwirkungsmöglichkeit ergeben. Dies stünde einer Behandlung der aktiven Gesellschafter    – im Hinblick auf die Einwendungen aus §  129 Abs.  1 HGB    – als ausgeschiedene Gesellschafter entgegen. Gleichzeitig könnten insbesondere die Auskunftsrechte nach §  118 HGB,321 die im eröffneten Insolvenzverfahren gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen wären, ein ausreichendes rechtliches Gehör gewährleisten, was sodann in Bezug auf die Wirkung der Forderungsfeststellung einer entsprechenden Anwendung des §  178 Abs.  2 InsO 315  BGH, Uv. 20.2.2018    – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327–340 = juris-Rn.  21 ff., 25 ff.; vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  15; Henssler, PartGG, §  8 Rn.  53 f.; Kühne, ZHR 133 (1969), 149 (157); H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  257; K. Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, §  129 Rn.  15. 316  BGH, Uv. 20.2.2018    – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327–340 = juris-Rn.  26. 317  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1. 318  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb); BGH, Uv. 20.2.2018    – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327–340 = juris-Rn.  28. 319  Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.a)bb); vgl. BGH, Bv. 11.1.2007    – IX ZB 271/04, juris-­ Rn.  21; Robrecht, GmbHR 2002, 692; Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  579, 584 ff. 320  BGH, Uv. 20.2.2018    – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327–340 = juris-Rn.  28 321 Vgl. A. Hueck, in: FS Hübner, S.  86 f.; Wiedemann, WM 1992, 3 (44 ff.); zu §  717 BGB-E RegE MoPeG, S.  182 ff.

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entgegenstünde. Problematisch ist allerdings bereits, ob sich die Gesellschafter auch gegenüber dem Insolvenzverwalter nach §  118 HGB Informationen beschaffen und auf eine ordnungsgemäße Verwaltung in ihrem Interesse hin­ wirken können. Fraglich ist, woraus sich ein entsprechendes Informationsrecht ergeben könnte. §  97 InsO ordnet lediglich Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners an. Demgegenüber ist der Insolvenzverwalter insolvenz­ rechtlich gemäß §  58 InsO ausschließlich gegenüber dem Insolvenzgericht auskunftspflichtig.322 Im Übrigen gehen aber gemäß §  80 InsO die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis weitestgehend auf den Insolvenzverwalter über, sodass diesem nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Sammlung, Verwertung und Verwaltung der Insolvenzmasse obliegt. Die Geltendmachung von Gesellschaftseinwendungen unterliegt diesen Kompetenzen. Die Gesellschaftsorgane nehmen demgegenüber nur diejenigen Kompetenzen wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen. Der Insolvenzverwalter nimmt in dieser Gemengelage eine unabhängige Stellung ein, ohne zur Zusammenarbeit mit den Gesellschaftern verpflichtet zu sein.323 Die Informationspflichten des Verwalters beschränken sich grundsätzlich auf die Gläubigerversammlung sowie die gesetzlich geregelten Fälle (vgl. §§  167, 168 InsO). Die Gesellschafter sind auf bloße Einsichtsrechte (vgl. §§  66, 153 f., 175 InsO) sowie die Akteneinsicht nach §§  4 InsO, 299 ZPO verwiesen.324 Aus dieser Systematik ergibt sich, dass gesellschaftsrechtliche, mitgliedschaftliche Auskunftsrechte bezogen auf die gesamte Verwaltertätigkeit grundsätzlich verdrängt werden,325 vielmehr gilt der Grundsatz, dass sich die Gesellschafter jeder Einwirkung auf die Insolvenzverwaltung zu enthalten haben.326 Gesellschaftsrechtliche Auskunftsrechte sind dementsprechend auf Informationen zu beschränken, die für die verbleibenden Gesellschafterkompetenzen erforderlich sind. Hinsichtlich der Geltendmachung von Einwendungen gegen Gesellschaftsverbindlichkeiten haben die Gesellschafter aber keine kollektiven Kontrollrechte mehr, sodass diesbezüglich weder Informations- noch Beteiligungsrechte bestehen. Etwas anderes könnte im Rahmen von §  178 InsO gelten, weil dieser ausdrücklich zwischen den Wirkungen gegenüber dem Verwalter sowie der Gesellschaft bzw. deren Befugnissen differenziert und Widerspruchsrechte daran ausrichtet. Die Vorschrift ist Ausdruck dessen, dass die Forderungsfeststellung sowohl Auswirkungen auf die vom Insolvenzverwalter wahrzunehmenden Gläubigerinteressen hat als auch auf die Gesellschaftsinteressen, die sich mitgliedschaftlich vermittelt wiederum auf die 322 Vgl.

A. Riedel, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar InsO, §  58 Rn.  4 ff. BayOLG, Bv. 8.4.2005    – 3Z BR 246/04, juris-Rn.  23. 324  BayOLG, Bv. 8.4.2005    – 3Z BR 246/04, juris-Rn.  23. 325  Zu §  51a GmbHG, OLG Hamm, Bv. 25.10.2001    – 15 W 118/01, juris-Rn.  15; Robrecht, GmbHR 2002, 692 (693); so jedenfalls im Grundsatz, BayOLG, Bv. 8.4.2005    – 3Z BR 246/04, juris-Rn.  26. 326  Vgl. BayOLG, Bv. 8.4.2005    – 3Z BR 246/04, juris-Rn.  24. 323 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Gesellschafterinteressen auswirken können. In der Regelung kommt mithin die verbandsrechtliche Kompetenztrennung zwischen den liquidationsspezifischen, auf die Masse bezogenen Verwalterkompetenzen sowie den zwar überlagerten, aber weiterhin existenten gesellschaftsrechtlichen Organkompetenzen zum Ausdruck.327 Soweit es um die Geltendmachung des Widerspruchsrechts aus §  178 Abs.  2 InsO geht, sind Informationsansprüche gegen den Insolvenzverwalter dementsprechend ausgeschlossen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Insolvenzverwalter vorrangig den Interessen der Gläubigergesamtheit verpflichtet ist, kann sich hinsichtlich geltend zu machender Einwendungen zwischen deren Interessen sowie denen der Gesellschaft ein Konflikt ergeben. Dieser Konflikt wird im Rahmen von §  178 Abs.  2 InsO dadurch aufgelöst, dass der Gesellschaft ein eigenes Widerspruchsrecht zusteht mit dem die Wirkungen des §  201 Abs.  2 InsO vermieden werden können. Aus §  178 InsO folgt mithin, dass die auf das Widerspruchsrecht der Gesellschaft bezogenen Informationsrechte der Gesellschaft nicht durch die Kompetenzen des Insolvenzverwalters verdrängt werden.328 Soweit die Gesellschaft durch ihre Organe ein Informationsbedürfnis gegenüber dem Verwalter geltend machen kann, strahlt dieses über §  118 HGB auf die Gesellschafter aus. Diese Informationslage führt dazu, dass die Situation der aktiven Gesellschafter mit Blick auf Einwendungen der Gesellschaft wertungsmäßig nicht mit derjenigen ausgeschiedener Gesellschafter vergleichbar ist, was eine Gleichbehandlung rechtfertigen würde. b) Einwirkungsmöglichkeit der Gesellschafter im Forderungsfeststellungsverfahren entsprechend §  178 Abs.  2 InsO Eine Einschränkung der Rügepräklusion könnte sich allerdings aus einem Vergleich mit der fehlenden Gesellschafterhaftung für Masseverbindlichkeiten sowie dem Grundsatz „keine Haftung ohne Herrschaft“ ergeben.329 Fraglich ist, ob die Konstellation des Forderungsfeststellungsverfahrens vergleichbar ist mit derjenigen der Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Insolvenzverwalter. Insoweit haben die Gesellschafter keine entscheidenden Einflussnahmemöglichkeiten, sodass eine Haftung unter teleologischer Reduktion des §  128 HGB für solche Verbindlichkeiten ausscheidet.330 Auch im Rahmen von §  178 Abs.  2 InsO besteht lediglich für die Gesellschaft ein Widerspruchsrecht, nicht jedoch für die ebenfalls haftungsunterworfenen Gesellschafter in ihrer Stellung als Gesellschafter. Sollte diesbezüglich eine vergleichbare Interessenlage bestehen, könnte man erwägen, die Präklusionswirkung aus §  767 Abs.  2 ZPO i. V. m. §  129 Abs.  1 HGB für den Fall des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen angesichts der vergleichbar eingeschränkten Einwirkungsmöglich327 Vgl.

Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  579 f., 583 f., 589. Wellensiek/Flitsch, in: FS Fischer, S.  579 f., 589. 329  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III. 330  Siehe dazu oben Kap.  1 §  3 B.III.1.a). 328 Vgl.

§  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen

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keiten der Gesellschafter teleologisch zu reduzieren mit der Folge, dass ein Einwendungsausschluss der Gesellschaft schon gar nicht zu Lasten der Ge­ sellschafter wirkte. Eine Alternative dazu bestünde darin, dass man es den Gesellschaftern gestattete, sich am Feststellungsverfahren zu beteiligten, um eigenständig der Feststellung mit Wirkung hinsichtlich ihrer Haftung widersprechen zu können.331 Genauso wie bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten haben die Gesellschafter persönlich hinsichtlich Einwendungen der Gesellschaft    – gleichermaßen in der Funktion als Gesellschaftsorgane    – grundsätzlichen keine Möglichkeit, diese zu erheben, weil die vermögensrelevanten Liquidationskompetenzen durch den Insolvenzverwalter wahrzunehmen sind. Dies könnte dazu führen, dass eine Rügepräklusion nicht zu ihren Lasten wirkt. Hinsichtlich der Gesellschaft wirken vom Insolvenzverwalter nicht erhobene Einwendungen grundsätzlich zu deren Lasten, weil der Verwalter gemäß §  80 InsO Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wahrnimmt. Im Rahmen des    – vorbehaltlich einer Freigabe    – auf die Vollbeendigung der Gesellschaft gerichteten Insolvenzverfahrens ist zwar grundsätzlich keine Vollstreckung gegen die Gesellschaft nach Verfahrensaufhebung denkbar (vgl. §  199 Satz  2 InsO), §  201 Abs.  2 InsO ist allerdings die Wertung zu entnehmen, dass eine prozessrecht­ liche Rechtskraft- bzw. Vollstreckungswirkung und damit ein Einwendungsausschluss nur in Betracht kommen, wenn die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin durch ihre Organe nicht nach §  178 Abs.  2 InsO widersprochen hat. Zwar hat die Gesellschaft damit keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Einwendungen, jedoch kann sie über ihr Widerspruchsrecht in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht auf deren Präklusion Einfluss nehmen. Entsprechend der Interessen­ lage bei der Haftung für Masseverbindlichkeiten könnte ein Einwendungsausschluss ausscheiden, weil es den Gesellschaftern bezogen auf ihre Rechtsposi­ tionen an einer vergleichbaren präklusionsbezogenen Einwirkungsmöglichkeit fehlt. Macht der Verwalter allerdings Einwendungen pflichtwidrig nicht geltend, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Gesellschafter gemäß §§  60, 61 InsO entweder als Organe der Gesellschaft Interessen der Insolvenzschuldnerin durchsetzen oder sogar individuell eigene Rechte aus einer Verletzung des §  129 Abs.  1 HGB, weil sie über §  93 InsO in den insolvenzrechtlichen Schutzbereich miteinbezogenen sind. Die Pflichtverletzung des Verwalters könnte als im Rahmen von §§  60, 61 InsO zu berücksichtigende insolvenzspezifische qualifiziert werden, weil es ihm jedenfalls im Rahmen der Haftungsverwirklichung nach §  93 InsO obliegt, die Gesellschafterinteressen zu berücksichtigen; dies könnte allgemein als Pflicht zur Beachtung der Gesellschafterinteressen bereits 331  BGH, Uv. 14.11.2005    – II ZR 178/03, BGHZ 165, 85–96 = juris-Rn.  23; BGH, Uv. 9.10.­ 2006    – II ZR 193/05, juris-Rn.  11; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  31; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  42; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  92.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

auf die Forderungsfeststellung ausstrahlen. Angesichts einer solchen Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters könnten die Gesellschafter hinreichend geschützt sein, ohne dass es einer irgendwie gelagerten Beteiligungsmöglichkeit an dem Prüftermin bedürfte. Hinsichtlich des Insolvenzschuldners führt diese schadensersatzrechtliche Kompensationsmöglichkeit indes auch nicht zu einem Verlust präklusionsbezogener Einwirkungsrechte. Die Beteiligungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners am Prüftermin mit entsprechendem eigenem Widerspruchsrecht ist vielmehr prozessrechtliche Konsequenz der fehlenden Einwirkungsmöglichkeit auf Einwendungen der Gesellschaft. Der Widerspruch führt dazu, dass die Feststellung gemäß §  180 InsO im ordentlichen Verfahren geltend zu machen ist sowie, dass nicht aus der Tabelle vollstreckt werden kann, §  201 Abs.  2 InsO. Zwar erkennt §  187 Abs.  2 InsO dieses Widerspruchsrecht lediglich dem Insolvenzschuldner zu, dies führt aber bloß dazu, dass eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf die Gesellschafter nicht in Betracht kommt. Allerdings sind die Voraussetzungen einer Analogie in der Person der Gesellschafter gegeben, weil eine Forderungsfeststellung mit Blick auf §  129 Abs.  1 HGB für sie die gleichen rechtlichen Folgen hat, wie für die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin. Ein für die Haftung nach §  128 HGB relevanter Einwendungsausschluss entsprechend §  767 Abs.  2 ZPO i. V. m. §  129 Abs.  1 HGB bedeutet einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter, sodass diesen nach Art.  103 Abs.  1 GG rechtliches Gehör zu gewähren ist.332 Gegenüber den beiden Extrempositionen, wie sie in einem Einwendungsausschluss bzw. einem vollständigen Aufrechterhalten der Einwendungen aus §  129 Abs.  1 HGB zum Ausdruck kämen, handelt es sich bei der Gewährung eines eigenständigen Widerspruchsrechts, beschränkt auf die Wirkung für ihre Haftung, um diejenige Lösung, die die betroffenen Interessen in einen angemessenen Ausgleich bringt und wie sie in §  178 Abs.  2 InsO normative Anerkennung gefunden hat. Eine planwidrige Regelungslücke offenbart sich anhand einer systematischen Zusammenschau der §§  178 Abs.  2, 201 Abs.  2 InsO mit §  199 Satz  2 InsO. Aus dieser ergibt sich, dass bei der gesetzestechnischen Konzeption des §  178 Abs.  2 InsO der Fokus auf natürliche Personen gerichtet wurde, weil das Widerspruchsrecht des §  178 Abs.  2 InsO maßgebliche Bedeutung nur im Rahmen der Vollstreckung aus der Tabelle nach Verfahrensaufhebung gemäß §  201 Abs.  2 InsO hat, wie sie vor dem Hintergrund des Liquidationscharakters des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Gesellschaften regelmäßig nur gegenüber natürlichen Personen in Betracht kommt. Für Insolvenzverfahren über Verbandsvermögen, die    – vorbehaltlich einer Freigabe    – auf eine Vollbeendigung des vermögenstragenden Rechtsträgers gerichtet sind, ist das Widerspruchsrecht demgegenüber nur unvollständig geregelt. Einer Rechtskonstruktion in entsprechender Anwendung der §§  66 ff. ZPO bedarf es indes 332 

H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  250.

§  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen

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nicht,333 weil die Gesellschafter mangels Insolvenzbeschlags ihrer Vermögen selbst zwar anders als die Insolvenzschuldnerin keine unmittelbaren Beteiligten des Insolvenzverfahrens sind, aber §  93 InsO bezogen auf die Haftungsforderungen zu einer vergleichbaren Interessenlage führt. Bereits dies rechtfertigt angesichts planwidriger Regelungslücke die erweiternde Anwendung des §  178 Abs.  2 InsO. Dass die Gesellschafter ihrerseits funktional als Beteiligte des Verfahrens qualifiziert werden können, zeigt §  60 InsO. Auch der dort verwendete Beteiligtenbegriff ist funktional zu bestimmen und führt dazu, dass die Gesellschafter soweit, wie ihre Interessen durch das Gesellschaftsinsolvenzverfahren betroffen sind, partielle subjektive Verfahrenspositionen einnehmen können. §  178 Abs.  2 InsO ist insoweit eine analogiefähige Wertung zu entnehmen, dass denjenigen Rechtssubjekten ein Widerspruchsrecht zuzuerkennen ist, die aufgrund insolvenzrechtlicher Wirkungen von der Forderungsfeststellung in eigenen Rechtspositionen betroffen sind. Dies ist mit Blick auf §  201 Abs.  2 InsO einerseits die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin    – die dieses Recht durch ihre Organe ausübt    –, andererseits sind es aber auch die einzelnen Gesellschafter, soweit sie gemäß §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB durch den Insolvenzverwalter für von der Forderungsfeststellung betroffene Gesellschaftsverbindlichkeiten im Umfang des §  129 HGB in Anspruch genommen werden können. Dieses Widerspruchsrecht setzt eine verfahrensmäßige Beteiligung aller persönlich haftenden Gesellschafter am Prüftermin voraus. Ein Einwendungsausschluss gegenüber den Gesellschaftern kommt mithin nur in Betracht, wenn diese am Prüftermin beteiligt waren. 2. Einwendungspräklusion im Rahmen masseloser Liquidation Fraglich ist, wie Einwendungen der Gesellschaft im Stadium masseloser Liquidation zu behandeln sind. Der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen unterliegt in diesem Stadium genauso wie während des werbenden Zustandes des Verbandes dem Prioritätsprinzip, sodass Gesellschaftsgläubiger auf das (verbleibende) Gesellschaftsvermögen zugreifen können. Soweit ein rechtskräftiges Urteil während eines dieser Lebenszyklen gegen die Gesellschaft erwirkt wurde, kann die Gesellschaft gemäß §  767 Abs.  2 ZPO mit Einwendungen ausgeschlossen sein mit der Folge, dass sich die Präklusionswirkung des §  767 Abs.  2 ZPO auf den akzessorisch haftenden Gesellschafter erstreckt.334 In diesem Zusammenhang kann es dementsprechend dazu kommen, dass die Gesellschaft Einwendungen nicht geltend macht, was im Rahmen der Haftungsverwirklichung durch den Drittliquidator zur Folge hat, dass sich die Gesellschafter entsprechend §  767 Abs.  2 ZPO i. V. m. §  129 Abs.  1 HGB nicht auf diese berufen können. Anders als 333 So

H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S.  250 ff. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  11; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  128 Rn.  43; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  129 Rn.  13; Steitz, in: Henssler/Strohn, GesR, HGB, §  129 Rn.  8 ff. 334 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Gesellschafts­vermögen haben die Gesellschafter in beiden Lebenszyklen jegliche gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten. Eine Einschränkung des Einwendungsausschlusses kommt dementsprechend nicht in Betracht. Ebenso bedarf es keiner gesonderten Mitwirkungsrechte der nicht vertretungsberechtigten Gesellschafter. So ist der Drittliquidator im Rahmen der liquidationsbedingten Haftungsabwicklung grundsätzlich lediglich befugt, die Gesellschafterhaftung geltend zu machen, ohne in diesem Zusammenhang Einfluss auf die Einwendungen der Gesellschaft nehmen zu können. Überträgt das Amtsgericht dem Drittliquidator hingegen alle Liquidationsbefugnisse,335 ist es angezeigt, die von der Einwirkung ausgeschlossenen Gesellschafter wie ausgeschiedene Gesellschafter zu behandeln mit der Folge, dass ein Einwendungsausschluss nicht in Betracht kommt.336 II. Beurteilung persönlicher Einzeleinwendungen im Rahmen der dem Interesse der Gläubigergesamtheit verpflichteten Unterdeckungshaftung Vor dem Hintergrund des modifizierten Haftungsmodells könnten demgegenüber die persönlichen Einwendungen der Gesellschafter abweichend zu beurteilen sein. Während die Gesellschaftseinwendungen bzw. deren Ausschluss    – mit Abweichungen bezüglich ausgeschiedener Gesellschafter    – grundsätzlich gegenüber allen aktiven Gesellschaftern wirken, weil sie aus dem Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern resultieren, welches von den §§  128, 129 HGB für alle Gesellschafter in Bezug genommen wird, knüpfen die persönlichen Einwendungen der Gesellschafter an das über §  128 HGB zwischen den Gesellschaftsgläubigern und den einzelnen Gesellschaftern begründete Schuldverhältnis an.337 Indem der im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit agierende Drittliquidator nun aber sowohl während des Insolvenzverfahrens als auch im Rahmen masseloser Liquidation die Gesellschafterhaftung zentralisiert als Unterdeckungshaftung geltend macht, sieht sich der einzelne Gesellschafter nicht einzelnen Forderungen der Gesellschaftsgläubiger ausgesetzt    – gegenüber denen er unmittelbar Einwendungen erheben könnte    –, sondern der zusammengefassten Geltendmachung im Interesse der Gläubigergesamtheit. Anders als im Falle von Einwendungen der Gesellschaft, reduziert sich nicht ohne Weiteres der Gesamtbetrag der Unterdeckung, indem etwa eine Gesellschaftsverbindlichkeit als Folge einer Einwendung unberücksichtigt bliebe. Fraglich ist daher, wie persönliche Einwendungen im Rahmen des modifizierten Haftungsmodells zu behandeln sind. Denkbar wäre es, dass persönliche Einwendungen eines durch den Drittliquidator in Anspruch genommenen Gesellschafters schlichtweg keine Berücksichtigung finden, weil die Haftungsverwirklichung 335 

Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 D.III.3. Siehe dazu oben Kap.  3 §  8 B.I.1.a). 337 Vgl. Henssler, PartGG, §  8 Rn.  48, 53 f. 336 

§  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen

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nicht im dem einzelverbindlichkeitsbezogenen Rechtsverhältnis zwischen Haftungsgläubigern und Gesellschaftern vorgenommen wird, sondern zentralisiert und auf den Unterdeckungsbetrag beschränkt durch den im Fremdinteresse agierenden Drittliquidator. Würde man einem Gesellschafter hingegen persönliche Einwendungen gegenüber einzelnen Gläubigern zuerkennen, könnte dies zur Folge haben, dass diese Einwendungen nicht bloß zu Lasten des einzelnen Gesellschaftsgläubigers wirken, sondern gegenüber der Gläubigergesamtheit.338 Inwiefern ein Ausschluss persönlicher Einwendungen in Betracht kommt, lässt sich nur anhand der jeweils konkret in Betracht kommenden persönlichen Einwendungen beurteilen. Diese können sowohl gesetzlichen als auch rechtsgeschäftlichen Ursprung haben. In der Person eines Gesellschafters begründete Einwendungen sind einerseits solche, die kraft Gesetzes nach den §§  159, 160 HGB unmittelbar an die Stellung als Gesellschafter anknüpfen. Dabei ist zwischen der aktiven Stellung aller Gesellschafter, die gemäß §  159 HGB eine einheitliche Sonderverjährung betrifft, sowie der ehemaligen Gesellschafterstellung einzelner, ausgeschiedener Gesellschafter zu differenzieren, die gemäß §  160 HGB eine gesellschaftsrechtliche Nachhaftung zur Folge hat.339 Andererseits können persönliche Einwendungen aus rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen resultieren. Diese kommen sowohl im Verhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftsgläubigern in Betracht als auch im Verhältnis der Gesellschafter zu den Gläubigern. Zwar sind persönliche Gesellschaftereinwendungen denkbar, die ihren rechtsgeschäftlichen Ursprung im Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft mit ihren Gläubigern haben    – etwa, weil diese eine Vereinbarung über die Rangfolge der in Anspruch zu nehmenden Gesellschafter treffen    –, allerdings führt eine solche Einigung nach §  328 BGB zu einer unmittelbaren Wirkung im Rechtsverhältnis zwischen Gesellschafter und Gläubiger. Ebenso können rechtsgeschäftlich begründete Einwendungen unmittelbar in dem Rechtsverhältnis der Gesellschaftsgläubiger mit den Gesellschaftern begründet werden, zum Beispiel wenn diese Vereinbarungen über die teilweise oder vollständige Entlassung der (einzelnen) Gläubiger aus der Haftung bzw. über eine Stundung der Haftungsforderung treffen oder wenn diese sich auf abweichende Vergleichsregelungen verständigen.340 Ein kollusives Zusammenwirken der Gesellschaft mit ihren Gläubigern zu Lasten der (einzelnen) Gesellschafter stellt demgegenüber keine Einwendung im Sinne des §  129 Abs.  1 HGB dar, sondern führt dazu, dass sich die Gläubiger nicht auf einen Einwendungsausschluss nach dieser Vorschrift berufen können.341 Ungeachtet der Art 338 

Vgl. zum Kommanditisten, Scherf, Die Nachschusspflicht im Gesellschaftsrecht, S.  167 f. Siehe dazu oben Kap.  3 §  6 B. 340  Vgl. Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  18; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  129 Rn.  9; M. Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, §  129 Rn.  6; K. Schmidt, in: MüKoHGB, §  129 Rn.  2. 341  Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  129 Rn.  18. 339 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

der Einwendung bedingt die Haftungsanordnung des §  128 HGB, dass alle aktiven, ehemaligen sowie rechtsgeschäftlich hinsichtlich der Haftung privilegierten Gesellschafter gleichwohl dem Haftungszugriff der Gläubigergesamtheit unterworfen sind. Soweit es sich um persönliche Einwendungen handelt, die an die Gesellschafterstellung anknüpfen, bestehen diese zwar nicht notwendig ungeteilt gegenüber der Gläubigergesamtheit, sie sind aber der Haftungsanordnung des §  128 HGB immanent. Dies hat zur Folge, dass in Anspruch genommene Gesellschafter gegenüber dem notwendigen Drittliquidator solche mitgliedschaftlichen Einwendungen geltend machen können. Persönliche Einwendungen, die an die mitgliedschaftliche Stellung aller Gesellschafter anknüpfen, haben grundsätzlich eine vergleichbare Wirkung wie eine Gesellschaftseinwendung, weil sie gleichermaßen gegenüber der Gläubigergesamtheit bestehen und im Rahmen der Gesamthöhe des Unterdeckungsbetrages Relevanz erfahren können. Bestehen derartige Einwendungen hingegen lediglich in der Person einzelner Gesellschafter    – wie der Einwand nach §  160 HGB    –, kann sich der Drittliquidator in voller Höhe des ermittelten Unterdeckungsbetrages lediglich an die übrigen Gesellschafter wenden. Auf diese Weise entstehende Gesellschaftergruppen spiegeln sich daher in durch den Drittliquidator zu bildenden Gläubigergruppen wider. Die Geltendmachung einer an die (ehemalige) Mitgliedschaft einzelner Gesellschafter anknüpfenden Einwendung wirkt sodann gegenüber den gebildeten Gläubigergruppen. Entscheidet sich der Drittliquidator für die Inanspruchnahme des ausgeschiedenen Gesellschafters, führt dies dazu, dass in Höhe des geltend gemachten Betrages eines Sondervermögensverbindung zu bilden ist, aus der lediglich die Altgläubiger befriedigt werden dürfen.342 Hintergrund ist, dass die Neugläubiger hinsichtlich des Haftungsfonds des ausgeschiedenen Gesellschafters keine materielle Berechtigung haben, weil ihnen dessen Vermögen nicht haftungsrechtlich zugewiesen ist. Ausgangspunkt der Haftungsverwirklichung ist die Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens im Verhältnis zur Summe aller Gesellschaftsverbindlichkeiten. Demgegenüber haftet ein ausgeschiedener Gesellschafter lediglich für Verbindlichkeiten, die bis zu seinem Austritt begründet wurden, in dem in §  160 HGB bezeichneten Umfang.343 Für diese Alt-Haftungsverbindlichkeiten ist daher eine gesonderte Unterdeckung zu ermitteln. Diese ergibt sich aus der Gesamtunterdeckung abzüglich solcher Verbindlichkeiten, die nach dem Austritt des Altgesellschafters begründet wurden. Die sich aus §  160 HGB ergebende persönliche Einwendung des ausgeschiedenen Gesellschafters zeigt sich dementsprechend dadurch, dass dieser gegenüber dem Drittliquidator geltend machen kann, Forderungen von Neugläubigern dürften ge342  BGH, Bv. 20.11.2008    – IX ZB 199/05, juris-Rn.  9; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  2 2; Gerhardt, ZIP 2000, 2181 (2188). 343  Erforderlich ist, dass der Rechtsgrund für die Gesellschaftsverbindlichkeit gelegt wurde, Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  160 Rn.  10.

§  8 Prozessuale und zwangsvollstreckungsrechtliche Konsequenzen

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genüber ihm nicht in die Berechnung der Alt-Unterdeckung einfließen. In Höhe des verbleibenden Unterdeckungsbetrages kann sich der Drittliquidator sodann an die übrigen Gesellschafter wenden. Den Drittliquidator trifft dementsprechend die Pflicht, das den ausgeschiedenen Gesellschafter treffende Haftungs­ volumen anhand der nicht haftungsrelevanten Neu-Einzelverbindlichkeiten der Gesellschaft darzulegen.344 Ein entsprechendes Vorgehen ist im Rahmen von §  159 HGB angezeigt, weil diese Regelung zwar an die Gesellschafterstellung aller aktiven Mitglieder anknüpft, die Verjährung gegenüber dem Einzelnen aber ein getrenntes Schicksal nehmen kann. Auch insoweit sind die in der Person eines Gesellschafters begründeten Einwendungen mitgliedschaftlich vermittelt, sodass diese unmittelbar gegenüber dem Drittliquidator geltend gemacht werden können und gegenüber den Gläubigern Wirkung entfalten. Folglich führen mitgliedschaftlich vermittelte persönliche Einwendungen nicht zu einer Durchbrechung des Ausfallprinzips, vielmehr ist lediglich der Unterdeckungsbetrag anknüpfend an die Gesellschafterstellung relativ. Die Einstandspflicht der Gesellschafter bleibt auch insoweit eine stichtagsbezogene Unterdeckungshaftung im Interesse der Gläubigergesamtheit; diese ist mit Blick auf persönliche Einwendungen einer Gruppenbildung zugänglich. Anders als mitgliedschaftsvermittelte Einwendungen resultieren rechtsgeschäftlich veranlasste Einwendungen hingegen unmittelbar aus einem Rechtsverhältnis mit einzelnen Gläubigern. Die Realisierung der Haftungsforderung erfolgt allerdings nicht in diesem Verhältnis. Dementsprechend ist fraglich, inwieweit solche Einwendungen Berücksichtigung finden können. In Betracht kommt, dass den Gesellschaftern solche Einwendungen versagt sind, weil sie auf einer Vereinbarung zu Lasten der Gläubigergesamtheit beruhen. Daher könnte es angezeigt sein, dass der privilegierte Gesellschafter in voller Höhe ausgleichspflichtig ist und sich nachträglich bei dem Gläubiger schadlos halten muss, mit dem die Privilegierung rechtsgeschäftlich vereinbart wurde. Eine Gruppenbildung auf Gläubigerseite könnte deswegen ausgeschlossen sein, weil die Einwendungen nicht aus der mitgliedschaftlichen Stellung resultieren, daher nicht über §  129 Abs.  1 HGB unmittelbar an die Haftungsanordnung des §  128 HGB angeknüpft und damit nicht als Konkretisierung der Gesellschafterhaftung qualifiziert werden können. Würde man den Gesellschaftern im Rahmen der Haftungsverwirklichung des §  128 HGB das Recht zuerkennen, rechtsgeschäftlich mit einzelnen Gläubigern vereinbarte Modifizierungen der Haftungsforderungen geltend zu machen, hätte dies zur Folge, dass der Drittliquidator gegebenenfalls vielfältige Vermögenssonderungen vornehmen müsste. Dieses Vorgehen erscheint aufwendig und kostspielig. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens hätte die Gläubigergesamtheit angesichts dieser Verfahrenskosten das Risiko zu tragen, mit Forderungen auszufallen, obwohl nur ein einzel344 Vgl.

K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, §  93 Rn.  35.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

ner Gläubiger entsprechende Vereinbarungen getroffen hat. Im Rahmen masseloser Liquidation träfen diese Kosten alle Gesellschafter, obwohl nur ein einzelnes Mitglied von der Haftungsprivilegierung profitieren sollte    – es bliebe dem Gesellschafterregress vorbehalten, die zusätzlichen Kosten auf den privilegierten Gesellschafter abzuwälzen. Demzufolge können die Gesellschafter, denen rechtsgeschäftlich begründete Einwendungen gegen eine materiell-recht­ liche Haftungsforderung zustehen, diese nicht gegenüber dem Drittliquidator im Rahmen der zentralisierten, gesellschaftsrechtlichen Haftungsabwicklung geltend machen. Rechtsgeschäftlich begründete Einwendungen sind nicht geeignet, Grundlage einer haftungsrechtlichen Gruppenbildung im Rahmen der dem Interesse der Gläubigergesamtheit dienenden Gesellschafterhaftung nach §  128 HGB zu sein. Angesichts dieser Zusammenhänge ist lediglich dann eine abweichende Beurteilung geboten, wenn eine rechtsgeschäftliche Einwendung gegeben ist, die der Gesamtheit der Gesellschafter zugutekommt, wenn etwa ein Gläubiger gänzlich oder teilweise gegenüber allen Gesellschaftern auf seine Haftungsforderung verzichtet hat. Insoweit ist eine Berücksichtigung ausnahmsweise möglich, weil diese Konstellation mit einer bloß begrenzten Anmeldung der (Haftungs-)Forderung zu dem zentralisierten Abwicklungs­regime vergleichbar ist, wie sie auch im Rahmen der Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters zum Tragen kommt.345 III. Berücksichtigung von Gestaltungsrechten im Rahmen der Unterdeckungsermittlung Ebenso schlägt sich die Durchsetzungsakzessorietät, wie sie in §  129 Abs.  2 und Abs.  3 HGB zum Ausdruck kommt, im Rahmen des geltend zu machenden Unterdeckungsbetrages nieder. Maßgeblich ist dabei, ob der Drittliquidator anfechten bzw. aufrechnen könnte.346 Eine diesbezüglich abweichende Beurteilung ist auch vor dem Hintergrund des modifizierten Haftungsmodells nicht geboten. Demgegenüber kommt unter dem modifizierten Haftungsmodell eine Aufrechnung eines Gesellschafters mit einer Forderung    – die dieser lediglich gegenüber einem Gläubiger hat, in Bezug auf die durch den Drittliquidator geltend gemachte Haftungsforderung    – nicht in Betracht, weil er insoweit der Gläubigergesamtheit gegenübersteht und die einzelne Aufrechnung zum Nachteil der kollektiven Fremdinteressen wirken könnte.347 Diese Konstellation ist wertungsmäßig vergleichbar mit rechtsgeschäftlich begründeten persönlichen Einwendungen.348 345 

Siehe dazu oben Kap.  3 §  7 A.II. Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  31. 347  Vgl. zur Aufrechnung gegen bzw. mit der Haftungsschuld bei Anwendung der Haftungsverfassung nach h. M. unter Berücksichtigung der §§  94 ff. InsO bzw. der Sperrwirkung gemäß §  93 InsO, Sander, ZInsO 2012, 1285 (1289 f.). 348  Siehe dazu oben Kap.  3 §  8 B.II. 346 

§  9 Gesellschafter-Exithaftung und Gesellschaftersicherheiten

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§  9 Gesellschafter-Exithaftung und Gesellschaftersicherheiten Die im Interesse der Gläubigergesamtheit zu verwirklichende Gesellschafterhaftung erfährt in der Praxis eine ganz empfindliche faktische Aufweichung, weil professionelle Gläubiger sich im Rahmen rechtsgeschäftlich begründeter Gesellschaftsverbindlichkeiten regelmäßig auch Sicherheiten der Gesellschafter bestellen lassen.349 Dies führt dazu, dass solche Gläubiger    – anstatt einen Zahlungsausfall zentralisiert durch den Drittliquidator im Rahmen der Gesellschafterhaftung abwenden zu lassen    – versuchen werden, die Gesellschaftsverbindlichkeit prioritär im Rahmen der Sicherheit    – etwa aufgrund einer Bürgschaft    – unmittelbar gegenüber dem Gesellschafter zu verwirklichen. Soweit eine Personal- oder Realsicherheit gegenüber der Gesellschafterhaftung vorzeitig geltend gemacht werden kann, geschieht dies gegebenenfalls zu Lasten der übrigen Gläubiger, insbesondere auf Kosten kleiner bzw. unprofessioneller sowie unfreiwilliger Gläubigergruppen.350 Am deutlichsten zeigt sich diese Pro­ blematik, wenn die Gesellschafter eine Personalsicherheit etwa in Form einer Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage erteilt haben (§  773 Abs.  1 Nr.  1 BGB), zum Beispiel bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, oder die Bürgschaft ein Handelsgeschäft ist (vgl. §  349 Satz  1 HGB), weil in diesen Konstellationen    – anders als im Rahmen der Gesellschafterhaftung    – sogar eine Inanspruchnahme der Gesellschafter möglich ist, wenn die Gesellschaft noch zahlungsfähig ist. Während nach herkömmlichem Verständnis Personalsicherheiten im werbenden Stadium des Personenverbandes lediglich neben die Gesellschafterhaftung als primäre Einstandspflicht treten, ist es unter dem modifizierten Haftungsmodell fraglich, ob aus dem gewandelten Verhältnis der Gesellschafterhaftung zu den Personalsicherheiten aus Gläubigerschutzge­ sichtspunkten ein Funktionsverlust der Gesellschafterhaftung droht. Indes ergibt sich auch nach herkömmlichem Verständnis eine Ungleichbehandlung derjenigen Gläubiger, deren Gesellschaftsforderungen durch eine Personalsicherheit gesichert sind, gegenüber den übrigen Gesellschaftsgläubigern. Zwar bleiben Einreden im Rahmen einer Bürgschaft nach §  768 Abs.  1 Satz  1 BGB grundsätzlich erhalten, allerdings wird das Ausfallrisiko durch eine rechtsgeschäftlich vereinbarte bevorzugte Inanspruchnahme zu Lasten der übrigen Gläubiger verschoben. Im Rahmen anderer Sicherheiten    – wie einer selbst­ ständigen Garantierklärung    – können sogar Gesellschaftseinwendungen aus­ geschlossen sein. Hervorzuheben ist jedoch, dass Personalsicherheiten, die die Gesellschaftsgläubiger rechtsgeschäftlich mit den Gesellschaftern vereinbaren, grundsätzlich keiner anderen Beurteilung unterliegen als gewöhnliche Privat349  Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  21, 2; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  65. 350 Vgl. Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1976).

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

verbindlichkeiten der Gesellschafter. Jegliche Privatverbindlichkeit unterwirft das Gesellschaftervermögen einem unmittelbaren Gläubigerzugriff. Sie sind dabei ohne jede Auswirkung auf das Gesellschaftsvermögen und können daher auch zu keiner abweichenden Beurteilung der gesellschaftsrechtlichen Haftungsverfassung führen.

A. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens I. Keine Erstreckung des §  93 InsO auf Gesellschaftersicherheiten bei isolierter Gesellschaftsinsolvenz Ist die Gesellschaft bereits insolvent, die Gesellschafter aber noch nicht, droht angesichts der persönlichen Sicherung ein Wettlauf zwischen den (ge­sicherten) Privatgläubigern sowie dem Drittliquidator, der die Gesellschafterhaftung zentralisiert entweder insolvenzrechtlich nach §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB oder im Rahmen masseloser Liquidation gemäß §  128 HGB geltend macht.351 Soweit Gesellschafter für eine Gesellschaftsverbindlichkeit eine persönliche oder dingliche Sicherheit gewähren, tun sie dies privatautonom mit ihrem Privatvermögen.352 Diese Vermögenstrennung wird auch nach herkömmlichem Verständnis von §  93 InsO akzeptiert, indem individuelle Sicherheiten von dessen Regelungsanordnung unberührt bleiben.353 Daher können die Gläubiger    – ungeachtet der Anmeldung ihrer Gesellschaftsforderung in dem Gesellschaftsinsolvenzverfahren    – weiterhin gegen die Gesellschafter vorgehen; anders als die Haftungsforderung wird die Privatverbindlichkeit nicht von der Sperrwirkung 351 Vgl. Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  40, §  43 Rn.  16; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084). 352 Vgl. Bunke, KTS 2002, 471 (485 ff.); Wessel, DZWIR 2002, 53 (54). 353  BGH, Uv. 4.7.2002    – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245–252 = juris-Rn.  9 ff.; LG Bayreuth, Uv. 30.5.2000    – 33 O 244/00, ZIP 2001, 1782 (1783); Bitter, ZInsO 2002, 557 (558 ff.); Blersch/­ v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  4; Bunke, NZI 2002, 591 (592 ff.); Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  65 ff.; Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1089); Haas/H. Müller, NZI 2002, 366 (367); Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  75, 82; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  17 f.; S. Krüger, NZI 2002, 367 (368 f.); Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  4a; v. Olshausen, ZIP 2003, 1321 (1321 ff.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082); Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  21; Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  84; Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626 ff.); Wessel, DZWIR 2002, 53 (53 f.); a. A. OLG Schleswig, Uv. 21.9.2001    – 1 U 207/00, juris-Rn.  24 ff., 27 ff.; Bork, NZI 2002, 362 (363 ff.); Kesseler, DZWIR 2003, 488 (490 ff.); ders., ZIP 2002, 1974 (1976 ff.); die wirtschaftliche Bedeutung hervorhebend ders., ZInsO 2002, 549 (551 ff., 554 ff.); Klinck, NZI 2004, 651 (652); H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  24 ff.; differenzierend zwischen konkurrierenden Individualhaftungsforderungen (keine Sperrwirkung) und Personalsicherheiten (§  93 InsO analog), Oepen, Massefremde Masse, Rn.  272 f.; ders., ZInsO 2002, 162 (168 ff.); Pelz, Die GbR in der Insolvenz, S.  84; differenzierend für Steuerforderungen, Kling, ZIP 2002, 881 (882 f.); vgl. Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  11 ff.; ebenfalls differenzierend Heitsch, ZInsO 2003, 692 (696 f.).

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erfasst.354 So nimmt §  93 InsO lediglich den Wortlaut des §  128 HGB in Bezug355 und aus der Entstehungsgeschichte des §  93 InsO ergibt sich, dass dieser sich auf Haftungsregelungen beschränkt, die dem Interesse der Gläubigergesamtheit dienen (vgl. auch §  92 InsO).356 Nichts anderes gilt unter dem modifizierten Haftungsmodell hinsichtlich der Sperrwirkung aus §  128 HGB. Demgegenüber wird teilweise eine analoge Anwendung des §  93 InsO auf parallele Personalsicherheiten thematisiert, weil diese nur dazu dienten, die Sperrwirkung des §  93 InsO im Wege einer unzulässigen Vorrangvereinbarung zu umgehen.357 Anderenfalls werde der gesetzliche Regelungszweck unterlaufen, einen Wettlauf der Gläubiger um die Einstandspflicht des persönlich haftenden Gesellschafters zu verhindern.358 Teilweise wird aus diesem Regelungszweck eine isolierte Er­ streckung der Sperrwirkung auf Parallelsicherheiten gefolgert mit der Konsequenz, dass Sicherheiten gar keine Berücksichtigung fänden.359 Gegen die Erstreckung der Sperrwirkung auf Parallelsicherheiten spricht indes insbesondere die gesetzliche Systematik. So zeigt §  254 Abs.  2 Satz  2 InsO, dass das Problem der Absicherung einer Insolvenzforderung erkannt wurde, sodass es im Rahmen von §  93 InsO diesbezüglich an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.360 Hintergrund ist das Anliegen, Kreditsicherheiten nicht zu entwerten, weil dies anderenfalls zu einer Verteuerung jeglicher Kredite von Personenaußengesellschaften führen würde.361 Angesichts der strikt vermögensmäßigen Beurteilung sowie der daraus folgenden Trennung der haftungsunterworfenen Vermögensverbindungen kommt ferner eine irgendwie gelagerte Ausstrahlungswirkung der Gesellschaftsinsolvenz auf die Gesellschafterprivatverbindlichkeiten nicht in Betracht. Ein entsprechender Wettlauf ist so lange 354 

K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1083 f.). Bitter, ZInsO 2002, 557 (558); Haas/H. Müller, NZI 2002, 366 (367); a. A. Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1978); ders., ZInsO 2002, 549 (551 f.). 356  BGH, Uv. 4.7.2002    – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245–252 = juris-Rn.  9 ff.; Bitter, ZInsO 2002, 557 (559); Bunke, KTS 2002, 471 (476 ff.); ders., NZI 2002, 591 (592); Haas/H. Müller, NZI 2002, 366 (366 f.); a. A. Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977 f.); ders., ZInsO 2002, 549 (552 ff.); zur analogen Anwendung, Bork, NZI 2002, 362 (363 ff.). 357  OLG Schleswig, Uv. 21.9.2001    – 1 U 207/00, juris-Rn.  24 ff., 27 ff.; Bork, NZI 2002, 362 (363 ff.); Brinkmann, ZGR 32 (2003), 264 (275 ff.); Klinck, NZI 2004, 651 (652, 655); H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  27; Oepen, Massefremde Masse, Rn.  272 ff.; Pelz, Die GbR in der Insolvenz, S.  79 ff., 84 ff.; unter abweichendem Ansatz, Brinkmann, Die Bedeutung der §§  92, 93 InsO, S.  125 ff. 358  Oepen, Massefremde Masse, Rn.  272 f.; Bork, NZI 2002, 362 (363 ff.); vgl. Bunke, KTS 2002, 471 (484); Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1976). 359  Brinkmann, ZGR 32 (2003), 264 (2748 f.). 360  BGH, Uv. 4.7.2002    – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245–252 = juris-Rn.  11; Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  4; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  21; Bunke, NZI 2002, 591 (593); Haas/H. Müller, NZI 2002, 366 (366 f.); a. A. Bork, NZI 2002, 362 (363 ff.); Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1976 f.); H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  25 f.; vgl. zu §§  227 Abs.  2, 254 Abs. InsO, Bunke, KTS 2002, 471 (481 f.). 361  Vgl. BGH, Uv. 4.7.2002    – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245–252 = juris-Rn.  9 ff.; Bunke, KTS 2002, 471 (489); ders., NZI 2002, 591 (593 f.); Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  18. 355 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

unschädlich, wie der Gesellschafter über ausreichend Vermögen verfügt.362 Außerhalb der Regelung des §  128 HGB existiert keine normative Grundlage, die den Prioritätsgrundsatz zugunsten einer Gläubigergleichbehandlung durchbrechen würde. Dementsprechend sind auch weitere konkurrierende rechtsgeschäftliche, deliktische oder steuerrechtliche Haftungsansprüche sowie die Haftung aufgrund von Vertrauenstatbeständen    – die auf die Gesellschafterprivatvermögen zielen    – nicht von der Sperrwirkung erfasst.363 Droht das Vermögen des Gesellschafters hingegen zu erschöpfen, ist seinerseits die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Privatvermögen zu beantragen.364 II. Verfahrensmäßige Behandlung von Gesellschaftersicherheiten im Rahmen paralleler Insolvenzen Im Rahmen der materiellen Insolvenzreife der Gesellschaft erlangen Personalsicherheiten dementsprechend insolvenzrechtlich nur Bedeutung, wenn der Gesellschafter seinerseits zahlungsunfähig wird und gleichzeitig oder nachgelagert ein sodann (teilweise) parallel verlaufendes Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wird,365 weil sich erst dann das insolvenzrechtliche Problem der „Doppelberücksichtigung“ stellt.366 Nach umstrittenem Verständnis führt während eines Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen ein weiteres Insolvenzverfahren über die Vermögen einzelner oder mehrerer Gesellschaf­ter entgegen §  131 Abs.  3 Satz  1 Nr.  2 HGB nicht zu dessen bzw. deren Ausscheiden.367 Die Regelung ist im Falle paralleler Insolvenzen (teilweise: „Simultan­ insolvenzen“) teleologisch zu reduzieren, weil die Insolvenz der Gesellschafter zum Wegfall des Sozietätsfundaments während des eröffneten bzw. zu eröffnenden Gesellschaftsinsolvenzverfahrens führen könnte.368 Dies könnte sowohl bei horizontalen als auch bei vertikalen, zeitlich nachgelagerten Parallelinsolvenzen ein liquidationsloses Erlöschen des Personenverbandes während einer im Gläubigerinteresse durchzuführenden Liquidation zur Folge haben, dies insbesonde362 

Bunke, KTS 2002, 471 (493). Bitter, ZInsO 2002, 557 (558 ff.); Bunke, KTS 2002, 471 (484 f.); ders., NZI 2002, 591 (592 ff.); Haas/H. Müller, NZI 2002, 366 (367); differenzierend zwischen konkurrierenden Individualhaftungsforderungen (keine Sperrwirkung) und Personalsicherheiten (§  93 InsO analog), Oepen, Massefremde Masse, Rn.  272 f.; ders., ZInsO 2002, 162 (168 ff.); wohl auch Pelz, Die GbR in der Insolvenz, S.  84 ff. 364 Vgl. Bunke, KTS 2002, 471 (493 f.); Wessel, DZWIR 2002, 53 (56). 365  Vgl. zu den unterschiedlichen Konstellationen, Reiswich, ZInsO 2010, 1809 (1811 ff.). 366 Vgl. Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  12 f.; Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  24 ff., 27 f.; Klinck, NZI 2004, 651 (652 ff.); Oepen, ZInsO 2002, 162 (166 ff.); v. Olshausen, ZIP 2003, 1321 (1321 ff.); K. Schmidt/ Bitter, ZIP 2000, 1077 (1083 f.); K. Schmidt, KTS 2001, 373 (390). 367  Görg, in: FS Runkel, S.  317 ff., S.  323 ff., 326 ff.; Reiswich, ZInsO 2010, 1809 (1809 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2002, 1209 (1213 f.); vgl. Kruth, NZI 2011, 844 (845 ff.). 368 Vgl. Görg, in: FS Runkel, S.  317 f., 326 ff.; K. Schmidt, KTS 2011, 161 (166 ff.); ders., ZIP 2008, 2337 (2644 ff.). 363 Vgl.

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re mit zufälligen Ergebnissen hinsichtlich der Rechtsnachfolge, abhängig vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnungen.369 Maßgeblich ist eine zeitliche und/oder materielle Überschneidung der Insolvenzen.370 Der vorbehaltlich einer Freigabe auf eine geregelte Vollabwicklung im Gläubigerinteresse gerichtete Regelungszweck des Insolvenzverfahrens führt zu einer besonderen liquidationsrechtlichen Personenkontinuität des Verbandes für den Verlauf des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen. Während §  131 Abs.  3 Satz  1 Nr.  2 HGB gleichermaßen Ausdruck eines auf den Fortbestand des Verbandes gerichteten unterstellten Gesellschafterwillens ist,371 liefe dessen Anwendung im Insolvenzverfahren sowohl dem eigenen Regelungszweck nach Unternehmenskontinuität als auch dem Zweck der Vollbeendigung in einem zwingend ausgestalteten besonderen Liquidationsverfahren zuwider. Vielmehr würden parallele Insolvenzen zu einer verfahrenszweckwidrigen Aufhebung der Vermögenstrennung zwischen Personenverband und Mitgliedern führen.372 Dies hätte eine rechtlich nicht legitimierte Ungleichbehandlung der verschiedenen Gläubigergruppen zur Folge. Demgegenüber wird teilweise angenommen, dass unter Anerkennung der Möglichkeit einer Gesamtrechtsnachfolge des letzten verbleibenden Gesellschafters ein Sonderinsolvenzverfahren über das vormalige Verbandsvermögen durchzuführen sei entsprechend der Interessenlage eines Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß §§  315 ff. InsO.373 Dagegen spricht neben dem gegenüber einer teleologischen Reduktion erheblichen Rechtsfortbildungsaufwand der Umstand, dass ungeachtet des Sonderinsolvenzverfahrens anstelle einer Personengesellschaft der verbleibende Gesellschafter als natürliche Person Steuerschuldner werden würde, was praktische Komplikationen zur Folge hätte, wie sie bei Annahme des Fortbestandes der Gesellschaft nicht bestehen würden.374 1. Personengesellschaftliches Problem der sog. Doppelberücksichtigung Haben einzelne oder mehrere Gesellschafter einer Personengesellschaft für eine Gesellschaftsverbindlichkeit Sicherheiten bestellt und wird auch über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet, kommt es zu dem spezifisch personengesellschaftlichen Problem der sog. Doppelberücksichtigung. Dieses resultiert unter Anerkennung strikter Vermögenstrennung unmittelbar aus der Funktionsweise von §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB. Es ergibt sich daraus, dass gesicherte Gläubiger angesichts der Gesellschaftersicherheit für eine Gesell369  Görg, in: FS Runkel, S.  327; K. Schmidt, ZIP 2008, 2337 (2345 ff.); ders., in: MüKoHGB, §  131 Rn.  76a. 370  Görg, in: FS Runkel, S.  323, 328. 371 Vgl. Görg, in: FS Runkel, S.  326; K. Schmidt, KTS 2011, 161 (168). 372 Vgl. Görg, in: FS Runkel, S.  327. 373  Vuia, in: MüKoInsO, §  11 Rn.  71b; bei Rechtsnachfolge eines Kommanditisten, Kruth, NZI 2011, 844 (847 f.); a. A. Görg, in: FS Runkel, S.  320 ff., 327 f. 374  Görg, in: FS Runkel, S.  327 f.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

schaftsverbindlichkeit in zwei getrennten Insolvenzverfahren eine    – zumindest auf den ersten Blick    – wirtschaftlich identische Forderung anmelden und der Insolvenzverwalter des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens die durch die Gesellschaftsverbindlichkeit vermittelte Gesellschafterhaftung ebenfalls in dem Gesellschafterinsolvenzverfahren anzumelden hat. Während die Anmeldung zweier wirtschaftlich identischer Forderungen in zwei verschiedenen Insolvenzverfahren nach §  43 InsO zulässig ist, ist es umstritten, wie sich die durch den Gesellschaftsinsolvenzverwalter in dem Gesellschafterinsolvenzverfahren geltend zu machenden Haftungsforderungen zur Privatforderung des gesicherten Gläubigers verhalten. Problematisch ist dabei, dass insoweit zumindest augenscheinlich wirtschaftlich sich    – zumindest teilweise    – deckende Forderungen in demselben Insolvenzverfahren angemeldet werden sollen. Das modifizierte Haftungsmodell hat diesbezüglich zur Folge, dass Haftungs- und Sicherungsforderung sich jedenfalls nicht vollständig wirtschaftlich decken, weil die Gesellschafterhaftung lediglich in Höhe der Unterdeckung fällig wird, die Sicherungsforderung demgegenüber in voller Höhe besteht. Bei vergleichbarer Problematik ist diesbezüglich zwischen persönlichen und dinglichen Sicherheiten zu differenzieren.375 Ausgangspunkt ist stets die Frage, wie die gegebenenfalls wirtschaftlich mit der Gesellschafterhaftung (teilweise) identischen Sicherheiten im Rahmen des Gesellschafterinsolvenzverfahrens zu behandeln sind. So hat der Insolvenzverwalter des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens nach teilweise vertretener Auffassung im Rahmen von §  93 InsO die einzelnen Gesellschafterhaftungsforderungen zu dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters anzumelden.376 Gleichzeitig haben die gesicherten Gläubiger grundsätzlich die Möglichkeit, aus ihrer Sicherheit vorzugehen und können die diesbezügliche Forderung zu dem Verfahren in voller Höhe anmelden (§  43 InsO). Eine insoweit zu verhindernde Doppelberücksichtigung soll im Rahmen von Personalsicherheiten sodann aufgrund der sich aus dem systematischen Zusammenspiel der §§  43, 44 InsO ergebenden Wertung durch die entsprechende Anwendung des §  44 InsO verhindert werden,377 indem sich aus dieser Vorschrift ergebe, dass der Gesellschaftsinsolvenzverwalter gehindert sei, diese Forderung solange als Haftungsforderung geltend zu machen, wie der gesicherte Gläubiger seine Privatforderung im Rahmen von §  43 InsO verfolgt (Verbot der Doppelanmeldung wirtschaftlich identischer Forderungen im selben Insolvenzverfahren).378 Damit der gesicherte Gläubiger nicht doppelt 375 Vgl.

Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  31. Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  40; siehe dazu unten Kap.  3 §  9 A.II.2. 377  Bitter, in: MüKoInsO, §   44 Rn.  40, allgemein Rn.  1 ff., 33 ff.; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084); vgl. Ellrich, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 58. EL 10/2016, §  4 4 Rn.  22 ff., 24. 378  Vgl. RegE InsO BT-Drucks. 12/2443, Begr. zu §  51, S.  124; Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  14; Bitter, in: MüKo­ InsO, §  4 4 Rn.  1, 12 ff.; Ellrich, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 58. EL 10/2016, 376 

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eine quotale Befriedigung erhält, habe der Gesellschaftsinsolvenzverwalter nach diesem Verständnis sodann hinsichtlich der Haftungsforderungen eine Sondervermögensverbindung zu bilden, aus der der gesicherte Gläubiger keine quotale Befriedigung erlangen könne.379 An einer Anmeldung der Haftungsforderung des gesicherten Gläubigers an dem Gesellschafterinsolvenzverfahren sei der Insolvenzverwalter analog §  44 InsO gehindert.380 Hinsichtlich eines Regresses des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft sei der Gesellschafterinsolvenzverwalter ebenfalls zunächst aufgrund von §  44 InsO gehindert, diese als aufschiebend bedingte Forderung im Gesellschaftsinsolvenzverfahren anzumelden,381 rücke sodann aber entsprechend §  44 InsO in die Forderungsanmeldung des Gläubigers ein (vgl. etwa §  774 BGB).382 In Anbetracht der Tatsache, dass dingliche Sicherheiten zu    – für jeden Gesellschafter einzeln zu bestimmenden    – Absonderungsrechten sowie daraus resultierenden unterschiedlich hohen tabellenrelevanten Ausfallansprüchen führen können (§§  49 ff., 52 InsO), wäre hinsichtlich dieser für jeden einzelnen gesicherten Gläubiger eine Sondervermögensverbindung zu bilden, ohne dass die Regelung des §  44 InsO Anwendung finden würde.383 Eine analoge Anwendung des §  93 InsO komme diesbezüglich nicht in Betracht, weil die Regelungen zur abgesonderten Befriedigung wesensverschieden seien und eine Schlechterstellung der Gesellschafter gegenüber Realsicherheiten durch die Insolvenzschuldnerin nicht in Betracht komme.384 2. Die Gesellschafter-Exithaftung im Gemenge der vertretenen Lösungsmodelle: Unzulässigkeit der Vollanmeldung einer Haftungsforderung im Gesellschafterinsolvenzverfahren Das modifizierte Haftungsmodell deckt sich im Ergebnis mit der Herangehensweise derjenigen Vertreter, die im Falle paralleler Insolvenzen nicht von einer Vollanmeldung der Haftungsforderungen ausgehen, sondern dem Ausfallprinzip folgen.385 Danach könne der Insolvenzverwalter des Gesellschaftsinsolvenz­ §  4 4 Rn.  1; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 79. EL 3/2019, §  4 4 Rn.  2; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, §  4 4 Rn.  1; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084 f.); vgl. Häsemeyer, ZHR 149 (1985), 42 (73). 379  Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  13; Bitter, ZInsO 2002, 557 (560); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1085); vgl. ­Kesseler, ZInsO 2002, 549 (556). 380  Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  40. 381  Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  6 , §  42 Rn.  11, 34. 382  Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  6 , §  42 Rn.  21; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1087). 383  Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  15; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1085); vgl. Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 15. EL 4/2008, §  4 4 Rn.  6. 384  Bork, NZI 2002, 362 (365); Brinkmann, ZGR 32 (2003), 264 (279 f.); H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  28; Oepen, ZInsO 2002, 162 (169); Pelz, Die GbR in der Insolvenz, S.  86. 385  Vgl. zum Ausfallprinzip mit teilweise unterschiedlicher Verortung der Berücksichti-

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

verfahrens lediglich den Unterdeckungsbetrag im Insolvenzverfahren über das Gesellschaftervermögen geltend machen (sog. Paketlösung). Dabei unterscheiden sich die Ansätze sodann in der dogmatischen Herangehensweise. Während teilweise    – entsprechend zu dem hier vertretenen Haftungsmodell    – angenommen wird, dass bereits nur der Unterdeckungsbetrag zur Anmeldung gebracht werden könne,386 wird teilweise vertreten, dass der Gesellschaftsinsolvenzverwalter die Haftungsforderung in vollem Umfang anzumelden habe und der Charakter als Ausfallforderung im Verteilungsverfahren zum Tragen komme;387 das Ausfallprinzip gelte daher nur gegenüber der Gesellschaftergesamtheit, nicht hingegen gegenüber einzelnen Gesellschaftern. Hintergrund des Ausfallprinzips sei der Umstand, dass die Privatgläubiger des Gesellschafters anderenfalls unzulässig gegenüber den Gesellschaftsgläubigern benachteiligt würden, weil diesen bereits der Gesellschaftsanteil nicht zur Verfügung stehe. Angesichts dieses Fokus auf die Interessen der Gesellschaftergläubiger wird sodann überwiegend auf die Bildung von Sondervermögensverbindungen im Gesellschaftsinsolvenzverfahren verzichtet. Demgegenüber wird von den Vertretern, die im Unterschied zu §  212 KO388 grundsätzlich eine Vollanmeldung der Haftungsforderungen in dem Gesellschafterinsolvenzverfahren anerkennen,389 angenommen, dass das Ausfallprin­ gung des Ausfalls, Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  24 ff.; Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  85 Rn.  75 ff.; Hillmann, in: E/B/J/S, HGB, §  128 Rn.  75; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  22 ff., 26; Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  6; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  67; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar InsO, §  93 Rn.  53; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1087); K. Schmidt, ­GmbHR 2002, 1209 (1216); Wertenbruch, in: Handbuch Personengesellschaften, Stand: 77. EL 7/2020, Rn.  I-962. 386  Mit abweichender Herleitung, K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1087); K. Schmidt, ZHR 174 (2010), 163 (186 f.). 387  Butzer/Knof, in: MünchHdb. GesR I, §  85 Rn.  7 7 ff.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, §  93 Rn.  26 f.; H.-F. Müller, in: Jaeger, InsO, §  93 Rn.  68; Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 36. EL 6/2018, §  93 Rn.  7; J. Schmidt, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar InsO, §  93 Rn.  54. 388  Vgl. zum Prinzip der Ausfallhaftung unter §  212 KO, Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Kap.  17 III, S.  613 ff. 389  Vgl. zur Vollanmeldung, Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  13; Bitter, ZInsO 2002, 557 (561); Haas, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, §  128 Rn.  23; Haas/Mock, in: Gottwald/Haas, InsO-Hdb, §  94 Rn.  113; Habersack, in: Habersack/Schäfer, HGB, §  128 Rn.  80; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  31.25 ff.; Kesseler, DZWIR 2003, 488 (492 ff.); Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, Kap.  6 Rn.  523 ff.; U. Noack, in: Kübler/Prütting, InsO, Gesellschaftsrecht, Rn.  479; Oepen, Massefremde Masse, Rn.  210, 239; ders., ZInsO 2002, 162 (166 f.); Pohlmann, in: Hamburger Kommentar, InsO, §  93 Rn.  77; M. Roth, in: Baumbach/ Hopt, HGB, §  128 Rn.  47; Runkel/J. M. Schmidt, ZInsO 2007, 578 (580 f.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082 ff.); Seeger, in: Heidel/Schall, HGB, §  128 Rn.  66; Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, S.  131 ff.; Theißen, ZIP 1998, 1625; abweichend lediglich bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch, Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  74.

§  9 Gesellschafter-Exithaftung und Gesellschaftersicherheiten

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zip zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung gesicherter Gläubiger führe.390 Hintergrund sei der Umstand, dass gesicherte Gläubiger sowohl hinsichtlich der Haftungsforderung als auch hinsichtlich der Sicherungsforderung eine quotale Befriedigung erhielten und dies zu Lasten der nichtgesicherten Gesellschaftsgläubiger geschehe.391 Die doppelte Berücksichtigung wirtschaftlich identischer Forderungen im selben Insolvenzverfahren könne analog §  44 InsO verhindert werden, indem es dem Insolvenzverwalter untersagt wird, eine doppelte Anmeldung vorzunehmen.392 Teilweise wird es ihm lediglich versagt, aktiv Rechte in dem Gesellschafterinsolvenzverfahren auszuüben.393 Nach dem vermittelnden „Kombinationsmodell“ werden die beiden Ansätze verknüpft und unter Anerkennung des Ausfallprinzips die Bildung von Sondervermögensverbindungen gefordert, weil gesicherte Gläubiger am Gesellschaftervermögen nicht doppelt teilhaben dürften.394 Auf diese Weise würden sowohl die Interessen der übrigen Gesellschaftsgläubiger als auch die der Gesellschaftergläubiger berücksichtigt.395 Hervorzuheben ist, dass die unterschiedlichen Modelle im Rahmen paralleler Insolvenzen bei Personalsicherheiten eines Gesellschafters zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Während diese bei Annahme einer Vollanmeldung nicht ins Gewicht fallen, kommt einer Gesellschafterbürgschaft unter Berücksichtigung des Ausfallmodells eine unterschiedlich starke Bedeutung zu je nachdem, ob man den gesicherten Gesellschaftsgläubiger noch an der durch §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB zu bildenden Sondervermögensverbindung teilhaben lässt.396 Demgegenüber zwingt das modifizierte Haftungsmodell zu einer bloß auf den Unterdeckungsbetrag bezogenen Forderungsanmeldung der Gesellschafterhaftung in dem Gesellschafterinsolvenzverfahren, weil die dieser zugrundeliegenden materiell-rechtlichen Einzelforderungen im Rahmen der zentralisierten Haftungsverwirklichung vor dem Hintergrund des Regelungszwecks des §  128 HGB keine Selbstständigkeit erfahren. Zwar können auch bedingte Forderungen in einem Insolvenzverfahren angemeldet werden, sodass grundsätzlich eine Anmeldung der gesamten Gesellschafterhaftung denkbar erscheint, auch wenn diese lediglich in Höhe der Unterdeckung fällig wird. Allerdings kommt eine variierende Fälligkeit nur im regelmäßig geringfügigen 390  Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  13. 391  Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  13. 392  Siehe dazu oben Kap.  3 §  9 A.II.1; Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  R n.  40. 393  Blersch/v. Olshausen, in: Berliner Kommentar Insolvenzrecht, Stand: 32. EL 11/2008, §  93 Rn.  14. 394  Vgl. zum Kombinationsmodell, Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  24 ff., 28; vgl. Klinck, NZI 2004, 651 (654); v. Olshausen, ZIP 2003, 1321 (1324, 1328). 395  v. Olshausen, ZIP 2003, 1321 (1325 f.). 396  v. Olshausen, ZIP 2003, 1321 (1325 ff.).

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

Umfang der gegebenenfalls zu korrigierenden Unterdeckung in Betracht, sodass die Forderungen im Übrigen gar nicht als bedingt qualifiziert werden können. Ferner hat eine Vollanmeldung deswegen auszuscheiden, weil eine solche bereits vom Regelungszweck des §  128 HGB, dessen Haftung durch den Drittliquidator geltend zu machen ist, nicht erfasst ist. Zwar finden die Interessen der Gesellschafterprivatgläubiger im Rahmen von §  128 HGB keine unmittelbare Berücksichtigung, sondern nur diejenigen der Gesellschaftsgläubiger, dies aber nur soweit, wie es mit Blick auf eine verbandsspezifische Gefährdungslage angezeigt ist. Dementsprechend folgt das Ausfallprinzip bereits unmittelbar aus dem §  128 HGB geschuldeten Umfang der Gesellschafterhaftung als stichtagsbezogene Unterdeckungshaftung. Auf das Privatvermögen eines Gesellschafters gerichtete Privatforderungen und Gesellschafterhaftungsforderungen unterscheiden sich damit gerade in dem Punkt der Vollanmeldung bzw. der Unterdeckung. Dementsprechend scheidet auch eine Vollanmeldung bloß der Forderungen der übrigen Gläubiger    – unter Ausblendung der gesicherten Gläubiger    – aus. Auch dies liefe dem Haftungsverständnis des §  128 HGB zuwider, an den §  93 InsO anknüpft, weil die einzelnen Haftungsforderungen im Rahmen der Haftungsverwirklichung im Interesse der Gläubigergesamtheit vollstreckungsrechtlich unselbstständig sind. So ließe eine Vollanmeldung unberücksichtigt, dass auf die Gesellschaftervermögen lediglich in dem Umfang zuzugreifen ist, wie das Gesellschaftsvermögen zu Befriedigung der Einzelverbindlichkeiten nicht ausreicht. Auf dieses Gesellschaftsvermögen ist für alle Gesellschaftsgläubiger eine Quote zu berechnen. Demgegenüber ist für die Haftungsforderung der Gläubigergesamtheit bereits eine Sondervermögensverbindung zu bilden. Aus dem im Fremdinteresse in diese Sondervermögensverbindung gezogenen Betrag ist für diejenigen Haftungsgläubiger, die daran eine materielle Berechtigung haben, erneut eine Quote auszugeben. Vor dem Hintergrund, dass eine Vollanmeldung von Haftungsforderungen im Gesellschafterinsolvenzverfahren durch den Gesellschaftsinsolvenzverwalter unter Beachtung des modifizierten Haftungsmodells ausscheidet, ist die Untersuchung im Folgenden darauf zu beschränken, in welchem Umfang der Gesellschaftsinsolvenzverwalter vor dem Hintergrund der §§  43, 44 InsO befugt ist, den Unterdeckungsbetrag geltend zu machen. Mit Blick auf gesicherte Gesellschaftsforderungen kommt es in Betracht, dass der Unterdeckungsbetrag in voller Höhe geltend gemacht wird oder, dass der Unterdeckungsbetrag um die gesicherte Verbindlichkeit zu reduzieren ist. 3. Bestimmung der Unterdeckung vor dem Hintergrund der §§  43, 44 InsO Fraglich bleibt daher im Rahmen der Unterdeckungshaftung lediglich die Bedeutung der §§  43, 44 InsO. Allenfalls aus diesen könnte sich eine abweichende Beurteilung der Gesellschafterhaftung während des eröffneten Insolvenzverfahrens ergeben. Diese könnten es gebieten, Sondervermögensverbindungen zu

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Lasten der gesicherten Gläubiger zu bilden, damit diese keine doppelte quotale Befriedigung erhalten.397 a) Keine bloß relative Unterdeckungsberechnung Die Geltendmachung des vollen Unterdeckungsbetrages erscheint unproblematisch, wenn das Gesellschaftsvermögen die gesicherte Forderung übersteigt, weil sich dann bezogen auf das Gesellschaftervermögen die besicherte Gesellschaftsverbindlichkeit nicht einmal teilweise noch in der durch den Gesellschaftsinsolvenzverwalter geltend gemachten Gesellschafterhaftungsforderung wirtschaftlich identisch mit der Sicherungsforderung niederschlägt. Vielmehr wird das Gesellschaftervermögen auf der einen Seite mit dem Unterdeckungsbetrag belastet, auf der anderen Seite mit der strikt davon zu unterscheidenden Sicherheitsforderung. Problematischer könnte es vor dem Hintergrund der Wertung des §  44 InsO sein, wenn die gesicherte Forderung das Gesellschaftsvermögen übersteigt, weil sich diese dann zumindest wirtschaftlich identifizierbar in der Haftungsforderung (teilweise) niederschlägt. Insoweit könnte man davon auszugehen, dass die Haftungsforderung in der Höhe, wie sie das Gesellschaftsvermögen übersteigt, entsprechend §  44 InsO nicht durch den Gesellschaftsinsolvenzverwalter angemeldet werden darf. In dieser Situation könnte §  44 InsO Auswirkungen auf die Berechnung der Unterdeckung haben. Zwar handelt es sich auch in dieser Konstellation um zwei verschiedene Insolvenzverfahren, die Anmeldung einer Bürgschaftsforderung im Gesellschafterinsolvenzverfahren könnte aber zur Folge haben, dass der Gesellschaftsinsolvenzverwalter die Hauptforderung des gesicherten Gläubigers im Rahmen der Haftungsverwirklichung nach §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB nicht berücksichtigen darf. Dies hätte zur Folge, dass die zu realisierende Unterdeckung um diese Gesellschaftsverbindlichkeit reduziert würde, was allerdings nicht bedingen würde, dass gegenüber allen Gesellschaftern ein reduzierter Unterdeckungsbetrag geltend zu machen wäre. Dies wiederum hätte zur Konsequenz, dass das Gesellschaftervermögen des Bürgen wirtschaftlich gesehen nur einmal für die gesicherte Verbindlichkeit beansprucht würde, ohne dass es für die eingezogenen Haftungsforderungen gegenüber dem sichernden Gesellschafter der Bildung einer Sondervermögensverbindung bedürfte. Mit dieser Vorgehensweise könnte der gesicherte Gläubiger seine Forderung nach §  43 InsO in beiden Verfahren anmelden, sodass die Gesellschaftsverbindlichkeit sowohl bezogen auf das Gesellschafts- als auch auf das Gesellschaftervermögen    – entsprechend des Regelungszwecks des §  43 InsO398    – bis zur vollen Befriedigung Berücksichtigung findet. Lediglich im Rahmen der Unterdeckungsberechnung wäre die Haftungsforderung gegenüber der eigent397 

So letztlich, Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  28. Bitter, in: MüKoInsO, §  43 Rn.  1 f.

398 Vgl.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

lichen Unterdeckung in Abzug zu bringen, damit es in dem Gesellschafterinsolvenzverfahren    – entsprechend dem Rechtsgedanken des §  44 InsO    – nicht zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung im selben Verfahren kommt. Pro­ blematisch könnte sein, dass diese Unterdeckungsberechnung stets nur eine relative sein kann, weil sich der Haftungsbetrag gegenüber den nichtsichernden Gesellschaftern nicht reduzieren kann. Indes wird eine Betrachtung    – welche die gesicherte Verbindlichkeit bzw. die Sicherungsforderung im Rahmen der auf das Gesellschafterprivatvermögen gerichteten Haftungsverwirklichung (in einem fremden Insolvenzverfahren) in ein Verhältnis zum Gesellschaftsvermögen setzt    – nicht der Vermögenszuordnung während des Gesellschafts- bzw. des Gesellschafterinsolvenzverfahrens gerecht. So sind in den jeweiligen Insolvenzverfahren lediglich das Gesellschaftsvermögen oder das Gesellschaftervermögen von dem Insolvenzbeschlag erfasst.399 Die Unterdeckungsberechnung erfolgt daher anhand eines Vergleichs der Gesellschaftsverbindlichkeiten mit dem insolvenzbeschlagenen Gesellschaftsvermögen. Gesellschaftersicherungen sind demgegenüber auf das Gesellschafterprivatvermögen bezogen, welches nicht dem Insolvenzbeschlag des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens unterliegt und damit nicht in die Beurteilung der Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens miteinfließen kann. Demzufolge ist im Rahmen des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens zunächst bezogen auf das Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gesellschaftsgläubiger eine Quote auszugeben. Sodann ist hinsichtlich der Berechnung der Haftungsforderungen gemäß §  128 HGB die Unterdeckung der Gesellschaftsverbindlichkeiten zugrunde zu legen und für die insoweit eingezogenen Beträge eine Sondervermögensverbindung zu bilden, aus der nur die materiell berechtigten Haftungsgläubiger zu befriedigen sind. Reicht die Sondervermögensverbindung nicht aus, ist anhand dieser wiederum eine Quote zu bilden. b) Keine notwendige Ergebniskorrektur anhand von §  4 4 InsO Vor dem Hintergrund des §  44 InsO ist damit unter Beachtung der Vermögens­ trennung lediglich fraglich, in welchem Umfang der Gesellschaftsinsolvenz­ verwalter den grundsätzlich einheitlichen Unterdeckungsbetrag geltend machen kann. Entweder ist dieser voll anzumelden oder gegenüber allen Haftungsschuldnern reduziert um den Umfang, den der Bürgschaftsgläubiger im gleichen Verfahren geltend macht. Gestattet man dem Gesellschaftsinsolvenzverwalter, den Unterdeckungsbetrag vollständig anzumelden, lässt sich die Bildung von weiteren Sondervermögensverbindungen vermeiden.400 Wird die Haftungsforderung hingegen gegenüber dem sichernden Gesellschafter lediglich in Höhe des Ausfallbetrages der nicht gesicherten Gläubiger geltend ge399 

Siehe dazu oben Kap.  1 §  2 A.II.3.b)aa). Klinck, NZI 2004, 651 (654 f.).

400 Vgl.

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macht,401 so wäre es angezeigt, bezüglich dieses Betrags eine Sondervermögensverbindung zu bilden, aus der lediglich die übrigen Gesellschaftsgläubiger eine Quote ausgekehrt bekommen dürfen. Einen übermäßigen Aufwand würde dies nicht bedeuten, weil solche vor dem Hintergrund des §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB ohnehin gebildet werden und weiterhin die Haftungsforderungen nicht zur Masse gezogen werden, sondern im Fremdinteresse für die Gläubiger der Unterdeckungshaftungsforderung beigetrieben werden. Sind darüber hinaus ausgeschiedene Gesellschafter vorhanden, müssen zusätzliche Sondervermögensverbindungen gebildet werden. Während die Vermögenstrennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern es grundsätzlich nahelegt, dass der volle Unterdeckungsbetrag zugunsten der Gläubigergesamtheit geltend zu machen ist, entscheiden Sinn und Zweck des §  44 InsO darüber, welche Vorgehensweise angezeigt ist. Entscheidend ist dabei, welche Anforderungen an eine Doppelberücksichtigung im selben Verfahren zu stellen sind. aa) Regelungszweck des §  4 4 InsO erfordert wirtschaftliche Identität §  44 InsO will in seinem originären Anwendungsbereich verhindern, dass sowohl der Gläubiger als auch der Rückgriffsberechtigte    – der gegenüber dem Insolvenzschuldner deswegen einen aufschiebend bedingten Regressanspruch hat, weil er sich für dessen Verbindlichkeit verbürgt hat    – ihre Forderung in demselben Verfahren anmelden und eine wirtschaftlich identische Forderung doppelt berücksichtigt wird.402 Dadurch, dass der nach §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB zu realisierende Haftungsanspruch dem Regressanspruch des Bürgen gleichkomme, sei dieser Anspruch nach dem Rechtsgedanken des §  44 InsO nicht neben der Forderung des Gläubigers in der Insolvenz des Schuldners zuzulassen, weil die Forderungen jedenfalls wirtschaftlich identisch seien.403 Teilweise wird diesbezüglich angenommen, dass der Anmeldung der Bürgschaftsforderung vor dem Hintergrund des §  44 InsO gegenüber der Haftungsforderung eine Vorrangwirkung zukomme, weil sich die materielle Wirkung des §  774 Abs.  1 Satz  2 BGB durchsetze.404 Dem wird entgegnet, dass die Haftungsforderung gleich­ rangig der Bürgschaftsforderung gegenüber stehe, sodass es zu einem Wettlauf um die Anmeldung zum Gesellschafterinsolvenzverfahren komme.405

401 Vgl.

Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  24 ff., 28. Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  1; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 79. EL 3/2019, §  4 4 Rn.  2. 403  Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  40; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 57. EL 2/2014, §  93 Rn.  68; G. Pape/Schaltke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: 60. EL 9/2014, §  174 Rn.  68. 404  K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084). 405  Klinck, NZI 2004, 651 (654 f.). 402 

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

bb) Konsequenzen bei Annahme einer Ausschlusswirkung der Anmeldung einer Parallelsicherheit im Gesellschafterinsolvenzverfahren Dementsprechend ist es angezeigt, lediglich auf eine wirtschaftliche, nicht aber auf eine rechtliche Identität abzustellen. Dadurch, dass sowohl hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens als auch hinsichtlich der Haftungsforderungen eine Quote auszugeben ist, liegt es nahe anzunehmen, dass sich die Haftungsforderung    – jedenfalls teilweise    – wirtschaftlich in dem vom Gesellschaftsinsolvenzverwalter geltend zu machenden Unterdeckungsbetrag niederschlägt, weil sich in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft zeigt, dass dieses nicht vollständig ausreicht, die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu befriedigen. Nach dem modifizierten Haftungsmodell werden aber noch nicht einmal vergleichbare Einzelforderungen geltend gemacht. Daher ist es höchst fraglich, ob eine hinreichende wirtschaftliche Identität gegeben ist, die einer Geltendmachung des vollen Unterdeckungsbetrages bei angemeldeter Bürgschaftsforderung entgegensteht. Folge einer derartigen Ausschlusswirkung wäre, dass der Gesellschaftsgläubiger aus dem Gesellschaftervermögen lediglich nicht eine zweifache Quote erlangen könnte. Im Übrigen partizipiert er an der aus dem Gesellschaftsvermögen errechneten Quote, er wäre lediglich aus der Sondervermögensverbindung der Gesellschafterhaftung ausgeschlossen. Dieses wirtschaftliche Ziel kann er sodann aber aus seiner Bürgschaftsquote erhalten. Problematisch könnte es dabei sein, wenn die Quote aus der Bürgschaftsforderung hinter derjenigen zurückbliebe, die aufgrund der Haftungsforderung realisiert wird. Eine solche Gefahr besteht indes nicht, weil mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters die darauf bezogenen Forderungen nicht mehr dem Prioritätsprinzip unterliegen, sondern dem Regime der Gläubigergleichbehandlung unterworfen sind. Im Rahmen der Bildung von Sondervermögensverbindungen wäre zu berücksichtigen, wenn der Bürgschafts­ gläubiger weitere ungesicherte Forderungen gegenüber der Gesellschaft hat. In dieser Konstellation müsste der Gesellschaftsinsolvenzverwalter eine Haftungs­ forderung zugunsten der Gläubigergesamtheit geltend machen und eine weitere, die auf die nicht gesicherten Gläubiger beschränkt ist. Ein denkbares Pro­ zedere wäre es, dass der Gesellschaftsinsolvenzverwalter den Ausfallbetrag in voller Höhe anmeldete und dem Gesellschafterinsolvenzverwalter sodann ein Widerspruchsrecht in Höhe der gegebenenfalls gleichfalls angemeldeten Bürgschaftsforderung zustehen würde.406 Problematisch ist daran allerdings, dass die Gesellschafterhaftung grundsätzlich in keinem Nachrangverhältnis zur Bürgschaftsforderung steht. Eine dem Windhundprinzip unterliegende Konkurrenzanmeldung würde demgegenüber dem Ziel des Insolvenzverfahrens zuwiderlaufen, die Gläubiger grundsätzlich gleich zu behandeln. Würde man hingegen dem gesicherten Gläubiger eine doppelte Quote zusprechen, würde dies 406 

Thonfeld, in: K. Schmidt, InsO, §  4 4 Rn.  12.

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dazu führen, dass sowohl die Privatgläubiger des Gesellschafters als auch die übrigen Gesellschaftsgläubiger eine verringerte Quote erhielten und somit benachteiligt würden. Fraglich ist, ob dies der privatautonomen Regelbarkeit durch den sichernden Gesellschafter zugänglich ist. cc) Keine verfahrensrelevante Doppelanmeldung bei konsequenter Beachtung der Vermögenstrennung sowie der privatautonomen Haftungsunterwerfung Die Herausrechnung der Haftungsforderung des gesicherten Gläubigers aus dem Unterdeckungsbetrag würde zu einer Quotengleichheit von gesicherten und nicht gesicherten Gesellschaftsgläubigern führen.407 Die Sicherung liefe damit effektiv leer, sodass §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB letztlich doch Relevanz für die Bürgschaftsforderung zukäme. Persönliche schuldrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschafter wären für den Gläubiger nahezu nutzlos, sodass die Sicherungsnehmer im praktischen Anwendungsfall der Gesellschafterbürgschaft letztlich so stünden, wie im Rahmen der gesetzlich angeordneten Gesellschafterhaftung.408 Eine derartige Entwertung persönlicher Sicherheiten kommt den Regelungszwecken von §  93 InsO und §  128 HGB gerade nicht zu. Die Anerkennung privatautonomer Gestaltungshoheit über das eigene Vermögen ist vielmehr Ausdruck der Vermögenstrennung. Angesichts der Wesensverschiedenheit der Haftungsforderung mit der Bürgschaftsforderung kann ferner von einer wirtschaftlichen Identität nicht ausgegangen werden. Letztlich entspricht es dem rechtsgeschäftlich vereinbarten Sicherungszweck, dass privatautonom durch das Gesellschaftervermögen für die Gesellschaftsverbindlichkeit gesicherte Gläubiger sowohl gegenüber den übrigen Gesellschaftsgläubigern als auch gegenüber den Gesellschafterprivatgläubigern eine Besserstellung erfahren können. Nimmt man die Vermögenstrennung zur Grundlage, ist es konsequent, wenn derjenige Gläubiger, der sowohl Haftungs- als auch Privatgläubiger ist, im Rahmen der Gesellschafterhaftung mit den übrigen Gesellschaftsgläubigern gleichbehandelt wird    – dies spricht gegen die Bildung von Sondervermögensverbindungen    – und darüber hinaus ausgehend von der privatautonomen Sicherungsvereinbarung eine Besserstellung gegenüber den Privatgläubigern erfährt, weil der Gesellschafter insoweit über sein Privatvermögen disponiert hat. Die Besserstellung gesicherter Gläubiger ist anhand der jeweils betroffen Verbindlichkeit unter Berücksichtigung deren Rechtsgrundes zu beurteilen. So erreicht der gesicherte Gläubiger seine quotale Befriedigung eben sowohl aus der Gesellschafterhaftung für eine Gesellschaftsverbindlichkeit als auch ergänzt durch eine rechtsgeschäftlich erteilte Sicherheit aus dem Privatvermögen.

407  Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, Kap.   6 Rn.  523 ff. 408  BGH, Uv. 4.7.2002    – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245–252 = juris-Rn.  11 ff.

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Kapitel  3: Die Anwendung der Gesellschafter-Exithaftung

4. Zwischenergebnis §  44 InsO ist daher insbesondere nicht in analoger Anwendung geeignet, eine abweichende Beurteilung der Unterdeckungshaftung der Gesellschafter im Falle von Gesellschaftersicherheiten bei parallelen Insolvenzen zu rechtfertigen. Macht der Insolvenzverwalter den Unterdeckungsbetrag geltend, handelt es sich dabei um eine eigenständige Anspruchsposition, in der noch nicht einmal wirtschaftlich die gesicherte Forderung zum Tragen kommt. Die einzelne Gesellschaftsverbindlichkeit ist im Rahmen des Unterdeckungsanspruchs vielmehr ohne jegliche (wirtschaftliche) Selbstständigkeit. Weder §  93 InsO i. V. m. §  128 HGB noch §  44 InsO sind damit geeignet, zu einer Nichtberücksichtigung der Forderung zu führen. Dementsprechend kann auch ein Verständnis, welches stets bloß an den Ausfallbetrag der nicht gesicherten Gläubiger anknüpft, nicht überzeugen.409 Eine Reduzierung der angemeldeten Bürgschaftsforderung liefe demgegenüber dem Rechtsgedanken des §  43 InsO zuwider.410 Unter dem modifizierten Haftungsmodell steht daher fest, dass der Gesellschafts­ insolvenzverwalter mit der Unterdeckungshaftung nicht eine mit der Bürgschaftsforderung rechtlich oder wirtschaftlich identische Forderung geltend macht. Sie ist weder der Höhe noch dem Inhalt nach mit der Bürgschaftsforderung vergleichbar. Daran anknüpfend ist der Gesellschaftsinsolvenzverwalter befugt, den Unterdeckungsbetrag in voller Höhe geltend zu machen. Beschränkt man die Inanspruchnahme der Gesellschafter in Anbetracht der Haftungsforderung per se auf den vollen Unterdeckungsbetrag, kommt auch nicht eine unterschiedlich starke Belastung der aus den Haftungsforderungen gebildeten Sondervermögensverbindung bzw. der Insolvenzmasse des Gesellschafterinsolvenzverfahrens in Betracht    – je nachdem, welche Vermögensverbindung primär in Anspruch genommen wird.411

B. Beurteilung von Parallelsicherheiten im Rahmen masseloser Liquidation Bei Zugrundelegung dieses Verständnisses ist im Falle masseloser Liquidation kein abweichendes Vorgehen angezeigt. Zwar bleibt der haftungsrelevante Unterdeckungsbetrag angesichts des prioritären Zugriffs auf das Gesellschaftsvermögen bis zu dessen quantitativer Aufzehrung variabel, im Übrigen ist die Gesellschafterhaftung aber genauso wie im Falle der Doppelinsolvenz in voller Höhe gegen das Vermögen des Gesellschafters geltend zu machen, auch wenn über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet ist. 409 Vgl.

Gehrlein, in: MüKoInsO, §  93 Rn.  24 ff., 28. v. Olshausen, ZIP 2003, 1321. 411  Siehe aber zur unterschiedlich starken Belastung der Insolvenzmasse im Rahmen des sog. „Vollanmeldungsmodells“, je nachdem, welche Forderung realisiert wird, Bitter, in: MüKoInsO, §  4 4 Rn.  6 , §  42 Rn.  22. 410 Vgl.

Schluss Bei der hier entwickelten Gesellschafter-Exithaftung handelt es sich um ein geschlossenes Modell. Dieses ist eigenständig der von der herrschenden Meinung angenommenen, notwendig primären Einstandspflicht der Gesellschafter gegenüberzustellen, wie sie der Novellierung des Personengesellschaftsrechts im Rahmen des MoPeG zugrunde gelegt wird. Aktuelle sowie künftige Haftungsregime für Personenverbände sowie deren dogmatische Weiterentwicklungen müssen sich mit Blick auf ihre rechtliche Legitimation anhand dieses Modellentwurfs beurteilen lassen.

§  10 Ergebnisse Die Untersuchung führt zu folgenden thesenartig zusammengefassten Ergebnissen: 1. Die Ausführungen im Regierungsentwurf zum MoPeG    – insoweit identisch bereits im Mauracher Entwurf    – über die Ausgestaltung der persönlichen Gesellschafterhaftung, wie sie in §  721 BGB-E und §  126 HGB-E vorgesehen ist, beruhen auf der ausdrücklichen Annahme, dass es im Recht der Personenverbände an einer Kapitalsicherung fehle. Die Haftung sei deswegen eine gesamtschuldnerische und der in Anspruch genommene Gesellschafter könne den Gesellschaftsgläubiger nicht zunächst auf das Gesellschaftsvermögen verweisen. Mit der dogmatisch weiterentwickelten Rechtsnatur der Personenaußengesellschaften sind aber    – im Verhältnis der Gesellschafter zu den einzelnen Gesellschaftern    – eine ganz erhebliche Vermögenstrennung sowie eine weitreichende Kapitalbindung verbunden. Vor diesem Hintergrund ist die im Entwurf getroffene Annahme über die Kapitalsicherung mit Blick auf die zu schützenden Gläubigerinteressen sowie die Ausgestaltung der persönlichen Gesellschafterhaftung einer differenzierten Würdigung zu unterziehen. 2. Personenaußengesellschaften wie die oHG sind als Personenverband unbedingt rechtsfähige Subjekte, welche vermittelt durch ihr Organverhalten schuldrechtlich berechtigt oder verpflichtet werden. Angesichts der zu leistenden Beiträge der Mitglieder verfügen die Personenverbände in qualitativer Hinsicht stets über ein dem Haftungszugriff fähiges Gesellschaftsvermögen, ohne dass es dabei auf den quantitativen Umfang ankommt. Über dieses Gesellschaftsver-

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Schluss

mögen kann ein eigenständiges Insolvenzverfahren eröffnet werden. Strukturelle Eigenheiten zwischen Personenverbänden und Körperschaften bestehen nur noch vor dem Hintergrund der Sozietätskonstruktion, wie sie in der schuldund organisationsrechtlichen Verbindung mindestens zweier Mitglieder sowie der gesetzlichen Regelung der Anwachsung zum Ausdruck kommt. Der Unterschied zu verbandsrechtlichen juristischen Personen zeigt sich insoweit in dem für diese maßgeblichen staatlichen Anerkennungsakt über den Status als juristische Person; sonstige Organisationsunterschiede sind lediglich Ausdruck eines rechtsformspezifisch-normativen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. 3. Jedem Rechtssubjekt steht notwendig ein diesem zugeordnetes Vermögen zur Verfügung, welches im Rahmen einer schuldrechtlichen Verbindlichkeit funktional    – die Zuständigkeit der Rechte noch nicht betreffend    – dem Haftungszugriff des Gläubigers bzw. der Gläubigermehrheit zugewiesen wird. In der Position als Schuldner eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne kann stets nur ein Rechtssubjekt verpflichtet werden; Personenmehrheiten kommen insoweit nur in Betracht, wenn diese ihrerseits durch die Vereinbarung eines gemeinsamen Verbandszwecks zu einem eigenständigen Rechtssubjekt konstituiert sind. Jedes Rechtssubjekt haftet im Rahmen von schuldrechtlichen Verbindlichkeiten, durch die ein Schuldverhältnis begründet wird, mit dem ihm zugewiesenen, haftungsunterworfenen Vermögen grundsätzlich unbeschränkt; sowohl die höhenmäßige Beschränkung sowie die Ausweitung auf eine zusätzliche Vermögensverbindung bedürfen der rechtlichen Legitimation kraft privatautonomer Vereinbarung oder gesetzlicher Anordnung, die ihrerseits eine rechtlichen Legitimation erfordert. 4. Mit der Konstituierung als Personenverband sind die Gesellschafter nur noch über die rechtsformunabhängige, gleichartig strukturierte Mitgliedschaft mit der Gesellschaft verbunden. Daher ist die Trennung der Vermögensverbindungen der Gesellschaft sowie der Gesellschafter bis zur Vollbeendigung des Personenverbandes eine strikte. Sowohl Einflussnahme als auch vermögensrechtliche Teilhabe der Gesellschafter beschränken sich auf die verbandsrecht­ liche Willensbildung, die im Kapitalanteil zum Ausdruck kommende mitgliedschaftliche Wertbeteiligung sowie die damit verbundenen Wertrechte und realisierbaren Ansprüche. 5. Die rechtssubjektbezogene Vermögenstrennung setzt sich in der Insolvenz fort, indem vorbehaltlich einer Freigabe über das gesamte Schuldnervermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird; es gilt der Grundsatz: „ein Rechtssubjekt    – ein Vermögen    – ein Insolvenzverfahren“. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Personenverbandes ist als ein, durch einen im Fremdinteresse der Gläubigergesamtheit agierenden Drittliquidator geführtes, besonderes Liquidationsverfahren zu qualifizieren, welches nach dem gesetzlichen Leitbild vorbehaltlich einer Freigabe auf die Vollbeendigung der Gesellschaft gerichtet ist.

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6. Mit Abschluss der (besonderen) Liquidation realisiert sich unter Aufhebung der Vermögenstrennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern der Vermögenswert einer Gesellschaftsbeteiligung; spiegelbildlich sind die Gesellschafter nach dem Leitbild des §  735 BGB zu Nachschüssen in das Gesellschaftsvermögen verpflichtet, damit die Gesellschaft durch die Begleichung ihrer Verbindlichkeiten vollbeendigt werden kann. Im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahren ist §  110 HGB hinsichtlich solcher Aufwendungen teleologisch zu reduzieren, die auf eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter geleistet werden. 7. Die liquidationsrechtlichen Nachschussansprüche der Gesellschaft gemäß §  735 BGB sind anders als die Haftungsforderungen aus §  128 HGB Teil des Gesellschaftsvermögens und dementsprechend Massebestandteil. Daraus folgt, dass Nachschussansprüche in die Prognose über die „Kostenmasse“-Deckung einzubeziehen sind und im Hinblick auf die Kosten des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter zur Masse geltend gemacht werden können, wenn die Gesellschafter diese nicht abbedungen haben. Masseverbindlichkeiten, wie etwa Sanierungskosten, können demgegenüber nicht durch die Nachschussansprüche finanziert werden. Insoweit ist §  735 BGB in Anbetracht des Grundsatzes „keine Haftung ohne Herrschaft“ teleologisch zu reduzieren. Folge ist, dass hinsichtlich geltend gemachter Nachschussansprüche eine Sondermasse zu bilden ist, aus der Insolvenzforderungen sowie Verfahrenskosten beglichen werden können. 8. §  93 InsO setzt die Trennung der Vermögensverbindungen von Gesellschaft und Gesellschaftern im Personenverband voraus, indem die Haftungsforderungen nach §  128 HGB nicht zur Insolvenzmasse gezogen werden, der Insolvenzverwalter vielmehr im Fremdinteresse die den Gesellschaftsgläubigern materiell-rechtlich zugewiesenen Forderungen zentralisiert einzuziehen und für diese rechnerisch eine Sondervermögensverbindung zu bilden hat. 9. Die aus der Rechtssubjektivität von Personenverbänden folgende strikte Vermögentrennung ist insoweit im Rahmen von §  128 HGB zu berücksichtigen, als diese Vorschrift für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft die zusätzlichen Vermögenverbindungen der Gesellschafter einer Haftung unterwirft. Angesichts des Umstandes, dass die Gesellschafter mit der Konstituierung als Personenverband privatautonom zum Ausdruck gebracht haben, dass sie gerade nicht unmittelbar und primär mit ihrem Privatvermögen einstehen wollen, sondern vorrangig die Gesellschaft sowie deren Vermögen verpflichtet wissen möchten, kommt eine derartige Einstandspflicht grundsätzlich nur kraft gesetzlicher Anordnung in Betracht. Die durch §  128 HGB angeordnete materielle Außenhaftung einer schuldnerfremden Vermögensverbindung führt reflexhaft zur Begründung eines atypischen gesetzlichen Schuldverhältnisses und ist ein sich ständig aktualisierender, an die Mitgliedschaft anknüpfender Haftungs-Ist­ zustand. Dieser bedarf der rechtlichen Legitimation, welche ausgehend von der

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Schluss

dogmatischen Weiterentwicklung der Rechtsnatur von Personenaußengesellschaften unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des §  128 HGB zu bestimmen ist. 10. Inhalt und Reichweite des §  128 HGB richten sich danach, inwieweit schützenswerte Gläubigerinteressen betroffen sind. Maßgeblich sind die Risiken, denen die Gesellschaftsgläubiger dadurch ausgesetzt sind, dass sie anstatt mit einer natürlichen Person mit einem Personenverband in einem Schuldverhältnis stehen. Die verbandsrechtliche Vermögenstrennung sowie die bloß mitgliedschaftliche Beteiligung der Gesellschafter an einem auf einem Sozietätsfundament fußenden Personenverband haben zur Konsequenz, dass Gläubi­ger­ interessen nicht zugunsten der Eigeninteressen einzelner Gesellschafter beeinträchtigt werden können; erst im Rahmen gemeinschaftlicher    – letztlich den Verbandszweck modifizierender    – Vereinbarung der Gesellschafter kann die Vermögenstrennung durchbrochen werden, wodurch der Personenverband von innen „ausgehöhlt“ wird und droht, als Schuldner wegzufallen. Es ist diese verbandsspezifische Gefährdungslage, welche es rechtfertigt, den Zugriff auf die zusätzlichen Vermögensverbindungen der Gesellschafter gesetzlich anzuordnen. Nur insoweit gewährleistet die verbandsrechtliche Vermögenstrennung keinen hinreichenden Gläubiger- sowie Liquidationsschutz. 11. Das verbandsspezifische Risiko der Gesellschaftsgläubiger realisiert sich erst mit dem drohenden Wegfall des Personenverbandes als Schuldner, wie es im Rahmen der Liquidation der Gesellschaft    – insbesondere bei deren Insolvenz    – zum Tragen kommt. Mit drohendem Wegfall als Schuldner sind es aber nicht mehr die einzelnen Gläubiger, deren Interessen zu wahren sind. Vielmehr dient §  128 HGB stets dem Interesse der Gläubigergesamtheit. 12. Demgegenüber folgt aus der Rechtssubjektivität von Personenverbänden kein berechtigtes Erfüllungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Gesellschaftern. Die auf diese Weise konkretisierte Einstandspflicht der Gesellschafter gegenüber der Gläubigergesamtheit führt vielmehr dazu, dass die Gesellschafterhaftung stets auf Zahlung gerichtet ist; mit der privatautonomen Unterwerfung der Gesellschafter unter die Verbandsherrschaft sowie unter die Regelung des §  128 HGB geben die Gesellschafter lediglich eine liquidationsgerichtete Vollwertigkeitsgarantie über das sich aus Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen ergebende Gesamthaftungsvolumen. Zusätzliche Informa­ tionsbeschaffungskosten über die konkrete Vermögenszusammensetzung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sind kaum zu befürchten und nicht geeignet, ein verbandspezifisches Erfüllungsinteresse zu legitimieren. 13. Bei Aufrechterhaltung des Charakters der Einstandspflicht gemäß §  128 HGB als materielle Außenhaftung führt die liquidationsbezogene Haftungsverwirklichung dazu, dass die Gesellschafterhaftung stets zentralisiert durch einen besonderen im Fremdinteresse agierenden Drittliquidator zu realisieren ist. Insoweit entfaltet §  128 HGB eine gesellschaftsrechtsimmanente haftungs-

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rechtliche Sperrwirkung gegenüber der individuellen sowie primären Geltendmachung durch die Haftungsgläubiger, ohne dass es diesbezüglich eines Rückgriffs auf §  93 InsO bedürfte. 14. Eine primäre Einstandspflicht der Gesellschafter ist vom Regelungszweck des §  128 HGB nicht erfasst. Infolgedessen, dass die Gesellschafter bloß mittelbar Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können, ist auch ihre Einstandspflicht in Anbetracht des Bedingungszusammenhangs von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung eine verzögerte, weil sie erst mit der liquidationsrecht­ lichen Aufhebung der Vermögenstrennung unmittelbar an dem sodann erst vollständig zu realisierenden Vermögenswert des Gesellschaftsanteils teilhaben. Die bloß mittelbare „Herrschaft“ ist insoweit mit mittelbarer „Haftung“ verbunden. 15. Den Regelungsanliegen des §  128 HGB    – Gläubigerschutz zu gewährleisten, die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zu sichern sowie verhaltenssteuernd opportunistischen Verhaltensweisen der Gesellschafter entgegenzuwirken     – wird bereits durch eine liquidationsbezogene Einstandspflicht der Gesellschafter hinreichend Rechnung getragen. 16. Die in das Liquidationsstadium der Gesellschaft verlagerte Einstandspflicht der Gesellschafter führt zu einer Steigerung der Attraktivität der Personenverbände als Gesellschaftsformen, weil sie ein Vermögenspooling der Gesellschafter ermöglicht, wobei die Haftung den partiellen Selbstbestimmungsverlust der mitgliedschaftlichen Verbundenheit spiegelt. Damit verbunden ist ein Anreiz, die Gesellschaft durch die Vereinbarung von Nachschüssen im werbenden Stadium zu erhalten, um einer persönlichen Inanspruchnahme zu entgehen. 17. Während die Gesellschafterhaftung ein sich ständig aktualisierender Haftungs-Istzustand ist, wird diese erst stichtagsbezogen auf den Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung des Insolvenzgerichts bzw. der Ablehnung einer Verfahrenseröffnung mangels Masse im Fremdinteresse zu Händen des besonderen Drittliquidators fällig, dies jedoch entsprechend den berechtigten Interessen der Gläubigergesamtheit lediglich in Höhe des Unterdeckungsbetrages des Gesellschaftsvermögens gegenüber den Gesellschaftsverbindlichkeiten, wobei gesellschaftsrechtliche Nachschussansprüche in die Berechnung des Gesellschaftsvermögens miteinfließen. 18. Eine Haftung der Gesellschafter nach §  128 HGB kommt nur in dem Maße in Betracht, wie diese vermittelt durch die verbandsrechtliche Willensbildung im Eigeninteresse eigennützigen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können, sodass eine Einstandspflicht für Masse- und Neuverbindlichkeiten unter der Herrschaft eines Drittliquidators ausscheidet. Mit dieser teleologischen Beschränkung der Einstandspflicht ist eine hinreichend präzise Zäsur für die Bestimmung des Haftungskontokorrents verbunden. Korrespondierend mit der stichtagsbezogenen Haftungsfälligkeit sowie der darauf bezogenen Einschränkung der Ge-

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sellschafter haften der Insolvenzverwalter bzw. die eigenverwaltenden Geschäftsleiter im eröffneten Insolvenzverfahren nach §§  60, 61 InsO (i. V. m. §  276a Abs.  2 Satz  2, Abs.  3 InsO) für liquidationsbezogene Pflichtverletzungen gegenüber den Gesellschaftsgläubigern sowie den Gesellschaftern. 19. Nach dem modifizierten Haftungsmodell der Gesellschafter-Exithaftung kommt weder bei Liquidität der Gesellschaft noch während deren Zahlungs­ unfähigkeit eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter durch die Gesellschaftsgläubiger in Betracht. Die Aktionslast der Haftungsgläubiger beschränkt sich dementsprechend auf die Anmeldung der Gesellschaftsverbindlichkeit zu dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft. Zwar ist eine Vollbeendigung des Personenverbandes erst mit dem Erlöschen aller Gesellschaftsverbindlichkeiten möglich, vor dem Hintergrund der materiell-­ rechtlichen Wirkung eines Insolvenzplans auch gegenüber sich nicht meldenden Gläubigern, ist die Anmeldung einer Forderung zu dem Insolvenzverfahren aber als Obliegenheit zu qualifizieren, die den Verlust der Forderung zur Folge haben kann. Insoweit kommt dem Insolvenzverfahren eine Befriedungsfunk­ tion zu. Vor diesem Hintergrund hat sich die Dauer des Insolvenzplanverfahrens an dem Sperrjahr des §  51 BGB zu orientieren und die Eröffnung des Insolvenzverfahren ist entsprechend §  50 BGB bekannt zu geben. 20. Während bei Liquidität der Gesellschaft lediglich deren Vermögen dem prioritären Haftungszugriff zur Verfügung steht, werden die Haftungsansprüche gegenüber den Gesellschaftern erst mit der Eröffnung des Insolvenzver­ fahrens über das Gesellschaftsvermögen bzw. mit der diesbezüglichen Ab­ lehnungsentscheidung des Insolvenzgerichts in Höhe des    – gegebenenfalls dynamischen Unterdeckungsbetrages     – fällig, dies jedoch im Interesse der Gläubigergesamtheit lediglich zu Händen des Insolvenzverwalters oder eines anderen Drittliquidators. Gegenüber diesem können die Haftungsschuldner gemäß §  129 Abs.  1 HGB im Rahmen der Durchsetzungsakzessorietät alle Gesellschaftseinwendungen anführen sowie solche persönlichen Einwendungen, die an die Mitgliedschaft anknüpfen mit der Folge, dass der Unterdeckungsstatus nur in reduzierter Höhe geltend gemacht werden kann. Rechtsgeschäftlich vereinbarte persönliche Einwendungen können nur erhoben werden, wenn diese gegenüber allen Gläubigern bestehen. 21. Während durch die Gesellschaft nicht geltend gemachte Gesellschaftseinwendungen gemäß der Rügepräklusion nach §  767 Abs.  2 ZPO grundsätzlich auch gegenüber den Gesellschaftern wirken, setzt ein Einwendungsausschluss im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens angesichts der alleinigen Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters analog §  178 Abs.  2 InsO eine Beteiligungsmöglichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter am Prüftermin mit entsprechender Widerspruchsmöglichkeit voraus. §  178 Abs.  2 InsO ist insoweit eine allgemeine, die Liquidations- sowie Organkompetenzen regelnde, Wertung zu entnehmen.

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22. Der haftungsrelevante Unterdeckungsbetrag kann sich etwa dadurch aktualisieren, dass weitere Verbindlichkeiten zum besonderen Liquidationsverfahren angemeldet werden oder dass die ursprüngliche Prognose über das Gesellschaftsvermögen angepasst werden muss. Der insoweit gegenüber den Gesellschaftern geltend zu machende Haftungsbetrag ist dementsprechend dynamisch und stellt sich gegenüber der herrschenden Meinung als teleologische Modifizierung des fälligen Haftungsumfangs dar, ohne dass mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts    – entgegen dem von Karsten Schmidt zu §  93 InsO entwickelten sog. Ausfallmodell    – eine Umwandlung der materiell-rechtlichen Haftungsforderungen oder eine Novation verbunden sind. 23. Der Klagegrund des prozessualen, zweigliedrigen Streitgegenstandes orientiert sich an dem bilanziellen Unterdeckungsstatus bezogen auf das Gesellschaftsvermögen als Lebenssachverhalt, welcher in Anbetracht dessen Dynamik durch den Klageantrag konkretisiert wird. Die Rechtskraft orientiert sich an diesem antragsmäßig konkretisierten Unterdeckungsbetrag. Der Drittliquidator ist insoweit kraft der Sperrwirkung aus §  128 HGB allein prozessführungsbefugt. Der Gerichtsstand richtet sich grundsätzlich nach dem allgemeinen Zivilgerichtsstand der Mitgliedschaft, soweit sich die Substituierungslast des Drittliquidators nicht ausnahmsweise auf Vorfragen bezieht, die ausschließlichen Gerichtsständen unterliegenden, etwa im Rahmen von geltend gemachten Einwendungen. 24. Im eröffneten Insolvenzverfahren hat der Insolvenzverwalter sowohl hinsichtlich der aus dem Vermögen der Gesellschaft bestehenden Insolvenzmasse eine Quote für die Gesellschaftsverbindlichkeiten auszugeben als auch für den Haftungskontokorrent; dieser ist in eine Sondervermögensverbindung zu ziehen, weil er nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst ist. 25. Diese Verlagerung der Haftungsverwirklichung der materiellen Außenhaftung der Gesellschafter in das fremden Interessen verpflichtete Verhältnis zum Drittliquidator ist nicht Folge einer insolvenzrechtlichen Vorwirkung, sondern unmittelbare Auswirkung des Regelungszwecks von §  128 HGB, wie er mit der dogmatischen Weiterentwicklung der Rechtsnatur von Personenaußengesellschaften zu bestimmen ist. 26. Wird im Falle nichtkostendeckender zukünftiger Insolvenzmasse kein Verfahrenskostenvorschuss geleistet, führt die Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse dazu, dass es den Gesellschaftern obliegt, über eine Fortsetzung der Verbandstätigkeit durch die Leistung von Nachschüssen privatautonom zu befinden oder anderenfalls damit konkludent die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen. 27. Im Rahmen masseloser Liquidation unterliegt das Gesellschaftsvermögen, wie beim werbenden Personenverband, dem unmittelbaren Prioritätszugriff der Gesellschaftsgläubiger. Demgegenüber ist die Gesellschafterhaftung nach dem modifizierten Haftungsmodell zentralisiert im Fremdinteresse der

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Schluss

Gläubigergesamtheit in Höhe des – gegebenenfalls dynamischen – Unter­deck­ ungs­betrages zu realisieren. Originär obliegt diese Aufgabe den Organen der Gesellschaft als geborenen Liquidatoren, bis antragsgemäß durch das Amtsgericht ein Drittliquidator eingesetzt wird. Der Drittliquidator hat den Haftungsbetrag in eine zu bildende Sondervermögensverbindung zu ziehen und die Haftungsgläubiger daraus gleichmäßig zu befriedigen. Die Drittliquidatoren haften hinsichtlich der Liquidationspflichten analog §§  60, 61 InsO. 28. Im Rahmen masseloser Liquidation kommt eine Vollbeendigung der Gesellschaft grundsätzlich erst mit dem Erlöschen aller offenen Gesellschaftsverbindlichkeiten in Betracht. Ein Insolvenzplan kann insoweit nicht vereinbart werden. Sofern Nachschüsse gemäß §  735 BGB abbedungen sind, ist der Personenverband entweder dann als vollbeendigt zu qualifizieren, wenn alle offenen Haftungsforderungen beglichen sind oder wenn alle Gesellschaftsverbindlichkeiten sowie Haftungsforderungen verjährt sind; diesbezüglich ist die Hemmung einzelner Verjährungsverläufe zu berücksichtigen. 29. Auf das Verhältnis eines Gesellschaftstitels zur Vollstreckung in die Gesellschaftervermögen findet §  129 Abs.  4 HGB bereits deswegen weiterhin Anwendung, weil die, gegebenenfalls titulierten, Ansprüche gegen die Gesellschaft weder inhaltlich noch der Höhe nach mit dem Unterdeckungsanspruch gegen die Gesellschafter vergleichbar sind. Vor dem Hintergrund des modifizierten Haftungsmodells verbleibt indes kein Anwendungsbereich mehr für §  736 ZPO auf Personenaußengesellschaften. Diese Regelung wird schlicht nicht dem gewandelten Verständnis von der Rechtsnatur der Personenaußengesellschaft ­gerecht. Eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines Personenverbandes kommt nicht aufgrund gleichlautender Titel gegen alle Gesellschafter in Betracht. So sind diese Titel bloß auf die Unterdeckung des Gesellschaftsvermögens in dem durch den Drittliquidator geltend gemachten Umfang gerichtet. Sie erfassen daher lediglich die Haftung für diejenigen Verbindlichkeiten, die nicht durch das Gesellschaftsvermögen gedeckt sind. 30. Im Falle von Personalsicherheiten der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten führt das modifizierte Haftungsmodell bei parallelen Insolvenzen dazu, dass §   44 InsO einer Doppelanmeldung des Haftungsunter­ deckungsbetrages durch den Gesellschaftsinsolvenzverwalter sowie durch den gesicherten Gläubiger an dem Insolvenzverfahren über das Gesellschafter­ vermögen nicht entgegensteht, weil keine genügende wirtschaftliche Identität gegeben ist. Auf diese Weise wird der privatautonomen Sicherungsabrede unter Beachtung der Vermögenstrennung hinreichend Rechnung getragen.

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Sachregister Absonderungsrechte  419, 481 Abtretung  7, 90, 170 Abwachsung  43, 47 Abwicklungsgesellschaft 386 Abwicklungslast 322 actio pro socio 272 Aktionslast  310, 454, 496 Aktiva  93, 97, 192–193 Aktivvermögen 425 Akzessorietät  161, 216–217, 220, 223, 234–235, 237, 262, 292, 294–295, 297, 319–320, 331, 388, 401, 403, 444 – einseitige  224, 293, 297 Alimentationsinteresse  100, 104, 175, 335 Altverbindlichkeiten  205, 313, 326, 329, 392, 394, 412, 424, 453 Amtstheorie 127 Ansatz und Bewertung  110 Anstellungsvertrag 105 Antragsrücknahme  328, 415 Anwachsung  47, 50, 56, 63, 67, 71, 395, 492 Äquivalenzverhältnis  64, 174, 204, 213, 216 Arbeitshypothese  22, 225, 228 atypisches gesetzliches Schuldverhältnis 209 Auflösung  36, 58–59, 77, 88–89, 119, 126, 253, 263–264, 266, 268, 276–277, 293, 339, 394, 426–427, 438, 460, 497 Auseinandersetzung  10, 13, 17, 20, 23, 26, 39, 91, 95, 101, 104, 187, 217, 233, 267, 269, 272, 302, 357, 390 Ausfallhaftungsmodell  362, 388 Ausfallprinzip  481, 483–484 Ausfallrisiko  16, 200, 213, 216, 289–290, 295, 345, 366, 382, 384, 475 Ausgleichshaftung  366, 368, 371, 452

Außenhaftung  216, 220, 239, 345, 368, 390, 445–446, 493– 494 Befriedungsfunktion  380, 388, 406, 410, 496 Beitragspflichten  84, 87, 105, 116, 147, 149, 227, 273, 352 Beschlussfassung  117, 151–152 Bestimmtheitsgrundsatz 115 Beteiligungsmöglichkeit  463, 468, 496 Beteiligungsquote 99 Bilanzierungsperiode 104 Bilanzierungspflicht 103 Bilanzposten 110 BilMoG 110 Bruchteilsgemeinschaft  76, 78, 85, 164, 168, 177 Bruttovermögen  192, 194 Bürgschaftsforderung  485, 487, 488–490 Darlehenskonto  99, 102, 108, 116–118, 132, 281, 390 Dauerschuldverhältnisse  32, 144, 327 Deckungsprognose 419 Delegation von Entscheidungsbefug­ nissen 112 dingliche Sicherheiten  481 dingliche Zuordnung  117, 310 dogmatische Weiterentwicklung  131, 352, 362 Doppelberücksichtigung 478–480, 486–487 Drei-Konten-Modell  97, 102–103, 116, 119 Drittliquidator 129 – Fremdinteresse 176 – Haftung 458 Drittverbindlichkeiten  54, 268–269, 272, 275, 278, 281, 286, 336

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Sachregister

Durchsetzungsakzessorietät  293, 295, 297, 299, 386, 388, 461–462, 474, 496 Durchsetzungsebene  295, 320, 370 effiziente Güterallokation  323 Eigenbeteiligung 50 Eigenhandeln 178 Eigeninteresse  323, 335, 340, 356, 381, 386, 396, 408, 421, 431, 434, 436, 495 Eigenkapital  89–90, 95, 101–103, 115, 132, 249, 282, 390 Eigennutz  104, 336, 340, 397 Eigenverwaltung  19, 142, 176, 225, 312, 328, 331, 334, 387, 408, 434, 439 – Drittliquidation 176 – Fremdinteresse 396 – Geschäftsleiterhaftung 331 – Gesellschafterhaftung 19 – vorläufige 379 Einkommensteuerpflichtigkeit 117 Einlage  23, 88, 90–92, 95, 98–99, 101, 103, 116–117 Einlagenverpflichtung  89, 97, 105 Einlagepflicht 104 Einmitglieds-Personengesellschaft 45, 50, 54–55, 84 ein Rechtssubjekt – ein Vermögen  2, 108, 146, 210, 263, 492 Einwendungserhalt 463 Einzelverbindlichkeitsbezug  217, 230, 320, 350, 362, 366 Entnahmebeschränkungen  100, 370 Entnahmemöglichkeiten 111 Entnahmerecht  96, 100–101, 103, 107, 110, 116, 330, 422 Entscheidungsquoren  112, 151, 399 Erbengemeinschaft  77, 167, 170, 198 Erfüllungshaftung  7, 9, 234–235, 245, 284, 291, 298–300, 302–304, 308 Erfüllungsinteresse  8, 234, 286–288, 291, 494 Erfüllungstheorie  8, 235–236, 239 Erlöschen  54, 58–59, 159, 164, 267, 286, 293, 319, 380, 397, 404– 405, 408, 444, 478, 496, 498 Ermächtigungswirkung  133, 139, 317, 379, 387, 400, 402, 404–405, 407, 409 – Verzichtsbefugnis 403

Eröffnungsgrund  120, 126, 131, 148, 316, 319, 390, 412, 415 Eröffnungsstichtag  140, 217, 322 Eröffnungsverfahren  328, 339, 387, 415, 440 Erwerb eigener Anteile  50, 61 Erzwingbarkeit 191 Existenzvernichtungshaftung  372, 374 fehlerhafte Gesellschaft  44 festes Kapitalkonto  99, 101, 116 Feststellungsverfahren  462, 467 Forderungsanmeldung  366, 454, 481, 483 Forderungsfeststellung  129, 461–462, 464, 468 Forderungsübergang  12–13, 218, 224 Fortsetzungsentscheidung  327, 399 Freigabe  124, 126, 129, 134, 137, 225, 228, 376, 388–389, 407, 410, 444, 452, 459, 467–468, 479, 492 – Liquidationscharakter 124 – modifiziert 407 Fremdinteresse  143, 176, 225, 322–323, 339, 345, 361, 373, 379, 386, 403, 421, 424, 431, 434, 436, 438–439, 445, 448–449, 455, 458, 470, 484, 487, 492–495, 497 Fremdkapital  90, 94, 97, 99, 103, 106, 113, 115–116, 390 funktionale Gläubigerbeteiligung am Schuldnervermögen 188 Geldvollstreckung 321 Geldwertliquidation 388 gemeinschaftliche Forderung  164 gemeinschaftliche Schuld  165 Gesamtforderung 164 Gesamtgläubigerschaft 164 Gesamtrechtsnachfolge  38, 50, 52, 54, 57–58, 60, 69, 84, 193, 265, 285, 299, 306, 479 Gesamtschuld  11–12, 165–166, 170, 185, 217–218, 235, 455 Gesamtschulden  166, 169 gesamtschuldnerische Haftung  390 Geschäftsführungsbefugnis 154 Geschäftsleiter  176, 328, 331, 334, 340, 379, 396, 496

Sachregister

Gesellschaftereinwendungen 471 Gesellschaftergesamtheit  22, 108, 113, 117–118, 186, 206, 224, 244–245, 259–262, 264, 269, 279, 302, 313, 326, 330, 353, 359, 366–367, 374, 395, 412, 446, 449, 459, 482 Gesellschafterkonten  99, 101, 116, 217, 345, 387, 399, 452 Gesellschaftersicherheiten  3, 449, 476 Gesellschaftseinwendungen  370, 461, 463, 470, 475, 496 Gesellschaftssphäre  108, 302, 371, 452 Gesellschaftsvermögen  33, 93 – Beiträge 42 – freier Zugriff  5, 110, 117, 147, 335 gesetzliches Schuldverhältnis  208–209, 351, 372 Gestaltungsrechte 474 Gewinnausschüttung 44 Gewinnbezugsrecht 114 Gewinnermittlung  109, 113, 115 Gewinnerwartung 144 Gewinngutschrift 102 Gewinnsteigerung 173 Gewinnthesaurierung 114 Gewinnverteilung  60, 96, 98, 100, 104, 109 Gewinnverwendung  109, 111, 115 Gläubigerautonomie  127, 331 Gläubigerbeteiligungsrechte 458 Gläubigergleichbehandlung  19, 194, 228, 230, 269, 277, 279, 316, 318–319, 321, 329, 354–356, 366, 377, 379, 408, 410, 428–429, 432, 437, 444, 448–449, 478, 488 Gläubigermehrheiten  163, 165, 202 Gleichbehandlungsgrundsatz  87, 318, 322 Gleichstufigkeit  11, 217, 296 Gütergemeinschaft  77, 167 Haftungsabschirmung  10, 15–16, 242 Haftungsbeschränkung 196 – Eigenverwaltung 327 Haftungsdefizit 379 Haftungserwartungen 15 Haftungsfälligkeit 384 Haftungsinhalt 388

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Haftungs-Istzustand  205, 210–212, 217, 224, 292, 295, 325, 361, 370, 382, 385–386, 392–393, 401, 456, 493, 495 Haftungskontokorrent  387, 455, 462, 497 Haftungsobjekt  2, 28, 89, 120, 164, 168, 189, 194–195, 197, 201, 249, 255, 303 Haftungsrichtung 383 Haftungstheorie  8, 234, 236 Haftungstrennungsprinzip  15, 243–342, 346 Haftungsunterdeckungsbetrag  370, 458 Haftungsverjährung 293 Haftungsvolumen  89, 257, 261, 322, 362, 366, 368, 383–384, 411, 473 Hemmung  277, 293, 295, 296, 498 Hemmungshandlung 294 Herrschaft und Haftung  18, 334 homo oeconomicus  173, 323 Innenausgleich  224, 274, 394, 452 Innengesellschaft  42, 78, 300, 460 Innenhaftung  206, 291, 322, 343, 373–374, 378, 380, 382, 384, 447 Insolvenzbeschlag  121–122, 132–133, 136, 139, 141, 145, 244, 337, 340, 376, 378, 399, 409, 486, 497 Insolvenzeröffnungsverfahren 328 Insolvenzforderung  132, 450, 477 Insolvenzmasse 122 – Nachschussansprüche 425 – Rechtspersönlichkeit 128 – Vermögenssonderung 133 Insolvenzplan – Befriedungsfunktion 406 – Forderungsausschluss 406 – Gesamtwirkung 405 – Sperrjahr 406 – Verfahren  176, 331, 406 Insolvenzrechtsfähigkeit  2, 120, 125, 311 Insolvenzrisiko  119, 200, 203, 205, 222, 226, 284, 290, 351, 367 Insolvenzverfahren – Liquidationscharakter  124, 127, 129–130, 444 – Verfahrenseröffnung  18, 20, 142, 266, 326, 329, 375–376, 379, 385–386, 391, 396, 408, 415–417, 421, 423–428, 430, 432–433, 438–441, 443, 449–451, 462, 495

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Sachregister

Insolvenzverwalter – Amtstheorie 127 – Drittliquidator 128 – Haftung 331 – Liquidationskompetenzen 129 Interessensphären  207, 335, 368, 371, 452 Interzessionspflicht 235 Jahresabschluss  94, 104 Kapitalanteil  87, 94 Kapitalaufbringung  107, 254, 353, 355 Kapitalausstattung  252, 287 Kapitalbindung  144, 260, 266, 306, 351, 353, 355, 366–367, 491 Kapitaldividende  113, 115, 117, 227, 281 Kapitalerhaltung  107, 254, 259, 353, 355, 381 Kapitalersatzfunktion  6, 27, 250, 253, 261, 353, 445 kapitalersetzende Funktion  s. Kapital­ ersatzfunktion Kapitalkonto I  99, 101 Kapitalkonto II  99, 100–102, 108, 117–118, 132 Kapitalschutzsystem  5, 22, 223, 374 keine Haftung ohne Herrschaft  247, 323–325, 464, 466, 493 Klageantrag  236, 299, 456–457, 497 Klagegrund 457 kollektive Willensbildung  65, 260 Kollektivherrschaft  105, 113, 312 Kombinationsmodell 483 Kompetenzzuweisungsnorm 387 Konfusion  7, 50, 52–54, 57, 69, 159, 265, 306 Konkurrenzanmeldung 488 Konzernmasse  s. substantive consolida­ tion Kostenmasse-Deckung  3, 311, 418, 419, 420, 425, 430, 439, 440, 441, 445, 493 Kreditvergabe 17 Kreditwürdigkeit  8, 25, 236–237, 249, 303–304, 310, 320, 364, 366, 413, 495 Kündigungsmöglichkeit  144, 327 Leistungsfähigkeit  321, 355 Leistungsinteresse  8, 167, 287, 292, 388, 414, 445

Leistungsorientierung  158, 160, 173, 176 Leistungszweck 166 Liquidation  124, 396 – Sanierung 334 Liquidationsbefugnis 434 Liquidationseröffnung 386 Liquidationskompetenzen  129, 177, 324, 328, 386, 467 Marktversagen 226 marktwirtschaftliches System  105–106, 117, 172–175, 178, 200, 204, 209, 247 masseloses Liquidationsverfahren  384, 431 Masseverbindlichkeiten – Sanierungkosten 402 Mauracher Entwurf  3, 365, 491 Mehrfach-Mitgliedschaften  46, 55, 67, 83 Mehrheitsbeschluss 114 Mehrmitgliedschaftsrechte  s. Mitgliedschaft, Einheitlichkeit der mehrseitiges Rechtsgeschäft  162 Minderheit 114 Mindestkapitalisierung 100 Mitgläubigerschaft 164 Mitgliedergesamtheit 106 Mitgliederliste 46 Mitgliedschaft – Einheitlichkeit 45 – Gleichartigkeit 42 – juristische Person  48 – Kernbereich 110–115 – Realstruktur 43 – Thesaurierung 51 – Übertragbarkeit 40 mitgliedschaftliche Wertbeteiligung  87, 102, 104, 110, 113, 116, 132, 147, 186, 350, 492 Modellcharakter  219, 222, 224, 370 Modifizierung des Verbandszwecks  119 MoPeG  1, 364–365, 460, 491 Nachhaftung  263, 324, 349, 385, 393, 471 Nachschussansprüche  141, 274 – Masseverbindlichkeiten 338 – Sanierung 338 – Verfahrenskosten 339 Nachschüsse  126, 214, 272, 314, 359, 380, 427, 498

Sachregister

Nachschusspflichten s. Nachschüsse – Sanierung 137 – Sanierungskosten 425 Naturalvollstreckung 321 Nettovermögen 192 Neugläubiger  437, 472 normativer Standard  247, 352 Normativsystem 44 – Gewinnausschüttungsverbot 44 Notliquidator 326 Novation  370, 385, 497 numerus clausus  6, 55, 68, 74, 195–196 Nutzenmaximierung 173 Obliegenheit  330, 380, 388, 401, 496 Obstruktionsverbot 399 Offenkundigkeitsprinzip 153 Ordnungsfunktion des Insolvenz­ verfahrens 388 Organfunktionen 69 Organhandeln 153 – Kompetenzverteilung 154 – Privatperson 154 Organisationsunterschiede  69, 83, 492 Organisationsvertrag  40, 42, 51 Organismus  149, 159 Organkompetenzen  128, 151, 177, 466, 496 organschaftliche Vertretung  119, 154, 332 Organtheorie  127, 178, 181 Organwalter  71, 153, 174, 178, 182, 184, 241 Parallelsicherheiten  s. Gesellschafter­ sicherheiten Partnerschaftsgesellschaft 364 Passiva  93, 97, 192, 194 Personalsicherheiten  475, 477–478, 480, 483, 498 Pflichtenkollisionen  334, 387 Präferenzen  172, 174, 203, 207, 211, 226, 242, 255–256, 287, 323 Preisbildung 17 Prioritätsprinzip  228, 230, 317, 319, 320, 345, 358, 382, 411, 429–430, 448–449, 469, 488 privatautonomer Aushandlungs­ prozess  108, 119, 351

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Privatforderung  299, 480 Privatsphäre  9, 235–236 pro rata  229, 390 Prüftermin  463, 468, 496 Publizität  84, 248, 406 Quote  321, 389, 402, 411, 484, 486–488, 497 Realsicherheiten  255, 481 Rechnungsposten  95, 102, 141, 278, 453 rechtliches Gehör  463, 464, 468 rechtsformtypische Realstruktur  83 Rechtsformzwang  s. numerus clausus Rechtsgemeinschaft  31, 164, 169 Rechtsinstitut  40, 60, 83, 87, 163 Rechtsnachfolge 47  s. Konfusion Rechtssubjektsverschiedenheit  214, 223, 239, 289, 459 Rechtszuständigkeit  76, 78, 191 Regressanspruch  351–352, 451, 487 Regresskarussell 206 Regressverteilung  206, 296 Relativität  161–162, 171, 177, 285, 288, 320 Repräsentationshaftung  179, 182 Repräsentationstheorie 127 Risikoanalyse 17 Rügepräklusion  463, 466, 496 Sachkonto 97 Sanierung  124, 177, 439 – Sanierungsmasse 317 – Schutzschirmverfahren 396 Schlussabrechnung  102, 141, 268, 278–279, 281, 283, 354, 376, 389, 394, 452 Schuldnergesamtheit 162 Schuldübernahme 170 Schuld und Forderung  159, 161–162, 164, 166, 171–172, 177 Schuld und Haftung  32, 187, 202 Schuld und Vermögenshaftung  203, 216, 222, 224, 294, 351, 361, 392 Sekundäransprüche  8, 168, 236, 285 Selbstbestimmung  18–19, 161, 174, 189, 209, 226, 229, 312, 332, 336, 356, 415, 436, 495

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Sachregister

Selbstverantwortung  18–19, 189, 209, 226, 229, 312, 331, 336, 356, 415, 436, 495 Sicherungsforderung  480, 483, 485–486 Sicherungszweck  234–235, 237–238, 489 Singularsukzession 170 Singularsukzessionen  s. Einzelrechtsnachfolge Soll-Einlage  99, 116 Sondermasse  134–135, 145, 339, 424, 493 Sondernachfolge 171 Sondervermögen  2, 29, 31, 80, 86, 145, 169, 197, 203, 247, 271, 352, 460 Sozialansprüche  41–42, 78, 85, 88, 225, 267, 269, 273, 275, 278, 361, 425, 451 Sozietätsfundament  53, 58, 302, 392, 494 Sozietätskonstruktion  47, 52, 54, 56, 58, 64–67, 69, 71, 74–75, 82–84, 87, 105, 107, 109, 114, 147, 151, 155–156, 159, 224, 260–261, 335, 351, 353, 366–367, 369, 446, 492 Sozietätsprinzip  51, 57, 74  s. Sozietätskonstruktion – Schuldvertrag 51 Sperrjahr  280, 326, 380, 410, 435, 496 Sperrwirkung  19, 378–379, 400, 402, 404, 409, 430, 477, 495, 497 Spezialspruchkörper 456 Sphärenbetrachtung 237 staatlicher Anerkennungsakt  83, 492 StaRUG 23 Status als juristische Person  43 Stiftung 23 stille Gesellschaft  78 stille Liquidation  226 Streitgegenstand  454, 456–457, 497 Strukturunterschiede  48, 67, 69 substantive consolidation 14 Substituierungslast 497 System von Normativbestimmungen  6 Teilforderungen  163, 165 Teilhaberechte 219 Teilleistung 163 Teilschulden  165, 169 Tenorierung 236 Theorie neutralen Handelns  127 Thesaurierung  110–111, 114

Totalregress 218–219 Transaktionskosten  6, 68, 227, 243, 291, 315 Trennungsprinzips 2 Treuepflicht 43 Überschuldung  412, 455 Überschuss  87, 109, 125 Umwandlung  42, 348, 386 Unterdeckungsberechnung 386–485 Unterdeckungsbetrag  222, 403, 456, 471, 473, 482–486, 488–490, 497 Unterdeckungsstatus  403, 455, 496 Unterkonto  97, 101 Unternehmergesellschaft  196, 342 Unvermögenseinwand 236 Urteilstenor  236, 457 Verband  s. Verbandszweck,  s. Zweck­ bindung – Insolvenzrechtsfähigkeit 120 – Konstituierung  37–38, 40, 42, 51, 60–61, 69, 77, 79, 81, 86–87, 90, 112, 116, 121, 150, 210, 212, 222, 226–227, 254, 259, 261, 274, 305, 309, 336–337, 342, 353, 384, 415, 492–493 Verbandsformen  6, 36, 39, 74, 83, 195 Verbandsherrschaft  111, 205, 210, 212, 350, 494 Verbandsinteresse  104, 106, 109 verbandsrechtliche Willensbildung  65, 104, 106, 464, 492, 495 verbandsspezifische Gefährdungs­ lage  224, 255–256, 284, 321, 343, 358, 362, 367, 372, 414, 484, 494 Verbandszweck 41 – nichtwirtschaftlich 44 Verbot der Doppelanmeldung  480 Verfahrenskostenvorschuss 440 Verfügungsbefugnis  19, 111, 135, 139, 142–143, 192, 206, 323, 329, 403, 465, 467 Verfügungsfähigkeit von Rechtsverhältnissen 170 Verfügungsgegenstand 165 Verfügungsverbot  328–329, 379, 387 Vergleichssachverhalt 353 Verhandlungsgleichgewicht  201, 204, 226

Sachregister

Verjährung  277, 293, 295–296, 473 Verlustbeteiligung  89, 92, 98–99, 101, 108, 114, 138, 244, 274, 372 Verlusttragungspflicht  106, 140 Vermögensanfall 193 vermögensäquivalenter Nutzen  106 vermögensausgleichendes Äquivalent  62, 107, 109, 118, 173, 212, 214, 286, 288, 351, 360, 446 Vermögensausschüttung 118 Vermögensbindung  224, 253, 260, 266, 306, 332, 346, 410, 445 Vermögensrechte  93, 102–103, 109, 120, 147, 175, 259 Vermögenssonderung  77, 80, 133, 139, 145, 198, 300, 339, 361 Vermögenstrennung – Aufhebung  214, 265, 282, 302, 479, 493, 495 – ökonomische Analyse  81 – verbandsrechtliche  59, 224, 337, 494 Vermögensübertragung 288 Vermögensverschiebung  208, 222, 227, 314 Vertragsauslegung  149, 235, 350 Vertretertheorie 178 Vertretungsordnung 182 Verwaltungsbefugnis  128, 496 Vollanmeldung 481–484 Vollbeendigung s. Erlöschen

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– Sanierung  334, 397 – Vermögenslosigkeit 404 Vollinanspruchnahme 389 Vollwertigkeitsgarantie  261, 353, 366, 368, 383, 386–387, 414, 443, 494 Vorausklage  235, 383, 475 Vordividende 100 Vor-Insolvenzperiode  228, 378 vorläufiger Insolvenzverwalter  328, 379, 387, 416, 433 Vorrangwirkung 487 Wahlrechte 110 Wertäquivalent 352 Willensbildung 154 Willensbildungsorgan  112, 186, 224, 260, 272, 313 Windhundprinzip  316, 488 wirtschaftliche Identität  488, 498 wirtschaftlicher Vermögensbegriff  193 Wirtschaftssubjekt 223 Wirtschaftstheorie  173, 246 Zivilgerichtsstand 497 Zwangsvollstreckung  8, 122–123, 125, 131, 187, 190, 276, 285, 291, 300, 318, 349, 459, 498 Zweckbindung  10, 36, 93, 198, 223, 253, 256, 259, 305, 306, 314, 353 Zwei-Konten-Modell 102