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German Pages 287 [289] Year 2014
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 310 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Hwa Kim
Die Nacherfüllung als Rechtsbehelf des Käufers nach CISG, deutschem und koreanischem Recht
Mohr Siebeck
Hwa Kim, geboren 1979, Seoul, Südkorea; Studium der Rechtswissenschaft (B.A., M.A.) an der Yonsei Universität, Seoul, Südkorea; 2007–2008 LLM. an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg; 2008–2012 Promotionsstudium an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg; 2013 Promotion; 2013– 2014 Lehrstuhlbeauftragter an der Fakultät der Rechtswissenschaft der Yonsei Universität sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut der Rechtswissenschaft der Yonsei Universität, Seoul, Südkorea; seit März 2014 Forschungsmitarbeiter am obersten Gerichtshof von Korea.
e-ISBN PDF 978-3-16-152794-4 ISBN 978-3-16-152684-8 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Ideengeber für das Promotionsthema war mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Rechtsbehelfe im Kaufrecht dienen der Wahrung der Kerninteressen der Vertragsparteien. Unter den verschiedenen Rechtsbehelfen weist gerade der Nacherfüllungsanspruch des Käufers einige Besonderheiten auf: Auf der einen Seite kann der Nacherfüllungsanspruch als ein modifizierter Erfüllungsanspruch verstanden werden, auf der anderen Seite offenbart sich aus Käuferperspektive sein Rechtsbehelfscharakter. In der vorliegenden Arbeit untersuche ich, wie der Nacherfüllungsanspruch im CISG, im deutschen sowie im koreanischen BGB kodifiziert ist. Dabei zeige ich auf, dass der Nacherfüllungsanspruch im Gegensatz zum tradierten Verständnis als besonderer Rechtsbehelf des Käufers zu qualifizieren ist. Die jüngsten EuGH-Urteile zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bekräftigen diese Auffassung. In der vorliegenden Dissertation wird der Nacherfüllungsanspruch in den jeweiligen Rechtsregimen anhand dieses Standpunktes analysiert. Aus historischen Gründen wird der Nacherfüllungsanspruch beim Kauf im derzeit geltenden koreanischen BGB unvollständig geregelt. Wie seinerzeit Deutschland im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung, versucht sich auch Korea gerade an einer umfassenden Modernisierung des BGB, die zu kontroversen Diskussionen in der Wissenschaft geführt hat. Der vorgelegte Modernisierungsentwurf beinhaltet den Nacherfüllungsanspruch als wichtiges Rechtsinstitut. Dies entspricht der Zielsetzung dieser Novellierung, nämlich der Anpassung des KBGB an den Trend des neuen internationalen Vertragsrechts vor allem in Gestalt des CISG. Ich hoffe, dass die vorliegende Untersuchung einen kleinen Beitrag zu der Modernisierung des koreanischen BGB leisten kann. Danken möchte ich allen, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Zuvorderst danke ich meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, ohne dessen Hilfe ich diese Arbeit sicher nicht hätte vollenden können. Während meines langjährigen Aufenthalts in Deutschland stand er immer an meiner Seite. Mein herzlicher Dank gebührt ferner Herrn Prof. Dr. Ulrich Magnus, der mich durch wichtige und richtungsweisende Impulse für meine Darstellungen unterstützt hat.
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Vorwort
Mein Dank gebührt zudem Herrn Prof. Dr. Hinrich Julius, der zügig das Zweitgutachten anfertigte. Einen ganz besonderen Dank schulde ich meinen Familien: meinem Vater Prof. Dr. Sang-Yong Kim, meiner Mutter Jung-Sook Jung sowie meinem Bruder Woong Kim, die mich sowohl finanziell als auch mental auf meinem Weg unterstützt haben. Vor allem aber danke ich meiner Frau Kyung-A Choi, die in allen Lebenslagen zu mir steht und stand. Auch in Deutschland habe ich Unterstützung erhalten: Bedanken möchte ich mich insoweit bei Jens Kahrmann, der mein Manuskript in sprachlicher Hinsicht bearbeitet hat und darüber hinaus zu einem guten Freund geworden ist. Im Max-Planck-Institut haben mir Herr Dr. Christian Eckl und Frau Gundula Dau mit redaktionellen Anmerkungen geholfen. Dafür danke ich ihnen. Überdies bin ich meinem Herrn Jesus Christus zum Dank verpflichtet, der mich bis hierhin begleitet hat. Mein Erfolg geht auch auf ihn zurück.
Seoul, Korea, im Winter 2013
Hwa KIM
Inhaltsübersicht Vorwort .................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XV Teil 1. Einleitung ....................................................................................... 1 Teil 2. Nacherfüllung im CISG .................................................................. 5 Kapitel 1. Grundstruktur der Rechtsbehelfe des Käufers ............................ 5 Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs....... 13 Kapitel 3. Untersuchung und Anzeige der Vertragswidrigkeit .................... 21 Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs ............ 27 Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ......................... 46 Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ............................. 54 Kapitel 7. Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs ......................... 63
Teil 3. Nacherfüllung im BGB ................................................................. 73 Kapitel 1. Grundstruktur der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe ...................... 73 Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs....... 78 Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs ............ 83 Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ......................... 86 Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ............................. 90 Kapitel 6. Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2 .................... 125 Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung ................................................. 133
Teil 4. Nacherfüllung im KBGB .............................................................. 153 Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs ................................ 153 Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs..... 176 Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs .......... 183 Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ....................... 188
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Inhaltsübersicht
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ........................... 193 Kapitel 6. Ausschluss der Nacherfüllung ................................................. 201
Teil 5. Vergleich ..................................................................................... 213 Kapitel 1. Systematischer Vergleich ........................................................ 213 Kapitel 2. Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs im Rahmen der Rechtsbehelfe des Käufers ....................................................... 216 Kapitel 3. Der Sachmangel als Grundvoraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs ......................................................... 219 Kapitel 4. Weitere Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs: Vorliegen der wesentlichen Vertragsverletzung im CISG, Ersatzlieferungsmöglichkeit beim Stückkauf ........................... 223 Kapitel 5. Wahl zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch ......................................................... 226 Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ........................... 228 Kapitel 7. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs ................................ 238
Teil 6. Ausblick: Modernisierung des KBGB........................................... 245 Kapitel 1. Der aktuelle Stand der Modernisierung des KBGB ................. 245 Kapitel 2. Die gestufte Interpretation des Kaufvertrages und die an Rechtsbehelfen orientierte Systematik des Kaufvertrages......... 249
Anhang .................................................................................................. 253 Literaturverzeichnis ............................................................................... 261 Sachregister ........................................................................................... 269
Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XV Teil 1. Einleitung ....................................................................................... 1 Teil 2. Nacherfüllung im CISG .................................................................. 5 Kapitel 1. Grundstruktur der Rechtsbehelfe des Käufers ............................ 5 A. Struktur der Rechtsbehelfe des Käufers gem. Art. 45 .................................... 5 B. Position des Nacherfüllungsanspruchs unter den Rechtsbehelfen des CISG ... 8 I. Vorrang des Erfüllungsanspruchs .............................................................. 8 II. Der Nacherfüllungsanspruch im Rahmen des Erfüllungsanspruchs gem. Art. 46 .................................................................................................... 11
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs....... 13 A. Einleitung .................................................................................................. 13 B. Lieferung vertragswidriger Ware als allgemeine Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs ........................................................................... 15 C. Besondere Formen der Vertragswidrigkeit der Ware .................................... 20
Kapitel 3. Untersuchung und Anzeige der Vertragswidrigkeit .................... 21 Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs ............ 27 A. Weitere Voraussetzungen des Ersatzlieferungsanspruchs ............................. 27 I. Ersatzlieferung nur beim Gattungskauf? .................................................. 27 II. Wesentliche Vertragsverletzung ............................................................. 29 1. Einleitung ......................................................................................... 29 2. Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung ............................. 32 a) Objektives Gewicht der Vertragswidrigkeit .................................. 32 b) Nachträgliche Behebbarkeit der Vertragswidrigkeit als Kriterium . 33 c) Einfluss des Kommunikationsmechanismus der Art. 47, 48 Abs. 2-4 ...................................................................... 38 B. Weitere Voraussetzungen des Nachbesserungsanspruchs ............................. 40 I. Formen der Vertragswidrigkeit ................................................................ 40 II. Zumutbarkeit ......................................................................................... 41
Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ......................... 46 A. Einleitung .................................................................................................. 46 B. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ........................................... 47 C. Verhältnis zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch ........... 51
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ............................. 54 A. Einleitung .................................................................................................. 54 B. Abgrenzungsproblem zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung ............ 56 C. Umfang der Nacherfüllung ......................................................................... 57 D. Leistungsort der Nacherfüllung .................................................................. 59 E. Kosten der Nacherfüllung ........................................................................... 62 Kapitel 7. Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs ......................... 63 A. Einleitung .................................................................................................. 63 B. Allgemeine Beschränkungen des Erfüllungsanspruchs ................................ 64 I. Beschränkung gem. Art. 28 ..................................................................... 64 II. Ausübung eines unvereinbaren Rechtsbehelfs ........................................ 65 III. Befreiung nach Art. 79? ....................................................................... 67 IV. Unmöglichkeit des Erfüllungsanspruchs ............................................... 69 C. Nacherfüllungsspezifische Beschränkungen ................................................ 71 I. Beschränkungen des Ersatzlieferungsanspruchs gem. Art. 82 .................. 71 II. Beschränkungen des Nachbesserungsanspruchs ..................................... 72
Teil 3. Nacherfüllung im BGB ................................................................. 73 Kapitel 1. Grundstruktur der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe ...................... 73 A. Einleitung .................................................................................................. 73 B. Die Stellung des Nacherfüllungsanspruchs im hierarchischen Rechtsbehelfssystem .................................................................................... 74 I. Rechtsbehelfshierarchie gem. § 437 ........................................................ 74 II. Interessenlage bei der Nacherfüllung: Schnittstelle des Interesses beider Vertragsparteien beim Kauf ..................................................................... 75 III. Stellung des Nacherfüllungsanspruchs .................................................. 76
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs....... 78 A. Einleitung .................................................................................................. 78 B. Sachmängel gem. § 434 .............................................................................. 79 Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs ............ 83 A. Weitere Voraussetzungen des Nachlieferungsanspruches: Unmöglichkeit des Nachlieferungsanspruchs beim Stückkauf? ............................................ 83 B. Weitere Voraussetzungen des Nachbesserungsanspruchs ............................. 86
Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ......................... 86 A. Einleitung .................................................................................................. 86 B. Wahl des Käufers zwischen den Nacherfüllungsmodalitäten ........................ 87 C. Formalia der Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ...................... 89 Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ............................. 90 A. Problematik des Umfangs des Nacherfüllungsanspruchs ............................. 90 B. Umfang der Ersatzlieferung ........................................................................ 95 I. Einleitung ............................................................................................... 95 II. Bisheriger Meinungsstand ..................................................................... 96 1. Argumentation im Dachziegel-Urteil nach altem Recht ...................... 96 2. Ausbau- sowie Rücknahmepflicht des Verkäufers ............................ 100 3. Wiedereinbaupflicht des Verkäufers ................................................ 101
Inhaltsverzeichnis
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4. Stellungnahme zum bisherigen Meinungsstand ................................ 103 III. Jüngere Rechtsprechung des EuGH und des BGH ............................... 106 1. Die Entscheidung des EuGH ........................................................... 106 2. Das Urteil des BGH ........................................................................ 108 3. Auswirkung der Entscheidungen und eigene Stellungnahme ............ 109 C. Umfang der Nachbesserung ...................................................................... 112 I. Wahl der Nachbesserungsmethode ........................................................ 112 II. Reichweite der Nachbesserungspflicht ................................................. 113 D. Erfüllungsort des Nacherfüllungsanspruchs .............................................. 118
Kapitel 6. Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2 .................... 125 A. Problem der Kostentragung des Verkäufers ............................................... 125 B. § 439 Abs. 2: Anspruchsgrundlage oder bloße Kostenzuweisungsnorm? .... 128 C. Umfang der Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2 ................... 131 Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung ................................................. 133 A. Einleitung ................................................................................................ 133 B. Der Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs im Einzelnen ...................... 137 I. Ausschluss gem. § 275 .......................................................................... 137 II. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 Abs. 3................. 139 1. Einleitung ....................................................................................... 139 2. Relative Unverhältnismäßigkeit ...................................................... 141 a) Ermittlung der relativen Unverhältnismäßigkeit ......................... 141 b) Abwägungskriterien ................................................................... 143 c) Prozentuale Grenzen .................................................................. 144 3. Absolute Unverhältnismäßigkeit...................................................... 145 a) Ermittlung der absoluten Unverhältnismäßigkeit ........................ 145 b) Abwägungskriterien ................................................................... 146 c) Prozentuale Grenzen .................................................................. 148 d) Richtlinienkonformität der absoluten Unverhältnismäßigkeit im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs .............................................. 149
Teil 4. Nacherfüllung im KBGB .............................................................. 153 Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs ................................ 153 A. Einleitung ................................................................................................ 153 B. Duales Haftungssystem ............................................................................ 154 I. Stand der gesetzlichen Regelung ........................................................... 154 II. Widersprüchlichkeit des dualen Mängelhaftungssystems ...................... 160 III. Verständnis der Mängelhaftung und der Einfluss auf die Nacherfüllung ................................................................................ 166 C. Nacherfüllungsanspruch als allgemeine Mängelhaftung ............................ 170
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs..... 176 A. Einleitung ................................................................................................ 176 B. Sachmangel .............................................................................................. 177 I. Tatbestandsmerkmale des Sachmangels ................................................. 177 II. Besondere Mangelformen .................................................................... 180 1. Zuweniglieferung und Zuviellieferung ............................................ 180 2. Aliud-Lieferung .............................................................................. 181
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs .......... 183 A. Einleitung ................................................................................................ 183 B. Weitere Voraussetzungen der Ersatzlieferung: Unmöglichkeit der Ersatzlieferung beim Stückkauf?................................................................. 185 C. Weitere Voraussetzungen der Nachbesserung ............................................ 188
Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ....................... 188 A. Einleitung ................................................................................................ 188 B. Wahl der Nacherfüllungsmodalität ............................................................ 188 C. Formalia bei der Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ............... 191 Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ........................... 193 A. Einleitung ................................................................................................ 193 B. Durchführung der Ersatzlieferung ............................................................. 194 C. Durchführung der Nachbesserung ............................................................. 196 D. Nacherfüllungsort und Kosten der Nacherfüllung ..................................... 197 Kapitel 6. Ausschluss der Nacherfüllung ................................................. 201 A. Einleitung ................................................................................................ 201 B. Unmöglichkeit ......................................................................................... 202 C. Unverhältnismäßigkeit ............................................................................. 205
Teil 5. Vergleich ..................................................................................... 213 Kapitel 1. Systematischer Vergleich ........................................................ 213 A. Vergleich der Systematik der Rechtsbehelfe des Käufers ........................... 213 B. Eigene Stellungnahme .............................................................................. 215 Kapitel 2. Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs im Rahmen der Rechtsbehelfe des Käufers ....................................................... 216 A. Vergleich der Bedeutung des Nacherfüllungsanspruchs in den Rechtsbehelfssystemen ............................................................................... 216 B. Eigene Stellungnahme .............................................................................. 218
Kapitel 3. Der Sachmangel als Grundvoraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs ......................................................... 219 A. Rechtsvergleich........................................................................................ 219 B. Eigene Stellungnahme .............................................................................. 222 Kapitel 4. Weitere Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs: Vorliegen der wesentlichen Vertragsverletzung im CISG, Ersatzlieferungsmöglichkeit beim Stückkauf ........................... 223 A. Rechtsvergleich........................................................................................ 223 B. Eigene Stellungnahme .............................................................................. 225 Kapitel 5. Wahl zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch ......................................................... 226 A. Rechtsvergleich........................................................................................ 226 B. Eigene Stellungnahme .............................................................................. 228 Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs ........................... 228 A. Umfang des Nacherfüllungsanspruchs ...................................................... 228
Inhaltsverzeichnis
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B. Leistungsort des Nacherfüllungsanspruchs ................................................ 232 C. Kostentragung des Nacherfüllungsanspruchs ............................................ 234 D. Eigene Stellungnahme .............................................................................. 237
Kapitel 7. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs ................................ 238 A. Unmöglichkeit ......................................................................................... 238 B. Unverhältnismäßigkeit ............................................................................. 240 C. Eigene Stellungnahme .............................................................................. 243
Teil 6. Ausblick: Modernisierung des KBGB........................................... 245 Kapitel 1. Der aktuelle Stand der Modernisierung des KBGB ................. 245 Kapitel 2. Die gestufte Interpretation des Kaufvertrages und die an Rechtsbehelfen orientierte Systematik des Kaufvertrages......... 249
Anhang .................................................................................................. 253 Literaturverzeichnis ............................................................................... 261 Sachregister ........................................................................................... 269
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.F. Abs. AcP AG Alt. Anm. AnwK Art. Aufl. BB Bd. BeckRS Begr. BGB BGH BT-Drucks. bzw. CISG CISG-online DAR Diss. DStR ed. EKG etc. EuGH EuZW FN FS gem. ggf. h.M. HGB Hk Hrsg. HS ICC
anderer Ansicht alte Fassung Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Amtsgericht Alternative Anmerkung Dauner-Lieb, Barbara/Heidel, Thoma/Ring, Gerhard (Hrsg.), AnwaltKommentar BGB, 2005 Artikel Auflage Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Beck-Rechtssachen (Online-Zeitschrift) Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundestagsdrucksache beziehungsweise Übereinkommen der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf Datenbank CISG-online www.cisg-online.ch Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Dissertation Das deutsche Steuerrecht (Zeitschrift) edition Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen et cetera Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Fußnote Festschrift gemäß gegebenenfalls herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Schulze, Reiner (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 7. Aufl., 2012 Herausgeber Halbsatz International Chamber of Commerce
XVI IHR IPRax Jb.J.ZivRWiss. JBGB jurisPK JuS JZ KBGB KBGB-E KBGB-Komm. KHGB KOGH KritV LG lit. LMK MüKo MüKo-HGB n.F Neubearb. NJW NJW-RR NK Nr. OGH OLG PICC RabelZ RIW Rn. S. s. sog. Teilbd. TranspR-IHR u.a. u.U. Uni Univ. usw. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie VersR
Abkürzungsverzeichnis Internationales Handelsrecht (Zeitschrift) Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Japanisches Bürgerliches Gesetzbuch Herberger, Maximilian/Martinek, Michael/Rüßmann, Helmut/Weth, Stephan (Hrsg.), JurisPraxisKommentar BGB, 6. Aufl., 2013 Juristische Schulung (Zeitschrift) JuristenZeitung Koreanisches Bürgerliches Gesetzbuch Änderungsentwurf für das Koreanisches Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar zum Koreanischen Bürgerlichen Gesetzbuch Koreanisches Handelsgesetzbuch Oberster Gerichtshof in Korea Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschrift) Landgericht litera Entscheidungen des Bundesgerichtshofes im Nachschlagewerk von Lindenmaier-Möhring Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland (Hrsg.), Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., 2012 Schmidt, Karsten (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 2007 neue Fassung Neubearbeitet Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift -Rechtsprechungsreport Dauner-Lieb, Barbara/Langen, Werner (Hrsg.), NomosKommentar BGB, 2. Aufl., 2012 Nummer Oberster Gerichtshof Oberlandesgericht The UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Randnummer Seite; Satz siehe so genannt Teilband Transportrecht (Zeitschrift) - Beilage „Internationales Handelsrecht“ und andere unter Umständen Universität Universität und so weiter Richtlinie 1999/44/EG vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter Versicherungsrecht (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis vgl. Vol. Vorbem. z.B. ZEuP ZGS ZIP zit. ZVglRWiss
vergleiche Volume Vorbemerkung zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für das Gesamte Schuldrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
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Teil 1
Einleitung Der Kaufvertrag ist heutzutage der am häufigsten geschlossene Vertragstyp, der auch vor Staatsgrenzen keinen Halt macht. Aus diesem Grund haben die Vereinten Nationen am 11.04.1980 ein Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf geschaffen, um den internationalen Handelsverkehr zu vereinfachen und zu fördern; dieses Übereinkommen trägt das Kürzel CISG (Convention on Contracts for the International Sale of Goods). Auch Korea hat das CISG im Jahre 2004 ratifiziert, woraufhin es dort am 01.03.2005 in Kraft getreten ist. Daher ist das CISG in Korea nicht mehr nur ein Rechtsmodell, sondern vielmehr geltendes Recht. Der Beitritt zum CISG ist jedoch in Bezug auf das Verhältnis zum KBGB nicht unproblematisch. Die Systematik der Leistungsstörung des CISG baut auf einem ganz anderen Grundgedanken auf als die entsprechenden Regelungen im KBGB: Das Leistungsstörungsrecht des CISG ist als eine an Rechtsbehelfen orientierte Systematik konzipiert, während im KBGB die Unmöglichkeit der Leistung im Mittelpunkt steht. Infolgedessen gilt im Falle von Leistungsstörungen bei Inlandskäufen ein völlig anderes Rechtsregime als bei internationalen Kaufverträgen. Das KBGB wird als hybride, vom europäischen Zivilrecht beeinflusste Regelung bewertet. Darüber hinaus trägt die Theorie des koreanischen Zivilrechts bei seiner Entwicklung zum großen Teil Züge der deutschen Zivilrechtsdogmatik. In diesem Sinne kann das BGB durchaus als Vorbild des KBGB gesehen werden. In Deutschland wurde das Schuldrecht im BGB in Anlehnung an das CISG im Jahre 2002 einer Reform unterzogen, sodass schon jetzt das Recht der Leistungsstörungen für den innerdeutschen wie für den internationalen Kaufvertrag beinahe einheitlich ist. Diese Schuldrechtsmodernisierung wird als eine große systematische Veränderung des BGB bewertet, für die das CISG wichtige Impulse gab. Aufgrund des starken Einflusses der deutschen Lehre auf das KBGB war zu erwarten, dass die Schuldrechtsmodernisierung in Deutschland auch Modernisierungsbestrebungen für das KBGB hervorrufen würde. Tatsächlich hat am 7.10.2008 das koreanische Justizministerium einen Plan zur Modernisierung des KBGB angekündigt. Demnach sollte das KBGB ab
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1 Teil: Einleitung
dem Jahr 2009 binnen vier Jahren schrittweise novelliert werden. Anders als angekündigt wurden jedoch bislang nur wenige Vorschriften novelliert, eine umfassende Modernisierung des Schuldrechts im KBGB wurde dagegen noch nicht einmal begonnen. Dennoch ist man sich sicher, dass für die anstehenden Modernisierungen des KBGB das CISG eine große Rolle spielen wird, weil die Novellierung auch eine Angleichung an globale Vertragsstandards zum Ziel hat. Erst nach der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 wurde der Nacherfüllungsanspruch als Rechtsbehelf des Käufers im BGB eingeführt, während es im CISG nie anders war. Daher wird der Nacherfüllungsanspruch im BGB n.F. nicht nur als ein infolge der Schuldrechtsmodernisierung neu eingeführter, sondern als zentraler bzw. primärer Rechtsbehelf des Käufers betrachtet. Denn im Regelfall ist die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs Voraussetzung für die Geltendmachung anderer Rechtsbehelfe. In diesem Sinne ist die Nacherfüllung zugleich auch eine zweite Andienungsmöglichkeit des Verkäufers. Noch weiter geht das CISG: Dort ist sogar ein Nacherfüllungsrecht des Verkäufers statuiert. Wenn durch die Nacherfüllung der einmal gestörte Kaufvertrag nachträglich, aber immerhin vertragsgemäß durchgeführt wird, kann der Verkäufer sich den Erhalt des Kaufpreises in vollem Umfang sichern. In diesem Sinne kann die Nacherfüllung als Schnittstelle des Interesses beider Vertragsparteien betrachtet werden. Der Nacherfüllungsanspruch fällt wegen seiner besonderen Eigenart auf: Er liegt in der Leistung in natura, während andere Rechtsbehelfe regelmäßig in Form von Geldtransaktion vorgenommen werden. Zu beachten ist zudem, dass der Käufer mit Hilfe des Nacherfüllungsanspruchs das erlangen kann, was er sich vom Kaufvertrag erwartet hat. Das Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch und dem Nacherfüllungsanspruch stellt jedoch ein gewisses Problem dar, weil der im Rahmen der Nacherfüllung verfolgte Endzustand mit dem des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs identisch ist, sich aber in der Zwischenzeit Veränderungen ergeben haben können. Bislang wird der Nacherfüllungsanspruch im BGB lediglich als modifizierter Erfüllungsanspruch verstanden. In diesem Sinne wird er im Schrifttum unter Berücksichtigung der engen Verbindung zum ursprünglichen Erfüllungsanspruch ausgelegt. Dem Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers wird bisher dagegen wenig Beachtung geschenkt. Trotzdem stellt das Charakteristikum des Nacherfüllungsanspruchs einen neuen Brennpunkt des Kaufrechts dar. Die Vorschriften über den Nacher-
1. Teil: Einleitung
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füllungsanspruch im BGB haben einen europäischen Hintergrund, nämlich den der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. In jüngster Zeit hat das EuGH ein neues Urteil hinsichtlich des Umfangs der Ersatzlieferung nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gefällt, dessen Auslegung für die Nacherfüllung im BGB verbindlich ist. 1 Nach dem Tenor des EuGH-Urteils können im Rahmen der Nacherfüllung dem Verkäufer auch solche Pflichten auferlegt werden, die über die ursprünglichen Pflichten aus dem Kaufvertrag hinausgehen. Mit diesem Urteil wird ein neuer Blickwinkel auf Nacherfüllungsanspruch eröffnet. Infolgedessen ist auf der wissenschaftlichen Ebene der Nacherfüllungsanspruch unter diesem neuen Gesichtspunkt – nämlich seiner Eigenschaft als Rechtsbehelf – zu beleuchten. Für das KBGB gibt es demgegenüber keine tiefgreifenden Diskussionen über den Nacherfüllungsanspruch. Eigentlich findet sich im Kaufrecht des KBGB nur eine Vorschrift im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs, nach der der Käufer Ersatzlieferung nur beim Gattungskauf verlangen kann. Die Nachbesserung ist in den Vorschriften über den Kaufvertrag dagegen überhaupt nicht kodifiziert. Aus diesem Grund ist es fraglich, auf welche Weise der Nacherfüllungsanspruch dem Käufer als Rechtsbehelf eingeräumt ist. Dies ist nicht einfach zu beantworten, weil es im KBGB eine klare Trennung zwischen der allgemeinen Leistungsstörungs- und der Mängelgewährleistungshaftung gibt, die dem Konzept des BGB a.F. ähnelt. Darüber hinaus werden auch andere Problemfelder der Nacherfüllung, nämlich Umfang, Leistungsort sowie Kostentragung der Nacherfüllung im Schrifttum kaum diskutiert. Daher erscheint die vorliegende rechtsvergleichende Untersuchung hinsichtlich des Nacherfüllungsanspruchs zwischen drei Rechtsregimen besonders wichtig. Bedeutende Punkte des Nacherfüllungsanspruchs, nämlich seine Tatbestandsvoraussetzungen, seine Geltendmachung sowie die Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs und schließlich dessen Ausschluss, sind unter dem oben erwähnten neuen Gesichtspunkt – dem Nacherfüllungsanspruch als wirksamer Abhilfemöglichkeit des Käufers – zu beleuchten. Dieser neue Ansatz geht eigentlich auf wirtschaftliche Veränderungen zurück. Heutzutage leben wir in einer Marktwirtschaft, die eine neue gesellschaftliche wie rechtliche Struktur mit sich bringt. Diese veränderte Rechtswirklichkeit ist auch Hintergrund der neuen Betrachtung der Nacherfüllung. Auch dies soll in der folgenden Untersuchung beleuchtet werden. Zudem soll der aktuelle Stand der Modernisierung des KBGB betrachtet werden. Schließlich sollen anhand der Ergebnisse dieser Untersuchung 1
EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988.
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1 Teil: Einleitung
Vorschläge zur Richtung und Systematik der KBGB-Modernisierung unterbreitet werden.
Teil 2
Nacherfüllung im CISG Kapitel 1. Grundstruktur der Rechtsbehelfe des Käufers Kapitel 1. Grundstruktur der Rechtsbehelfe des Käufers
A. Struktur der Rechtsbehelfe des Käufers gem. Art. 45 Die Systematik des CISG ist als ein an Rechtsbehelfen orientiertes Konstrukt zu verstehen, nach dem die Rechtsbehelfe der Parteien im Vordergrund stehen. Dementsprechend ist der Kaufvertrag im CISG derart geregelt, dass verschiedene rechtliche Mechanismen am Ende zu Rechtsbehelfen konvergieren können, um das Interesse der Vertragsparteien zu schützen. In diesem Sinne fungiert Art. 45 als grundlegende Norm der Rechtsbehelfe des Käufers. 1 Art. 45 verschafft dem Käufer einen Überblick über seine Rechtsbehelfe, die ihm bei der Vertragsverletzung seitens des Verkäufers zur Verfügung stehen.2 Dieser Norm ist ferner zu entnehmen, wie die Rechtsbehelfe des Käufers im CISG ausgestaltet sind. Zuvorderst setzen alle in Art. 45 genannten Rechtsbehelfe des Käufers eine Vertragsverletzung des Verkäufers voraus. Nach Art. 45 Abs. 1 liegt eine solche vor, wenn eine der Pflichten aus dem Vertrag oder dem CISG nicht erfüllt wird.3 In diesem Falle kann der Käufer die in Art. 45 vorgesehenen Rechtsbehelfe als Rechtsfolge der Nichterfüllung der Pflicht geltend machen. Diese Konstruktion haben alle Rechtsbehelfe gemeinsam.4 Unter die Vertragsverletzung sind sämtliche Formen der Pflichtverletzung des Verkäufers zu subsumieren. 5 Daher spielt die Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenpflichten des Verkäufers im Rahmen der Rechtsbehelfe des CISG auf dieser Ebene keine Rolle. Ebenso ist insoweit auch noch ir-
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MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 1. Ferrari/Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 1. 3 Die Vertragsverletzung ist synonym mit der Nichterfüllung im Sinne des Art. 45 Abs. 1: Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 5. 4 MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 4; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 10. 5 Ferrari/Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 2; MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 3; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 17. 2
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
relevant, ob die Pflichten des Verkäufers vertraglicher Natur oder im CISG normiert sind.6 Die Art der Vertragsverletzung ist nur bei den Tatbestandsvoraussetzungen einzelner Rechtsbehelfe bedeutsam – beispielsweise kann der Käufer den vertraglichen Kaufpreis gem. Art. 50 nur bei Sachmängeln mindern,7 während er bei Nichtlieferung der Ware oder bei Verletzung einer Nebenpflicht keine Minderung geltend machen kann. Obwohl Art. 45 keine formelle Unterscheidung zwischen den Arten der Vertragsverletzung entnommen werden kann, wird in Bezug auf die einzelnen Rechtsbehelfe sehr wohl differenziert.8 Bedeutend ist dabei auch das Ausmaß der Vertragsverletzung, 9 wobei das CISG zwischen der wesentlichen und der unwesentlichen Vertragsverletzung unterscheidet. Was unter einer wesentlichen Vertragsverletzung zu verstehen ist, bestimmt Art. 25. Diese Vorschrift gehört zu den allgemeinen Bestimmungen des Übereinkommens. Daher erstreckt sich ihr Anwendungsbereich auf sämtliche Regelungen des CISG, sodass der Begriff der wesentlichen Vertragsverletzung stets einheitlich auszulegen ist.10 Dem Begriff kommt eine zentrale Bedeutung zu, denn bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen, die den Grad des Art. 25 erreichen, kann der Käufer ohne Nachfristsetzung die Vertragsaufhebung erklären.11 Alternativ kann er gem. Art. 46 Abs. 2 Ersatzlieferung fordern. Im CISG normiert ist auch der Sachmangel, dessen Vorliegen gem. Art. 35 ebenfalls eine Vertragsverletzung begründet. Gemäß dieser Vorschrift ist der Sachmangel von anderen Vertragsverletzungen, insbesondere der Nichtlieferung, abzugrenzen, was für den Tatbestand der einzelnen Rechtsbehelfe des Käufers bedeutsam ist. Neben dem Bestehen einer Pflichtverletzung spielen auch unterschiedliche Maße oder Formen der Pflichtverletzung für die jeweiligen Rechtsbehelfe des Käufers eine Rolle.12 Art. 45 gewährt dem Käufer unter der Vo-
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MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 4. Ferrari/Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 2; MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 5; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 12; Bucher/Schlechtriem, Wiener Kaufrecht, S. 132. 8 MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 5. 9 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 36; Staudinger/Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 10. 10 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 36; MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 5. 11 Ferrari/Ferrari, Art. 25 CISG, Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 25 CISG, Rn. 2; MüKo/Gruber, Art. 25 CISG, Rn. 1; Hoyer/Posch/Aicher, S. 111. 12 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 29. 7
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raussetzung der Nichterfüllung der Verkäuferpflichten ein Bündel von Rechtsbehelfen, unter denen er nach Belieben wählen kann.13 Art. 45 ist gleichwohl eher als Verweisungsnorm zu verstehen und hat daher deklaratorischen Charakter:14 Er bildet zwar den Ausgangspunkt für alle Rechtsbehelfe des Käufers, jedoch werden die jeweiligen Rechtsbehelfe an gesonderte Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft. Eine Ausnahme gilt für den Schadensersatz, dessen unmittelbare Anspruchsgrundlage Art. 45 Abs. 1 lit. b ist,15 da die Art. 74-77 lediglich Bestimmungen über die Berechnung und den Umfang des Schadensersatzes darstellen, nicht aber seine Voraussetzungen normieren.16 Im Vergleich zu anderen Rechtsbehelfen des Käufers gilt der Schadensersatz in diesem Sinne als allgemeiner Rechtsbehelf, weil außer der Vertragsverletzung keine andere Tatbestandsvoraussetzung erforderlich ist.17 Da Art. 45 wie erwähnt nur eine einheitliche Grundlage für die jeweils besonderen Vorschriften unterliegenden Rechtsbehelfe darstellt, kann der Käufer nicht etwa alle in Art. 45 statuierten Rechtsbehelfe kumulativ geltend machen, sondern hat die sich aus dem Inhalt und den Tatbestandsvoraussetzungen ergebenden Einschränkungen der jeweiligen Rechtsbehelfe zu beachten. So kann er z.B. nicht gleichzeitig inhaltlich inkompatible Rechtsbehelfe geltend machen.18 Beispielsweise kann der Käufer nicht die Nacherfüllung gem. Art. 46 Abs. 2, 3 zugleich mit der Vertragsaufhebung gem. Art. 49 verlangen, da im Gegensatz zur Vertragsaufhebung der Nacherfüllungsanspruch inhaltlich auf die Aufrechterhaltung des Vertrags abzielt. Auch hier gilt für den Schadensersatz gem. Art. 45 Abs. 2 wieder eine Ausnahme dergestalt, dass der Käufer den Schadensersatz stets neben anderen Rechtsbehelfen verlangen kann.
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So auch Ferrari/Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 3. MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 1; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 6. 15 Staudinger/Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 18; MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 45 CISG, Rn. 1; Herber/Czerwenka, Art. 45 CISG, Rn. 5; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 45 CISG, Rn. 1; MüKoHGB/Benicke, Art. 45 CISG, Rn. 2; BGH, 24.3.1999, NJW 1999, S. 2440–2442 = CISGonline Nr. 396. 16 Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 45 CISG, Rn. 1; MüKo-HGB/Benicke, Art. 45 CISG, Rn. 2; MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 2; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 45 CISG, Anm. 4; Bianca/Bonell/Will, Art. 45 CISG, Anm. 2.1.1. 17 Ferrari/Saenger, Art. 45 CISG, Rn. 8. 18 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 11; Staudinger/Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 16. 14
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Die in Art. 45 normierte Haftung des Verkäufers entsteht ohne Rücksicht darauf, welche Ursache der Pflichtverletzung zugrunde liegt.19 Zudem setzt die Haftung im Sinne des Art. 45 kein Verschulden des Verkäufers voraus, sodass es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt.20 Alle in Art. 45 genannten Rechtsbehelfe knüpfen allein an die objektive Nichterfüllung der Pflichten des Verkäufers an. Nur in Bezug auf den Schadensersatz wird in Art. 79 eine Befreiungsmöglichkeit normiert, die an die Ursache des Schadens anknüpft. Der Schadensersatzanspruch kann demgemäß unter der engen Voraussetzung des Art. 79 Abs. 1 ausgeschlossen sein, dennoch bleiben in diesem Fall die anderen Rechtsbehelfe unberührt, da nach dem klaren Wortlaut des Art. 79 Abs. 5 die Entlastungsmöglichkeit des Art. 79 Abs. 1 nur für den Schadensersatz gilt.21 B. Position des Nacherfüllungsanspruchs unter den Rechtsbehelfen des CISG I. Vorrang des Erfüllungsanspruchs Der Erfüllungsanspruch in Art. 46 nimmt unter den Rechtsbehelfen des Käufers eine besondere Stellung ein. Im Vergleich zu den anderen Rechtsbehelfen richtet sich dieser Anspruch auf die Erfüllung der Leistung in natura, die der Verkäufer aus dem Kaufvertrag schuldet. Wenn der Verkäufer seine Pflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, stellt dies eine Vertragsverletzung dar, wodurch dem Käufer ein Anspruch gem. Art. 46 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 lit. a zusteht, nach dem er die vertragsmäßige Erfüllung der Pflichten verlangen kann. D.h. der Käufer kann trotz der zunächst vorliegenden Störung bei der Vertragsabwicklung die geschuldete Leistung des Verkäufers in vollem Umfang und mit dem ursprünglich vereinbarten Inhalt verlangen.22 Deswegen wird auch die Geltendmachung anderer Rechtsbehelfe eingeschränkt, da bei der Nacherfüllung die bestehende Vertragsverletzung, die Voraussetzung für die weiteren Rechtsbehelfe ist, mit Hilfe des Erfüllungsanspruchs gem. Art. 46 behoben 19
Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 10. Herber/Czerwenka, Art. 45 CISG, Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 8; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 23, S. 477; MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 3; MüKo-HGB/Benicke, Art. 45 CISG, Rn. 2; Witz/Salger/Lorenz, Art. 45 CISG, Rn. 8; Enderlein/Maskow/ Strohbach, Art. 45CISG, Anm. 5. 21 Staudinger/Magnus, Art. 45 CISG, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 8; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 45 CISG, Rn. 3. Nach a.A. erstreckt sich die Befreiungsmöglichkeit gem. Art. 79 trotz des Wortlautes des Art. 79 Abs. 5 auf andere Rechtsbehelfe des Käufers (Herber/Czerwenka, Art. 45 CISG, Rn. 3). 22 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 2. 20
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wird. Eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpflichten spielt für den Nacherfüllungsanspruch keine Rolle.23 Fraglich ist vielmehr, ob die Erfüllung und Durchführung des Vertrags als primäres Ziel des CISG angesehen werden kann. Wenn nach Art. 46 der Käufer Erfüllung in natura verlangt, ist er nicht mehr berechtigt, den Kaufvertrag aufzulösen.24 Durch die Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs gem. Art. 46 kann der Vertrag wie vorgesehen abgewickelt werden, anstatt wie beim Schadensersatz in ein auf Geldzahlung gerichtetes Schuldverhältnis umgewandelt zu werden. In diesem Sinne steht der Erfüllungsanspruch aus Art. 46 jedenfalls an der Spitze der Rechtsbehelfe des Käufers.25 Dass die Aufrechterhaltung des Vertrags ein primäres Ziel des CISG ist, könnte man auch Art. 49 entnehmen: Grundsätzlich kann der Käufer nach dieser Vorschrift nur bei einer schwerwiegenden Vertragsverletzung den Vertrag auflösen. Aus dieser strengen Anforderung ergibt sich, dass die Vertragsaufhebung nur die ultima ratio unter den Rechtsbehelfen des Käufers darstellt. 26 Ist die Vertragsverletzung hingegen nicht wesentlich, soll der Käufer nur durch solche Rechtsbehelfe Befriedigung erlangen, die den Erhalt des Vertrags garantieren.27 Beispielsweise kann der Käufer im Falle der Nichtlieferung des Verkäufers gem. Art. 49 Abs. 1 lit. b nur dann die Vertragsaufhebung erklären, wenn die vom Käufer gesetzte Nachfrist erfolglos abgelaufen ist. Durch dieses Nachfristsetzungserfordernis erhält der Verkäufer eine zusätzliche Chance, seine Vertragsverletzung zu beheben und damit den Kaufpreis zu erhalten.28 Art. 48 Abs. 1 verdeutlicht, dass dem Verkäufer nach einer Vertragsverletzung seinerseits grundsätzlich das Recht zur Behebung der Vertragsverletzung – gewissermaßen eine „zweite Chance“ – zusteht.29 Nach Art. 48 Abs. 1 kann der Verkäufer vorbehaltlich bestimmter Einschränkungen seine Vertragsverletzung auch nach dem Liefertermin selbst beseitigen und
23 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 1; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 46 CISG, Rn. 2. 24 In diesem Sinne MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 2. 25 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 4. 26 MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 6; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 32; OLG Hamburg, 25.1.2008 = CISG-online Nr. 1681; OLG Köln, 14.10.2002, RIW 2003, S. 300, 301 = CISG-online Nr. 709; BGH, 3.4.1996, NJW 1996, S. 2356-2367 = CISGonline Nr. 135 („[…] Art. 49 CISG, der das Recht zur Vertragsaufhebung als „ultima ratio“ umfassend und abschließend regele […]“; „[d]ie Rückabwicklung soll, […], dem Käufer nur als letzte Möglichkeit zur Verfügung stehen, […]“). 27 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 32. 28 MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 7. 29 Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 1; MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 8.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
somit dafür sorgen, dass der Vertrag durchgeführt wird. 30 Dadurch wird eine Umgestaltung des Vertrags, z.B. durch Auflösung des Vertrags und die Begründung eines auf Geldersatz gerichteten Schuldverhältnisses vermieden. Aus dieser grundlegenden Struktur der Rechtsbehelfe ergibt sich, dass die Erfüllung des Vertrags das primäre Ziel des CISG ist.31 Hingegen sprechen sich einige Ansichten gegen den Primat des Vorrangs vom Nacherfüllungsanspruch aus.32 Demnach bestehe im CISG kein Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs, da der Käufer im Fall der Vertragsverletzung des Verkäufers nicht gezwungen sei, den Erfüllungsanspruch geltend zu machen.33 Andere argumentieren, dass die Beschränkung der Auflösung des Vertrags nicht aus dem Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs resultiere, sondern aus der Nachfristsetzung gem. Art. 47, und damit sein Anhaltspunkt vielmehr im Nacherfüllungsrecht des Verkäufers gem. Art. 48 sowie in der Schwere der Vertragsverletzung gem. Art. 49 zu finden sei.34 M.E. spiegelt diese Auseinandersetzung die herausgehobene Stellung des Nacherfüllungsanspruchs im Rechtsbehelfssystem des Käufers wider. Einerseits ist der Nacherfüllungsanspruch gem. Art. 46 eine wichtige Abhilfe des Käufers, die ihm wie andere Rechtsbehelfe in Art. 45 eingeräumt wird. Andererseits wird durch den Nacherfüllungsanspruch die Durchführung des Vertrags gewährleistet. Mit Hilfe des Nacherfüllungsanspruchs kann der Käufer trotz der Erfüllungsschwierigkeiten erhalten, was er aufgrund des Vertrags erwartet hat. Dies ist die Eigenart des Nacherfüllungsanspruchs, der sich insoweit grundlegend von anderen Rechtsbehelfen unterscheidet. Die vereinbarungsgemäße Abwicklung des Vertrags durch den Nacherfüllungsanspruch ist aber nicht nur für den Käufer, sondern auch für den Verkäufer von großer Bedeutung. Denn dadurch kann er sicherstellen, dass 30
So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 2. Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 1; Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 2; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 4; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 32; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 1; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 230; Verweyen, Diss. (Uni Hamburg, 2005), S. 65; Vahle, ZVglRWiss 98 (1999), S. 55; Handelsgericht des Kantons Aargau, 5. 11. 2002 = CISG-online Nr. 715. 32 Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 46 CISG, Rn. 1; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 2. 33 MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 2; nach dieser Ansicht bringen die Regelungen in Art. 46 bis 49 lediglich zum Ausdruck, dass die Durchführung des Vertrags beachtet werden soll. Die Erfüllung des Vertrags sei daher von der Durchführung des Vertrags zu differenzieren. Dies ist m.E. widersprüchlich, denn die Durchführung des Vertrags setzt eine ordnungsgemäße Erfüllung voraus, weswegen beides nicht getrennt werden kann. 34 Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 46 CISG, Rn. 1. 31
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er den Kaufpreis in vollem Umfang erhält und gleichzeitig die Geltendmachung anderer, für ihn möglicherweise sehr kostspieliger, Rechtsbehelfe vermieden werden. Aus der Erwägung der Interessenlage beider Parteien kommt dem Verkäufer das Nacherfüllungsrecht gem. Art. 48 als eigenständiges Recht zu: Selbst wenn der Nacherfüllungsanspruch gem. Art. 46 vom Käufer nicht geltend gemacht wird, kann der Verkäufer gem. Art. 48 den Mangel seiner Pflichterfüllung nachträglich beheben. Die Reichweite dieser Vorschrift ist jedoch umstritten.35 Der Nacherfüllungsanspruch des CISG ist als Rechtsbehelf und nicht als logische Folge der Leistungspflicht zu verstehen, 36 d.h. die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs stellt eine von verschiedenen Abhilfsalternativen dar, die dem Käufer als Ausgleich für die Vertragsverletzung des Verkäufers zur Verfügung stehen. 37 Diese Einordnung des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf steht m.E. aber nicht dem Primat des Vorranges des Nacherfüllungsanspruchs entgegen. 38 Denn wie oben erwähnt, dient der Nacherfüllungsanspruch dem Interesse beider Parteien. Und wenn ein Rechtsbehelf sowohl den Interessen des Käufers als auch denen des Verkäufers entspricht, muss dieser Rechtsbehelf notwendigerweise gegenüber anderen vorrangig sein. II. Der Nacherfüllungsanspruch im Rahmen des Erfüllungsanspruchs gem. Art. 46 Art. 46 beinhaltet nicht einen einzigen und einheitlichen Erfüllungsanspruch, der in allen Fällen der Vertragsverletzung anwendbar ist. 39 Vielmehr stellt Art. 46 Abs. 1 eine allgemeine Anspruchsgrundlage für den Nacherfüllungsanspruch dar,40 wobei die weiteren Art. 46 Abs. 2, 3 Besonderheiten normieren. Im Zusammenhang mit dem generellen Erfüllungsanspruch aus Art. 46 Abs. 1 ergibt sich, dass der Nacherfüllungsanspruch auf eine Leistung in natura gerichtet ist und damit auf die ordnungsgemäße 35
Eingehend MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 8. So auch MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 3; Bianca/Bonell/Will, Art. 46 CISG, Anm. 2.1; vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 2 (der Erfüllungsanspruch stellt eine Mischung der verschiedenen Rechtstraditionen dar. Die Ausgestaltung des Erfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf geht auf die Grundgedanken des Common Law zurück). 37 In diesem Sinne MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 3 (dies wird als Rechtsbehelf („remedy“) ausgestaltet). 38 Der Vorrang des Erfüllungsanspruchs ist ein Charakteristikum, das aus der kontinentaleuropäischen Rechtstradition, nämlich dem Verständnis des Erfüllungsanspruchs als Konsequenz aus der Leistungspflicht stammt (Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 2). 39 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 3. 40 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 4; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 4. 36
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Durchführung des Vertrags abzielt. Trotzdem kommt der Nacherfüllungsanspruch nur dann in Betracht, wenn die Vertragsverletzung des Verkäufers in der Lieferung einer vertragswidrigen Ware besteht. In diesem Sinne stellen Art. 46 Abs. 2, 3 eine Sonderregelung des Erfüllungsanspruchs dar, die diesen modifizieren.41 Zudem ist der Nacherfüllungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 2, 3 eine Konkretisierung des Erfüllungsanspruchs, da der Käufer eine Zusicherung erhält, nach der Lieferung der mangelhaften Ware doch noch eine vertragsgemäße Ware zu erhalten. Den Nacherfüllungsanspruch gibt es daher in zwei Erscheinungsformen – in Gestalt des Ersatzlieferungsanspruchs gem. Art. 46 Abs. 2 und in Gestalt des Nachbesserungsanspruchs gem. Art. 46 Abs. 3, d.h. die Pflichtverletzung des Verkäufers kann dadurch nachträglich überwunden werden, dass entweder nach Art. 46 Abs. 2 die ursprünglich gelieferte vertragswidrige Ware gegen die vom Verkäufer bereitgestellte vertragsmäßige Ersatzware ausgetauscht wird oder dass nach Art. 46 Abs. 3 die Vertragswidrigkeit der ursprünglichen Ware durch einen besonderen Einsatz des Verkäufers beseitigt wird (Reparatur). Da der Nacherfüllungsanspruch genau auf den im Vertrag ursprünglich vereinbarten Zustand der Ware abzielt, wird der Erhalt der vertragsmäßigen Ware seitens des Käufers gesichert, auch wenn die vertragswidrige Ware dem Käufer geliefert und von diesem angenommen wurde. Zudem können seine Erwartungen sowie das damit verbundene Interesse an der ordnungsgemäßen Abwicklung des Kaufvertrages durch seinen Nacherfüllungsanspruch gewahrt werden. Für den Verkäufer ist dies bedeutsam, da der Käufer somit nicht mehr berechtigt ist, andere Rechtsbehelfe, wie z.B. Vertragsaufhebung gegen ihn geltend zu machen. In diesem Sinne stehen dem Käufer nach Art. 46 drei Erfüllungsansprüche als unterschiedliche und selbstständige Rechtsbehelfe zu.42 Obwohl der Ersatzlieferungsanspruch aus Art. 46 Abs. 2 und der Nachbesserungsanspruch aus Art. 46 Abs. 3 theoretisch beide unter den Begriff des Nacherfüllungsanspruchs subsumiert werden können, gelten für sie unterschiedliche Voraussetzungen, die die Eigenarten der beiden Nacherfüllungsansprüche determinieren. In Art. 46 Abs. 2 ist die Wesentlichkeit der Vertragswidrigkeit der Ware als Tatbestandsvoraussetzung des Ersatzlieferungsanspruchs vorgeschrieben. Für den Nachbesserungsanspruch dagegen schreibt Art. 46 Abs. 3 die Zumutbarkeit der Nachbesserung als Voraussetzung vor. Aufgrund dessen ist der Anwendungsbereich der Nacherfüllungsansprüche gem. Art. 46 Abs. 2, 3 im Vergleich zu dem des Erfüllungsanspruchs gem. Art. 46 Abs. 1 in gewissem Maße beschränkt.43 Darü41
Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 3. Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 3, 6. 43 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 8. 42
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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ber hinaus ist der Nacherfüllungsanspruch befristet, während es für den Erfüllungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 1 keine zeitliche Begrenzung gibt. Mit der angemessenen Frist für die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs wird der Verkäufer davor geschützt, zu lange in ungewissem Zustand über die Wahl der Rechtsbehelfe durch den Käufer zu verbleiben.44
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung In Art. 45 wird klargestellt, dass alle Rechtsbehelfe des Käufers die Vertragsverletzung als einheitlichen Tatbestand voraussetzen.45 Wenn der Verkäufer irgendeine Pflicht aus Vertrag oder CISG nicht erfüllt, kann der Käufer die in Art. 46 bis 52 eingeräumten Rechtsbehelfe sowie Schadensersatz gem. Art. 74 bis 77 geltend machen – Art. 45 Abs. 1 lit. a fungiert hingegen nur als bloße Verweisungsnorm. Rechtsgrundlage für den jeweiligen Rechtsbehelf ist also jeweils nur die Vorschrift, auf die verwiesen wird.46 Für die Frage nach der Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen Rechtsbehelfe ist nach Art und Schwere der Vertragsverletzung zu differenzieren, 47 denn die in Art. 45 aufgezählten Rechtsbehelfe knüpfen an unterschiedliche Formen der Vertragsverletzung an. Art. 46 normiert die drei Rechtsbehelfe, die auf Erfüllung in natura gerichtet sind.48 Nach Art. 46 Abs. 1 kann der Käufer vom Verkäufer die Erfüllung seiner Pflicht verlangen, wenn dieser sie entweder überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.49 Eigentlich müsste dieser allgemeine Erfüllungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 1 für alle Vertragsverletzungen des Verkäufers gelten, weil Art. 45 nur die Vertragsverletzung als einheitlichen Tatbestand für die Rechtsbehelfe vorsieht. Tatsächlich kann der Käufer aber nur dann Ersatzlieferung gem. Art. 46 Abs. 2 sowie Nachbesse44
Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 5. MüKo/Huber, Art. 45, Rn. 4; MüKo-HGB/Benicke, Art. 45 CISG, Rn. 1; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 227. 46 MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 2; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 6. Dagegen ist Art. 45 Abs. 1 lit. b eine eigene Anspruchsgrundlage für den Schadensersatz (MüKo/Huber, Art. 45 CISG, Rn. 1; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 45 CISG, Rn. 1). 47 In diesem Sinne MüKo-HGB/Benicke, Art. 45 CISG, Rn. 1; Honsell/Schnyder /Straub, Art. 45 CISG, Rn. 11. 48 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 228. 49 MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 3. 45
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
rung gem. Art. 46 Abs. 3 fordern, wenn die Vertragsverletzung des Verkäufers in der Lieferung einer vertragswidrigen Ware besteht.50 In diesem Sinne können die beiden Nacherfüllungsansprüche des Art. 46 Abs. 2, 3 als Unterform des allgemeinen Nacherfüllungsanspruchs aus Art. 46 Abs. 1 verstanden werden. 51 Art. 46 Abs. 2, 3 fungieren als Sondervorschriften, die den Erfüllungsanspruch bei Lieferung vertragswidriger Ware konkretisieren sowie einschränken. 52 Demnach setzen Ersatzlieferungs- sowie Nachbesserungsanspruch zunächst den Tatbestand des allgemeinen Erfüllungsanspruchs voraus und damit eine Vertragsverletzung, die in der Lieferung der vertragswidrigen Ware liegt.53 Somit ist Art. 46 Abs. 1 allgemeine Anspruchsgrundlage für sämtliche Erfüllungsansprüche, während Art. 46 Abs. 2, 3 besondere Regelungen für den Nacherfüllungsanspruch enthalten.54 Trotz dieser Ausgestaltung des Art. 46 werden die drei Ansprüche aus Art. 46 als unterschiedliche sowie eigenständige Rechtsbehelfe angesehen.55 Daher kann der Käufer nach Belieben einen der ihm kraft Art. 45 eingeräumten Rechtsbehelfe geltend machen, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen. In Art. 46 Abs. 2, 3 wird die Vertragswidrigkeit der Ware als grundlegendes Tatbestandsmerkmal normiert. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich nicht aus Art. 46, sondern aus Art. 35, der die Pflichten des Verkäufers in Kapitel II dieses Übereinkommens regelt. Daraus ergibt sich die Pflicht des Verkäufers, die vertragsmäßige Ware zu liefern. Neben der Vertragswidrigkeit der Ware müssen alle weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein, damit der Käufer die in Art. 45 Abs. 2, 3 genannten Rechtsbehelfe beanspruchen kann. Diesbezüglich werden zeitliche Beschränkungen normiert. Auch wenn die gelieferte Ware gem. Art. 35 vertragswidrig ist, muss der Käufer die Ware vorher untersuchen und dem Käufer rechtzeitig die festgestellte Vertragswidrigkeit anzeigen. Andernfalls verliert der Käufer gem. Art. 38, 39 das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen.
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MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 1. Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 228. 52 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 3. Demgegenüber soll nach differenzierter Ansicht die beschränkende Funktion eher im Vordergrund stehen, weil beide Nacherfüllungsansprüche ohne weiteres dem allgemeinen Erfüllungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 1 entnommen werden können. Die weiteren Voraussetzungen beider Ansprüche schränken den Anwendungsbereich dieser Rechtsbehelfe ein (Honsell/ Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 8). 53 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 5. 54 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 4. 55 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 6. 51
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Zudem sehen Art. 46 Abs. 2, 3 selbst vor, dass die Nacherfüllung nur innerhalb einer angemessenen Frist nach der Anzeige verlangt werden kann. B. Lieferung vertragswidriger Ware als allgemeine Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs Wie bereits erwähnt,56 setzen Art. 46 Abs. 2, 3 als allgemeine Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs streng genommen nur voraus, dass die Ware nicht vertragsgemäß ist. Aus den Vorschriften ergibt sich jedoch, dass auch die erste Lieferung bereits erfolgt sein muss.57 Im Rahmen dieser ersten Lieferung hat dann eine Übernahme der Ware im Sinne des Art. 60 lit. b zu erfolgen. 58 Wenn die wesentliche Vertragsverletzung bereits vor der Übernahme erkennbar ist, muss der Käufer die gelieferte Ware nicht annehmen, sondern kann sie vielmehr zurückweisen. 59 Jedoch kann der Käufer in diesem Fall gleichzeitig mit der Zurückweisung gem. Art. 46 Abs. 2 Ersatzlieferung oder gem. Art. 49 Abs. 1 lit. a Aufhebung des Vertrags verlangen. Fraglich ist insoweit, welche Rechte dem Käufer im Falle der Holschuld (oder in vergleichbaren Konstellationen) zustehen, wenn er wegen Vertragswidrigkeit der Ware die Annahme verweigert. 60 Nach einer Auffassung soll der Käufer in derartigen Fällen nur einen Erfüllungsanspruch gem. § 45 Abs. 1 und nicht einen Ersatzlieferungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 2 geltend machen können.61 Denn in diesem Fall seien dem Verkäufer keine Transportkosten entstanden, sodass es keinen Grund für die Verknüpfung des Anspruchs auf vertragsgemäße Ware mit dem engen Tatbestand des Art. 46 Abs. 2 gebe. Diese Ansicht wird zudem damit begründet, dass die Ersatzlieferung gem. Art. 46 Abs. 2 aufgrund der hohen Transportkosten eine strenge Voraussetzung, also wesentliche Vertragsverletzung, vorsieht. Nach der Gegenansicht kann eine derartige Ausnahme vom Anwendungsbereich des Art. 46 Abs. 2 nicht angenommen werden, da sich aus
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S. Teil 2, Kapitel 2, A. MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 27; Vahle, ZVglRWiss 98 (1999), S. 64. 58 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 54. 59 Dies ist wohl h.M : Honsell/Schnyder/Straub, Art. 60 CISG, Rn. 35; MüKo/Huber, Art. 60 CISG, Rn. 9; MüKo-HGB/Benicke, Art. 60 CISG, Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 60, Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, Art. 60 CISG, Rn. 3; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 60 CISG, Rn. 8. 60 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 28; so auch MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 14. 61 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 19; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 14. 57
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
dem Wortlaut sowie der Entstehungsgeschichte des Art. 46 Abs. 2 keine Anhaltspunkte für eine solche Ausnahme ergäben.62 Die letztgenannte Auffassung ist m.E. überzeugender, denn aus dem Wortlaut des Art. 46 Abs. 2, 3 kann man in der Tat keinen besonderen Grund dafür finden, dass die Lieferung der vertragswidrigen Ware als Tatbestandsmerkmal des Nacherfüllungsanspruchs in Bezug auf den Ersatzlieferungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 2 derart restriktiv auszulegen ist. Vielmehr muss die Lieferung der vertragswidrigen Ware als Grundvoraussetzung für Ersatzlieferung und Nachbesserung einheitlich ausgelegt werden. Die Vertragswidrigkeit der Ware ist von entscheidender Bedeutung, da sie den Nacherfüllungsanspruch auslöst. Dabei beschreibt Art. 30 die wichtigsten Pflichten des Verkäufers. Vor allem ist der Verkäufer nach dieser Vorschrift dazu verpflichtet, die Ware nach Maßgabe des Vertrags und der Vorschriften des CISG zu liefern. Lieferung bedeutet aber nur die Zurverfügungstellung der Ware im Sinne des Art. 31.63 Die Pflichten des Verkäufers zur Lieferung der vertragsgemäßen bzw. mangelfreien Ware ergeben sich daher nicht aus Art. 30, sondern direkt aus Art. 35.64 In diesem Sinne unterscheidet das CISG sehr streng die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung der Ware einerseits und zur Lieferung der „vertragsgemäßen Ware“ andererseits. Art. 35 stellt die zentrale Vorschrift für die Sachmängelhaftung im CISG dar.65 Sie regelt die Leistungspflicht des Verkäufers in Bezug auf die Beschaffenheit der Ware. Danach muss der Verkäufer eine Ware liefern, die allen Anforderungen an die physische Beschaffenheit entspricht.66 Da die Pflicht zur Lieferung der mangelfreien Ware bereits aufgrund des Art. 35 in das allgemeine Pflichtprogramm des Verkäufers integriert ist, stellt die Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware eine Vertragsverletzung dar. Aus diesem Grund gilt für den Sachmangel der Kaufware die allgemeine Haftungsregelung für Vertragsverletzungen – besondere Gewährleistungsrechte für die Mängelhaftung sind im CISG damit entbehrlich.67 Art. 35 normiert auch Kriterien zur Bestimmung der Vertragsmäßigkeit der Ware. Danach gilt jede Qualitäts-, Art- und Mengenabweichung als Vertragswidrigkeit – ebenso eine nicht hinreichende Verpackung. Für die 62 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 54a; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 28. 63 MüKo/Gruber, Art. 30 CISG, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 30 CISG, Rn. 5. 64 MüKo/Gruber, Art. 30 CISG, Rn. 3; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 31 CISG, Rn. 10; Honsell/Ernst/Lauko, Art. 30 CISG, Rn. 9. Aus diesem Grund wird die Lieferung der vertragswidrigen Ware auch als Erfüllung der Lieferungspflicht des Verkäufers angesehen (Staudinger/Magnus, Art. 30 CISG, Rn. 5). 65 Staudiner/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 2. 66 Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 3; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 2. 67 Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 1.
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Bestimmung der Vertragswidrigkeit der Ware ist unerheblich, wie bedeutsam die Abweichung für den Käufer ist – auch eine unerhebliche Vertragswidrigkeit, die auf den Vertragszweck keinen Einfluss hat, stellt eine Vertragsverletzung im Sinne des Art. 35 dar.68 Die Vertragsmäßigkeit der Ware wird anhand eines subjektiven und eines objektiven Fehlerbegriffs bestimmt, die in Art. 35 Abs. 1 einerseits sowie Abs. 2 andererseits zum Ausdruck kommen.69 Danach soll die Ware die Eigenschaften besitzen, die von den Parteien ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden sind, wobei bei stillschweigenden Vereinbarungen der Wille beider Parteien hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen sein muss.70 Die vertragliche Vereinbarung kann sich dabei auch auf andere als die in Art. 35 Abs. 1 genannten Eigenschaften beziehen.71 Wenn die Ware diese Eigenschaften nicht aufweist, ist sie ebenfalls als vertragswidrig im Sinne des Art. 35 anzusehen. Wenn die Parteien über die Beschaffenheit der Ware keine Vereinbarung getroffen haben, gilt ergänzend das objektive Kriterium des Art. 35 Abs. 2,72 d.h. bei der Feststellung von Mängeln besteht ein Prioritätsverhältnis zwischen dem subjektiven und dem objektiven Kriterium. Art. 35 Abs. 2 normiert dabei den Mindeststandard der durch den Verkäufer zu liefernden Ware.73 Dieses objektive Kriterium orientiert sich am mutmaßlichen Parteiwillen in Bezug auf die Beschaffenheit.74 Somit hat im Ergebnis das subjektive Kriterium bei der Ermittlung der Vertragsmäßigkeit der Ware stets Vorrang vor dem objektiven.75 Eine besondere Bedeutung hat dabei der Verwendungszweck der Ware,76 denn dieser bestimmt in besonderem Maße das Interesse des Käufers. Anders als in Art. 35 Abs. 2 vorgesehen, geht daher unter systematischer Betrachtung die Regelung des lit. b der des lit. a vor: Wenn der Verkäufer den Verwendungszweck des Käufers erkennt, muss die Ware gem. Art. 35 Abs. 2 lit. b den Anforderungen entsprechen, derer es zur Erfüllung dieses Verwendungszwecks bedarf. 68 Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 32; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 6. 69 MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 9; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 2. 70 Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 13. 71 Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 15. 72 MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 9; Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 11. 73 Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 17. 74 MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 7; Karollus, UN-Kaufrecht, S. 116. 75 Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 6. In diesem Sinne hat das in Art. 35 Abs. 2 enthaltene objektive Kriterium lediglich ergänzenden Charakter (Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 11). 76 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 12: dabei geht es um Vermutungen für das, was vernünftige Parteien als vertragsgemäße Beschaffenheit vereinbart hätten, wenn sie an die Notwendigkeit entsprechender Abreden gedacht hätten.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Jedoch ist es umstritten, ob der Verkäufer tatsächlich Kenntnis vom Verwendungszweck nehmen muss. Nach herrschender Meinung reicht ein hinreichend deutlicher Hinweis, verlangt doch Art. 35 Abs. 2 lit. b nicht positive Kenntnisnahme des Verkäufers.77 Nach der Gegenansicht ist es nicht ausreichend, dass dem Verkäufer nur die Möglichkeit zur Kenntnisnahme gegeben wird, da dies der wortlautgetreuen Auslegung der originalen englischen Fassung, „particular purpose […] made known to the Seller” widerspreche.78 M.E. ist die h.M. überzeugend. Denn die tatsächliche Kenntnisnahme des Verkäufers kann nur einzelfallabhängig und daher nur subjektiv beurteilt werden. Wenn der Käufer bereits einen objektiv erkennbaren Hinweis zum Ausdruck gebracht hat, soll das daraus resultierende Risiko zu Lasten des Verkäufers, nicht des Käufers gehen.79 Die Einstandspflicht des Verkäufers scheidet jedoch aus, wenn der Käufer auf die Sachkenntnis und das Urteilsvermögen des Verkäufers nicht vertraut hat oder vernünftigerweise nicht vertrauen durfte. Falls dagegen über den Verwendungszweck bereits ausdrücklich oder stillschweigend Vereinbarungen getroffen wurden, gilt Art. 35 Abs. 1, nicht Art. 35 Abs. 2 lit. b. Wenn der besondere Verwendungszweck im Sinne vom Art. 35 Abs. 2 lit. b oder eine andere Parteivereinbarung nicht vorhanden sind, beurteilt sich die Sachmangeleigenschaft am gewöhnlichen Verwendungszweck gem. Art. 35 Abs. 2 lit. a.80 Demnach muss die Ware für die Zwecke geeignet sein, für die sie üblicherweise gebraucht wird. Maßgeblich ist die verobjektivierte Verkehrsauffassung über die Beschaffenheit der Ware, die vom durchschnittlichen Nutzer üblicherweise erwartet wird.81 Da das CISG hauptsächlich den Handelsverkehr von Kaufleuten regelt, muss die Beschaffenheit der Ware vor allem dem kaufmännischen Verwendungszweck entsprechen.82 Dementsprechend steht die Verwendbarkeit für den Weiter-
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MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 11; Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 28; Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 19; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 8. 78 Hervorhebung durch den Verfasser. Eingehend Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 18. So auch LG Regensburg, 17.12.1998, TranspR-IHR 2000, S. 30, 31 = CISGonline Nr. 514. 79 Eher kritisch über derartige Risikoverteilung: Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 18. 80 MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 16; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 10. 81 Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 18; Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 13; MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 16; Kantonsgericht Glarus, 6.11.2008, CISG-online Nr. 1996; LG Coburg, 12.12.2006, IHR 2007, S. 117–123 = CISG-online Nr. 1447. 82 Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35, Rn. 14.
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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verkauf im Vordergrund. 83 Diesbezüglich zählt die Rechtsprechung zum gewöhnlichen Gebrauch im internationalen Groß- und Zwischenhandel vornehmlich den Wiederverkauf der Ware.84 Gem. Art. 35 Abs. 2 lit. a ist der Verkäufer verpflichtet, Ware durchschnittlicher Art und Qualität zu liefern, wenn kein besonderer Verwendungszweck ersichtlich ist.85 Wenn der Verkäufer eine Probe oder ein Muster vorgelegt hat, muss gem. Art. 35 Abs. 2 lit. c die gelieferte Ware ggf. die Eigenschaften des Musters aufweisen. Vom Verkäufer vorgelegte Proben und Muster können somit als implizite Vereinbarung der Parteien über die Sachbeschaffenheit der Ware gelten.86 Hierfür reicht es jedoch nicht aus, dass der Verkäufer eine Probe bzw. ein Muster bloß vorgelegt hat. 87 Das Kriterium gem. Art. 35 Abs. 2 lit. c kann erst dann maßgeblich sein, wenn beide Parteien darüber einig sind, dass der Verkäufer die mit dem Muster bzw. der Probe übereinstimmende Ware liefert.88 In diesem Sinne ist die vertragliche Vereinbarung gem. Art. 35 Abs. 1 gegenüber dem Kriterium aus Art. 35 Abs. 2 lit. c vorrangig, wenn die vereinbarten Eigenschaften der Ware nicht mit der Eigenschaft der Probe bzw. des Musters übereinstimmen,89 d.h. abweichende Beschaffenheitsvereinbarungen beider Parteien schließen die Anwendung des Art. 35 Abs. 2 lit. c aus.90 Die Vertragsmäßigkeit der Ware beurteilt sich aber nicht nur anhand ihrer Qualität, sondern auch anhand ihrer Verpackung. Wenn es an einer Vereinbarung über die Verpackung der Ware fehlt, soll die Ware gem. Art. 35 Abs. 2 lit. d in der für Waren gleicher Art üblichen Weise verpackt werden. 83
MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 14; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 31 CISG, Rn. 11. 84 BGH, 02.03.2005, JZ 2006, S. 845 = CISG-Online Nr. 999. 85 MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 17; Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 19. Nach der Auffassung des Netherlands Arbitration Institute muss die Ware nicht durchschnittliche Qualität aufweisen, sondern lediglich über eine „reasonable quality“ verfügen (Schiedsspruch des Netherlands Arbitration Institute, 15.10.2002, IHR 2003, S. 283). 86 Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 21. 87 Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 21; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 35 CISG, Rn. 9. 88 MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 28; vgl. OLG Schleswig-Holstein, 29.10.2002, IHR 2003, S. 69 = CISG-online Nr. 717. 89 Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 22 (im Zusammenhang mit dem Art. 35 Abs. 1 gilt Art. 35 Abs. 2 lit. c nur subsidiär); Bamberger/Roth/Saenger, Art. 35 CISG, Rn. 9. Nach a.A. ist durch Auslegung zu ermitteln, welcher gemeinsame Wille in Bezug auf die Eigenschaft der Ware vorhanden war (MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 28; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 25; Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 39; Herber/Czerwenka, Art. 35, Rn. 6). 90 MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 15; Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 22.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Gibt es eine solche übliche Verpackungsweise nicht, ist sie jedenfalls angemessen zu verpacken. Die Haftung für die Vertragswidrigkeit, die nach den in Art. 35 Abs. 2 genannten Kriterien bestimmt wird, entfällt nach Art. 35 Abs. 3, wenn der Käufer die Vertragswidrigkeit bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste. Ausdrücklich schließt Art. 35 Abs. 3 die Vertragswidrigkeit gem. Art. 35 Abs. 1, also die anhand vertraglicher Vereinbarung zu beurteilende Vertragsmäßigkeit, aus seinem Anwendungsbereich aus. Trotzdem ist umstritten, ob Art. 35 Abs. 3 auch insoweit analoge Anwendung finden kann.91 M.E. ist dies abzulehnen, denn Art. 35 Abs. 3 soll nur beschränkt gelten, weil diese Vorschrift nur als eine bestimmte Ausnahme normiert ist. Darüber hinaus soll sich der Käufer auch in diesem Fall darauf verlassen können, dass der Verkäufer trotz der bestehenden Vertragswidrigkeit vertragsgemäß liefert, da dem Verkäufer jedenfalls die Möglichkeit zugesichert wird, eben diese Vertragswidrigkeit durch eine Nacherfüllung zu beseitigen.92 C. Besondere Formen der Vertragswidrigkeit der Ware Das CISG normiert in Art. 35 einen einheitlichen Tatbestand der Vertragsmäßigkeit der Ware, sodass jede Beschaffenheitsabweichung zur Vertragswidrigkeit führt. Nach Art. 35 Abs. 1 bezieht sich die Vertragswidrigkeit der Ware auf Menge, Qualität, Art sowie Verpackung der Ware, jedoch ist diese Aufzählung nur enumerativ und nicht abschliebend. 93 Im Falle der Vertragswidrigkeit kann der Käufer ebenso wie bei einer anderen Vertragsverletzung die ihm gem. Art. 45 eingeräumten Rechtsbehelfe geltend machen. Für die Rechtsbehelfe des Käufers ist also unerheblich, welche Form der Vertragswidrigkeit vorliegt. Da die Vertragsmäßigkeit auch die Menge der Ware umfasst, führt jede Mengenabweichung zur Vertragswidrigkeit der Ware.94 Gleiches gilt auch für die Aliud-Lieferung: Da die in Art 35 ausdrücklich aufgezählten Kriterien auch die Art der Ware beinhalten, stellt eine Aliud-Lieferung eine Lieferung der falschen Art dar95 und ist damit eine Vertragswidrigkeit im Sin91
Vgl. Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 30. MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 35; Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 27; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 38; Loewe, Internationales Kaufrecht, S. 56; dagegen Herber/Czerwenka, Art 35, Rn 11; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 35 CISG, Anm. 19; Hoyer/Posch/Niggemann, S. 85. 93 Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 15; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 31 CISG, Rn. 4. 94 Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 5;Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 9. 95 MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 4; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 CISG, Rn. 4; Ferrari/Ferrari, Art. 35 CISG, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 10. 92
Kapitel 3. Untersuchung und Anzeige der Vertragswidrigkeit
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ne von Art. 35. Dennoch wird teilweise eine ganz offensichtliche („krasse“) Aliud-Lieferung als Nichtlieferung angesehen.96 Der Unterschied zwischen vertragswidriger Lieferung und Nichtlieferung besteht in der Regelung über die Fristsetzungsobliegenheit in Art. 39 Abs. 1. Wenn die sog. „krasse Aliud-Lieferung“ als Nichtlieferung angesehen wird, muss der Käufer diese Aliud-Lieferung beim Verkäufer nicht rügen. In diesem Fall kann er auch ohne ordnungsgemäße Fristsetzung seine Rechtsbehelfe geltend machen, während er im Falle einer vertragswidrigen Lieferung Gefahr läuft, aufgrund des Rügeversäumnisses sämtliche Rechtsbehelfe zu verlieren. M.E. ist jedoch die herrschende Meinung überzeugender, nach der auch eine „krasse“ Aliud-Lieferung keine Nichtlieferung darstellt, denn die Abgrenzung zwischen einer „krassen“ und einer „normalen“ Aliud-Lieferung kann mitunter erhebliche Schwierigkeiten bereiten. 97 Überdies kann aus dem klaren Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 35 kein Anhaltspunkt für eine unterschiedliche Behandlung einer „krassen“ AliudLieferung entnommen werden.98
Kapitel 3. Untersuchung und Anzeige der Vertragswidrigkeit Kapitel 3. Untersuchung und Anzeige der Vertragswidrigkeit
Auch wenn sich die gelieferte Ware tatsächlich als vertragswidrig erweist, muss der Käufer die Frist der Art. 38, 39 CISG beachten, um die für diesen Fall vorgesehenen Rechtsbehelfe geltend machen zu können. Damit der Käufer beim Vorliegen der Vertragswidrigkeit der Ware99 seine Rechtsbehelfe ausüben kann, hat er die Ware gem. Art. 38 Abs. 1 innerhalb kurzer Frist zu untersuchen und nach Art. 39 Abs. 1 innerhalb angemessener Zeit die Vertragswidrigkeit anzuzeigen bzw. zu rügen. Wenn der Käufer die Rügefrist versäumt hat, verliert er gem. Art. 39 Abs. 1 das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, sodass er keine Rechtsbehelfe mehr geltend machen kann. Ohne eine derartige zeitliche Beschränkung müsste der Verkäufer nach der Lieferung stets mit der Gel96 Beispielsweise kann die Lieferung von Kartoffeln statt Mais keine Erfüllung der Lieferungspflicht im Sinne von Art. 30 sein (Sekretariatskommentar, Art. 29 CISG, Anm. 3; Neumayer, RIW 1994, S. 105; Loewe, Internationales Kaufrecht, S. 51). 97 So auch MüKo/Gruber, Art. 35 CISG, Rn. 4; Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 6. Ähnliche Abgrenzungsschwierigkeiten gab es bereits im alten deutschen Recht bei der Unterscheidung zwischen genehmigungsfähigem und nichtgenehmigungsfähigem Aliud. 98 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 CISG, Rn. 10; Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 6. Die Gegenansicht geht darauf zurück, dass eine krasse AliudLieferung, z.B. Lieferung von Kartoffeln statt Mais, nach dem Sekretariatskommentar als keine Erfüllung der Leistungspflicht gem. Art. 30 CISG betrachtet wird (Sekretariatskommentar, Art. 29, Anm. 3). Jedoch ist diese Ansicht aufgrund ihres Entstehungsgeschichte nicht aussagekräftig: Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 4–33. 99 Insoweit kann auch von „Mängeln der Ware“ gesprochen werden.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
tendmachung von Rechtsbehelfen rechnen. Durch die Anzeige des Käufers kann der Verkäufer die Vertragswidrigkeit ggf. selbst beseitigen oder sich gar auf einen künftigen Rechtsstreit vorbereiten.100 Beide zeitlichen Anforderungen gem. Art. 38, 39 stellen keine einklagbare Pflicht, sondern nur eine Obliegenheit dar, denn das Versäumnis dieser Obliegenheit hat zur Folge, dass der Käufer die auf der Vertragswidrigkeit beruhenden Rechtsbehelfe verliert.101 Gem. Art. 38 Abs. 1 hat der Käufer die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie die Umstände es erlauben. Diese Untersuchung soll Klarheit darüber schaffen, ob die gelieferte Ware als vertragsgemäß angenommen werden kann.102 Trotzdem kommt dieser Untersuchung nur geringe Eigenbedeutung zu – ihr Primärzweck liegt vielmehr darin, die Rüge der Vertragswidrigkeit rechtzeitig vornehmen zu können. 103 Die Unterlassung der Untersuchung selbst bleibt also eigentlich folgenlos, kann jedoch dazu führen, dass der Käufer die Vertragswidrigkeit der Ware nicht rechtzeitig entdeckt, sie somit nicht innerhalb angemessener Zeit anzeigen kann und letztlich seine Rechtsbehelfe verliert. Die Untersuchungsobliegenheit gem. Art. 38 gilt für alle in Art. 35 aufgeführten Vertragswidrigkeiten.104 Daher erstreckt sie sich nicht nur auf die Qualitätsabweichung, sondern auch auf die Quantitätsabweichung, AliudLieferung sowie auf Verpackungsfehler. 105 Darüber hinaus findet Art. 38 auch auf die Ersatzlieferung sowie auf die Nachbesserung Anwendung.106 Art. 38 bestimmt indes nicht, wie diese Untersuchung vorgenommen werden soll.107 Daher kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an – jeden100
MüKo/Gruber, Art. 38 CISG, Rn. 2. MüKo/Gruber, Art. 38 CISG, Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 12; Honsell/Magnus, Art. 35 CISG, Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 38 CISG, Rn. 5; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 38 CISG, Rn. 1; in der Rechtsprechung OLG Oldenburg, 5.12.2000 = CISG Online Nr. 618. Daher kann der Verkäufer vom Käufer keinen Ersatz des Schadens verlangen, der ihm aus der verspäteten oder ausgebliebenen Untersuchung sowie Anzeige entstanden ist (Ferrari/Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 12). 102 OLG Karlsruhe, 25.6.1997, RIW 1998, S. 235. 103 MüKo-HGB/Benicke, Vorbem. Art. 38, 39 CISG, Rn. 1; Ferrari/Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 2. So auch Honsell/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 1 (Art. 38 CISG ist als Teilaspekt der Rügeobliegenheit geregelt). 104 Honsell/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 7; Ferrari/Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 4. 105 Staudinger/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 9. 106 Staudinger/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 9; MüKo-HGB/Benicke, Vorbem. Art. 38, 39 CISG, Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 38 CISG, Rn. 9; OLG Oldensburg, 9. 11. 1994, NJW-RR 1995, S. 438 = CISG-online Nr. 114. 107 Dies ist ein klarer Unterschied zur Vorschrift des vorherigen Übereinkommens, nämlich Art. 38 EKG (Ferrari/Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 8). 101
Kapitel 3. Untersuchung und Anzeige der Vertragswidrigkeit
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falls soll sie in angemessener sowie handelsüblicher Weise untersucht werden. 108 Die Untersuchungsfrist beginnt grundsätzlich mit der Übernahme der Ware durch den Käufer.109 Eigentlich wird die Frist nach den Umständen des Einzelfalls bemessen, jedoch wird vom Käufer stets zügiges Handeln erwartet.110 Im internationalen Handelsverkehr kommt es häufig vor, dass der Kaufvertrag als Versendungskauf geschlossen wird oder dass die Ware vom Käufer nachträglich umgeleitet bzw. weiterversandt wird.111 Für derartige Fälle, in denen der Käufer erst nach dem tatsächlichen Eintreffen der Ware am Bestimmungsort eine ausreichende Möglichkeit zur Untersuchung hat, sieht das CISG in Art. 38 Abs. 2, 3 Sonderregelungen vor. Abweichend von Art. 38 Abs. 1 beginnt die Untersuchungsfrist nach Art. 38 Abs. 2 beim Versendungskauf erst dann zu laufen, wenn die Ware am Bestimmungsort der Beförderung eintrifft. Der Beginn der Untersuchungsfrist kann nach Art. 38 Abs. 3 weiter aufgeschoben werden: Wenn die Ware vom Käufer umgeleitet oder weiterversandt werden soll und er keine ausreichende Untersuchungsmöglichkeit am im Vertrag vorgesehenen Bestimmungsort hat, kann der Käufer gem. Art. 38 Abs. 3 die Ware stattdessen am neuen Bestimmungsort untersuchen. Dieses Aufschieben der Untersuchungsfrist setzt jedoch positive Kenntnis oder das Kennenmüssen des Verkäufers einer solchen Umleitung bzw. Weiterversendung voraus. Gem. Art. 39 Abs. 1 hat der Käufer die Vertragswidrigkeit innerhalb angemessener Zeit zu rügen. Diese Vorschrift ist praktisch besonders bedeutsam, da die Versäumnis der form- und fristgerechten Anzeige des Käufers einen Verlust seiner Rechtsbehelfe aufgrund der Vertragswidrigkeit der Ware bedeutet.112 Art. 39 findet wie Art. 38 auf jede Vertragswidrigkeit der Ware Anwendung.113 Vertragsverletzungen, die nicht auf der mangelhaften Warenbeschaffenheit beruhen, muss der Käufer dagegen nicht rügen.114
108 Staudinger/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 28; Honsell/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 15; Ferrari/Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 10. 109 MüKo/Gruber, Art. 38 CISG, Rn. 35; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 CISG, Rn. 9. 110 Ferrari/Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 35; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 151. In diesem Sinne ist die Untersuchungsfrist im CISG flexibel (Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 38 CISG, Rn. 3; Ferrari/ Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 16). 111 Ferrari/Ferrari, Art. 38 CISG, Rn. 20; Honsell/Magnus, Art. 38 CISG, Rn. 25. 112 Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 1; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 31. 113 Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 10, 11; MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 4 ff.; Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 6; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 4; Achilles, Art. 39 CISG, Rn. 2. Jede Vertragswidrigkeit ohne Rücksicht auf den Entstehungsgrund ist nach Art. 39 rügepflichtig (OLG München, 8.2.1995 = CISG- online Nr. 142). 114 Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 12; Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 7.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Neben der Einhaltung der Anzeigefrist muss der Käufer gem. Art. 39 Abs. 1 die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnen. Daher ist eine bloße Unmuts- oder Unzufriedenheitsäußerung nicht ausreichend für eine Anzeige im Sinne des Art. 39.115 Ebenso genügen pauschale Angaben über die Vertragswidrigkeit nicht. 116 Daher sind Beschwerden über „mindere und schlechte Qualität“ 117 , „schlechte Verarbeitung“ 118 und die Aussage, „es gebe eine Reklamation“ 119 , nicht ausreichend. Trotzdem dürfen die inhaltlichen Anforderungen an die Anzeige nicht überspannt werden, weil die Vertragswidrigkeit in den Risikobereich des Verkäufers fällt.120 Die Anzeige soll den Verkäufer in die Lage versetzen, sich ein Bild von der Vertragswidrigkeit zu machen und weitere erforderliche Schritte, z.B. Untersuchung der Ware, Ersatzlieferung oder Nachbesserung, einzuleiten.121 Aus diesem Grund verlangt die Rechtsprechung vom Käufer auch nur die Mitteilung der Symptome der Funktionsstörung und nicht etwa deren Ursache. 122 Bei der Anzeige der Vertragswidrigkeit ist es zudem nicht notwendig, dass der Käufer die von ihm gewünschten Rechtsbehelfe nennt oder dass die angezeigte Vertragswidrigkeit eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt.123 Wie genau die Angaben sein müssen, beurteilt sich nach dem gemischt objektiv-subjektiven Kriterium,124 also unter Berücksichtigung der Stellung beider Parteien im wirtschaftlichen Verkehr. Daher ist der erforderliche Grad der Präzision hinsichtlich der Mängelanzeige für den Fachmann anders als für den Fachunkundigen zu treffen.125 Der Käufer muss nicht nur qualitative, sondern auch quantitative Mängel rügen, da auch sie dem Begriff der Vertragswidrigkeit im Sinne des Art. 35 115 Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 39 CISG, Rn. 8; Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn.97; MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 12. 116 Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 21; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 13. So auch nach der Rechtsprechung OLG München 3.7.1989, IPRax 1990, S. 316 (durch pauschale Angaben kann der von der Mängelrüge intendierte Zweck nicht erfüllt werden). 117 OLG Hannover, 1.12.1993 = CISG-online Nr. 244. 118 OLG München, 3.7.1989, IPRax 1990, S. 316 = CISG-online Nr. 4. 119 OLG Saarbrücken, 2.7.2002, IHR 2002, S. 27 = CISG-online Nr. 713. 120 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 24; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 11. 121 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 6; Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 9; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 11; Achilles, Art. 39 CISG, Rn. 3. 122 BGH, 3.11.1999, RIW 2000, S. 381; MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 14. 123 Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 14; MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 14.; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 39 CISG, Rn. 9. 124 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 7; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 12; so ausdrücklich OLG Erfurt, 29.7.1998 = CISG-online Nr. 561. 125 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 7; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 CISG, Rn. 3; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 12; auch in diesem Sinne Achilles, Art. 39 CISG, Rn. 3.
Kapitel 3. Untersuchung und Anzeige der Vertragswidrigkeit
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unterfallen.126 Inhaltlich muss diese Anzeige auch so detailliert sein, dass der Verkäufer die notwendigen Vorbereitungs- bzw. Abwendungsmaßnahmen wie z.B. Nachlieferung einleiten kann.127 Diese Frist beginnt gem. Art. 39 in dem Zeitpunkt, in dem der Käufer die Vertragswidrigkeit festgestellt hat oder hätte feststellen müssen. Der Beginn der Anzeigefrist stellt hierbei auf zwei Momente ab: Wenn die Vertragswidrigkeit der Ware durch Untersuchung des Käufers innerhalb der Untersuchungsfrist des Art. 38 entdeckt wird, beginnt die Anzeigefrist ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Entdeckung des Mangels zu laufen.128 Das gilt auch, falls der Käufer die Vertragswidrigkeit vor dem Ablauf der Untersuchungsfrist zufällig oder aufgrund übermäßiger Anstrengungen entdeckt.129 Falls der Käufer die Vertragswidrigkeit aufgrund einer unterbliebenen Untersuchung nicht entdeckt hat, beginnt die Rügefrist mit dem Zeitpunkt, in dem der Mangel durch eine entsprechende Untersuchung hätte entdeckt werden können.130 Wenn die Vertragswidrigkeit aus einem offensichtlichen, also ohne weitere Maßnahmen zu entdeckenden Mangel resultiert, beginnt die Rügefrist stets mit Ablieferung der Ware.131 Denn der Beginn der Anzeigefrist hängt lediglich von der hypothetischen Feststellbarkeit des Mangels ab.132 Falls die Vertragswidrigkeit der Ware jedoch auf einem versteckten Mangel beruht, läuft die Anzeigefrist, sobald der Käufer den Mangel tatsächlich entdeckt. 133 Wenn die Vertragswidrigkeit durch ordnungsgemäße Untersuchung nicht entdeckt wird, läuft die Rügefrist unabhängig von der Untersuchungsfrist ab der tatsächlichen Entdeckung des Mangels.
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Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 9. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 9; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 15. Nach a.A. sollen die Anforderungen nicht überzogen werden. Danach sei eine ungefähre Angabe über den quantitativen Umfang der Mengenabweichung im Prinzip ausreichend (Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 25; Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 11; so auch in der Rechtsprechung OLG Köln, 30.11.1999, IHR 2001, S. 69). 128 Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 20; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 39 CISG, Rn. 9. 129 MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 26; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 39 CISG, Rn. 9. 130 MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 CISG, Rn. 5; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 20. 131 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5–71; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 21. 132 Nach a.A. beginnt die Frist in diesem Fall auch erst mit dem Ablauf der Untersuchungsfrist (Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 16). 133 Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 17; Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 31; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 20; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 39 CISG, Rn. 9. 127
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Wenn keine Vereinbarung über die Anzeigefrist getroffen wurde, gilt Art. 39 Abs. 1.134 Nach dieser Vorschrift muss der Käufer innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem er einen Mangel festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, die Vertragswidrigkeit rügen. Die Angemessenheit der Frist wird von Literatur und Rechtsprechung nicht genau bestimmt, 135 vielmehr sind alle Einzelfallumstände zu berücksichtigen. 136 Jedenfalls wird sie recht kurz bemessen.137 Obwohl die angemessene Frist eine auf den Einzelfall bezogene flexible Frist ist, kann aus der bisherigen Rechtsprechung ein grober Mittelwert gewonnen werden. Danach beträgt die angemessene Rügefrist einschließlich der Untersuchungsfrist etwa 14 Tage bis zu einem Monat.138 M.E. ist eine solch detaillierte Angabe nicht möglich, denn die Angemessenheit der Frist kann nur in Form einer Spannweite angegeben werden, damit auch die jeweiligen Einzelumstände hinreichend berücksichtigt werden können. 139 Dem entspricht es, dass für verderbliche Ware eine sehr kurze Anzeigefrist besteht. 140 Gleiches gilt für Saisonwaren und Terminwaren wie z.B. Weihnachtsbäume.141 Wenn der Käufer den Mangel nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß im Sinne des Art. 39 Abs. 1 gerügt hat, verliert er alle Rechte, die ihm aus der Vertragswidrigkeit erwachsen. 142 Gleichzeitig muss er aber sämtliche 134 In der Rechtsprechung wird eine vertragliche Vereinbarung über die Rügefrist für zulässig erachtet: OLG München 11.3.1998, TranspR-IHR 1999, S. 20–22 = CISG-online Nr. 310. 135 MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 33. 136 Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 20; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 39 CISG, Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 16; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 24; auch in der Rechtsprechung wird die angemessene Frist nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt (OLG Hamburg, 6.9.2004 = CISG-online Nr. 1085). 137 Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 35; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 25; Österreichischer OGH, 14.1.2002 = CISG-online Nr. 643. 138 Ausführlich Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 22; Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 49. In der Literatur werden abweichende Faustregeln vorgeschlagen, z.B. einen Monat für Anzeige und Untersuchung insgesamt (Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 17; MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 34) oder zehn Tage im Regelfall (Vahle, ZVglRWiss 98 (1999), S. 68). 139 Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 25 kritisiert ebenso Vorschläge über Faustregeln mit der Begründung, dass die angemessene Frist des Art. 39 CISG keine einheitliche Frist ist. 140 Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 20; Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 43; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 26; OLG Düsseldorf, 8.1.1993, IPRax 1993, S. 412 = CISG-online Nr. 76 (binnen 7 Tage). 141 Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 20; MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 35; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 16; in der Rechtsprechung OLG München, 20. 2. 2002, IHR 2003, S. 25 = CISG-online Nr. 712. 142 Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 31; MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 38; Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 27.
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Pflichten erfüllen, zu denen insbesondere die Zahlung des Kaufpreises gehört.143 Neben der Rügefrist in Art. 39 Abs. 1 wird in Art. 39 Abs. 2 eine absolute Zeitgrenze von zwei Jahren statuiert.144 Die Anzeige der Vertragswidrigkeit muss damit innerhalb von zwei Jahren ab der tatsächlichen Übergabe der Ware erfolgt sein, es sei denn, dass die zweijährige Frist nicht mit einer vertraglichen Garantiefrist vereinbar ist. Die zweijährige Frist wird als Ausschlussfrist verstanden, daher kann sie nicht gehemmt oder unterbrochen werden.145 Denn der Verkäufer müsste ansonsten nach der Übergabe der Ware dauerhaft mit der Geltendmachung von Rechtsbehelfen durch den Käufer rechnen.146 Auch wenn der Käufer die Untersuchungs- und Anzeigefrist versäumt hat, kann er gleichwohl gem. Art. 40 seine Rechtsbehelfe ausüben, wenn der Verkäufer die Vertragswidrigkeit kannte oder kennen musste und er diese dem Käufer nicht offenbart hat. Darüber hinaus kann gem. Art. 44 der Käufer, wenn er eine vernünftige Entschuldigung für die nicht fristoder ordnungsgemäße Anzeige beibringen kann, zumindest die Herabsetzung des Kaufpreises gem. Art. 50 oder Schadensersatz – außer für entgangenen Gewinn – verlangen.
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
A. Weitere Voraussetzungen des Ersatzlieferungsanspruchs I. Ersatzlieferung nur beim Gattungskauf? Eigentlich setzt Art. 46 Abs. 2 für den Ersatzlieferungsanspruch nicht ausdrücklich einen Gattungskauf voraus. Nach h.M. kommt jedoch die Ersatzlieferung nur bei diesem in Betracht.147 Denn beim Spezieskauf scheide die Möglichkeit des Verkäufers, eine Ersatzware für die bereits konkretisierte 143 Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 58; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 30; Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 27. 144 Honsell/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 29; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 34. 145 MüKo/Gruber, Art. 39 CISG, Rn. 40; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 CISG, Rn. 23; Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 63; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 39 CISG, Rn. 10. 146 Staudinger/Magnus, Art. 39 CISG, Rn. 63; Ferrari/Ferrari, Art. 39 CISG, Rn. 34. 147 Dies ist ganz herrschende Meinung in der Literatur: MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 38; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 33; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 13; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 54c; Soergel/Lüderitz/SchlüßlerLangheine, Art. 46 CISG, Rn. 6; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-191; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 238; Vahle, ZVglRWiss 98 (1999), S. 64.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Stückschuld zu liefern, von vornherein aus.148 In diesem Fall sei der Verkäufer nur dazu verpflichtet, dem Käufer das von Anfang an individualisierte Stück zu liefern.149 Daher sei die Ersatzlieferung beim Spezieskauf nur möglich, sofern es sich um eine Falschlieferung, also eine AliudLieferung handelt.150 Während die h.M. die Möglichkeit der Ersatzlieferung bei Spezieskäufen außer den Fällen der Aliud-Lieferung ausschließt, spricht sich die Gegenansicht dafür aus, beim Spezieskauf eine Ersatzlieferung zuzulassen, sofern es sich mindestens um eine vertretbare Sache handelt.151 Ersatzlieferung bei einer vertretbaren Sache sei demnach möglich, wenn sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit der ursprünglichen Ware vergleichbar ist und darüber hinaus das vom Käufer erwartete Leistungsinteresse befriedigen kann.152 Nach anderer Ansicht könne die Ersatzlieferung beim Stückkauf gefordert werden, wenn in diesem Fall der Verkäufer eine andere Sache mit denselben Eigenschaften ersatzweise liefern kann.153 M.E. ist die Gegenansicht überzeugender. Das Hauptargument der h.M stellt darauf ab, dass der Verkäufer beim Abschluss des Vertrags kein Beschaffungsrisiko für eine vertretbare Sache übernommen habe.154 Wenn der Käufer Ersatzlieferung auch beim Spezieskauf verlangen kann, könne er die im Vertrag bereits zum Ausdruck gebrachte Absicht, dem Verkäufer kein über die konkrete Sache hinausgehendes Beschaffungsrisiko aufzuer-
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Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 54d. MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 38. 150 Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 4; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 34; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 18; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 13. 151 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 18; so sei auch die Ersatzlieferung allein auf die wesentliche Vertragsverletzung zugeschnitten, hingegen spiele es keine Rolle, ob es sich um einen Spezies- oder Gattungskauf handlen (von Hoffmann, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987), S. 295). 152 So auch bejahen die Möglichkeit der Ersatzlieferung unter dieser Voraussetzung: Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 18. Dieses Ergebnis entspricht auch der deutschen Rechtsprechung, z.B. BGH, 7.6.2006, NJW 2006, S. 2839 (Ersatzlieferung beim Stückkauf nicht von vornherein wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen). 153 Grunewald, Kaufrecht, § 9 II, Rn. 113: beispielsweise kann der Käufer eine neue Ware verlangen, wenn er eine schwimmende Ware erworben hat. Jedoch ist für die Ersatzlieferung beim Stückkauf auch erforderlich, dass der Verkäufer nicht zum Ausdruck gebracht hat, er wolle kein weitergehendes Beschaffungsrisiko tragen, etwa durch genaue Bezeichnung der Ware. 154 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 38; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 13; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 54d; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 238. 149
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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legen, umgehen.155 Demnach hätte der Käufer auch bei Verfügbarkeit einer vergleichbaren Ware keinen Anspruch auf deren Lieferung. M.E. muss in diesem Zusammenhang der Stellenwert der Ersatzlieferung im CISG berücksichtigt werden. Der Ersatzlieferungsanspruch ist als selbstständiger Rechtsbehelf normiert. 156 Bislang konzentriert sich die h.M. bei der Begründung lediglich auf das Problem, dass die Ersatzlieferung nicht über die Reichweite der ursprünglichen vertraglichen Abrede hinausgehen darf. Ansatz der h.M. liegt insoweit darin, dass der Ersatzlieferungsanspruch allein den (modifizierten) Anspruch der ursprünglichen Leistung darstelle. Aber m.E. ist der Ersatzlieferungsanspruch nicht lediglich eine Modifikation des ursprünglichen Lieferungsanspruchs. Vielmehr handelt es sich hierbei primär um einen Rechtsbehelf des Käufers.157 Da der Ersatzlieferungsanspruch im CISG als Rechtsbehelf verortet ist, ist von vorrangiger Bedeutung, ob die Ersatzlieferung durch eine vertretbare Ware den wirtschaftlichen und vertragsmäßigen Interessen des Käufers entspricht. Die belastende Wirkung der Ersatzlieferung auf den Verkäufer ist dabei lediglich zweitrangig. Durch seinen Charakter als Rechtsbehelf des Käufers verschiebt sich der Schwerpunkt im Stadium der Rechtsbehelfe zwingend von der ursprünglichen Parteivereinbarung zur Interessenlage beider Parteien. Wenn also die Ersatzware das Leistungsinteresse des Käufers zufriedenstellt und deren Beschaffung für den Verkäufer keine übermäßige Anstrengung bedeutet, kann die Ersatzlieferung einer vertretbaren Sache beim Spezieskauf zugelassen werden. Seitens des Verkäufers steht m.E. in der Regel zunächst der Aufwand für die Ersatzlieferung im Vordergrund, nicht unbedingt der vertragliche Wille und das darauf bezogene Beschaffungsrisiko. Eine solche Betrachtungsweise widerspricht wegen des Interessensausgleichs m.E. auch nicht der Argumentation der herrschenden Meinung. II. Wesentliche Vertragsverletzung 1. Einleitung Im CISG kann der Käufer nicht bei jeder Vertragswidrigkeit im Sinne des Art. 35 Ersatzlieferung verlangen. Vielmehr knüpft der Ersatzlieferungsanspruch an einen bestimmten Grad der Vertragsverletzung an. Gemäß 155 In diesem Sinne kann nach h.M. die Ersatzlieferung beim Spezieskauf wegen objektiver Unmöglichkeit abgelehnt werden (MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 38). 156 So ausdrücklich Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 6; ebenso Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 29. 157 M.E. muss die Akzentsetzung im Zusammenhang mit dem Wesen des Ersatzlieferungsanspruchs nicht auf dem ursprünglichen Lieferungsanspruch, sondern auf dessen Modifikation liegen. Der Ersatzlieferungsanspruch wird daher dergestalt modifiziert, dass er den Charakter eines Rechtsbehelfs aufweist.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Art. 46 Abs. 2 setzt die Ersatzlieferung eine wesentliche Vertragsverletzung voraus. Diese strenge Voraussetzung wird damit begründet, dass die Ersatzlieferung beim Verkäufer so hohe Kosten auslösen kann wie eine Vertragsaufhebung.158 Bei der Ersatzlieferung trägt der Verkäufer allein die Kosten sowie das Risiko für die Beförderung der Ersatzware. Zudem muss er auf eigene Kosten den Rücktransport der ursprünglich gelieferten Ware durchführen. Diese Kostenfaktoren sind besonders im internationalen Handelsverkehr sehr belastend.159 Die wesentliche Vertragsverletzung als zentrales Tatbestandsmerkmal für die Ersatzlieferung wird dabei nicht in Art. 46 Abs. 2, sondern in Art. 25 definiert, also im Kapitel der allgemeinen Bestimmungen. Nach der dortigen Definition ist eine Vertragsverletzung dann wesentlich, wenn sie für die andere Partei einen solchen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Trotzdem beurteilt sich die Wesentlichkeit nicht nur anhand der subjektiven Sicht des Käufers, vielmehr ist sie verobjektiviert festzustellen.160 Gemäß Art. 25 HS. 2 sind nur vorhersehbare Nachteile für die Bewertung der wesentlichen Vertragsverletzung zu berücksichtigen. 161 Aber nicht nur die Ersatzlieferung setzt eine wesentliche Vertragsverletzung voraus, selbiges gilt gem. Art. 49 Abs. 1 lit. a für eine Vertragsaufhebung. Allerdings ist insoweit beim Begriff der Vertragsverletzung zu differenzieren: Die wesentliche Vertragsverletzung, die für die Vertragsaufhebung erforderlich ist, bezieht sich auf alle Arten der Vertragsverletzung, soweit sie hinreichend gewichtig sind. Demgegenüber meint eine wesentliche Vertragsverletzung im Rahmen des Ersatzlieferungsanspruchs nur die Vertragswidrigkeit der Ware im Sinne des Art. 35,162 d.h. der Käufer kann eine Ersatzlieferung beanspruchen, sofern die Vertragswidrigkeit der Ware im Sinne des Art. 35 einer wesentlichen Vertragsverletzung entspricht. Liegt ein solcher Fall vor, hat er die Wahl zwischen der Ersatzlieferung gem. Art. 46 Abs. 2 und der Vertragsaufhebung gem. Art. 49 Abs. 1 lit. a. 163 Die Gleichheit der Tatbestandsmerkmale ist ein Hinweis darauf, dass das CISG die Rückabwicklung des Vertrags möglichst vermeiden will. 164 Aber zugleich ist der Unterschied zwischen der Vertragsaufhebung und der Ersatzlieferung in Erwägung zu 158
Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 8; Vahle, ZVglRWiss 98 (1999), S. 66. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 4. 160 Honsell/Gsell, Art. 25 CISG, Rn. 20; Staudinger/Magnus, Art. 25 CISG, Rn. 15; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 25 CISG, Rn. 3. 161 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 242. 162 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 57a. 163 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 6; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 57a. 164 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 25; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-192. 159
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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ziehen, da die wesentliche Vertragsverletzung gem. Art. 49 Abs. 1 lit. a sämtliche Pflichten des Verkäufers erfasst, zumal die Ausübung des Vertragsaufhebungsrechts des Käufers den Vertrag vollständig auflöst.165 Die Schwierigkeiten der Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung resultieren nicht aus ihrer Definition in Art. 25, sondern aus der Möglichkeit des Verkäufers zur Behebung der Vertragswidrigkeit durch Nacherfüllung gem. Art. 48 Abs. 1.166 Sofern die Nacherfüllung des Verkäufers dem Käufer zumutbar ist, kann der Verkäufer gem. Art. 48 Abs. 1 mittels Ersatzlieferung oder Nachbesserung die Mängel des ersten Erfüllungsversuchs unaufgefordert beseitigen,167 d.h. im CISG steht dem Verkäufer ein sog. Nacherfüllungsrecht zu. Dieses Nacherfüllungsrecht zielt darauf ab, die Vertragsdurchführung und den Leistungsaustausch beider Parteien trotz des anfänglichen Erfüllungsversäumnisses des Verkäufers weiterhin zu ermöglichen.168 Jedoch besteht das Nacherfüllungsrecht nur vorbehaltlich des Art. 49, nämlich der Vertragsaufhebung durch den Käufer. Daher kann der Verkäufer das Verlangen des Käufers nach Vertragsaufhebung wegen einer wesentlichen Vertragsverletzung gem. Art. 49 Abs. 1 lit. a nicht abwenden. Dies ist im Zusammenhang mit der Ersatzlieferung problematisch, denn die Ersatzlieferung setzt wie die Vertragsaufhebung eine wesentliche Vertragsverletzung voraus. Daher ist fraglich, ob der Vorbehalt in Art. 48 Abs. 1 auch im Falle einer möglichen Ersatzlieferung gilt. Dem Sinn und Zweck des Art. 48 ist indes zu entnehmen, dass bei Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung das Verlangen des Käufers nach Vertragsaufhebung dem Nacherfüllungsrecht des Verkäufers stets vorgehen soll.169 In diesem Zusammenhang stellt sich im Rahmen der Ersatzlieferung daher die Frage, ob der Verkäufer auch die Ersatzlieferung des Käufers im Sinne des auf die wesentliche Vertragsverletzung beruhenden Rechtsbehelfs nicht durch sein Nacherfüllungsrecht gem. Art. 48 Abs. 1 abwenden kann, und ferner, was unter der wesentlichen Vertragsverletzung in diesem Zusammenhang zu verstehen ist – oder genauer: ob bei der Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung an sich die Behebbarkeit der Ver-
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So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 57a. Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 6; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 59; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 29; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 26; Staudinger/Magnus, Art. 25 CISG, Rn. 40; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 244. 167 Ferrari/Saenger, Art. 48 CISG, Rn. 1. 168 Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 3; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 2; MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 1; MüKo-HGB/Benicke, Art. 48 CISG, Rn. 1. 169 In diese Richtung MüKo-HGB/Benicke, Art. 48 CISG, Rn. 9. 166
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
tragswidrigkeit zu berücksichtigen ist. 170 Über die Beantwortung dieser Frage herrscht jedoch in Literatur und Rechtsprechung Uneinigkeit.171 2. Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung a) Objektives Gewicht der Vertragswidrigkeit Ein Mangel der Kaufware kann nur dann eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen, wenn er ein bestimmtes objektives Gewicht hat und zugleich als schwerwiegend anzusehen ist.172 Schwerwiegend ist der Mangel, wenn es dem Käufer unzumutbar ist, die vertragswidrige Ware trotz des Mangels zu behalten und sich mit Schadensersatz oder Minderung zufriedenzugeben. 173 Dagegen liegt eine wesentliche Vertragsverletzung nicht vor, wenn dem Käufer eine anderweitige Verarbeitung oder ein Absatz der Ware im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, wenn auch mit einem Preisabschlag, ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich und zumutbar ist.174 In diesem Fall hat der Käufer nämlich die Möglichkeit, die vertragswidrige Ware anderweitig zu verwerten und seinen Vermögensnachteil durch Schadensersatz oder Minderung auszugleichen. 175 Die Lieferung einer vertragswidrigen Ware entspricht daher nicht immer einer wesentlichen Vertragsverletzung. Denn der Käufer ist im Regelfall in der Lage, selbst die entsprechende Ware am Markt zu besorgen und sich sämtliche wirtschaftlichen Nachteile durch Schadensersatz vom Verkäufer erstatten zu lassen.176 Ob dem Käufer dies zuzumuten ist, ist im Wesentlichen eine Frage des 170 So auch MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 29 ff.; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 59. 171 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 59. 172 Ferrari/Saenger, Art. 49 CISG, Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 24; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 28a. 173 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 24; so auch Butler, IHR 2003, S. 210 ff. 174 BGH, 3.4.1996, NJW 1996, S. 2364–2367 = CISG-online Nr. 135; OLG München, 27.2.2002, IHR 2003, S. 233 ff. = CISG-online Nr. 654 (wenn der Käufer die mangelhafte Ware verwenden kann, ist eine wesentliche Vertragsverletzung nicht gegeben); OLG Köln, 14.10.2002, IHR 2003, S. 15 ff.; OLG Frankfurt a. M., 18.1.1994, NJW 1994, S. 1013 ff.; Achilles, Art. 25 CISG, Rn. 4; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 CISG, Rn. 23; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 28c; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 24; Piltz, NJW 2005, S. 2130; kritisch Koch, RIW 1995, S. 98 ff.; Butler, IHR 2003, S. 208 ff. 175 MüKo/Huber, Art. 49 CISG, Rn. 39; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 28c; so auch in der Rechtsprechung BGH, 3.4.1996, NJW 1996, S. 2364 ff. = CISGonline Nr. 135: in diesem Urteil nahm der BGH an, dass einem Handelsunternehmer die Weiterveräußerung der mangelhaften Ware zumutbar ist und daher eine Vertragsaufhebung des Käufers nicht in Betracht kommt. 176 So ausdrücklich MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 CISG, Rn. 26; ebenso Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 24.
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Verwendungszwecks. 177 Zusätzlich können weitere Beurteilungsmaßstäbe berücksichtigt werden, wie z.B. das Ausmaß der Qualitätsabweichung, die im Kaufvertrag vereinbarten besonderen Eigenschaften der Ware und die Größe des Unternehmens des Käufers – also ob der Käufer Groß- oder Einzelhändler ist.178 Aber ohnehin scheidet die wesentliche Vertragsverletzung aus, wenn ihr objektives Gewicht von Anfang an nicht ausreicht, um eine schwerwiegende Vertragsverletzung anzunehmen. b) Nachträgliche Behebbarkeit der Vertragswidrigkeit als Kriterium Die Lieferung vertragswidriger Ware kann erst dann als wesentliche Vertragsverletzung angesehen werden, wenn die Vertragswidrigkeit mit Rücksicht auf das Käuferinteresse von hinreichendem Gewicht ist. 179 Selbst wenn die Vertragswidrigkeit der Ware auf den ersten Blick einen schwerwiegenden Mangel darstellt, ist sie nicht ohne weiteres als wesentliche Vertragsverletzung anzusehen. Es stellt sich hierbei die Frage, ob die mögliche Behebbarkeit der Vertragswidrigkeit durch den Verkäufer für die Beurteilung der Wesentlichkeit zu berücksichtigen ist. Dies scheint im Zusammenhang mit der Ersatzlieferung jedoch widersprüchlich. 180 Dieser Widerspruch wird durch die folgende Fallkonstellation verdeutlicht: Der Verkäufer hat ein Auto mit einem derart schweren Motorfehler geliefert, dass dem Käufer keine zumutbare Verwendungsmöglichkeit verbleibt. Die Vertragswidrigkeit könnte jedoch durch einen vom Verkäufer vorgenommenen Austausch gegen ein gattungsgleiches Auto behoben werden, sodass keine wesentliche Vertragsverletzung vorläge. Im Umkehrschluss würde das aber bedeuten, dass eine wesentliche Vertragsverletzung und mit ihr ein Ersatzlieferungsanspruch nur dann gegeben ist, wenn die Ersatzlieferung dem Verkäufer nicht möglich bzw. zumutbar ist. Um diese widersprüchliche Konsequenz zu vermeiden, werden in der Literatur verschiedene Ansichten vertreten. Nach einer Auffassung ist die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung im Sinne des Art. 25 einfach nur anhand der Gewichtigkeit des Mangels zum 177 Ferrari/Saenger, Art. 49 CISG, Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 24. 178 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 25. 179 So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 23a. Im Prinzip scheidet die Qualifizierung der Vertragswidrigkeit als wesentliche Vertragsverletzung von vornherein aus, wenn der Käufer die mangelhafte Ware anderweitig verwenden kann (Staudinger/Magnus, Art. 49 CISG, Rn. 14; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-198); ebenso in der Rechtsprechung BGH, 3.4.1996, NJW 1996, S. 2364–2367 = CISG-online Nr. 135. 180 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 28; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 48 CISG, Rn. 12; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 6. Dies führt zu einem Zirkelschluss (MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 29; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-194).
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Zeitpunkt der Lieferung zu bestimmen. Die nachträgliche Behebbarkeit durch Nachbesserung soll nach dieser Ansicht nicht berücksichtigt werden.181 Dafür wird der Wortlaut des Art. 48 Abs. 1 angeführt, namentlich der Vorbehalt der Vertragsaufhebung. An diesem Vorbehalt zeige sich der Vorrang der Vertragsaufhebung gegenüber dem Nacherfüllungsrecht des Verkäufers. Deswegen werde das Tatbestandsmerkmal der Vertragsaufhebung, nämlich die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung, nicht davon berührt, ob die Vertragsverletzung durch Ersatzlieferung oder Nachbesserung des Verkäufers beseitigt werden kann. M.E. führt dies aber zu einem Zirkelschluss: Art. 48 Abs. 1 besagt, dass die Vertragsaufhebung Vorrang vor dem Nacherfüllungsrecht des Verkäufers hat, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt. Der explizite Vorbehalt der Vertragsaufhebung in Art. 48 Abs. 1 kann daher nicht unmittelbar als Argument herangezogen werden, bevor die wesentliche Vertragsverletzung festgestellt wurde. Aus diesem Grund muss die Auslegung der Wesentlichkeit zuerst vom Sinn der wesentlichen Vertragsverletzung an sich erfolgen und nicht zuvorderst vom Verhältnis zum Nacherfüllungsrecht, das im Vorbehalt des Art. 48 Abs. 1 zum Ausdruck kommt.182 Darüber hinaus führt diese Ansicht nicht zu für beide Parteien zufriedenstellenden Ergebnissen. 183 Wenn der Verkäufer durch Nachbesserung in angemessener Zeit bei zumutbarer Belastung schwerwiegende Mängel der Ware beheben kann, liegt kein sachlicher Grund dafür vor, ihn zu einer mit hohem Aufwand sowie hohem Risiko verbundenen Befriedigung durch Ersatzlieferungsanspruch des Käufers zu zwingen. Dies lässt sich auch vom Standpunkt des Verkäuferinteresses durchaus rechtfertigen, wenn dies für ihn keine übermäßige Belastung darstellt. Eine derartige Auslegung der Wesentlichkeit entspricht auch der Tendenz des Übereinkommens, weitere Transportkosten im internationalen Warenverkehr mit Hilfe der wesentlichen Vertragsverletzung als strengem Tatbestandsmerkmal zu vermeiden.184
181 Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 48, Anm. 1, 10; Soergel/Lüderitz/SchlüßlerLangheine, Art. 48 CISG, Rn. 3, S. 96 (wenn der Verkäufer bei einer wesentlichen Vertragsverletzung Nachbesserung vornehmen will, ist das Einverständnis des Käufers erforderlich); Rudolph, Art. 48, Rn. 13; Holthausen, RIW 1990, S. 101 ff.; Neumayer, RIW 1994, S. 99 ff.; von Hoffmann, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 299; im bestimmten Urteil ICC-Schiedsspruch, 1.1.1994, 7531/1994 = CISG-online Nr. 565. 182 Mit derselben Begründung im Hinblick auf die Vertragsaufhebung bei einer wesentlichen Vertragsverletzung: Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 32a. 183 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 19; MüKo/Huber, Art. 49 CISG, Rn. 25. 184 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 247.
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Eine andere Ansicht versucht die Problematik durch eine rechtsfolgenorientierte Auslegung der Wesentlichkeit zu lösen.185 Nach dieser Ansicht soll auf ein einheitliches Verständnis der wesentlichen Vertragsverletzung verzichtet werden, vielmehr sei die Wesentlichkeit in Art. 46 Abs. 2 anders als in Art. 49 Abs. 1. lit. a zu bestimmen, weil der Inhalt der wesentlichen Vertragsverletzung erst in Verbindung mit einer bestimmten Rechtsfolge bestimmt werden könne. Demzufolge müsse die Behebbarkeit des Mangels bei der Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung mitberücksichtigt werden, wenn sie als Tatbestand der Vertragsaufhebung fungiere. Im Gegensatz dazu solle die Behebbarkeit der Mängel außer Acht bleiben, soweit es um die wesentliche Vertragsverletzung für den Ersatzlieferungsanspruch gehe.186 Diese Auffassung erscheint im Kontext des CISG aber systemwidrig. Die wesentliche Vertragsverletzung ist eines der wichtigsten Tatbestandsmerkmale im Rahmen der Rechtsbehelfe im CISG, was auch dadurch deutlich wird, dass ihre Definition in Artikel 25 im Kapitel der „allgemeinen Bestimmungen“ verortet ist. Als allgemeine Bestimmung muss dieser Rechtsbegriff daher durchgängig einheitlich angewandt werden.187 Nach einer anderen abweichenden Ansicht ist die wesentliche Vertragsverletzung unabhängig von der Behebungsmöglichkeit des Verkäufers zu bestimmen. Jedoch werde die Feststellung der wesentlichen Vertragsverletzung suspendiert, wenn der Verkäufer eine sofortige und sachgerechte Behebung des Mangels anbiete.188 Die Suspendierung solle dann bis zum tatsächlichen Fehlschlagen der Mängelbeseitigung des Verkäufers andauern.189 Diese Ansicht kann jedoch Zufallsergebnisse produzieren. Falls der Käufer zufälligerweise vor dem entsprechenden Angebot des Verkäufers seinen Anspruch auf Ersatzlieferung geltend macht, muss der Verkäufer diesen erfüllen, auch wenn er zur Mängelbeseitigung bereit ist und der Mangel ohne unzumutbare Belastung des Käufers behoben werden kann.190 Überdies ist eine Suspendierungsmöglichkeit explizit in Art. 48 Abs. 2–4 normiert. Demgegenüber ist in Art. 48 Abs. 1 kein Anhaltspunkt dafür er-
185
Karollus, ZIP 1993, S. 496. Karollus, ZIP 1993, S. 495 ff. 187 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 6; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 21; MüKo/Huber, Art. 49 CISG, Rn. 31; Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 29; Bitter/Bitter, BB 1993, S. 2322; von Hoffmann, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 299. 188 Bitter/Bitter, BB 1993, S. 2323; Bianca/Bonell/Will, Art. 48 CISG, Anm. 3.2.2. 189 “[…] is merely suspended when a rightful offer to cure arrives.” (Bianca/Bonell/Will, Art. 48 CISG, Anm. 3.2.2.). 190 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 22. 186
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
sichtlich, der den Suspensiveffekt eines Behebungsangebots durch den Verkäufer begründen könnte.191 In der Literatur findet sich eine weitere Auffassung, die dieses Problem mit Hilfe der Charakteristik des Ersatzlieferungsanspruchs als „Rechtsbehelf” zu lösen versucht. 192 Nach dieser Ansicht muss der Käufer keine Rechtsbehelfe geltend machen, wenn der Verkäufer nach der Mängelanzeige des Käufers die bestehenden Mängel der Kaufware mittels Nachbesserung oder Ersatzlieferung tatsächlich beseitigt, d.h. für das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung komme es darauf an, ob die Nacherfüllung tatsächlich durchgeführt worden ist. Trotzdem bleibt bei dieser Ansicht m.E. unklar, ob die wesentliche Vertragsverletzung auch allein durch die Behebungsmöglichkeit und nicht erst infolge der tatsächlichen Durchführung der Nacherfüllung entfallen kann. Diese Ansicht steht m.E. auch nicht mit der Systematik des CISG in Einklang.193 Obwohl der Ersatzlieferungsanspruch im CISG als Rechtsbehelf des Käufers vorgesehen ist, steht er ihm gem. Art. 46 Abs. 2 erst dann zu, wenn im konkreten Fall eine wesentliche Vertragsverletzung festgestellt wird. Dann aber kann der Verkäufer das Verlangen nach Ersatzlieferung gem. Art. 48 Abs. 1 auch nicht durch sein Nacherfüllungsrecht abwenden. Wenn nun aber die Beurteilung der wesentlichen Vertragsverletzung von der Ausführung der Nacherfüllung durch den Verkäufer abhängig gemacht wird, bedeutet dies praktisch, dass der ausdrückliche Vorbehalt in Art. 48 Abs. 1 in diesem Bereich sinnlos wird. M.E. ist diese Konsequenz ein klarer systematischer Widerspruch in Hinblick auf das Verhältnis zwischen Art. 46 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 1. Da alle dargestellten Ansichten mit dogmatischen und systematischen Schwierigkeiten verbunden sind, geht die herrschende Meinung davon aus, dass eine wesentliche Vertragsverletzung nicht vorliegt, wenn ein schwerwiegender Mangel leicht zu beheben und der Verkäufer zu dieser Mängelbeseitigung auch bereit ist.194 Als Grenze ist für die Feststellung der we191
MüKo/Huber, Art. 49 CISG, Rn. 26. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 29; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 248 ff. 193 So auch mit den unterschiedlichen Begründungen: Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 20. 194 Achilles, Art. 25 CISG, Rn. 4 sowie Art. 48 CISG, Rn. 5; Ferrari/Saenger, Art. 49 CISG, Rn. 6; MüKo/Huber, Art. 49 CISG, Rn. 28; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 CISG, Rn. 28; Staudinger/Magnus, Art. 48, Rn. 25 ff. sowie Art. 49 CISG, Rn. 14; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 23 (diese betonen, dass die wesentliche Vertragsverletzung aufgrund einer Abwägung zwischen ihrer Erheblichkeit und Behebbarkeit im Rahmen einer Gesamtschau aller objektiven Umstände des Einzelfalls festzustellen sei); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-196; Ferrari, IHR 2005, S. 7; Fountoulakis, IHR 2003, S. 168; Lurger, IHR 2001, S. 98; OLG Köln, 14.10.2002, IHR 2003, S. 16 = CISG-online Nr. 709; OLG Koblenz, 31.1.1997, IHR 2003, S. 175 = CISG192
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sentlichen Vertragsverletzung auch zu berücksichtigen, dass die Mängelbeseitigung durch den Verkäufer für den Käufer keine unzumutbare Belastung oder Verzögerung darstellen darf. Obwohl nach überwiegender Meinung in der Literatur die Feststellung einer wesentlichen Vertragsverletzung grundsätzlich von der Behebungsmöglichkeit des Verkäufers abhängt, gibt es auch Ausnahmefälle, in denen das schutzwürdige Interesse des Käufers eine sofortige Feststellung der wesentlichen Vertragsverletzung, unabhängig von der Behebungsmöglichkeit, rechtfertigt. Wenn z.B. das bisherige Verhalten des Verkäufers das Vertrauen des Käufers in dessen Bereitschaft und Fähigkeit zur Nachbesserung erschüttert hat, soll der Käufer sofort berechtigt sein, seinen Ersatzlieferungsanspruch geltend zu machen. 195 Gleiches soll beim Fixgeschäft gelten, wobei das entscheidende Interesse des Käufers dort aus dem vereinbarten exakten Liefertermin herrührt. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich ein Stufenverhältnis zwischen der Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung und der Behebbarkeit.196 Auf der ersten Stufe stehen die Fälle, in denen eine wesentliche Vertragsverletzung schon aufgrund der fehlenden objektiven Schwere des Mangels ausscheidet. In diesen Fällen hat der Käufer von vornherein keinen Ersatzlieferungsanspruch. Auf der zweiten Stufe sind die Fallkonstellationen zu verorten, in denen schwerwiegende Mängel vorliegen, die technisch nicht behebbar oder deren Behebung dem Käufer bereits nicht zuzumuten ist. In solchen Fällen bleibt es bei dem Tenor des Art. 48 Abs. 1. 197 Der Verkäufer kann die Ersatzlieferung des Verkäufers anhand des Art. 48 Abs. 1. abwenden. Zuletzt gibt es Fälle der schwebenden wesentlichen Vertragsverletzung: Die Behebbarkeit des Mangels blockiert hierbei die sofortige Feststellung einer wesentlichen Vertragsverletzung und den daraus folgenden Ersatzlieferungsanspruch. Erst nachdem der Behebungsversuch fehlgeschlagen oder vom Verkäufer ernsthaft verweigert worden ist, wird die wesentliche Veronline Nr. 256; OLG Oldenburg, 22.9.1998, NJW-RR 2000, S. 1364-1365 = CISG-online Nr. 508. 195 Beispielsweise bei vorsätzlicher Lieferung eines billigeren Imitats (Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 30, S. 650); so auch MüKo/Huber, Art. 49, Rn. 28; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 23a; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 CISG, Rn. 28; Ferrari/Saenger, Art. 49 CISG, Rn. 6; Karollus, ZIP 1993, S. 497. 196 MüKo/Huber, Art. 49, Rn. 29. 197 So auch Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 27. Trotzdem bedeutet dies m.E nicht, dass Art. 48 Abs. 1 für die Ermittlung der wesentlichen Vertragsverletzung eine Rolle spielt. Denn in Art. 48 Abs. 1 wird explizit der Vorbehalt der Rechtsbehelfe wegen einer wesentlichen Vertragsverletzung normiert. Daher ist die wesentliche Vertragsverletzung zu bestimmen, bevor es zur Anwendung des Art. 48 Abs. 1 kommen kann.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
tragsverletzung festgestellt.198 Erst danach ist der Käufer zur Geltendmachung des Ersatzlieferungsanspruchs berechtigt. M.E. muss der Käufer diesen Schwebezustand dulden, denn sofern ihm dies zumutbar ist, überwiegt das Interesse des Verkäufers an der Nacherfüllung sein Interesse an der Ausübung der durch die wesentliche Vertragsverletzung bedingten Rechtsbehelfe,199 zumal das kaufrechtliche Schuldverhältnis als Kooperationsverhältnis beider Vertragsparteien anzusehen ist.200 Aus diesem Kooperationsverhältnis resultiert die Pflicht, auf das Interesse der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. c) Einfluss des Kommunikationsmechanismus der Art. 47, 48 Abs. 2-4 Dem in den Art. 47, 48 Abs. 2–4 normierten Kommunikationsmechanismus wird – ganz im Gegensatz zum Begriff der wesentlichen Vertragsverletzung – wenig Beachtung geschenkt.201 Mit Hilfe dieser Vorschriften eröffnet das CISG die Möglichkeit, Verträge trotz Vorliegens einer Vertragsverletzung wie vorgesehen abzuwickeln. 202 Dies ist nicht Ausprägung des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers oder des Nacherfüllungsrechts des Verkäufers, sondern basiert auf der freiwilligen Kooperation beider Vertragsparteien. Der Käufer kann daher im Falle eines Mangels eine angemessene Nachfrist gem. Art. 46 setzen, sofern er weiterhin an einer nachträglichen Erfüllung interessiert ist. Dem Verkäufer steht es, anders als nach der Ausübung von Rechtsbehelfen, frei, wie er auf das Verlangen reagiert, allerdings ist das Nacherfüllungsverlangen ein gewisses Druckmittel, sofern ein schwerwiegender Mangel vorliegt, da bei einem fruchtlosen Ablauf der Nachfrist unabhängig von den oben dargestellten Auffassungen eine wesentliche Vertragsverletzung auf jeden Fall anzunehmen ist.203 Demgegenüber kann der Käufer vor Ablauf der Nachfrist keine Rechtsbehelfe wegen des Mangels geltend machen, weil die von ihm selbst vorgenommene Nachfristsetzung gem. Art. 47 Abs. 2 eine Bindungswirkung entfaltet –
198
So auch Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 32. Zustimmend Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 CISG, Rn. 23 ff. (ihnen zufolge ist die Feststellung einer wesentlichen Vertragsverletzung das Ergebnis einer Abwägung zwischen der Erheblichkeit der Vertragsverletzung und der Möglichkeit ihrer Behebung). 200 So auch Magnus, in: FS Schlechtriem, 2003, S. 612. 201 Die Bedeutung dieses Kommunikationsmechanismus in Bezug auf den Konflikt zwischen dem Nacherfüllungsrecht des Verkäufers und der Geltendmachung von Rechtsbehelfen durch den Käufer hat Magnus in seinem Aufsatz bereits betont: Magnus, Aufhebungsrecht des Käufers und Nacherfüllungsrecht des Verkäufers im UN-Kaufrecht, in: FS Schlechtriem, 2003, S. 608 ff. 202 In diesem Sinne Honsell/Schnyder/Straub, Art. 47 CISG, Rn. 2. 203 Ferrari/Saenger, Art. 47 CISG, Rn. 1 f. 199
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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dies gilt durchaus auch für Fälle der wesentlichen Vertragsverletzung. 204 Der in den Art. 48 Abs. 2–4 normierte Kommunikationsmechanismus zur Förderung der Kommunikation und Kooperation zwischen Käufer und Verkäufer hat mehrere Zwecke. 205 Wenn der Käufer dem Verkäufer die Mängel der gelieferten Ware anzeigt, kann der Verkäufer seinerseits die Nacherfüllung anbieten und Mitteilung des Käufers über die Annahme seiner Erfüllung verlangen. Dieses Nacherfüllungsangebot ist unabhängig vom Bestand des Nacherfüllungsrechts gem. Art. 48 Abs. 1. Gem. Art. 48 Abs. 3 beinhaltet die Anzeige der Nacherfüllungsabsicht des Verkäufers eine Aufforderung an den Käufer zur Mitteilung im Sinne des Art. 48 Abs. 2. Widerspricht der Käufer dieser Anzeige nicht rechtzeitig, ist er an das Nacherfüllungsangebot des Verkäufers gebunden, sodass er innerhalb der vom Verkäufer zuvor selbst gesetzten Nacherfüllungsfrist keine Rechtsbehelfe ausüben kann, die dessen Nacherfüllungsangebot widersprechen.206 Schenkt man diesem Kommunikationsmechanismus die nötige Beachtung und berücksichtigt ihn bei der Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung, kann es nur in zwei Fallkonstellationen zu Problemen kommen: Zum einen kann der Käufer zeitgleich mit der Mängelanzeige oder innerhalb einer angemessenen Frist danach Ersatzlieferung verlangen, während der Verkäufer seinerseits nicht zur Mitteilung über die Annahme seiner Nachbesserung gem. Art. 48 Abs. 1 oder Abs. 2 auffordert und lediglich eine Behebungsmöglichkeit durch Nachbesserung vorhanden ist. Zum anderen kann der Käufer die Annahme der Nachbesserung des Verkäufers verweigern und Ersatzlieferung verlangen, obwohl der Verkäufer seine Nacherfüllung gem. Art. 48 Abs. 1 oder Abs. 2 angezeigt hat.207 Wenn der Käufer auf die Anzeige der Nacherfüllung durch den Verkäufer gem. Art. 48 Abs. 1, 2 hin zustimmt oder nicht reagiert, entsteht die bereits genannte Bindungswirkung gem. Art. 48 Abs. 2.208 Wenn man sich den Stellenwert dieses Kommunikationsmechanismus im CISG hinreichend verdeutlicht, gelangt man zu der Erkenntnis, dass das CISG Kommunikation und Kooperation zwischen den Vertragsparteien fordert.209 Daher soll der Grundgedanke dieses Mechanismus zum Tragen 204
Honsell/Schnyder/Straub, Art. 47 CISG, Rn. 28; Ferrari/Saenger, Art. 47 CISG,
Rn. 7. 205
So auch Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 30a. Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 41. 207 Ebenso Magnus, in: FS Schlechtriem, 2003, S. 609. 208 Die vom Verkäufer vorgeschlagene Nacherfüllungsmodalität stellt in diesem Fall nur eine Nachbesserung dar, weil aufgrund des Angebots der Ersatzlieferung die Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung entbehrlich ist. 209 Die Wichtigkeit des Kommunikations- und Kooperationsverhältnisses der Parteien wird im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen dem Nacherfüllungsrecht des Verkäu206
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
kommen, wenn die verletzte Vertragspartei Rechtsbehelfe geltend machen will. Daher hat sie auch das Interesse der anderen Partei zu berücksichtigen. Diese Form der Rücksichtnahme leitet sich auch aus den allgemeinen Grundsätzen des CISG ab.210 Wenn man die Essenz dieses Grundsatzes und die daraus folgende Rücksichtnahmepflicht auf das Interesse der anderen Partei im Rahmen der Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung betrachtet, kann man folgende Schlussfolgerungen ziehen: Die Geltendmachung von Rechtsbehelfen wird durch das Interesse der anderen Partei in gewissem Umfang begrenzt. Daher ist die wesentliche Vertragsverletzung als Tatbestand der Ersatzlieferung so auszulegen, dass ihr schwerwiegende Mängel, die ohne zusätzliche Belastung oder Gefahren für den Käufer umgehend behoben werden können, nicht unterfallen. Insoweit wird also das Käuferinteresse an sofortiger Geltendmachung des Ersatzlieferungsanspruchs zurückgedrängt. Wenn man diesem Ansatz folgt, können die beiden als problematisch ausgeführten Fallkonstellation wie folgt gelöst werden: Wenn die vorliegenden schwerwiegenden Mängel der Kaufsache binnen kurzer Zeit ohne zusätzlichen Nachteile durch Nachbesserung des Verkäufers beseitigt werden können, stellen diese Mängel keine wesentliche Vertragsverletzung dar. Daher kann der Käufer in diesem Zeitraum keine Ersatzlieferung gem. Art. 46 Abs. 2 verlangen. B. Weitere Voraussetzungen des Nachbesserungsanspruchs I. Formen der Vertragswidrigkeit Die Nachbesserung als Rechtsbehelf des Käufers setzt voraus, dass die Kaufsache geliefert wurde und nicht vertragsgemäß im Sinne des Art. 35 ist.211 Insoweit ähnelt sie der Ersatzlieferung. Anders als im Rahmen der Ersatzlieferung muss der Verkäufer die Kaufsache jedoch nicht erneut beschaffen. Daher ist es auch unerheblich, ob es sich um einen Gattungsoder Spezieskauf handelt.212 Auch spielt hierbei anders als beim Ersatzlie-
fers und dem Aufhebungsrecht des Käufers bereits betont (Schlechtriem/Schwenzer/ Müller-Chen, Art. 48 CISG, Rn. 16). 210 Magnus, in: FS Schlechtriem, 2003, S. 612: demnach kann die Pflicht zur Rücksicht auf die Interessen der anderen Partei vornehmlich aus dem Gutglaubensgrundsatz im CISG abgeleitet werden. 211 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 52; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 58; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 39. 212 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 52; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 58; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 47 CISG, Rn. 88a; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 39; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 299.
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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ferungsanspruch die Schwere der Vertragswidrigkeit keine Rolle.213 Daher kann der Käufer bei jeder Form der Vertragswidrigkeit Nachbesserung verlangen. Demgegenüber fallen Rechts- sowie echte Quantitätsmängel nicht in den Anwendungsbereich des Art. 46 Abs. 3. Für diese kommt gem. Art. 46 Abs. 1 der allgemeine Erfüllungsanspruch zum Zuge.214 II. Zumutbarkeit Zwar ist die Nachbesserung unabhängig von der Schwere der Vertragsverletzung, dennoch kann der Käufer sie gem. Art. 46 Abs. 3 nicht verlangen, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar ist. Durch diese Vorschrift kann sich der Verkäufer davor schützen, dass der Käufer eine übermäßige Belastungen verursachende Nachbesserung verlangt. 215 Daher wird für die Unzumutbarkeit vor allem das Interesse des Verkäufers berücksichtigt.216 Hinsichtlich der Unzumutbarkeit für den Käufer ist zu differenzieren: Wenn die Nachbesserung zumutbar für den Verkäufer, jedoch unzumutbar für den Käufer ist, ist nicht Art. 46 Abs. 3, sondern Art. 48 Abs. 1 S. 1. anzuwenden. Der Verkäufer kann dem Käufer die Nachbesserung also nicht aufzwingen, wenn sie für diesen unzumutbar ist.217 Obwohl die Einschränkung des Nachbesserungsanspruchs durch das Kriterium der Zumutbarkeit dem Schutze des Verkäufers dienen soll, ist die Zumutbarkeitsprüfung im Sinne des Art. 46 Abs. 3 eine verobjektivierte Entscheidung. 218 Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.219
213 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 39; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 50; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 47 CISG, Rn. 91; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 57; Soergel/Lüderitz/ Schlüßler-Langheine, Art. 46 CISG, Rn. 7. 214 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 58; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 89; a.A. Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 46, Anm. 3; Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 9; Huber, RabelsZ 43 (1979), S. 503: demnach unterfallen Quantitätsmängel, Aliud-Lieferung sowie Rechtsmängel dem Anwendungsbereich gem. Art. 46 Abs. 2, 3. 215 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 54. 216 Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 60; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 10; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 299. 217 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 41; Honsell/Schnyder/ Straub, Art. 46 CISG, Rn. 94; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 54. 218 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 60; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 94; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 46, Anm. 8; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 21; von Hoffmann, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 297. 219 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Fraglich ist daher, wie die Unzumutbarkeit gem. Art. 46 Abs. 3 im konkreten Fall festzustellen ist. Die dabei gegeneinander objektiv abzuwägenden Kriterien sind einerseits das Interesse des Käufers an der Nachbesserung und andererseits der Aufwand bzw. die Belastung für den Verkäufer. 220 Somit ist die Nachbesserung unzumutbar, wenn der mit der Nachbesserung erforderliche Aufwand des Verkäufers in einem objektiven Missverhältnis zum Interesse des Käufers an der Nachbesserung steht.221 Die Unzumutbarkeit darf aber auch nicht vorschnell angenommen werden,222 da der Verkäufer die Lieferung mangelfreier Ware vertraglich versprochen und somit grundsätzlich auch in gewissem Maße das Risiko für die nachträgliche Herstellung des vertragsmäßigen Zustandes der Ware übernommen hat. 223 Daher liegt Unzumutbarkeit nicht bereits dann vor, wenn z.B die Kosten der Nachbesserung im konkreten Fall lediglich höher als die üblichen Nachbesserungskosten sind. Ungeachtet dessen stehen bei der Zumutbarkeitsprüfung im Regelfall wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund.224 Denn der Kostenfaktor ist das Kerninteresse des Verkäufers im Zusammenhang mit seinen Nachbesserungsarbeiten. Demgegenüber wird der Kaufpreis nach h.M. nicht in die Abwägung der Unzumutbarkeit einbezogen. 225 Dies ist m.E. sachgerecht, da der Kaufpreis als Gegenleistung für die vertragsgemäße Warenlieferung
220 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40. Zur Abwägung: Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 299. 221 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 61; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 96; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 299. 222 Hierfür ist die Formulierung der Unzumutbarkeit im Original zu beachten. Der Begriff, “unreasonable” in der englischen Originalfassung zielt darauf ab, das unangemessene Nachbesserungsverlangen des Käufers abzuhalten, daher soll er nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nur die vollkommen unerträgliche Nachbesserung blockiert wird (Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 95). 223 Auch In diesem Sinne Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 95. 224 Mit unterschiedlichen Formulierungen betonen den Kostenfaktor des Verkäufers in Hinblick auf die Zumutbarkeit: Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 61 (wenn die Nachbesserung unwirtschaftlich ist); Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40 (wenn die Nachbesserung unverhältnismäßig kostspielig ist); MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55 (wenn die Nachbesserung aus wirtschaftlicher Sicht unverhältnismäßig aufwändig ist). 225 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 97; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-188; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 300; a.A. Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 46, Anm. 8 (wenn die Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum Kaufpreis der Ware stehen); von Hoffmann, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 297 (wenn der Reparaturaufwand den Kaufpreis um ein Mehrfaches übersteigt).
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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vereinbart wurde. Er stellt also keinen Vermögensvorteil dar, der durch die Nachbesserung abzusichern wäre. Es ist also das Interesse des Käufers an der Nachbesserung den Aufwendungen der Nachbesserung für den Verkäufer gegenüberzustellen. 226 Umstritten ist dagegen das Verhältnis zwischen den Nachbesserungs- und den Ersatzlieferungskosten. Es ist dabei fraglich, ob Unzumutbarkeit vorliegt, wenn die Nachbesserungskosten die Kosten der Ersatzlieferung einfach übersteigen. Teilweise wird dies bejaht.227 Dem widerspricht die Gegenauffassung mit verschiedenen Argumenten. Beispielsweise spricht sich eine Ansicht für die Anwendung der Faustformel der deutschen Rechtsprechung aus. Demnach dürfen die Kosten der Nachbesserung die Kosten der Ersatzbeschaffung grundsätzlich um nicht mehr als 20 % überschreiten und bei besonderem Affektionsinteresse um nicht mehr als 30 %.228 Nach anderer Ansicht ist eine Nachbesserung bereits unzumutbar, wenn sie gegenüber der Ersatzlieferung um 10–20 % teurer ist.229 M.E. ergibt sich eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung nur dann, wenn sie erheblich teurer als die Ersatzbeschaffung ist – dass sie lediglich teurer ist, kann nicht ausreichen.230 Denn der Nachbesserungsanspruch ist nach der Intention des CISG ein Rechtsbehelf des Käufers und er soll seine Interessen dadurch schützen. Daher muss grundsätzlich dem Käufer die Wahl zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung zustehen. Wenn das Interesse des Verkäufers diese Wahlmöglichkeit des Käufers stets torpedieren könnte, wäre dies eine zu starke Einschränkung. Das Wahlrecht des Käufers entfällt daher mit Rücksicht auf das Verkäuferinteresse nur, wenn die Nachbesserungskosten die Kosten der Ersatzbeschaffung erheblich übersteigen. Die Wahl zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch ist nicht lediglich als Wahl zwischen Formen eines einheitlichen Nacherfüllungsanspruchs anzusehen, sondern vielmehr als Wahl zwischen unterschiedlichen Rechtsbehelfen.231 In diesem Sinne kann die Unzumutbarkeit 226 Aus diesem Grund wird m.E. der Ansatzpunkt der Auffassung von von Hoffmann als unplausibel abgelehnt. Nach der Ansicht von von Hoffmann soll das Äquivalenzverhältnis hinsichtlich des Kaufpreises für die Zumutbarkeitsprüfung berücksichtigt werden: von Hoffmann, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 297, S. 297 f. 227 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 61; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 13. 228 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; dazu LG Ellwangen, 13.12.2002, NJW 2003, S. 517 ff.; OLG Braunschweig, 4.2.2003, NJW 2003, S. 1053 ff. 229 MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 22. 230 In diesem Sinn MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 98a; a.A. Bianca/Bonell/Will, Art. 48 CISG, Anm. 3.1.1. (jedoch in Bezug auf die Zumutbarkeit gem. Art. 48 Abs. 1). 231 Implizit ebenso Witz/Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 9.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
nicht einfach anhand eines Kostenvergleichs zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung bestimmt werden. Nach einer anderen Ansicht kann die Unzumutbarkeit der Nachbesserung im Prinzip bejaht werden, wenn der Verkäufer statt der Nachbesserung Ersatzlieferung anbietet und hierbei der Käufer gegenüber der Nachbesserung nicht schlechter gestellt ist.232 Diese Ansicht ist m.E. nicht einleuchtend, da sie das Wahlrecht des Käufers zwischen seinen Rechtsbehelfen nicht hinreichend beachtet. Schlichte Kostengründe dürfen die freie Wahl des Käufers nicht beschränken. Aus dieser Erwägung heraus nimmt eine andere Ansicht an, dass der Ansatzpunkt der Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen der Nachbesserung nicht in Art. 46 Abs. 3 an sich, sondern in Art. 48 zu finden sei.233 Denn das Wahlrecht des Käufers könne nur unter Berufung auf die Erwägung der Unzumutbarkeit gem. Art. 48 Abs. 1 korrigiert werden. Die Unzumutbarkeit der Nachbesserung basiere jedoch nicht zwingend bloß auf wirtschaftlichen Gründen, sondern könne auch auf tatsächlichen Gründen beruhen.234 Dabei ist nach einer Ansicht zwischen Hersteller und Händler zu differenzieren. Denn anders als der Hersteller habe der Händler im Regelfall keine eigene Werkstatt, um Reparaturen ausführen zu können, sodass ihm eine Nachbesserung erschwert sei.235 Demnach wäre ein Nachbesserungsanspruch des Käufers wegen Unzumutbarkeit regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Verkäufer ein Händler ist. 236 Eine andere abweichende Ansicht macht diese Unterscheidung davon abhängig, wie schwer oder leicht der Händler die Dienste einer Reparaturwerkstatt in Anspruch nehmen kann.237 Aber m.E. darf der Verkäufer nicht von der Nachbesserungspflicht befreit werden, nur weil ihm als Händler keine Werkstatt zur Verfügung steht. In diesem Fall muss er die Dienstleistungen Dritter zum Zwecke der Nachbesserung in Anspruch nehmen. 238 Das Anlegen eines derart strengen Maßstabes ist auch gerechtfertigt, weil sich der Verkäufer selbst zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verpflichtet hat und er durch die Lieferung mangelhafter Ware zur vertragsbrüchigen Partei
232
Witz/Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 8. MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 56. 234 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 10. 235 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 13. 236 Witz/Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 8. 237 In diesem Sinne Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 62; Schlechtriem/ Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 48 CISG, Rn. 9; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 48, Anm. 8; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 300. 238 MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 CISG, Rn. 20; Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 10. 233
Kapitel 4. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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wurde.239 Außerdem kann es vorkommen, dass ein Hersteller keine Reparaturwerkstatt besitzt und somit ebenfalls Dritte einschalten muss. Daher kann die Hersteller- oder Händlereigenschaft für die Unzumutbarkeit der Nachbesserung allein m.E. keine Rolle spielen.240 Relevant sind vielmehr die Kosten für die Ausführung der Nachbesserung (z.B. Beauftragung der Werkstatt eines Dritten), wobei der Verkäufer diese zu tragen hat, wenn sie nicht völlig außer Verhältnis zum Interesse des Käufers an der Nachbesserung stehen. Vorstellbar ist auch, dass der Käufer die Nachbesserung wesentlich leichter durchführen kann als der Verkäufer, z.B. wenn der Käufer bessere Kontakte zu entsprechenden Reparaturwerkstätten besitzt oder sich der Belegenheitsort der Ware aus der Sicht des Verkäufers im Ausland befindet und die Beschaffung der erforderlichen Reparaturdienstleistungen für ihn daher schwieriger ist. In solchen Fällen kann der Käufer die Nachbesserung selbst durchführen und die dafür aufgewendeten Kosten durch Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs kompensieren. 241 Nach einer Auffassung soll daher der Nachbesserungsanspruch wegen Unzumutbarkeit ausgeschlossen sein, wenn Mängel durch den Käufer kostengünstiger und ohne große Schwierigkeiten beseitigt werden können. 242 Aber m.E. ist zweifelhaft, ob allein die Möglichkeit kostengünstigerer Selbstvornahme durch den Käufer zu einem Überschreiten der Unzumutbarkeitsschwelle in Art. 46 Abs. 3 führt. Denn im grenzüberschreitenden Handelsverkehr muss man fast immer damit rechnen, dass die Nachbesserung kostenspielig wird, da sie im Ausland durchzuführen ist. Wenn die Nachbesserung aus diesem Grund stets auschiede, würde die Vorgabe des CISG, Nachbesserung als einen wesentlichen Rechtsbehelf des Käufers zu behandeln, unterlaufen. Außer Zweifel steht jedoch, dass der Käufer vom Verkäufer die Kosten für eine durchgeführte Selbstvornahme zurückverlangen kann. Aufzwingen kann der Verkäufer dem Käufer ein solches Vorgehen jedoch nicht, weil der Nachbesserungsanspruch im CISG als Rechtsbehelf des Käufers normiert ist und es ihm freisteht, diesen einzufordern. M.E. sind im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung vielmehr die Rechtsbehelfe aufeinander zu ver239 So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 98 (der Verkäufer ist zu größeren Anstrengungen verpflichtet, soweit dadurch der vertragsgemäße Zustand erreicht wird); ähnlich Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 10 (dem Verkäufer ist es regelmäßig zuzumuten, die Kosten zur Herbeiführung ordnungsgemäßer Erfüllung zu tragen). 240 Zudem spielt es im CISG anders als im EKG keine Rolle, ob der Verkäufer Hersteller der Kaufsache ist (Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 10). 241 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 98; so auch Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 63; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 13. 242 Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 10; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 63; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 13.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
gleichen: Wenn die Durchführung der Nachbesserung für den Verkäufer einen erheblichen Aufwand bedeutet, das Käuferinteresse aber auch durch die Geltendmachung anderer Rechtsbehelfe wie z.B. Minderung oder Schadensersatz geschützt werden kann, ist die Unzumutbarkeit gem. Art. 46 Abs. 3 zu bejahen.
Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Damit der Käufer nach dem Erhalt mangelhafter Ware Rechtsbehelfe geltend machen kann, muss er die Ware gem. Art. 38 Abs. 1 innerhalb einer kurzen Frist untersuchen und gem. Art. 39 Abs. 1 innerhalb angemessener Zeit die Vertragswidrigkeit anzeigen. Wenn der Käufer die Rügefrist versäumt, verliert er gem. Art. 39 Abs. 1 das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen und seine Rechtsbehelfe geltend zu machen. Wenn der Käufer dagegen die Ware ordnungsgemäß untersucht und eine entdeckte Vertragswidrigkeit innerhalb der Frist anzeigt, kann er zwischen den seinen Fall erfassenden Rechtsbehelfen wählen. Neben der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen fordert das CISG in Art. 46 Abs. 2, 3 in Bezug auf die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs die Einhaltung einer zusätzlichen Frist. Nach Art. 46 Abs. 2, 3 muss der Käufer zusammen mit der Mängelanzeige oder binnen einer angemessenen Frist nach dieser Anzeige seinen Nacherfüllungsanspruch geltend machen. Einerseits trägt diese Frist zur Rechtssicherheit des Verkäufers bei, da sie das Unterlassen der Wahl zwischen den Rechtsbehelfen über einen längeren Zeitraum untersagt, andererseits sollen so in Bezug auf den internationalen Handelsverkehr mögliche Spekulationstaktiken seitens des Käufers unterbunden werden.243 Um sein Recht auf Nacherfüllung auszuüben, das ihm von Art. 46 Abs. 2, 3 eingeräumt wird, muss der Käufer einen von beiden Nacherfüllungsansprüchen wählen. D.h. er muss sich entscheiden, ob er Ersatzlieferung oder Nachbesserung verlangt. 244 Selbstverständlich bedarf es einer Wahl nur dann, wenn sowohl die Voraussetzungen von Abs. 2 als auch die von Abs. 3 zugleich erfüllt werden. Eigentlich steht das Wahlrecht zwischen dem Ersatzlieferungs- und dem Nachbesserungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 2, 3 dem Käufer zu, weil wie
243
Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 258. MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 28; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 75b. 244
Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
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oben erwähnt245 im CISG beide Ansprüche als unterschiedliche Rechtsbehelfe normiert sind. Diese Zuweisung des Wahlrechts resultiert m.E. aus dem Charakteristikum als Rechtsbehelf: Die verletzte Vertragspartei weiß am besten, mit welchem Rechtsbehelf ihr verletztes Interesse wiederhergestellt werden kann. Dennoch kann das Wahlrecht des Käufers zwischen beiden Nacherfüllungsansprüchen u.U. beschränkt werden, weil das Interesse des Verkäufers – auch wenn er die vertragsbrüchige Partei ist – in gewissem Maße ebenfalls berücksichtigt werden muss. Als rechtliches Pendant zum Nacherfüllungsanspruch des Käufers ist im CISG das Recht des Verkäufers normiert, nach der Lieferung seinerseits die Nacherfüllung anzubieten und selbst den Mangel der Kaufsache zu beseitigen. Nach Art. 48 kann er die bestehende Vertragswidrigkeit der Ware mittels Ersatzlieferung oder Nachbesserung auch nach der Lieferung beseitigen und so die Geltendmachung anderer auf Vertragswidrigkeit der Ware beruhender Rechtsbehelfe des Käufers abwenden. Da dem Verkäufer gem. Art. 48 Abs. 1 beide Formen der Nacherfüllung eingeräumt sind, kann in bestimmten Fällen die freie Rechtsbehelfswahl des Käufers dadurch in gewissem Ausmaß zurückgedrängt werden. B. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs von Art. 46 Abs. 2, 3 vorliegen, kann der Käufer seinen Nacherfüllungsanspruch ggf. unter Angabe der Nacherfüllungsmodalität geltend machen. Dieses muss gem. Art. 46 Abs. 2, 3 durch rechtzeitige Erklärung geschehen.246 Wenn der Käufer die Frist versäumt, kann er nicht weiter Nacherfüllung verlangen, sondern nur noch Schadensersatz oder Minderung. 247 Scheinbar bleibt auch eine Vertragsaufhebung möglich, was jedoch im Regelfall ausgeschlossen ist, da das CISG in Art. 49 Abs. 2 lit. b i) eine ähnliche zeitliche Beschränkung für die Geltendmachung der Vertragsaufhebung vorsieht.248 Wenn der Käufer die Ersatzlieferung geltend machen will, muss dieses Begehren eindeutig zum Ausdruck kommen.249 Diesbezüglich ist die Abgrenzung des Ersatzlieferungsbegehrens vom Nachbesserungsverlangen sowie von der Vertragsaufhebungserklärung äußerst wichtig, 250 denn der 245
S. Teil 2, Kapitel 1, B, II. Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 7; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 64. 247 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33. 248 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 261. 249 So auch Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33. 250 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 65. 246
48
2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Nacherfüllungsanspruch ist gem. Art. 81 Abs. 1 ausgeschlossen, wenn das Verlangen des Käufers als ordnungsgemäße Erklärung der Vertragsaufhebung ausgelegt werden kann.251 Wenn der Käufer Ersatzlieferung verlangt und gleichzeitig die Vertragsaufhebung erklärt, kann dies dahingehend verstanden werden, dass er die Ersatzlieferung mit der Aufforderung zur Rücknahme der vertragswidrigen Ware verlangt.252 Weiterhin muss zwischen dem Ersatzlieferungs- und dem Nachbesserungsbegehren unterschieden werden. Denn da es sich um zwei unabhängige Rechtsbehelfe handelt, steht es im Prinzip dem Käufer frei, welche von beiden Nacherfüllungsansprüchen er wählt. Die Erklärung eines Ersatzlieferungsverlangens muss daher eindeutig sein: Der Käufer muss zum Ausdruck bringen, dass er den vertragsgemäßen Zustand durch die erneute Lieferung der vertragsgemäßen Ware hergestellt wissen will.253 Wenn der Käufer dagegen nur ein allgemeines, unspezifisches Nacherfüllungsbegehren äußert, darf dies m.E. nicht so ausgelegt werden, dass dem Verkäufer ein Wahlrecht überlassen werde. Vielmehr muss der Verkäufer seinerseits nachfragen, um den Inhalt der vagen Erklärung des Käufers zu ermitteln. Die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs ist nicht form-, sondern nur fristgebunden. 254 Daher ist jede Form der Nacherfüllungserklärung hinreichend, solange sie dem Verkäufer nur eindeutig das Nacherfüllungsbegehren vermittelt. Deswegen ist auch eine Mitteilung per E-Mail eine ordentliche Nacherfüllungsaufforderung im Sinne von Art. 46 Abs. 2, 3. 255 Gleichwohl unterliegt die Nacherfüllungserklärung der Bestimmung des Art. 27, der für alle Erklärungen im Rahmen des CISG gilt.256 Dementsprechend muss die Mitteilung des Käufers auf einem den Umständen nach geeigneten Weg erfolgen. Wenn der Käufer sein Nacherfüllungsverlangen mit geeigneten Mitteln abschickt, tritt die Wirkung der Erklärung bereits zum Absendezeitpunkt in Kraft und die Frist des Nacherfüllungsverlangens
251 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 7; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 4. 252 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 65; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 4. 253 In diese Richtung Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 7 (für die Ersatzlieferung zeigt sich eindeutig das Begehren einer erneuten und ordnungsgemäßen Lieferung der Ware); so auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 65. 254 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 65a; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 47; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34. 255 So ausdrücklich Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 47. 256 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 67; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34.
Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
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kann somit gewahrt werden. Das Risiko der Verspätung sowie des Untergangs der Mitteilung geht gem. Art. 27 allein zu Lasten des Verkäufers.257 Problematisch ist hingegen, wie die Angemessenheit der Erklärungsfrist in Art. 46 Abs. 2, 3 bemessen wird. Die Angemessenheit hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. 258 Bislang herrscht in Literatur und Rechtsprechung keine Einigkeit darüber, welche Kriterien für die Bemessung dieser Erklärungsfrist anzulegen sind.259 Nach einer Ansicht soll die Angemessenheit der Frist der in Art. 39 entsprechen.260 Jedoch ist zu beachten, dass die Mängelanzeige nach Art. 39 einen anderen Zweck erfüllt als die Erklärung des Nacherfüllungsbegehrens durch den Käufer gem. Art. 46 Abs. 2, 3.261 Mit der Mängelanzeige kann sich der Käufer auf die Vertragsverletzung des Verkäufers berufen und sich so erst in die Lage versetzen, die ihm eingeräumten Rechtsbehelfe geltend zu machen. Demgegenüber dient die Anforderungsfrist gem. Art. 46 Abs. 2, 3 dem Käufer als Bedenkzeit, in der er entscheiden muss, welche Rechtsbehelfe er wählen will.262 Der Zweck der Mängelanzeigefrist gem. Art. 39 besteht in der zügigen Information des Verkäufers über eine bestehende Vertragsverletzung. Hingegen fällt die Erklärungsfrist gem. Art. 46 Abs. 2, 3 in diejenige Phase, in der der Käufer sich für die Geltendmachung eines bestimmten Rechtsbehelfs entscheiden soll. 263 Daher ist die Erklärungsfrist gem. Art. 46 Abs. 2, 3 wesentlich großzügiger zu bemessen als die Mängelanzeigefrist gem. Art. 39.264 Wenn man die Erklärungsfrist gem. Art. 46 Abs. 2, 3 als Bedenkzeit zur Rechtsbehelfswahl des Käufers versteht, ist sie eng mit der Frist für die 257
Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33; Honsell/Schnyder/ Straub, Art. 46 CISG, Rn. 67. 258 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 43; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 7. 259 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66a. 260 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33. 261 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66a. 262 In diesem Sinne MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34 (diese Frist sei eine Überlegungsfrist); a.A. MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 10. 263 So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66a (dies sei eine Abklärungs- und Entscheidungsphase, dagegen bestehe die Rügefrist in einer Unterrichtungsphase). 264 Ebenso im Ergebnis, jedoch mit abweichender Argumentation: diese Frist bestimme sich großzügig, weil der Verkäufer durch die Mängelanzeige bereits informiert sei (MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34); a.A. diese Erklärungsfrist sei kürzer als bei der Mängelanzeige zu bemessen, weil sie eine zusätzlich eingeräumte Frist sei (Witz/Salger/ Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 6); vgl. zwei Wochen als Regelfrist (MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn 11).
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Erklärung der Vertragsaufhebung gekoppelt. Denn beide Rechtsbehelfe beruhen auf einer wesentlichen Vertragsverletzung, darüber hinaus scheidet die Geltendmachung des Ersatzlieferungsanspruchs aus, sofern der Käufer zu Recht die Vertragsaufhebung erklärt. Daher können die Bemessungskriterien der Angemessenheit im Rahmen des Art. 49 Abs. 2 lit. b für die Erklärungsfrist des Ersatzlieferungsanspruchs herangezogen werden.265 Grundsätzlich beginnt der Ablauf der angemessenen Frist für das Nacherfüllungsverlangen mit der Absendung der Mängelanzeige. 266 Wenn die Mängelanzeige wegen des Art. 40 oder aufgrund besonderer Vereinbarung der Parteien nicht erforderlich ist, läuft die Erklärungsfrist erst ab der Entdeckung des Mangels. 267 Fraglich ist indes, wann die Frist des Art. 46 Abs. 2, also die angemessene Frist für das Ersatzlieferungsverlangen, zu laufen beginnt. Diese Frage kann in Bezug auf die zeitlich-dynamische Bewertung der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung beantwortet werden. Der Käufer kann im Falle eines schwerwiegenden aber behebbaren Mangels nicht sofort Ersatzlieferung verlangen, da die kurzfristige Nachbesserungsmöglichkeit des Verkäufers im Rahmen der Auslegung der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung berücksichtigt werden muss. Demnach kann die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung auch nicht sofort festgestellt werden, sie muss sich vielmehr im Laufe der Zeit konkretisieren. Die Zeitspanne, in der das Warten auf Nachbesserung durch den Verkäufer noch zumutbar ist, muss also in die Bestimmung der Angemessenheit der Frist für die Ersatzlieferung einbezogen werden.268 Die Erklärungsfrist für den Nachbesserungsanspruch des Käufers ist im Prinzip kürzer zu bemessen als die für den Ersatzlieferungsanspruch, denn dort bedarf es nicht so ausführlicher Erwägungen, da bei der Nachbesserung keine schwierigen Bewertungen des Mangels erfolgen müssen, wie es bei der Ersatzlieferung der Fall ist.269
265 So auch MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34. Eine andere Ansicht befürwortet eine entsprechende Anwendung der Kriterien zur Festlegung der Frist aus Art. 49 Abs. 2 lit. a (Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 7; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66a; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 7). 266 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 44; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66b. 267 Dies ist die überwiegende Meinung (Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 45; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 34; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66b); nach der Gegenansicht soll für den Beginn der Frist in diesem Fall auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem die Mängelrüge hätte erhoben werden müssen (Herber/Czerwenka, Art. 46 CISG, Rn. 8; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 11). 268 So auch Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 259. 269 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 100a.
Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
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Nach h.M. gilt die Frist von zwei Jahren in Art. 39 Abs. 2 nicht für die Nacherfüllungserklärung des Käufers gem. Art. 46 Abs. 2, 3 wie sich aus dem klaren Wortlaut ergibt. 270 Demnach bezieht sich die Ausschlussfrist des Art. 39 Abs. 2 nur auf die Mängelanzeige nach Art. 39 Abs. 1. Dies ist im Einzelfall auch gerecht: Wenn der Käufer kurz vor Ablauf der Ausschlussfrist gem. Art. 39 Abs. 2 die Mängel anzeigt und später binnen angemessener Frist gem. Art. 46 Abs. 2 einen Ersatzlieferungsanspruch geltend macht, soll ihm dies möglich sein.271 C. Verhältnis zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch Da Ersatzlieferung und Nachbesserung im CISG zwei unabhängige Rechtsbehelfe sind, 272 steht es dem Käufer frei, welche von beiden er wählt. 273 Ihnen gegenüber steht das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers aus Art. 48 Abs. 1, nach dem er seinerseits die Mängelbeseitigung anbieten und so nach einer erfolgten Mängelbehebung die Ausübung anderer Mängelgewährleistungsrechte des Käufers abwenden kann.274 Dabei ist es dem Verkäufer überlassen, wie er die Mängel im Rahmen seines Nacherfüllungsrechts beseitigt, soweit die von ihm gewählten Maßnahmen dem Käufer zumutbar sind. 275 Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung durch den Verkäufer wird anhand dreier Kriterien festgestellt, die in Art. 48 Abs. 1 als Grenze des Nacherfüllungsrechts des Verkäufers normiert sind. Demnach darf der Verkäufer für den Käufer durch seine Nacherfüllung keine unzumutbare Verzögerung, keine unzumutbaren Unannehmlichkeiten und keine Ungewissheit über die Auslagenerstattung herbeiführen,276 da in die-
270 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 46; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 35; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 66c; a.A. Bianca/Bonell/Will, Art. 46 CISG, Anm. 2.2.1.1: demnach gelten zwei Jahre gem. Art. 39 Abs. 2 vielmehr als Maximum der angemessenen Frist. 271 So ausdrücklich unter Berufung auf diese Fallkonstellation: Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 46. 272 So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/ Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 28. 273 Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 32; grundsätzlich ebenso MüKoHGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 28. 274 MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 1. 275 Achilles, Art. 48 CISG, Rn. 2; Herber/Czerwenka, Art. 48 CISG, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 48, Rn. 6; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 10; MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 13; MüKo-HGB/Benicke, Art. 48 CISG, Rn. 4; Ferrari/Saenger, Art. 48 CISG, Rn. 3; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 48 CISG, Rn. 3. 276 MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 13; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 22.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
sen drei Fällen die Interessen des Käufers unzumutbar beeinträchtigt wären.277 Unterhalb dieser Zumutbarkeitsschwelle, ist der Verkäufer aber nicht verpflichtet, die Nacherfüllungsmaßnahme zu wählen, die den Käufer am wenigsten belastet. 278 Daher kommt es praktisch durchaus vor, dass der Verkäufer nach der Zumutbarkeitsprüfung gem. Art. 48 Abs.1 zwischen beiden Modalitäten der Nacherfüllung frei wählen kann. Dies führt zu einem Spannungsverhältnis mit dem Nacherfüllungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 2, 3, wenn man dem Ansatz folgt, dass das Wahlrecht zwischen der Ersatzlieferung und der Nachbesserung prinzipiell dem Käufer zusteht. Deutlich wird dies beispielsweise, wenn der Käufer Ersatzlieferung verlangt, der Verkäufer dieses Verlangen jedoch durch ein Nachbesserungsangebot gem. Art. 48 Abs. 1 abwendet.279 Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies jedoch ein Problem der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung als Tatbestand des Ersatzlieferungsanspruchs gem. Art. 46 Abs. 2: Denn wenn dem Verkäufer eine dem Käufer zumutbare Nachbesserung möglich ist, liegt von vornherein keine wesentliche Vertragsverletzung vor, die zu einer Ersatzlieferung berechtigen würde.280 Wenn ausnahmsweise die wesentliche Vertragsverletzung anfänglich bestimmt wird und der Käufer Ersatzlieferung verlangt, ist der Verkäufer nach einer Ansicht trotzdem berechtigt, die Vertragswidrigkeit der Ware durch Nachbesserung gem. Art. 48 Abs. 1 zu beheben, vorausgesetzt, dass dies dem Käufer zumutbar ist.281 Denn das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers gem. Art. 48 Abs. 1 stehe nur unter dem Vorbehalt der Vertragsaufhebung, nicht unter dem des Ersatzlieferungsverlangens.282 M.E. ist diese Begründung nicht plausibel. Obwohl in Art. 48 Abs. 1 nur der Vorbehalt der Vertragsaufhebung explizit normiert ist, ist dennoch mit einem argumentum a maiore ad minus hervorzuheben, dass der Verkäufer im Falle einer wesentlichen Vertragsverletzung nicht sein Nacherfüllungsrecht gegen den Käufer durchsetzen kann: Könnte er dies, führte das zu der merkwürdigen Konsequenz, dass der Käufer als schärfere Maßnahme zwar den Vertrag auflösen, jedoch keine Ersatzlieferung geltend machen könnte, obwohl der Tatbestand beider Rechte identisch ist und der Käufer im Prin-
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Vor allem Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 48 CISG, Rn. 9. Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 10. 279 So auch Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 32; MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 13. 280 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 9; so auch Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 40. 281 MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 13; im Ergebnis ebenso Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 48 CISG, Rn. 20; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 10a. 282 So auch MüKo-HGB/Benicke, Art. 48 CISG, Rn. 4. 278
Kapitel 5. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
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zip die freie Wahl zwischen den Rechtsbehelfen hat.283 Nach einer anderen Meinung kann aus dem Art. 48 Abs. 1 kein Rangverhältnis zwischen Ersatzlieferung und Nacherfüllung hergeleitet werden, da sich der klare Vorbehalt des Art. 48 Abs. 1 nur auf das Recht zur Vertragsaufhebung gem. Art. 49 beziehe und nicht auf das Recht der Ersatzlieferung gem. Art. 46. 284 Da somit kein Rangverhältnis zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung bestehe, könne der Verkäufer den Mangel der Ware sowohl durch Ersatzlieferung als auch durch Nachbesserung im Rahmen seines Nacherfüllungsrechts gem. Art. 48 Abs. 1 beheben, sofern das jeweilige Nacherfüllungsangebot des Verkäufers für den Käufer zumutbar sei. 285 Diese Auffassung kann m.E. Verwirrung stiften, da es bei dem Verhältnis zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung im Kern nicht um ein Rangverhältnis geht, sondern wie gezeigt um die Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung als Tatbestand der Ersatzlieferung und ihr Verhältnis zum Nacherfüllungsrecht des Verkäufers gem. Art. 48 Abs. 1. Die zügige Mangelbehebungsmöglichkeit durch Nachbesserung soll bei der Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung berücksichtigt werden.286 Handelt es sich dann trotzdem um eine wesentliche Vertragsverletzung, kann der Verkäufer das Ersatzlieferungsverlangen des Käufers nicht abwehren, da m.E. das Nacherfüllungsrecht den aufgrund der wesentlichen Vertragsverletzung ausgelösten Rechtsbehelfen des Käufers nicht vorgeht. Das schutzwürdige Interesse des Verkäufers wird vielmehr dadurch gewahrt, dass durch eine unverzügliche Nachbesserung die Feststellung der wesentlichen Vertragsverletzung unmittelbar getilgt wird. Demgegenüber kann der Verkäufer im umkehrten Fall gem. Art. 48 Abs. 1 die Nacherfüllung durch Ersatzlieferung erzwingen, sofern dem Käufer dies zumutbar ist, auch wenn dieser Nachbesserung verlangt.287
283 So ausdrücklich Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 48 CISG, Rn. 8; im Ergebnis ebenso Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 32; Herber/Czerwenka, Art. 48 CISG, Rn. 11; a.A. Bianca/Bonell/Will, Art. 48 CISG, Anm. 3.1.1: demnach sei das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers stets vorrangig, wenn es nicht unzumutbar ist. 284 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 10a. Implizit dagegen Staudinger/Magnus, Art. 48 CISG, Rn. 32. 285 Im Ergebnis ebenso Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 48 CISG, Rn. 6; MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 13; MüKo-HGB/Benicke, Art. 48 CISG, Rn. 4. 286 Ferrari/Saenger, Art. 48 CISG, Rn. 5. 287 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 48 CISG, Rn. 10a; MüKo/Huber, Art. 48 CISG, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 48, Rn. 20.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Die Abgrenzung zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch ist von großer Bedeutung, da beide Rechtsbehelfe unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen aufweisen. Wenn der Käufer die gelieferte mangelhafte Ware gegen eine mangelfreie neue Ware austauschen lassen möchte, verlangt er eine Ersatzlieferung gem. Art. 46 Abs. 2 und muss damit die Tatbestandsvoraussetzungen des wesentlichen Mangels beweisen. 288 Für eine Nachbesserung gem. Art. 46 Abs. 3 bedarf es dagegen nur des Vorliegens irgendeines Mangels.289 Mitunter kann eine Abgrenzung beider Maßnahmen schwierig sein – namentlich, wenn die Nachbesserung einen teilweisen Austausch beinhaltet.290 Der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs scheint dabei auf den ersten Blick unproblematisch – es besteht Einigkeit darüber, dass die Ware nach der Nacherfüllung die jeweiligen Merkmale gem. Art. 35 aufweisen muss.291 In der bisherigen Auseinandersetzung über die Ersatzlieferung lag der Fokus auf der Beschaffenheit der Ersatzlieferung, nämlich dem Austausch der bereits gelieferten mangelhaften Ware gegen eine gleichwertige mangelfreie. 292 Legt man lediglich diese Grundzüge der Ersatzlieferung zugrunde, wird konsequenterweise der Umfang der Ersatzlieferungspflicht des Verkäufers dahingehend bestimmt und begrenzt, dass der Verkäufer nur den Austausch der Ware gegen eine erneut zu liefernde vertragsgemäße Ware schuldet. Problematisch erscheint aber der Fall, in dem dem Käufer nach einer Ersatzlieferung weiterhin ein Vermögensnachteil verbleibt.
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Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 16. Die Beweislast für die Unzumutbarkeit der Nachbesserung obliegt dagegen dem Verkäufer (MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 68; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 40; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 16). 290 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 58; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 54; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 44; Enderlein/ Maskow/Strohbach, Art. 46 CISG, Anm. 7; OLG Hamm, 9.6.1995, IPRax 1996, S. 269 = CISG-online Nr. 146 (für die Nachbesserung von Fenstern ist die Lieferung einer Ersatzscheibe notwendig). 291 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 70; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 39, 58; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 285 ff. 292 Dies verdeutlicht den Unterschied zur Nachbesserung (MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 58; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 286; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 50). 289
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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Wenn beispielsweise der Verkäufer mangelhafte Baustoffe verkauft, die der Käufer anschließend verbaut, muss der Käufer nach erfolgter Nachlieferung erneut die Baustoffe verbauen und zudem die vom Verkäufer zunächst gelieferten mangelhaften Baustoffe ausbauen. Dies stellt für ihn eine finanzielle Belastung dar, die durch die bloße Ersatzlieferung nicht ausgeglichen werden kann. Trotz Geltendmachung des Ersatzlieferungsanspruchs bliebe der Käufer damit teilweise auf seinen Kosten sitzen, wodurch der eigentliche Sinn und Zweck des Rechtsbehelfs untergraben würde. Gleichwohl wird dieser Problematik bislang nur wenig Beachtung geschenkt, da der Käufer die Kosten für die zusätzlichen Maßnahmen vom Verkäufer in Form des Schadensersatzes zurückverlangen kann.293 Wie im Beispielsfall angedeutet, spielen die Kosten der Nacherfüllung für beide Parteien eine große Rolle. Soll der Nacherfüllungsanspruch für den Käufer ein effektiver Rechtsbehelf sein, dürfen ihm nach seiner Geltendmachung keine Vermögenseinbußen verbleiben. Der Ansatz, dass der Verkäufer sämtliche Kosten der Nacherfüllung tragen muss, ist im CISG allgemein anerkannt, auch wenn es an einer ausdrücklichen Kodifikation der Kostentragung der Nacherfüllung fehlt.294 Eng an die Kostenfrage gekoppelt ist auch das Problem des Leistungsortes der Nacherfüllung,295 da dem Käufer zusätzliche Kosten entstehen, wenn er die mangelhafte Ware an einen anderen Ort als den jeweiligen Belegenheitsort befördern muss.296 Auch der Verkäufer wird mit den die Nacherfüllung erschwerenden Kosten belastet, wenn beispielsweise im Rahmen der Nachbesserung ein Warentransport erfolgen muss.297 Das führt zu der Frage, in welchem Umfang der Verkäufer Hindernisse überwinden muss, die mit der Durchführung der Nacherfüllung zusammenhängen.298
293 Auf diese Problemlösung wird im Schrifttum nicht ausdrücklich eingegangen, jedoch wird allgemein befürwortet, dass alle anderen auf der mangelhaften Lieferung basierenden Nachteile des Käufers mit Hilfe des Schadensersatzes gem. Art. 45 Abs. 1 lit. b ausgeglichen werden sollen – z.B. im Rahmen der Verzögerungs- oder Begleitschäden (Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 36; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 63; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 43; Witz/Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 11; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 287). 294 In diesem Sinne MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 21; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 42 (die Kostentragungspflicht des Verkäufers kann durch einen Umkehrschluss aus Art. 48 Abs. 1 bejaht werden); Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 46 CISG, Anm. 7; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 287; OLG Hamm, 9.6.1995, IPRax 1996, S. 269, 270 = CISG-online Nr. 146. 295 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71b. 296 Mit dieser Begründung Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 50. 297 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 77. 298 Vgl. MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 18 (aber im Rahmen der Unmöglichkeit als Ausschlussgrund des Erfüllungsanspruchs).
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Beide auf den ersten Blick sehr verschiedenen Probleme hängen m.E. mit der Bestimmung des Umfanges der Nacherfüllungspflicht sowie der daraus folgenden Kostentragungspflicht zusammen. Wichtiger als der Inhalt der Nacherfüllungspflicht ist für den Verkäufer nach meinem Dafürhalten allerdings der Umfang der maximal zu tragenden Kosten. Und auch den Käufer interessiert primär, ob ihm nach der Nacherfüllung noch Vermögensnachteile verbleiben. Überdies trifft den Käufer bei der Abwicklung der Ersatzlieferung eine aus Art. 82 abgeleitete Rückgabepflicht hinsichtlich der vertragswidrigen Ware.299 Ausdrücklich beschränkt Art. 82 den Ersatzlieferungsanspruch des Käufers dahingehend, dass er erlischt, wenn der Käufer die ihm bereits gelieferte mangelhafte Ware nicht in dem Zustand zurückgeben kann, in dem er sie erhalten hat. Daraus ergibt sich mittelbar eine Rückgabepflicht des Käufers. B. Abgrenzungsproblem zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung Die Ersatzlieferung ist im Vergleich zur Nachbesserung dadurch charakterisiert, dass die ursprüngliche mangelhafte Ware durch eine erneute Lieferung des Verkäufers vollständig ausgetauscht wird.300 Hingegen liegt eine Nachbesserung vor, wenn der Käufer die ursprüngliche Ware behält und die Vertragswidrigkeit der Ware durch nachträgliche (Reparatur-) Maßnahmen des Verkäufers beseitigt wird.301 Wenn alle wesentlichen Elemente der Ware getauscht werden und nur einzelne Teile verbleiben, liegt indes keine Nachbesserung, sondern eine Ersatzlieferung vor.302 Trotzdem ist allgemeinen anerkannt, dass eine Nachbesserung auch den Austausch eines oder mehrerer Einzelteile der Ware bzw. die Lieferung eines Ersatzteils umfassen kann. 303 Wenn der Käufer 299 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 43; Die abweichende Ansicht begründet die Rückgabepflicht des Käufers nicht mit einem Umkehrschluss aus Art. 82, sondern mit einer analogen Anwendung des Art. 81 Abs. 2 S. 1 (MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 17; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 288). 300 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 68; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 50; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46, Rn. 36. 301 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 101; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 65; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001). 302 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 68; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 20. 303 In diesem Sinne Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 13; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 69; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 54; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 58; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 44; Reinhart, Art. 46 CISG, Rn. 8; Soergel/Lüderitz/Schlüßler-Langheine, Art. 46 CISG, Rn. 7; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 46 CISG, Anm. 7; OLG Hamm, 9.6.1995, IPRax 1996, S. 269 = CISG-online Nr. 146 (der Austausch der Fensterscheiben als die Nachbesserung).
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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also den Austausch defekter Einzelteile verlangt, liegt darin ein nach Art. 46 Abs. 3 zu beurteilendes Nachbesserungs- und kein Ersatzlieferungsbegehren.304 C. Umfang der Nacherfüllung Wie oben erwähnt305 ist der Umfang der Nacherfüllung im CISG bislang nicht Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen, vielmehr besteht Einigkeit darüber, dass der Käufer im Zuge der Nacherfüllung eine gem. Art. 35 vertragsgemäße Sache erhalten soll.306 Die wirtschaftlichen Einbußen, die dem Käufer nach der Nacherfüllung möglicherweise verbleiben, können im Rahmen des Schadensersatzes gem. Art. 45 Abs. 1 lit. b. ausgeglichen werden, zumal ein Verschulden des Verkäufers im Rahmen dieses Schadensersatzes im CISG nicht erforderlich ist. Deswegen ist für den Käufer die Bestimmung des Umfanges der Nacherfüllung nicht sonderlich relevant. Wenn die Nacherfüllung nicht binnen angemessener Frist erfolgt, kann der Käufer selbstverständlich seinen Nacherfüllungsanspruch durchsetzen. Darüber hinaus kann der Käufer die Nacherfüllung selbst vornehmen und vom Verkäufer die dabei anfallenden Kosten verlangen.307 Wenn der Käufer aber mit seinem Schadensersatzanspruch gem. Art. 45 Abs. 1 lit. b. die durch seine Ersatzvornahme entstandenen Kosten vom Verkäufer verlangen kann, braucht er gegenüber diesem nicht auf Nacherfüllung zu beharren. Denn für den Käufer ist es unbedeutend, ob der Verkäufer selbst die Nacherfüllung vornimmt oder der Käufer dies ggf. mit Hilfe Dritter selbst erledigt und die dafür erforderlichen Kosten erstattet bekommt. Wird der Umfang der Nacherfüllung so knapp bemessen, dass durch sie nicht alle Nachteile des Käufers kompensiert werden, kann er die verbliebenen Nachteile selbst beheben und die dafür nötigen Kosten auf den Verkäufer abwälzen: Denn aus Art. 45 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 ergibt sich, dass der Verkäufer dem Käufer alle anderen Nachteile zu ersetzen hat, die aus der ursprünglichen mangelhaften Lieferung resultieren und die durch die
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Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 50. S. Teil 2, Kapitel 6, A. 306 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 70. Dasselbe Ergebnis wird zum Teil im Schrifttum unter dem Namen der fehlerhaften Nacherfüllung behandelt. Z.B. zeigt sich das Fehlschlagen der Ersatzlieferung, wenn die zum zweiten Mal gelieferte Ware nochmal vertragswidrig ist (MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 47). 307 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 15; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 64; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 67; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 46; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 109; Bamberger/ Roth/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 14; OLG Hamm, 9.6.1995, NJW-RR 1996, S. 179, 180 = CISG-Online Nr. 146. 305
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Nacherfüllung nicht mehr behoben werden können. 308 Dies spielt in der Praxis vor allem beim Einbau mangelhafter Baustoffe eine Rolle:309 Wenn die Mangelhaftigkeit erst nach dem Einbau entdeckt wird, kann der Schaden nicht allein durch die Lieferung mangelfreier Baustoffe behoben werden, weil sie erneut eingebaut werden müssen. Die dafür nötigen Einbaukosten kann der Käufer bei einer Selbstvornahme vom Verkäufer zurückverlangen.310 Wenn für den erneuten Einbau der Ausbau der bereits eingebauten mangelhaften Stoffe notwendig ist, kann der Käufer auch insoweit Erstattung verlangen. Aufgrund des Gesagten ist es nicht erforderlich, die Ersatzlieferung auf die notwendige Ausbau- sowie die zweite Einbauarbeit zu erstrecken, da diese im Rahmen des Schadensersatzanspruchs ersetzt werden. Ähnlich gelagert ist der Fall, in dem der Käufer die ursprünglich mangelhafte Sache verbessert hat, z.B. indem er ein mangelhaftes Auto mit bestimmten zusätzlichen Vorrichtungen für dessen zweckgemäßen Gebrauch versieht. Wenn der Käufer nun wegen wesentlicher Mängel Ersatzlieferung verlangt, stellt sich die Frage, ob die Ersatzlieferung die vom Käufer vorgenommene Verbesserung des Kfz umfassen soll. Dem Käufer ist die Beantwortung dieser Frage jedenfalls gleichgültig, weil er auch insoweit Schadensersatz verlangen kann, wenn er die Aufwendungen im Vertrauen auf die Mangelfreiheit der gelieferten Ware getätigt hat.311 Selbstverständlich ist für die Zubilligung dieser Schadensersatzpflicht des Verkäufers erforderlich, dass die Aufwendungen ohne das Vertrauen auf die ordnungsgemäße Erfüllung des Verkäufers nicht getätigt worden wären 308 So die ausdrückliche rechtliche Begründung eines Urteils über einen Fensterelementkauf zwischen einer italienischen Verkäuferin und einer deutschen Kundin (OLG Hamm, 9.6.1995, NJW-RR 1996, S. 179, 180 = CISG-online Nr. 146). 309 Z.B. in der Rechtsprechung OLG Hamm, 9.6.1995, NJW-RR 1996, S. 179, 180 = CISG-online Nr. 146 (Verkauf von den Fensterelementen); OLG Dresden, 8.11.2007 = CISG-online Nr. 1624 (Verkauf der Schachtabdeckung für Straßenbeläge). 310 So ausdrücklich OLG Hamm, 9.6.1995, NJW-RR 1996, S. 179, 180 = CISGOnline Nr. 146, jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Selbstvornahme des Käufers nicht den Interessen des Verkäufers widersprechen darf. 311 Diese Kosten sind als sog. „frustrierte Aufwendungen“ ersatzfähig: Staudinger/Magnus, Art. 74 CISG, Rn. 53; MüKo/Huber, Art. 74 CISG, Rn. 47; MüKoHGB/Mankowski, Art. 74 CISG, Rn. 36; Honsell/Schnönle/Th. Koller, Art. 74 CISG, Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 74 CISG, Rn. 38; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 294; LG Berlin, 30.9.1992 = CISG-Online Nr. 70; Österreichischer OGH, 14.1.2002, IHR 2002, S. 76 ff. = CISG-Online Nr. 643; U.S. Court of Appeals, 6.12.1995 Delchi Carrier SpA v. Rotorex Corporation = CISG-Online Nr. 140. Dagegen wird anhand der Herleitung aus Art. 84 der Verkäufer erstattungspflichtig, soweit die Verbesserung der Ware für den Verkäufer vorteilhaft ist (Honsell/Weber, Art. 84 CISG, Rn. 17; so auch Schlechtriem/Schwenzer/Hornung/Fountoulakis, Art. 84 CISG, Rn. 31).
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und sie aus verobjektivierter Sicht für angemessenen Gebrauch der Kaufware auch geeignet waren.312 Für den Käufer steht vielmehr die rechtzeitige Mängelrüge gem. Art. 39 im Vordergrund, weil er sämtliche Rechtsbehelfe einschließlich des Nacherfüllungsanspruchs verliert, wenn er bestehende Mängel verspätet anzeigt. Bei Baustoffen stellt sich oft erst nach deren Einbau heraus, dass sie mangelhaft sind. Wenn jedoch die Mangelhaftigkeit der Ware durch eine intensive Untersuchung des Käufers z.B. durch entsprechende Stichproben hätte entdeckt werden könnten, kann eine Mängelanzeige, die erst nach dem Einbau erfolgt, als Versäumnis der Rügefrist gem. Art. 39 Abs. 1 qualifiziert werden, sodass der Käufer das Recht verliert, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen. Die Rechtsprechung hat hinsichtlich des Verkaufs der Schachtabdeckung für Straßenbeläge entschieden, dass eine visuelle Überprüfung im Rahmen der Mängeluntersuchung gem. Art. 38 Abs. 1 nicht ausreicht, sondern die Ware vielmehr stichprobenartig getestet werden muss, um mögliche Mängel ermitteln zu können.313 D. Leistungsort der Nacherfüllung Für die Bestimmung des in Art. 46 Abs. 2, 3 nicht geregelten Nacherfüllungsortes werden in der Literatur verschiedene Ansätze vorgeschlagen.314 Wenn die Vertragsparteien Vereinbarungen über den Nacherfüllungsort treffen oder entsprechende Gepflogenheiten oder Handelsbräuche im Sinne des Art. 9 existieren, sind diese Vorgaben vorrangig zu berücksichtigen.315 Falls dem nicht so ist, muss aus dem CISG sowie dem Wesen des Nacherfüllungsanspruchs abgeleitet werden, an welchem Ort die Nacherfüllung zu bewirken ist.316 Die meisten Literaturansichten differenzieren hinsichtlich des Leistungsortes danach, ob es um Nachbesserung oder Ersatzlieferung geht. Hinsichtlich des Leistungsortes für die Ersatzlieferung werden drei Meinungen vertreten. Nach einer Ansicht hat die Ersatzlieferung am Erfül312
MüKo/Huber, Art. 74 CISG, Rn. 47; Staudinger/Magnus, Art. 74 CISG, Rn. 53. OLG Dresden, 8.11.2007 = CISG-Online Nr. 1624 (zusammengestellt von Güllemann, Internationales Vertragsrecht (2011), S. 168). 314 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 41. 315 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71a; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 41. 316 So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71a; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 59; AG Cloppenburg, 14.4.1993 = CISG-Online Nr. 85; vgl. Grunewald, Kaufrecht, § 9 II, Rn. 117 (der Nacherfüllungsort sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen). 313
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lungsort der ursprünglichen Lieferung gem. Art. 31 zu erfolgen. 317 Diese Vorschrift gilt vornehmlich für den Versendungskauf. Legt man dies zugrunde, müsste der Verkäufer die Ersatzlieferung am Ort der Übergabe an den ersten Beförderer erbringen.318 Diese Ansicht stützt sich auf Erwägungen der Rechtssicherheit319 oder wird damit begründet, dass bei der Geltendmachung der Ersatzlieferung der ursprüngliche Vertrag in gleichem Umfang fortbestehen solle.320 Nach einer anderen Ansicht soll die Ersatzlieferung an dem Ort erfolgen, an dem der Käufer den Mangel der Ware entdeckt hat.321 Dies lässt sich m.E. damit begründen, dass der Verkäufer geschützt wird, wenn der Mangel vor der weiteren Beförderung entdeckt wird, da ein dann sinnlos gewordener Weitertransport oft die Ersatzlieferungskosten erhöhen würde.322 Eine dritte Ansicht vertritt demgegenüber, dass der Ersatzlieferungsort der Ort sei, an dem sich die Ware bestimmungsgemäß befindet. 323 Diese Ansicht geht davon aus, dass der Käufer aufgrund der Vertragsbrüchigkeit des Verkäufers keine zusätzlichen Kosten tragen solle. M.E. ist der Rechtsbehelfscharakter der Ersatzlieferung hierfür zu berücksichtigen – die Ersatzlieferung soll also nicht als bloße erneute Lieferung gemäß dem ursprünglichen Vertrag verstanden werden. Vielmehr ist die Ersatzlieferung als effektiver Rechtsbehelf ausgestaltet. Daher darf seine Ausübung dem Käufer keine zusätzlichen Lasten verursachen. Deswegen muss der Ersatzlieferungsort der Belegenheitsort sein, an dem sich die Ware derzeit befindet, unabhängig davon, ob dieser mit dem Bestimmungsort identisch ist. 324 Anderenfalls müsste der Käufer für die Transportskosten der mangelhaften Ware aufkommen. 317 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 41; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 10; Witz/ Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 11; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 286; Cour d’appel de Paris, 4.3.1998 = CISG-online Nr. 535. 318 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 41. 319 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 41; Fischer, Diss. (Uni Köln, 2007), S. 65 (beim unvorhergesehenen Ortswechsel der Ware würde dem Verkäufer ein erhebliches Kostenrisiko auferlegt). 320 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 153; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 285. 321 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 33, S. 651; Grunewald, Kaufrecht, § 9 II, Rn. 117, S. 222. 322 Wenn der Käufer einen schwerwiegenden Mangel der Ware entdeckt, ist er nach Treu und Glauben gem. Art. 7 Abs. 1 dazu verpflichtet, die vorgesehene weitere Versendung der Ware zu unterlassen, soweit diese Weiterversendung die Transportkosten der Ersatzlieferung erhöhen würde (Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 50; Honsell/ Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71d). 323 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 50; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 14. 324 Ebenso im Ergebnis Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71b.
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Teilweise wird darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Auffassungen nicht zu praktischen Unterschieden führten, da der Verkäufer aufgrund des Schadensersatzanspruchs des Käufers ohnehin die Kosten tragen müsse, die für den An- bzw. Abtransport der Ersatzware anfallen.325 Aber m.E. ergibt sich die Kostentragungspflicht des Verkäufers bereits aus dem Wesen der Ersatzlieferung als Rechtsbehelf des Käufers. Auch hinsichtlich des Leistungsortes der Nachbesserung gibt es divergierende Auffassungen, denn der diese Form der Nacherfüllung betreffende Art. 46 Abs. 3 enthält ebenfalls keine entsprechende Regelung. Nach überwiegender Auffassung muss, anders als im Fall der Ersatzlieferung, die Nachbesserung an dem Ort erfolgen, an der sich die Ware bestimmungsgemäß befindet.326 Eine andere Ansicht vertritt, dass sich der Leistungsort der Nachbesserung aus dem Vertrag bzw. gemäß der Regelung über den Lieferungsort der Ware in Art. 31 ergebe.327 M.E. muss die Nachbesserung aus den oben bereits genannten Gründen ebenfalls an dem Ort erfolgen, an dem die Ware sich derzeit befindet, auch wenn dies nicht der Bestimmungsort ist.328 Zwar wird argumentiert, dass der Nachbesserungsort anders als der Ersatzlieferungsort bestimmt werden müsse, da der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung die erhöhten Kosten für den Hin- und Rücktransport der Ware tragen müsse und dies wirtschaftlich unsinnig sei. Doch ist m.E. kein triftiger Grund ersichtlich, warum der Nachbesserungsort ein anderer als der Ersatzlieferungsort sein sollte. Die Kostentragungspflicht des Verkäufers und die daraus resultierende Kostenneutralität als Ausgangspunkt der vorgenannten Ansichten gelten auch hier. Darüber hinaus zielen die Rechtsbehelfe des Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruchs auf denselben Erfolg ab, nämlich auf die Wiederherstellung der verletzten Interessenlage des Käufers. Aus der Sicht des Verkäufers ist dies auch kein Nachteil, da er die Kosten der Nacherfüllung ohnehin tragen muss.329 Allerdings kann der Verkäufer vom 325 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 41 (die Transportskosten können im Wege des Schadensersatzes erstattet werden); Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71b (aufgrund der Kostentragungspflicht muss der Verkäufer sämtliche mit der Ersatzlieferung verbundenen Kosten tragen). 326 Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 8; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 14; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 15; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 66; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 45; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 153. 327 Witz/Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 11; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 308; Cour d’appel de Paris, 4.3.1998 = CISG-online Nr. 535. 328 Im Ergebnis ebenso MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 59; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 104b; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 25; Grunewald, Kaufrecht, § 9 II, Rn. 108. 329 So ausdrücklich auch für die Ersatzlieferung: Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 71b.
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Käufer die Versendung der defekten Ware an einen für ihn günstigen Ort wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. Art. 7 Abs. 1 verlangen – die dafür erforderlichen Transportkosten muss jedoch er tragen.330 E. Kosten der Nacherfüllung Die Kostentragung der Nacherfüllung ist im CISG nicht explizit geregelt. Dem Art. 48 Abs.1 S.1 lässt sich jedoch die Kostentragungspflicht des Verkäufers für die Nacherfüllung entnehmen.331 Denn da der Verkäufer bei der auf sein freiwilliges Angebot hin durchgeführten Nacherfüllung die Kosten tragen muss, ist selbstverständlich, dass er dazu auch bei der durch den Käufer erzwungenen Nacherfüllung verpflichtet ist.332 Die Kosten erstrecken sich auf alle Aufwendungen, die unmittelbar mit der Ausführung der Nacherfüllung zusammenhängen. Demnach muss der Verkäufer die Transportkosten für die Ersatzware im Rahmen der Ersatzlieferung bzw. die Kosten der Nachbesserung sowie die Transportwege der Ware von und zum Reparaturort selbst tragen.333 Teilweise wird die Kostentragung des Verkäufers im Rahmen der Nacherfüllung mit dem Argument befürwortet, dass die Nacherfüllung ein Bestandteil der Vertragserfüllung sei.334 Dies überzeugt aber m.E. nicht: Die Erfüllungspflicht beruht unmittelbar auf der Vereinbarung der Parteien. Hingegen gibt es regelmäßig keine spezifischen Vereinbarungen über die Nacherfüllung, da die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit der Vertragsverletzung der anderen Partei rechnen. Bezüglich der Behebung vorhandener Vertragsverletzungen ist die Vereinbarung daher im Allgemeinen lückenhaft. Die Kostentragung ist m.E. vielmehr eine Konsequenz des Rechtsbehelfsgedankens: Verletzt der Verkäufer den Vertrag, muss er auf eigene Kosten den vertragsgemäßen Zustand herstellen. Wäre dies anders, könnte die Interessenlage des Käufers nicht durch diesen Rechtsbehelfen wieder-
330 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 66; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 26; a.A. Grunewald, Kaufrecht, § 9 II, Rn. 108, S. 219 (das CISG kennt keinen solchen Anspruch). 331 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 65; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 40; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 42; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 36, 45; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 48, Anm. 7; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 287; Vahle, ZVglRWiss (1999), S. 70; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 154; OLG Hamm, 9.6.1995, NJW-RR, S. 179, 180 = CISG-Online Nr. 146. 332 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 42. 333 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 287, 310. 334 Heilmann, Diss. (Uni Hamburg, 1992), S. 430; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 310; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 154.
Kapitel 7. Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs
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hergestellt werden, da ihm weiterhin Nachteile verbleiben würden. Dies würde den Rechtsbehelfscharakter der Nacherfüllung unterminieren. Allerdings sind die Kosten in Geld zu beziffern. Dies bedeutet, dass sie im Gegensatz zur Ersatzlieferung und Nachbesserung teilbar sind. Die Nacherfüllung erfordert eine reale Handlung des Verkäufers – eine nur zum Teil vorgenommene Nacherfüllung ist für den Käufer sinnlos, weswegen das Nacherfüllungsverlangen nicht teilweise bejaht oder verneint werden kann. Demgegenüber sind die Kosten der Nacherfüllung nach dem Grad des Verschuldens der Vertragsparteien bei der Vertragsverletzung aufzuteilen. Trifft den Käufer eine Mitschuld an der Vertragsverletzung, muss er m.E. die Kosten der Nacherfüllung zum Teil selbst tragen, auch wenn ihm der Nacherfüllungsanspruch zuzubilligen ist.335
Kapitel 7. Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 7. Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Art. 46 Abs. 2, 3 ist die Anspruchsgrundlage für den Nacherfüllungsanspruch. Grundsätzlich steht der Nacherfüllungsanspruch dem Käufer zu, wenn die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 2 oder Abs. 3 erfüllt sind. Aus anderen Bestimmungen ergeben sich indes zusätzliche Anforderungen. Von ihnen ist vor allem Art. 82 zu nennen: Demnach ist die Möglichkeit der Rückgabe der gelieferten Ware im Ursprungszustand eine gesonderte Anspruchsvoraussetzung für die Ersatzlieferung, durch die das Interesse des Verkäufers am Rückerhalt der gelieferten, vertragswidrigen Ware nach erfolgter Ersatzlieferung geschützt wird. Auch die allgemeinen Beschränkungen des Erfüllungsanspruchs können den Nacherfüllungsanspruch einschränken.336 Denn der Nacherfüllungsanspruch weist eine Doppelnatur auf: Einerseits ist er zwar Rechtsbehelf des Käufers, andererseits ist er aber auch ein Anspruch auf nachträgliche Erfüllung, gerichtet auf Leistung in natura. In den Art. 28 und 46 Abs. 1 finden sich Einschränkungen des Erfüllungsanspruchs. Art. 28 beschränkt dabei nicht den Bestand des Anspruchs, sondern nur seine verfahrensrechtliche Durchsetzbarkeit: 337 Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 46 Abs. 1 besteht kein Erfüllungsanspruch, wenn der Käufer einen Rechtsbehelf ausgeübt hat, der mit dem Erfüllungsverlangen 335 Ebenso für die Kostenbeteiligung des Käufers bei der Ersatzlieferung, wenn der Käufer zusammen mit dem Verkäufer die Nichterfüllung zu vertreten hat (Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46, Rn. 36, FN. 83). 336 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 156. 337 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 18; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 22.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
nicht vereinbar ist. Entscheidend für die Vereinbarkeit sind der Inhalt der betreffenden Rechtsbehelfe und das mit ihnen verbundene Interesse.338 Umstritten ist, ob auch Art. 79 den Nacherfüllungsanspruch beschränkt. 339 Doch selbst wenn man Art. 79 grundsätzlich als Befreiungsmöglichkeit von Rechtsbehelfen interpretiert, ist schwerlich vertretbar, dass er den Verkäufer auch von der Erfüllung des Nacherfüllungsanspruchs befreie, denn Art. 79 Abs. 5 normiert ausdrücklich, dass sich die Befreiungsmöglichkeit nur auf den Schadensersatz bezieht. Beschränkungen können sich auch aus ungeschriebenen Regeln ergeben. Dazu zählt der Fall der Unmöglichkeit des Erfüllungsanspruchs. Da der Erfüllungsanspruch eine Leistung in natura zum Gegenstand hat, sind Fälle der Unmöglichkeit in der Praxis nicht selten – dies ist anders bei den auf Geldtransaktionen gerichteten Rechtsbehelfen wie Schadensersatz oder Minderung. Die entscheidende Frage bei der Unmöglichkeit lautet, inwieweit der Verkäufer Leistungshindernisse überwinden muss, denn der Käufer kann trotz seines Nacherfüllungsanspruchs dem Verkäufer keine grenzenlosen Opfer auferlegen.340 B. Allgemeine Beschränkungen des Erfüllungsanspruchs I. Beschränkung gem. Art. 28 Art. 28 beschränkt alle Rechtsbehelfe im CISG, die einen Anspruch auf Leistungserfüllung in natura zum Gegenstand haben.341 Es herrscht Einigkeit darüber, dass auch der Ersatzlieferungs- und der Nachbesserungsanspruch in den Anwendungsbereich des Art. 28 fallen. Gem. Art. 28 kann das Gericht von der Verurteilung zur Erfüllung in natura absehen, wenn nach nationalem Recht bei gleichartigen Kaufverträgen eine Naturalerfüllung nicht vorgesehen ist. 342 Die Anwendung der Vorschrift setzt dabei zunächst voraus, dass eine Partei (hier der Käufer) berechtigt ist, von der anderen Partei (hier dem Verkäufer) die Erfüllung in 338 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 23; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 13. 339 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 17. 340 So auch MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/MüllerChen, Art. 46 CISG, Rn. 9 ff. 341 Achilles, Art. 28 CISG, Rn. 2; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 28 CISG, Anm. 2.1; Herber/Czerwenka, Art. 28 CISG, Rn. 3; Ferrari/Saenger, Art. 28 CISG, Rn. 1; Honsell/Gsell, Art. 28 CISG, Rn. 7; MüKo/Gruber, Art. 28 CISG, Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 28 CISG, Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 28 CISG, Rn. 6; MüKo-HGB/Benicke, Art. 28 CISG, Rn. 5. 342 Ferrari/Saenger, Art. 28 CISG, Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 28, Rn. 6; Honsell/ Gsell, Art. 28 CISG, Rn. 8.
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natura zu verlangen. Daher kommt Art. 28 nicht zur Anwendung, wenn dem Käufer nach dem CISG gar kein Ersatzlieferungs- oder Nachbesserungsanspruch zusteht.343 Damit ist auch klar, dass der Art. 28 auf das Bestehen des materiellen Rechts keinen Einfluss hat, sondern er lediglich dem Gericht überlässt, die nach den Regeln des Übereinkommens gerechtfertigte Erfüllungsklage positiv oder negativ zu bescheiden.344 Somit kann die prozessuale Durchsetzbarkeit des Nacherfüllungsanspruchs gehindert werden.345 II. Ausübung eines unvereinbaren Rechtsbehelfs Art. 46 Abs. 1 stellt klar, dass der Käufer keinen Erfüllungsanspruch hat, wenn er einen Rechtsbehelf ausübt, der mit dem Erfüllungsverlangen unvereinbar ist. Dieser Ausschlussgrund gilt gem. Art 46 Abs. 2 auch für den Nacherfüllungsanspruch.346 Wie oben erwähnt347 ist für die Frage der Vereinbarkeit der Rechtsbehelfe entscheidend, welches Käuferinteresse die in Rede stehenden Rechtsbehelfe wahren sollen.348 Von maßgeblicher Bedeutung ist daher wieder der Charakter des (Nach-)Erfüllungsanspruchs. Der Erfüllungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 1–3 hat zum Ziel, dass der vertraglich vereinbarte Leistungsaustausch stattfindet. 349 Er zielt somit auf den nachträglichen Erhalt der vollständigen und vertragsgemäßen Leistung in natura als Gegenleistung zur Kaufpreiszahlung ab.350 Unvereinbar mit dem Erfüllungsanspruch gem. Art. 16 Abs. 1–3 sind somit Vertragsaufhebung, Minderung sowie Schadensersatz wegen Nichterfüllung.351 Denn durch die Geltendmachung dieser Rechtsbehelfe erlischt der Anspruch auf Leistung in natura, sodass der in der vertraglichen Vereinbarung 343 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 28, Rn. 5; Honsell/Gsell, Art. 28 CISG, Rn. 8. 344 Honsell/Gsell, Art. 28 CISG, Rn. 23. 345 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 278; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 157. 346 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46, Rn. 7. 347 S. Teil 2, Kapitel 4, A. 348 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 13; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 23. 349 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 24. 350 Vgl. MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 13. 351 Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 3; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 19; Schlechtriem/ Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 7; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 24; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 4; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 46 CISG, Anm. 2; Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 5; Bianca/Bonell/Will, Art. 46 CISG, Anm. 2.1.1.1; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-171 ff.; Reinhart, Art. 46, Rn. 2.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
vorgesehene Leistungsaustausch nicht in der ursprünglichen Form stattfindet.352 Für den Fall der Vertragsaufhebung gibt es eine ausdrückliche Regelung in Art. 81 Abs. 1, nach der der Verkäufer infolge der Geltendmachung der Vertragsaufhebung durch den Käufer von seiner Erfüllungspflicht befreit wird.353 Macht der Käufer dagegen diese Rechtsbehelfe nur stufen- bzw. hilfsweise zusammen mit dem Erfüllungsanspruch geltend, kann er weiterhin Erfüllung verlangen.354 D.h. der Käufer kann zunächst den Erfüllungsanspruch geltend machen und zugleich Vertragsaufhebung, Minderung sowie Schadensersatz wegen Nichterfüllung für den Fall verlangen, dass der Verkäufer seine Pflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die Geltendmachung von Schadensersatz für zusätzliche Schäden, wie z.B. Folge- oder Begleitschäden, ist dagegen von vornherein mit dem Erfüllungsanspruch des Käufers vereinbar. 355 Inkompatibel ist lediglich der Schadensersatz wegen Nichterfüllung, der auf den Ausgleich des Minderwerts sowie die Reparaturkosten gerichtet ist, die aus der Vertragswidrigkeit der Ware resultieren.356 Fraglich ist des Weiteren, was unter der Ausübung der unvereinbaren Rechtsbehelfe gem. Art. 46 Abs. 1 zu verstehen ist. Ausübung der Rechtsbehelfe im Sinne des Art. 46 Abs. 1 bedeutet, dass der Käufer verbindlich einen dieser Rechtsbehelfe erklärt, also dem Verkäufer sein Verlangen zum Ausdruck bringt, dass er dem geltend gemachten Rechtsbehelf nachkommen solle.357 Für die Erklärung des Käufers sind die Art. 26 und 27 zu beachten, da die Erklärung in diesem Fall Gestaltungswirkung entfaltet. 358 Infolge der Geltendmachung der unvereinbaren Rechtsbehelfe erlischt der 352 So explizit Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 7; Honsell/ Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 24. Nach a.A. sind diese Rechtsbehelfe deshalb mit dem Erfüllungsanspruch unvereinbar, weil durch ihre Ausübung der Käufer sein Erfüllungsinteresse entweder nicht mehr (Vertragsaufhebung, Minderung) oder auf andere Weise (Schadensersatz wegen Nichterfüllung) verwirklichen kann (MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 13). 353 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 7, FN. 9. 354 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 19; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 26a. 355 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 24; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 13; Sekretariatskommentar, Art. 42 CISG, Anm. 4; Bianca/Bonell/Will, Art. 46 CISG, Anm. 2.1.2; Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 46, Anm. 2. 356 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 13. 357 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 26; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 19. 358 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 7; Vahle, ZVglRWiss (1999), S. 58.
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Erfüllungsanspruch. Für den Ausschluss des Erfüllungsanspruchs nach Art. 46 Abs. 1 ist die Erklärung des Einverständnisses seitens des Verkäufers daher nicht erforderlich.359 III. Befreiung nach Art. 79? In der Literatur umstritten ist die Anwendbarkeit des Art. 79 auf den Erfüllungsanspruch. Nach Art. 79 Abs. 1 muss der Verkäufer nicht für die Nichterfüllung seiner Pflicht einstehen, wenn sie auf einem außerhalb seines Einflussbereichs liegenden Grund beruht und dieser unvorhersehbar, unvermeidbar und unüberwindbar war. Allerdings wird in Art. 79 Abs. 5 klargestellt, dass diese Befreiungsmöglichkeit nur im Rahmen von Schadensersatzansprüchen besteht. Daher ist sehr fraglich, ob Art. 79 auch auf die Ersatzlieferung Anwendung finden kann. Trotz des klaren Wortlautes wird vertreten, dass unter den Voraussetzungen des Art. 79 Abs. 1 auch der Erfüllungsanspruch des Käufers ausgeschlossen sein soll. 360 Denn es sei widersprüchlich, dem Käufer einen Erfüllungsanspruch einzuräumen, obwohl der Verkäufer mit Rücksicht auf die grundlegende Wertung von Art. 79 nicht zur Überwindung der Erfüllungshindernisse verpflichtet sei.361 Nach der sich auf den klaren Wortlaut des Art. 79 Abs. 5 stützenden Gegenansicht gilt die Befreiungsmöglichkeit dagegen ausschließlich für den Schadensersatz.362 Diese Ansicht weist ferner auf das historische Argument hin, dass der Antrag Deutschlands und Norwegens, das Entfallen des Erfüllungsanspruchs bei Vorliegen dauernder Leistungshindernisse zu normieren, auf der Wiener Konferenz ausdrücklich abgelehnt wurde. 363 Daraus 359 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 7; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 26; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 269; a.A. Schlechtriem/Huber, 3. Aufl. 2000, Art. 46 CISG, Rn. 9 (im Fall der Minderung und des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung sei darauf abzustellen, ob der Verkäufer mit diesem Verlangen einverstanden ist). 360 Achilles, Art. 46 CISG, Rn. 3; Bianca/Bonell/Tallon, Art. 79 CISG, Anm. 2.10; Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 25; Soergel/Lüderitz/SchlüßlerLangheine, Art. 46 CISG, Rn. 15; Bamberger/Roth/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; Neumayer, RIW 1994, S. 107. 361 Dieses Ergebnis entspricht nach Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 9 dem Sinn der Vorschrift. 362 Herber/Czerwenka, Art. 79 CISG, Rn. 23; Reinhart, Art. 79 CISG, Rn. 11; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 28; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79 CISG, Rn. 52; Witz/Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 3; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 264; Vahle, ZVglRWiss (1999), S. 60. 363 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 263; Vahle, ZVglRWiss (1999), S. 59.
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ergebe sich, dass in Bezug auf den Erfüllungsanspruch der Verkäufer weiterhin verpflichtet bleibe, das Leistungshindernis im Sinne des Art. 79 Abs. 1 zu beseitigen und die Erfüllung vorzunehmen. Die zuletzt genannte Auffassung überzeugt mich: Art. 79 schreibt vor, dass das verletzte Interesse des Gläubigers wegen der dort niedergelegten Gründe nicht mittels Schadensersatzes wiederhergestellt werden muss. Ob die Nichterfüllung mit Hilfe anderer Rechtsbehelfe kompensiert werden kann, lässt Art. 79 dagegen offen. Für die letzte Ansicht spricht zudem, dass der Umfang der Interessenswiederherstellung durch Schadensersatzleistungen von anderen Rechtsbehelfen des Käufers differiert: Gem. Art. 74 umfasst der Schadensersatz sämtliche Verluste, die infolge der Vertragsverletzung entstanden sind. Demgegenüber beziehen sich die anderen Rechtsbehelfe des Käufers nur auf das Interesse an der Lieferung mangelfreier Ware, die mit dem Kaufpreis im Äquivalenzverhältnis steht. Daher ist der sog. Mangelfolgeschaden nur durch den Schadensersatz zu kompensieren. Vereinfacht gesagt beziehen sich die anderen Rechtsbehelfe des Käufers auf den Erhalt der mangelfreien Ware, während der Anknüpfungspunkt für den Schadensersatz demgegenüber bloß eine „Pflichtverletzung“ ist – unabhängig davon, ob die verletzte Pflicht eine Leistungspflicht des Verkäufers ist oder nicht. Aus diesem Grunde kann man aus Art. 79 nur einen allgemeinen Grundsatz im Sinne des Art. 7 entnehmen, der für die Durchführung anderer Rechtsbehelfe des Käufers stets gilt, aber über Art. 79 nicht direkt zur Anwendung kommen kann.364 Im Rahmen der Nacherfüllung ist in zwei Fallgruppen eine Befreiung möglich: Zum einen sind dies Fälle der objektiven Unmöglichkeit, in denen es sinnlos wäre, den Erfüllungsanspruch weiter bestehen zu lassen.365 Zum anderen handelt es sich um die Fälle, in denen die Nacherfüllung dem Verkäufer zwar objektiv möglich wäre, die Überwindung der Leistungshindernisse für ihn aber unverhältnismäßig bzw. unzumutbar ist. In diesem Fall soll der Verkäufer vom Erfüllungsanspruch des Käufers befreit werden.366 Dieses Ergebnis stützt sich lediglich auf allgemeine Grundsätze des 364 Ähnlich MüKo/Huber, Art. 79 CISG, Rn. 29 (es handele sich um eine Lücke des Übereinkommens, die gem. Art. 7 Abs. 2 über die allgemeinen Grundsätze zu schließen sei). 365 Nach überwiegender Auffassung erlischt der Erfüllungsanspruch schon aufgrund der Bestimmungen des Übereinkommens selbst, ohne dass es auf die Befreiungsmöglichkeit des Art. 79 ankomme: Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 26; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 12; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 30;MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 8; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 263. 366 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46, Rn. 10 ff. (dafür muss ein grobes Missverhältnis zwischen den Käuferinteressen und dem Aufwand des Verkäufers vorliegen).
Kapitel 7. Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs
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CISG – namentlich auf Treu und Glauben367 oder das Rechtsmissbrauchsverbot.368 IV. Unmöglichkeit des Erfüllungsanspruchs Obwohl die Unmöglichkeit im CISG nicht explizit als Befreiungsmöglichkeit normiert ist, versteht sich von selbst, dass das Erfüllungsverlangen unter Umständen, die zur Unmöglichkeit der vom Käufer verlangten Erfüllung führen, sinnlos ist. Dann ist das Beharren des Käufers auf Erfüllung auch ggf. als rechtmissbräuchliches Verhalten zu qualifizieren.369 Wenn die Erfüllung objektiv unmöglich ist, erlischt der Erfüllungsanspruch des Käufers, unabhängig davon, ob das Leistungshindernis eines im Sinne des Art. 79 ist.370 Auch ist irrelevant, ob die objektive Unmöglichkeit anfänglich oder nachträglich eingetreten ist. 371 Denn es ist widersinnig, dem Käufer einen Anspruch einzuräumen, den niemand erfüllen kann. Problematisch dagegen ist der Fall der nur subjektiven Unmöglichkeit, weil die Erfüllung des Anspruchs dann objektiv möglich bleibt. Daraus resultiert die Frage, welche Leistungshindernisse der Verkäufer zu überwinden verpflichtet ist. Nach einer Ansicht ist die Frage anhand des Art. 79, nämlich der gesetzlich geregelten Vorgabe über die Befreiung von Schadensersatzleistungen zu beantworten.372 M.E. ist die Frage nach der subjektiven Unmöglichkeit anhand der grundlegenden Wertung des CISG zu beantworten, die sich in diversen Vorschriften wie z.B. dem Art. 7 Abs. 1 über die Wahrung von Treu und Glauben oder Art. 79 Abs. 1 über die Haftungsbefreiung widerspiegelt. 373 Dies entspricht auch der Regelung des Art. 7 Abs. 2. Nach anderer Ansicht kann der Verkäufer unmittelbar den Grundsatz von Treu und Glauben aus Art. 7 Abs. 1 heranziehen, um sich vom Erfüllungsverlangen des Käufers zu befreien. 374 Die Befreiung tritt ein, wenn 367 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 13; Honsell/Schnyder/ Straub, Art. 46 CISG, Rn. 29. 368 MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 8; Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 265. 369 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 30. 370 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 12; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 26; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 30; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 8; Witz/Salger/Lorenz, Art. 46 CISG, Rn. 3. 371 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 30. 372 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 27. 373 So auch Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 29; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 18 (hierfür gelten die allgemeinen Wertungen des Übereinkommens, die sich aus den Art. 79, 80 ableiten). 374 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46, Rn. 13.
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
der Verkäufer die Erfüllung nur unter unzumutbaren Bedingungen herbeiführen, der Käufer demgegenüber ohne große Schwierigkeiten die vertragsgemäße Erfüllung auf anderem Wege erreichen kann.375 M.E. darf der Verkäufer nicht einfach von seiner Leistungspflicht befreit werden, weil er die Leistungserbringung vertraglich versprochen und damit auch gewisse Risiken hinsichtlich der Erfüllung seiner Leistungspflicht übernommen hat. Daher muss der Verkäufer die meisten Leistungshindernisse überwinden, die im Allgemeinen oder nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach dem Inhalt des konkreten Kaufvertrages vom Verkäufer zu erwarten sind.376 Trotzdem besteht die Leistungspflicht des Verkäufers nicht unbegrenzt. Es sind Fälle denkbar, in denen er von der Leistungspflicht befreit ist. Dies ist m.E. nicht erst bei rechtsmissbräuchlichem Erfüllungsverlangen des Käufers der Fall.377 Wenn das Interesse des Käufers an der Erfüllung mit dem dafür erforderlichen Aufwand des Verkäufers im groben Missverhältnis steht, wird der Verkäufer vom Erfüllungsanspruch des Käufers befreit. Mit anderen Worten wird der Verkäufer von der Leistungspflicht entbunden, wenn die Überwindung der Leistungshindernisse unzumutbar ist.378 Bei der Abwägung des Käuferinteresses ist m.E. auch dessen Möglichkeit zur Geltendmachung anderer Rechtsbehelfe zu berücksichtigen. Denn wenn der Käufer auch auf anderem Wege einen vergleichbaren Ausgleich erzielen kann, darf er nicht auf einem für den Verkäufer besonders aufwändigen Nacherfüllungsanspruch beharren. Auch ist das Verschulden beider Parteien zu berücksichtigen. Trifft den Verkäufer ein Verschulden, muss er einen entsprechend höheren Aufwand bei der Nacherfüllung hinnehmen. Dagegen kann dem (Nach-)Erfüllungsanspruch jeglicher Boden entzogen sein, wenn der Käufer für die Vertragsverletzung überwiegend verantwortlich ist.379 Denn der Erfüllungsanspruch gem. Art. 46 ist nicht teilbar. Im Gegensatz zur h.M., die davon ausgeht, dass die Problematik der Unmöglichkeit als interne Frage des CISG zu betrachten ist, vertritt die Gegenauffassung, dass in diesem Fall das nationale Recht gem. Art. 28 gelten solle.380
375
Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 31. Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 13 (hierfür sind der konkrete Vertrag, insbesondere der dort vereinbarte Kaufpreis, sowie der Grundsatz von Treu und Glauben im internationalen Handel zu berücksichtigen). 377 A.A. MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 7. 378 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 27; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 13. 379 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 11. 380 Implizit Herber/Czerwenka, Art. 46 CISG, Rn. 4. 376
Kapitel 7. Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Folgt man dieser Auffassung, hätte dies naturgemäß je nach anzuwendendem Recht unterschiedliche Ergebnisse zur Folge. Mir scheint der Ansatz der Mindermeinung wenig überzeugend, da dieser einer einheitlichen Anwendung des CISG gem. Art. 7 Abs. 1 deutlich zuwiderläuft. C. Nacherfüllungsspezifische Beschränkungen I. Beschränkungen des Ersatzlieferungsanspruchs gem. Art. 82 In Art. 82 ist eine Beschränkung kodifiziert, die sich vor allem auf den Ersatzlieferungsanspruch auswirkt. Danach verliert der Käufer das Recht, vom Verkäufer Ersatzlieferung zu verlangen, wenn es ihm unmöglich ist, die Ware im Wesentlichen in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat. Die Rückgabepflicht entsteht sofort nach der Geltendmachung der Ersatzlieferung, 381 sodass Art. 82 nur bis zur Erklärung der Ersatzlieferung gilt.382 Über den Zeitraum nach der Erklärung bis zur Rückgabe finden sich im CISG keine Vorschriften, jedoch kann Art. 82 Abs. 2 insoweit analog angewandt werden. 383 Im CISG ist nicht bestimmt, dass der Käufer die ursprünglich erhaltene, vertragswidrige Ware nur Zug um Zug gegen die neue Lieferung des Verkäufers zurückgeben muss. 384 Denn es fehlt in Art. 81 Abs. 2 eine Regelung, die ein Zurückbehaltungsrecht im Rahmen der Ersatzlieferung statuiert. 385 Ein Antrag Norwegens zur Normierung einer Zug-um-Zug-Abwicklung bei der Ersatzlieferung wurde auf der Wiener Konferenz abgelehnt.386 M.E. hat das Interesse des Verkäufers, die dem Käufer bereits gelieferte Ware zurückzuerhalten und wiederverwenden zu können, Vorrang vor dem Interesse des Käufers an der Absicherung der Ersatzlieferung des Verkäufers. Denn die Abwicklung der Ersatzlieferung in Form des Austausches von Ware als Zug um Zug bereitet dem Verkäufer große Schwierigkeiten sowie hohe Kosten, insbesondere im internationalen
381
Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46, Rn. 34. Die Erklärung der Ersatzlieferung entspricht der Absendung der Erklärung. Gem. Art. 27 ist der Zugang der Ersatzlieferungserklärung irrelevant: Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 270. 383 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 270. 384 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 49; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 43; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 34; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 62; MüKo-HGB/Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 18; a.A. Herber/Czerwenka, Art. 46, Rn. 7. 385 Ferrari/Saenger, Art. 46 CISG, Rn. 8; MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 43; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 62. 386 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 49; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 62; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 34, FN. 77. 382
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2. Teil: Nacherfüllung im CISG
Handel.387 Darüber hinaus hat der Verkäufer auch die Kosten und die Gefahr des Rücktransportes zu tragen.388 In Art. 82 Abs. 2 ist eine Ausnahme von der Rückgabepflicht geregelt: Demnach kann der Käufer auch Ersatzlieferung verlangen, selbst wenn er die gelieferte Ware nur in wesentlich verändertem Zustand zurückgeben kann. II. Beschränkungen des Nachbesserungsanspruchs Auch im Rahmen der Nachbesserung können objektive und subjektive Unmöglichkeit zur Leistungsbefreiung führen. Bei der objektiven Unmöglichkeit scheidet die Nachbesserung aus, weil das Fortbestehen des Nachbesserungsanspruchs sinnlos wäre – so erlischt bei einem irreparablen Schaden der Nachbesserungsanspruch des Käufers.389 Da die Zumutbarkeit bereits in Art. 46 Abs. 3 als Tatbestandsvoraussetzung der Nachbesserung kodifiziert ist, wird die Erschwerung der Nachbesserung teilweise schon im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit für den Verkäufer diskutiert, sodass das Problem des Verhältnisses zwischen Aufwand für die Nachbesserung und Vorteil für den Käufer bereits dort zu thematisieren ist.390 Folgt man dieser Auffassung, scheidet eine Nachbesserung schon dann aus, wenn sie unverhältnismäßig aufwändig ist.391
387 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 34; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 46 CISG, Rn. 18. Im Vergleich dazu ist die Abwicklung in Gestalt des Austausches der Ware gegen Geld deutlich kostengünstiger. 388 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 46 CISG, Rn. 34. 389 Schulz, Diss. (Uni Hamburg, 2001), S. 301. 390 Staudinger/Magnus, Art. 46 CISG, Rn. 61. 391 MüKo/Huber, Art. 46 CISG, Rn. 55.
Teil 3
Nacherfüllung im BGB Kapitel 1. Grundstruktur der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe Kapitel 1. Grundstruktur der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe
A. Einleitung Mit der Schuldrechtsreform veränderte sich die Systematik des Gewährleistungsrechts im Kaufrecht grundlegend. Im Mittelpunkt der Reform stand die Schaffung eines neuen, einheitlichen Grundtatbestands der Pflichtverletzung. Sie markiert den Ausgangspunkt für alle Rechtsbehelfe aufgrund von Leistungsstörungen.1 Darüber hinaus ist der Verkäufer nach dem reformierten Kaufrecht gem. § 433 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. verpflichtet, dem Käufer die Kaufsache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Die Lieferung einer mangelhaften Sache stellt eine Verletzung der Leistungspflicht dar – unabhängig davon, ob der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat. Da nach dem neuen Kaufrecht Sach- und Rechtsmängel ebenfalls Pflichtverletzungen darstellen, kann das Sachmängelgewährleistungsrecht im Kaufvertrag auch in das allgemeine Leistungsstörungsrecht integriert werden, weswegen ein besonderes Sachmängelgewährleistungsrecht wie in der alten Fassung des BGB nicht mehr erforderlich ist.2 Infolge dieser Integration kommen Rechtsbehelfe des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auch im Falle von Sach- und Rechtsmängeln zur Anwendung. 3 Mit § 437 hat der Gesetzgeber die Verknüpfung zwischen Kaufgewährleistungsrecht und allgemeinem Leistungsstörungsrecht geschaffen.4 Diese Vorschrift ist lediglich Rechtsgrundverweisung und stellt gewissermaßen eine Zusammenfassung der Rechtsbehelfe dar, die der
1
Verweyen, Diss. (Uni Hamburg, 2005), S. 57. Die Abschaffung der Sonderstellung des Gewährleistungsrechts im Kaufvertrag und dessen Integration zum einheitlichen Leistungsstörungsrecht war ein wesentliches Ziel der Schuldrechtsreform: Haas, NJW 1992, S. 2390. 3 Z.B. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 ff. und Recht auf Rücktritt gem. §§ 323 ff. BGB n.F. 4 Kandler, Mandy, Kauf und Nacherfüllung, S. 308; Bamberger/Roth/Faust, § 437 BGB, Rn. 2: sog. „Brückenfunktion“; so auch Staudinger/Matusche-Beckmann, § 437 BGB, Rn. 1. 2
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Käufer bei Mängeln geltend machen kann.5 Hingegen ist § 437 keine eigenständige Anspruchsgrundlage.6 Die einzige gemeinsame Voraussetzung aller Rechtsbehelfe, die in § 437 zugunsten des Käufers normiert sind, ist die Mangelhaftigkeit der Kaufsache, die der Verkäufer dem Käufer geliefert hat. Infolgedessen findet § 437 für alle Arten von Mängeln im gesamten Kaufrecht Anwendung.7 Wenn der Käufer einen bestimmten Rechtsbehelf geltend machen will, müssen jedoch unter Umständen weitere Voraussetzungen erfüllt sein. 8 Neben den Rechtsbehelfen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts verweist § 437 auf zwei spezielle kaufrechtliche Rechtsbehelfe9: auf den Nacherfüllungsanspruch gem. § 439 und das Minderungsrecht gem. § 441. B. Die Stellung des Nacherfüllungsanspruchs im hierarchischen Rechtsbehelfssystem I. Rechtsbehelfshierarchie gem. § 437 Die Schaffung des Nacherfüllungsanspruchs ist eine wesentliche systematische Veränderung im Vergleich zum alten Gewährleistungsrecht beim Kauf.10 Er spielt im System der Mängelgewährleistungsrechte als zentraler Rechtsbehelf eine ganz wesentliche Rolle.11 Da die anderen Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit dem Nacherfüllungsanspruch stehen, ergibt sich aus § 437 gewissermaßen eine Rechtsbehelfshierarchie, die hier näher untersucht werden soll. Diese Hierarchie springt nicht sofort ins Auge, weil nach dem Wortlaut des § 437 alle Rechtsbehelfe scheinbar auf gleicher Ebene stehen. Der Vorrang der Nacherfüllung und die Aufteilung der Rechtsbehelfe auf zwei Ebenen (primärer Rechtsbehelf und sekundäre Rechtsbehelfe) ergeben sich vielmehr aus dem fruchtlosen Verstreichen einer Nacherfüllungsfrist als Voraussetzung für die Sekundärrechtsbehelfe (§§ 281 Abs. 1 S. 1, 323
5 Insoweit ist § 437 BGB vergleichbar mit Art. 45 CISG: jener normiert ebenfalls die möglichen Rechtsbehelfskategorien des Käufers bei Vorliegen einer Vertragsverletzung seitens des Verkäufers: Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 CISG, Rn. 1. 6 Müko/Westermann, § 437 BGB, Rn. 1. 7 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 437 BGB, Rn. 4. 8 Dies wird in § 437 durch die Bedingung klargestellt, dass, „die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen“; vgl. Müko/Westermann, § 437 BGB, Rn. 1. 9 Bamberger/Roth/Faust, § 437 BGB, Rn. 2 10 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 1: das alte Kaufrecht sah nur beim Gattungskauf einen Ersatzlieferungsanspruch vor (§ 480 Abs. 1 BGB a.F.). 11 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 2.
Kapitel 1. Grundstruktur der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe
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Abs. 1, 441 Abs. 1). 12 Mit dem Vorrang der Nacherfüllung korrespondiert gleichzeitig das Recht zur zweiten Andienung des Verkäufers.13 Dies bedeutet, dass der Verkäufer gegenüber dem Käufer grundsätzlich eine Gelegenheit zur Nacherfüllung hat und durch eine erfolgreich vorgenommene Nacherfüllung die Geltendmachung sekundärer Rechtsbehelfe abwenden und folgerichtig auch seinen Anspruch auf den vollen Kaufpreis sichern kann.14 Daher kann der Käufer eben nicht alle Rechtsbehelfe, die ihm bei Vorliegen von Mängeln gem. § 437 zur Verfügung stehen, wählen und sofort geltend machen. Insoweit wird das Wahlrecht des Käufers hinsichtlich seiner Rechtsbehelfe eingeschränkt. II. Interessenlage bei der Nacherfüllung: Schnittstelle des Interesses beider Vertragsparteien beim Kauf Mit der Einführung des Nacherfüllungsanspruchs hat sich das System der Gewährleistungsrechtsbehelfe der Rechtswirklichkeit angepasst: Hauptinteresse des Käufers einer mangelhaften Sache ist regelmäßig die Reparatur oder der Umtausch und nicht die sofortige Auflösung des Vertrags oder die Herabsetzung des Kaufpreises im Sinne einer vollkommenen oder teilweisen Liquidierung des Kaufvertrages.15 Dem Käufer geht es also vor allem darum, eine mangelfreie bzw. vertragsgemäße Sache zu erhalten. Vor der Schuldrechtsreform wurde dieses für ihn vorrangige Interesse durch die Gewährleistungsrechtsbehelfe nicht befriedigt, sieht man vom Gattungskauf ab (§ 480 Abs. 1 a.F.).16 Darüber hinaus wurden in der Praxis häufig Allgemeine Geschäftsbedingungen angewandt, die abweichend von §§ 459 ff. a.F. ein Recht auf Nacherfüllung vorsahen.17 Die Nacherfüllung liegt aber nicht nur im Käuferinteresse. Durch den Vorrang des Primäranspruchs auf Nacherfüllung kann der Verkäufer die sekundären Rechtsbehelfe abwehren und sich infolgedessen eine zweite Chance bewahren, den vollen Kaufpreis zu erhalten,18 was für ihn meist im 12
Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 2. Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 1. 14 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 1. 15 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 1; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 317. Das vorrangige Interesse des Endverbrauchers an der mangelfreien Naturalerfüllung wird auch in Ländern mit Common Law-System überwiegend anerkannt (Basedow, Die Reform des deutschen Kaufrechts (1988), S. 64, 68). A.A. Westermann, in: FS Canaris, 2007, S. 1264: aus Verbrauchersicht sei es vorzugswürdig, sofort das Geld zurückverlangen zu können. 16 Aber dieser Anspruch des Käufers bestand anstelle der Wandlung oder Minderung. Trotzdem gab es für den Käufer keine Pflicht, dem Verkäufer die Nacherfüllung zu ermöglichen (Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2115). 17 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 318. 18 Lorenz, NJW 2006, S. 1175. 13
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Mittelpunkt steht. Hinsichtlich der Nacherfüllung decken sich also die Interessen beider Kaufvertragsparteien regelmäßig.19 III. Stellung des Nacherfüllungsanspruchs Die dogmatische Grundlage des Nacherfüllungsanspruchs findet sich in § 433 Abs. 1 S. 2.20 Laut § 433 Abs. 1 S. 2 ist Inhalt der primären Leistungspflicht des Verkäufers, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.21 Mit dem Verschaffen einer mangelhaften Sache hat der Verkäufer nicht ordnungsgemäß erfüllt, daher soll der Erfüllungsanspruch des Käufers auf Leistungserbringung fortbestehen.22 Konsequenterweise kann sich dieser Erfüllungsanspruch auch auf das Gewährleistungsrecht erstrecken.23 Daher ist der Nacherfüllungsanspruch nach h.M. auch nichts anderes als eine modifizierte Form des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs aus § 433 Abs. 1.24 Obwohl der Nacherfüllungsanspruch als Fortsetzung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs angesehen wird, ist er dennoch zu modifizieren, weil es um einen „nachgeholten“ Erfüllungsanspruch geht. Denn einen Nacherfüllungsanspruch gibt es nur, wenn der Verkäufer schon eine mangelhafte Leistung erbracht hat, womit die Pflicht des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 S. 2 bereits verletzt ist. In diesem Fall soll der Verkäufer eine andere Maßnahme als für die ursprüngliche Erfüllung ergreifen, um die Sache in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen und dadurch seine Leistungspflicht vollkommen zu erfüllen. 25 Es gibt dabei zwei denkbare Maßnahmen zur nachträglichen Erfüllung: die Behebung der Sachmängel durch Reparatur und den Austausch der mangelhaften Sache durch eine mangelfreie.
19
Dies entspricht auch dem Grundsatz pacta sunt servanda. Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 6; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 319. 21 Es handelt sich um eine gesetzliche Verankerung der „Erfüllungstheorie“: Lorenz, NJW 2006, S. 1175. 22 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 321. 23 Huber, NJW 2002, S. 1005. 24 NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 2; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 6; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 1. 25 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 323. M.E. bedeutet in diesem Sinne die (Wieder)Erfüllung seiner Leistungspflicht im Rahmen des Mängelgewährleistungsrechts nichts anderes als das Herstellen des erwarteten Erfolgs. Während die darauf bezogene Leistungshandlung unterschiedlich sein kann, bleibt der (Leistungs-)Erfolg identisch, unabhängig davon, ob er im (ursprünglichen) Erfüllungsstadium oder im Gewährleistungsstadium eintritt. 20
Kapitel 1. Grundstruktur der kaufrechtlichen Rechtsbehelfe
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Im Schrifttum wird vertreten, dass der Nacherfüllungsanspruch ein modifizierter Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2 sei 26 , woraus auch dessen Verschuldensunabhängigkeit gefolgert wird.27 Meines Erachtens sollte der Nacherfüllungsanspruch jedoch eher als Rechtsbehelf des Käufers verstanden werden – auch wenn im Endzustand Erfüllung und Nacherfüllung übereinstimmen. Sobald der Verkäufer einmal eine mangelhafte Sache geliefert hat, gelangt man vom Stadium der Vertragsdurchführung zum Stadium der Rechtsbehelfe. Der Mittelpunkt des Käuferinteresses liegt dann nicht mehr in der „ursprünglichen Erfüllung”, sondern geht dahin, seine verletzte Interessenlage mit Hilfe von Rechtsbehelfen wiederherzustellen. In diesem Sinne ist der Nacherfüllungsanspruch als Rechtsbehelf des Rechtsbehelfsbündels in § 437 anzusehen. Die Mangelhaftigkeit der Sache als Verletzung der Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 ist nur der Grundtatbestand, durch den die Rechtsbehelfe des Käufers entstehen können.28 Als Konsequenz ist der Nacherfüllungsanspruch keine einfache Fortführung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs, sondern ein Rechtsbehelf des Käufers, der anlässlich der Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 S. 2. entsteht und die Berichtigung dieser verletzten Interessenlage zum Ziel hat. Damit wirkt er jedoch natürlich wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch: Er schützt das Leistungsinteresse des Käufers gleichermaßen, da auch er auf den Erhalt einer mangelfreien Sache gerichtet ist.29
26 NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 2; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 6; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 1; Huber, NJW 2002, S. 1005. 27 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 2. 28 “Damit ist der Weg einer neuen Dogmatik beschritten, die nicht mehr die Erfüllung der Leistungspflicht in den Mittelpunkt stellt, sondern die Nichterfüllung als auslösendes Moment rechtlicher Sanktion betrachtet”: Basedow, Die Reform des deutschen Kaufrechts (1988), S. 13. 29 Canaris vertritt mit der h.M, dass der Nacherfüllungsanspruch eine gewährleistungsrechtliche Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruch darstellt und führt weiter aus, dass sich der Inhalt des Schuldverhältnisses durch den ersten Erfüllungsversuch „auf eine dogmatisch freilich noch nicht hinreichend durchgedachte Weise“ ändere (Canaris, Schuldrechtsreform 2002, ⅩⅩⅤ). Aber m.E. läutet der erste Erfüllungsversuch den Stadiumswechsel ein, nämlich den Wechsel vom Stadium der (freiwilligen) Erfüllung zum Stadium der Rechtsbehelfe infolge der Verkäuferhaftung. Wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch zielt der Nacherfüllungsanspruch auf den Erhalt der Kaufsache in dem im Kaufvertrag vereinbarten Zustand. Da die Lieferung der Kaufsache bereits erfolgt ist, soll der Verkäufer zur (Wieder-)Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache andere Anstrengungen als für die ursprüngliche Erfüllung unternehmen. Konsequenterweise verändert sich der Inhalt des Schuldverhältnisses zu einem Rechtsbehelfsschuldverhältnis, das auf der Haftung des Verkäufers beruht. Dies dient dem Schutz des Käuferinteresses. Das zeigt sich auch darin, dass zwei Formen der Nacherfüllung möglich sind.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Gem. §§ 437 Nr. 1, 439 setzt der Nacherfüllungsanspruch des Käufers voraus, dass ein Kaufvertrag geschlossen wurde und die gelieferte Kaufsache Sach- oder Rechtsmängel aufweist. Die Differenzierung zwischen Sachund Rechtsmängeln gestaltet sich in der Praxis teilweise zwar als schwierig. Der Gesetzgeber hat diese Problematik jedoch durch § 434 normativ gelöst: Nach § 433 ist der Verkäufer verpflichtet, die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Darüber hinaus bestimmt § 434, wann die Sache frei von Sachmängeln ist. Anders als das alte Kaufrecht30 normiert § 434 die Kriterien der Mangelfreiheit der Sache, nicht die der Mangelhaftigkeit. Die Systematik des § 434 ist stufenweise ausgestaltet. Gem. § 434 Abs. 1 geht es bei der Beurteilung der Mangelhaftigkeit primär um die vereinbarte Beschaffenheit der Kaufsache. Wenn keine solche Vereinbarung vorliegt, ist die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung zugrunde zu legen (§ 434 Abs. 1 Nr. 1) – die Mangelfreiheit setzt dann voraus, dass sich die Kaufsache für die beabsichtigte Verwendung eignet. Wenn weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch ein vertraglich vorausgesetzter Verwendungszweck vorliegt, können Sachmängel anhand „objektiver“ Kriterien bestimmt werden. § 434 Abs. 1 Nr. 2 schreibt als objektive Kriterien die Eignung der Sache zur gewöhnlichen Verwendung und die übliche und vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit vor. 31 Durch dieses Beurteilungssystem für die Bestimmung von Sachmängeln wird deutlich, dass nach dem neuen Kaufrecht ein subjektives Fehlerverständnis Vorrang vor dem objektiven Fehlerbegriff genießt.32 M.E. suggeriert dies, dass die Feststellung der Mangelhaftigkeit und die sich daran anschließende Ausübung der Rechtsbehelfe auf der verletzten Interessenlage des Käufers beruhen, denn die Verletzung des Käuferinteresses kann ebenfalls zuerst subjektiv im Rahmen des jeweiligen Kaufvertrags festgestellt werden – das mit dem Kauf angestrebte Ziel bzw. Interesse des Käufers ist immer vorrangig. Die Verletzung des Käuferinteresses und die deswegen gewährten Rechtsbehelfe beziehen sich stets auf die Tauglichkeit der Ware für den jeweiligen Käufer und seine Interessenlage, nicht hingegen auf die objektive Tauglichkeit für eine normale Verwendung. In diesem
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Z.B. § 459 BGB a.F. Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 24. 32 Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 6; Bamberger/Roth/Faust, § 434, Rn. 2. 31
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Sinne soll ein objektiver Maßstab für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit nur subsidiär angewandt werden. Anders als im CISG gibt es im Kaufrecht des BGB keine Vorschriften über Untersuchungs- sowie Rügeobliegenheiten. Gem. Art. 38, 39 CISG verliert der Käufer trotz Vorliegens von Mängeln seine Rechtsbehelfe, wenn er die gelieferte Ware nicht rechtzeitig untersucht und festgestellte Mängel dem Verkäufer anzeigt. Im Gegensatz dazu behält der Käufer nach dem neuen Kaufrecht im BGB seine Rechtsbehelfe auch dann, wenn er nicht sofort den Mangel der Kaufsache rügt. Zudem hat der Gesetzgeber die Verjährungsfrist für Rechtsbehelfe aus Mangelhaftigkeit der Ware auf zwei Jahre verlängert.33 Anders ist die Situation im deutschen Handelsrecht für Handelskäufe: Dort trifft den Käufer die Obliegenheit, die gelieferte Ware unverzüglich zu untersuchen und Mängel anzuzeigen (§ 377 Abs. 1 HGB). B. Sachmängel gem. § 434 Gem. § 433 Abs. 1 S. 2 ist die Mangelfreiheit der Sache bereits in die Leistungspflicht des Verkäufers einbezogen. Daher wird eine Parteienvereinbarung über die Beschaffenheit der Ware zum Inhalt des Kaufvertrages. Durch den Vertragsinhalt entsteht die Pflicht des Verkäufers, die der Vereinbarung entsprechende Sache zu liefern. An erster Stelle liegt es daher in der Hand der Vertragsparteien zu definieren, wann die Kaufsache mangelhaft ist. Aufgrund des subjektiven Verständnisses von Mängeln ist der Begriff der Mangelhaftigkeit so flexibel, dass das Gewährleistungsrecht auf alle Arten von Kaufsachen und Kaufzwecken passt. Die Beschaffenheitsvereinbarung können die Parteien nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent treffen. Da in § 434 Abs. 1 S. 1 explizit von der „vereinbarten Beschaffenheit“ die Rede ist, kann eine lediglich einseitige Willenserklärung bei der Beurteilung der Mangelhaftigkeit indes nicht berücksichtigt werden.34 33 Staudinger/Matusche-Beckmann, Vorbem. zu den §§ 474 ff., Rn. 20: nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie haben die Mitgliedstaaten die Wahl, ob sie allgemeine Rügenobliegenheiten einführen. Offenbar hat der deutsche Gesetzgeber darauf endgültig verzichtet. Trotzdem wurde eine allgemeine Rügeobliegenheit des Verbrauchers im deutschen Diskussionsentwurf erörtert. 34 Nach Art. 2 Abs. 2 lit. a Alt. 1 der Verbrauchsgüterkauflichtlinie wird die Vertragsmäßigkeit der Kaufsache vermutet, wenn sie mit der vom Verkäufer abgegebenen Beschreibung übereinstimmt. Der deutsche Gesetzgeber hat den Verzicht auf derartige Vermutungsregeln damit begründet, dass diese Beschreibung ohne weiteres zum Inhalt des Vertrags und folgerichtig zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 wird. Dennoch ist die Richtlinienkonformität dieses Punkts sehr fragwürdig: Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 7; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 434 BGB, Rn. 39.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Gerade bei alltäglichen Geschäften kommt es eher selten vor, dass Vertragsparteien detaillierte Vereinbarungen über die Beschaffenheit der Kaufsache treffen. Aus diesem Grund sieht § 434 für die Bestimmung der Mangelhaftigkeit auch noch einen anderen Maßstab als die Parteivereinbarung vor. In der Regel ist das Interesse des Käufers an der Kaufsache nicht primär abhängig von der einzelnen Beschaffenheit, vielmehr ist die Tauglichkeit der Sache zum vom Käufer intendierten Verwendungszweck von wesentlicher Bedeutung. Wenn die Sache sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet, ist sie gem. § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 mangelfrei. Bedeutsam wird das in Fällen, in denen die Parteien nicht unmittelbar die Beschaffenheitsmerkmale der Sache, sondern nur den Verwendungszweck vereinbart haben. Dies kommt häufig vor, weil sich die Parteien durch die Vereinbarung eines bestimmten Verwendungszwecks eine detaillierte Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 ersparen können. 35 Der Wortlaut „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ verdeutlicht, dass eine Einigung zwischen den Parteien über den Verwendungszweck bestehen muss, der infolgedessen bereits zum Inhalt des Vertrags wird. Nicht ausreichend ist hingegen eine einseitige Zweckbestimmung des Käufers, die für den Verkäufer lediglich erkennbar ist.36 Dennoch können die Parteien diese Vereinbarung auch konkludent treffen. Wenn weder Beschaffenheit noch Verwendungszweck vereinbart wurden, kann die Mangelhaftigkeit nur danach bestimmt werden, ob die Sache die durchschnittliche Beschaffenheit besitzt. Dies wird in § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 präzisiert. 37 Gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Diese Vorschrift beinhaltet also drei Anforderungen für die Mangelfreiheit der Sache. Zunächst muss die Ware für die gewöhnliche Verwendung geeignet sein. Die35 In diesem Sinne Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 18; Hk/Saenger, § 434 BGB, Rn. 11. 36 Dies ist h.M.: Staudinger/Matusche-Beckmann, § 434 BGB, Rn. 61; Bamberger/Roth/Faust, § 434, Rn. 50; MüKo/Westermann, § 434 BGB, Rn. 18; Erman/ Grunewald, § 434 BGB, Rn. 17; nach a.A. beschreibt § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 den Fall, dass ein Verwendungszweck nicht vereinbart wurde, dieser dem Verkäufer jedoch aufgrund sonstiger Umstände bekannt ist: NK/Büdenbender, § 434 BGB, Rn. 21; vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG: „wenn sie sich für einen bestimmten Zweck eignet, der dem Verkäufer bei Vertragsabschluss ausdrücklich oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht wurde, […].” 37 Das eingefügte Wort „sonst” in § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 stellt klar, dass der von den Parteien vereinbarte Verwendungszweck gegenüber der objektiv ermittelten Beschaffenheit immer vorrangig ist. So gelten infolge von Vereinbarungen möglicherweise auch Sachen als mangelfrei, die vom üblichen Qualitätsstandard abweichen.
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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se bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, also nach dem Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers.38 Ergänzt wird das Erfordernis der gewöhnlichen Verwendung durch die weitere Voraussetzung der üblichen Beschaffenheit. Eigenständige Bedeutung erlangt diese Voraussetzung, wenn die Kaufsache nicht die übliche Beschaffenheit besitzt, sich aber gleichwohl für die gewöhnliche Verwendung eignet.39 Besonders unklar ist das Verhältnis zwischen der üblichen Beschaffenheit und der erwarteten Beschaffenheit. Die Ware soll beiden Anforderungen genügen, insofern bleibt kaum Raum für Abweichungen, denn die übliche Beschaffenheit wird nach dem Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers bestimmt. Obwohl sich nach dem Wortlaut die Erwartung des Käufers „nach der Art der Sache” beurteilt, sollen auch die Umstände des jeweiligen Vertrages miteinbezogen werden.40 Im Rahmen der objektiven Bewertung von Sachmängeln werden gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 auch öffentliche Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen berücksichtigt, um die vom Käufer erwartete Beschaffenheit der Kaufsache zu bestimmen. Damit wird der objektive Sachmangelbegriff erweitert.41 Durch diese Vorschrift fallen die öffentlichen Äußerungen bestimmter Dritter in den Verantwortungsbereich des Verkäufers, sodass er in solchen Fällen fürchten muss, vom Käufer in Anspruch genommen zu werden. Anders als bei den oben genannten Vereinbarungen über die Beschaffenheit oder den Verwendungszweck werden so auch einfache einseitige Äußerungen Dritter, die keinerlei Vertragsinhalt werden können, berücksichtigt. Damit wird das Gewährleistungsrecht an die Gegebenheiten der modernen Wirtschaft angepasst. 42 Heutzutage sind gerade für alltägliche Geschäfte Massenproduktion und Vertriebssysteme prägend. Die Ware gelangt über eine Absatzkette bis zum Endverbraucher. Die Marke oder Werbeangaben sowie Kennzeichnungen des Herstellers nehmen einen sehr starken Einfluss auf die Entscheidung des Käufers für ein bestimmtes Produkt. Im Zeitalter von Massenproduktion und starkem Wettbewerb beruht das Vertrauen des Käufers auf die Qualität der gekauften Ware eher auf dem namhaften Hersteller und nicht auf der Person des Verkäufers, der
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Bamberger/Roth/Faust, § 434 BGB, Rn. 57. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 434 BGB, Rn. 74. 40 Bamberger/Roth/Faust, § 434 BGB, Rn. 72. 41 Die Einbeziehung öffentlicher Äußerungen beim objektiven Mangelbegriff ist eine wesentliche Neuerung gegenüber dem alten Kaufrecht. Es ist zugleich eine wörtliche Übernahme von Art. 2 Abs. 2 lit. d Verbrauchsgüterkauflichtlinie: Müko/Westermann, 5. Aufl. 2008, § 434 BGB, Rn. 20. 42 Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 26. 39
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
gewissermaßen nur die Weitervermittlung der Markenprodukte betreibt.43 Der Käufer sieht all diejenigen, die bei dem Vertrieb der Produkte eng zusammenarbeiten, als eine einheitliche Kette an. Daher soll nach dem Verständnis des Käufers diese Kette als „Anbieterseite“ für die Qualität der Ware einstehen.44 Der Käufer kann gegenüber dem Verkäufer als Kaufvertragspartner Rechte aus Sachmängeln geltend machen. Die Einbußen, die der Verkäufer in diesem Fall hinnehmen sollen, sieht der Käufer als Problem der „Anbieterseite“, das innerhalb der Absatzkette gelöst werden soll. Da der letzte Verkäufer normalerweise engere Kontakte zum Hersteller als dem wahrscheinlichsten Verursacher für Defekte der Kaufsache hat, sind die Lösungsansätze hinsichtlich der Kostentragung innerhalb der Absatzkette kostengünstiger und einfacher. Durch die Einbeziehung von Äußerungen bestimmter Dritter bei der Beurteilung von Sachmängeln werden daher die Erwartungen des Käufers geschützt.45 Nach dem alten Recht wurde eine etwaige Montagepflicht des Verkäufers als Nebenpflicht des Kaufvertrages angesehen. Inzwischen bildet die Montage gem. § 434 Abs. 2 jedoch eine Hauptpflicht im Rahmen der Leistungspflicht des Verkäufers. 46 Die Anwendbarkeit des § 434 Abs. 2 setzt indes voraus, dass die Montage „vereinbart“ wird.47 Wenn die geschuldete Montage unsachgemäß durchgeführt wird, liegt gem. § 434 Abs. 2 ebenfalls ein Sachmangel vor. Auch die fehlerhafte Montageanleitung für die Selbstmontage, die sodann zur mangelhaften Montage führt, wird gem. § 434 Abs. 2 S. 2 dem Sachmangel gleichgestellt.48 43 Dies wird besonders deutlich, wenn ein Zwischenhändler Verkäufer ist. In der Regel trifft ihn keine Untersuchungspflicht hinsichtlich der Qualität seiner Ware. Gleichwohl ist der Hinweis auf die bloße Zwischenhändlerschaft nicht ausreichend, um die Vermutung des Vertretenmüssens gem. § 280 Abs. 1 S. 2 widerlegen zu können (OLG Karlsruhe, 2.9.2004, ZGS 2004, 432 ff.), kritisch Lorenz, ZGS 2004, S. 410. 44 Dies ist die Vorstellung einer Netzhaftung. In der Regel wird bei der Netzhaftung eine direkte Inanspruchnahme des Herstellers ermöglicht. Das geltende deutsche Kaufrecht kennt einen derartigen direkten Rückgriff des Käufers gegen Hersteller indes nicht. Die Zurechnung im Rahmen der Netzwerkhaftung verläuft parallel zu der Haftung der autonomen Parteien: Teubner, KritV 1993, S. 382. 45 Schließt man sich dieser Ansicht an, wird deutlich, dass es für den Käufer keine Rolle spielt, wie bzw. von wem sein Verlust repariert werden soll. Wer für die Einbußen des Käufers bzw. Endverbrauchers einsteht, interessiert ihn nicht. Für ihn ist vielmehr entscheidend, ob er die im Kaufvertrag versprochene Sache überhaupt erhält. 46 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 434 BGB, Rn. 93. 47 Deswegen ist es in diesem Fall nicht ausreichend, wenn der Verkäufer die Montage im Rahmen einer spontanen Gefälligkeit als Hilfsleistung anbietet: Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 37; Palandt/Weidenkaff, § 434 BGB, Rn. 43; nach a.A. genügt es, wenn die Montage aus Kulanzgründen vom Verkäufer „geschuldet“ ist: NK/Büdenbender, § 434 BGB, Rn. 59. 48 Diese Vorschrift wird oftmals als „IKEA–Klausel“ bezeichnet, vgl. Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 26.
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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In § 434 Abs. 3 sind die Fälle der Falsch- und Zuweniglieferung geregelt, die ebenfalls dem Sachmangel gleichgestellt sind. Diese Vorschrift beruht auf Art. 35 Abs. 1 CISG – die Verbrauchsgüterkauflichtlinie hingegen war jedoch nicht Anlass ihrer Normierung. 49 Die rechtliche Behandlung von Falsch- und Zuweniglieferungen wurde lange kontrovers diskutiert. Dieses Problem wurde mit dem neuen Kaufrecht gesetzlich gelöst.50 Durch die Gleichstellung beider Fehllieferungsarten wird die Intention des Gesetzgebers deutlich, jegliche Abweichung von vertraglichen Vereinbarungen als Sachmangel zu werten.51 Konsequenterweise sieht das Gesetz für diese Fälle dann auch vor, dass dem Käufer die Rechtsbehelfe aus § 439 zustehen. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle erschiene aufgrund der Interessenlage der Parteien ohnehin nicht angemessen. Abschließend bleibt zu bemerken, dass der Käufer gem. § 442 sämtliche Rechte wegen eines Mangels verlieren kann, sofern er von ihm bereits bei Vertragsschluss Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis hatte.52
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
A. Weitere Voraussetzungen des Nachlieferungsanspruchs: Unmöglichkeit des Nachlieferungsanspruchs beim Stückkauf? § 437 Nr. 1 setzt lediglich einen Sachmangel im Sinne des § 434 voraus, damit der Käufer Nachlieferung oder Nachbesserung verlangen kann. Differenzierungen nach Gattungs- oder Stückkäufen finden sich nirgends – auch nicht in § 439 Abs. 1. Gleichwohl ist umstritten, ob der Käufer auch beim Stückkauf Ersatzlieferung fordern kann. Beim Gattungskauf stellt die Nachlieferung kein Problem dar, weil eine Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2 wegen der Mangelhaftigkeit der Ware nicht erfolgt ist.53 Der Verkäufer kann im Regelfall dann eine Sache mittlerer Art und Güte aus der geschuldeten Gattung wählen und das Verlangen nach Ersatzlieferung befriedigen. Dagegen scheidet die Ersatzlieferung nach teilweise vertretener
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Müko/Westermann, § 434 BGB, Rn. 44; vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 89. NK/Büdenbender, § 434 BGB, Rn. 67. Nach dem alten Recht gab es besondere Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Nichterfüllung und mangelhafter Erfüllung. Dies fällt gerade wegen der unterschiedlichen Behandlung und der verschiedenen Rechtsfolgen auf. 51 In diesem Sinne NK/Büdenbender, § 434 BGB, Rn. 67. 52 Bamberger/Roth/Faust, § 442 BGB, Rn. 1 ff.; Müko/Westermann, § 442 BGB, Rn. 3. 53 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 27. 50
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Ansicht beim Stückkauf stets aus,54 denn anders als beim Gattungskauf sei der Verkäufer beim Stückkauf nur verpflichtet, die vertraglich bestimmte Sache zu liefern. Nur im Falle der Lieferung eines Identitätsaliuds könne eine Ersatzlieferung in Betracht kommen.55 Bejahte man beim Stückkauf die Möglichkeit der Ersatzlieferung, schuldete der Verkäufer etwas, das über die im ursprünglichen Kaufvertrag vereinbarte Pflicht hinausginge. Dieses Ergebnis widerspreche der von den Parteien selbst getroffenen Vereinbarung und habe zur Folge, dass der Verkäufer mit einem ähnlichen Beschaffungsrisiko wie beim Gattungskauf belastet werde.56 Die Begründung dieser Ansicht ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern aus dem Inhalt des Vertrags, nämlich dem Willen der Parteien beim Vertragsabschluss.57 M.E. ist der Ansatzpunkt dieser Auffassung zweifelhaft, denn mindestens im Stadium der Rechtsbehelfe steht das förmliche Beharren auf dem ursprünglichen Parteienwillen nicht im Mittelpunkt. Außerdem sollen die konkrete Interessenlage der Parteien und deren angemessener Schutz durch Rechtsbehelfe so weit wie möglich berücksichtigt werden. Deshalb ist vielmehr fraglich, ob diese Einschränkung im konkreten Fall von den Parteien gewollt und interessengerecht ist.58 Die Meinung, die sich gegen die Ersatzlieferung beim Stückkauf ausspricht, zieht ihre Argumentation im Wesentlichen aus der Beziehung des Nacherfüllungsanspruchs zum ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Meiner Meinung nach ist der Nacherfüllungsanspruch jedoch als Rechtsbehelf des Käufers zu betrachten, weswegen Anknüpfungspunkt des Nacherfüllungsanspruchs nicht die ursprüngliche Erfüllungspflicht bzw. deren Fortsetzung, sondern vielmehr die Verletzung dieser Pflicht ist.59 Nach dem Wechsel vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch zum Anspruch auf Nacherfüllung ist der Umfang der Nacherfüllungspflicht nicht mehr an den der ursprünglichen Erfüllungspflicht gebunden.60 54 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 27 f.; Gruber, Jb.J.ZivRWiss 2005, S. 191; Huber, NJW 2002, S. 1006; Lorenz, JZ 2001, S. 744; Ackermann, JZ 2002, S. 379; a.A. jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 21. 55 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 27; Huber, NJW 2002, S. 1006. 56 Dies sei nicht Sinn des Nacherfüllungsanspruchs: Gruber, Jb.J.ZivRWiss 2005, S. 191 57 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 28. 58 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 31; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 11; jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 21. 59 A.A. Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2019. 60 Die Modifikation des Nacherfüllungsanspruchs ergibt sich aus der Trennung zwischen dem (primären) Erfüllungsanspruch und dem Nacherfüllungsanspruch. Canaris bezeichnet diese inhaltliche Veränderung als „Modellwechsel” (Canaris, JZ 2003, S. 836). Aber m.E. beschreibt dies genau den Wechsel des Vertragsstadiums – vom Stadium der ursprünglichen Erfüllung in das Stadium der Rechtsbehelfe. Nach diesem
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Darüber hinaus kann bei der Nachlieferung im Fall des Stückkaufs die Belastung des Verkäufers, die mit dem über den ursprünglichen Parteienwillen hinaustretenden Beschaffungsrisiko zusammenhängt, nicht durch Unmöglichkeit der Nachlieferung verhindert werden, sondern vielmehr durch das Verweigerungsrecht wegen unverhältnismäßiger Kosten gem. § 439 Abs. 3, die für diese Nachlieferung anfallen können. 61 Begrenzt wird der Anspruch auf Ersatzlieferung daher nur durch die Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 – ob es sich um einen Gattungsoder Stückkauf handelt, kann demgegenüber keine Rolle spielen.62 Diese Sichtweise entspricht auch der Intention des Gesetzgebers: Anders als in § 480 Abs. 1 BGB a.F. findet sich in § 439 Abs. 1 keine Unterscheidung zwischen Gattungs- und Stückkauf,63 damit der Käufer im Rahmen seines Nacherfüllungsanspruchs möglichst eine mangelfreie Sache erhalten kann.64 Aus diesem Grund sollte die Ersatzlieferung beim Stückkauf auch möglich sein, sofern diese Sache mit Rücksicht auf den Willen der Vertragsparteien ersetzbar ist.65 Daher scheidet Nachlieferung zumindest bei vertretbaren Sachen nicht von Anfang an aus.66 Aber neben der Vertretbarkeit der Sache als objektives Kriterium ist ein weiteres Begrenzungskriterium erforderlich.67 D.h. anhand des durch Auslegung zu ermittelnden Willens der Vertragsparteien bei Vertragsschluss sollte eine derartige Nachlieferung auch das Interesse des Käufers zufriedenstellen.68 Wenn die Ersatzsache im Vergleich zur gelieferten Sache gleichwertig und gleichartig ist, kann im
Stadiumswechsel ist das Hauptinteresse der Parteien ihr Interessenschutz durch Inanspruchnahme der Rechtsbehelfe, vgl. BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. 61 So auch jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 21. 62 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 11 f.; jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 21. 63 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 28; jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 22; Auch OLG Ellwangen, 13.12.2002, NJW 2003, S. 517; BGH, 7.6.2006, NJW 2006, S. 2839 ff., Rn. 19; OLG Braunschweig, 4.2.2003, NJW 2003, S. 1053 ff. 64 Der 16. Erwägungsgrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie lautet wie folgt: „Gebrauchte Güter können aufgrund ihrer Eigenart im Allgemeinen nicht ersetzt werden. Bei diesen Gütern hat der Verbraucher deshalb in der Regel keinen Anspruch auf Ersatzlieferung“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Daraus kann man den Umkehrschluss ziehen, dass die Ersatzlieferung bei gebrauchten Gütern nur im Allgemeinen abgelehnt wird, aber auch bei gebrauchten Gütern möglich sein soll, sofern diese denn „ersetzt” werden können: Canaris, JZ 2003, S. 834. 65 Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2119; Canaris, JZ 2003, S. 831 ff.; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 11; Palandt/Weidenkaff, § 439 BGB, Rn. 15. 66 So auch BGH, 7.6.2006, ZGS 2006, S. 348: selbst beim Stückkauf ist die Ersatzlieferung nicht von vornherein ausgeschlossen. 67 Nach a.A. können alle Fälle unter das Kriterium der Vertretbarkeit subsumiert werden, weitere Merkmale seien daher nicht nötig: Pammler, NJW 2003, 1993. 68 BGH, 7.6.2006, NJW 2006, S. 2839 ff., Rn. 23.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Prinzip die Austauschbarkeit bejaht werden.69 Denn dann kann das verletzte Interesse des Käufers befriedigt werden, zumal der im Vertrag ursprünglich hervortretende Wille70 und die Interessenabwägung des Käufers durch eine derartige Ersatzlieferung nicht verzerrt werden.71 Da der Ersatzlieferungsanspruch als Rechtsbehelf auf den Schutz des Käuferinteresses gerichtet ist, muss die vertretbare Sache richtigerweise wirtschaftlich der im Vertrag vereinbarten Kaufsache entsprechen und gleichzeitig das Leistungsinteresse des Käufers befriedigen.72 B. Weitere Voraussetzungen des Nachbesserungsanspruchs Anders als im Fall der Ersatzlieferung müssen für die Nachbesserung neben der Mangelhaftigkeit der Kaufsache keine weiteren Voraussetzungen erfüllt sein.
Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Wenn die Kaufsache Mängel im Sinne des § 434 aufweist, hat der Käufer im Prinzip gem. § 439 in Verbindung mit § 437 Nr. 1 Anspruch auf Nacherfüllung. Hierbei kommen zwei Arten der Nacherfüllung in Betracht, weil bei Vorliegen eines Mangels § 439 Abs. 1 beide Formen der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels sowie die Lieferung einer mangelfreien Sache, als eigenständige Rechtsbehelfe vorsieht. Nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 kann der Käufer nach seinem Belieben eine von beiden Nacherfüllungsmodalitäten wählen, sodass der Verkäufer erst nach der Wahl des Käufers seine Nacherfüllungspflicht ordnungsgemäß erfüllen kann. Da die Erheblichkeit des Mangels keine Tatbestandsvoraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs gem. § 439 Abs. 1 ist, kann der Käufer bei jeder 69
Canaris, JZ 2003, S. 838; BGH, 7.6.2006, NJW 2006, S. 2839 ff., Rn. 23. Mit dem Willen ist hier der (wirtschaftliche) Zweck oder die Erwartung des Käufers bei Vertragsschluss gemeint. 71 Das Erfordernis der Gleichwertigkeit bezieht sich auf das Äquivalenzverhältnis des Vertrags. Demgegenüber bezieht sich die Gleichartigkeit auf die Privatautonomie: Canaris, JZ 2003, S. 835. 72 So wörtlich OLG Ellwangen, 13.12.2002, NJW 2003, S. 517; auch in diese Richtung tendierend: Canaris, JZ 2003, S. 838. In diesem Sinne ist die Nachlieferung beim Kauf der gebrauchten Sache normalerweise ausgeschlossen, weil die andere Ersatzware in diesem Fall im Prinzip dem Interesse des Käufers entspricht, das an den gesonderten Gegenstand des Kaufvertrages gebunden ist: BGH, 7.6.2006, NJW 2006, S. 2839 ff., Rn. 24; Palandt/Weidenkaff, § 439 BGB, Rn. 15. 70
Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
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Mangelhaftigkeit der Kaufsache Nacherfüllung unabhängig von einer Nachfristsetzung geltend machen. 73 Jedoch ist dem Käufer eine solche Nachfristsetzung zu empfehlen, denn ihm bleibt so die Möglichkeit, bei Verstreichen der Nachfrist sofort andere in § 437 genannte Rechtsbehelfe auszuüben, z.B. Rücktritt gem. § 323 oder Minderung gem. § 441. Die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs erfolgt durch eine eindeutige empfangsbedürftige Willenserklärung, in der der Käufer sein Nacherfüllungsbegehren zum Ausdruck bringt.74 B. Wahl des Käufers zwischen den Nacherfüllungsmodalitäten Gem. § 439 Abs. 1 kann der Käufer als Nacherfüllung wahlweise die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. In diesem Kontext ist der Nacherfüllungsanspruch des Käufers nur ein Oberbegriff der ihm zur Verfügung stehenden beiden Ansprüche. Der gem. § 439 Abs. 1 eingeräumte Nacherfüllungsanspruch wird nach dem Begehren des Käufers auf den bestimmten Anspruch, den er tatsächlich geltend macht, konkretisiert. In diesem Sinne stellt sich der Anspruch auf Nacherfüllung als ein verhaltener Anspruch dar, weil in diesem Fall der Verkäufer nicht von sich aus leisten darf, bevor der Käufer dies verlangt.75 Daher kann der Anspruch auf Nacherfüllung nur auf Verlangen des Käufers, also durch Ausübung des Wahlrechts zwischen den Modalitäten des Nacherfüllungsanspruchs, erfüllt werden. Folgerichtig darf der Nacherfüllungsanspruch ohne eine derartige Erklärung des Käufers nicht erfüllt werden.76 Besonders umstritten ist, wie das Wahlrecht des Käufers einzuordnen ist. Es stellt sich die Frage, ob es sich beim Wahlrecht um eine Wahlschuld im Sinne der §§ 262, 263 oder um elektive Konkurrenz handelt.77 Die Bedeutung dieser Auseinandersetzung liegt in der Bindung des Käufers an die einmal von ihm gewählte Art der Nacherfüllung.78 Hält man das Wahlrecht für eine Wahlschuld, gilt die bereits gewählte Art der Nacherfüllung gem. § 263 Abs. 2 als die von Anfang an geschuldete. Der Käufer ist dann an seine einmal getroffene Wahl gebunden. Dies hat zur Folge, dass der Käu73
Hk/Saenger, § 439 BGB, Rn. 2. jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 33; Palandt/Weidenkaff, § 439, Rn. 6. 75 Zum Sinn des verhaltenen Anspruchs: Bamberger/Roth/Unberath, § 271 BGB, Rn. 2; Müko/Krüger, § 271 BGB, Rn. 4. 76 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 6; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 11. 77 Für die Wahlschuld: NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 15; Jauernig/Berger, § 439 BGB, Rn. 17; Palandt/Weidenkaff, § 439 BGB, Rn. 5; Büdenbender, AcP 205 (2005), S. 386 ff. Für elektive Konkurrenz: Spickhoff, BB 2003, S. 594; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 436; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 4; Staudinger/MatuscheBeckmann, § 439 BGB, Rn. 7; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 9 f.; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2017. 78 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 4; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 9. 74
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
fer im Falle des Fehlschlagens, z.B. der Unmöglichkeit der von ihm gewählten Art der Nacherfüllung oder ihrer berechtigten Verweigerung durch den Verkäufer, nicht die verbleibende andere Form der Nacherfüllung verlangen kann.79 Der Annahme einer Wahlschuld steht entgegen, dass der Käufer zwischen beiden Arten der Nacherfüllung prinzipiell ein ius variandi hat. 80 § 439 Abs. 1 stellt dem Käufer zwei unterschiedliche Ansprüche zur Verfügung, zwischen denen er frei wählen kann. Es ist kein einheitlicher Anspruch mit alternativen, bestimmbaren Inhalten im Sinne einer Wahlschuld.81 Gem. § 433 Abs. 1 hat der Käufer ein schutzwürdiges Interesse daran, die Leistung in natura zu erhalten.82 Dem Käufer werden zu diesem Zwecke zwei Rechtsbehelfe eingeräumt, die sich inhaltlich unterscheiden, aber dennoch auf den gleichen Erfolg abzielen. Um sicherzustellen, dass der Erfolg der mangelfreien Leistung eintritt, muss der Käufer die ihm eingeräumten Rechtsbehelfe vollends ausschöpfen können. D.h. falls die zuerst von ihm gewählte Form der Nacherfüllung unmöglich oder vom Verkäufer verweigert wird, kann er jederzeit die andere Form wählen. Da beide Rechtsbehelfe dasselbe bezwecken, schließen sie sich gegenseitig aus. Dies aber sind deutliche Merkmale von elektiver Konkurrenz.83 Im Schrifttum wird jedoch geäußert, dass es rechtspolitisch zweifelhaft sei, dem Käufer ein Wahlrecht zuzusprechen, da er nicht über das Fachwissen des Verkäufers verfüge und der Verkäufer die Folgen der Wahl viel stärker zu spüren bekomme als der Käufer.84 M.E ist diese Ansicht abzulehnen, weil im Stadium der Rechtsbehelfe die Wahl unter den Rechtsbehelfen Sache des Rechtsbehelfsberechtigten ist. Im Falle der Nacherfüllung ist es also Sache des Käufers, für welchen der zwei unterschiedlichen Rechtsbehelfe er sich entscheidet. Diese Wahlbefugnis des Käufers ist m.E. eine klare Ausprägung der Privatautonomie. Denn nur der Käufer als Verletzter ist in der Lage zu entscheiden, welcher Rechtsbehelf mit Rücksicht auf seine Interessenlage der Beste ist. Darüber hinaus hat dies auch einen Bezug zu den momentanen wirtschaftlichen Gegebenheiten. In den meisten Fällen ist der Verkäufer nur Zwischenhändler und hat daher ebensowenig Fachwissen wie der Käufer. Gleichwohl muss dem Verkäufer ein Recht gewährt werden, mit dem er sich gegen 79
Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 7. Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 10; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 5. 81 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 437. 82 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 9; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 7. 83 Nach a.A ist die Bindungswirkung nur die Kehrseite des Wahlrechts des Käufers. Für die Vermeidung der Bindungswirkung sei kein Grund ersichtlich: NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 19. 84 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 8; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 3. 80
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missbräuchliche Geltendmachung von Rechtsbehelfen verteidigen kann. In diesem Zusammenhang statuiert § 439 ein Verweigerungsrecht des Verkäufers gegen eine freie Wahl des Käufers zwischen den beiden Arten der Nacherfüllung. Auch wenn der Käufer nach dem Gesagten in der Regel nicht an die von ihm gewählte Nacherfüllungsform gebunden ist, kann sich der Verkäufer gegen eine willkürliche sowie rechtsmissbräuchliche Ausübung des Wahlrechts auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen.85 C. Formalia der Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs Mit der Wahl hinsichtlich der bestimmten Art der Nacherfüllung kann der Käufer seinen Nacherfüllungsanspruch geltend machen. Dies wird mittels der einseitigen empfangsbedürftiger Willenserklärung gegenüber dem Verkäufer vorgenommen. 86 Dabei reicht es jedoch nicht aus, pauschal die Nacherfüllung zu verlangen. Vielmehr muss der Käufer eine bestimmte Art der Nacherfüllung deutlich bezeichnen. 87 Wenn der Käufer lediglich „Nacherfüllung” oder „Abhilfe” verlangt, kann dies als Verzicht auf sein Wahlrecht ausgelegt werden. 88 Diese Willenserklärung des Käufers ist nicht formbedingt, jedoch muss der beanstandete Mangel der Sache konkret bezeichnet werden.89 Darüber hinaus muss der Käufer bereit sein, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung des von ihm angemeldeten Mangels zur Verfügung zu stellen. 90 Jedoch darf diese Bereitschaft des Käufers nicht davon abhängen, ob sich der Verkäufer mit der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung einverstanden erklärt hat.91 Eine vom Käufer gesetzte Nachfrist ist gem. § 439 keine Voraussetzung für die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs. 92 Der Nacherfüllungsanspruch unterliegt nur der Verjährungsfrist gem. § 438. Aber die 85 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 5. Die willkürliche Änderung der Wahl vor Verstreichen einer angemessenen Frist für die zuvor gewählte Art der Nacherfüllung kann als rechtsmissbräuchlich angesehen werden: Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 10. 86 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 8; jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 33. 87 In diesem Sinne Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 4. 88 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 440. M.E. darf es jedoch nicht vorschnell als Verzicht auf das Wahlrecht des Käufers ausgelegt werden, vielmehr soll der Verkäufer beim Käufer nachfragen. 89 OLG Saarbrücken, 29.5.2008, NJW 2009, S. 369 ff.; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 4; jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 33. 90 BGH, 10.3.2010, NJW 2010, S. 1448 ff. 91 BGH, 10.3.2010, NJW 2010, S. 1448 ff., Rn. 12.; dazu jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 37. 92 Palandt/Weidenkaff, § 439, Rn. 7.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
angemessene Nachfristsetzung des Käufers ist abgesehen von Ausnahmenfällen gem. § 440 Voraussetzung für die Geltendmachung anderer Rechtsbehelfe des Käufers, wie Rücktritt gem. § 323 Abs. 1, Minderung gem. § 437 Nr. 2 sowie Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 Abs. 1 S. 1. Die Nachfristsetzung des Käufers kann auch dadurch ausgeübt werden, dass er nach „sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung“ verlangt oder mit vergleichbaren Formulierungen die Nacherfüllung fordert.93 Nicht erforderlich dagegen ist die Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten Termins. Zudem muss die Frist zur Nacherfüllung angemessen sein. Wenn die vom Käufer gesetzte Nacherfüllungsfrist nicht angemessen ist, wird die dem Verkäufer gesetzte Nachfrist auf eine angemessenen Zeitspanne verlängert.94 Im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs sieht sich jedoch die Nachfristsetzung mit der Frage nach der Richtlinienkonformität konfrontiert. Denn nach Art. 3 Abs. 5 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist die Nachfristsetzung für die Forderung der Vertragsauflösung entbehrlich, weil danach der Verbraucher zurücktreten kann, wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat. Daher muss das Erfordernis der Nachfristsetzung, mit der die Ausübung des Rücktritts verbunden ist, für den Verbrauchsgüterkauf dahingehend ausgelegt werden, dass die angemessene Frist unmittelbar mit der Aufforderung zur Nacherfüllung zu laufen beginnt.95
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Problematik des Umfangs des Nacherfüllungsanspruchs Im Hinblick auf die Interessenlage des Käufers ist die Bestimmung des Umfangs des Nacherfüllungsanspruchs besonders bedeutsam, weil der Käufer stets im Rahmen der Nacherfüllung denjenigen Zustand erreichen möchte, der eingetreten wäre, wenn die gelieferte Ware mangelfrei gewesen wäre.96 Nach Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie als Hintergrund der Nacherfüllungsregelung des § 439, ist der Verkäufer verpflichtet, durch die Nacherfüllung „den vertragsgemäßen Zustand“ herzustellen, sodass nach Durchführung der Nacherfüllung beim Käufer kein
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BGH, 12.8.2009, NJW 2009, S. 3153 ff. BGH, 21.6.1985, NJW 1985, S. 2640 ff. zum § 326 BGB a.F.; Palandt/Weidenkaff, § 439, Rn. 7. 95 Bamberger/Roth/Faust, § 437 BGB, Rn. 21. 96 Darauf hat der EuGH kürzlich richtigerweise hingewiesen (EuGH, 16.6.2011 – C65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 42). 94
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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spürbarer Nachteil verbleiben darf.97 Mithin stellt sich die Frage nach dem Umfang der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers. Kontrovers wird dabei diskutiert, ob den Verkäufer etwaige Aus- und Wiedereinbaupflichten treffen. Wenn man dem Ansatz folgt, dass der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung nur diejenigen Leistungen erbringen soll, zu denen er im Sinne des ursprünglichen Kaufvertrages gem. § 433 Abs. 1 verpflichtet ist, muss man eine Aus- und Wiedereinbaupflicht bei der Ersatzlieferung verneinen.98 Eine andere Lehrmeinung vertritt, dass der Sollzustand der Kaufsache bei Gefahrenübergang für den Umfang der Ersatzlieferung entscheidend ist. Demnach soll die Kaufsache sich nach der Ersatzlieferung in dem Zustand befinden, in dem sie sich im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs befunden hätte, wenn der Verkäufer ordnungsgemäß erfüllt hätte. 99 Dann wäre der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung zum Ausbau, aber nicht zum Wiedereinbau der neu gelieferten mangelfreien Ersatzware verpflichtet. Nach von beiden abweichender Ansicht soll die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes im Sinne des § 439 Abs. 1 äußerst weit ausgelegt werden. Daher müsse der Verkäufer den Käufer nach der Vornahme der Ersatzlieferung so stellen, wie er zur Zeit der Nacherfüllung stünde, wenn der Verkäufer von vornherein ordnungsgemäß erfüllt hätte.100 Nach dieser Auffassung schulde der Verkäufer folgerichtig nicht nur den Ausbau der
97 So darf die Kaufsache nicht etwa deutliche Spuren von Reparatur- oder Austauschmaßnahmen des Verkäufers aufweisen oder künftiger Nachbesserungsmaßnahmen bedürfen: Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 9; in diese Richtung: BGH, 22.6.2005, NJW 2005, S. 2852 ff. In diesem Urteil (sog. Dackel-Fall) entschied der BGH, dass ein regelmäßiger Kontrollbedarf nach der mangelbedingten Operation eines Hundes keine Beseitigung des Mangels im Sinne des § 439 Abs. 1 darstellt; vgl. Marx, NJW 2010, S. 2841. 98 Dies war auch die tradierte Auffassung des BGH: vor allem BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff. (sog. Parkettstäbe-Fall). In diesem Urteil hat der BGH betont, dass der Verkäufer bei der Ersatzlieferung nur zu dem verpflichtet sei, was er nach dem ursprünglichen Kaufvertrag schulde – „nicht weniger, aber auch nicht mehr“ (BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2838, Rn. 18); so auch im Schrifttum Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 5; implizit auch Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 21; Thürmann, NJW 2006, S. 3458 ff.; Greiner, ZGS 2010, S. 356; Höpfner, ZGS 2009, 276; Katzenstein, ZGS 2009, S. 32; Skamel, NJW 2008, S. 2821; Lorenz, NJW 2009, S. 1633 ff. 99 In der Rechtsprechung: OLG Köln, 21.12.2005, NJW-RR 2006, S. 677 ff.; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 13; AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 27; Lorenz, ZGS 2004, S. 410; Schneider/Katerndahl, NJW 2007, S. 2216. 100 OLG Karlsruhe, 2.9.2004, ZGS 2004, S. 432 ff.; grundsätzlich auch EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988; im Schrifttum vor allem Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 19; jurisPK/Pammler, Rn. 59; Witt, ZGS 2008, S. 372; Terrahe, VersR 2004, S. 682.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
mangelhaften Sache, sondern auch den Wiedereinbau des mangelfreien Gegenstands. Da der Umfang der Ersatzlieferung je nach vertretener Ansicht stark differiert, ist auch die wissenschaftliche Diskussion entsprechend lebhaft.101 Jüngst hat der EuGH jedoch über eben diese Fragestellung entschieden.102 Das Urteil des EuGH war auf zwei Vorabentscheidungsvorlagen der deutschen Gerichte hin ergangen. Über beide hat der EuGH in einem Urteil verbunden entschieden. Gegenstand der Vorlage des BGH war ein Verbrauchsgüterkauf über Bodenfliesen, die sich später beim Einbau als mangelhaft erwiesen.103 Die bestehenden Mängel konnten aus technischen Gründen nicht beseitigt werden, sodass nur ein kompletter Austausch der Fliesen im Rahmen der Ersatzlieferung möglich war. Der Käufer hatte indes vor der Entdeckung der Mangelhaftigkeit die Fliesen bereits in seinem Privathaus verlegt. Streitig blieb, ob der Verkäufer aufgrund von absoluter Unverhältnismäßigkeit die vom Verbraucher verlangte und einzige Art der Nacherfüllung, also Ersatzlieferung, verweigern kann und er bei dieser Ersatzlieferung die Kosten des Ausbaus der ursprünglichen mangelhaften Sache tragen muss, die aus dem bestimmungsgemäßen Einbau resultierten.104 Die andere Vorabentscheidung wurde dem EuGH vom AG Schorndorf vorgelegt. 105 Eine Verbraucherin kaufte eine Spülmaschine. Nachdem sie die Spülmaschine in ihrer Küche hatte montieren lassen, wies die Maschine einen nicht behebbaren Mangel auf. Die Parteien einigten sich auf den Austausch der Spülmaschine, jedoch weigerte sich der Verkäufer, die mangelhafte Maschine ausbauen und die neue Ersatzmaschine einbauen zu lassen. Aufgrund dessen trat die Käuferin vom Kaufvertrag zurück. Bei der EuGH-Vorlage des AG Schorndorf ging es um die Frage, ob der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung die Ausbau- und darüber hinaus Wiedereinbaukosten tragen muss, wenn der Käufer die ursprüngliche mangelhafte Kaufsache ihrer Art und ihrem Verwendungszweck entsprechend eingebaut hat.106 Nach der klaren Aussage des EuGH gehört der etwaig erforderliche Aus- und Wiedereinbau nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in das Pflichtprogramm des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung, sodass 101 Neben dem heftigen Streit in der Literatur waren auch einige Urteile der Instanzgerichte bereits zu diametralen Ergebnissen gelangt: z.B. OLG Köln, 21.12.2005, NJW-RR 2006, S. 677 ff. und OLG Karlsruhe, 2.9.2004, ZGS 2004, S. 432 ff. (eingehend Thürmann, NJW 2006, S. 3457). 102 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988. 103 BGH, 14.1.2009, JZ 2009, S. 310 ff. (EuGH-Vorlage). 104 Zum Sachverhalt: Faust, JuS 2011, S. 745. 105 AG Schorndorf, 25.2.2009, BeckRS 2009, S. 88603. 106 Zum Sachverhalt des Beschlusses des AG Schorndorf: Faust, JuS 2011, S. 745.
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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der Verbraucher ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Verkäufers den Ausbau der bereits (bestimmungsgemäß) eingebauten Kaufsache und den Wiedereinbau der ersatzweise gelieferten mangelfreien Sache verlangen kann. Diese Entscheidung des EuGH überrascht, da er in diesem Fall anders als in den meisten Fällen die Schlussanträge des Generalanwalts abgelehnt hat, die dem tradierten Ansatz der bisherigen BGH-Rechtsprechung gefolgt sind.107 Dieses Urteil des EuGH ist weichenstellend im deutschen Kaufrecht, denn entsprechend seinem Tenor muss das deutsche Kaufrecht weitgehend umgestaltet bzw. richtlinienkonform ausgelegt werden.108 Bislang wurde die Problematik über den Aus- sowie Wiedereinbau im deutschen Recht durch entsprechende Schadensersatzansprüche gelöst.109 Aber nach dem Urteil des EuGH sind die Vornahme von Ausbau sowie Wiedereinbau bzw. die dafür erforderlichen Kosten im Rahmen des Ersatzlieferungsanspruchs, also im Rahmen der verschuldensunabhängigen Gewährleistungsrechte des Käufers, zu behandeln. Diese erhebliche dogmatische Veränderung bringt eine neue Interpretation des Nacherfüllungsanspruchs mit sich. Das ist von erheblicher Bedeutung, denn der Gesetzgeber beabsichtigte keinerlei Differenzierung zwischen dem Verbrauchsgüterkauf und dem „normalen“ Kauf – das Urteil des EuGH entfaltet jedoch nur hinsichtlich des Verbrauchsgüterkaufes Bindungswirkung.110 So kommt das Urteil des Vorlagegerichts mittlerweile auch in der deutschen Rechtsprechung zum Tragen.111 Der BGH wiederholt in seinem Tenor die Formulierungen des EuGH und statuiert, dass die Nachlieferung auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Sache umfasst. Diese Auslegung stütze sich auf den Wortlaut von § 439 Abs. 1, da der Begriff „Lieferung“ ausfüllungsbedürftig sei und er mit Rücksicht auf den Verweis des § 439 Abs. 4 auf § 346 Abs. 1 Alt. 1 ein gewisses Austauschelement enthalte.112 Aber m.E. bekräftigt die Kernaussage des Urteils des EuGH und des daraus folgenden Urteils des BGH das Wesen des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers. Denn nach dem Tenor der Urteile des EuGH sowie des BGH wird das nunmehr geltende Pflichtenprogramm des Ver107 Schulte-Nölke, ZGS 2011, S. 289. In seinen beiden Schlussanträgen hat der Generalanwalt Mazák sowohl eine Ausbau- als auch eine Wiedereinbaupflicht des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung verneint: Schlussanträge des Generalanwalts Mazák 18.5.2010 in der Rechtssache C-65/09, BeckRS 2010, S. 90583 und in der Rechtssache C-87/09, BeckRS 2010, S. 90584; eingehend Lorenz, NJW 2011, S. 2241 ff. 108 Richtigerweise wird darauf hingewiesen in Schulte-Nölke, ZGS 2011, S. 289. 109 So auch Pfeiffer, LMK 2011, S. 321439; Schulte-Nölke, ZGS 2011, S. 289. 110 BGH, 9.4.2002, NJW 2002, S. 2881 ff. (sog. Heiniger-Urteil): in diesem Zusammenhang Lorenz, NJW 2011, S. 2244. 111 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. 112 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 26.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
käufers aus dem Nacherfüllungsanspruch vom ursprünglichen Pflichtenkatalog aus dem Kaufvertrag entkoppelt. 113 Demnach kann der Nacherfüllungsanspruch nicht mehr lediglich als ein nachträglicher Erfüllungsanspruch in modifizierter Form angesehen werden, sondern stellt vielmehr einen eigenständigen Rechtsbehelf des Käufers dar.114 Dies soll im Folgenden verdeutlicht werden: Wenn die Reichweite des Nacherfüllungsanspruchs für das Käuferinteresse nicht ausreichend ist, muss der Käufer auch nach der Ausführung der Nacherfüllung verbleibende Nachteile in Kauf nehmen. In diesem Fall verliert der Nacherfüllungsanspruch als Rechtsbehelf an Bedeutung. Der Käufer kann gem. § 439 Abs. 1 in Verbindung mit § 437 Nr. 1 den Nacherfüllungsanspruch unabhängig vom Verschulden des Verkäufers geltend machen. Wenn die nachteiligen Folgen infolge der Mangelhaftigkeit der Ware nicht ausreichend durch die Nacherfüllung kompensiert werden, kann der Käufer den verbleibenden Schaden nur durch Schadensersatzansprüche gem. § 280 ff. geltend machen, die jedoch vom Verschulden des Verkäufers abhängen.115 Wenn der Verkäufer die ursprünglich mangelhafte Lieferung jedoch nicht verschuldet hat, bleibt der Käufer auf den Nachteilen sitzen,116 da er die verschuldensunabhängigen sekundären Rechtsbehelfe wie Rücktritt oder Minderung auch nicht geltend machen kann, wenn die Nacherfüllung zumindest in diesem restriktiven Umfang erfolgreich war, denn gem. §§ 323, 441 ist das fruchtlose Verstreichen der Nachfrist für die Nacherfüllung Voraussetzung für Rücktritt und Minderung.117 Der Umfang der Nacherfüllung ist nicht nur für den Käufer, sondern auch für den Verkäufer bedeutsam, denn er muss gem. § 439 Abs. 2 die Kosten tragen, die für die Durchführung der Nacherfüllung erforderlich 113 So eindeutig EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 79: „[…] Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen“; BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 6: „[…] dass der Nacherfüllungsanspruch als modifizierter Erfüllungsanspruch dem Verkäufer zusätzlich zu dessen ursprünglichen kaufvertraglichen Pflichten zur Übereignung und Übergabe der Kaufsache bisher nicht geschuldete Handlungspflichten auferlege“. 114 Ebenso Stöber, ZGS 2011, S. 350. 115 Alles, was über die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Kaufsache hinausgeht, ist eine Frage des Schadensersatzes und nicht der Nacherfüllung: Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 21. 116 In den meisten Fällen wird das Verschulden des Verkäufers als reiner Zwischenhändler in Bezug auf den Mangel verneint, weil er in der Regel nicht zur Untersuchung des Mangels verpflichtet ist. Der BGH hat in einem Urteil dem Käufer eines an einem Gendefekt leidenden Hundes Schadensersatz statt der Leistung versagt, da den Verkäufer kein Verschulden an diesem Mangel traf (BGH, 22.6.2005, NJW 2005, S. 2852 ff. sog. Dackel-Fall). Dazu kritisch Gutzeit, NJW 2007, S. 956 ff. 117 In Bezug auf den Leistungsort der Nacherfüllung melden vor allem Faust, JuS 2011, S. 751 und Jaensch, NJW 2012, S. 1030 Bedenken an.
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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sind. Je größer der Umfang der Nacherfüllung bemessen wird, desto höhere Kosten muss der Verkäufer tragen, es sei denn, er kann die Nacherfüllung unter Berufung auf § 439 Abs. 3 verweigern. B. Umfang der Ersatzlieferung I. Einleitung Vor den jüngst von EuGH und BGH ergangenen Urteilen war äußerst umstritten, wieweit der Ersatzlieferungsanspruch des Käufers gem. § 439 Abs. 1 reicht, weil die Vorschrift insoweit keine genaue Aussage trifft.118 Im Schrifttum wird vornehmlich darüber diskutiert, ob die Ersatzlieferung die Ausbau- und Wiedereinbauarbeiten erfasst, wenn der Käufer die Kaufsache bestimmungsgemäß eingebaut hat und sie sich danach als mangelhaft erweist. Dieses Problem ist rechtlich von großer Bedeutung, denn es stellt sich die Frage, ob oder inwieweit die vom Käufer vorgenommenen Veränderungen an der gelieferten Ware auch im Rahmen der Ersatzlieferung vom Verkäufer wiederhergestellt werden müssen. Zugleich ist dies eine praxisrelevante Rechtsfrage, denn sie stellt sich beim Kauf von mangelhaften Baumaterialen sehr häufig: Baumaterialien sind im Regelfall zum Einbau bestimmt. Wenn der Käufer sie bereits verbaut hat und sich nach dem Einbau deren Mangelhaftigkeit herausstellt, kann eine einfache Nachlieferung mangelfreier Ware den Käufer nicht zufriedenstellen. Der Käufer möchte in solchen Fällen nämlich auch, dass die bereits eingebauten Materialien ausgebaut und die ausgebauten Materialien vom Verkäufer zurückgenommen werden und schließlich die ersatzweise gelieferte, mangelfreie Ware wieder eingebaut wird. Die Kernfrage ist also, inwieweit diese verschiedenen Begehren des Käufers von seinem Nacherfüllungsanspruch abgedeckt werden können. Diese Problematik stellt sich regelmäßig nur dann, wenn die Baumaterialien bereits eingebaut sind. Dann nämlich scheidet im Regelfall die Nachbesserung wegen Unmöglichkeit von vorne herein aus.119 Diese Frage ist nicht nur für den Käufer, sondern auch für den Verkäufer sehr bedeutsam: Wenn der Aus- und Wiedereinbau in den Umfang der Ersatzlieferung fallen, kann der Käufer deren Vornahme im Rahmen der Nacherfüllung verlangen, sodass der Verkäufer die Kosten für diese Arbeit allein zu tragen hat, unabhängig davon, ob er die Mangelhaftigkeit der 118
Jaensch, NJW 2012, S. 1025. So in den meisten Fällen, die als problematisch betrachtet werden: z.B. BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff. (Mangelhaftigkeit der Parkettstäbe, die auf einen Produktionsfehler zurückzuführen ist). Auch in dem in Rede stehenden jüngsten Urteil des BGH: BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. (Schattierungen der Bodenfliesen, die nicht technisch beseitigt werden können). 119
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Kaufsache zu vertreten hat oder nicht. Eine Entlastungsmöglichkeit wie in § 280 Abs. 1 S. 2 besteht für den Verkäufer nicht. Vielmehr wird dem Käufer die Möglichkeit gegeben, sein gesamtes Nacherfüllungsinteresse befriedigt zu sehen, obwohl den Verkäufer kein Verschulden trifft. Im Regelfall treffen einen Verkäufer, der nur Händler und nicht selbst Hersteller ist, keine Untersuchungspflichten,120 weswegen er die Mangelhaftigkeit häufig nicht zu vertreten hat, sodass eine derartige Konstellation der umfassenden Kostentragungspflicht des Verkäufers den Regelfall darstellen dürfte. Die Problematik der Einordnung dieser verschiedenen Nacherfüllungsbegehren des Käufers ist daher von ganz entscheidender Bedeutung. Wenn die bereits eingebaute Kaufsache einen Mangel aufweist, richtet sich das Begehren des Käufers hinsichtlich der Reichweite der Ersatzlieferung auf drei Belange: Ausbau der bereits eingebauten mangelhaften Kaufsache, Entsorgung der ausgebauten mangelhaften Kaufsache und abschließend Wiedereinbau der ersatzweise gelieferten mangelfreien Sache. Damit dieses Anliegen des Käufers widerspruchslos zugebilligt wird, wurden in der Literatur divergierende Ansichten vertreten und dafür unterschiedliche Ansätze herangezogen. Neben dem neuen Kaufrecht kam dabei dem früheren Dachziegel-Urteil besondere Bedeutung zu.121 II. Bisheriger Meinungsstand 1. Argumentation im Dachziegel-Urteil nach altem Recht Zum Teil wurde in der Literatur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte122 eine Ausbaupflicht mit den Argumenten aus dem älteren, sog. Dachziegel-Urteil bejaht. Zudem hat der BGH in seiner EuGH-Vorlage, 123 die die Problematik der Ausbaukosten von mangelhaften Fliesen zum Inhalt hatte, auf den Ansatzpunkt des Dachziegel-Urteils hingewiesen. Dabei hat der BGH die Denkansätze des Dachziegel-Falles auch für das neue Recht als treffende Argumente angenommen.124 Im Dachziegel-Fall kaufte der Käufer Ziegel für sein Hausdach, die sodann auf sein Grundstück geliefert wurden. Der Käufer hat sie provisorisch als Grobeindeckung auf seinem Dach aufgelegt. Nach Beendigung der Ver120 Müko/Westermann, § 433 BGB, Rn. 67; Greiner, ZGS 2010, S. 354; Witt, ZGS 2008, S. 369; Lorenz, NJW 2009, S. 1633 (selbst der professionelle Verkäufer ist nicht zur Untersuchung verpflichtet – eine eventuelle Verletzung seiner kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB stellt keine Sorgfaltspflichtverletzung gegenüber dem Käufer dar). 121 BGH, 9.3.1983, NJW 1983, S. 1479 ff. 122 OLG Karlsruhe, 2.9.2004, ZGS 2004, S. 432 ff.; OLG Köln, 21.12.2005, NJW-RR 2006, S. 677 ff.; Lorenz, ZGS 2004, S. 410; Witt, ZGS 2008, S. 370. 123 BGH, 14.1.2009, JZ 2009, S. 310 ff., Rn. 21 ff. (EuGH-Vorlage). 124 So auch Unberath/Cziupka, JZ 2009, S. 314.
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legung erwiesen sich die Ziegel als mangelhaft. Aufgrund dessen erklärte der Käufer die Wandlung und verlangte die Abdeckung der Ziegel sowie deren Rücknahme. Hingegen erwiderte der Verkäufer, dass er nur bereit sei, sie lediglich nach Bereitlegung abzuholen. Nach dem fruchtlosen Fristablauf entfernte der Käufer die Ziegel eigenständig und verlangte die Erstattung der Kosten im Rahmen des Verzugsschadens.125 In diesem Fall hat der BGH dem Verkäufer bezüglich der fehlerhaften Dachziegel eine Rücknahmepflicht auferlegt, die mit dem Rückgabeanspruch des Verkäufers beim Vollzug der Wandlung gem. §§ 467, 346 BGB a.F. korrespondiert.126 Diese gekünstelt wirkende Ableitung der Rücknahmepflicht des Verkäufers aus seinem Anspruch auf Rückgabe setzt nach der Rechtsprechung des BGH ein „besonderes Interesse“ des Käufers voraus, d.h. der Käufer muss ein schutzwürdiges Interesse daran haben, die bereits gelieferte mangelhafte Sache loszuwerden.127 Damit das Endergebnis des Urteils dem tatsächlichen Begehren des Käufers entspricht, hat der BGH den Erfüllungsort der Rücknahmepflicht des Verkäufers dahingehend bestimmt, dass es sich dabei um den Ort handelt, an dem sich die Sache bei Vollzug der Wandlung vertragsgemäß befindet. Man spricht dabei auch vom sog. Belegenheitsort.128 Darüber hinaus ist der Leistungsort, an dem die Rücknahme der mangelhaften Dachziegel tatsächlich vorzunehmen ist, das Dach des Hauses.129 Durch die beiden Auslegungen130 wurde der Verkäufer im Dachziegel-Fall zum Abdecken der schon gelieferten Dachziegel verpflichtet.131 Die Kosten für die erste Eindeckung, die wegen der Mangelhaftigkeit der Dachziegel zwecklos war, wurden im Dachziegel-Fall zu den „Vertragskosten“ gem. § 467 S. 2 BGB a.F. gezählt. 132 Obwohl der 125 Zum Sachverhalt des Dachziegel-Falls: Lorenz, NJW 2009, S. 1634; Thürmann, NJW 2006, S. 3460. 126 Greiner, ZGS 2010, S. 355. 127 Lorenz, NJW 2009, S. 1634. 128 Greiner, ZGS 2010, S. 355. 129 Eigentlich ist der Belegenheitsort gem. § 269 lediglich die jeweilige Gemeinde. Innerhalb dieses Ortes hat der BGH die tatsächliche „Leistungsstelle” anhand der Vertragsauslegung bestimmt. Nach dem Ansatz des BGH ist die Leistungsstelle das Dach des Hauses, weil mit Abschluss des Vertrags der Käufer offenbar das Decken des Daches beabsichtigte. 130 Lorenz, NJW 2009, S. 1634 bezeichnet dies als „doppelten Trick“. 131 Nach dieser Rechtsprechung wären die Abdeckkosten ansonsten im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wegen Schuldnerverzugs gem. §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB a.F. erstattungsfähig gewesen: BGH, 9.3.1983, NJW 1983, S. 1480. 132 Vertragskosten im Sinne des § 467 S. 2 BGB a.F. wurden vom Verkäufer verschuldensunabhängig ersetzt. Anders als die Einbaukosten wurden die Kosten der Abdeckung nicht unter die Vertragskosten subsumiert. Sonst würden diese Kosten zu den Vertragskosten zählen, unabhängig davon, ob den Verkäufer eine Abdeck- bzw. Ausbaupflicht trifft.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Dachziegel-Fall ein Fall der Wandlung nach altem Recht ist, wurden alle Belange des Käufers in Zusammenhang mit der fehlerhaften, bereits eingebauten Kaufsache durch die äußerst weite Auslegung des BGH berücksichtigt: Dadurch war der Käufer wieder in der Lage, nach seinem Belieben am Dach neu anzuschaffende, mangelfreie Dachziegel verlegen zu lassen. Somit konnte das Käuferinteresse hinreichend befriedigt werden, da er bereits die ersten Einbaukosten als Vertragskosten erstattet bekommen hat. Im Regelfall übersteigen die ersten Einbaukosten sogar die Kosten des zweiten Einbaus, weil der erste Einbau Vorbereitungsmaßnahmen beinhalten kann, die für einen zweiten Einbau nicht mehr erforderlich sind.133 Obwohl der BGH in seiner EuGH-Vorlage134 die Anwendbarkeit der Ansätze des Dachziegel-Urteils auf das neue Recht grundsätzlich bejahte, wurde die Ausbaupflicht des Verkäufers dennoch aufgrund folgender Differenzierung verneint: Während im Dachziegel-Fall die mangelhaften Dachziegel nur provisorisch auf dem Dach verlegt wurden, wurden die Fliesen durch die Verlegung im Haus bereits gem. §§ 946, 93, 94 Abs. 2 wesentlicher Bestandteil des Gebäudes, sodass ein Anspruch auf Rückgewähr nach §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1, 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 als Ausgangspunkt der Rücknahmepflicht des Verkäufers nicht mehr bestand und folglich auch der Rücknahmeanspruch des Käufers ausgeschlossen war. Die Argumente des BGH in seiner EuGH-Vorlage sind indes wenig überzeugend. Nach der Vorlagefrage des BGH ist für die Zuerkennung der Rücknahmepflicht entscheidend, ob die Kaufsache wie im Dachziegel-Fall, lose verlegt oder wie Fliesen fest eingebaut wurden. Dass der Grad der Befestigung der eingebauten Kaufsache mit rechtserheblichen Folgen verbunden sein soll, führt zu sachwidrigen Ergebnissen.135 Darüber hinaus findet sich in § 346 Abs. 1 keine Grundlage für eine Rücknahmepflicht.136 § 346 Abs. 1 gewährt dem Verkäufer lediglich einen Rückgewähranspruch, woraus sich trotz der Interessen des Käufers nicht automatisch eine Rücknahmepflicht ergibt.137 Aber m.E. besteht der größte Schwachpunkt der Argumentation des BGH in unterschiedlichen Ergebnis133
Lorenz, NJW 2009, S. 1634. BGH, 14.1.2009, JZ 2009, S. 310 ff. (EuGH-Vorlage). 135 Unberath/Cziupka, JZ 2009, S. 314; Greiner, ZGS 2010, S. 357. 136 So auch Unberath/Cziupka, JZ 2009, S. 314. 137 Katzenstein, ZGS 2009, S. 559; Lorenz, NJW 2009, S. 1634; Greiner, ZGS 2010, S. 357. Selbst wenn man eine Rücknahmepflicht aus § 346 Abs. 1 herauslesen wollte, wäre der Leistungsort nach § 269 der Ort, an welchem der Schuldner „seinen Wohnsitz“ hat. Bei der Rücknahmepflicht ist daher die „Leistungsstelle“ nicht das Dach des Hauses, das vom BGH für die Anerkennung der tatsächlichen Ausbaupflicht als Erfüllungsort bestimmt wurde, vgl. Greiner, ZGS 2010, S. 356. Nach der Ansicht von Greiner ist „Leistungsstelle” nicht der exakte physikalische Belegenheitsort, z.B. das Dach des Hauses, sondern „die Adresse“, an der sich die mangelhafte Kaufsache befindet. 134
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sen für Nachbesserung und Nachlieferung. Wenn man wie im DachziegelFall die Ausbaupflicht nur aus der Rücknahmepflicht des Verkäufers ableiten wollte, müsste man eine Ausbaupflicht im Fall der Nachbesserung ablehnen, weil der Rückgabeanspruch als logischer Ausgangspunkt für die Rücknahmepflicht nur bei der Ersatzlieferung vorhanden ist, jedoch soll der Käufer bei der Nachbesserung genauso Befriedigung seines Interesses erlangen wie bei der Ersatzlieferung.138 Im Dachziegel-Urteil nach altem Recht konnte der Käufer die Kosten für den ersten Einbau als Vertragskosten gem. § 467 S. 2 BGB a.F. geltend machen. Da der Anspruch auf Vertragskosten verschuldensunabhängig war, konnte der Käufer mit Hilfe der Erstattung der ersten Einbaukosten die anderweitig beschaffte Ware wieder einbauen lassen. Trotzdem wurde die Ersatzpflicht für Vertragskosten vom Gesetzgeber bei der Schuldrechtsmodernisierung ganz bewusst abgeschafft. Eine derartige verschuldensunabhängige Ersatzpflicht wurde bei der Schuldrechtsmodernisierung ausdrücklich als Fremdkörper im Recht der Wandlung bezeichnet, nunmehr kann der Anspruch auf Vertragskosten nur im Rahmen der allgemeinen Regeln über den Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden.139 Konsequenterweise können auch die Denkansätze des Dachziegel-Urteils nach altem Recht entgegen der Meinung des BGH in seiner EuGH-Vorlage nicht auf das neue Recht übertragen werden.140 Obwohl der Dachziegel-Fall eine Wandlungskonstellation nach altem Recht betrifft und seine rechtlichen Ansatzpunkte nicht mehr auf die Problematik der Ersatzlieferung angewendet werden können, ergibt sich aus dem Dachziegel-Urteil m.E. doch ein bedeutsamer Ansatzpunkt für die Risikoverteilung. Denn die Interessenlage zwischen Verkäufer und Käufer im Dachziegel-Fall ist nicht anders als diejenige im Fall der Nacherfüllung nach neuem Kaufrecht. Im Dachziegel-Fall hat der BGH sein Ergebnis damit gerechtfertigt, dass der vom Verkäufer zu vertretende Mangel zur Wandlung geführt habe.141 Da im alten Recht die Wandlung als verschuldensunabhängiger Gewährleistungsrechtsbehelf statuiert wird, meint das Vertretenmüssen nach diesem BGH-Urteil, dass ein Mangel vorlag und zugleich kein Ausschlussgrund für die Haftung vorhanden ist.142 Was für die Nacherfüllung ins neue Recht übertragen werden kann, ist der Gedanke über die Risikoverteilung 138
Dieser Punkt wird ebenso im jüngsten Urteil des EuGH explizit betont: EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 51. 139 Lorenz, ZGS 2004, S. 409. 140 So auch Thürmann, NJW 2006, S. 3461: Thürmann argumentiert mit der Begründung, dass das Dachziegel-Urteil die höchstrichterliche Entscheidung sei; ebenso Schneider/Katerndahl, NJW 2007, S. 2216; Faust, JuS 2009, S. 471; Terrahe, VersR 2004, 682. 141 BGH, 9.3.1983, NJW 1983, S. 1481. 142 Eingehend Schneider/Katerndahl, NJW 2007, S. 2215 ff., FN. 23.
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nach damaliger Rechtsprechung, denn die Nacherfüllung setzt wie die Wandlung im alten Recht kein Verschulden, sondern nur das Vorhandensein eines Mangels voraus. 143 Darauf wird im jüngsten Urteil des EuGH auch ausdrücklich hingewiesen.144 2. Ausbau- sowie Rücknahmepflicht des Verkäufers Obwohl im neuen Kaufrecht auf einen Rückgriff auf die im DachziegelFall gefundene Herleitung verzichtet werden soll, spricht sich die überwiegende Meinung dafür aus, dass der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung zum Ausbau verpflichtet sein soll.145 Jedoch sei Grundlage der Ausbaupflicht nicht eine Rücknahmepflicht des Verkäufers, sondern die Nacherfüllungspflicht selbst. Entscheidend sei die Auslegung des § 439 Abs. 1 in Bezug auf den Umfang der Nachlieferung. Zwar komme die Ausbaupflicht nicht deutlich in § 439 Abs. 1 zum Ausdruck, jedoch solle die Ersatzlieferung gem. § 439 Abs. 1 mit Rücksicht auf §§ 439 Abs. 1, 433 Abs. 1 S. 2 dahingehend ausgelegt werden, dass durch diese der Käufer so gestellt werden soll, wie er stünde, wenn der Verkäufer seine Pflicht ordnungsgemäß erfüllt hätte.146 Wenn die Ausbaupflicht im Rahmen der Nacherfüllung bejaht wird, zielt das Interesse des Käufers darauf ab, dass die bereits ausgebaute Kaufsache vom Verkäufer zurückgenommen wird, sodass der Käufer damit nicht weiter belastet ist. Ansonsten müsste er selbst die ausgebaute Kaufsache entsorgen, wodurch ihm Kosten entstünden. Um die über den Ausbau hinausgehende Rücknahmepflicht des Verkäufers zu rechtfertigen, argumentieren die genannten Stimmen in der Literatur, dass die Rücknahmepflicht unmittelbar dem Austauschelement der Ersatzlieferung zu entnehmen sei.147 Zudem wird oft der Sinn und Zweck der Nacherfüllung als Begründung für die Rücknahmepflicht des Verkäufers angeführt.148 Wenn der Käufer mit der kostspieligen Entsorgung der ursprünglich gelieferten Kaufsache belastet würde, könne dies nicht dem Zweck der Nacherfüllung, nämlich der nachträglichen Herstellung des ver-
143
So auch Schneider/Katerndahl, NJW 2007, S. 2216. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 47, 57; dazu kritisch Lorenz, NJW 2011, S. 2243. 145 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 13; AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 27; Schneider/Katerndahl, NJW 2007, S. 2216; Faust, JuS 2009, S. 471; Terrahe, VersR 2004, 682. 146 Vor allem AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 27. 147 Lorenz, NJW 2009, S. 1635; Unberath/Cziupka, JZ 2009, S. 314; ebenso im jüngsten Urteil des BGH: BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 18. 148 Lorenz, NJW 2009, S. 1635. 144
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tragsgemäßen Zustands, entsprechen. 149 Nach der davon abweichenden Ansicht kann die Rücknahmepflicht des Verkäufers bei der Ersatzlieferung auch „aus sich selbst“ bejaht werden. Sie sei als bloße Kehrseite der ursprünglichen Abnahmepflicht des Käufers zu verstehen.150 Im Gegensatz dazu vertritt die Gegenansicht, dass der Verkäufer im Rahmen der Nachlieferung weder Ausbau noch Rücknahme schulde. 151 Dies ist auch die tradierte Auffassung des BGH. 152 Demnach wird diese Pflicht mit dem Argument abgelehnt, dass der Verkäufer nach seiner ursprünglichen Erfüllungspflicht eine solche Arbeit nicht schulde. Diese Ansicht geht davon aus, dass der Verkäufer bei der Nachlieferung nicht zu mehr verpflichtet sei als im ursprünglichen Kaufvertrag geschuldet war.153 Demnach schulde der Verkäufer im Kaufvertrag nur die Verschaffung der mangelfreien Sache, nicht aber deren Ausbau sowie Rücknahme, da diese Pflichten ohnehin über den Umfang der ursprünglichen Verkäuferpflicht hinausgingen.154 3. Wiedereinbaupflicht des Verkäufers Die Wiedereinbaupflicht im Rahmen der Nachlieferung wird im Schrifttum für äußerst problematisch gehalten. Anders als bei der Ausbaupflicht spricht sich die vorherrschende Meinung gegen eine Einbaupflicht der nachgelieferten mangelfreien Ware aus.155 Wichtigstes Argument für diese Auffassung ist, dass der Einbau der Kaufsache von vornherein nicht Bestandteil der Verkäuferpflicht ist. Da eine derartige Arbeit werkvertraglichen Charakter habe, entkopple die Bejahung der Wiedereinbaupflicht den Nacherfüllungsanspruch vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist, dass der Verkäufer im Stadium der Nachlieferung auch nicht schulden könne, wozu er im Stadium des ursprünglichen Kaufvertrags nicht verpflichtet gewesen sei. In seiner tradier149 Der vertragsgemäße Zustand im Sinne von Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie könne dadurch herbeigeführt werden, dass der Käufer eine mangelfreie Sache erhalte und der Verkäufer die ursprünglich gelieferte mangelhafte Sache zurücknehme (Höpfner, ZGS 2009, S. 275). 150 Faust, JuS 2009, S. 471. 151 Ermann/Grunewald, 12. Aufl. 2008, § 439 BGB, Rn. 5; Höpfner, ZGS 2009, S. 275; Skamel, NJW 2008, S. 2821; Greiner, ZGS 2010, S. 356; Lorenz, NJW 2009, S. 1635; Katzenstein, ZGS 2009, S. 32; Thürmann, NJW 2006, S. 3458. 152 BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff. (sog. Parkettstäbe-Fall). 153 Greiner, ZGS 2010, S. 356. 154 Vor allem BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff., Rn. 19; Skamel, NJW 2008, S. 2821. 155 Höpfner, ZGS 2009, S. 275; Skamel, NJW 2008, S. 2821; Greiner, ZGS 2010, S. 356; Lorenz, NJW 2009, S. 1635; Unberath/Cziupka, JZ 2009, S. 314; Schneider /Katerndahl, NJW 2007, S. 2215.
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ten Rechtsprechung hat der BGH die Erweiterung des Inhalts der Nacherfüllung auf die quasi-werkvertragliche Leistung auch deshalb ausdrücklich abgelehnt, weil die Nacherfüllung nur die vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 1, 2 verpflichtet ist, erfordere – nicht weniger, aber auch nicht mehr. 156 Trotzdem hat erstaunlicherweise der BGH im Leitsatz dieser Entscheidung explizit angeführt, dass die Kosten für den zweiten Einbau unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes statt der Leistung geltend gemacht werden könnten. D.h. die Kosten des zweiten Einbaus könnten als Schadensersatz statt der Leistung erstattet werden, wenn den Verkäufer Verschulden an der mangelhaften Lieferung treffe. Wie der Terminus „statt der Leistung“ andeute, solle der Verkäufer zum zweiten Einbau im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet sein, wenn der Käufer den Ersatz der Einbaukosten anhand des Schadensersatzes statt der Leistung verlangen könne.157 Ein anderes wichtiges Argument dieser Auffassung ist der zeitliche Faktor der Nacherfüllung – sie sei nämlich nicht zukunftsbezogen.158 Demnach solle das Verwendungsrisiko eigentlich zu Lasten des Käufers und nicht des Verkäufers gehen.159 Daher falle der zweite Einbau selbstverständlich in die Risikosphäre des Käufers, sodass dieser für den Wiedereinbau selbst verantwortlich sein solle. Im Zusammenhang mit dem Verwendungsrisiko spricht sich eine der Ansichten mit differenzierender Begründung gegen die Wiedereinbaupflicht des Verkäufers aus. Demnach sei der Fall der Nachbesserung von dem der Ersatzlieferung zu unterscheiden. 160 Nach dieser Ansicht trägt der Verkäufer das Verwendungsrisiko lediglich im Falle der Nachbesserung allein, nicht aber im Rahmen der Ersatzlieferung, weil es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Arten der Nacherfül156 BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff., Rn. 18 (sog. Parkettstäbe-Fall). Im Fall von mangelhaften Parkettstäben handle es sich um einen Werkvertrag und nicht um einen Kaufvertrag, wenn der Verkäufer sich zur Verlegung der Parkettstäbe verpflichtete. Wenn die geschuldete Leistung nicht Lieferung mangelfreier Parkettstäbe, sondern die Herstellung eines mangelfreien Parkettbodens mit den Parkettstäben im Rahmen des Werkvertrages sei, würde sich ein Nacherfüllungsanspruch einschließlich der Ausbauund Einbauarbeit unschwer aus §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 ergeben, da sich die ursprüngliche Erfüllungspflicht mit der Nacherfüllungspflicht decke: in diesem Sinne Lorenz, ZGS 2004, S. 409. 157 Dazu kritisch Skamel, NJW 2008, S. 2822 ff. 158 Schneider/Katerndahl, NJW 2007, S. 2215; Lorenz, NJW 2009, S. 1635. 159 Die Verwendung der Kaufsache durch den Käufer falle in dessen Risikosphäre, nicht in die des Verkäufers. Wenn der Käufer diese Kosten verlangen will, könne dies nur mit den Figuren der Kausalität, der Zurechenbarkeit oder möglicherweise des Verschuldens begründet werden: Schlussanträge des Generalanwalts Mazák bezüglich der Vorlagefrage des BGH, ZGS 2010, S. 361 ff., Rn. 60. 160 Thürmann, NJW 2006, S. 3459; grundsätzlich so auch Ermann/Grunewald, 12. Aufl. 2008, § 439 BGB, Rn. 5.
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lung handle: Da der erste Anlauf der Erfüllung bei der Nachbesserung bestehen bleibe, solle die Nachbesserung den Zustand schaffen, den die Kaufsache vorher im mangelfreien Zustand bereits gehabt habe, sodass der Zustand erreicht werde, der mit einer ursprünglich mangelfreien Lieferung bestünde. Im Rahmen der Nachbesserung sei damit eine zusätzliche Einbaupflicht zu bejahen. Im Gegensatz dazu spiele der erste Anlauf bei der Ersatzlieferung keine Rolle. Der Verkäufer leiste noch einmal „von vorn”. Deswegen schulde der Verkäufer bei der Ersatzlieferung ein zweites Mal das, was er ursprünglich geschuldet hat – also lediglich die mangelfreie Lieferung, weswegen bei der Ersatzlieferung keine Pflicht zum Wiedereinbau bestehe.161 4. Stellungnahme zum bisherigen Meinungsstand M.E. ist die Argumentation, dass der Verkäufer im Rahmen der ursprünglichen Erfüllungspflicht zu einem Ausbau sowie Einbau nicht verpflichtet war und es deswegen auch nicht bei der Nacherfüllung sein könne, nicht schlüssig. Der Fokus muss nämlich auf den Sinn und Zweck der Nacherfüllung in seiner Natur als Rechtsbehelf gerichtet werden und weniger auf die Kopplung an die ursprünglich Erfüllungspflicht. Der Nacherfüllungsanspruch kann als modifizierter Erfüllungsanspruch bezeichnet werden. Die Betonung soll in diesem Zusammenhang nicht auf den (wiederholten) Erfüllungsanspruch, sondern auf die „Modifikation” des Erfüllungsanspruchs im Sinne eines Rechtsbehelfs des Käufers gelegt werden, sodass die Nacherfüllungspflicht mitunter vom ursprünglichen Pflichtenkatalog abweichen kann. 162 Eine derartige Abweichung ist u.U. auch unvermeidbar, wenn das Ziel der Nacherfüllung, nämlich die nachträgliche Herbeiführung eines vertragsgemäßen Zustandes, erreicht werden soll. Wenn der Käufer trotz seines Nacherfüllungsanspruchs die eingebaute mangelhafte Sache selbst ausbauen sowie die nachgelieferte Ersatzware wieder einbauen soll, wird die Herstellung des „vertragsgemäßen“ Zustands aus der Sicht des Käufers nicht erreicht. Diese Charakteristika der Nachlieferung hat der BGH also in seiner tradierten Rechtsprechung verkannt, wenn er die Nachlieferung nur als vollständige Wiederholung der Leistungen163, bzw. als Übergabe der mangelfreien Sache und die Verschaffung des Eigentums 164 verstanden hat. In diesem Sinne besteht der Anknüpfungspunkt des Nacherfüllungsanspruchs nicht in der erneuten Verwirklichung der ursprünglichen Erfüllungspflicht, sondern vielmehr in der 161
So auch OLG Köln, 21.12.2005, NJW-RR 2006, S. 677 ff. Witt, ZGS 2008, S. 372. 163 BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff. (sog. Parkettstäbe-Fall). 164 BGH, 14.1.2009, JZ 2009, S. 310 ff., Rn. 20 (EuGH-Vorlage). 162
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„Verletzung” dieser, die Auslösungselement bzw. Auslösungsmoment des Nacherfüllungsanspruchs ist. Auch der Ansicht, die zwischen der Nachlieferung und Nachbesserung unterscheidet,165 kann nicht gefolgt werden: Zwar trifft es zu, dass beide Nacherfüllungsarten als unterschiedliche Rechtsbehelfe im neuen Kaufrecht normiert wurden, doch bietet dies keine Stütze dafür, beide Arten der Nacherfüllung in Bezug auf das Endergebnis unterschiedlich auszulegen. Der Sinn und Zweck der Normierung in Form von zwei unterschiedlichen Rechtsbehelfen liegt darin, dem Käufer ein Wahlrecht zwischen beiden Rechtsbehelfen einzuräumen, jedoch kann die Unterscheidung zwischen der Nachbesserung und der Ersatzlieferung nicht zu einer Verringerung des Umfanges der Nacherfüllungspflicht führen. Da beide Arten der Nacherfüllung denselben Zweck verfolgen, nämlich die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Naturalleistung,166 muss das Interesse des Käufer nach dem Abschluss der Nacherfüllung stets gleichermaßen befriedigt sein, unabhängig davon, welche Art der Nacherfüllung er gewählt hat. Im Gegensatz zur herrschenden Meinung über den Wiedereinbau muss das Wesen der Nachlieferung als Rechtsbehelf weiterhin einheitlich verstanden werden. D.h. im Rahmen der Ersatzlieferung trifft den Verkäufer auch eine Pflicht zum Wiedereinbau, da dem Käufer sonst Nachteile verbleiben, was dem Sinn und Zweck der Nacherfüllung als Rechtsbehelf entgegenstünde. Um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, sollte der Nacherfüllungsanspruch auch einen vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch abweichenden Inhalt, wie z.B. werkvertragliche Leistungen, beinhalten. Diese Abweichung des Pflichtenprogramms im Rahmen der Nacherfüllung stützt sich auf folgende Argumentation: Erstens sollte man wie bereits gesagt den Nacherfüllungsanspruch nicht nur als vollständige Wiederholung der Leistung ansehen, zu der der Verkäufer nach dem Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 verpflichtet ist, sondern vielmehr als Rechtsbehelf des Käufers, der das Ziel des vertragsgemäßen Zustandes zum Gegenstand hat und daher auch anfallende Werkleistungen umfasst. Es geht also nicht nur um das Recht der zweiten Andienung des Verkäufers, 167 sondern auch um die Nacherfüllung als wirksame Abhilfemöglichkeit des Käufers. Für Rechtsbehelfe stehen die Erreichung des vertragsgemäßen Zustandes und die dazu erforderlichen Maßnahmen im Vordergrund, was ggf. auch eine Abkopplung des Pflichtenprogramms vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch beinhaltet. In diesem Sinne kann die Nacherfüllung auch zukunftsbezogen sein. Der nachträglich anhand der 165
Vor allem Thürmann, NJW 2006, S. 3459; Ebenso Erman/Grunewald, § 439 BGB,
Rn. 5. 166 167
So Lorenz, ZGS 2004, S. 411. Greiner, ZGS 2010, S. 356.
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Nacherfüllung herzustellende vertragsgemäße Zustand ist dann auch nicht zwingend mit demjenigen Zustand identisch, in dem sich die Kaufsache bei Gefahrenübergang hätte befinden sollen.168 Zweitens sieht § 439 Abs. 2 ohnehin Werkleistungen im Rahmen der Nacherfüllung vor: Die Aufzählung des § 439 Abs. 2 nennt auch Arbeitsund Materialkosten, die nur in Zusammenhang mit Werkleistungen entstehen können.169 Diesbezüglich ist m.E. die Auffassung des EuGH zur Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung zu berücksichtigen,170 weil der Nacherfüllungsanspruch gem. § 439 Abs. 1 eine Umsetzung der Ersatzlieferung nach Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie darstellt 171 und dementsprechend die Nacherfüllung unentgeltlich vorgenommen werden soll. Bei dem in Rede stehenden Urteil ging es eigentlich um den Nutzungsersatz, den der Verkäufer gem. §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 im Falle der Nachlieferung vom Käufer verlangen kann. In diesem Fall hat der EuGH die Unentgeltlichkeit in Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im Zusammenhang mit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands sehr weit ausgelegt, damit die Garantie der Unentgeltlichkeit nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht von finanziellen Forderungen des Verkäufers im Zuge der Nacherfüllung bedroht wird. 172 Die in diesem Fall erweitert ausgelegte Garantie der Unentgeltlichkeit wurde im jüngsten Urteil des EuGH bezüglich der Ausbau- und Wiedereinbaupflicht des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung erneut bestätigt und als Anhaltspunkt herangezogen.173 Die vom EuGH ausgesprochene Garantie der Unentgeltlichkeit soll den Käufer davor schützen, dass der Nacherfüllungsanspruch nur als die Fortführung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs verstanden und begrenzt wird und somit als Rechtsbehelf nicht taugt. Dieser Tenor der EuGH-Rechtsprechung verdeutlicht m.E. abermals das Verständnis der Nacherfüllung als Rechtsbehelf. Wenn der Käufer nach der Ausübung der Nacherfüllung wei168 Witt, ZGS 2008, S. 372; Bamberger/Roth/Faust, Ed. 22. 2011, § 439 BGB, Rn. 18; Terrahe, VersR 2004, S. 682; OLG Karlsruhe, 2.9.2004, ZGS 2004, S. 433. Insbesondere brachte das OLG Karlsruhe dies klar zum Ausdruck. Es begründete das Urteil wie folgt: „durch die Nacherfüllung der Sache soll der Käufer in die Lage versetzt werden, mit der Sache so zu verfahren, als wäre die Ware mangelfrei gewesen. Damit ist der Zustand geschuldet, in dem sich die Kaufsache befände, wenn sie mangelfrei gewesen wäre. Zu den Aufwendungen im Sinne von § 439 Abs. 2 BGB zählen somit auch die Aus- und Einbaukosten für die Fliesen.” 169 Nach a.A. gilt § 439 Abs. 2 nicht für beide Arten der Nacherfüllung – Arbeits- und Materialkosten bezögen sich nur auf die Nachbesserung, nicht auf die Ersatzlieferung (Greiner, ZGS 2010, S. 359). 170 EuGH, 17.4.2008 – C 404/06, NJW 2008, S. 1433 ff. (sog. Quelle-Fall). 171 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 3. 172 EuGH, 17.4.2008 – C 404/06, NJW 2008, S. 1433 ff., Rn. 34. 173 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn.46.
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ter mit den Kosten des Aus- sowie Wiedereinbaus belastet würde, würde die Nacherfüllung als Rechtsbehelf an Bedeutung verlieren. Wenn die Nacherfüllung als Rechtsbehelf des Käufers nicht zweckdienlich wäre, wäre sie aus seiner Sicht nicht der primäre Rechtsbehelf, sondern nur Voraussetzung für den Übergang zu anderen wirksamen Rechtsbehelfen. Dieses Ergebnis läuft offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers zuwider: Nach dem Willen des Unionsgesetzgebers, der in diesem Urteil klar herausgearbeitet wurde, stellt die Abwälzung des Ausbaus sowie Wiedereinbaus oder deren Kosten auf den Käufer eine drohende finanzielle Belastung dar, die ihn möglicherweise von der Geltendmachung der Nacherfüllung abhalten könnte.174 Diese Ansicht wurde auch im jüngsten Urteil des EuGH erneut bestätigt.175 III. Jüngere Rechtsprechung des EuGH und des BGH 1. Die Entscheidung des EuGH Mit dem Problem des Aus- sowie des Wiedereinbaus hat sich, wie erwähnt, auch der EuGH in jüngster Zeit beschäftigt. 176 Das maßgebliche EuGHUrteil ist auf die Vorlagefragen des BGH sowie des AG Schorndorf hin ergangen.177 In diesem Urteil ging der EuGH davon aus, dass der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung zum Aus- sowie zum Wiedereinbau verpflichtet sei, wenn der Käufer als Verbraucher vor Auftreten des Mangels die mangelhafte Kaufsache im Vertrauen auf die Mangelfreiheit ihrer Art und ihrem Verwendungszweck entsprechend eingebaut hat. Infolgedessen wird die dargestellte Auffassung des BGH zu Makulatur.178 Darüber hinaus wird im Urteil des EuGH darauf hingewiesen, dass die Einbaupflicht des Verkäufers unabhängig davon bejaht werden kann, ob dies im ursprünglichen Kaufvertrag geschuldet war. Der EuGH stützt seine Argumentation auf das Erfordernis der Unentgeltlichkeit im Rahmen der Nacherfüllung in Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Nach der Ansicht des EuGH 174 Im Rahmen der Vorlage hat der BGH das Problem des Wiedereinbaus ausgespart. Trotzdem gab es bereits im Schrifttum dahingehende Bedenken, dass die Frage künftig unter einem anderen Blickwinkel aktuell werden könnte - nämlich ob der Verkäufer auch zum Einbau der nachgelieferten Sache verpflichtet ist. (Faust, JuS 2009, S. 473) Diese haben sich im Vorentscheidungsersuch des AG Schorndorf realisiert. In seiner EuGHVorlage hat das AG Schorndorf dem EuGH die wichtige Frage gestellt, ob es der Nacherfüllung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entgegenstehen würde, wenn der Verkäufer im Rahmen der Nachlieferung nicht zum Wiedereinbau oder deren Kostenübernahme verpflichtet wäre. 175 EuGH, 17.4.2008 – C 404/06, NJW 2008, S. 1433 ff., Rn. 46. 176 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988. 177 BGH, 14.1.2009, JZ 2009, S. 310 ff. (EuGH-Vorlage); AG Schorndorf, 25.2.2009, BeckRS 2009, S. 88603 (EuGH-Vorlage). 178 So ausdrücklich Lorenz, NJW 2011, S. 2241.
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wäre die Ersatzlieferung nicht unentgeltlich, wenn der Käufer als Verbraucher die Kosten des Ausbaus sowie Wiedereinbaus tragen sollte.179 Hierfür können die in Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie genannten Kosten aufgeführt werden, für die der Verkäufer aufkommen soll.180 Obwohl diese Vorschrift nicht ausdrücklich die Kosten für den Ausbau sowie Wiedereinbau nennt, verdeutlicht das Wort „insbesondere“, dass die genannte Aufzählung keine abschließende ist. Demzufolge können die Aus- sowie Wiedereinbaukosten unter die „für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchgutes notwendige Kosten“ im Sinne der Art. 3 Abs. 4 subsumiert werden. Ferner weist der EuGH darauf hin, dass gem. Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Ersatzlieferung nicht nur unentgeltlich, sondern auch ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen soll. 181 Diese beiden Anforderungen an die Vornahme der Nacherfüllung werden vom Willen des Unionsgesetzgebers getragen, einen effektiven Verbraucherschutz zu garantieren. Wenn der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung weder zum Ausbau noch zum Wiedereinbau verpflichtet wäre, kämen erhebliche Unannehmlichkeiten auf den Käufer zu.182 In diesem Zusammenhang kann die Aufzählung des Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auch als Auslegungshilfe für erhebliche Unannehmlichkeiten verstanden werden. Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie besagt, dass Art und Verwendungszweck des Verbrauchsguts für diese Entscheidung zu beachten sind. Da das Verbrauchsgut im Fall von Baustoffen nach Art und Verwendungszweck für den Einbau bestimmt ist,183 muss eben dies vom Käufer als erhebliche Unannehmlichkeiten angesehen werden. Anders als der Begriff „Ersatzlieferung“ in der deutschen Fassung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, geht die Ersatzlieferung in der Fassung der anderen Amtssprachen davon aus, dass der Verkäufer verpflichtet ist, alles zu unternehmen, was für den interessensgerechten Endzustand der Interessenslage des Käufers notwendig ist. Nach der Auslegung des EuGH geht daher die Bedeutung der Ersatzlieferung über eine bloße nachträgliche Lieferung des mangelfreien Verbrauchsguts hinaus. Damit wirkt die deutsche Lesart der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie äußerst restriktiv.184
179
EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 45 ff. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 50. 181 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 52. 182 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 53. 183 Es geht um Bodenfliesen (EuGH-Vorlage des BGH) und eine Spülmaschine (EuGH-Vorlage des AG Schorndorf). 184 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 54; eingehend Stöber, ZGS 2011, S. 348. 180
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Aus- sowie Wiedereinbau können nach der Auffassung des EuGH zu Recht dem Verkäufer zugerechnet werden, obwohl den Verkäufer kein Verschulden trifft. Denn der Verkäufer muss die auf seiner nicht ordnungsgemäßen Erfüllung beruhenden Folgen selbst tragen.185 Wenn beide Parteien kein Verschulden an der Mangelhaftigkeit der Kaufsache trifft, sollen die Kosten des Ausbaus sowie des Wiedereinbaus dem Verkäufer zufallen, weil diese Kosten vermieden worden wären, wenn der Verkäufer von vornherein seine Pflicht ordnungsgemäß erfüllt hätte.186 Dem finanziellen Interesse des Verkäufers, das durch die Übernahme der Aus- sowie Wiedereinbaukosten beeinträchtigt wird, wird nach Ansicht des EuGH dadurch Rechnung getragen, dass der Verkäufer die Ersatzlieferung gem. Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verweigern kann, wenn die Kosten dafür als unverhältnismäßig hoch anzusehen sind. Zudem kann der Verkäufer gem. Art. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Kosten dadurch kompensieren, dass er den Hersteller sowie seine Lieferanten nach nationalem Recht in Regress nimmt.187 2. Das Urteil des BGH Nach wenigen Monaten erging das Urteil des BGH als Umsetzung des Urteils des EuGH. 188 Dem Tenor des EuGH-Urteils entsprechend hat der BGH § 439 Abs. 1 Alt. 2 dahingehend ausgelegt, dass der Wortlaut dieser Bestimmung in Bezug auf die Nachlieferung, nämlich „die Lieferung einer mangelfreien Sache”, auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Sache umfasst.189 Denn ausweislich der Gesetzesmaterialien wurde § 439 als Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erlassen,190 folglich muss die Auslegung dieses nationalen Gesetzes auch in Übereinstimmung mit der vom EuGH vorgenommenen Interpretation der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorgenommen werden.191 Die Auslegung basiert darauf, dass der in § 439 Abs. 1 Alt. 2 verwandte Begriff der „Lieferung“ ausfüllungsfähig ist und einen gewissen Wertungsspielraum enthält.192 Der EuGH hat in seinem Urteil statuiert, dass die Ersatzlieferung einen Austausch des mangelhaften Vertragsguts durch die ersatzweise gelieferte, mangelfreie
185
EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 55 f. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 57. 187 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 58. 188 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. 189 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 25. 190 So ausdrücklich BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 7. 191 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 24. 192 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 26. 186
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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Sache meint.193 Die richtlinienkonforme Auslegung der Nachlieferung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2, die ein Austauschelement der Nachlieferung zubilligt, kann sich auch auf §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1 Alt. 1 stützen. Demnach kann der Verkäufer den Käufer auf Rückgewähr der bereits gelieferten mangelhaften Sache in Anspruch nehmen. Hierin spiegelt sich wider, dass nach dem Standpunkt des Gesetzgebers ebenfalls das Austauschelement der Nachlieferung vorherrscht.194 Aus diesen Gründen kann die erweiterte Auslegung, die den Ausbau sowie Abtransport der mangelhaften Sache in den Pflichtenkatalog des Verkäufers im Rahmen der Nachlieferung aufnimmt, mit dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 Alt. 2 durchaus im Einklang stehen. 3. Auswirkung der Entscheidungen und eigene Stellungnahme In der deutschen Rechtspraxis sowie Dogmatik ist die Auswirkung des Urteils des EuGH enorm. 195 Aufgrund dieses Urteils konnte die deutsche Dogmatik und Rechtsprechung nicht vermeiden, dass der Ausbau sowie Abtransport der mangelhaften Sache und darüber hinaus der Wiedereinbau der mangelfreien Ersatzware in das Pflichtprogramm des Verkäufers im Rahmen der Nachlieferung integriert wird. Als Folge des Urteils ist der BGH in seinem jüngsten Urteil von seinem tradierten Ansatz abgewichen: Im Rahmen der Nacherfüllung können dem Verkäufer nun auch solche Pflichten auferlegt werden, die über die ursprünglichen Pflichten aus dem Kaufvertrag hinausgehen. Der EuGH stützt dabei diese Ansicht hauptsächlich auf das erhöhte Schutzniveau des Verbrauchers, der der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zugrunde liegt.196 Der BGH verankert diesen überwiegend dogmatischen Ansatz seiner nunmehr veränderten Rechtsprechung dabei ebenso im Wesen der Nacherfüllung als modifiziertem Erfüllungsanspruch, der eine Auferlegung von im ursprünglichen Kaufvertrag nicht geschuldeten Handlungspflichten ermöglicht.197 M.E. ist dieser dogmatische Anhaltspunkt des BGH umso bedeutender, als der BGH eine einheitliche Anwendung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 durchsetzen will, ungeachtet dessen, ob es sich um einen Verbrauchsgü193 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 54. Diesbezüglich hat der EuGH den Begriff “Ersatzlieferung” in verschiedenen amtlichen Sprachfassungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erläutert und ist dabei zum Auslegungsergebnis gelangt, dass als Endergebnis der Ersatzlieferung die mangelhafte Kaufsache tatsächlich „ersetzt“ werden muss und durch mangelfreie Ersatzware auszutauschen ist. 194 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 26. 195 Das Urteil wird daher im Schrifttum als „ein Paukenschlag aus Luxemburg“ bezeichnet (Lorenz, NJW 2011, S. 2241 ff.; Purnhagen, EuZW 2011, S. 626 ff.); hingegen Jaensch, NJW 2012, S. 1025 („tatsächlich sind die Auswirkungen auf die deutschen Dogmatik nicht so weitreichend“). 196 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 59. 197 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 6.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
terkauf oder einen „normalen“ Kauf handelt. Nach dem Tenor des Urteils des BGH ist eine differenzierende Auslegung der Reichweite der Nachlieferung je nach Art des Kaufes nicht zielführend.198 Daher geht der BGH, von der Ansicht des EuGH abweichend, hierbei von einem gleichen Ausgangspunkt von Verbrauchsgüterkauf und üblichem Kauf aus. M.E. bekräftigen diese Ansatzpunkte des EuGH sowie des BGH das Charakteristikum der Nacherfüllung als Rechtsbehelf des Käufers. Wenn man sich stets auf den Standpunkt stellt, dass der Nacherfüllungsanspruch ohnehin gewissermaßen mit dem Erfüllungsanspruch verbunden ist, nämlich die Nachlieferung in einem ausgedehnten „Erfüllungsanspruch“ besteht, können die Pflichten des Verkäufers in Bezug auf die Nachlieferung keinesfalls über die ursprünglichen Pflichten des Verkäufers hinaustreten. Wegen dieses tradierten Ansatzpunkts verneinte die Rechtsprechung des BGH bisher vornehmlich den Wiedereinbau im Rahmen der Ersatzlieferung. Obwohl der BGH das Urteil nur in Zusammenhang mit dem Ausbau sowie Abtransport der mangelhaften Kaufware erlassen hat, eröffnet das Urteil des EuGH einen neuen Blickwinkel: Eine Wiedereinbaupflicht kann auch unter die Pflichten des Verkäufers bei der Nachlieferung integriert werden. Wenn der BGH wie in seinem jüngsten Urteil keinen Unterschied zwischen Verbrauchsgüterkauf und „normalem“ Kauf in Bezug auf die Anwendung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 macht, wird zweifellos bald ein Urteil des BGH ergehen, nach dem die Wiedereinbaupflicht im Rahmen der Nachlieferung dem Verkäufer auferlegt wird. M.E. stützt sich dieses Ergebnis wiederum auf das Charakteristikum der Nacherfüllung als Rechtsbehelf des Käufers. Wenn der Aus- und Wiedereinbau im Zusammenhang mit der für den Einbau bestimmten Ware zu Lasten des Käufers gehen, verliert die Nachlieferung als zweckdienlicher Rechtsbehelf an Bedeutung. Der teilweise vertretene Ansatz, dass der Käufer nur im Falle der Nachbesserung Ausbau und insbesondere Wiedereinbau verlangen kann, 199 steht Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entgegen. Denn nach dieser Vorschrift wird der hohe Schutz des Verbrauchers in Gestalt „der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes“ als Ziel vorgesehen, unabhängig davon, welche Art der Nacherfüllung gewählt wurde. Wenn man dabei den Nacherfüllungsanspruch als modifizierten Erfüllungsanspruch versteht, muss der Akzent auf der Modifikation liegen: die198 Eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 1 Alt. 2 auf den Verbrauchsgüterkauf wird im Hinblick auf diese Problematik nicht vorgenommen. Vgl. BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 30 ff. 199 Ermann/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 5; Thürmann, NJW 2006, S. 3459 (diese Ansicht geht davon aus, dass das Verwendungsrisiko nur bei der Nachbesserung den Verkäufer belastet); tendenziell ebenso Greiner, ZGS 2010, S. 359.
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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se „Modifikation“ bestärkt den Nacherfüllungsanspruch in seiner Natur als Rechtsbehelf des Käufers. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit der Erfüllungsanspruch zum Zweck des Rechtsbehelfs modifiziert werden kann. Diese Modifikation ist mit Blick auf die Privatautonomie nicht unproblematisch:200 Dem Verkäufer werden im Rahmen der Nachlieferung Pflichten aufgelegt, die über die im Kaufvertrag vereinbarten Pflichten hinausgehen und ihm noch dazu verschuldensunabhängig aufgebürdet werden. Darüber hinaus zählt die Handlungspflicht des Aus- sowie Wiedereinbaus zu den typischen Pflichten des Werkvertrages, nicht zu denen des Kaufvertrags. M.E. soll man auch für diese Problematik einen funktionalen Gesichtspunkt in Erwägung ziehen. Mit Rücksicht auf das Interesse beider Vertragsparteien liegt der Kernpunkt nicht in den hinzutretenden Pflichten oder dem Vertragstypus, sondern vielmehr in der Ausbalancierung ihrer Interessen. Aus Sicht des Verkäufers beeinträchtigen ihn die über die ursprünglichen Pflichten hinausgehenden sowie die vertragstypfremden Pflichten im Rahmen der Nachlieferung nicht übermäßig, weil er auf dem Markt eine entsprechende Leistung fast jederzeit besorgen kann. Vielmehr ist dem Verkäufer wichtig, wieweit er Nachteile sowie Kosten für die Vornahme des Aus- sowie Wiedereinbaus hinzunehmen hat. Somit stellt sich die Frage, ob auch ein Rechtsinstitut auf Seiten des Verkäufers auch für dessen hinreichenden Schutz des Interesses vorhanden ist. In § 439 Abs. 3 wird ein Nacherfüllungsverweigerungsrecht des Verkäufers aufgrund von Unverhältnismäßigkeit normiert, um dessen schutzwürdiges Interesse zu wahren. Die Ausbalancierung der Interessen beider Parteien richtet sich folgerichtig danach, ob dieses Verweigerungsrecht mit dem Schutzinteresse des Käufers in angemessenem Gleichgewicht steht. In seinem Urteil hat der BGH auf den der Nachlieferung innewohnenden Austauschcharakter zurückgegriffen, um die Ausbau- sowie Abtransportpflicht des Verkäufers zu begründen. 201 Aber dieser Argumentation kann m.E. nicht gefolgt werden: Im Urteil des EuGH wurde bereits der Umfang der Ersatzlieferung in mehreren Sprachfassungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ermittelt und dabei stellte sich heraus, dass im Rahmen der Ersatzlieferung das vertragswidrige Verbrauchsgut durch das ersatzweise gelieferte Gut ausgetauscht werden soll.202 Aber m.E. ist hervorzuheben, dass im Urteil des EuGH das Ziel der Ersatzlieferung als etwaiger Erfolg bzw. etwaiges Ergebnis determiniert wird. 203 Dieser Erfolg stellt 200
Greiner, ZGS 2010, S. 356; so auch Jaensch, NJW 2012, S. 1026. BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 26. 202 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 54. 203 „[…] bei dessen Abschluss das vertragswidrige Verbrauchsgut tatsächlich „ersetzt“ worden sein muss, und damit der Verkäufer verpflichtet ist, alles zu unternehmen, was notwendig ist, um dieses Ergebnis zu erreichen, […]“ (Hervorhebung durch den 201
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
einen vertragsgemäßen Zustand des Verbrauchsgutes gem. Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dar, den die Nachlieferung sowie Nachbesserung anvisieren. Damit dieser Zustand hergestellt werden kann, muss der Pflichtenkatalog des Verkäufers in Bezug auf die Nachlieferung auf den Aus- sowie Wiedereinbau hin ausgeweitert werden. In diesem Sinne ist die Betonung des Austauschs der Nachlieferung eher als ein Weg zur Erreichung dieses Ergebnisses anzusehen. Allein daraus ergeben sich jedoch nicht die Pflichten des Verkäufers zum Aus- sowie Wiedereinbau. Meiner Ansicht nach verschleiert die unmittelbare Herleitung der Ausbau- sowie Wiedereinbaupflicht aus dem Austauschelement der Nachlieferung einen wichtigen Punkt: Auf diese Weise kann man das Kennzeichen der Nachlieferung als Rechtsbehelf mittelbar ausblenden, weil die Ausund Wiedereinbaupflicht im Rahmen der Nachlieferung nur auf den Sinn des Begriffs „Ersatzlieferung“ zurückgehen kann. Aber nach der hier vertretenen Ansicht kann die Nacherfüllungspflicht von dem ursprünglichen Pflichtenprogramm des Kaufvertrages jederzeit abgekoppelt werden, wenn damit die tatsächliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands, die richtigerweise als Sinn und Zweck der Nacherfüllung angeführt wird, nachträglich erreicht werden kann. Da die Nacherfüllung im Stadium der Rechtsbehelfe und nicht im Stadium des ursprünglichen Kaufvertrages verortet ist, kann die Abweichung vom ursprünglichen Pflichtenkatalog durch die Charakterisierung als Rechtsbehelf gerechtfertigt werden. C. Umfang der Nachbesserung I. Wahl der Nachbesserungsmethode Für die Nachbesserung kommen verschiedene Methoden in Betracht, die im Ermessen des Verkäufers liegen, während das Wahlrecht zwischen Nachlieferung und Nachbesserung nach dem klaren Wortlaut des § 439 Abs. 1 dem Käufer zufällt.204 Das Problem des ius variandi spielt bei der Wahl der Nachbesserungsmöglichkeit damit keine Rolle: Der Verkäufer kann im Rahmen der Nachbesserung frei das Mittel zum Zweck wählen, soweit es den vertraglich geschuldeten Erfolg sicherstellt. Nach meiner Auffassung ist die Bedeutung der Wahl der Nachbesserungsmaßnahme auch anders gewichtet als die Wahl der Rechtsbehelfe: Welche Nachbesserungsmaßnahme der Verkäufer durchführt, wird den Käufer regelmäßig wenig interessieren, da er durch den NachbesserungsVerfasser): EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 54.; ebenso BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 28. 204 Insofern darf § 439 Abs. 1 nicht analog angewendet werden: Staudinger/ Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 10; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 26.
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anspruch, anders als bei der Nachlieferung, ohnehin keine neue, sondern nur eine reparierte Sache erhält. Der Unterschied zwischen den Nachbesserungsformen ist für den Käufer nicht so entscheidend wie der Unterschied zwischen dem Erhalt einer neuen und einer reparierten Sache.205 Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthält keine entsprechenden Vorgaben, trotzdem kann der Käufer sich vor einer unbilligen Entscheidung durch den Verkäufer schützen: Gem. § 440 S. 1 Alt. 3 kann er bei einer unzumutbaren Form der Nachbesserung ohne Nachfrist zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen.206 II. Reichweite der Nachbesserungspflicht Der Umfang des Nachbesserungsanspruchs ist in gleichem Maße problematisch wie beim Nachlieferungsanspruch. Da im Falle der Nachbesserung der Käufer nur die Behebung der Mängel verlangt und daher die bereits gelieferte Ware behält, stellt sich die Frage, ob Schäden, die aufgrund des ursprünglichen Mangels entstanden sind, sich aber inzwischen verschlimmert haben, ebenfalls vom Verkäufer beseitigt werden müssen. Wird der Umfang des Nachbesserungsanspruchs zu gering bemessen, müsste der Käufer eine tatsächliche Beeinträchtigung durch die Verwendung der bereits von ihm verarbeiteten Ware hinnehmen. Wenn im Gegensatz dazu die Nachbesserung zu umfangreich bemessen wird, muss der Verkäufer entsprechend hohe Kosten tragen, da diese gem. § 439 Abs. 2 nicht auf den Käufer abgewälzt werden dürfen.207 Den Ausgangspunkt dieser Problematik verdeutlicht Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Nach dieser Vorschrift muss der Verkäufer durch die Nacherfüllung den vertragsgemäßen Zustand herstellen – es reicht nicht aus, nur den ursprünglichen Mangel zu beseitigen. 208 Nur durch die (Wieder-)Herstellung des vertragsgemäßen Zustands kann das Interesse des Käufers gewahrt werden. Durch die schlichte Beseitigung des ursprünglichen Mangels unter Außerachtlassung der damit zusammenhängenden Schäden verlöre die Nachbesserung für den Käufer an Bedeutung.209 205 Nach a.A. sollte die Wahl der Nacherfüllungsmodalitäten dem Verkäufer überlassen sein, weil er der sachnähere Vertragsteil ist: Huber, NJW 2002, S. 1006. 206 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 10; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 26. 207 In diesem Fall ist das Verweigerungsrecht des Verkäufers gem. § 439 Abs. 3 die einzige Abwendungsmöglichkeit. 208 Wegen des deutlichen Wortlauts der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist in diesem Zusammenhang eine richtlinienkonforme Auslegung erforderlich: Staudinger/MatuscheBeckmann, § 439 BGB, Rn. 16. Die Nachbesserung muss ohne jede Einschränkung zu einem vertragsgemäßen Zustand der Sache führen: Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 9. 209 Zutreffend Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 15.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Was die weitere Verschlechterung des vorliegenden Mangels betrifft, ist die Mangelidentität von Bedeutung. Bei Mangelidentität gilt der zu beseitigende Mangel nicht als neuer Mangel, sondern als ursprünglicher Mangel – lediglich in verschlimmerter Form.210 Da die Ware durch die Nachbesserung in den vertragsmäßigen Zustand versetzt werden soll, ist dieser Mangel zu beseitigen, auch wenn er in der verschlimmerten und nicht in der ursprünglichen Form vorliegt. Dies stützt sich zudem auf den Wortlaut des § 439 Abs. 1, demzufolge der Verkäufer „den Mangel” beseitigen muss. „Der Mangel”, den § 439 Abs. 1 meint, ist derjenige, der mit dem ursprünglichen Mangel identisch ist, gleich ob er schlimmer geworden ist oder nicht.211 Darüber hinaus muss Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in diesem Zusammenhang Berücksichtigung finden. Diese Vorschrift besagt, dass das Risiko der nachträglichen Verschlechterung der Ware vom Verkäufer zu tragen ist. Im Vergleich zur Nachlieferung erscheint dieses Ergebnis plausibler: Falls der Mangel im Fall der Nachlieferung verschlimmert worden wäre, muss der Verkäufer dem Käufer ebenfalls eine mangelfreie Ersatzware verschaffen. Gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 wird ihm dabei jedoch kein Wertersatzanspruch eingeräumt.212 Unabhängig von der Wahl der Nacherfüllungsart durch den Käufer soll derselbe Erfolg erreicht werden. Dieser umfasst die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufware.213 Problematisch ist die Abgrenzung von Mangelidentität und “weiterfressendem Mangel“, da letzterer nicht mit dem ursprünglichen Mangel identisch ist und damit nicht § 439 Abs. 1 unterfällt. Im diesen Sinne liegt ein “weiterfressender Mangel“ vor, wenn mangelhafte Teile der Kaufsache andere, mangelfreie Teile der Ware erfassen und beschädigen.214 Trotzdem soll in diesem Fall der Gedanke des Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beachtet werden. Um die Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands als oberstes Ziel der Nacherfüllung zu erreichen, soll der Verkäufer auch verpflichtet sein, “weiterfressende Mängel“ im Rahmen der Nachbesserung zu beheben.215 210
Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 11. In diesem Sinne Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 15; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 9. 211 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 13. 212 So auch Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 15. 213 Dies wird auch im jüngsten Urteil des EuGH betont: EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 51 (demnach soll unabhängig von den beiden Arten der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands dasselbe Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden). 214 NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 31; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 15. 215 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 15; NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 31; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 9; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2062; a.A. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 14 f.
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Vom „weiterfressenden Mangel“ abzugrenzen sind diejenigen Schäden, die infolge des ursprünglichen Mangels an anderen Sachen des Käufers entstanden sind, die sog. Mangelfolgeschäden. 216 Bei der Nacherfüllung geht es in erster Linie darum, die Kaufsache in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen. Sie zielt hingegen nicht auf die Änderung des Zustandes des übrigen Käufervermögens. 217 Da die Nacherfüllung mithin nicht Schäden an anderen Sachen umfasst, können sie nur mit Hilfe eines Schadensersatzanspruches ersetzt werden, der gem. § 280 vom Verschulden des Verkäufers abhängt.218 Wenn die Montageanleitung fehlerhaft war und infolgedessen der Käufer die Ware falsch montierte, gilt sie gem. § 434 Abs. 2 ebenfalls als mangelhaft. Die Mangelhaftigkeit der Ware ist in diesem Fall praktisch mit dem “weiterfressenden Mangel“ an der Kaufsache vergleichbar: 219 Wenn die Kaufsache bereits montiert und ggf. im Haus des Käufers fest installiert wurde, ist es für den gerechten Schutz des Käuferinteresses nicht ausreichend, nur eine sachgerechte Montageanleitung nachzuliefern. Da der Verkäufer durch die Nachbesserung einen vertragsgemäßen Zustand schaffen soll, ist er zudem verpflichtet, die schon vom Käufer falsch zusammengesetzte Ware fachgerecht abzubauen oder auseinanderzunehmen, damit der Käufer sie nach der neuen Montageanleitung wieder aufbauen kann. 220 Nach der Gegenansicht ist eine derart ausgedehnte Nachbesserungspflicht abzulehnen, weil das Äquivalenzverhältnis durch diese erneute Montageverpflichtung nachträglich abgeändert werde. Der Käufer müsse bei einem solchen Kaufvertrag wegen des üblicherweise günstigeren Preises den Aufwand und damit auch die möglichen Schäden der Montage in Kauf nehmen.221 Da in den meisten Fällen die Fehlerhaftigkeit der Montageanleitung aus der Sphäre des Herstellers, nicht aus der des Verkäufers stammt,222 hat dies zur Folge, dass der Käufer trotz mangelhafter Montageanleitung vom Verkäufer mangels Verschuldens regelmäßig keinen Schadensersatz wird verlangen können. D.h. in diesem Fall kann der Käufer nur durch eine ent-
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Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 20. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 20; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 17. 218 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 17; NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 31. 219 Staudinger/Matusche-Beckmann, Neubearbeit. 2004, § 439 BGB, Rn. 17. 220 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 18; Erman/Grunewald, 12. Aufl. 2008, § 439 BGB, Rn. 2 (demnach kann das Auseinanderbauen der bereits montierten Kaufware im Gegensatz zur Nachlieferung im Fall der Nachbesserung bejaht werden); Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 8 (jedoch mit Berufung auf den Schadensersatz). 221 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 427, 428. 222 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 8. 217
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sprechend umfangreich bemessene Nachbesserungspflicht solche Schäden ersetzt bekommen. M.E. erfasst die Nachbesserungspflicht im Falle der fehlerhaften Montageanleitung daher nicht nur die Demontage durch den Verkäufer, sondern auch den richtigen Wiedereinbau der Ware, sodass der Käufer sofort von der nachgebesserten Sache Gebrauch machen kann. Nur eine Nachbesserung solchen Umfangs entspricht den Vorgaben aus Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Diese Ansicht bekräftigen die jüngsten Urteile des EuGH und des BGH über die Aus- und Wiedereinbaupflicht des Verkäufers im Rahmen der Nachlieferung.223 Im Falle einer durch eine fehlerhafte Montageanleitung erforderlich gewordenen Nachbesserung ist die Interessenlage des Käufers nicht anders als im Fall der Nachlieferung, die sich auf die für den Einbau bestimmte Kaufware richtet. Nach dem Tenor des EuGH verpflichtet sich der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung zum Ausbau des bereits eingebauten Verbrauchsguts sowie zum Wiedereinbau der ersatzweise gelieferten mangelfreien Sache. Als Voraussetzung dieser Pflichten wird angeführt, dass das vertragswidrige Verbrauchsgut vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher im Vertrauen auf die Mangelfreiheit entsprechend seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde.224 Wenn nach der Montageanleitung die Kaufware für einen etwaigen festen Einbau vorgesehen ist und infolge der Mangelhaftigkeit der Montageanleitung der Käufer die Kaufware nicht sachgerecht einbaut, besteht das einzige Interesse des Käufers darin, dass die sachgerecht eingebaute Kaufware ihm letztendlich zur Verfügung steht. M.E. besteht die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands gem. Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie darin, dass im Rahmen der Nacherfüllung ein Ergebnis erreicht wird, das der Erwartung des Käufers entspricht. Daher soll der Verkäufer auch im Rahmen der Nachbesserung alles dafür Erforderliche schulden.225 Die eben erwähnten Problemfelder haben eine Veränderung der Kaufsache zum Gegenstand, die aufgrund des ursprünglichen Mangels oder durch ein Tun des Käufers eingetreten ist. Nach einer Ansicht ist der durch die Nacherfüllung herzustellende Zustand derjenige, in dem die Kaufsache sich im Zeitpunkt der Nacherfüllung befunden hätte, wenn sie mangelfrei gewesen wäre. Deswegen sei es nicht ausreichend, die Kaufsache lediglich in den Zustand zu versetzen, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Vertrags223 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988; BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. 224 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (erster Leitsatz). 225 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 54. Vgl. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 42 (nach Ansicht der Kommission findet sich eine Parallele zwischen beiden Arten der Nacherfüllung in Bezug auf die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands).
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schlusses hätte befinden sollen.226 Nach der Gegenansicht kann dem Wortlaut, dem Sinn des Gesetzes sowie der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dieser Inhalt nicht entnommen werden. Vielmehr besagten diese, dass der Verkäufer durch die Nacherfüllung den vertragsgemäßen Zustand herstellen solle – jedoch nicht mehr.227 Dieser Streit wird vor allem bei einer durch den Käufer vorgenommenen Veränderung der Kaufsache relevant: Nach letztgenannter Ansicht steht die vom Käufer vorgenommene Veränderung außerhalb des Bereiches der Nachbesserung, weswegen daraus resultierende Schäden nur mit Hilfe des Schadensersatzes beseitigt werden können. Die Nacherfüllung ziele nur darauf ab, dem Käufer eine vertragsgemäße Sache zu bescheren, während alles Darüberhinausgehende Gegenstand des Schadensersatzes sei, der ein Verschulden des Verkäufers als Zurechnungsgrund voraussetze. Die Unberechenbarkeit hinsichtlich der nach Belieben des Käufers vorgenommenen Veränderung ist ein wichtiges Argument dieser Ansicht. Im Gegensatz dazu soll der Käufer nach der ersten Auffassung durch die Nacherfüllung in die Lage versetzt werden, mit der Kaufsache so zu verfahren, als wäre diese mangelfrei gewesen. 228 Daher sind nach dieser Meinung auch diejenigen Veränderungen durch die Nacherfüllung wiederherzustellen, die der Käufer bereits an der Kaufsache vorgenommen hat. M.E. sollte die Nacherfüllung wie nach der ersten Ansicht zukunftsbezogen verstanden werden. Aber nach der Gegenansicht ist die Zukunftsbezogenheit der Nacherfüllung inakzeptabel. 229 Nach dieser Gegenansicht wird in § 439 Abs. 1 S. 1 klargestellt, dass die Nacherfüllung auf die Lieferung einer neuen Sache sowie die Beseitigung des Mangels beschränkt ist. Eine ausgedehnte Beseitigungspflicht als Nacherfüllung wird abgelehnt, weil der Nacherfüllungsanspruch nichts anderes als ein modifizierter Erfüllungsanspruch sei.230 Diese Gegenmeinung überzeugt m.E. nicht: Der Sinn des Nacherfüllungsanspruchs besteht nicht nur in einer festen Verbindung mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Als selbständiger Rechtsbehelf dient er vielmehr der Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes und folglich dem gerechten Schutz des Käuferinteresses. Legt man den 226
Vor allem Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 19 f. Vor allem tradierte Rechtsprechung des BGH: BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff., Rn. 18; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 21; AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 27. 228 jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 59 (jedoch im Zusammenhang mit der Nachlieferung); ebenso EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 60. 229 Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2062. 230 So auch AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 27; nach der differenzierten Ansicht kann der Aufwand, den der Käufer an dem Kaufgegenstand bereits eingesetzt hat, nur unter den Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 280 ff. erstattet werden (NK/Büdenbender, 2. Aufl. 2012, § 439 BGB, Rn. 31). 227
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Nacherfüllungsanspruch mit der Gegenmeinung aus, wird das Käuferinteresse nicht hinreichend beachtet. Darüber hinaus geht der BGH in seinem jüngsten Urteil davon aus, dass aufgrund dieser Modifikation dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung über die ursprünglich vorgesehenen Pflichten hinausgehende Pflichten auferlegt werden können.231 Diesbezüglich steht die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie als Leitmotiv des § 439 Abs. 1 im Vordergrund. Durch den Vollzug der Nacherfüllung soll der Käufer in den Zustand versetzt werden, der ihm die Verwendung der Kaufsache gemäß dem von ihm verfolgten Zweck in der Zukunft ermöglicht. M.E. entspricht diese Auslegung den Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die die Herstellung des „vertragsgemäßen“ Zustandes vorschreibt. Dabei bleibt die Natur des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf erhalten. Die bloße Mängelbeseitigung, die sich nur auf den Soll-Zustand der Kaufsache bei Gefahrenübergang richtet, deckt das Interesse des Käufers nicht ab. Die Nacherfüllung verlöre als Rechtsbehelf an Bedeutung, wenn dem Käufer gewisse Nachteile verblieben. Deswegen sollte der Umfang der Nacherfüllung großzügig bemessen werden, sodass nur untypischerweise eingetretene Veränderungen als Gegenstand der Nacherfüllung ausscheiden.232 In diesem Zusammenhang kommen als Abgrenzungskriterien die drei Voraussetzungen in Betracht, die der EuGH im Zusammenhang mit der Aus- und Wiedereinbaupflicht im Rahmen der Ersatzlieferung genannt hat:233 Demnach muss diese Veränderung vor Auftreten des Mangels vom Käufer im Vertrauen auf die Mangelfreiheit vorgenommen worden sein. Darüber hinaus muss diese Veränderung im Einklang mit Art und Verwendungszweck der Kaufware erfolgt sein. D. Erfüllungsort des Nacherfüllungsanspruchs § 439 regelt nicht ausdrücklich, an welchem Ort der Verkäufer die Nacherfüllung durchführen soll. In der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie findet sich
231 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 6; Ebenso In diesem Sinne, jedoch mit anderer Begründung: EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 59. 232 Nach der Ansicht, die sich für die Begrenzung der Nacherfüllung in Bezug auf die vom Käufer vorgenommenen Veränderungen ausspricht, umfasst die Nachbesserung auch weitere Arbeiten, die typischerweise zur Fehlerbeseitigung an der Kaufsache erforderlich sind, wie z.B. die Entfernung für die bestimmungsgemäß eingebaute Kaufsache im Rahmen der Nachbesserung (Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 22). Aber m.E. stellt diese Nachbesserungsarbeit nur die Arbeit dar, die im Sinne des § 439 Abs. 2 ohnehin erforderlich ist. Sie dient nur dem Erfolg der Nachbesserung und ist damit ohnehin unvermeidbar. 233 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (erster Leitsatz).
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keine Angabe über den Erfüllungsort der Nacherfüllung. 234 Daher stellt dies ein im Schrifttum sehr umstrittenes Thema dar. Nach der vorherrschenden Ansicht soll die Nacherfüllung an dem Ort bewirkt werden, an dem sich die mangelhafte Kaufware zu diesem Zeitpunkt bestimmungsgemäß befindet, nämlich am aktuellen Belegenheitsort.235 Zunächst spricht für diese Ansicht, dass dem in § 439 Abs. 1 verwendeten Begriff „Lieferung“ entnommen werden kann, dass die Nacherfüllung stets eine Bringschuld darstellt.236 Zudem stützt sich diese Ansicht auf das Argument, dass § 439 Abs. 2 explizit Transportkosten als die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen nennt. Da der Umfang der Nacherfüllungspflichten des Verkäufers gem. § 439 Abs. 1 mit der Reichweite der Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2 übereinstimmen soll, ist der Verkäufer auch zum Transport verpflichtet. Daher sei der Erfüllungsort der Nacherfüllung ein aktueller Belegenheitsort der Kaufware.237 Ein weiteres Argument für diese Ansicht findet sich in Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Demnach soll die Nacherfüllung unentgeltlich und zugleich ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher vorgenommen werden. Wenn der Nacherfüllungsort nicht dem aktuellen Belegenheitsort entspräche, müsste der Käufer selbst den Transport zum Nacherfüllungsort organisieren. Wenn diese Selbstorganisation der Beförderung für die Nacherfüllung dem Käufer Schwierigkeiten sowie Zeitaufwand bereitet, steht eine derartige Nacherfüllung der Vorgabe des Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie deutlich entgegen. 238 Die Übernahme der Transportkosten allein ist also nicht hinreichend, da sie die vom Verkäufer eingesetzte Zeit und Mühe für den Transport der Ware nicht berücksichtigt.239
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jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 38. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 9; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 7; NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 29; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 13a; Erman/Grunewald, 12. Aufl. 2008, § 439 BGB, Rn. 5; jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 41; Huber, NJW 2002, S. 1006; Terrahe, VersR 2004, S. 681; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2018; Witt, ZGS 2008, S. 370; OLG München, 12.10.2005, NJW 2006, S. 449 ff.; AG Menden, 3.3.2004, NJW 2004, S. 2171 ff. Vgl. im Zusammenhang mit dem Werkvertrag, jedoch mit deutlicher Bezugnahme auf das Kaufrecht, das Urteil des BGH, in dem er ausführt, dass als Erfüllungsort der Gewährleistung der Ort anzusehen ist, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Gewährleistung bestimmungsgemäß befindet (BGH, 8.1.2008, NJW-RR 2008, S. 724 ff., Rn. 13). 236 Vor allem Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 9. 237 AG Menden, 3.3.2004, NJW 2004, S. 2171 f. 238 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 13a; in diesem Sinne Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 6. 239 Erman/Grunewald, 12. Aufl. 2008, § 439 BGB, Rn. 5; so auch BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 42. 235
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, dass der Erfüllungsort der Nacherfüllung der ursprüngliche Erfüllungsort sei.240 Diese Ansicht basiert dogmatisch auf der Prämisse, dass der Nacherfüllungsanspruch eine Fortsetzung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs sei, weswegen die Bestimmungen über den Leistungsort des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs auch für den Nacherfüllungsanspruch gelten sollen. Dieser Lösungsansatz entspreche auch den Interessen der Parteien und habe den Vorteil, dass der Erfüllungsort der Nacherfüllung für beide Parteien vorhersehbar sei. Für den Verkäufer sei es dadurch einfacher, eventuell anfallende Kosten der Nacherfüllung einschließlich der Transportkosten im Voraus einzuschätzen und über sein Verweigerungsrecht gem. § 439 Abs. 3 zu entscheiden.241 Ein weiteres Argument zieht die Gegenansicht aus § 439 Abs. 2: Wenn die Nacherfüllung stets am Belegenheitsort der Kaufware erfolge, entstünden dem Käufer eigentlich keine Kosten für den Transport. Hingegen sehe § 439 Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Verkäufer diese Transportkosten tragen müsse. Wenn man der überwiegenden Meinung im Schrifttum folgt, wäre § 439 Abs. 2 als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Transportkosten überflüssig.242 In seinem Urteil hat der BGH beide im Schrifttum vertretenen Ansätze abgelehnt.243 Vielmehr ist der BGH davon ausgegangen, dass im Kaufrecht keine eigenständige Regelung vorliegt, die den Erfüllungsort der Nacherfüllung festlegt. Daher kommt nur eine allgemeine Bestimmung für den Leistungsort, nämlich § 269 Abs. 1, in Betracht.244 Demnach sind zunächst die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen über die Nacherfüllung maßgeblich. Wenn es an dieser Vereinbarung fehlt, werden die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur der Schuldverhältnisse berücksichtigt. Können den Umständen des Einzelfalles keine abschließenden Erkenntnisse entnommen werden, wird als Nacherfüllungsort derjenige Ort betrachtet, an dem der Schuldner der Nacherfüllung, nämlich der Verkäufer, seinen Wohnsitz oder gem. § 269 Abs. 2 seine gewerbliche Niederlassung hat.245 240 Skamel, ZGS 2006, 227 ff.; Lorenz, NJW 2009, S. 1635; Unberath/Cziupka, JZ 2008, S. 867 ff.; Muthorst, ZGS 2007, S. 370 ff.; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 442 ff.; Reinking, NJW 2008, S. 3608 ff.; OLG München, 20.6.2007, NJW 2007, S. 3214 f. 241 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 444. 242 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 443; Reinking, NJW 2008, S. 3609. Hingegen kritisch gegenüber der Trennung von Leistungs- und Kostentragungspflicht im Rahmen der Nacherfüllung: Hellwege, AcP 2006, S. 153 ff.; Faust, JuS 2008, S. 85; in diesem Sinne ebenso Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 13a. 243 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 22 ff. 244 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 29. Im Zusammenhang mit dem Werkvertragsrecht, jedoch aus dem gleichen Ansatzpunkt: BGH, 8.1.2008, NJW-RR 2008, S. 724 ff., Rn. 11. 245 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 29.
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Mit Rücksicht auf § 269 Abs. 1 wird jedoch durch Einbeziehung des Abwägungselements der sämtlichen Umstände die Beurteilung des Nacherfüllungsorts stark einzelfallabhängig.246 Demnach wird der Sitz des Verkäufers bei Geschäften des täglichen Lebens als Nacherfüllungsort bestimmt, denn nach der Verkehrsanschauung ist es der Regelfall, dass der Käufer dem Verkäufer die mangelhafte Ware vorlegt und Nacherfüllung verlangt.247 Dasselbe gilt bei einem solchen Kauf, in dem für die Nachbesserungsarbeit technisch aufwändige Diagnose- oder Reparaturarbeiten des Verkäufers erforderlich sind. Demgegenüber liegt der Nacherfüllungsort am Belegenheitsort, wenn der Käufer die Ware bereits bestimmungsgemäß eingebaut hat oder ein Rücktransport der mangelhaften Ware aus anderen Gründen erschwert wurde.248 Die Unentgeltlichkeit im Rahmen der Nacherfüllung gem. Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird im Zusammenhang mit der Feststellung des Nacherfüllungsorts ebenfalls berücksichtigt: Wenn der Käufer infolge der Bestimmung des Nacherfüllungsortes die Kaufsache zum Verkäufer transportieren muss, kann er wegen des Unentgeltlichkeitsgebots in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Kostenerstattung gem. § 439 Abs. 2 verlangen. Darüber hinaus wird ihm ein Anspruch auf Vorschuss eingeräumt, weil die Unentgeltlichkeit nach Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ein hohes Schutzniveau für den Verbraucher zum Ziel hat.249 Nach Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie soll die Nacherfüllung nicht nur unentgeltlich, sondern auch ohne erhebliche Unannehmlichkeiten durchgeführt werden. Nach der Ansicht des BGH kann die Problematik über die Vermeidung der erheblichen Unannehmlichkeiten durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 269 Abs. 1 gelöst werden.250 Denn eine gewisse Zeit und Mühe, die der Käufer für den Transport zum Sitz des Verkäufers aufwenden muss, stellt nicht zugleich eine erhebliche Unannehmlichkeit dar.251 Vielmehr kann im Rahmen der Auslegung des § 269 Abs. 1 hinreichend berücksichtigt werden, ob die im Einzelfall mit dem Transport ver246 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 13; ebenso Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 6. 247 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 33. 248 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 34. 249 Der Sinn der Unentgeltlichkeit in Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wurde bereits im Urteil des EuGH erläutert. Demnach soll die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts „den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten können, seine Ansprüche geltend zu machen.“ (EuGH , 17.4.2008 - C-404/06, NJW 2008, S. S. 1433 ff., Rn. 34: sog. Quelle-Fall). Da mit dieser Auslegung der BGH verbunden war, wurde dies in seinem Urteil daher wiedergegeben (BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 37). 250 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 47. 251 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 42.
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bundenen Aufwendungen des Käufers erhebliche Unannehmlichkeiten gem. Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie darstellen.252 Bei der Frage nach der Bestimmung des Nacherfüllungsorts spielt Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ebenso eine große Rolle, weil in § 439 Abs. 1 keine Regelung über den Nacherfüllungsort ersichtlich ist. Entgegen einer Meinung im Schrifttum253 kann dem Wortlaut des § 439 Abs. 2 allein nichts Eindeutiges entnommen werden, weil die Vorschrift nur etwas über die Kostentragung der Nacherfüllung aussagt, nicht hingegen wo sie erfolgen soll. Aus diesem Grund ist der Nacherfüllungsort unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu ermitteln, weil ohnehin die Nacherfüllung in § 439 als eine Umsetzung dieser Vorschrift anzusehen ist. Wenn man dem Ansatz des BGH folgt, dass der Käufer vom Verkäufer unter Berufung auf § 439 Abs. 2 die entstehenden Transportkosten verlangen kann und dabei der Verkäufer in Vorleistung treten muss, ist dieses Ergebnis mit dem Erfordernis der Unentgeltlichkeit nach Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durchaus vereinbar. 254 Problematisch dagegen ist m.E. das Gebot der Vermeidung der erheblichen Unannehmlichkeiten gem. Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Denn inwieweit die Unannehmlichkeiten dem Käufer zugemutet werden können, ist eine Frage des Einzelfalls. Wie der BGH in seinem Urteil angeführt hat, enthält der Begriff der „erheblichen Unannehmlichkeiten“ gewisse Wertungsspielräume,255 daher kann die Richtlinienkonformität im Sinne der Vermeidung der erheblichen Unannehmlichkeiten dadurch erreicht werden, dass alle mit den Unannehmlichkeiten des Käufers verbundenen Umstände des Einzelfalls im Rahmen des § 269 Abs. 1 berücksichtigt werden. Aber m.E. stellt der Lösungsansatz des BGH das hohe Verbraucherschutzniveau, das von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bezweckt wird,256 durchaus in Frage. Wenn es sich bei der Bestimmung des Nacherfüllungs252
BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 45. Obwohl nach dieser Ansicht § 439 Abs. 2 als Grundlage für die Festlegung des Nacherfüllungsortes angenommen wird, gelangt man zu gegenläufigem Ergebnis: für den aktuellen Belegenheitsort AG Menden, 3.3.2004, NJW 2004, S. 2171 f., hingegen für den ursprünglichen Erfüllungsort Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 443; Reinking, NJW 2008, S. 3609. 254 Dies wurde im jüngsten Urteil des EuGH betont (EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C87/09, BeckRS 2011, S. 80988: erster Leitsatz): demnach kann dadurch die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung erreicht werden, dass der Verkäufer auf eigene Kosten die Nacherfüllung durchführt oder er die entstehenden Kosten der Nacherfüllung trägt, vgl. Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 13a, 19a. 255 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 38. 256 So explizit Erwägungsgrund 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 253
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ortes um eine Einzelfallfrage handelt, bestehen für den Käufer erhebliche Rechtsunsicherheiten: Wenn er den Nacherfüllungsort falsch einschätzt und so vom Verkäufer die Nacherfüllung am unrichtigen Ort verlangt, stehen dem Käufer trotz gesetzter Nachfrist keine Sekundärrechte zu.257 Und wenn der Käufer zur Sicherheit die Ware zum Wohnsitz des Verkäufers transportiert hat, sich jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände im Sinne des § 269 Abs. 1 der Nacherfüllungsort als Belegenheitsort der Kaufsache herausstellt, soll der Käufer die mit der Selbstbeförderung verbundenen Kosten hinnehmen, weil diese Vornahme des Käufers als Selbstvornahme betrachtet werden muss.258 Nach der tradierten Rechtsprechung des BGH wird dem Käufer im Fall der Selbstvornahme kein Ersatzanspruch auf die dafür aufgewandten Kosten zugestanden.259 Verbraucher als Sachunkundige laufen häufig Gefahr, den richtigen Nacherfüllungsort zu verkennen. Andererseits liefern die vom BGH aufgeführten Fälle260 keine ausreichende Basis dafür, dass der Verbraucher unter veränderten Umständen stets eine richtige Bestimmung des Nacherfüllungsortes trifft.261 257 Der Sachverhalt des in Rede stehenden Urteils des BGH ist folgender (BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff.): Der in Frankreich ansässige Käufer verlangte von dem in Deutschland wohnhaften Verkäufer die Nachbesserung, jedoch forderte der Käufer im Rahmen der Nachbesserung, dass der mangelhafte Camping-Anhänger vom Verkäufer abgeholt, zum Sitz des Verkäufer transportiert und dort repariert werden sollte. Nach dem erfolglosen Ablauf der für derartige Nachbesserung gesetzten Frist erklärte der Verkäufer den Rücktritt. Trotzdem urteilte der BGH dahingehend, dass dieser vom Käufer erklärte Rücktritt ungültig ist, weil der Nacherfüllungsort, anders als vom Käufer behauptet, der Wohnort des Verkäufers sei; eingehend zum Sachverhalt: Faust, JuS 2011, S. 748 ff. 258 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 13a. 259 BGH, 23. 2. 2005, NJW 2005, S. 1348 ff. 260 Der BGH hat in seinem Urteil einige Beispiele aufgeführt, in denen als Nacherfüllungsort der Belegenheitsort oder der Sitz des Verkäufers bestimmt wird. Zu den Beispielen des Sitzes des Verkäufers als Nacherfüllungsort zählen z.B. Kauf im Ladengeschäft, Fahrzeugkauf vom Händler (BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 33). Hingegen wird der Nachbesserungsort als Belegenheitsort gesehen, wenn der Käufer die Kaufware dort bestimmungsgemäß auf- oder eingebaut hat (BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 34). 261 Diese Rechtsunsicherheit zeigt sich m.E. bereits im vorgenannten Fall. Obwohl der BGH als Hinweis auf die Bestimmung des Nacherfüllungsorts einige Beispielsfälle anführte, urteilte er in diesem Fall tatsächlich nicht anhand des Charakters des Schuldverhältnisses, wie es den angeführten Beispielsfällen entsprochen hätte. Vielmehr wird in diesem Fall der Firmensitz des Verkäufers als Nacherfüllungsort festgelegt. Entscheidend dafür war die Tatsache, dass der Sitz des Verkäufers vom Wohnsitz des Käufers nicht weit entfernt lag, weswegen der Transport vom Käufer nicht als erhebliche Unannehmlichkeit angesehen werden konnte. Jedoch kann bei diesem Ansatz des BGH der Käufer nicht vorhersehen, unter welchen Umständen die örtliche Entfernung und die daraus folgende Aufwendung für den Transport als erhebliche Unannehmlichkeit angesehen werden. Dies kann nur eine Einzelfallbeurteilung sein. Aus der Sicht des Käufers, vornehm-
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Diese zu Lasten des Käufers gehende Rechtsunsicherheit kann ihrerseits als erhebliche Unannehmlichkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie betrachtet werden.262 In diesem Zusammenhang muss der Tenor des bereits genannten Urteils des EuGH berücksichtigt werden. 263 Dabei führte der EuGH in seinem Urteil über den Sinn und Zweck der Vermeidung der erheblichen Unannehmlichkeiten an, dass eben diese sehr weit auszulegen seien, um einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten.264 Dabei besteht durchaus die Möglichkeit, dass in folgenden Urteilen des EuGH – entgegen den Ausführungen des BGH 265 – die besagte Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Auslegung der erheblichen Unannehmlichkeiten doch noch als richtlinienwidrig betrachtet werden könnte. 266 Obwohl der BGH argumentiert, dass der flexible Lösungsansatz mit Hilfe von § 269 Abs. 1 die Richtlinienkonformität absicherte, kann gerade diese Flexibilität, die auf sämtlichen Umständen des Einzelfalls basiert, dem hohen Verbraucherschutzniveau sowie einem wirksamen Verbraucherschutz zuwiderlaufen. Aus diesem Grund sollte die Nacherfüllung des Verkäufers am Belegenheitsort der Kaufware stattfinden. In diesem Fall muss der Verkäufer jedoch die Versendung der gelieferten Ware an die Niederlassung seiner Werkstatt oder an seinen Wohnsitz verlangen können. Bislang kommt es in der Praxis häufig vor, dass der Verkäufer auf eigene Kosten die Versendung an einen für ihn günstigen Ort verlangt und dort die defekte Ware repariert. Wenn der zusätzliche Aufwand des Käufers für die Versendung keine erheblichen Unannehmlichkeiten darstellt, soll dieser sie nicht verweigern dürfen. 267 Diese Erwägungen ändern jedoch nichts am Belegenheitsort als Erfüllungsort. Durch diesen Lösungsansatz kann m.E. eine ausreichende Rechtsicherheit des Käufers erreicht werden. Denn unabhängig lich des Verbrauchers, erscheint m.E. eine richtige Würdigung sämtlicher einzelnen Umstände in diesem Sinne nicht möglich. 262 Ebenso Jaensch, NJW 2012, S. 1030. 263 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988. 264 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 52 f. 265 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 38 ff. 266 So auch Jaensch, NJW 2012, S. 1030; diesbezüglich auch zweifelnd Purnhagen, EuZW 2011, S. 640; nach a.A. kann das Urteil des EuGH hinsichtlich der Aus- und Einbaupflicht des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung in diesem Zusammenhang nicht eingreifen, weil die Bestimmung des Erfüllungsort keinen Bezug zur Befriedigung des schutzwürdigen Interesses des Käufers aufweise (Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 7). Aber m.E. ist die erste Ansicht verzugswürdig. Der Zeit- und Müheaufwand des Käufers beim Transport der Sache zum Nacherfüllungsort kann direkt Einfluss auf das Interesse des Käufers nehmen. Die isolierte Betrachtungsweise hinsichtlich des Schutzes des Käuferinteresses scheint nicht zwingend. 267 Z.B. Transport mit einem Postversand oder über eine ganz kurze Strecke (Stöber, ZGS 2011, S. 352).
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von der Bewertung aller Umstände des Einzelfalls kann der Käufer stets am Belegenheitsort die Nacherfüllung verlangen und damit eine angemessene Nachfrist für die Nacherfüllung setzen. Auch das Interesse des Verkäufers wird dabei in gleichem Maße berücksichtigt. Denn mit Rücksicht auf die Grenze der Selbstkostentragung sowie der erheblichen Unannehmlichkeiten kann der Verkäufer die Lieferung der Kaufware an einen anderen Ort als seinen Wohnsitz verlangen – z.B. an die Werkstatt des Herstellers, falls er ein reiner Zwischenhändler ist.268
Kapitel 6. Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2 Kapitel 6. Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2
A. Problem der Kostentragung des Verkäufers Im Gegensatz zu den anderen Rechtsbehelfen des Käufers bei Sachmängeln, wie z.B. Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz, bedarf es seitens des Verkäufers für die Nacherfüllung einer Leistung in natura, um den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Anders als bei Rechtsbehelfen, die sich in einer Geldleistung erschöpfen, verursacht die Nacherfüllung dem Verkäufer daher meist hohe Kosten. 269 In diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Kostentragung von großer Bedeutung, denn der Käufer bliebe auf den Nachteilen bzw. Kosten sitzen, wenn der Verkäufer sie nicht in einem ausreichenden Maße tragen müsste oder er vom Käufer überschießende Kosten für die Durchführung der Nacherfüllung verlangen könnte. Dies würde den Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Gewährleistungsrechtsbehelf enorm schwächen. Diesen Punkt hat die Rechtsprechung des EuGH im Zusammenhang mit der Entgeltlichkeit der Nacherfüllung gem. Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nochmals verdeutlicht. Die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung soll den Verbraucher vor drohenden „finanziellen Belastungen“ schützen, die ihn anderenfalls davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen.270 Dies verstärkt den Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf.
268 In diesem Sinne ist die Anführung des Beispiels durch den BGH im Zusammenhang mit dem Autoverkauf vom Händler m.E. nicht sachgerecht, vgl. BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 38 ff. Wenn der Autohändler als reiner Zwischenhändler keine eigene Werkstatt besitzt, ist der Ort, an dem technisch aufwändige Diagnose- oder Reparaturarbeiten durchgeführt werden können, wie der BGH ausgeführt hat, nicht der Betriebsort des Händlers, sondern direkt die Niederlassung oder die Werkstatt des Herstellers. 269 Palandt/Weidenkaff, § 439 BGB, Rn. 9. 270 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 46. Diese Aussage stammt ursprünglich aus dem folgenden Urteil des EuGH: EuGH, 17.4.2008 – C 404/06, ZGS 2008, S. 226 ff., Rn. 33 f. (sog. Quelle-Fall).
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Die Kostentragung des Verkäufers sowie die Unentgeltlichkeit im Rahmen der Nacherfüllung ist ein bedeutsamer Streitpunkt in Literatur und Rechtsprechung.271 Dies verwundert nicht, denn der tatsächliche Schwerpunkt der Interessen der Vertragsparteien liegt nicht nur auf dem Erfolg der Nacherfüllung, sondern auch auf der Frage, inwieweit die dafür erforderlichen Kosten vom Verkäufer zu tragen sind. Das Problem der Kostentragung bezieht sich dabei auf die Frage, in welchem Umfang Nacherfüllung zu leisten ist. Wie oben erwähnt,272 ist die Nacherfüllung für den Käufer kein angemessener Rechtsbehelf, wenn der Umfang der Nacherfüllungspflichten nicht ausreichend ist. Dasselbe gilt im Bereich der Kostentragung: Wenn die Kosten nicht hinreichend auf den Verkäufer abgewälzt werden, verbessert sich die Situation des Käufers trotz erfolgreicher Nacherfüllung in vollem Umfang möglicherweise nicht signifikant. 273 Infolgedessen ist § 439 Abs. 2 bedeutsam, der dem Verkäufer die Übernahme der Kosten im Rahmen der Nacherfüllung auferlegt. Zugleich steht hinter der Kostentragungsregelung des § 439 Abs. 2 eine europarechtliche Vorgabe. Nach Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist die Nacherfüllung unentgeltlich durchzuführen. Die § 439 Abs. 2 entsprechende Vorschrift der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nämlich Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, stellt für das Wort „unentgeltlich” in den Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie klar, dass diese Unentgeltlichkeit die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits-, und Materialkosten umfasst. § 439 Abs. 2 hat diese Vorgabe des Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie fast wörtlich übernommen. 274 Im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung ist die Definition der Unentgeltlichkeit in Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie selbstverständlich für die Auslegung des nationalen Rechts heranzuziehen. In diesem Zusammenhang hat der EuGH in seinem Urteil die Bedeutung des Begriffes „unentgeltlich” in Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bereits präzisiert.275 M.E. geht die Feststellung des Umfangs der Nacherfüllung dem Anwendungsproblem des § 439 Abs. 2 voraus. Wenn der konkrete Umfang der Nacherfüllung durch die Auslegung des § 439 Abs. 1 festgelegt wird, ist der Verkäufer in diesem Ausmaß zur Nacherfüllung verpflichtet. Daher 271 In der alten BGH-Rechtsprechung sowie der EuGH-Vorlage war z.B. die Kostentragung das zentrale Thema: BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff. (sog. ParkettstäbeFall); BGH, 14.1.2009, NJW 2009, S. 1660 ff. (EuGH-Vorlage). 272 Vgl. Teil 3, Kapitel 4, A. 273 So auch jurisPK/Pammler, § 439 BGB, Rn. 48. 274 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 15; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 21; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 32. 275 EuGH, 17.4.2008 – C 404/06, ZGS 2008, S. 226 ff., Rn. 33 f. (sog. Quelle-Fall); vgl. BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 19, 24, 50.
Kapitel 6. Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2
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muss der Verkäufer gem. § 439 Abs. 2 die erforderlichen Kosten für die Durchführung der Nacherfüllung dieses Umfanges tragen, wenn er die Nacherfüllung selbst verrichtet. Dies entspricht auch der wortlautgetreuen Auslegung des § 439 Abs. 2, denn nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 2 muss der Verkäufer die „zum Zweck der Nacherfüllung“ erforderlichen Aufwendungen tragen.276 Diese Auslegung wird durch Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bestätigt, denn nach dieser Vorschrift können dem Verbraucher beim Vorliegen der Vertragswidrigkeit nur solche Ansprüche eingeräumt werden, die die unentgeltliche „Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung“ zum Inhalt haben. Wenn man diesem Ansatz folgt, wird der Schwerpunkt im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht allein auf die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung, sondern vielmehr auf die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch die Nacherfüllung gelegt. D.h. wenn der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands selbst vornimmt, dürfen die dafür benötigten Kosten nicht dem Käufer in Rechnung gestellt werden. Denn das primäre Ziel der Nacherfüllung liegt in dem vom Verkäufer herzustellenden vertragsgemäßen Zustand der Kaufsache, jedoch für den Verbraucher unentgeltlich. In seiner neuen Rechtsprechung hat der EuGH jedoch einen neuen Weg für den Verkäufer eröffnet, nach der die Ersatzlieferung den Ausbau des ursprünglich vertragswidrigen Verbrauchsgutes sowie den Wiedereinbau des ersatzweise gelieferten Verbrauchsgutes umfasst, wenn es vom Verbraucher im Vertrauen auf die Mangelfreiheit bestimmungsgemäß eingebaut wurde.277 Selbstverständlich kann der Verkäufer dabei den Ausbau sowie Wiedereinbau selbst vornehmen. Aber nach dem Tenor des EuGH kann der Verkäufer seine Ersatzlieferungspflicht auch dadurch erfüllen, dass er die für den Ausbau sowie Wiedereinbau erforderlichen Kosten übernimmt.278 Wenn man dem Ansatz des EuGH folgt, ist die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung nach Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vielmehr der Kernpunkt der Nacherfüllung. Demnach ist es nicht von Bedeutung, von welcher der beiden Parteien die Nacherfüllung tatsächlich ausgeführt werden soll. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Verbraucher keine wirtschaftlichen Nachteile verbleiben, die mit der Herstellung des ver276
Vgl. BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff., Rn. 9. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988. 278 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (“[…] der Verkäufer [ist] verpflichtet […], entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind.“: erster Leitsatz, Hervorhebungen durch den Verfasser). 277
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
tragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts zusammenhängen. In diesem Sinne muss der Stellenwert des § 439 Abs. 2 unter dem neuen Gesichtspunkt der Gewährleistung unentgeltlicher Nacherfüllung für den Käufer betrachtet werden. Der hinreichende, richtlinienkonforme Umfang der Nacherfüllung kann dem § 439 Abs. 1 entnommen werden. Hingegen ist § 439 Abs. 2 die einzige Anspruchsgrundlage für die Kostenerstattung des Käufers, wenn dieser nicht die tatsächliche Vornahme der Nacherfüllungsarbeit, sondern die Erstattung der für diese Nacherfüllung anfallenden Kosten verlangt, wie es der EuGH in seinem Urteil zugebilligt hat.279 Hierzu hat der BGH in seinem Urteil bereits Stellung genommen. 280 Demnach besitzt § 439 Abs. 2 Anspruchscharakter, daher kann der Käufer unmittelbar gestützt auf § 439 Abs. 2 die Kostenerstattung – sogar als Vorschuss – verlangen. Dieses Ergebnis wurde nun im jüngsten Urteil des BGH erneut angedeutet.281 Als Konsequenz der Auslegung des § 439 Abs. 2 als eigene Anspruchsgrundlage kann das Problem der Nacherfüllungskosten unabhängig vom Streit über den Umfang der Nacherfüllungspflichten beurteilt werden. D.h. die Kostentragungspflicht des Verkäufers muss nicht zwangsläufig mit seiner Nacherfüllungspflicht gem. § 439 Abs. 1 übereinstimmen. B. § 439 Abs. 2: Anspruchsgrundlage oder bloße Kostenzuweisungsnorm? Umstritten im Schrifttum ist die Frage nach dem Anspruchscharakter des § 439 Abs. 2.282 Dies ist die Frage, ob § 439 Abs. 2 nur eine Kostenzuweisungsnorm darstellt oder darüber hinaus als eine eigene Anspruchsgrundlage zugunsten des Käufers fungiert, die sich auf die im Rahmen der Nacherfüllung anfallende Kostenerstattung richtet. Der BGH hat bereits geurteilt, dass § 439 Abs. 2 auch den Charakter einer Anspruchsgrundlage
279 A.A. BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 27: demnach führt die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 nicht dazu, dass dem Käufer im Rahmen des Nacherfüllungsverlangens ein Wahlrecht dahingehend eingeräumt wird, ob er dem Verkäufer den Aus- und Einbau gestattet oder diese Arbeiten selbst durchführt und den Verkäufer nur auf Kostenerstattung in Anspruch nimmt. 280 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 37. Eigentlich geht es in diesem Urteil um die Bestimmung des Nacherfüllungsorts. In der tradierten Rechtsprechung wurde der Anspruchscharakter des § 439 Abs. 2 stets verneint: BGH, 15.7.2008, NJW 2008, S. 2837 ff., Rn. 9 („Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht, […] unmittelbar aus der Regelung des § 439 Abs. 2 über die vom Verkäufer zu tragenden Kosten der Nacherfüllung“). 281 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 50. 282 Vgl. zum früheren Meinungsstreit bezüglich § 439 Abs. 2: Hellwege, AcP 206 (2006), S. 136 ff.
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aufweist.283 Nach dem Tenor des Urteils des EuGH kann der Verbraucher ohne weiteres den Vollzug der Nacherfüllung in Gestalt der Leistung in natura vom Verkäufer verlangen, aber stattdessen auch den Ersatz der für diese Nacherfüllungsarbeit entstehenden Kosten.284 M.E. verwundert es nicht, dass im Urteil des EuGH der Kostenerstattungsanspruch des Käufers im Rahmen der Nacherfüllung mit dem Anspruch auf die tatsächliche Durchführung der Nacherfüllung gleichgestellt wird. Denn der Käufer kann mit einer Kostenerstattung seiner Aufwendungen für die Nacherfüllungsarbeiten eine gleichwertige Befriedigung seiner Interessen erreichen, wie wenn er direkt die Durchführung der Arbeiten beanspruchen würde. Diese Gleichsetzung von Kostenerstattungsverlangen und Anspruch auf Sachleistung im Rahmen der Nacherfüllung kann dabei als Antwort auf die gesellschaftliche Umwandlung zur Marktwirtschaft betrachtet werden. Selbst wenn der Verkäufer beispielsweise im Rahmen der Ersatzlieferung zum Aus- und Einbau verpflichtet würde, würde er sich in den meisten Fällen ebenfalls fremder Arbeitskraft bedienen, weil in den vielen Fällen, in denen ein Aus- und Einbau zur Diskussion steht, der Verkäufer als einfacher Zwischenhändler nicht über eine eigene Werkstatt oder passende Arbeitskräfte verfügt. Daher liegt das eigentliche Interesse beider Parteien in der Beantwortung der Frage, auf wen bzw. in welcher Weise die Kosten für die Nacherfüllung abzuwälzen sind. M.E. ist die vorherrschende Verwirrung hinsichtlich der Problematik von Aus- und Einbau im Rahmen der Ersatzlieferung auch darauf zurückzuführen, dass im Schrifttum teilweise auf die Unterscheidung zwischen der Ausbau- sowie der Einbaupflicht einerseits und der Erstattung der entsprechenden Kosten im Rahmen der Ersatzlieferung andererseits nicht eindeutig hingewiesen wird.285 Aber unabhängig davon, ob das Interesse des Käufers mit der Kostenerstattung im gleichen Maße befriedigt wird, müssen beide Fragen dogmatisch klar unterschieden werden. Einerseits besteht die Frage, welche Handlungspflicht zum Pflichtenprogramm des Verkäufers bei der Nacherfüllung gehört. Bei dieser Frage geht es um den Umfang der Nacherfüllungspflichten des Verkäufers. Andererseits besteht die Frage, inwiefern der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung Kostenerstattung schuldet. Nach der in Umsetzung des EuGH-Urteils ergangenen BGH-Entscheidung wird erneut darauf hingewiesen, dass der Verbraucher vom Verkäufer die im Rahmen der Nacherfüllung entstehenden Kosten vollständig erstat-
283
BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 37. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (erster Leitsatz). 285 Z.B. Greiner, ZGS 2010, S. 357. 284
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
tet verlangen kann.286 Dieser Anspruch basiert auf § 439 Abs. 2 als rechtlicher Grundlage.287 Denn nach dem Urteil des EuGH wird dem Verkäufer lediglich die Verpflichtung auferlegt, entweder selbst die Nacherfüllung vorzunehmen oder die hierfür anfallenden Kosten zu tragen. Nach der Auffassung des BGH ist jedoch daraus kein Wahlrecht des Käufers abzuleiten. Darüber hinaus kann der Käufer demnach nicht von vornherein vom Verkäufer die für die Nacherfüllungsarbeiten erforderlichen Kosten verlangen.288 Denn nach dem klaren gesetzgeberischen Willen soll die Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 auch als Möglichkeit des Verkäufers zur zweiten Andienung fungieren.289 Zudem kann der Verkäufer in den meisten Fällen die Nacherfüllung kostengünstiger als der Käufer durchführen. 290 Wenn man diesem Ansatz des BGH folgt, kann der Käufer vom Verkäufer zunächst nur Nacherfüllung, nicht aber von vornherein die Erstattung der Nacherfüllungskosten verlangen. Daraus ergibt sich, dass § 439 Abs. 2 BGB nur dort anwendbar ist, wo der Umfang der Nacherfüllungspflicht von der Kostentragungspflicht des Verkäufers differiert. Ein solcher Fall ist jedoch nur selten denkbar, da der Umfang der Kostentragungspflicht nur ausnahmsweise über den der Nacherfüllungspflicht hinausgeht. Ein Anspruch des Käufers auf Kostenerstattung gem. § 439 Abs. 2 kommt nur in Zusammenhang mit Transportkosten in Betracht, namentlich, wenn als Nacherfüllungsort gem. § 269 Abs. 1 der Wohnsitz des Verkäufers festgelegt wird, sodass der Käufer selbst die mangelhafte Kaufware zum Wohnsitz des Verkäufers zu liefern hat.291 Damit wahrt § 439 Abs. 2 selbst dann die Richtlinienkonformität im Sinne der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung, wenn die Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 nicht im für das schutzwürdige Käuferinteresse hinreichenden Umfang gewährt wird. Fraglich ist dagegen, ob der Zwiespalt zwischen der Nacherfüllungspflicht und der Kostentragungspflicht des Verkäufers erwünscht ist. Für den Verkäufer ist es interessengerechter, dass er die Nacherfüllung selbst
286
BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 50. Nicht explizit im betreffenden Urteil, jedoch anhand der klaren Verweisung auf die frühe Rechtsprechung, nämlich BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 37. 288 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 41. Die Lehrmeinung, dass der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung nicht die Vornahme des Einbaus sowie Wiedereinbaus schulde, sondern vielmehr von vornherein zur Erstattung der dafür erforderlichen Kosten verpflichtet sei, wird daher vom BGH ausdrücklich abgelehnt. 289 BT-Drucks. 16/6040, S. 220. 290 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 41. 291 Vgl. BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 37. Wenn hingegen der Nacherfüllungsort dem Belegenheitsort der Kaufware entspricht, bleibt hierbei kein Raum für einen Kostenerstattungsanspruch gem. § 439 Abs. 2. 287
Kapitel 6. Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2
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durchführt.292 Denn im Allgemeinen wird angenommen, dass der Verkäufer bessere Sachkenntnis besitzt und daher die Nacherfüllung kostengünstiger vornehmen kann.293 Darüber hinaus sind auch Fälle denkbar, in denen sich der Käufer keine Mühe gibt, die Nacherfüllungskosten gering zu halten.294 D.h. die Kosten für die vom Verkäufer selbst vorgenommene Nacherfüllung sind im Allgemeinen geringer als diejenigen Kosten, die der Käufer zum Zwecke der selbst getätigten Nacherfüllungshandlung geltend macht. Darüber hinaus bereitet bei dieser Frage besondere Schwierigkeiten, in welcher Weise der Betrag des Kostenerstattungsanspruchs zu bemessen ist, wenn der Verkäufer die benötigte Nacherfüllungsarbeit, z.B. den Transport zu seiner Niederlassung, viel günstiger vollziehen kann. Es scheint m.E. sehr fragwürdig, dass der Käufer auch in diesem Fall die Erstattung der seinerseits anfallenden höheren Kosten im vollen Umfang als Vorschuss verlangen kann. Folgt man der Auffassung des BGH, ist wie gesagt der Anwendungsbereich des § 439 Abs. 2 in der Praxis eher gering, sodass es kein Bedürfnis gibt, streng zwischen Nacherfüllungs- und Kostentragungspflicht zu unterscheiden.295 Vielmehr ist die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers auszudehnen, wenn der Umfang der Nacherfüllungspflicht das Gebot der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung nach Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht mehr gewährleisten kann. Diese Auslegung legt der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nahe. Der Akzent dieser Vorschrift liegt auf der „Herstellung des vertragsgemäßen Zustands“, jedoch auf für den Käufer unentgeltlichem Wege. In diesem Sinne ist das Abwälzen der Kosten auf den Verkäufer kein Zweck des Nacherfüllungsanspruchs, sondern vielmehr die Nebenfolge der Verwirklichung des „vertragsgemäßen Zustands“. C. Umfang der Kostentragung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 2 Nach § 439 Abs. 2 hat der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen. Ausdrücklich nennt die Vorschrift Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten. Trotzdem ist diese Aufzählung nicht abschließend. Das Wort „insbesondere“ in § 439 Abs. 2 stellt klar, dass die Aufzählung nur beispielhaft ist.296 Auch nach der Auslegung von Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der Hintergrund des § 439 Abs. 2 ist, enthält diese Aufzählung nur Beispiele und ist folglich nicht 292
Ebenso BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 41. Faust, JuS 2011, S. 751. 294 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 13a. 295 So auch Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 21; Jaensch, NJW 2012, S. 1030; differenziert Purnhagen, EuZW 2011, S. 629; a.A. Lorenz, NJW 2009, S. 1635. 296 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 32. 293
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
abschließend.297 Die Kostentragungspflicht des Verkäufers für die Nacherfüllung versteht sich von selbst, weil der Verkäufer zur Nacherfüllung verpflichtet ist. Wenn der Umfang der Nacherfüllung festgelegt wird, muss der Verkäufer alle erforderlichen Kosten für eine Nacherfüllung in diesem Rahmen tragen.298 Wie bereits ausgeführt299 ist auch nach der hier vertretenen Ansicht § 439 Abs. 2 eine Kostenzuweisungsnorm, nicht jedoch eine Anspruchsgrundlage des Käufers. 300 Daher soll der Verkäufer sämtliche Kosten tragen, die im Rahmen der Durchführung der Nacherfüllung anfallen. Wenn der Umfang der Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 dahingehend erweitert ausgelegt wird, dass auch die für die Nacherfüllung erforderlichen Vorbereitungsarbeiten, z.B. der Transport der Kaufsache, umfasst sind, bleibt für weitergehende Kostenerstattungsansprüche des Käufers kein Raum. Wenn ggf. der Rücktransport der mangelhaften Ware für den Verkäufer besonders schwierig, zugleich aber für den Käufer verhältnismäßig einfach (also keine erhebliche Unannehmlichkeit) ist, ist es durchaus möglich, dass der Verkäufer nicht selbst den Transport der Kaufware vornimmt, sondern dies vom Käufer unter Berufung auf Treu und Glauben verlangt. Aber m.E. ist in diesem Fall der vom Verkäufer verlangte Transport nur auf Kosten und Gefahr des Verkäufers vorzunehmen. Wichtig ist darüber hinaus die Frage, welche Aufwendungen für die Vornahme der Nacherfüllung „erforderlich“ sind. Da nach der hier vertretenen Ansicht § 439 Abs. 2 als eine reine Kostenzuweisungsnorm anzusehen ist, ist dies letztlich eine Frage nach dem Umfang der Nacherfüllung. Die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen gem. § 439 Abs. 2 entsprechen denjenigen Aufwendungen, die für alle Tätigkeiten des Verkäufers entstehen, die von der Nacherfüllungspflicht des § 439 Abs. 1 umfasst werden. Dazu gehören die Untersuchungskosten zur Feststellung der Ursache der Mangelhaftigkeit.301 Nach der Gegenansicht stehen diese Kosten jedoch nicht im Zusammenhang mit der Beseitigung des Mangels, weswegen sie nur auf der Grundlage des § 280 ersatzfähig seien. 302 Zu den für die Nacherfüllung erforderlichen Kosten zählten auch 297
EuGH, 17.4.2008 – C 404/06, ZGS 2008, S. 226 ff., Rn. 31; demnach zeigt die Formulierung „insbesondere“ in Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, dass der Unionsgesetzgeber die notwendigen Kosten für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes offenlässt. 298 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 21. 299 S. Teil 3, Kapitel 6, B. 300 Ebenso Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 21; dagegen NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 33. 301 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 32; Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 7; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 22; Palandt/Weidenkaff, § 439, Rn. 10; BGH, 23. 1. 1991, NJW 1991, S. 1604 ff. für § 476a BGB a.F. 302 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 15.
Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung
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Kosten für Gutachten und anwaltliche Vertretung, 303 sowie Transportkosten.304 Aber m.E. sind Rechtsanwaltskosten nur Kosten, die dem Käufer für die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs entstehen, daher sind sie keine Kosten, die § 439 Abs. 2 meint.305 Im Allgemeinen sind der Nutzungsausfall und Schäden an sonstigen Rechtsgütern des Käufers nicht von § 439 Abs. 2 erfasst, daher können diese Schäden nur nach Maßgabe des § 280 Abs. 1 im Rahmen des Schadensersatzes ersetzt verlangt werden.306
Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung
A. Einleitung Die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers soll im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn der Nacherfüllungsanspruch des Käufers bzw. die mit diesem Anspruch verbundenen Belastungen für den Verkäufer als unangemessen bzw. unzumutbar angesehen werden. Das neue Kaufrecht normiert in § 439 Abs. 3 für diese Fälle ausdrücklich einen Ausschluss der Nacherfüllungspflicht. Abgesehen von der nacherfüllungsspezifischen Entlastungsmöglichkeit gem. § 439 Abs. 3 kann der Verkäufer auch unter Berufung auf die Vorschriften über die Unmöglichkeit in § 275, die für alle Ansprüche gelten, seiner Pflicht zur Nacherfüllung entgehen.307 Fragen wirft das Verhältnis der Ausschlussmöglichkeit des Nacherfüllungsanspruchs zum Wahlrecht des Käufers über die Art der Nacherfüllung auf. Da der Begriff „Nacherfüllung“ nur ein Oberbegriff ist,308 besitzt der Käufer in der Tat zwei Ansprüche – der Käufer kann frei zwischen dem Nachbesserungs – und dem Nachlieferungsanspruch wählen. Diesbezüglich sind mit Blick auf § 439 Abs. 3 zwei Varianten denkbar: Einerseits könnte lediglich das Wahlrecht des Käufers wegen der in § 439 Abs. 3 erwähnten Unverhältnismäßigkeit beschränkt werden, sodass dem Käufer die von ihm nicht gewählte Nacherfüllungsart verbleibt. Andererseits könnten 303 Ermann/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 7; Palandt/Weidenkaff, § 439, Rn. 10; BGH, 17. 2. 1999, NJW-RR 1999, S. 813 ff. Nach a.A. sind sie nur Kosten, die dem Käufer für die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs anfallen (Staudinger/MatuscheBeckmann, § 439 BGB, Rn. 32). 304 BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 37. 305 So auch Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 32; grundsätzlich ebenso NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 33. 306 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 15; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 32; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 22; Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 7; BGH, 8. 6. 1978, NJW 1978, S. 1626 ff. 307 In diesem Sinne ist der Verweis auf die allgemeinen Vorschriften des § 275 Abs. 2, 3 im § 439 Abs. 3 rein deklaratorisch: Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 457. 308 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 459.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
beide Arten der Nacherfüllung wegen des Ausschlussgrundes des § 439 Abs. 3 ausscheiden, wodurch der Käufer endgültig die Möglichkeit verlieren würde, durch seinen Nacherfüllungsanspruch den vertragsgemäßen Zustand nachträglich herzustellen. § 439 Abs. 3 schränkt also entweder das Wahlrecht des Käufers im Rahmen der Nacherfüllung ein oder schließt den Nacherfüllungsanspruch in Gänze aus. In letzterem Fall kann der Käufer zu den anderen Rechtsbehelfen, z.B. Rücktritt oder Minderung etc., übergehen.309 Diesbezüglich ist das Verhältnis zwischen dem Ausschluss der Nacherfüllung wegen der Unmöglichkeit gem. § 275 und wegen Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 genauer zu beleuchten, um Unklarheiten zu vermeiden. Zunächst gilt § 275 als allgemeines Leistungsstörungsrecht für alle Ansprüche, unabhängig davon, ob es sich um einen Rechtsbehelf handelt oder nicht. Ist die Leistung auf einen Anspruch unmöglich, kann der zur Leistung Verpflichtete sich jederzeit auf die Unmöglichkeit berufen und so von der Leistung befreit werden. Unabhängig von der Möglichkeit, die Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 3 zu verweigern, kann der Verkäufer sich bei Vorliegen der Voraussetzungen jederzeit auch auf § 275 berufen. Dies gilt auch für den Fall, dass wegen der Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 oder der Unmöglichkeit dem Käufer nur eine Art der Nacherfüllung verblieben ist. Diesem Ergebnis steht auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht entgegen, weil die Problematik der Unmöglichkeit nicht in den Regelungsbereich der Richtlinie fällt. Demnach kann der Verkäufer unter Berufung auf die Unmöglichkeit unabhängig von der Verhältnismäßigkeitsprüfung stets vom Nacherfüllungsanspruch des Käufers befreit werden.310 Im Falle des gänzlichen Untergangs des Nacherfüllungsanspruchs gab es hingegen Bedenken hinsichtlich der Richtlinienkonformität, 311 denn nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie kann die Befreiung des Verkäufers von der Nacherfüllungspflicht wegen Unverhältnismäßigkeit nur anhand eines Vergleichs mit der alternativen Nacherfüllungsvariante ermöglicht werden.312 Da § 439 Abs. 3 explizit vorsieht, wegen Unverhältnismäßigkeit beide Arten der Nacherfüllung oder die einzig verbliebene Art der Nacherfüllung 309 Den sofortigen Übergang zu anderen Rechtsbehelfen ohne Fristsetzung sieht § 440 S. 1 in diesem Fall explizit vor. 310 Greiner, ZGS 2010, S. 360 ff.; eben in diesem Sinne EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 65. 311 Kirsten, ZGS 2005, S. 67; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 40. 312 Im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs gilt nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, dass eine Nacherfüllung dann unverhältnismäßig ist, wenn sie „Kosten verursachen würde, die […] verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären“ (Hervorhebung durch den Verfasser).
Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung
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verweigern zu können,313 könnte dies nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie richtlinienwidrig sein. Aus diesem Grund wurde in der EuGH-Vorlage des BGH ausdrücklich die Frage nach der Richtlinienkonformität mit dem ganzheitlichen Ausschluss der Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 gestellt.314 Der EuGH ist davon ausgegangen, dass das gem. § 439 Abs. 3 S. 3 HS. 2 dem Verkäufer zustehende Totalverweigerungsrecht wegen Unverhältnismäßigkeit im Rahmen der Nacherfüllung mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht vereinbar ist. 315 Als wichtiger Grund für diese Auslegung wurde vom EuGH ausgeführt, dass die subsidiären Rechtsbehelfe des Verbrauchers, z.B. Auflösung des Vertrags oder Minderung, nicht dasselbe Verbraucherschutzniveau gewährleisten können wie die Nacherfüllung.316 Dieses Ergebnis deutet an, dass sich das mit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands verbundene Interesse des Verbrauchers von dem Interesse unterscheidet, das durch die anderen Rechtsbehelfe gewahrt wird. Darüber hinaus hat das Verbraucherinteresse, das durch die Nacherfüllung besonders gesichert wird, in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Vorrang vor dem Interesse des Verkäufers. 317 Trotzdem hat der EuGH in seinem Urteil einen Ausweg für das schutzwürdige Interesse des Verkäufers eröffnet: Wenn die einzig verbliebene Art der Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten verursachen würde, schließt Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht aus, dass der Anspruch des Käufers auf die Kostenerstattung der in Rede stehenden Art der Nacherfüllung auf einen angemessenen Betrag beschränkt wird.318 Für die Feststellung dieser Angemessenheit können der Wert des Verbrauchsguts im vertragsgemäßen Zustand sowie die Bedeutung der Vertragswidrigkeit in Erwägung gezogen werden. Nach der Auffassung des EuGH kann eine derartige Beschränkung nur im Zusammenhang mit dem Kostenerstattungsanspruch des Verbrauchers in Betracht kommen, daher bleibt der Anspruch des Verbrauchers auf die tatsächliche Vornahme der einzigen Art der Nacherfüllung weiterhin unberührt. Aber zugleich hat der EuGH hervorgehoben, dass diese Herabsetzungsmöglichkeit des Verkäufers nicht dazu führen darf, dass das Recht des Verbrauchers auf Kostenerstattung im Rahmen der Nacherfüllung in 313
Sog. „Totalverweigerung”: Lorenz, NJW 2009, S. 1637. BGH, 14.1.2009, JZ 2009, S. 310 ff. (EuGH-Vorlage). 315 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (zweiter Leitsatz). 316 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 72. 317 In diesem Sinne EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 65; jedenfalls wird vom EuGH in diesem Urteil betont, dass das finanzielle Interesse des Verkäufers auch durch seine Rückgriffsmöglichkeit innerhalb der Vertragskette berücksichtigt werden kann: EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 73. 318 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 74. 314
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
der Praxis ausgehöhlt wird.319 Im Falle einer Herabsetzung der Kostenerstattung wird nach Ansicht des EuGH dem Verbraucher die Möglichkeit zugestanden, dass er sofort Vertragsauflösung sowie Minderung geltend machen kann, wenn diese Kostenbeteiligung des Verbrauchers mit einer erheblichen Unannehmlichkeit verbunden ist.320 Diese Kernaussage des EuGH im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Nacherfüllung wird in der nachfolgenden Entscheidung des BGH entsprechend umgesetzt. Der BGH ist der Auffassung, dass sich in § 439 Abs. 3 im Zusammenhang mit dem Totalverweigerungsrecht des Verkäufers für den Verbrauchsgüterkauf eine verdeckte Regelungslücke ergibt.321 Denn das Verweigerungsrecht des Verkäufers, das § 439 Abs. 3 eindeutig auch in Bezug auf die einzig verbliebene Art der Nacherfüllung gewährt, stehe Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entgegen, und dies stelle eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes dar. 322 Ausweislich der Gesetzmaterialien war Absicht des Gesetzgebers, § 439 Abs. 3 als richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu erlassen. 323 Gleichwohl erweist sich das Totalverweigerungsrecht des Verkäufers gem. § 439 Abs. 3 entgegen dem gesetzgeberischen Willen als richtlinienwidrig. Daher soll diese Regelungslücke im Rahmen der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion geschlossen werden.324 Demnach ist § 439 Abs. 3 bezogen auf den Verbrauchsgüterkauf dahingehend zu reduzieren, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn dem Käufer nur eine Art der Nacherfüllung verbleibt.325 Problematisch ist jedoch, wie der vom Urteil des EuGH eröffnete Ausweg zugunsten des Verkäufers in einem solchen Fall ausgeformt werden kann. Der BGH geht hierbei davon aus, dass der Verkäufer im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs die einzig mögliche Art der Nacherfüllung nicht gem. § 439 Abs. 3 verweigern kann, ihm in solchen Fällen jedoch ein Recht zustehe, den Käufer auf die Erstattung angemessener Nacherfüllungskosten zu verweisen.326 Durch diese teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 besteht ein Widerspruch zwischen dem Verbrauchsgüterkauf und sonstigen Kaufverträgen, in denen § 439 Abs. 3 zur Anwendung kommt, da der Verkäufer beim üblichen Kauf berechtigt ist, wegen Unverhältnismäßigkeit auch die einzig 319
EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 76. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 77. 321 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 31. 322 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 34. 323 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 32. 324 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 30. 325 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 35. 326 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 35. 320
Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung
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mögliche Form der Nacherfüllung zu verweigern und den Käufer auf einen sofortigen Übergang zu seinen anderen Rechtsbehelfen gem. § 440 zu verweisen. B. Der Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs im Einzelnen I. Ausschluss gem. § 275 Anders als der Ausschluss gem. § 275 Abs. 2, 3, auf den sich der Verkäufer berufen muss, ist der Nacherfüllungsanspruch im Falle von § 275 Abs. 1 automatisch ausgeschlossen.327 Hierbei spielt das Verschulden keine Rolle, wohingegen § 275 Abs. 2 ausdrücklich das Vertretenmüssen des Schuldners als ein für die Unmöglichkeit zu berücksichtigendes Element vorschreibt. 328 Wenn nur eine Art der Nacherfüllung unmöglich ist, ist nur diese ausgeschlossen, denn die Befreiung des Verkäufers wegen Unmöglichkeit kann nur eintreten, „soweit” die Nacherfüllung unmöglich wird.329 Wenn beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind, ist das Recht des Käufers auf Nacherfüllung insgesamt ausgeschlossen, folglich kann der Käufer die nach § 437 Nr. 2, 3 gewährten anderen Rechtsbehelfe geltend machen.330 Dieser gänzliche Ausschluss der Nacherfüllung wegen Unmöglichkeit gilt im Gegensatz zur Totalverweigerung wegen der Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 jedenfalls als richtlinienkonform, weil die Konkretisierung des Inhalts der Unmöglichkeit keine Vorgabe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist.331 Eine teilweise Unmöglichkeit kann innerhalb des Nachbesserungsanspruchs auch auftreten, wenn nach der Nachbesserung Schönheitsfehler verbleiben.332 Wenn trotz des verbleibenden Schönheitsfehlers die Funktionsfähigkeit durch die Nachbesserung wiederhergestellt werden kann, wird die Nachbesserung insoweit nicht unmöglich, sodass der Käufer die Nachbesserung insoweit auch beanspruchen kann.333 Da der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung aber dazu verpflichtet ist, den vertragsgemäßen
327
Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 19. Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 463. 329 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 38; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 37. 330 Heinrich, ZGS 2003, S. 255. 331 Unberath, ZEuP 2005, S. 21. 332 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 38; so auch in diesem Sinne Heinrich, ZGS 2003, S. 255. 333 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 38; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 19. 328
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
Zustand wiederherzustellen, soll er die zu diesem Zweck geeigneten Maßnahmen auch bei der Nachbesserung ergreifen.334 Im Gegensatz zu § 275 Abs. 1 muss der Verkäufer sich einredeweise auf die Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 2, 3 berufen und wird erst dann von der Nacherfüllungspflicht befreit. Nach § 275 Abs. 2 kann der Schuldner (Verkäufer) das Verlangen des Gläubigers (Käufers) nach Nacherfüllung verweigern, wenn sie einen Aufwand erfordert, der in grobem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers an der Nacherfüllung steht.335 Dies ist eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsgedankens, dass der Schuldner nicht zu einer Leistung verpflichtet sein soll, die nur durch unverhältnismäßige, billigerweise nicht zumutbare Aufwendungen erbracht werden kann.336 Während für die Beurteilung der Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 2 vornehmlich Kostenfaktoren eine wichtige Rolle spielen, geht es in § 275 Abs. 3 um Leistungen, die der Schuldner persönlich zu erbringen hat. Es handelt sich um ein Verweigerungsrecht des Schuldners wegen Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen.337 Indes sind im Rahmen des Kaufvertrages Fälle, in denen § 275 Abs. 3 hinsichtlich der Nacherfüllung zur Anwendung kommen, kaum vorstellbar. 338 Insofern ist die Erwähnung von § 275 Abs. 3 in § 439 Abs. 3 S. 1 („unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3“) lediglich aus der Erwägung rechtlicher Einheitlichkeit erfolgt. Auch kann § 275 Abs. 2 kaum Anwendung finden, da das Verweigerungsrecht aus § 439 Abs. 3 nur als besondere Ausprägung des Rechtsgedankens von § 275 Abs. 2, indes mit einer niedrigeren Schwelle für die Unverhältnismäßigkeit, verstanden wird. 339 Wie oben erwähnt, 340 könnte diese Auslegung von § 439 Abs. 3 jedoch in Bezug auf die Richtlinienkonformität bedenklich sein. Um diese Bedenken über die Richtlinienkonformität zu zerstreuen, vertritt eine Ansicht, dass sich im Fall der Verweigerung der einzig verbliebenen Art der Nacherfüllung durch den Verkäufer die Anforderungen der Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 der Opfergrenze des 334 Eine Maßnahme, die zwar den vorliegenden Mangel behebt, dennoch zwangsläufig einen anderen Mangel hervorruft, scheidet von vornherein für die Nachbesserung aus: Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 37. 335 Sog. „faktische Unmöglichkeit“: Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 484. 336 Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 457. 337 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 27. 338 Die Anwendung von § 275 Abs. 3 setzt nicht bestimmte Vertragstypen voraus, trotzdem ist eine solche Nacherfüllung unvorstellbar, die wegen persönlicher Unzumutbarkeit gem. § 275 Abs. 3 unmöglich wird, aber nicht schon nach § 275 Abs. 1 oder Abs.2 unmöglich ist (Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 27). 339 BT-Drucks. 14/6040, S. 232; Lorenz, NJW 2009, S. 1636; Huber, NJW 2002, S. 1007. 340 S. Teil 3, Kapitel 7, A.
Kapitel 7. Ausschluss der Nacherfüllung
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§ 275 Abs. 2 annähern solle.341 Dieser Umweg wurde auch vom EuGH mittelbar beschritten.342 Nach dieser Ansicht stellt diejenige Art der Nacherfüllung eine wirtschaftlich völlig unsinnige Nacherfüllungsalternative dar, die vom Verkäufer gem. § 439 Abs. 3 verweigert wird, selbst wenn sie die einzige mögliche Form der Nacherfüllung ist.343 Eine derartige richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 3 ist jedoch nicht mehr erforderlich, da der BGH in seiner Entscheidung in Umsetzung des EuGH-Urteils in einem solchen Fall dem Verkäufer eine Verweisungsmöglichkeit zubilligt. 344 Nach dem Tenor des BGH kann die einzig verbliebene Art der Nacherfüllung beim üblichen Kauf durchwegs aufgrund des § 275 Abs. 2 ausgeschlossen werden, wenn diese Nacherfüllungsalternative überobligatorische Anstrengungen des Verkäufers im Sinne des § 275 Abs. 2 erfordert. Wenn jedoch im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs der erforderliche Aufwand die einzig mögliche Art der Nacherfüllung aufgrund Unverhältnismäßigkeit des § 439 Abs. 3 – eine gegenüber § 275 Abs. 2 niedrigere Schwelle – überschreitet, wird dem Verkäufer anstelle seines Verweigerungsrechts ein Recht darauf eingeräumt, den Käufer auf einen Kostenerstattungsanspruch zu verweisen, der auf einen angemessenen Betrag beschränkt ist. Durch diese Interpretation des § 439 Abs. 3 kann der gesetzgeberische Wille hinsichtlich des Verhältnisses zwischen § 275 Abs. 2 und § 439 Abs. 3 gewahrt werden,345 ohne dabei die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu verletzen. II. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 Abs. 3 1. Einleitung Neben der allgemeinen Befreiungsmöglichkeit von der Leistungspflicht gem. § 275 normiert § 439 Abs. 3 eine zusätzliche Ausschlussmöglichkeit, die nur für den Nacherfüllungsanspruch gilt.346 Danach kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie un341 Vor allem Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 26 (demnach ist der Fall der eigenen Anwendung des § 275 Abs. 2 kaum möglich); ebenso Kirsten, ZGS 2005, S. 67 f.; MüKo/Lorenz, Vorbem. § 474 BGB, Rn. 18. 342 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 65; demnach sei in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht ausgeschlossen, dass ein Fall der Unmöglichkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie vorliege, falls „die einzig mögliche Abhilfe einen Aufwand erfordern würde, der in einem groben Missverhältnis zum Interesse des Verbrauchers an der Vornahme der Abhilfe stehen würde.“ Daher kann die Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 2 unter den Begriff der Unmöglichkeit nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie subsumiert werden. 343 Vgl. Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 53. 344 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 35. 345 BT-Drucks. 14/6040, S. 232. 346 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 38.
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
verhältnismäßige Kosten verursacht. Dadurch kann der Verkäufer das unzumutbare Verlangen des Käufers nach einer bestimmten Nacherfüllungsalternative abwenden. Da das Verweigerungsrecht des Verkäufers gem. § 439 Abs. 3 als Einrede konzipiert ist, kann der Verkäufer jedoch auch das mit überobligationsmäßigen Anstrengungen verbundene Nacherfüllungsbegehren des Käufers aus Kulanz übernehmen.347 Nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 3 sind zwei Konstellationen vorstellbar, in denen der Verkäufer wegen unverhältnismäßiger Kosten den Nacherfüllungsanspruch des Käufers verweigern kann. Zunächst kann der Verkäufer im Vergleich zu der anderen Art der Nacherfüllung die vom Käufer geforderte Art verweigern, weil diese deutlich teurer ist. Dann spricht man von der sog. relativen Unverhältnismäßigkeit, da sich das Verweigerungsrecht nur auf eine Nacherfüllungsalternative erstreckt. Da für die Würdigung der Unverhältnismäßigkeit ein Vergleich mit der anderen Nacherfüllungsalternative angestellt wird, müssen beide Arten der Nacherfüllung gleichermaßen in Betracht kommen. Die Weigerungsmöglichkeit des Verkäufers wegen relativer Unverhältnismäßigkeit wird in § 439 Abs. 3 S. 2 explizit statuiert.348 In § 439 Abs. 3 S. 3 HS. 2 sowie § 440 S. 1 Var. 1 ist eine andere Konstellation geregelt: Hier kann der Verkäufer wegen Unverhältnismäßigkeit auch die einzig verbliebene Nacherfüllungsalternative verweigern, nämlich im Fall der absoluten Unverhältnismäßigkeit. Damit sind beide Arten der Nacherfüllung komplett ausgeschlossen, da die absolute Unverhältnismäßigkeit, anders als die relative Unverhältnismäßigkeit schlechthin bei jeder Form der Nacherfüllung greifen kann.349 Da der Verkäufer aufgrund absoluter Unverhältnismäßigkeit die wegen der Unmöglichkeit oder wegen der Unmöglichkeit einzig verbliebene Art der Nacherfüllung verweigern kann, begegnet diese Art der Befreiung von der Nacherfüllung Bedenken in Hinblick auf die Richtlinienkonformität: Nach Begründungserwägung 11 S. 3 sowie Art. 3 Abs. 3 S. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist es abgesehen vom Fall der Unmöglichkeit nicht zulässig, dass wegen Unverhältnismäßigkeit beide Arten der Nacherfüllung ausscheiden. Aus diesem Grund hat der EuGH in seinem Urteil erklärt, dass der gänzliche Ausschluss beider Arten der Nacherfüllung wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 S. 3 HS. 2 im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs richtlinienwidrig ist. 347 Z.B. zur Vermeidung der Ausübung des Rücktrittsrechts des Käufers: Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 20; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 39. 348 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 40. 349 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 20; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 39.
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Dabei hat m.E. das Verweigerungsrecht gem. § 439 Abs. 3 neben der reinen Schutzwirkung für den Verkäufer vor unzumutbaren Nacherfüllungsbegehren des Käufers auch noch eine andere Funktion. Es fungiert als Formel, um die richtige Wahl der Rechtsbehelfe zu ermöglichen. Eigentlich steht die Wahl der Rechtsbehelfe bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache dem Käufer frei, doch ist diese freie Wahl mit Rücksicht auf das Interesse beider Parteien nicht immer gerecht. Daher fungiert dieses Abwehrrecht des Verkäufers als Korrektiv gegenüber der ansonsten uneingeschränkten Rechtsbehelfswahl des Käufers. Wenn die vom Käufer getroffene Wahl mit Rücksicht auf die eintretende Interessenveränderung beider Parteien nicht gerechtfertigt werden kann, soll das Wahlrecht des Käufers in entsprechendem Maße korrigiert bzw. beschränkt werden. Somit bedeutet relative Unverhältnismäßigkeit die Einschränkung des Wahlrechts des Käufers innerhalb der zwei Modalitäten der Nacherfüllung.350 Die absolute Unverhältnismäßigkeit hat zur Folge, dass das Wahlrecht des Käufers auf Nacherfüllung insgesamt beschränkt wird und er ggf. auf andere Rechtsbehelfe wie z.B. Rücktritt oder Minderung verwiesen wird. In diesem Zusammenhang zeigt sich der Einredecharakter der Unverhältnismäßigkeit: Wenn der Verkäufer unter Inkaufnahme überobligationsmäßiger Anstrengungen das Nacherfüllungsbegehren übernehmen will, ist die Wahl des Käufers als angemessen bzw. gerechtfertigt anzusehen, da das Interesse des Verkäufers in diesem Fall auch gewahrt bleibt. 2. Relative Unverhältnismäßigkeit a) Ermittlung der relativen Unverhältnismäßigkeit Das Vorliegen der relativen Unverhältnismäßigkeit kann nur durch einen Vergleich beider Nacherfüllungsarten ermittelt werden, weswegen im Fall der relativen Unverhältnismäßigkeit beide Alternativen der Nacherfüllung möglich sein müssen. Wie oben erwähnt,351 ist der Ausschluss der Nacherfüllung wegen relativer Unverhältnismäßigkeit auch von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie als Befreiungsmöglichkeit von der Nacherfüllung neben der Unmöglichkeit ausdrücklich vorgesehen. Wenn man hinsichtlich der Bestimmung der relativen Unverhältnismäßigkeit lediglich davon spricht, dass die Kosten der vom Käufer gewählten Nacherfüllungsart mit den Kosten der anderen Nacherfüllungsart zu vergleichen sind,352 ist das missverständlich, denn vielmehr geht es darum, das Käuferinteresse an der Ausübung des Wahlrechts zugunsten des Verkäuferinteresses einzuschrän-
350
So auch Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2063. S. Teil 3, Kapitel 7, A. 352 So auch Gärtner/Schön, ZGS 2009, S. 109; Heinrich, ZGS 2003, S. 256. 351
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
ken.353 Demzufolge ist die relative Unverhältnismäßigkeit durch eine Abwägung zwischen dem Interesse des Verkäufers an der Minimierung seiner Aufwendungen und dem Interesse des Käufers, gerade die gewählte und nicht die andere Art der Nacherfüllung zu bekommen, vorzunehmen.354 In diesem Sinne schreibt § 439 Abs. 3 S. 2 als wichtiges Abwägungskriterium für die Prüfung der relativen Unverhältnismäßigkeit vor, dass auf die andere Art der Nacherfüllung „ohne erhebliche Nachteile“ für den Käufer zurückgegriffen werden kann. In der hinter § 439 Abs. 3 S. 2 stehenden europarechtlichen Vorschrift, nämlich Art. 3 Abs. 3 S. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, wird hierfür der Begriff der „Unannehmlichkeiten“ verwendet.355 Dazu zählt die Dauer des Nutzungsausfalls, das immaterielle Interesse des Käufers, sowie die Frage, ob die Nacherfüllung in der Wohnung oder im Betrieb des Käufers erfolgt und daher womöglich Beeinträchtigungen in Form von Verschmutzungen oder Störungen entstehen könnten.356 Dies bedeutet, dass die teurere Art der Nacherfüllung wegen relativer Unverhältnismäßigkeit nur dann verweigert werden kann, wenn beide Arten das Interesse des Käufers gleichermaßen befriedigen bzw. gleichermaßen belasten. 357 Ein einfacher Kostenvergleich ohne Einbeziehung der Unannehmlichkeiten, die der Käufer je nach der Art der Nacherfüllung unterschiedlich hinzunehmen hat, kann nicht Grundlage für die Bestimmung der relativen Unverhältnismäßigkeit sein.358 Nach der Begründungserwägung 11 S. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist die Unverhältnismäßigkeit objektiv festzustellen, sodass die Kosten, die auf eine unzureichende Organisation des Betriebs oder fehlende Vorsorge des Verkäufers zurückgehen, für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen sind.359 Im Rahmen der Nachlieferung ist zu berücksichtigen, inwieweit die Rücknahme der mangelhaften Sache das Interesse des 353 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 44; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 45; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 21, 22. 354 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 42; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2063. 355 M.E. besteht zwischen „Nachteilen“ und „Unannehmlichkeiten“ ein rein sprachlicher Unterschied; a.A. Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 44: der Begriff „Nachteile“ gem. § 439 Abs. 3 S. 2 mute dem Käufer mehr zu. 356 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 44; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 45; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 22; Kirsten, ZGS 2005, S. 72. 357 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 49. 358 Beispiel: Wenn ein Fahrzeug viele Fehler aufweist und infolgedessen das Vertrauen des Käufers in die ordnungsgemäße Beschaffenheit der Kaufsache erschüttert wird, ist in diesem Fall eine Nachbesserung nicht zumutbar, obwohl die Ersatzlieferungskosten sich auf das Doppelte der Nachbesserungskosten belaufen: LG Münster, 7.1.2004, DAR 2004, S. 228. 359 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 43; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 45; Kirsten, ZGS 2005, S. 68; Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2122; a.A. Gruber, Jb.J.ZivRWiss 2001, S. 196; Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 12.
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Verkäufers befriedigt. 360 Wenn die zurückgenommene Kaufsache für den Käufer speziell angefertigt wurde oder es sich um ein hochwertiges Wirtschaftsgut handelt, das nach der Ingebrauchnahme hohen Wertverlust erleidet, können die Kosten der Nachlieferung sehr hoch sein.361 Auch wenn der Käufer nur Händler ist und keine eigene Werkstatt hat, gilt die Nachbesserung nicht stets als unzumutbar. 362 M.E muss die Kostenerhöhung wegen der Einschaltung von Dritten für die Nachbesserung nach dem verobjektivierten Erwartungshorizont des Käufers beurteilt werden: Wenn der Käufer vom Verkäufer Reparaturmöglichkeiten erwarten kann, kann dieser sich auf die Mehrkosten der Nachbesserung durch Fremdunternehmen nicht berufen.363 Gleiches gilt auch für den Fall, dass der Verkäufer dem Käufer den Eindruck vermittelt, dass eine Reparatur durch ihn später möglich wäre.364 b) Abwägungskriterien Zentrales Abwägungskriterium sind die Kosten der Nacherfüllung, 365 jedoch zählt § 439 Abs. 3 S. 2 die neben den Kosten zu berücksichtigenden Abwägungselemente beispielhaft durch das Wort „insbesondere” auf.366 Der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, der als weiteres Abwägungskriterium in § 439 Abs. 3 S. 2 genannt wird, hat bei der relativen Unverhältnismäßigkeit eher geringe Bedeutung, da im Rahmen der relativen Unverhältnismäßigkeit der Vergleich zwischen beiden Arten der Nacherfüllung ausschlaggebend ist.367 Wichtig ist dieser Faktor, soweit bei geringwertigen Sachen die Kosten einer Nachbesserung wesentlich höher als
360 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 43; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 45; Kirsten, ZGS 2005, S. 68. 361 Wenn durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eine Verschlechterung oder der Untergang der gelieferten mangelhaften Kaufsache eingetreten ist, sind die Ersatzlieferungskosten höher zu veranschlagen, weil in diesem Fall der Käufer gem. §§ 346 Abs. 2, Nr. 3, 439 Abs. 4 nicht zum Wertersatz verpflichtet ist: Kirsten, ZGS 2005, S. 68; Heinrich, ZGS 2003, S. 257. 362 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 43; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 45. 363 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 43; Kirsten, ZGS 2005, S. 68; a.A. Ermann/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 12 (der Käufer schließt den Vertrag mit einer bestimmten Person ab). 364 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 23. 365 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 43; Kirsten, ZGS 2005, S. 68. 366 Diese exemplarische Aufzählung von Abwägungskriterien ist unter dem Gesichtspunkt der Richtlinienkonformität eher fragwürdig, weil Art. 3 Abs. 3 S. 2 im Gegensatz dazu einen abschließenden Kriterienkatalog vorgibt: Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 42; Jordan/Lehmann, JZ 2001, S. 958. 367 Kirsten, ZGS 2005, S. 72.
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die Kosten einer Nachlieferung sind.368 Dieser Faktor kann aber auch bei einem anderen Abwägungselement, nämlich der Bedeutung des Mangels, zum Tragen kommen. Normalerweise gilt: je erheblicher ein Mangel ist, umso einfacher kann der Käufer Nachlieferung verlangen.369 Das individuelle Interesse des Käufers an dem jeweiligen Objekt, das sog. Affektionsinteresse, ist dabei jedoch außer Acht zu lassen, da die Feststellung objektiv vorzunehmen ist.370 Das Verschulden hingegen kann m.E. anders als bei der absoluten Unverhältnismäßigkeit bei der relativen Unverhältnismäßigkeit kein Abwägungskriterium sein, da es auf die Wahl der Nacherfüllungsart des Käufers kaum Einfluss hat.371 c) Prozentuale Grenzen In der Literatur werden verschiedene Prozentsätze für die Bestimmung der relativen Unverhältnismäßigkeit vorgeschlagen. Sie bewegen sich zwischen 10 % und 30 %.372 Auch werden Prozentgrenzen vorgeschlagen, die vom Grad des Verkäuferverschuldens abhängen.373 Trotzdem kann eine allgemeingültige Prozentgrenze nicht angegeben werden, denn welche Unannehmlichkeiten der Käufer je nach der Art der Nacherfüllung hinzunehmen hat, kann nur einzelfallbezogen beantwortet werden.374 Ein schutzwürdiges Interesse an der teureren gewählten Art der Nacherfüllung besteht nur dann nicht, wenn beide Nacherfüllungsarten das Interesse des Käufers gleichermaßen bedienen.375 Aus diesem Grund sind die Prozentgrenzen nur als Faustregel zu verstehen, von der im Einzelfall 368
Z.B. der Fall von der Schraube mit Gewindefehler: Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 45; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 46; Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 22. 369 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 47; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 45. 370 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 22; Heinrich, ZGS 2003, S. 257. Trotzdem kann der Vertrauensverlust des Käufers in die Fähigkeiten des Verkäufers zur Lieferung von Ware in ordnungsgemäßer Beschaffenheit berücksichtigt werden (LG Münster, 7.1.2004, DAR 2004, S. 226 f.). 371 So auch Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2063. 372 Für 10 %: Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2122; Huber, NJW 2002, S. 1008; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2063; Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 13. Für 20 %: LG Ellwangen, 13.12.2002, NJW 2003, S. 517; Kirsten, ZGS 2005, S. 73. Für 30 %: Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 24. 373 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 47: 5 % bei fehlendem Vertretenmüssen, 10 % bei Vertretenmüssen ohne Verschulden, 15 % bei einfacher Fahrlässigkeit, 20 % bei grober Fahrlässigkeit und 25 % bei Vorsatz. 374 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 24; NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 41. 375 Kirsten, ZGS 2005, S. 73; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 49; so auch Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 24.
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abgewichen werden kann. Dennoch ermöglicht sie eine gewisse Prognose für die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits und kann so zur Streitvermeidung beitragen. 376 Allerdings ist auch hier wieder die europarechtliche Überformung zu beachten: Nach Erwägungsgrund 11 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie soll bei der Frage nach den unzumutbaren Kosten entscheidend sein, ob die Kosten der Abhilfe deutlich höher sind als die Kosten einer anderen Abhilfe. Setzt man die Prozentgrenze also zu niedrig an, stellt sich wieder die Frage der Richtlinienkonformität. 3. Absolute Unverhältnismäßigkeit a) Ermittlung der absoluten Unverhältnismäßigkeit Während das Wahlrecht des Käufers bei der relativen Unverhältnismäßigkeit auf eine Art der Nacherfüllung begrenzt wird, verliert der Käufer im Fall der absoluten Unverhältnismäßigkeit sein Wahlrecht auf Nacherfüllung insgesamt. Das Interesse des Käufers am Nacherfüllungsanspruch bei der absoluten Unverhältnismäßigkeit wird dadurch ermittelt, dass die Interessenlage im Falle der vom Käufer begehrten Nacherfüllung mit der ohne Nacherfüllung verglichen wird.377 Das auf diese Weise festgestellte Leistungsinteresse des Käufers muss für die absolute Unverhältnismäßigkeit in unzumutbarem Verhältnis zu den Aufwendungen stehen, die die Nacherfüllung für den Verkäufer verursacht. Anhand der gesetzlichen Formulierung des § 439 Abs. 3 S. 1 „unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3“ wird klargestellt, dass eine Angleichung der absoluten Unverhältnismäßigkeit an die faktische Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 2 nicht gewollt ist.378 Vielmehr stellt die Unverhältnismäßigkeit nach § 439 Abs. 3 eine besondere Ausprägung des allgemeinen Rechtsgedankens in § 275 Abs. 2 dar – ihre Schwelle ist jedoch niedriger, wie weiter oben bereits ausgeführt.379 Im Zusammenhang mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erscheint dieser Ausschluss der Nacherfüllung wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit problematisch, da nach der Begründungserwägung 11 S. 3 sowie Art. 3 Abs. 3 S. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie neben der Unmöglichkeit nur die relative Unverhältnismäßigkeit als Befreiungsmöglichkeit der Nacherfüllung zugelassen ist. Die Richtlinienkonformität der absoluten Unverhält376
So auch Kirsten, ZGS 2005, S. 71. Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 57. 378 Vgl. Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 21. 379 BT-Drucks. 14/6040, S. 232; Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 49; Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2120; Huber, NJW 2002, S. 1007; Heinrich, ZGS 2003, S. 258; a.A. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 42; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2062; Kirsten, ZGS 2005, S. 67 f. 377
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nismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 wurde daher vom EuGH überprüft und wurde für richtlinienwidrig befunden.380 Demzufolge existiert im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs kein Verweigerungsrecht des Verkäufers wegen Unverhältnismäßigkeit, wenn eine Art der Nacherfüllung als einzig mögliche Nacherfüllungsalternative verbleibt.381 Diesbezüglich besteht eine Aufspaltung der kaufrechtlichen Regelung, die der Gesetzgeber vermeiden wollte.382 Damit die Richtlinienkonformität hinsichtlich der absoluten Unverhältnismäßigkeit gewahrt wird, muss § 439 Abs. 3 S. 3 indes nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Fälle der absoluten Unverhältnismäßigkeit den Fällen der Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 2 nahekommen und die absolute Unverhältnismäßigkeit unter den Begriff der Unmöglichkeit subsumiert wird. Nach der Judikatur des EuGH ist es in solchen Fällen auch als richtlinienkonform zu betrachten, wenn der Verkäufer den Kostenerstattungsanspruch des Verbrauchers, der an die Stelle der Vornahme der Nacherfüllung des Verkäufers tritt, nur in angemessener Höhe übernimmt. 383 Diese Aussage des EuGH wird vom BGH dahingehend umgesetzt, dass bei Verbrauchsgüterkäufen im Falle der absoluten Unverhältnismäßigkeit der Verkäufer den Käufer anstelle der Durchführung der einzig möglichen Nacherfüllungsalternative darauf verweisen kann, dass er sich mit der auf einen angemessenen Betrag beschränkten Kostenerstattung für die in Rede stehende Art der Nacherfüllung zufriedengibt.384 b) Abwägungskriterien Zentrales Abwägungskriterium sind wie im Fall der relativen Unverhältnismäßigkeit die Kosten der Nacherfüllung. Der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, der in § 439 Abs. 3 S. 2 als zu berücksichtigender Faktor angeführt wird, ist der objektive Wert der Sache. 385 Deswegen ist der Kaufpreis als der im konkreten Fall von den Vertragsparteien vereinbarte Wert der Sache für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit nicht entscheidend.386 Der Kaufpreis entspringt der vertraglichen Äquivalenz, daher soll der Verkäufer bei schlechten Geschäften die Differenz zwischen Kauf380
EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (zweiter Leitsatz). BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 35. 382 Vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 41. 383 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (zweiter Leitsatz). 384 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. (dritter Leitsatz). 385 Kirsten, ZGS 2005, S. 69. 386 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 21; Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2121. Aus der Rechtsprechung vor allem OLG Braunschweig, 4.2.2003, NJW 2003, S. 1053 ff. Die Bezugnahme des Beklagten auf den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand für die Unverhältnismäßigkeitsabwägung hat das Gericht abgelehnt; a.A. Lorenz, NJW 2009, S. 1637: der Kaufpreis könne lediglich als ein Kriterium unter vielen einbezogen werden. 381
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preis und objektivem Wert der Sache selbst tragen.387 Hinsichtlich der Bedeutung des Mangels gelten die Ausführungen zur relativen Unverhältnismäßigkeit entsprechend. Im Schrifttum sehr umstritten ist die Frage, ob neben den in § 439 Abs. 3 S. 2 genannten Kriterien auch ein Verschulden des Verkäufers für die Unverhältnismäßigkeitsabwägung zu berücksichtigen ist. Nach h.M. soll das Verschulden als Abwägungskriterium herangezogen werden können, weil dann höhere Nacherfüllungskosten zumutbar scheinen.388 Hauptargument dieser Auffassung ist, dass bei Vorliegen eines Verkäuferverschuldens im Rahmen des Schadensersatzes ohnehin das volle Interesse des Käufers auszugleichen sei389 und darüber hinaus § 439 Abs. 3 eine besondere Ausprägung des in § 275 Abs. 2 formulierten allgemeinen Rechtsgedankens sei, sodass dann wie in § 275 Abs. 2 das Verkäuferverschulden eine Rolle spielen könne.390 Nach der Gegenansicht ist das Verschulden nicht abwägungserheblich, weil im Gegensatz zum Schadensersatz das Verschulden des Verkäufers keinen Bezug zum Erfüllungsanspruch habe.391 Obwohl angenommen werde, dass § 439 Abs. 3 ein Sonderfall von § 275 Abs. 2 ist, erwähne § 439 Abs. 3 anders als § 275 Abs. 2 das Verschulden nicht explizit. Insofern sei eine Übertragung des Verschuldenskriteriums in § 275 Abs. 2 auf die Abwägung der Verhältnismäßigkeit in § 439 Abs. 3 nicht möglich.392 M.E. sollte das Verkäuferverschulden ebenfalls ein Abwägungskriterium sein, denn die Zumutbarkeitsprüfung gem. § 439 Abs. 3 soll keine rein ökonomische Effizienzfrage sein, wie dies die Gegenansicht vertritt. 393
387 Kirsten, ZGS 2005, S. 69; Heinrich, ZGS 2003, S. 258; Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2121. 388 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 23; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 48; Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2121 f.; Huber, NJW 2002, S. 1007; Gruber, Jb.J.ZivRWiss. 2001, S. 196 f.; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, S. 506 f.; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, S. 2063. Aus der Rechtsprechung OLG Karlsruhe, 2.9.2004, ZGS 2004, S. 434. Demnach ist hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, dass dadurch der Verkäufer letztlich auch der Verschuldenshaftung nach § 437 Nr. 3 ausgesetzt wäre; a.A. Ermann/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 13; Kirsten, ZGS 2005, S. 70. 389 Müko/Westermann, § 439 BGB, Rn. 23; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 48. 390 Huber, NJW 2002, S. 1007; Gruber, Jb.J.ZivRWiss. 2001, S. 196 f.: gem. § 275 Abs. 2 ist zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. 391 NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 40; Erman/Grunewald, § 439 BGB, Rn. 13; Kirsten, ZGS 2005, S. 70. 392 AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 35: der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist das Verschulden als Abwägungskriterium für die Unverhältnismäßigkeitsprüfung ebenfalls fremd. 393 NK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 47; Kirsten, ZGS 2005, S. 71.
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Vielmehr soll sie eine Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte sein, die auf die Interessenlage beider Parteien Einfluss nehmen können.394 c) Prozentuale Grenzen Wie bereits für die relative Unverhältnismäßigkeit ausgeführt, sind prozentuale Grenzen hilfreich, sofern die Sachverhaltswürdigung nicht starr an diese gebunden ist, sondern genügend Abwägungsspielraum für die Besonderheiten des Einzelfalles verbleibt. In der Literatur wird die Grenze zwischen 100 % und 150 % gezogen.395 Danach müssen die Nacherfüllungskosten mindestens 100 % des objektiven Werts der Kaufsache betragen. 396 Dieser Wert kann dabei vom Verschulden des Verkäufers beeinflusst werden.397 M.E. sollte die Prozentgrenze für die absolute Unverhältnismäßigkeit grundsätzlich höher liegen als die der relativen Unverhältnismäßigkeit,398 denn anders als im Fall der relativen Unverhältnismäßigkeit verliert der Käufer hier gänzlich die Möglichkeit der Nacherfüllung, sodass sein Interesse nur noch durch Geldzahlung sowie rechtliche Liquidierung befriedigt werden kann. Aus diesem Grund sollte der Käufer auch durch Selbstbeteiligung an den Nacherfüllungskosten berechtigt sein, die Leistungsverweigerung des Verkäufers gem. § 439 Abs. 3 abzuwenden.399 Der BGH hat für eine ähnliche Frage nach altem Recht eine derartige Abwendungsmöglichkeit des Käufers abgelehnt.400 Nach der damaligen BGH-Auffassung konnte der Geschädigte die unverhältnismäßige Reparatur nicht durch Kostenbeteiligung erkaufen, weil dies nur unwirtschaftliche Reparaturen produziere. Aber m.E. gilt dieses Argument nicht für die Unverhältnismäßigkeitsprüfung nach § 439 Abs. 3 im neuen Kaufrecht. Hier steht das Interesse des Käufers im Vordergrund, das mit einer Art der Nacherfüllung oder mit der Nacherfüllung überhaupt verbunden ist. Insbesondere im Fall der absoluten Unverhältnismäßigkeit ist dies von großer Bedeutung, denn es 394 A.A. AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 35: der Katalog der Abwägungskriterien im § 439 Abs. 3 ist abschließend. 395 Kirsten, ZGS 2005, S. 71; Heinrich, ZGS 2003, S. 258; 150 % des Werts einer mangelfreien Sache oder 200 % des mangelbedingten Minderwerts (Bitter/Meidt, ZIP 2001, S. 2121). 396 LG Münster, 7.1.2004, DAR 2004, 226 ff. Im Gegensatz dazu ist nach a.A. 100 % die Höchstgrenze der Nacherfüllungskosten (Ackermann, JZ 2002, 382 f.). 397 Huber, NJW 2002, S. 1008: 100 % bei fehlendem Verschulden, 130 % bei Verschulden. 398 So auch Unberath, ZEuP 2005, S. 24. 399 Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 50, S. 1940; Staudinger/MatuscheBeckmann, § 439 BGB, Rn. 49; AnwK/Büdenbender, § 439 BGB, Rn. 42; Kirsten, ZGS 2005, S. 74. 400 BGH, 15.10.1991, NJW 1992, S. 305.
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geht nicht darum, „aufgrund welcher Nacherfüllungsalternative“, sondern „ob“ das Interesse des Käufers an der Primärleistung überhaupt geschützt werden kann.401 d) Richtlinienkonformität der absoluten Unverhältnismäßigkeit im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs Nach dem erwähnten Urteil des EuGH ist – wie bereits angedeutet – der Ausschluss sämtlicher Arten der Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 3 im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs nicht mehr als richtlinienkonform anzusehen.402 Der BGH hat in seiner Entscheidung in Einklang mit dem EuGHUrteil dieses Ergebnis jedoch nicht auf die Fälle des üblichen Kaufs erweitert. Vielmehr kommt der Tenor des Urteils des EuGH nach der Auffassung des BGH durch teleologische Reduktion nur im Zusammenhang mit dem Verbrauchsgüterkauf zur Geltung. Daher wird § 439 Abs. 3 im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs dahingehend ausgelegt, dass dem Verkäufer bei der einzig verbliebenen Art der Nacherfüllung kein Verweigerungsrecht aufgrund Unverhältnismäßigkeit zur Verfügung steht.403 Der EuGH hat in seinem Urteil für solchen Fall andere rechtliche Konstruktionen im Einklang mit der Richtlinie vorgeschlagen.404 Der BGH hat dies dahingehend umgesetzt, dass er dem Verkäufer das Recht eingeräumt hat, den Käufer auf eine angemessene Kostenerstattung zu verweisen. Um die Angemessenheit des Betrags zu bestimmen, sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand sowie die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen.405 Es ist möglich, dass die vom EuGH zugelassene Herabsetzungsmöglichkeit hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs des Verbrauchers nicht auf nationalrechtlicher Ebene umgesetzt und demzufolge ein sehr hohes Verbraucherschutzniveau erreicht wird. 406 Die Entscheidung des BGH könnte vielmehr eine Antwort darauf sein, wie man das vom EuGH mehrfach betonte Ziel der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nämlich die Ge-
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Staudinger/Matusche-Beckmann, § 439 BGB, Rn. 49. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (zweiter Leitsatz). 403 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. (zweiter Leitsatz). Nur eine Form der Nacherfüllung kann vorliegen, wenn die andere Nacherfüllungsalternative von Anfang an unmöglich geworden ist oder sie zu Recht vom Verkäufer verweigert wurde. 404 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 74. 405 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 35. Dies folgt wortgleich aus dem Urteil des EuGH: EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 74. 406 So auch Purnhagen, EuZW 2011, S. 629 f.; Lorenz, NJW 2011, S. 2244. Nach der dort vertretenen Ansicht scheidet jegliche Anwendungsmöglichkeit der absoluten Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs aus, daher besteht auch kein Spielraum für das Verweisungsrecht des Verkäufers. 402
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3. Teil: Nacherfüllung im BGB
währleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus,407 mit dem gesetzgeberischen Willen in Einklang bringen kann, der sich in der absoluten Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 wiederfindet. Die Auslegung des EuGH zur absoluten Unverhältnismäßigkeit ist m.E. bedauerlich. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers soll die absolute Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 auch einen klaren Befreiungsgrund von der Nacherfüllung darstellen.408 Demnach soll das schutzwürdige Interesse des Verkäufers im Rahmen der Nacherfüllung in gleichem Maße wie das des Käufers Berücksichtigung finden und eine angemessene Ausbalancierung der Interessen beider Parteien hergestellt werden. Dies sei dadurch zu erreichen, dass im Fall der Unverhältnismäßigkeit der Verkäufer von sämtlichen Arten der Nacherfüllung befreit und gleichzeitig das Interesse des Käufers durch andere Rechtsbehelfe befriedigt wird. 409 Unter dem Gesichtspunkt der Harmonisierung von gesetzgeberischer Konzeption und Richtlinienkonformität erscheint die rechtliche Ausgestaltung des BGH durch Einführung einer Verweisungsmöglichkeit des Verkäufers doch als angemessener Lösungsansatz. Es ist jedoch schwierig, eine gesetzliche Stütze für die vom BGH konstruierte Lösung zu finden. Nach den Ausführungen des BGH findet sich die Anspruchsgrundlage des Käufers für die Kostenerstattung der Nacherfüllung unmittelbar in § 439 Abs. 2. 410 Der Wortlaut des § 439 Abs. 2 selbst enthält indes keinen Hinweis, dass der Käufer etwaige Kosteneinbußen im Rahmen der Kostenerstattung der Nacherfüllung hinnehmen soll.411 Für die angemessene Einschränkung der Kostenerstattung an den Käufer könnte nach einer Ansicht eine analoge Anwendung des § 254 in Betracht kommen.412 Für eine solche Analogie ist jedoch m.E. kein Raum, da die Kostenerstattung gem. § 439 Abs. 2 als ein verschuldensunabhängiger Anspruch strukturiert ist, wohingegen § 254 ein Verschulden voraussetzt. Darüber hinaus hat der EuGH die Kostenübernahmepflicht des Verkäufers im Zusammenhang mit dem Aus- und Wiedereinbau bei der Ersatzlieferung nur für solche Fälle zugesprochen, in denen der Verbraucher das mangelhafte Verbrauchsgut vor Auftreten des Mangels gutgläubig eingebaut hat.413 Wenn man der Auffassung des EuGH folgt, kann § 254 nicht weiter 407 So ausdrücklich EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 76. 408 So auch Bamberger/Roth/Faust, § 439 BGB, Rn. 55. 409 In diesem Sinne BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 40; ebenso Leible/Müller, LMK 2012, S. 330321. 410 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 50; BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff., Rn. 37. 411 So auch Jaensch, NJW 2012, S. 1029. 412 Stöber, ZGS 2011, S. 351. 413 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (erster Leitsatz).
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zur Kürzung des Kostenerstattungsanspruchs in Betracht kommen, weil in dem vom EuGH angeführten Fall den Käufer kein Verschulden trifft. In diesem Sinne muss der auf den angemessenen Betrag beschränkte Kostenerstattungsanspruch vielmehr als neuer Rechtsbehelf des Käufers verstanden werden, der ohne eine bestimmte gesetzliche Verankerung lediglich als Richterrecht anzusehen ist.414 Es werden Bedenken geäußert, dass diese Einschränkungsmöglichkeit das Recht des Käufers auf Kostenerstattung in der Praxis erheblich verdränge.415 Der EuGH hat die Herabsetzungsmöglichkeit der Kostenerstattung im Rahmen der Ersatzlieferung zugelassen, zugleich jedoch betont, dass sie nicht zur Folge haben dürfe, dass dieses das Kostenerstattungsrecht des Verbrauchers in der Praxis aushöhlt.416 Schwierigkeiten bereitet demnach die Frage, wie man die Grenze der Angemessenheit bei der in Rede stehenden Herabsetzung richtlinienkonform bestimmen kann. 417 Denn auf den ersten Blick erscheint es schwierig, den gegenläufigen Interessen gerecht zu werden. Da der Begriff der Angemessenheit einen großen Wertungsspielraum umfasst, muss der Inhalt von der Rechtsprechung ausgefüllt werden. Wenn dem Käufer die bereits eingebaute mangelhafte Kaufware keinerlei Vorteile bringt, er daher die mangelhafte Sache durch eine andere mangelfreie Ersatzware ersetzen muss, soll der angemessene Betrag der Kostenerstattung sich denjenigen Kosten annähern, die bei der Vornahme dieses Aus- und Einbaus tatsächlich anfallen können. Ansonsten würde der Kostenerstattungsanspruch dem Schutz des Verbrauchers nicht gerecht werden, und das Kostenerstattungsrecht des Verbrauchers wäre praktisch ausgehöhlt.418 Der Tenor des EuGH hinsichtlich der absoluten Unverhältnismäßigkeit kann meines Erachtens auch nicht geteilt werden. Denn bei der absoluten Unverhältnismäßigkeit darf nicht vergessen werden, dass dennoch andere 414 Vgl. Leible/Müller, LMK 2012, S. 330321: dies ist ein sog. „Rechtsbehelf sui generis“; a.A. Jaensch, NJW 2012, S. 1029: demnach könnte die Einschränkung des Kostenerstattungsanspruchs im Wege der teleologischen Reduktion erreicht werden. 415 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. (dritter Leitsatz). 416 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 76. 417 Ebenso für dieses Bedenken: Faust, JuS 2011, S. 747. 418 In der Entscheidung des BGH wurde der angemessene Betrag des Kostenerstattungsanspruchs auf insgesamt 600 Euro beziffert, obwohl der beim Ausbau sowie bei der Entsorgung anfallende Aufwand sich auf ca. 2100 Euro belief. Hierfür wurden zwei Abwägungskriterien in Rechnung gestellt. Erstens wiesen die Fliesen nur einen optischen Mangel auf, ohne dass dies eine Funktionsbeeinträchtigung zur Folge gehabt hätte (Bedeutung des Mangels). Zweitens betrug der Wert der Fliesen in mangelfreiem Zustand nur ca. 1200 Euro (BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 54). Aber wenn wegen der Mangelhaftigkeit der Fliesen die Funktionsfähigkeit in großem Umfang beeinträchtigt worden und daher der Austausch erforderlich gewesen wäre, hätte der Kostenerstattungsbetrag ohne Begrenzung sämtliche Kosten des Austauschs decken müssen.
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Rechtsbehelfe verbleiben, die das Interesse des Käufers angemessen zu schützen vermögen, auch wenn der Nacherfüllungsanspruch selbst insgesamt ausgeschlossen ist.419 Abgesehen von der Unmöglichkeit gem. § 275 ist das Verweigerungsrecht des Verkäufers gem. § 439 Abs. 3 dessen einzige Möglichkeit, das mit unverhältnismäßigem Aufwand verbundene Nacherfüllungsbegehren des Käufers abzuwenden. Um einen Ausgleich zwischen den Interessen des Verkäufers und des Käufers zu schaffen, muss die Abwendungsmöglichkeit des § 439 Abs. 3 gleichermaßen weit ausgelegt werden. Wenn der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs aufgrund des Schutzes des Verbraucherinteresses ausgedehnt wird, demzufolge der dafür erforderliche Aufwand des Verkäufers wächst, sollte das Interesse des Verkäufers durch sein Abwendungsrecht hinreichend geschützt werden. Nach der hier vertretenen Ansicht wird das Wahlrecht des Käufers durch das Rechtskonstrukt der absoluten Unverhältnismäßigkeit eingeschränkt. Aber neben dem Verbraucherschutz verlangt der EuGH gleichzeitig, dass ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der beiden Vertragsparteien im Rahmen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gefunden wird.420 Damit dieser vom EuGH angeführte Interessenausgleich im Rahmen des Abhilfepakets des Verbrauchers gem. Art. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verwirklicht werden kann, darf der Verbraucher den Verkäufer nicht an eine unverhältnismäßige Nacherfüllungsalternative binden können, auch wenn sie die einzig als möglich verbliebene Art der Nacherfüllung ist. Meiner Ansicht nach sieht die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie selbst vor, dass das verletzte Interesse des Verbrauchers eben durch verschiedene Rechtsbehelfe und nicht nur durch den Nacherfüllungsanspruch ausreichend befriedigt werden kann.421 Da die anderen Rechtsbehelfe ein gleichartiges Verbraucherschutzniveau bieten wie die Nacherfüllung, 422 scheint der gänzliche Ausschluss der Nacherfüllung aus der Sicht des Verbrauchers auch gerechtfertigt, wenn eine übermäßige wirtschaftliche Belastung des Verkäufers nur dadurch vermieden werden kann.
419
So auch Unberath, ZEuP 2005, S. 23. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 75. 421 Vgl. die Normierung von Rücktritt sowie Minderung als verschuldensunabhängige Rechtsbehelfe. Selbst wenn alle Arten der Nacherfüllung ausgeschlossen sind, kann der Käufer unabhängig vom Verschulden des Verkäufers diese Rechtsbehelfe geltend machen, sodass seine Position nicht merklich geschwächt wird. 422 A.A. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 72. 420
Teil 4
Nacherfüllung im KBGB Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Im Kaufrecht setzt der Nacherfüllungsanspruch grundsätzlich das Vorliegen eines Mangels der Kaufsache voraus. Mit dem Nacherfüllungsanspruch kann der Käufer sein schutzwürdiges Interesse an der Mangelfreiheit der Kaufsache durchsetzen. Der Ersatzlieferungs- sowie der Nachbesserungsanspruch sind zwei unterschiedliche Modalitäten des Nacherfüllungsanspruchs. Dennoch ist im Kaufrecht des KBGB lediglich die Ersatzlieferung explizit in § 581 Abs. 2 normiert, die der Käufer nur bei Vorliegen eines Sachmangels im Rahmen eines Gattungskaufes beanspruchen kann. Die Ersatzlieferung ist im KBGB jedoch kein eigenständiger Rechtsbehelf, denn der Käufer kann sie gem. § 581 Abs. 2 nur statt Rücktritt oder Schadensersatz wegen eines Sachmangels verlangen, d.h. er muss auf andere Rechtsbehelfe verzichten, wenn er Ersatzlieferung verlangt. 1 Neben der Ersatzlieferung gibt es im Kaufrecht keine Vorschrift, die dem Käufer ausdrücklich Nachbesserung im Falle eines Sachmangels zugesteht. In diesem Sinne ist die Normierung der Nacherfüllung im Kaufrecht des KBGB sehr restriktiv ausgestaltet – die gesetzliche Konzeption sieht keinen allgemeinen Nacherfüllungsanspruch vor. Trotzdem versucht ein Teil der Lehrmeinung den Nacherfüllungsanspruch als ein allgemeines Mängelgewährleistungsrecht des Käufers anzuerkennen.2 Nach dieser Ansicht wird der Nacherfüllungsanspruch als allgemeiner Rechtsbehelf des Käufers beim Vorliegen eines Mangels betrachtet.3 Da im Kaufrecht des KBGB nur eine einzige Vorschrift über den Nacherfüllungsanspruch des Käufers existiert, muss die Lücke mittels Auslegung geschlossen werden. Diese stellt auf die Definition des Vorhandenseins eines Mangels ab, da der Nacherfül1 Vgl. § 581 Abs. 2 KBGB: der Käufer kann nur statt Rücktritt oder Schadensersatz, nämlich statt der anderen Rechtsbehelfe wegen Sachmangels die Ersatzlieferung verlangen (Hervorhebung durch den Verfasser). 2 Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 190 ff.; KBGBKomm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 536 ff.; Oh, Ho-Cheol, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 12, Nr. 1 (2005), S. 327. 3 Vor allem Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 192.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
lungsanspruch auch als rechtliche Folge einer Lieferung mangelhafter Ware angesehen wird. Darüber hinaus gibt es im KBGB zwei unterschiedliche Haftungsrechte im Falle von Mängeln. Die Anerkennung eines Nacherfüllungsanspruchs löst auch das umstrittene Problem, nach welcher der beiden Haftungsregelungen der Mangel und seine Rechtsfolge behandelt werden sollen. Der schwer überschaubare Meinungsstreit über das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht im KBGB ist darauf zurückzuführen, dass das KBGB gleichzeitig zwei im Wesentlichen unterschiedliche Haftungssysteme vorsieht, nämlich die Haftung der allgemeinen Leistungsstörung und die kaufrechtliche Mängelhaftung. Zudem kann die Mängelhaftung je nach dem Verständnis des Mangels zugleich unter die allgemeine Leistungsstörungshaftung subsumiert werden oder als separate Haftung angesehen werden, die von der allgemeinen Leistungsstörungshaftung unabhängig ist. Wenn der Mangel der Kaufsache nun aber zwei unterschiedlichen Haftungsregimen gleichzeitig unterfällt, muss entschieden werden, welches Haftungsregime für das Vorliegen des Mangels angewendet werden soll.4 Von der Qualifizierung des Mangels und des damit einschlägigen Gewährleistungsrechts hängt auch der Nacherfüllungsanspruch ab, weil auch dieser eine Rechtsfolge bzw. ein Rechtsbehelf des Käufers bei Vorliegen eines Mangels ist. Für das Verständnis des Wesens des Mangels sowie der Mängelhaftung muss ebenfalls geklärt werden, ob der Nacherfüllungsanspruch über die restriktive gesetzliche Normierung hinaus als allgemeiner Rechtsbehelf im Kaufrecht zugebilligt werden kann. Zudem stellt sich die Frage nach dessen Herleitung. Lehnt man einen allgemeinen Nacherfüllungsanspruch dagegen ab, kann dem Käufer nur eine Ersatzlieferung unter der engen Voraussetzung des § 581 Abs. 2 eingeräumt werden. B. Duales Haftungssystem I. Stand der gesetzlichen Regelung Das bereits zustande gekommene Schuldverhältnis erlischt, wenn der Schuldner die dem Inhalt des Schuldverhältnisses entsprechende Leistung erbringt und infolgedessen der Gläubiger befriedigt wird. Trotzdem gibt es im KBGB keinen Terminus, der im Allgemeinen die nicht ordnungsgemäße 4
Selbstverständlich kann die Regelung der Mängelhaftung als lex specialis angesehen werden, sodass die kaufrechtliche Mängelhaftung die allgemeine Leistungsstörungshaftung verdrängt. Konsequenterweise können dann nur die Vorschriften der Mängelhaftung Anwendung finden. Trotzdem kann man dem Wesen der allgemeinen Leistungsstörungshaftung entnehmen, dass zumindest die nicht ausdrücklich vorgeschriebenen Gewährleistungsrechte, z.B. der Anspruch des Käufers auf Nachbesserung, dennoch aus den allgemeinen Haftungsregelungen heraus gewährt werden können: vor allem KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 231.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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Erfüllung des Schuldverhältnisses durch den Schuldner beschreibt. Aus diesem Grund gibt es im KBGB kein einheitliches Haftungssystem, das auf einem allgemeinen Begriff bzw. allgemeinen Tatbestand der Leistungsstörung basiert.5 Vielmehr werden im KBGB die Rechtsfolgen der typischen Leistungsstörungsarten, nämlich Unmöglichkeit sowie Verzug, ausdrücklich normiert.6 Es erfolgt im KBGB also eine Systematisierung nach der Art der Leistungsstörung, daher sind die jeweiligen Rechtsbehelfe nur als Rechtsfolgen einer bestimmten Leistungsstörungsart vorgesehen. So wird beispielsweise der Rechtsbehelf des Rücktritts untergliedert in Rücktritt wegen Erfüllungsverzuges gem. § 544, Rücktritt bei Fixgeschäft gem. § 545 und Rücktritt wegen Unmöglichkeit der Leistung gem. § 546. Jedoch gibt es keine Rücktrittsvorschrift mit einem einheitlichen Tatbestand. Da im KBGB keine Vorschrift vorhanden ist, die den Begriff bzw. den Inhalt der Leistungsstörung normiert, soll das Wesen der Leistungsstörung mit Hilfe von Lehre und Rechtsprechung konkretisiert werden. So akzeptiert die herrschende Meinung, dass trotz fehlender gesetzlicher Verankerung auch im KBGB die Figur der allgemeinen Leistungsstörung anerkannt werden kann. 7 Diese „allgemeine Leistungsstörung“ soll für sämtliche Schuldverhältnisse zur Geltung kommen und alle Formen der nicht ordentlich erbrachten Leistung erfassen. Gesetzliche Stütze ist laut herrschender Meinung § 390.8 Eigentlich statuiert § 390 aber nur eine Anspruchsgrundlage für den Schadensersatz, nicht aber eine allgemeine Regelung für die Leistungsstörung. § 390 sagt nur aus, dass dem Gläubiger aufgrund der Leistungsstörung bzw. Nichterfüllung ein Schadensersatzanspruch zugesprochen wird. Im Titel des § 390 wird der Begriff „Nichterfüllung“ verwendet, jedoch ist nach der Formu5 Im Gegensatz dazu wurde nach der Schuldrechtsmodernisierung die allgemeine Bezeichnung der Leistungsstörung, nämlich die Pflichtverletzung, in das BGB einbezogen. 6 So werden z.B. als Rechtsfolgen des Verzugs namentlich der Schadensersatz des Verzugsschadens (§ 392), Schadensersatz an Erfüllung statt beim Schuldnerverzug (§ 395) sowie der Rücktritt wegen Erfüllungsverzuges (§ 544) normiert. Demgegenüber ist im Fall der Unmöglichkeit der Rücktritt wegen Unmöglichkeit der Leistung (§ 546) normiert. 7 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 212; Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 30; Kim, Hyung-Bae, Lehrbuch über das Zivilrecht, S. 897 ff.; Kim, Ju-Su, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 181 ff.; Cho, KyuChang, Sachmängelhaftung im Kaufrecht, in: Logik und Intuition, S. 179 ff. 8 Die Rechtswissenschaft ist sich mindestens einig über die Rechtsfigur der allgemeinen Leistungsstörung und den Tatbestand der allgemeinen Leistungsstörung, der § 390 entspricht: Kwak, Jun-Jik, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 94 ff.; Kim, Hyung-Bae, Lehrbuch über das Zivilrecht, S. 896 ff.; Ahn, Bup-Young, in: Umwandlung des Privatrechts und Modernisierung, S. 113; ebenso in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Korea, 28.4.1992, 91Da29972 und 29.3.2007, 2006Da79742. Der Oberste Gerichtshof in Korea wird im Weiteren als KOGH abgekürzt.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
lierung des § 390 klar, dass trotz des Wortlautes die Nichterfüllung nicht nur solche Sachverhalte erfasst, in denen die Leistung völlig ausbleibt. Der Tatbestand des § 390 wird vielmehr als Generalklausel angesehen.9 Denn im Gegensatz zu den übrigen Leistungsstörungsrechten wird der Tatbestand des § 390 nicht nach den verschiedenen Arten der Leistungsstörung, sondern vielmehr nach dem allgemeinen Tatbestand der Leistungsstörung formuliert, sodass § 390 jede vorstellbare Art der Leistungsstörung erfasst. Aus diesem Grund leitet man aus dem Tatbestand der bestimmten Rechtsfolge, nämlich des Schadensersatzes, den allgemeinen Oberbegriff „Leistungsstörung“ ab, unter den alle Arten der Leistungsstörung subsumiert werden können.10 Auf diese Weise wird der Schadensersatz bloß als eine von mehreren Rechtsfolgen der Leistungsstörung angesehen. Die übrigen Rechte des Gläubigers, z.B. Rücktritt, die gem. § 543 ff. nur bei bestimmten Arten der Leistungsstörung einschlägig sind, bestehen lediglich in der Rechtsfolge dieser Leistungsstörung. In diesem Sinne wird der Tatbestand des § 390 als eine Kodifizierung der allgemeinen Leistungsstörung verstanden, sodass alle Rechtsinstitute wie z.B. Schadensersatz oder Rücktritt als reine Rechtsfolge dieser Leistungsstörung betrachtet werden, die in allen Schuldverhältnissen vorkommen können. Aus der Sicht des Gläubigers ist jedoch entscheidend, welche Rechtsfolgen mit der Erfüllung des Tatbestandes der Leistungsstörung gem. § 390 einhergehen. Denn abgesehen vom Schadensersatz werden andere Rechtsfolgen der Leistungsstörung nur unter der Voraussetzung des Vorliegens der bestimmten Art der Leistungsstörung zugebilligt. Das KBGB hat ausdrücklich nur zwei Arten der Leistungsstörung kodifiziert, nämlich den Verzug und die Unmöglichkeit, die jeweils auch mit eigenen Rechtsfolgen verknüpft werden. Beim Verzug kann der Gläubiger gem. § 544 vom Vertrag zurücktreten. Im Falle der Unmöglichkeit der Leistung kann der Gläubiger gem. § 546 ebenfalls den Rücktritt erklären. Diese zwei Arten der Leistungsstörung können wiederum unter die in § 390 kodifizierte Leistungsstörung subsumiert werden. Im Gegensatz dazu sieht das KBGB bezüglich des Rücktritts als Rechtsfolge der Leistungsstörung keine allgemeine Regelung vor. Daher gibt es auch keine gesetzliche Vorgabe, wie die Leistungsstörung abgesehen von Fällen des Verzugs sowie der Unmöglichkeit in Hinblick auf einen möglichen Rücktritt zu behandeln ist. Dies führt zu der Frage nach 9 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 12.; Kim, Dae-Jung, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 17 (2004), S. 9 kritisiert dahingehend, dass § 390 im Sinne der allgemeinen Regelung nur eine unvollkommene Vorschrift sei. 10 Obwohl die Leistungsstörung als allgemeiner Begriff nicht kodifiziert ist, wird im Schrifttum eine bestimmte Terminologie, Che Mu Bul I Heng, verwendet, um den Pflichtverletzungszustand benennen zu können.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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der Haftung im Rahmen der allgemeinen Leistungsstörung, nämlich inwiefern der Gläubiger im Falle der Schlechtleistung auch zum Rücktritt berechtigt ist, da die Schlechtleistung auch eine Form der allgemeinen Leistungsstörung ist. 11 Problematisch ist, dass die Schlechtleistung zwar als neue Art der Leistungsstörung anerkannt ist, es jedoch keine daran anknüpfende explizit normierte Rechtsfolge gibt. Dies stellt eine Lücke in der allgemeinen Leistungsstörungshaftung dar. Diese Problematik muss nach der Auslegung der allgemeinen Leistungsstörung sowie Lehrmeinung gelöst werden, weil es dafür keine gesetzgeberische Vorgabe gibt. Abgesehen von dieser Problematik kann jedoch aus dem gesetzlichen Kontext von Schadensersatz und Rücktritt ein wichtiges Haftungsprinzip der allgemeinen Leistungsstörung herausgefiltert werden. Wenn man Schadensersatz und Rücktritt als Rechtsfolgen der allgemeinen Leistungsstörungshaftung ansieht, ist diese Haftung eine verschuldensabhängige Haftung. Denn das Gesetz sieht für beide Rechtsinstitute das Verschulden als Haftungsvoraussetzung vor. 12 Dies wird klargestellt in § 390, der ja als Grundnorm der allgemeinen Leistungsstörung gilt. Demnach kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen, es sei denn der Schuldner hat die Leistung ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit nicht erbracht. Dieses verschuldensabhängige Haftungsprinzip wird durch die Regelung des Rücktritts bestätigt: Im Fall der Unmöglichkeit ist der Gläubiger gem. § 546 nur dann zum Rücktritt nochmal berechtigt, wenn die Leistung infolge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstandes unmöglich wird. Nach h.M. ist der vom Schuldner zu vertretende Umstand mit dem Verschulden des Schuldners im Sinne des § 390 S. 2 gleichzusetzen.13 Dagegen ist die Verschuldensabhängigkeit beim Rücktritt wegen Erfüllungsverzuges gem. § 544 nicht gesetzlich normiert: Abgesehen von der angemessenen Fristsetzung für die Erfüllung und dem fruchtlosen Verstreichen dieser Frist setzt § 544 kein Vertretenmüssen des Schuldners voraus. Jedoch geht man, da der Erfüllungsverzug einen Unterfall der allgemeinen Leistungsstörung darstellt, davon aus, dass das Haftungsprinzip auch hier ohne Abweichung durchgesetzt werden soll. Somit ist das Verschulden auch für den Rücktritt wegen Erfüllungsverzuges ein wesentliches Tatbestandsmerkmal. 14 In diesem 11 Im Allgemeinen wird die Schlechtleistung auch als eine Art Leistungsstörung anerkannt: KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 295 f.; Lee, Eun-Young, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 15 (1997), S. 70; ebenso in der Rechtsprechung KOGH, 28.4.1992, 91Da29972; KOGH, 29.3.2007, 2006Da79742; vgl. Seo, Kwang-Min, Sogang Law Journal, Vol. 1 (1999), S. 164 ff. 12 Dies ist herrschende Meinung: KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 213; so auch Ko, Sang-Yong, in: Probleme des Schadensersatzrecht, S. 26 ff. 13 Kim, Sang-Yong, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 136. 14 Anders als diese tradierte h.M. wird im Schrifttum eine differenzierte Ansicht vertreten. Nach einer Gegenansicht wird die Leistungsstörung erweitert und dabei unabhän-
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Sinne ist das Verschulden bei allen Formen der Leistungsstörung erforderlich für das Auslösen der Leistungsstörungshaftung.15 Neben der von der Lehre anerkannten allgemeinen Leistungsstörungshaftung ist im Kaufrecht des KBGB zusätzlich die Gewährleistungshaftung als eigenständiges Rechtsinstitut kodifiziert. In der kaufrechtlichen Gewährleistung, die in den §§ 570 ff. geregelt ist, steht der Begriff des Mangels im Vordergrund, weil sein Vorliegen als das die Gewährleistungshaftung auslösende Momentum fungiert. Gleichwohl wird in den Vorschriften des Kaufrechts nicht näher beschrieben, was unter einem Mangel zu verstehen ist.16 Dabei wird für die Mängelhaftung gem. §§ 570 ff. von einem objektiven Tatbestand, nämlich dem Vorliegen des Mangels ausgegangen. Das Verschulden hingegen spielt keine Rolle. 17 Dieses Haftungsprinzip unterscheidet sich also von dem der allgemeinen Leistungsstörung gem. § 390. In Zusammenhang mit dem Mangel der gelieferten Kaufsache, dem sog. Sachmangel, geht das Kaufrecht zwei unterschiedliche Wege. 18 Zunächst differenziert das KBGB zwischen dem Stückkauf und dem Gattungskauf und gewährt dem Käufer für beide Arten des Kaufvertrages unterschiedliche Gewährleistungsrechte. Liegt ein Sachmangel beim Stückkauf vor, kann der Käufer gem. § 580 in Verbindung mit § 575 Abs. 1 Schadensersatz verlangen und den Rückgig von einem Verschulden des Schuldners verstanden. Demnach ist das Verschulden nur die Voraussetzung für den Schadensersatz gem. § 390. Für andere Rechtsbehelfe des Gläubigers soll daher der Zurechnungsgrund jeweils unterschiedlich ermittelt werden (Lee, Eun-Young, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 203). Nach davon abweichender Ansicht lässt das Vorliegen der Leistungsstörung das Verschulden des Schuldners vermuten, daher ist das Erfordernis des Verschuldens gem. § 390 keine positive Voraussetzung des Schadensersatzes, vielmehr soll es als eine Befreiungsmöglichkeit des Schuldners verstanden werden (Park, Young-Bok, Korean journal of international trade and business law, Vol. 14, Nr. 2 (2005), S. 49 ff.). Eine wiederum differierende Ansicht behauptet, dass das Erfordernis des Verschuldens beim Rücktritt kein Haftungsprinzip impliziere. Vielmehr bestehe die wesentliche Voraussetzung des Rücktritts in der Fristsetzung für die Erfüllung und den erfolglosen Ablauf dieser Frist. Dies stützt sich auf den Wortlaut des § 544. Demnach stellt „der vom Schuldner zu vertretende Umstand“ im § 546 nicht das Verschulden des Schuldners dar. Vielmehr soll diese Tatbestand außer Acht bleiben (Park, Young-Bok, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 13, 14 (1996), S. 344 f.). 15 Dies ist herrschende Meinung: KBGB-Komm. Kwak/Kim, Yong-Duk, Schuldrecht (6), S. 274. 16 Für die Sachmangelgewährleistung ist gem. §§ 580, 581 nur erforderlich, dass „eine verkaufte Sache zur Zeit des Kaufes mit Fehlern behaftet ist“. Unklar bleibt, was unter dem Fehler der Kaufsache zu verstehen ist. 17 Vielmehr führt die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Käufers bezüglich des Mangels möglicherweise zu einer Haftungsbefreiung, vgl. § 575, §§ 580, 581. 18 Der Rechtsmangel, der dem Sachmangel gegenübersteht, wird auch im Kaufrecht seiner genauen Ausprägung entsprechend kodifiziert – siehe z.B. Gewährleistung wegen teilweisen Rechtsmangels in § 572, Gewährleistung bei Kauf einer mit einem dinglichen Recht belasteten Sache in § 575 usw.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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tritt erklären. Während der Schadensersatz nicht von weiteren Voraussetzungen abhängt, ist ein Rücktritt in diesem Falle jedoch nur möglich, wenn der Käufer den Zweck des Kaufvertrages nicht mehr erreichen kann.19 Dieser Rücktritt als kaufrechtliches Gewährleistungsrecht unterscheidet sich von dem in den §§ 543 ff. als Rechtsfolge der allgemeinen Leistungsstörung geregelten Rücktritt: Der Rücktritt im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht setzt tatbestandlich kein Verschulden des Verkäufers voraus, vielmehr hängt dieser Rücktritt nur vom objektiven Kriterium des Scheiterns des Kaufzwecks ab. D.h. der Rücktritt im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht wird unabhängig von einer bestimmten Art der Leistungsstörung normiert. Darüber hinaus ist der Tatbestand nicht von bestimmten Sachmängelarten abhängig – vielmehr gibt es dort eine allgemeingültige Regelung für alle Sachmängelformen. Trotz des unterschiedlichen Haftungsprinzips und der unterschiedlichen Tatbestände beim Rücktritt des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts wird in beiden Formen die gleiche Terminologie des Rücktritts – Hae Se – verwendet.20 Das Problem der zu spärlichen Kodifikation begegnet erneut beim Schadensersatz im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht. Im Kaufrecht ist lediglich normiert, dass der Käufer im Falle eines Mangels Schadensersatz verlangen kann. Weitere Angaben über tatbestandliche Voraussetzungen sowie Umfang des Schadensersatzes gibt es im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht nicht. Diese bestimmen sich je nach dem Verständnis der Mängelhaftung unterschiedlich. Die Vorschrift über Gewährleistung wegen Sachmängel beim Stückkauf findet gem. § 581 Abs. 1 entsprechende Anwendung auf den Gattungskauf. Bei der Differenzierung zwischen Stück- und Gattungskauf ist im Rahmen des Gewährleistungsrechts hervorzuheben, dass dem Käufer nur bei einem mangelhaften Gattungskauf ein Ersatzlieferungsanspruch gesetzlich zuge19
Dies ergibt sich aus dem Verweis des § 580 Abs. 1 auf § 575 Abs. 1. Da der Rücktritt als Mängelgewährleistungsrecht im Kaufrecht kein Verschulden des Verkäufers (Schuldner) voraussetzt, entspricht er der Wandlung des BGB a.F. Trotzdem gibt es im KBGB keine unterschiedlichen Termini. Der gesetzliche Ausdruck für den Rücktritt ist in beiden Haftungsregimen des KBGB identisch und lautet Hae Se. Da die gleiche Terminologie für beide Haftungsregime verwendet wird, wird zumindest die Rechtsfolge des Hae Se nach beiden Haftungsregimen als identisch angesehen (Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung,, S. 157; KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 525). Darüber hinaus wird im Rahmen der Mängelgewährleistung im Kaufrecht nur statuiert, dass der Käufer Hae Se verlangen kann. Es gibt keine Angabe über eine Sperrwirkung des Hae Se der Mängelgewährleistung. Aus diesem Grund gibt es keinen Konflikt mit der Rechtsfolge des Hae Se im Rahmen der Mängelgewährleistungshaftung. Die Vorschrift, die die Wirkung des Rücktritts regelt, nämlich § 548, gilt auch unverändert für Hae Se als Mängelgewährleistungsrecht des Käufers. 20
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
standen wird. Dies ist der einzige gesetzliche Niederschlag einer Nacherfüllungsmöglichkeit beim Kaufvertrag. Gem. § 581 Abs. 2 wird dem Käufer bei Vorliegen eines Mangels die Ersatzlieferung als zusätzliches Gewährleistungsrecht eingeräumt – es kann jedoch nur an Stelle der anderen üblichen Gewährleistungsrechte, nämlich Rücktritt sowie Schadensersatz, geltend gemacht werden. II. Widersprüchlichkeit des dualen Mängelhaftungssystems Der Streit um die Mangelgewährleistungshaftung ist darauf zurückzuführen, dass die gesetzliche Regelung lückenhaft ist: Im Kaufrecht ist nur normiert, dass der Käufer bei Vorliegen eines Mangels den Rücktritt erklären sowie Schadensersatz verlangen kann. Nicht hingegen ist normiert, welche Tatbestandsvoraussetzungen und welchen Umfang der Schadensersatz im Rahmen der Mangelgewährleistungshaftung besitzt und welches Verhältnis zwischen dem Rücktritt der Mangelgewährleistungshaftung und dem Rücktritt nach den §§ 543 ff. der allgemeinen Leistungsstörungshaftung sowie zwischen dem Schadensersatz der Mangelgewährleistungshaftung und dem Schadensersatz gem. § 390 besteht. Diese Lücke soll durch die Rechtsdogmatik geschlossen werden. Der damit zusammenhängende Meinungsstreit hat seinen Ursprung in der Charakterisierung der Mängelhaftung.21 Eine Ansicht sieht die Mangelgewährleistungshaftung im Kaufrecht als eine Art der allgemeinen Leistungsstörung, jedoch in besonderer Ausprägung. 22 Nach der Gegenansicht ist die Mangelgewährleistungshaftung ein eigenes kaufrechtliches Rechtsinstitut, das mit der allgemeinen Leistungsstörung in keinem Zusammenhang steht.23 Im Rahmen der Mängelhaftung geht es stets um das Vorliegen eines Mangels, weswegen sich der vorliegende Streit auch darauf konzentriert, was das Wesen des Mangels ausmacht. Denn alle Gewährleistungsrechte des Käufers sind als Rechtsfolgen des Mangels von dessen universeller Definition abhängig. Je nach Lesart kann das Gewährleistungsrecht als Rechtsfolge des Mangels unterschiedlich ausgestaltet werden. Auch unterscheidet sich das Verständnis des Mangels danach, ob dem Käufer weitere, 21 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 28; Kim, Dae-Jung, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 9, 10 (1993), S. 242 f. 22 Dies ist herrschende Meinung: Kim, Hyung-Bae, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 225; Lee, Eun-Young, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 313 f.; KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 231; KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 236; so auch in der Rechtsprechung: KOGH, 29.12.1970, 70Da2449; KOGH, 23.11.1993, 93Da37328; KOGH, 22.7.2004, 2002Da51586. 23 In diesem Sinne vor allem KBGB-Komm. Park/Kim, Hyun-Che, Schuldrecht Besonderer Teil (3), S. 178; Kim, Jung-Han, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 146; Kwak, Jun-Jik, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 166.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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im Kaufrecht nicht ausdrücklich geregelte gewährleistungsrechtliche Rechtsbehelfe eingeräumt werden. Dies ist die Frage nach der Ausdehnung des Gewährleistungsrechts über seine gesetzliche Normierung hinaus. Wie oben erwähnt,24 sieht das KBGB zwei unterschiedliche Haftungsregime vor, die im Prinzip parallel anwendbar sind. Das eine ist die allgemeine Leistungsstörungshaftung, die die verschuldensabhängigen Rechtsbehelfe des Rücktritts gem. §§ 543 ff. sowie des Schadensersatzes gem. § 390 umfasst. Dabei kann sich die allgemeine Leistungsstörungshaftung auch auf kaufrechtliche Schuldverhältnisse erstrecken, weil diese Haftung für sämtliche Schuldverhältnisse gelten soll.25 Das andere Haftungsregime ist die Mängelgewährleistungshaftung, die im Kaufrecht statuiert ist. Nach der gesetzlichen Regelung ist die Mängelgewährleistungshaftung eine verschuldensunabhängige Haftung.26 Zudem knüpft die Mängelhaftung nur an das objektive Vorliegen eines Mangels an. Wenn man annimmt, dass das allgemeine Leistungsstörungsrecht als allgemeine Regelung auch auf das kaufrechtliche Mängelhaftungsrecht Anwendung finden soll, treten beide Haftungsregime in Konkurrenz zueinander, da sie auf zwei unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen beruhen: Dem Verschulden einerseits und dem Vorliegen eines objektiven Mangels andererseits. Auch beim Rücktritt zeigen sich Unterschiede: Die allgemeine Leistungsstörung gem. §§ 543 ff. stellt auf den Verzug oder die Unmöglichkeit ab, das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht gem. §§ 580 ff., dagegen nur auf das Ausbleiben des vom Käufer verfolgten Vertragszwecks wegen des Mangels. Auch unterscheidet sich der Schadensersatz der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung vom Schadensersatz gem. § 390 durch das fehlende Verschuldenserfordernis. Daher versucht die Lehre, das Verhältnis zwischen allgemeiner Leistungsstörung und Gewährleistung widerspruchsfrei zu erklären. Hier gibt es vereinfacht gesagt zwei Lösungsansätze – die Erfüllungstheorie und die Gewährleistungstheorie.27 24
S. Teil 4, Kapitel 1, B, I. Mit Rücksicht auf den Tatbestand des § 390 wird deutlich, dass die dort erwähnte Voraussetzung der Leistungsstörung für alle Arten von Schuldverhältnissen gilt, in denen eine Schlechtleistung erfolgt ist. Wie sich Schlechtleistung und Rücktritt zueinander verhalten, ist dagegen unklar, denn der Rücktritt ist, anders als der Schadensersatz gem. § 390, im KBGB ausdrücklich nur für die Fälle von Unmöglichkeit und Verzug geregelt. 26 Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 138 f.; Sa, Dong-Cheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 213. 27 Dieselbe Problematik findet sich im japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch. Das KBGB ist aus historischen Gründen dem JBGB sehr ähnlich - sowohl was die einzelnen Vorschriften angeht, als auch die Gesamtstruktur. Nach Ende der Kolonialbesetzung durch Japan galt das damalige JBGB in Korea vorübergehend fort. Trotz der Befreiung Koreas hatte das JBGB großen Einfluss auf die Schaffung des KBGB. Wenig überra25
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Der Ausgangspunkt beider Theorien ist die Einordnung eines vorliegenden Mangels im Hinblick auf das Schuldverhältnis.28 Der Ansatz der Erfüllungstheorie geht vom Mangel als eine Art Leistungsstörung aus und bewertet sein Vorliegen als Schlechtleistung. Hingegen nimmt die Gewährleistungstheorie an, dass der Verkäufer auch bei Lieferung einer mangelhaften Sache seinerseits alle Leistungspflichten erfüllt habe und keine Schlechtleistung vorliege. Für die rechtliche Bewertung des Mangels ist zunächst festzustellen, ob der Verkäufer aufgrund des Kaufvertrages eine vereinbarungsgemäße Beschaffenheit der Kaufsache schuldet.29 Auf der Seite des Käufers stellt sich die Frage, ob er vom Verkäufer aufgrund des abgeschlossenen Kaufvertrages die Lieferung der Kaufsache verlangen kann, die die im Kaufvertrag vereinbarten Merkmale besitzt – dies ist auch eine Frage des Umfangs der Erfüllungspflicht des Verkäufers. In § 568 Abs. 1, der die Pflichten beider Vertragsparteien regelt, bleibt unerwähnt, ob der Verkäufer zu einer derartigen Leistung verpflichtet ist. Denn anders als in § 433 Abs. 1 S. 2 BGB schuldet der Verkäufer gem. § 568 Abs. 1 nicht explizit die Lieferung einer von Sach- und Rechtsmängeln freien Sache. Vielmehr statuiert § 568 Abs. 1 lediglich, dass der Verkäufer dem Käufer das Recht an dem Gegenstand verschaffen muss. Wenn man die Erfüllungspflicht des Verkäufers dahingehend versteht, dass die Kaufsache gemäß der von beiden Parteien vereinbarten Beschaffenheit geliefert werden muss, kann nur die Lieferung einer mangelfreie Sache eine Erfüllung des Kaufvertrages darstellen – auch wenn eine solche Pflicht des Verkäufers nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. In diesem Sinne ist das Vorliegen eines Mangels der Kaufsache an sich als Verletzung der Leistungspflicht anzusehen. Folgerichtig müsste die kaufrechtliche Mängelhaftung als Unterfall der allgemeinen Leistungsstörungshaftung betrachtet werden. Vertritt man dagegen die Auffassung, dass eine solche Leistungspflicht des Verkäufers aus dem Kaufvertag nicht hergeleitet werden kann, wird die Lieferung der Kaufsache, die die vereinbarte Beschaffenheit nicht besitzt, rechtlich trotzdem als vollständige Erfüllung angesehen. Somit würde die Mängelhaftung aus der allgemeinen Leistungsstörungshaftung ausgegliedert. Die Mängelhaftung würde dann als Sonderfall angesehen, da trotz
schend findet sich auch im JBGB das duale Haftungssystem. Auch wurden beide Lösungsansätze, die ursprünglich der Auseinandersetzung im BGB a.F. entsprangen, auf dem Wege über Japan übernommen: eingehend Ahn, Bup-Young, in: Umwandlung des Privatrechts und Modernisierung, S. 102 ff. 28 Vgl. KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 220. 29 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 248 ff.; Sa, Dong-Cheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 176 ff.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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ordentlicher Erfüllung im rechtlichen Sinne eine Haftung des Verkäufers gegeben wäre.30 Die Erfüllungstheorie folgt dem ersten Ansatz, folgerichtig ist danach die Mängelhaftung nichts anderes als ein lex specialis zur allgemeinen Leistungsstörung. 31 Die Besonderheit der Mängelhaftung folgt aus dem Haftungsprinzip, das abweichend von der Verschuldenshaftung der allgemeinen Leistungsstörung bei Mängeln eine verschuldensunabhängige Haftung vorsieht. Sie soll dem besonderen Schutz des Käufers dienen.32 Nach der Gewährleistungstheorie, die die Mängelhaftung als besondere gesetzliche Haftung betrachtet, ist die Mängelhaftung kein Unterfall der allgemeinen Leistungsstörung, da diesbezüglich kein Erfüllungsversäumnis vorliege. 33 Daher zielt die Mängelhaftung nach dieser Auffassung allein darauf, dass das wegen der Mängel gestörte Äquivalenzverhältnis zwischen Kaufsache und Kaufpreis korrigiert wird. 34 Der Unterschied zwischen Erfüllungs- und Gewährleistungstheorie wird nur beim Sachmangel im Rahmen eines Stückkaufes bedeutsam – denn bei mangelhaften Gattungskäufen und bei Rechtsmängeln wird die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand durchaus vom KBGB anerkannt. Die Pflicht zur Lieferung einer rechtsmängelfreien Kaufsache kann man direkt dem § 568 Abs. 1 entnehmen, der ausdrücklich vorsieht, dass der Verkäufer dem Käufer die entsprechenden Rechte an dem Kaufgegenstand verschafft. Die Pflicht zur Lieferung der Kaufsache in mangelfreiem Zustand beim Gattungskauf ist in den §§ 375 Abs. 1, 581 Abs. 2 verankert. Aus dem Kontext beider Vorschriften, die die Pflichten des Verkäufers beim Gattungskauf regeln, kann nach h.M. eine Erfüllungspflicht des Verkäufers auf Lieferung einer nicht sachmängelbehafteten Kaufsache abgeleitet werden.35 30
Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 199. KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 231; KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 236; Kim, Hyung-Bae, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 225; Lee, Eun-Young, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 313 f.; Sa, DongCheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 168 ff.; Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 246 ff. 32 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 231; KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 236; Kim, Dae-Jung, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 9, 10 (1993), S. 269. 33 KBGB-Komm. Park/Kim, Hyun-Che, Schuldrecht Besonderer Teil (3), S. 178.; Kim, Jung-Han, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 146; Kwak, Jun-Jik, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 166, Kim, Ki-Sun, Schuldrecht Besonderer Teil des KBGB, S. 134. 34 Kim, Jung-Han, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 146. 35 Vor allem KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 249. In diesem Sinne Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 249. Nach dieser Ansicht könne eine derartige Leistungspflicht des Verkäufers beim Gattungskauf insbesondere aus der Erwägung befürwortet werden, dass der Käufer trotz Vorliegens eines Mangels vom Verkäufer 31
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Der KOGH36 stellt in seiner Rechtsprechung nicht klar, welcher der beiden Theorien er in Zusammenhang mit der Mängelhaftung folgt – in der Rechtsprechung zur Mängelhaftung kommt deren rechtlicher Charakter nämlich nicht direkt zum Ausdruck. Es lässt sich jedoch eine Tendenz herauslesen, dass der KOGH den Ersatz des Erfüllungsinteresses im Rahmen des gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzes anerkennt.37 Im Fall von Rechts- und Sachmängeln beim Gattungskauf verpflichtet der KOGH den Verkäufer zum Schadensersatz des Erfüllungsinteresses, 38 was andeutet, dass in der Rechtsprechung die Mängelhaftung im Rahmen von Gattungskäufen als Unterfall der allgemeinen Leistungsstörungshaftung angesehen wird. Die Rechtsprechung zum Sachmangel beim Stückkauf dagegen ist uneinheitlich. In einigen Fällen brachte der KOGH zum Ausdruck, dass das Wesen der Mängelhaftung in der Haftung für die Schlechtleistung bestehe und der Verkäufer zur Leistung einer mangelfreien Kaufsache verpflichtet sei. 39 Im Gegensatz dazu wurde in einem anderen Urteil des KOGH zu einer ähnlichen Konstellation dieser Standpunkt mittelbar angezweifelt.40 Der grundlegende Ansatz der Gewährleistungstheorie, die beim Stückkauf die Pflicht des Verkäufers zur Leistung einer mangelfreien Kaufsache verneint, ist § 462 und das daraus gefolgerte sog. „Stückschulddogma“. Nach dem Wortlaut des § 462 ist der Verkäufer beim Stückkauf nur dazu verpflichtet, die bestimmte Kaufsache „in dem Zustand, in dem sie sich zur Zeit der Leistung befindet“, zu liefern, sodass es für den Verkäufer beim Stückkauf keine Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache gibt. 41 Nach diesem „Stückschulddogma“ beschränkt sich die Leistung des Verkäufers bzw. der Gegenstand der Erfüllungspflicht des Verkäufers nur auf beim Gattungskauf ohnehin die mangelfreie Kaufsache mit Hilfe der Ersatzlieferung gem. § 581 Abs. 2 verlangen könne. Dies überzeugt m.E. nicht, denn der Anspruch auf die Ersatzlieferung ist lediglich eine Rechtsfolge des Vorliegens eines Mangels. Die Rechtsfolge geht m.E. nicht mit einer Definition der Leistungspflicht des Verkäufers einher. Selbst wenn nämlich eine derartige Leistungspflicht des Verkäufers negiert würde, bliebe die Ersatzlieferung als Rechtsbehelf des Käufers bestehen. Es handelt sich folglich um einen Zirkelschluss. 36 Der Oberste Gerichtshof in Korea. 37 KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 249–251. 38 Für Rechtsmangel: KOGH, 18.5.1967, 66Da2618. Für Sachmangel beim Gattungskauf: KOGH, 14.11.1989, 89DaKa15298. 39 KOGH, 14.4.1992, 91Da17146, 17153; KOGH, 22.7.2004, 2002Da51586. 40 KOGH, 30.6.1995, 94Da23920: In diesem Urteil hat der KOGH ausgeführt, dass die Mängelgewährleistungshaftung im Kaufrecht eine gesetzliche Sonderhaftung ist, in der das Verschulden des Verkäufers nicht erforderlich ist. 41 KBGB-Komm. Kwak/Kim, Dae-Hui, Schuldrecht (4), S. 54; Park, Hee-Ho, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 34 (2006), S. 114 ff.; Vgl. Sa, Dong-Cheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 157.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
165
die Auslieferung der bereits im Kaufvertrag bestimmten Kaufsache, sodass er nicht die im Vertrag vereinbarte Sollbeschaffenheit der Kaufsache zu gewährleisten hat. Ein anderer Ansatz der Gewährleistungstheorie, der dem „Stückschulddogma“ nahesteht, ist die Lehre von der anfänglichen Unmöglichkeit, die auf § 535 basiert. Wenn beim Stückkauf ein Mangel auftritt, ist dies nach der Gewährleistungstheorie als teilweise anfängliche Unmöglichkeit anzusehen, da es dem Verkäufer beim Stückkauf unmöglich ist, das jeweilige Stück mangelfrei zu liefern. Insoweit treffe den Verkäufer keine Schuld.42 Im Prinzip ist nach dem Sinn des § 535 ein solcher Vertrag nichtig, da er auf eine anfänglich unmögliche Leistung abzielt. Demnach soll der Kaufvertrag auch insgesamt nichtig sein, wenn wegen der Sachmängel beim Stückkauf eine teilweise anfängliche Unmöglichkeit vorliegt. Die Mängelgewährleistung bleibt jedoch erhalten, indem eben jene anfängliche Unmöglichkeit als Ausnahme deklariert wird. Daher wird der Kaufvertrag nicht insgesamt nichtig, vielmehr trifft den Verkäufer im Rahmen der Mängel lediglich keine Schuld.43 M.E. wird das Stückschulddogma damit begründet, dass dem Verkäufer die Lieferung einer anderen mangelfreien Kaufsache beim Stückkauf unmöglich ist, denn der Gegenstand des Stückkaufs ist von Anfang an im Kaufvertrag bestimmt worden. Daher muss der Verkäufer beim Stückkauf die bereits bestimmte Ware trotz der Abweichung von der im Kaufvertrag vereinbarten Beschaffenheit als Kaufgegenstand liefern. Meiner Ansicht nach regelt § 462 in diesem Rahmen nur die Art und Weise der Übergabe des Gegenstandes der Stückschuld. Diese Vorschrift sagt hingegen nichts über den Inhalt der Leistungspflicht beim Stückkauf aus. In diesem Sinne besagt § 462 nur, dass der Verkäufer eine andere Sache als den Kaufgegenstand des Stückkaufs nicht liefern darf und auch der Käufer keine andere als die schon bestimmte Kaufsache verlangen kann. 44 In diesem Sinne verwechselt die der Gewährleistungstheorie zugeneigte Ansicht die Leistungspflicht als den anzustrebenden Sollzustand des Vertrags mit der tatsächlichen Behebbarkeit des Mangels im Stückkauf. Die Gewährleistungstheorie schließt die Pflicht zur Lieferung der mangelfreien Kaufsache durch den Verkäufer im Stückkauf aus, weil die Möglichkeit der Lieferung einer anderen mangelfreien Sache nicht vorhanden sei. Daher begrenzt die Gewährleistungstheorie die Leistungspflicht des Verkäufers im Stückkauf unter Berufung auf § 462 auf die einzig verbliebene Möglichkeit der Lieferung der Kaufsache. Aber unmittelbar aus dieser Ausgestaltung der Leistungspflicht soll nach dieser Ansicht die Haftung des Verkäufers, nämlich die Mängelhaftung, resultieren, obwohl die Leistung im rechtlichen Sinne 42
Vgl. KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 225. Kim, Ki-Sun, Schuldrecht Besonderer Teil des KBGB, S. 132. 44 Ebenso Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 36 f. 43
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
als vollkommen bewirkt gilt. Es versteht sich von selbst, dass trotz der rechtlichen Fiktion vom Umfang der Leistungspflicht die verletzte Interessenlage der Parteien korrigiert werden muss. Die Behebbarkeit des Mangels sollte m.E. nur im Rahmen der Rechtsbehelfe eine Rolle spielen und nicht bereits im Stadium der Festlegung des Umfangs der Leistungspflicht. Die Leistungspflicht muss ermittelt werden, um den von den Vertragsparteien intendierten Sollzustand festzulegen. Wenn der Istzustand mit dem Sollzustand verglichen wird, kann eine Abweichung zum Vorschein kommen, die als Leistungsstörung qualifiziert wird. Die Frage nach der (teilweise) anfänglichen Unmöglichkeit der Vertragserfüllung darf in diesem Stadium keine Rolle spielen. Denn unter diesem Gesichtspunkt kann der Gegenstand des Vertrags auch eine Leistung sein, die zur Zeit des Vertragsschlusses wegen Unmöglichkeit nicht gefordert werden konnte. Da aufgrund einer derartigen Leistungsstörung Rechtsbehelfe zum Zuge kommen können, verliert ein Vertrag nicht wegen einer anfänglichen Unmöglichkeit seine Bedeutung.45 Die vorgesehenen Rechtsbehelfe können aufgrund der auf diese Weise festgestellten Leistungsstörung beansprucht werden. In diesem Sinne soll die Leistungspflicht des Verkäufers unmittelbar der Vereinbarung der Vertragsparteien entnommen werden – auch wenn es sich um einen Stückkauf handelt. Es ist nämlich selbstverständlich, dass der Käufer auch beim Stückkauf diejenige Kaufsache erlangen möchte, die seinen Erwartungen entspricht. Dogmatisch verkennt die Auffassung der Gewährleistungstheorie das Wesen der Leistungspflicht des Verkäufers beim Stückkauf. Diese Ansicht lässt auch den Praxisbezug vermissen, weil eine derartige Auslegung der Leistungspflicht nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprechen kann. Es gibt keine Interessenlage der Vertragsparteien, die diese rechtlich fingierte, eingegrenzte Leistungspflicht des Verkäufers im Stückkauf rechtfertigen könnte. III. Verständnis der Mängelhaftung und der Einfluss auf die Nacherfüllung Nach der hier vertretenen Ansicht ist das Vorliegen eines Mangels als Unterfall der Leistungsstörung anzusehen. D.h. die Lieferung einer mangelhaften Sache durch den Verkäufer stellt eine Leistungspflichtverletzung dar. Dieses Verständnis vom Mangel geht von der Leistungspflicht des Verkäufers aus, die direkt der kaufvertraglichen Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer entspricht. Manche führen als gesetzliche Grundlage
45 Insoweit wird die Maxime des römischen Rechts über die anfängliche Unmöglichkeit „impossibilium nulla obligatio“ zurückgedrängt.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
167
der so verstandenen Leistungspflicht den § 568 an, der die Verschaffung des Rechts am Kaufgegenstand als Pflicht des Verkäufers vorsieht.46 Aber m.E. bringt diese Vorschrift nur die aus dem Kaufvertrag resultierende Pflicht des Verkäufers zur Verschaffung des Rechts an der Kaufsache zum Ausdruck, nicht jedoch irgendwelche Pflichten des Verkäufers, die mit der Beschaffenheitsvereinbarung zusammenhängen. Vielmehr kann man die gesetzliche Stütze der Leistungspflicht in § 390 finden, der als Generalklausel der allgemeinen Leistungsstörung angesehen wird. Nach dessen Wortlaut liegt eine Leistungsstörung vor, wenn nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses eine Verbindlichkeit nicht in gehöriger Weise erfüllt wird. Als Umkehrschluss aus § 390 ergibt sich die Leistungspflicht des Schuldners. Dies gilt auch für die kaufrechtlichen Schuldverhältnisse. Um die kaufrechtliche Leistungspflicht zu ermitteln, muss der Wille der Vertragsparteien, der den tatsächlichen vertraglichen Vereinbarungen zu entnehmen ist, berücksichtigt werden. Dieser geht dahin, dass die Kaufsache im mangelfreien Zustand geliefert werden soll – unabhängig davon, ob es sich um einen Stück- oder einen Gattungskauf handelt. Im Gegensatz zur Debatte über das Wesen des Mangels und die dogmatische Einordnung der Mängelhaftung wird über die Rechtsbehelfe, die als Rechtsfolge der Mängelhaftung gewährt werden, in der Literatur wenig diskutiert, obwohl diese praktisch viel bedeutender sind – so interessiert den Käufer, welche Rechtsbehelfe ihm zustehen. Nicht minder interessiert dies den Verkäufer, der ihnen möglicherweise unterliegt. Das Problem der Rechtsbehelfe ist nicht bereits dadurch gelöst, dass mit der Erfüllungstheorie die Lieferung einer mangelhaften Kaufsache als Verletzung der Leistungspflicht des Verkäufers angesehen wird. Denn das KBGB sieht als Rechtsfolge der allgemeinen Leistungsstörung keine auf die Schlechtleistung abzielenden Rechtsbehelfe vor, sondern normiert die Mängelhaftung gesondert.47 46
Z.B. KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 260. Dies ist problematisch im Zusammenhang mit dem Schadensersatz in § 390. Selbstverständlich schreibt § 390 den Schadensersatz als Rechtsfolge jeder Leistungsstörung vor, sodass der Schadensersatz theoretisch auch als Leistungsstörungshaftung im Fall der Schlechtleistung relevant werden kann. D.h. § 390 soll auch gelten, wenn das Vorliegen des Mangels der Kaufsache als Schlechtleistung betrachtet wird. Ob der Schadensersatz im kaufrechtlichen Mangelgewährleistungsrecht nur eine bloße Wiedergabe der Schadensersatznorm des § 390 ist, ist nicht einfach zu beantworten, weil die Mängelhaftung anders als die Haftung des § 390 eine verschuldensunabhängige Haftung ist. Nach der Ansicht, die die Erfüllungstheorie lückenlos durchsetzen will, entspricht der Schadensersatz in der Mängelgewährleistung dem Schadensersatz in § 390, sodass konsequenterweise das Haftungsprinzip in § 390 auch für den mängelgewährleistungsrechtlichen Schadensersatz gilt. Obwohl das Verschulden in den Mängelgewährleistungsvorschriften des Kaufrechts nicht als Tatbestandsmerkmal für den Schadensersatz normiert ist, ist nach dieser Ansicht trotzdem das Verschulden des Verkäufers für den Anspruch 47
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Selbst wenn die Lieferung der mangelhaften Kaufsache als Schlechtleistung qualifiziert werden könnte, kann aufgrund des widersprüchlichen Haftungsprinzips die Mangelgewährleistungshaftung nicht in die allgemeine Leistungsstörungshaftung integriert werden. D.h. nach der Erfüllungstheorie muss wiederum klargestellt werden, wie genau die Rechtsbehelfe des Käufers, nämlich Rücktritt sowie Schadensersatz, im Rahmen der Mängelhaftung ausgestaltet sind und welcher Unterschied zum Rücktritt sowie Schadensersatz im Rahmen der allgemeinen Leistungsstörungshaftung besteht. Wenn man der Gewährleistungstheorie folgt, nach der die Leistungspflicht des Verkäufers restriktiv zu verstehen ist und die Mängelhaftung als besondere gesetzliche Haftung anzusehen ist, bleibt kaum Raum für die Erweiterung der Rechtsbehelfe über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Denn nach der Gewährleistungstheorie wird die Mängelhaftung als besondere Haftung angesehen, die trotz vollkommener Leistungserfüllung des Verkäufers dem Käufer jedenfalls, aber auch nur dann erweiterte Rechtsbehelfe einräumt, wenn dies gesetzlich niedergelegt ist. Der im Kaufrecht normierte Rechtsbehelfskatalog ist demzufolge abschließend. Im Gegensatz dazu wird nach der Erfüllungstheorie die Leistungspflicht des Verkäufers im Falle der Lieferung der mangelhaften Kaufsache nicht vollständig erfüllt. In dieser nicht vollständig erfüllten Leistungspflicht findet sich nach der Erfüllungstheorie der Ansatz für eine über das Gesetz hinausgehende Ausweitung der Rechtsbehelfe. Da die Leistung des Verkäufers nach dieser Ansicht im Falle eines Mangels nicht vollständig sowie nicht ordentlich bewirkt wird, ist der Käufer auch nach der Lieferung der Kaufsache berechtigt, die Erfüllung in Form der Lieferung einer mangelfreien Kaufsache erneut zu verlangen. 48 Von diesem auch nach der Lieferung der Kaufsache noch existenten Erfüllungsanspruch geht der Nacherfüllungsanspruch des Käufers aus, der durch Auslegung und nicht unmittelbar aus den kaufrechtlichen Gesetzregelungen hergeleitet wird. Das Hinzufügen des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf steht mit der Mängelhaftung in Einklang, da die Nacherfüllung kein Verschulden des Verkäufers voraussetzt und es somit kein Widerspruch zum Haftungsprinzip im Kaufrecht gibt. Eine abweichende Meinung spricht sich trotz Befürwortung der Erfüllungstheorie gegen den Nacherfüllungsanspruch wegen eines Sachmangels auf Schadensersatz seitens des Käufers erforderlich (Cho, Kyu-Chang, Sachmängelhaftung im Kaufrecht, in: Logik und Intuition, S. 211 ff.). Aber m.E. muss der Schadensersatz wie andere Gewährleistungsrechte des Käufers in der Mängelhaftung verschuldensunabhängig sein: so auch Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 205. 48 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 231, 310 f.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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aus.49 Zunächst führt diese Ansicht an, dass dem Verkäufer im Zusammenhang mit seinem Kaufvertrag rechtliche Unsicherheit drohe, wenn dem Käufer generell ein Nacherfüllungsanspruch bei Vorliegen eines Mangels eingeräumt werde. Zudem findet diese Ansicht eine Stütze in der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung von Kaufvertrag und Werkvertrag. Im Rahmen der werkvertraglichen Regelungen gem. §§ 664 ff. wird der Nacherfüllungsanspruch als Gewährleistungsrecht des Bestellers wegen des Mangels in § 667 explizit normiert. Da eine dem § 667 entsprechende Vorschrift für den Kaufvertrag nicht vorhanden ist, könne nach dieser Meinung der Nacherfüllungsanspruch, abgesehen von der ausdrücklich normierten Ersatzlieferung beim Gattungskauf gem. § 581 Abs. 2, im Rahmen des Kaufrechts nicht anerkannt werden. Der Verkäufer sei anders als der Unternehmer beim Werkvertrag nicht immer der Hersteller und daher nicht zur Nacherfüllung befähigt. M.E. ist dies mit Rücksicht auf den gesellschaftlichen Wandel nicht überzeugend: Selbst wenn der Verkäufer reiner Zwischenhändler ist, kann er in Zeiten der Marktwirtschaft die erforderliche Leistung für die Nacherfüllung auf seine Kosten beschaffen. Denn ob der Verkäufer die Nacherfüllung persönlich leistet, ist unerheblich – vielmehr kommt es darauf an, ob dem Verkäufer die Beschaffung der benötigten Leistung auf dem Markt zugemutet werden kann, falls er selbst zur Nacherfüllung nicht fähig ist. Dies stellt für den Verkäufer daher kein übermäßiges Risiko dar, weil er alle erforderlichen Leistungen für die Nacherfüllung auf dem Markt anschaffen kann. Darüber hinaus wird die Nacherfüllungsmöglichkeit des Verkäufers, wie schon die Praxis zeigt, im Kaufvertrag häufig als primäre Lösung bei Vorliegen eines Mangels vereinbart.50 D.h. im praktischen Sinne ist die Nacherfüllung für den Verkäufer eher vorteilhaft, weil er dadurch die Ausübung des Rücktritts des Käufers im Rahmen der Mängelgewährleistung abwenden kann. In diesem Sinne kann die Mängelgewährleistungsregelung des Kaufvertrages im KGBG den Regeln des Werkvertrages angeglichen werden,51 denn sowohl der Verkäufer als auch der Werkunternehmer können selbst oder durch Einschaltung eines Dritten auf ihre Kosten den „vertraglichen Erfolg“ herbeiführen. M.E. ist es nur historisch bedingt, dass der allgemeine Nacherfüllungsanspruch im Rahmen des Kaufrechts anders als im Werkvertragsrecht nicht kodifiziert wurde. 49 Z.B. Ahn, Chun-Su, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 11, 12 (1995), S. 434; eingehend KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 537. 50 Lee, Eun-Young, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 341; Cho, Kyu-Chang, Sachmängelhaftung des Vermieters, in: Logik und Intuition, S. 348; Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 263. 51 Für die Ähnlichkeit zwischen dem Kaufvertrag und dem Werkvertrag: Kim, KyuWhan, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 25 (2004), S. 345.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
C. Nacherfüllungsanspruch als allgemeine Mängelhaftung Nach der Erfüllungstheorie basiert der Nacherfüllungsanspruch auf dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch, der dem Käufer das Recht einräumt, die Lieferung der mangelfreien Kaufsache stets zu beanspruchen, unabhängig davon, ob der Verkäufer die Kaufsache bereits geliefert hat. Selbst wenn man der Erfüllungstheorie folgt und die Leistungspflicht des Verkäufers zur Lieferung einer mangelfreien Kaufsache anerkennt, kann der Erfüllungsanspruch im Falle eines Mangels nicht in der ursprünglichen Form gelten, weil der Käufer die mangelhafte Ware bereits erhalten hat. Für den Nacherfüllungsanspruch muss daher der ursprüngliche Erfüllungsanspruch modifiziert werden und in zwei Modalitäten - in Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch – unterteilt werden, sodass der Mangel der gelieferten Kaufsache entweder durch den Austausch gegen eine mangelfreie Sache oder durch Reparatur beseitigt werden kann. Anders als die Ersatzlieferung in § 581 Abs. 2 ist die Nachbesserung im Kaufrecht des KBGB nicht normiert. In der geschäftlichen Praxis kommt es häufig vor, dass beide Parteien über die Nacherfüllung eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung treffen.52 Wie oben erwähnt,53 findet sich aber im Kaufrecht des KBGB abgesehen von der Ersatzlieferung gem. § 581 Abs. 2 keine gesetzliche Grundlage für die Nacherfüllung, obwohl beide Modalitäten des Nacherfüllungsanspruchs vorstellbar sind. Aus diesem Grund ist fraglich, auf welche gesetzliche Grundlage der allgemeine Nacherfüllungsanspruch, der beide Formen der Nacherfüllung erfasst, gestützt werden kann. Nach der vorherrschenden Ansicht kann die Begründung des Nacherfüllungsanspruchs direkt § 389, der allgemeinen Vorschrift über den Erfüllungsanspruch, entnommen werden.54 Eigentlich bezieht sich § 389 jedoch lediglich auf die Zwangsvollstreckungsmöglichkeit des Erfüllungsanspruchs. M.E. ist es ungenau, diese Norm als Vorschrift des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs zu bezeichnen. Wenn man den ursprünglichen Erfüllungsanspruch als Grundlage für die Anerkennung des Nacherfüllungsanspruchs ansieht, sollte m.E. gesetzlicher Ausgangspunkt nicht § 389 sondern der Tatbestand des § 390 sein. Denn durch einen Umkehrschluss aus dieser Vorschrift kann die Pflicht des Verkäufers entnommen werden, seiner kaufvertraglichen Vereinbarung in gehöriger Weise nachzukommen. Daher basiert der Erfüllungsanspruch aus dem Kaufvertrag auf § 390, nämlich der allgemeinen Regelung zur Erfüllung, die für alle Schuldverhältnisse gilt. 52
Vgl. Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 191. S. Teil 4, Kapitel 1, A. 54 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 231; Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 25; vgl. Sa, Dong-Cheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 196–199, 225–226. 53
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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Nach einer anderen Auffassung ist der in den §§ 580, 581 normierte Rechtsbehelfskatalog nur eine exemplarische Aufzählung, sodass eine Ausweitung der Rechtsbehelfe auf einen Nacherfüllungsanspruch unproblematisch sei. Diese Ansicht fußt auf der Erwägung der ursprünglichen gesetzgeberischen Konzeption des japanischen BGB. 55 Nach § 94 JBGB a.F. war die Rücktrittsmöglichkeit des Käufers davon abhängig, ob der Verkäufer nacherfüllen konnte. Obwohl es aus historischen Gründen zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen dem KBGB und dem japanischen BGB gibt, lässt sich m.E. die Konzeption einer fremden Rechtsordnung nicht direkt als Argument für die Auslegung des nationalen Rechts heranziehen. Nach einer weiteren abweichenden Ansicht wird § 581 Abs. 2, die Vorschrift über die Ersatzlieferung beim Gattungskauf, als Rechtsgrund für den allgemeinen Nacherfüllungsanspruch herangezogen.56 Nach dieser Ansicht soll der Akzent des § 581 Abs. 2 nicht auf dem Gattungskauf, sondern darauf liegen, dass der Käufer „eine mangelfreie Sache“ verlangen kann, sodass diese Bestimmung im weiteren Sinne als Normierung eines Anspruchs auf mangelfreie Leistung verstanden werden kann. Auf diese Weise mag diese Ansicht eine gesetzliche Grundlage für den allgemeinen Nacherfüllungsanspruch schaffen. Auch wird nach dieser Ansicht der allgemeine Nacherfüllungsanspruch beim Stückkauf durch analoge Anwendung ermöglicht. Wenn der von § 581 Abs. 2 abgeleitete Anspruch ein allgemeiner Anspruch auf Nacherfüllung wäre, müsste dieser konsequenterweise sowohl die Ersatzlieferung als auch die Nachbesserung zum Inhalt haben. Aber m.E. geht diese Auslegung zu weit: § 581 Abs. 2 sagt nur aus, dass der Käufer eine „mangelfreie Sache“ beanspruchen kann, nicht jedoch, dass er die Reparatur der Kaufsache verlangen kann. Der Begriff der „mangelfreien Sache” in § 581 Abs. 2 bezeichnet m.E. die mangelfreie Kaufware, nicht jedoch den mangelfreien Zustand der Kaufware. Eine enge Verbindung der Ersatzlieferung mit dem Gattungskauf im § 581 Abs. 2 verdeutlicht, dass diese Vorschrift nicht gesetzliche Grundlage für den allgemeinen Nacherfüllungsanspruch in seinen beiden Modalitäten werden kann. Nach einer dritten Ansicht können die werkvertraglichen Vorschriften der Nacherfüllung auch für die kaufrechtliche Gewährleistung entsprechend angewendet werden. 57 Diese Ansicht erscheint in Bezug auf die Nachbesserung vorteilhaft, da im Werkvertragsrecht in § 667 beide Arten 55
Eingehend Sa, Dong-Cheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 197. Vor allem Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 265. 57 Lee, Sang-Kwang, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 5, No. 1 (1998), S. 304 f.; Cho, Kyu-Chang, Sachmängelhaftung im Kaufrecht, in: Logik und Intuition, S. 361. 56
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
des Nacherfüllungsanspruchs als mögliche Wege der Nacherfüllung normiert sind.58 Nach dieser Ansicht kann der Käufer durch die entsprechende Anwendung des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts ohne weiteres Nachbesserung verlangen. Der Erfüllungstheorie ist zuzugestehen, dass die Lieferung der mangelhaften Kaufsache durch den Verkäufer nichts an dem Anspruch des Käufers auf Lieferung einer mangelfreien Sache ändert. Demnach entspringt der Nacherfüllungsanspruch diesem ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Dass der Erfüllungsanspruch trotz der Lieferung des Verkäufers der mangelhaften Kaufware weiter besteht, lässt sich damit begründen, dass der Käufer nach der nicht ordnungsgemäßen Lieferung des Verkäufers ohnehin ein schutzwürdiges Interesse an dem Erhalt der mangelfreien Sache hat. Dieses verbliebene schutzwürdige Interesse des Käufers bildet insoweit einen Schnittpunkt zwischen dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch und dem Nacherfüllungsanspruch, da beide Ansprüche das Interesse des Käufers befriedigen können. Jedoch steht der Nacherfüllungsanspruch nicht auf gleicher Ebene wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch. M.E. basiert der Nacherfüllungsanspruch auf dem Leistungsinteresse des Käufers, das mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch zusammenhängt, jedoch kann der Nacherfüllungsanspruch nicht ohne weiteres dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch gleichgestellt werden. Vielmehr muss er als der wegen eines Mangels gewährte Rechtsbehelf des Käufers klassifiziert werden. Der Unterschied zwischen dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch und dem Nacherfüllungsanspruch zeigt sich bereits darin, dass der Nacherfüllungsanspruch nicht der normalen Verjährungsfrist des Erfüllungsanspruchs gem. § 162 Abs. 1, sondern der speziellen Ausschlussfrist für die Gewährleistungsrechte wegen Sachmängeln in § 582 unterliegt.59 Nach der ersten vorherrschenden Ansicht und der letztgenannten Ansicht, die sich für eine analoge Anwendung der werkvertraglichen Vorschrift ausspricht, kann der allgemeine Nacherfüllungsanspruch trotz seiner nur spärlichen Normierung im Kaufrecht dennoch seine gesetzliche Stütze finden. Jedoch sind diese beiden Ansichten problematisch, soweit es um die Wahl zwischen den Modalitäten der Nacherfüllung geht. Unabhängig davon, ob der Nacherfüllungsanspruch als bloßer modifizierter Erfüllungsanspruch verstanden wird oder die werkvertragliche Vorschrift des § 667 Abs. 2 analoge Anwendung findet, bleibt das Wahlrecht dem Verkäufer überlassen, weil im ersten Falle dem Käufer nur ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Kaufsache zusteht, er aber nicht berechtigt ist, eine konkrete Form der Nacherfüllung zu verlangen. Somit kann der Ver58 Lee, Joon-Hyung, Diss. (Seoul National Univ., 2001), S. 173; eingehend KBGBKomm. Kwak/Kim, Yong-Dam, Schuldrecht (8), S. 454. 59 Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 203.
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
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käufer entscheiden, wie er den Mangel beseitigt. Der Wortlaut des § 667 Abs. 1 im Werkvertragsrecht stellt auch klar, dass der Besteller nur die Beseitigung des Mangels, nicht aber die konkrete Form der Nacherfüllung verlangen kann. Dementsprechend verliert der Käufer das Wahlrecht auf die Modalität der Nacherfüllung, er hat also nur einen allgemeinen Nacherfüllungsanspruch und nicht zwei verschiedene Ansprüche. Meiner Ansicht nach ist die bereits im Ausgangspunkt gestellte Frage nach der Beseitigungsweise des Mangels Sache des Käufers und nicht die des Verkäufers. Da der Verkäufer seine Leistungspflicht verletzt hat, muss der Käufer berechtigt sein, selbst nach Belieben zu entscheiden, wie seine verletzte Interessenlage mit Hilfe der prinzipiell zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe wiederhergestellt wird. Die Unterteilung des Nacherfüllungsanspruchs in zwei unterschiedliche Ansprüche bzw. Rechtsbehelfe und das zugehörige Wahlrecht des Käufers erklären sich daraus, dass beide Arten der Nacherfüllung unterschiedlichen Einfluss auf das beeinträchtigte Interesse des Käufers nehmen können, während die Art und Weise der Ausführung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs für den Käufer kaum eine Rolle spielt. Wenn man dem Ansatz der hier vertretenen Ansicht folgt, dass der Nacherfüllungsanspruch nicht logische Konsequenz des nicht ordentlich erfüllten ursprünglichen Erfüllungsanspruchs ist, steht der Nacherfüllungsanspruch, oder genauer der Ersatzlieferungs- und der Nachbesserungsanspruch, nicht auf der gleichen Ebene wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch, im Sinne eines bloßen ausgedehnten Erfüllungsanspruchs. Beide Ansprüche entstehen m.E. als unterschiedliche Rechtsbehelfe des Käufers, um das durch die Mangelhaftigkeit der Kaufsache verletzte schützenswerte Interesse des Käufers wiederherzustellen. 60 Der Mangelbegriff entspricht jedoch selbstverständlich dem der Erfüllungstheorie: Wenn die gelieferte Kaufsache nicht mit der im Kaufvertrag vereinbarten Sollbeschaffenheit übereinstimmt, ist die Kaufsache mangelhaft, da die Leistungspflicht des Verkäufers nicht vollends erfüllt wurde. 61 Dennoch darf die Rechtsfolge, die auf die nicht vollständig erfüllte Leistungspflicht zurückgeht, nicht auf der gleichen Ebene stehen wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch. Welche Rechtsbehelfe mit dieser Leistungsstörung verbunden sind, ist im Stadium der Rechtsbehelfe und nicht im Stadium der Leistungserfüllung zu entscheiden.
60 Der Nacherfüllungsanspruch ist in diesem Sinne also nur die Bezeichnung dieser beiden Ansprüche bzw. Rechtsbehelfe. 61 Aus dieser Leistungspflicht ergibt sich der ursprüngliche Erfüllungsanspruch auf die mangelfreie Kaufsache, die der Beschaffenheitsvereinbarung entspricht.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Die Frage, welche Rechtsbehelfe dem Käufer bei einer Leistungsstörung im Rahmen einer konkretisierten Leistungspflicht zustehen, ist m.E. unabhängig von der Frage, ob der ursprüngliche Erfüllungsanspruch trotz des Vorliegens eines Mangels weiterhin besteht. Abgesehen vom unterschiedlichen Verständnis der Mängelhaftung sieht das KBGB den Nacherfüllungsanspruch nicht als allgemeinen Rechtsbehelf der Mängelhaftung an. Nur in engen Grenzen, z.B. bei Sachmängeln im Rahmen eines Gattungskaufs, wird eine Art der Nacherfüllung gem. § 581 Abs. 2 als Rechtsbehelf des Käufers anerkannt. Dies stellt unter Berücksichtigung des Interesses beider Parteien m.E. eine große Lücke im Rahmen der Mängelgewährleistungshaftung dar, weil der Nacherfüllungsanspruch sowohl dem Käufer- als auch dem Verkäuferinteresse dient.62 Der Käufer hat nicht sofort sein Interesse an der vertraglich vereinbarten Kaufsache verloren, nur weil der Verkäufer zunächst eine mangelhafte Sache geliefert hat. Auf der Seite des Verkäufers steht primär das Interesse, trotz des vorliegenden Mangels den Kaufpreis zu erhalten. Im Regelfall wird daher der Nacherfüllungsanspruch beiden Parteiinteressen gerecht. Diese gesetzgeberische Lücke ist in Form eines nicht normierten allgemeinen Nacherfüllungsanspruchs im Rahmen der Mängelhaftung zu schließen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Frage, auf welche Weise diese Lücke geschlossen werden soll. M.E. kann hierfür eine analoge Anwendung der werkvertraglichen Regelung über die Nacherfüllung in § 667 Abs. 1 in Betracht kommen.63 Wie oben erwähnt,64 liegt eine Tendenz zur Angleichung der werkvertraglichen und kaufvertraglichen Regelungen vor.65 Denn nicht nur der Werkvertrag, sondern auch der Kaufvertrag hat die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bzw. Erfolgs zum Inhalt. Unter den veränderten gesellschaftlichen Umständen ist der Verkäufer ebenso wie der Werkunternehmer in der Lage, den vertragsgemäßen Zustand, nämlich die Auslieferung der Kaufsache im mangelfreien Zustand, herzustellen, auch wenn er nur Zwischenhändler ist. Dafür etwaig erforderliche Werkleistungen kann er am Markt besorgen. In diesem Sinne steht der Verkäufer für die Verschaffung der mangelfreien Kaufware als den vom Käufer erwarteten Erfolg ein, ebenso wie der Werkunternehmer dies im
62
So auch Park, Young-Bok, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 23 (2003), S. 155. Grundsätzlich ebenso, jedoch ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Nachbesserung: Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 194. 64 S. Teil 4, Kapitel 1, B, III. 65 So auch Lee, Joon-Hyung, Diss. (Seoul National Univ., 2001), S. 167 f.: demnach kann der Nacherfüllungsanspruch gem. § 667 Abs. 1 für sonstige entgeltliche vertragliche Schuldverhältnisse zur Anwendung kommen, wenn dies nach Erwägungen über das Wesen des betreffenden vertraglichen Schuldverhältnisses zugelassen werden kann. 63
Kapitel 1. Systematik des Nacherfüllungsanspruchs
175
Werkvertrag tut. 66 Demnach stehen die eigenen Fähigkeiten bzw. Fachkenntnisse des Verkäufers nicht mehr im Mittelpunkt, vielmehr sind es die Kosten, die für die Durchführung der Nacherfüllung anfallen. Denn aus der Sicht des Käufers wäre es eine mögliche Alternative, selbst die Nacherfüllung vorzunehmen, falls der Verkäufer die dafür erforderlichen Kosten trüge. Daher steht eher die Frage im Vordergrund, auf wen und in welcher Weise die bei der Nacherfüllung entstandenen Kosten abgewälzt werden können.67 Wenn Sachverstand, den ein Werkunternehmer im Regelfall besitzt, nicht erforderlich für die Durchführung der Nacherfüllung ist und demzufolge der vertragliche Erfolg auch nach der Lieferung der mangelhaften Ware hergestellt werden kann, kann § 667 auch für den Kaufvertrag Anwendung finden. Aber m.E. muss die Anwendung der Vorschrift an die Besonderheiten des Kaufvertrages angepasst werden. Da im Werkvertrag der Werkunternehmer gem. § 664 zur Herstellung eines bestimmten Werkes verpflichtet ist, besitzt er besondere Fachkenntnis in Bezug auf dieses Werk. Das Wahlrecht der Nacherfüllungsalternative, das nach dem klaren Wortlaut des § 664 dem Werkunternehmer zusteht, 68 wird mit dieser besonderen Fachkenntnis gerechtfertigt. Anders liegt dies jedoch beim Kaufvertrag. In vielen Fällen fehlen dem Verkäufer die zur Beseitigung des Mangels notwendigen Fachkenntnisse, weswegen die Wahl der Nacherfüllungsmodalität dem Käufer zustehen muss. In diesen Fällen geht m.E. das Interesse des Käufers an der Rechtsbehelfswahl dem Interesse des Verkäufers vor, weil dieser Nacherfüllungsanspruch eigentlich der Mangelhaftigkeit der Kaufware seitens des Verkäufers entspringt. Wie die Mängel besei66 In Bezug auf den Werkvertrag wird dies als ein Primat der Erfüllungsgarantie bezeichnet (Lee, Joon-Hyung, Diss. (Seoul National Univ., 2001), S. 167). 67 Wenn das Kostenproblem im Mittelpunkt der Nacherfüllung steht, kann der Nacherfüllungsanspruch des Käufers m.E. auch unter Berücksichtigung des Verkäuferinteresses als kostengünstiger Rechtsbehelf des Käufers angesehen werden: Der Verkäufer verfügt normalerweise über eine Verbindung zum Hersteller. Wegen dieses engen Verhältnisses kann der Verkäufer die Nacherfüllung kostenlos durchführen. Wenn beispielsweise der Käufer aufgrund der defekten Krone einer Armbanduhr vom Verkäufer eine Reparatur verlangt, kann der Verkäufer diese Armbanduhr direkt zum Hersteller oder zu einer Werkstatt des Herstellers schicken und dort reparieren lassen. In diesem Fall trägt der Hersteller die Kosten für die Reparatur, weil die Mangelhaftigkeit der Armbanduhr aus der Sphäre des Herstellers stammt. Wenn der Käufer aufgrund eines irreparablen Defekts einen Austausch verlangt, kann der Verkäufer die mangelhafte Armbanduhr gegen eine neue Armbanduhr austauschen. Die Kosten für diesen Austausch können im Rahmen des Verhältnisses zwischen Hersteller und Verkäufer abgerechnet werden. Wenn die Handelskette vom Hersteller bis zum Endverkäufer besonders gut organisiert ist, bildete sie die sog. Verkäuferseite. Der Verkäufer, vornehmlich ein bloßer Zwischenhändler, kann im Rahmen dieser Absatzkette die Nacherfüllung kostengünstig oder gar kostenlos besorgen. 68 Nach dem Wortlaut des § 664 Abs. 1 kann der Besteller lediglich „die Beseitigung des Mangels“ fordern, nicht jedoch eine bestimmte Art der Nacherfüllung.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
tigt werden sollen, kann daher der Käufer nach seinem Belieben entscheiden. 69 Das Wahlrecht des Unternehmers im Rahmen des Werkvertrages gem. § 664 muss folglich im Fall der analogen Anwendung auf den Nacherfüllungsanspruch im Kaufvertrag unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben in § 2 korrigiert werden. Mittels dieser rechtlichen Konstruktion kann der Nacherfüllungsanspruch in seinen zwei Modalitäten dem Käufer trotz mangelnder Normierung jeweils als sein eigener Rechtsbehelf zugestanden werden.
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Wenn der hier vertretenen Ansicht gefolgt wird, zählt der Nacherfüllungsanspruch zu den allgemeinen Rechtsfolgen der Mängelhaftung. D.h. über die beschränkte gesetzliche Normierung im Kaufrecht gem. § 581 Abs. 2 hinaus ist der Nacherfüllungsanspruch ein eigenständiger Rechtsbehelf des Käufers im Falle von Mängeln. Tatbestandsvoraussetzungen und Beschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs sind unabhängig von der gesetzgeberischen Vorgabe des § 581 Abs. 2 zu ermitteln, weil der Nacherfüllungsanspruch trotz der restriktiven Normierung des Gesetzgebers als allgemeiner Rechtsbehelf der Mängelhaftung anerkannt ist. Der Nacherfüllungsanspruch setzt das Vorliegen des Mangels voraus, dessen Definition jedoch problematisch ist. Das liegt daran, dass es im Kaufrecht keine Vorschrift gibt, die das Wesen des Mangels näher beschreibt, obwohl er als grundlegende Haftungsvoraussetzung vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen wird. 70 Die Fragen, was genau unter einem Sachmangel zu verstehen ist, welche Kriterien bei der Bestimmung der Mangelhaftigkeit zugrunde gelegt werden, welche Art der Leistungsstörung einen Mangel darstellt, der den Nacherfüllungsanspruch auslöst etc., können daher nur mit Hilfe von Lehre und Rechtsprechung beantwortet werden. Grundsätzlich richtet sich diese Definition nach dem Verständnis der Mängelhaftung. Je nachdem, ob man der Erfüllungstheorie oder der Gewährleistungstheorie folgt, ergeben sich bei der Definition des Mangels große Unterschiede. Nach der hier vertretenen Erfüllungstheorie ist die im Vertrag vereinbarte Sollbeschaffenheit der Kaufsache als primärer Maßstab heranzuziehen, 69
Vgl. Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 25. Z.B. wird im Wortlaut der §§ 581, 582 klargestellt, dass für die dort vorgesehenen Gewährleistungsrechte ein Sachmangel vorliegen muss. 70
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
177
um die Mangelhaftigkeit der Kaufsache zu bestimmen. Das Vorliegen eines Mangels ist demnach eher subjektiv, nämlich anhand der Parteivereinbarung zu ermitteln. Damit ist ein Mangel letztlich nichts anderes, als eine Art Leistungsstörung, die vorliegt, wenn die vom Verkäufer gelieferte Kaufsache von irgendeinem vereinbarten Merkmal abweicht.71 Demgegenüber erfolgt die Ermittlung der Mangelhaftigkeit nach der Gewährleistungstheorie prinzipiell objektiv, d.h. ohne Rücksicht auf die Parteivereinbarungen. Dies liegt daran, dass die Mängelhaftung nach der Gewährleistungstheorie als gesetzliche Sonderhaftung objektiv, nämlich unabhängig vom Verschulden der Parteien, greift. Nach der Gewährleistungstheorie dient die Mängelhaftung nur der Wiederherstellung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses des Vertrags. Daher werden subjektive Kriterien nicht in Erwägung gezogen.72 Deswegen liegt nach der Gewährleistungstheorie kein Mangel vor, wenn die Kaufsache die im Geschäftsverkehr im Allgemeinen erwartete Beschaffenheit besitzt.73 Dieses Verständnis vom Mangel stellt nicht auf den im Einzelfall zu bestimmenden konkreten Willen der Parteien ab, sondern auf die übliche Beschaffenheit von Sachen dieser Art. M.E. ist der Begriff der „artüblichen“ Beschaffenheit der Kaufsache jedoch vage und unbestimmt. Darüber hinaus dient diese Bestimmung des Mangels auch nicht der Wahrung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses. Denn der Kaufpreis, der mit der Kaufsache im Äquivalenzverhältnis steht, ist in der Regel auch auf die von beiden Parteien im Einzelnen vereinbarten Merkmale der Kaufsache zugeschnitten. Da der Mangel ein normativer Begriff mit großem Auslegungsspielraum ist, kann die Konkretisierung dieses Begriffs je nach Betrachtungsweise unterschiedlich vorgenommen werden. B. Sachmangel I. Tatbestandsmerkmale des Sachmangels Je nach Betrachtungsweise ergeben sich sehr unterschiedliche Bilder: Was nach der Erfüllungstheorie einen Mangel darstellt, ist dies nicht unbedingt auch nach der Gewährleistungstheorie. Demzufolge gibt es im Schrifttum 71 KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 500; Kim, Bum-Cheol, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 20 (2001), S. 356 ff.; Park, Hee-Ho, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 34 (2006), S. 111. 72 Kim, Ki-Sun, Schuldrecht Besonderer Teil des KBGB, S. 141; Kim, Jung-Han, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 157. Diese Ansicht geht davon aus, dass die Gewährleistungstheorie h.M. für das Wesen der Mangelhaftung im japanischen BGB war, als dieses nach der Kolonialzeit in Korea vorübergehend weitergalt (Kim, Dae-Jung, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 17 (2004), S. 20). 73 Vgl. Sa, Dong-Cheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 177.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
eine differenzierte Definition des Mangels. Nach einer Ansicht liegt ein Sachmangel vor, wenn es der Kaufsache an denjenigen Eigenschaften mangelt, die nach der Verkehrsanschauung objektiv erwartet oder nach dem Willen der Vertragsparteien zugesichert werden.74 Nach einer anderen Ansicht ist ein Sachmangel gegeben, wenn die Kaufsache in irgendeiner Weise unvollständig ist und den Austausch- oder Verwendungswert dieser Sache beeinträchtigt.75 Im Zusammenhang mit der Bestimmung des Mangels werden in der Lehre ein subjektiver, ein objektiver sowie ein subjektiv-objektiver Mangelbegriff zugrunde gelegt.76 Die Ansicht, die den subjektiven Mangelbegriff favorisiert, nimmt die von den Vertragsparteien vereinbarte bzw. vorausgesetzte Beschaffenheit der Kaufsache zum Maßstab.77 Im Gegensatz dazu wird das Vorliegen des Mangels nach dem objektiven Mangelbegriff durch die übliche Beschaffenheit der jeweiligen Kaufsache bestimmt. 78 Nach dem subjektiv-objektiven Mangelbegriff schließlich sind beide Elemente bei der Bestimmung des Mangels zugleich zu berücksichtigen. In der Rechtsprechung wird die Mangelhaftigkeit unterschiedlich ermittelt – es werden letztlich alle drei Mangelbegriffe verwendet. So stellte der KOGH in einem Urteil über den Kauf einer mangelhaften Bremse maßgeblich auf den subjektiven Mangelbegriff ab, nach welchem die Bremse als Gegenstand des Kaufvertrages zusätzliche Eigenschaften besitzen muss, wenn der Käufer den Verkäufer über den Verwendungszweck, sowie spezielle Umstände der Bremsbedienung informiert hat.79 In einem anderen Urteil hingegen richtet sich der Mangel nach einem objektiven Kriterium.80 Auch fällte der KOGH bereits ein Urteil, in welchem er den objektiven und den subjektiven Mangelbegriff kombinierte.81 Aber im Allgemeinen liegt m.E. ein Mangel vor, wenn die Sache nicht die von den Vertragsparteien vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Soweit die Beschaffenheit von den Parteien nicht vereinbart wurde, liegt ein Mangel vor, wenn der Zustand der Kaufsache nicht der üblichen Beschaffenheit 74
Kim, Ki-Sun, Schuldrecht Besonderer Teil des KBGB, S. 141. KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 500. 76 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 20. 77 Dieser Mangelbegriff ist Grundlage der Erfüllungstheorie. 78 Dieser Mangelbegriff wird überwiegend von Anhängern der Gewährleistungstheorie vertreten. 79 KOGH, 30.6.1995, 95Da2616, 2617. Ein weiteres Urteil, das ebenfalls den subjektiven Mangelbegriff zugrunde legt: KOGH, 5.11.1968, 68Da1832. 80 KOGH, 1958.2.13, 4290 Minsang 762. 81 KOGH, 18.1.2000, 98Da18506: nach diesem Urteil muss die Kaufsache die für diese Sache üblichen Eigenschaften besitzen. Darüber hinaus kann aber auch ein Mangel vorliegen, wenn es der Kaufsache an der von den Vertragsparteien separat vereinbarten Beschaffenheit mangelt. 75
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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gleichartiger Sachen entspricht.82 Diese Formulierung des Mangels vereint in sich beide Mangelbegriffe, jedoch müssen die Mangelbegriffe einer unterschiedlichen Priorität unterfallen, denn das Interesse des Käufers an eines mangelfreien Sache verknüpft sich zunächst mit den im Vertrag vereinbarten Merkmalen der Kaufsache. Dieser Ansatz ist auch in bestimmten Urteilen wiederzufinden. Demnach soll die Kaufsache die Eigenschaften besitzen, die nach der Verkehrsanschauung im Regelfall erwartet werden, soweit zwischen beiden Parteien keine besondere Vereinbarung getroffen wurde.83 Wie bereits oben in der Formulierung des Mangels dargestellt, soll die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien als primäres Kriterium gelten. Der sog. objektive Mangelbegriff kann dagegen nur subsidiär Anwendung finden, soweit es keine derartige Vereinbarung gibt und aus dem Charakter des betreffenden Vertrages keine Kriterien hergeleitet werden können. 84 D.h. in erster Linie muss die Kaufsache der vereinbarten Beschaffenheit entsprechen sowie für den vorausgesetzten Verwendungszweck geeignet sein. Erst anschließend können objektive Kriterien in Betracht kommen. Betrachtet man Sinn und Zweck der Mängelhaftung, spielt es bei der Mangelbestimmung m.E. eine große Rolle, ob die im Kaufvertrag vom Käufer „erwartete“ Verwendung der Kaufsache durch den Mangel vereitelt wird. Nach meiner Auffassung ist es Aufgabe der Mängelhaftung, die Eigenschaften der gelieferten Kaufsache für den intendierten Verwendungszweck zu garantieren und damit das Interesse des Käufers zu befriedigen. Dies ist letztlich ein Ausfluss der Privatautonomie.85
82 So formuliert dies die Erfüllungstheorie ganz überwiegend (ebenso KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 500; Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 280). Eine abweichende Ansicht nennt unter Anwendung der Erfüllungstheorie und aufgrund von rechtsvergleichenden Gesichtspunkte drei Mängelkriterien. Demnach ist eine Sache mangelhaft, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit nicht besitzt oder sie für den üblichen, sowie vom Vertrag vorausgesetzten Verwendungszweck nicht geeignet ist oder die von den Parteien vorausgesetzte sowie zugesicherte Eigenschaft nicht besitzt (Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 12). 83 Z.B. KOGH, 12.6.1990, 89DaKa28225: bei diesem Urteil ging es um die Mangelhaftigkeit von infiziertem Saatgut. 84 So auch im Zusammenhang mit der Nacherfüllung beim Werkvertrag: Kim, KyuWhan, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 28 (2005), S. 211 f. 85 Dies entspricht auch der Erfüllungstheorie, da die Mängelhaftung nach dieser ein Unterfall der Leistungsstörung ist und die zu erbringende Leistung in erster Linie durch den Willen der Parteien ermittelt werden soll.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
II. Besondere Mangelformen 1. Zuweniglieferung und Zuviellieferung Wenn der Verkäufer weniger als vereinbart geliefert hat, ist fraglich, ob diese Zuweniglieferung als Mangel anzusehen ist, aufgrund dessen dem Käufer Gewährleistungsrechte aus Mängelhaftung zustehen. Das KBGB differenziert beim Sachmangel danach, ob es sich um einen Stückkauf (§ 580) oder einen Gattungskauf handelt (§ 581). Außerdem sieht das KBGB für den Fall der Zuweniglieferung und des teilweisen Untergangs in § 574 eine Sonderregelung vor. Aufgrund dieser expliziten Regelung ist das Problem der Zuweniglieferung nach teilweise vertretener Ansicht bereits gesetzlich gelöst. 86 Jedoch enthält § 574 keine allgemeinen Bestimmungen zur Zuweniglieferung, sondern nur zu bestimmten Arten des Sachmangels beim Stückkauf.87 Titel und Wortlaut des § 574 sind verwirrend, jedoch bezieht sich § 574 nur auf den Sachmangel in Kaufverträgen, in denen der Kaufpreis allein durch Anzahl sowie Menge der Kaufsache bestimmt wird. Passen Kaufpreis und Menge nicht zueinander, liegt ein Sachmangel im Sinne des § 574 vor.88 Aus diesem Grund gelten durch den Verweis auf §§ 572, 573 im Falle von § 574 die Gewährleistungsrechte wegen eines Rechtsmangels. Durch diesen Verweis auf die Vorschrift des Rechtsmangels kann der Käufer im Fall des § 574 anders als bei Sachmängeln gem. §§ 580, 581 Minderung verlangen. Überdies kann der Käufer im Fall des § 574 unter Beachtung der Ausschlussfrist für Rechtsmängel seine Rechtsbehelfe geltend machen. Bei üblichen Sachmängeln gem. §§ 580, 581 gilt die Ausschlussfrist gem. § 582. Die Ausschlussfrist beträgt dabei nur sechs Monate. Demgegenüber wird im Fall des § 574 durch den Verweis auf §§ 572, 573 die Ausschlussfrist für Rechtsmängel gem. § 573 auf ein Jahr festgelegt. Obwohl der Fall des § 574 nur eine bestimmte Art der Sachmängel erfasst, kommen die Vorschriften der Rechtsmängel aufgrund ihrer hinreichenden Vergleichbarkeit der Interessenlage des Käufers in beiden Fällen zur Anwendung.89 In diesem Sinne gilt § 574 als Sonderregelung des § 580. So gesehen gibt es im KBGB keine ausdrückliche Vorschrift über die Zuweniglieferung. Auch die Lösung solcher Fälle wurde daher in die Hand von Lehre und Rechtsprechung gelegt. Wenn der Käufer im Fall der Zuweniglieferung weiterhin die fehlende Menge verlangen kann, stellt sich die Frage nach der Charakterisierung dieses Anspruchs – also ob es sich 86
Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 283. KBGB-Komm. Park/Kim, Hyun-Che, Schuldrecht Besonderer Teil (3), S. 112; KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 400. 88 So auch KOGH, 9.4.1991, 90Da15433, KOGH, 25.6.1993, 92Da56674. 89 KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S. 400. 87
Kapitel 2. Allgemeine Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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um einen Nacherfüllungsanspruch handelt oder um einen auf die fehlende Menge gerichteten ursprünglichen Erfüllungsanspruch. Diese Frage ist auch für den Käufer bedeutsam, denn der Käufer kommt in den Genuss der längeren Verjährungsfrist des § 162, wenn der Erfüllungsanspruch bei der Zuweniglieferung nicht unter die Mängelhaftung fällt und somit nicht der kurzen Ausschlussfrist für Mängelgewährleistungsansprüche aus § 582 unterfällt. Nach dem hier vertretenen Verständnis kommt der Nacherfüllungsanspruch als allgemeine Mängelhaftung bei Vorliegen von Mängeln stets in Betracht. Daher kann auch im Fall der Zuweniglieferung ein Nacherfüllungsanspruch bestehen, soweit die Zuweniglieferung als Sachmangel angesehen wird. M.E. sind bei der Bestimmung des Haftungsregimes infolge der Zuweniglieferung zwei Gesichtspunkte zu beachten: Der Verkäufer hat die mangelhafte Kaufsache bereits ausgeliefert, und der Käufer hat sie als Gegenstand des Kaufvertrages angenommen. Inwiefern und inwieweit die angenommene Sache von den vereinbarten Merkmalen abweicht, ist hier nur von marginaler Bedeutung. Demzufolge ist die Zuweniglieferung als Sachmangel anzusehen, der einen entsprechenden Nacherfüllungsanspruch des Käufers auslöst. M.E. bleibt jedoch dem Käufer überlassen, ob er diese mangelhafte Lieferung annimmt und demzufolge seine Rechtsbehelfe ausübt oder die Zuweniglieferung ablehnt und damit seinen Erfüllungsanspruch wahrt. Denn er ist nicht zur Annahme der nicht vertragsgemäßen Sache verpflichtet. Ebenso wie die Zuweniglieferung ist auch der Fall der Zuviellieferung problematisch, da es auch hierfür keine Vorschrift gibt. Wenn der Verkäufer quantitativ zu viel geliefert hat, kann der Käufer die Annahme verweigern, soweit es den überschießenden Teil angeht, da die Lieferung insoweit nicht dem Kaufvertrag entspricht. Aber wenn der Käufer die Zuviellieferung der Kaufsache angenommen hat, kann der Verkäufer den überschießenden Anteil seiner Lieferung im Rahmen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangen.90 Dabei ist der Verkäufer jedoch, vorbehaltlich einer antizipierten Sondervereinbarung der Parteien, nicht berechtigt, vom Käufer eine Kaufpreiserhöhung in Höhe des überschießenden Teils zu verlangen.91 2. Aliud-Lieferung Für das KBGB wird die Problematik der sog. Aliud-Lieferung bislang nicht tiefgreifend diskutiert. Nach der Schuldrechtsmodernisierung gilt die Aliud-Lieferung in Deutschland gem. § 434 Abs. 3 BGB als Sachmangel, 90 91
KBGB-Komm. Park/Kim, Hyun-Che, Schuldrecht Besonderer Teil (3), S. 116. Ebenso Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 283.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
weswegen sich einige für das BGB a.F. virulente Rechtsfragen nicht mehr stellen. Die in Bezug auf die Zuweniglieferung erörterte Problematik gilt auch für die Aliud-Lieferung. Es ist hier also ebenfalls fraglich, ob die Aliud-Lieferung als Sachmangel anzusehen ist. Hierbei ist abermals die extrem kurze Ausschlussfrist der Mängelhaftung gem. § 582 von Relevanz. Wenn die Aliud-Lieferung als Mangel anzusehen ist, muss der Käufer seine Mängelgewährleistungsrechte gem. § 582 innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnisnahme des Mangels geltend machen. Für das Vorliegen eines Mangels sind m.E. zwei Faktoren bedeutsam, nämlich die Auslieferung der mangelhaften Kaufsache und die Annahme des Käufers dieser Kaufsache als Gegenstand des Kaufvertrages. Anders jedoch als im Fall der Zuweniglieferung ist bei der AliudLieferung der letzte Faktor fraglich. Wenn die Abweichung der AliudLieferung von dem im Kaufvertrag Vereinbarten erheblich ist, ist schwer vorstellbar, dass diese abweichende Kaufsache vom Käufer als „Gegenstand des Kaufvertrages“ angenommen wird. D.h. in derartigen AliudLieferungsfällen kann die Leistung des Verkäufers aus der Sicht des Käufers nicht als Erfüllung des Kaufvertrages angesehen werden. M.E. muss für das Entstehen der Mängelhaftung die Lieferung des Verkäufers vom Käufer mindestens als „Lieferung der Kaufsache“ qualifiziert werden können. Ist das nicht der Fall, kann der Käufer bei einer Aliud-Lieferung weiterhin Erfüllung verlangen und somit die Vorschriften über den Erfüllungsverzug geltend machen. Selbstverständlich gilt dann nicht die kurze Ausschlussfrist für Mängelgewährleistungsansprüche, sondern die zehnjährige Verjährungsfrist gem. § 162 Abs. 1. Wenn jedoch die Abweichung des Aliuds zum eigentlich geschuldeten Gegenstand nur gering ist und aus der Sicht des Käufers nicht besonders ins Auge sticht, löst sie die Mängelhaftung aus.92 In diesem Fall kann der Käufer vom Verkäufer die Lieferung der Kaufsache als Nacherfüllung verlangen. Die Unterscheidung zwischen beiden Formen des Aliuds kann große Schwierigkeiten bereiten, ist jedoch wegen des enormen Unterschiedes zwischen der Verjährungs- und der Ausschlussfrist bedeutend. Es vermag m.E. nicht zu überzeugen, dass der Käufer auch im Falle der Aliud-Lieferung pauschal nach sechs Monaten seinen Erfüllungsanspruch verlieren soll, obwohl es sich bei der vom Verkäufer gelieferten Ware offensichtlich nicht um die geschuldete Kaufsache handelt. Jedoch sollte die 10 jährige Verjährungsfrist aus § 162 Abs. 1 nur für
92 Dies ähnelt der Unterscheidung zwischen dem genehmigungsfähigen Aliud und dem genehmigungsunfähigen Aliud, die die deutsche Rechtsprechung zum BGB a.F. entwickelte.
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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solche Aliud-Lieferungen gelten, in denen die Eigenschaftsabweichung des Aliuds ohne weiteres sofort ins Auge sticht.93
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Grundvoraussetzung des allgemeinen Nacherfüllungsanspruchs ist wie oben erwähnt94 das Vorliegen eines Mangels. Fraglich ist, ob es neben dem Mangel noch weitere Tatbestandsvoraussetzungen für den Nacherfüllungsanspruch gibt. Wie bereits weiter oben ausgeführt,95 leitet sich dieser Nacherfüllungsanspruch richtigerweise aus einer analogen Anwendung des werkvertraglichen § 667 Abs. 1 ab, das Wahlrecht zwischen den Nacherfüllungsmodalitäten bleibt jedoch dem Käufer erhalten.96 Auf Basis dieser Analogie lassen sich in Verbindung mit Treu und Glauben womöglich weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs entnehmen. Nach der hier vertretenen Ansicht bestehen beide Modalitäten der Nacherfüllung als unterschiedliche Rechtsbehelfe des Käufers, während nach § 667 Abs. 1 dem Besteller einzig das Recht auf Beseitigung des Mangels eingeräumt wird und die Modalitäten der Nacherfüllung somit nur verschiedene Möglichkeiten der Mängelbeseitigung, nicht aber zwei voneinander unabhängige Rechtsbehelfe darstellen. In Zusammenhang mit dem Sachmangel differenziert das KBGB bei der Mängelhaftung zwischen dem Stückkauf und dem Gattungskauf. Es stellt sich die Frage, ob diese Differenzierung auch für den Nacherfüllungsanspruch als allgemeine Mängelhaftung zu berücksichtigen ist. Das KBGB gewährt bei Gattungskäufen nur einen Ersatzlieferungsanspruch. Es bleibt daher fraglich, ob die gesetzliche Differenzierung zwischen Stückkauf und Gattungskauf Einfluss auf den Nacherfüllungsanspruch als allgemeine Mängelhaftung hat. 93 Trotzdem sollte diese Problematik legislativ gelöst werden, die extrem kurze Ausschlussfrist sollte sich der Verjährungsfrist annähern. 94 S. Teil 4, Kapitel 2, B. 95 S. Teil 4, Kapitel 1, C. 96 Beide Arten der Nacherfüllung, nämlich Ersatzlieferung und Nachbesserung, sind als mögliche Wege der Mängelbeseitigung im Sinne des § 667 Abs. 1 anerkannt (Lee, Joon-Hyung, Diss. (Seoul National Univ., 2001), S. 173). Hingegen wird im Werkvertrag dem Besteller nur der Nacherfüllungsanspruch als einziger Rechtsbehelf eingeräumt, daher ist es Sache des Unternehmers, auf welche Weise er den Mangel beseitigt: eingehend Lee, Joon-Hyung, Diss. (Seoul National Univ., 2001), S. 187 f.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Für die Nachbesserung spielt die Differenzierung zwischen Stück- und Gattungskauf keine Rolle, da der Verkäufer dabei nur die bereits gelieferte mangelhafte Kaufsache reparieren muss. Anders als bei der Ersatzlieferung muss der Verkäufer keine neue Sache beschaffen. Bei der Ersatzlieferung liegt die Besonderheit in eben jenem Austauschfaktor: Für die Durchführung der Ersatzlieferung muss der Verkäufer einen zweiten Versuch der Lieferung einer mangelfreien Kaufsache unternehmen. Dafür muss er die Kaufsache erneut besorgen und sie gegen die ursprüngliche, mangelhafte Sache austauschen. Fraglich ist, ob dies auch beim Stückkauf möglich ist: Durch die Vereinbarung der Parteien wird der Kaufgegenstand beim Stückkauf bereits bei Vertragsschluss auf eine bestimmte Sache konkretisiert und ist daher streng genommen durch eine anderweitig beschaffte, wenn auch mangelfreie Sache nicht ersetzbar. Wenn dem ursprünglichen Parteiwillen – eine ganz bestimmte Sache kaufen zu wollen – ausnahmslos entsprochen werden soll, wäre die Ersatzlieferung beim Stückkauf von vornherein ausgeschlossen. Prima facie scheint diese Auslegung mit der gesetzlichen Regelung übereinzustimmen: Man kann argumentieren, dass aus derselben Überlegung beim Gattungskauf nur die Ersatzlieferung gesetzlich vorgesehen ist. Aber auf der anderen Seite bleibt zu beachten, dass der hier in Rede stehende Nacherfüllungsanspruch im Rahmen der allgemeinen Mangelhaftung nicht direkt auf der gesetzlichen Vorgabe in § 581 Abs. 2 fußt. Wenn man der gesetzlichen Vorgabe gem. § 581 Abs. 2 folgen würde, könnte die Ersatzlieferung beim Gattungskauf nur unter sehr begrenzten Voraussetzungen geltend gemacht werden, sodass dieser nicht in das System der allgemeinen Mängelhaftung integriert werden könnte. Daher geht der Nacherfüllungsanspruch im Kaufvertrag hierbei vielmehr aus § 667 Abs. 1 hervor, jedoch mit einer Modifikation gem. § 2, die Rücksicht auf die Besonderheiten des kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruchs nimmt. Selbstverständlich wird in § 667 Abs. 1 keine Differenzierung zwischen Gattungssachen und Stücksachen vorgenommen. Daher ist fraglich, ob die gesetzliche Differenzierung zwischen Stück- und Gattungskauf mit Rücksicht auf das Wesen des Kaufvertrags sowie Erwägungen von Treu und Glauben für den Nacherfüllungsanspruch im Sinne des allgemeinen Gewährleistungsrechts noch ein entscheidendes Kriterium sein kann. Diese Überlegung bezieht sich auf die im Folgenden dargestellte Problematik hinsichtlich der Unmöglichkeit der Ersatzlieferung beim Stückkauf. Dieses Problem stellt sich freilich nur, soweit der hier in Rede stehende allgemeine Nacherfüllungsanspruch zur Anwendung kommt.
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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B. Weitere Voraussetzungen der Ersatzlieferung: Unmöglichkeit der Ersatzlieferung beim Stückkauf? Im Zusammenhang mit der Nacherfüllung beim Stückkauf wird meistens darüber diskutiert, ob auch ein Ersatzlieferungsanspruch in Betracht kommt. Teilweise wird dies bejaht,97 meist wird dennoch im Rahmen des Stückkaufs aber eine Ersatzlieferung abgelehnt.98 Die Anhänger der Erfüllungstheorie lehnen eine Ersatzlieferung beim Stückkauf ebenfalls ab, da die Lieferung einer anderen Sache beim Stückkauf einen Verstoß gegen den klaren Parteiwillen bei Vertragsschluss darstelle. Demnach werde der Gegenstand des Kaufvertrages bereits auf die bestimmte Sache konkretisiert. Diese Ansicht stellt maßgeblich darauf ab, dass die Ersatzlieferung bloß als zweiter Erfüllungsversuch zu werten ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Verkäufer beim Stückkauf seine Leistung nicht durch Lieferung eines Ersatzgegenstandes erbringen, weil die Ersatzlieferung nur als erneuter Erfüllungsversuch des Kaufvertrages betrachtet wird, dieser aber bereits auf eine bestimmte Sache konkretisiert war. Damit würde die Ersatzlieferung über den Willen der Parteien bei Vertragsschluss hinausgehen, was nicht sein dürfe. Die Eigenart der Stückschuld besteht im KBGB theoretisch darin, dass der Schuldner mit einer anderen als der im Vertrag bestimmten Sache seine Schuld nicht erfüllen kann. Dementsprechend wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit, wenn die bestimmte Sache ohne sein Verschulden untergeht.99 Trotzdem ist der Nacherfüllungsanspruch m.E. nicht bloß als modifizierter Erfüllungsanspruch, sondern als Rechtsbehelf des Käufers im Rahmen der Mängelhaftung zu verstehen. 100 Der Ersatzlieferungsanspruch hat also nicht zur Folge, dass der Käufer nur erneut seinen ursprünglichen Erfüllungsanspruch im Rahmen der Mängelhaftung geltend machen kann. Vielmehr soll die Ersatzlieferung als ein Rechtsbehelf des Käufers der Wiederherstellung der verletzten Interessenlage des Käufers dienen. Diese Erwägung ist bei Beschränkungen der Ersatzlieferungsmöglichkeit zu berücksichtigen. Außerdem fußt der Nacherfüllungsanspruch als allgemeine Mängelhaftung nicht auf der restriktiven gesetzlichen Nor97 Ahn, Chun-Su, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 11, 12 (1995), S. 433 f.; Sa, Dong-Cheon, Diss. (Seoul National Univ., 2002), S. 196 f.; Kim, Dae-Jung, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 15 (2004), S. 302 ff.; KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S.538 f. 98 Vor allem Kim, Hyung-Bae, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 356; KBGB-Komm. Park/Kim, Hyun-Che, Schuldrecht Besonderer Teil (3), S. 167; in diesem Sinne auch KBGB-Komm. Kwak/Nam, Heo-Sun, Schuldrecht (7), S.536. 99 KBGB-Komm. Park/Park, Jae-Yun, Schuldrecht Besonderer Teil (1), S. 91; KBGB-Komm. Park/Ahn, Bup-Young, Schuldrecht Besonderer Teil (1), S. 134. 100 M.E. gilt dies auch im Rahmen der Erfüllungstheorie.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
mierung im Rahmen des Kaufrechts gem. § 581 Abs. 2., sondern vielmehr auf einer analogen Anwendung des § 667 Abs. 1 in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 2. Daher ist die Frage aufzuwerfen, ob dem konkretisierten Parteiwillen beim Stückkauf im Hinblick auf die Eigenart des Kaufvertrages ebenfalls Rechnung zu tragen ist.101 Ist dies zu verneinen, wäre die gesetzliche Differenzierung zwischen dem Stückkauf und dem Gattungskauf im Zusammenhang mit dem Nacherfüllungsanspruch nicht mehr sinnvoll. Nach der hier vertretenen Ansicht besteht die Ersatzlieferung auch als Rechtsbehelf, der beiden Parteiinteressen dienen kann. Davon ausgehend ist es fehlerhaft, im Rahmen der Nacherfüllung beim Stückkauf unbedingt auf dem Erfüllungsinteresse an der konkretisierten Ware zu beharren. Die Ersatzlieferung soll als Rechtsbehelf das verletzte Interesse des Käufers wiederherstellen und ist damit auch aus der Sicht des Verkäufers gerechtfertigt. Selbst wenn es um einen Stückkauf geht, kann die Kaufsache eine vertretbare Sache sein und das Käuferinteresse auch durch die Besorgung einer anderen Sache dieser Gattung befriedigt werden. In einem solchen Fall muss eine Ersatzlieferung möglich sein. Im Gegensatz zur Differenzierung zwischen Stück- und Gattungskauf wird die Feststellung der Vertretbarkeit nach der objektiven Verkehrsanschauung vorgenommen. 102 Vertretbarkeit bedeutet in diesem Sinne, dass auch durch die anderweitig zu beschaffende Ersatzware das Interesse des Käufers befriedigt werden kann – unabhängig von seinem Willen bei Vertragsschluss. Deswegen soll die Vertretbarkeit danach objektiv bestimmt werden, wie eng der Zusammenhang zwischen der individuellen Eigenart der Kaufsache und dem Interesse des Käufers ist. Somit scheidet die Ersatzlieferungsmöglichkeit beim Stückkauf selbstverständlich aus, wenn die individuelle Eigenart der Kaufsache eine entscheidende Bedeutung für das Interesse des Käufers hat.103 Dann nämlich kann die Lieferung einer anderen Sache nicht als Rechtsbehelf für den Käufer angesehen werden. Die Vertretbarkeit als Kriterium für die Möglichkeit der Ersatzlieferung ist auch praxisnah: Kaufverträge über vertretbare Sachen sind beim Erwerb von Massenprodukten alltäglich – z.B. beim Einkaufen im Supermarkt. Obwohl es sich theoretisch um einen Stückkauf handelt, ist die Konkretisierung auf eine bestimmte Sache bei Massenprodukten nicht von großer
101 Selbstverständlich spielt dieser konkretisierte Parteiwille im Zusammenhang mit einer Stücksache im Rahmen des Werkvertrages keine Rolle, weil der Gegenstand des Werkvertrages erst vom Werkunternehmer hergestellt werden muss. 102 KBGB-Komm. Kwak/Song, Duk-Su, Schuldrecht (7), S. 131. 103 Z.B. beim Kauf von Antiquitäten.
Kapitel 3. Weitere Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs
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Bedeutung. Daher sollte der Austausch mit einer anderen Sache der gleichen Marke im Rahmen der Mängelgewährleistung immer möglich sein. 104 Wenn man nun bei vertretbaren Sachen eine Ersatzlieferungsmöglichkeit anerkennt, ergibt sich das Folgeproblem, dass in diesem Fall der Verkäufer ein weitergehendes Beschaffungsrisiko hinnehmen soll, das er beim Abschluss eines Stückkaufvertrages ursprünglich nicht einkalkuliert hat. Wie kann es also gerechtfertigt werden, dem Verkäufer beim Stückkauf ein unerwartetes Beschaffungsrisiko aufzuerlegen? M.E. ist der ursprüngliche subjektive Wille des Käufers bezogen auf den Erhalt einer ganz bestimmten Sache unbeachtlich, wenn man die Ersatzlieferung als Rechtsbehelf anerkennt. Die Frage geht stattdessen eher dahin, ob die Ersatzlieferung aus Käufersicht ein wirksamer Rechtsbehelf sein kann. Auf ähnliche Weise verliert auch das Problem des Beschaffungsrisikos im Stadium der Rechtsbehelfe seine Bedeutung: Für den Verkäufer ist nämlich nicht das Eingehen eines Beschaffungsrisikos entscheidend, sondern die Frage, welche Kosten er für die Ersatzlieferung tragen muss. Wenn die Ersatzlieferung aus der Sicht des Verkäufers beim Stückkauf kostengünstiger ist als ein anderer Rechtsbehelf, ist sie aus seiner Sicht gerecht. Dieser Fall kommt praktisch häufig vor, denn der Verkäufer erhält durch die Ersatzlieferung den vollständigen Kaufpreis. Zudem fällt es gewerblichen Verkäufern regelmäßig nicht schwer, Ersatzware zu beschaffen. Wenn der Gegenstand beim Stückkauf aus der verobjektivierten Sichtweise eine vertretbare Sache darstellt und dabei diese vertretbare Sache unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gem. § 2 das Interesse des Käufers zufrieden stellen kann, darf folglich die Ersatzlieferung nicht wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen sein. Dieses Ergebnis kann m.E. durch den Grundsatz von Treu und Glauben gerechtfertigt werden, weil dies eben dem Interesse beider Parteien entspricht. Um das Gleichgewicht der Interessen beider Parteien zu gewährleisten, soll dem Verkäufer für sein der Ersatzlieferung widerstreitendes Interesse ein Abwehrrecht eingeräumt werden. D.h. der Verkäufer kann unter Umständen eine derartige Ersatzlieferung verweigern, wenn diese für ihn unverhältnismäßig wäre.
104 Nach der Gegenansicht tätigt man beim Einkauf in einem Selbstbedienungsladen einen Gattungskauf, weswegen auch die Ersatzlieferung möglich sein soll (Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 303). Eine weitere Ansicht geht in diesem Fall zwar von einem Stückkauf aus, wendet die Vorschriften über den Gattungskauf jedoch analog an und ermöglicht so die Ersatzlieferung (KBGB-Komm. Kwak/Song, Duk-Su, Schuldrecht (7), S. 138).
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
C. Weitere Voraussetzungen der Nachbesserung Anders als die Ersatzlieferung ist die Nachbesserung kein zweiter Versuch der Ausführung des Kaufvertrages. Eine neue Kaufsache muss nicht beschafft werden, weswegen sämtliche diesbezüglichen Probleme entfallen. Daher kann der Käufer unabhängig davon, ob es sich um einen Stückkauf oder einen Gattungskauf handelt, Nachbesserung verlangen. Das Vorliegen des Sachmangels ist das einzige Tatbestandsmerkmal des Nachbesserungsanspruchs.
Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Wenn die oben dargelegten Tatbestandsvoraussetzungen der Nacherfüllung gegeben sind, ist der Käufer dazu berechtigt, die Nacherfüllung zu verlangen. Dabei muss er freilich die Ausschlussfrist beachten. Problematisch ist, dass die Nacherfüllung grundsätzlich zwei Modalitäten hat. So kann es vorkommen, dass beide Formen der Nacherfüllung zugleich in Betracht kommen und für den konkreten Fall zu entscheiden ist, welche Form der Nacherfüllung durchgeführt werden soll. Dann stellt sich konsequenterweise die Frage, wer das Wahlrecht hat und damit über die konkrete Art der Nacherfüllung entscheiden kann. Dieses Wahlrecht kann für beide Parteien von Bedeutung sein, weil beide Arten der Nacherfüllung die Interessen unterschiedlich befriedigen und unterschiedliche Kosten herbeiführen. B. Wahl der Nacherfüllungsmodalität Die Wahl der Nacherfüllungsmodalität hat große Bedeutung für das Interesse der Vertragsparteien. Für den Verkäufer bedeuten die beiden Formen der Nacherfüllung wesentlich unterschiedliche Leistungshandlungen. Im Falle der Ersatzlieferung muss der Verkäufer Ersatzware besorgen, während er im Falle der Nachbesserung fremde Arbeitskräfte mit der Reparatur der Kaufsache beauftragen muss, sofern er nicht selbst über Reparaturmöglichkeiten verfügt. Selbstverständlich fallen für den Verkäufer je nach Art der Nacherfüllung unterschiedliche Kosten an. Aber auch für den Käufer ist der Unterschied zwischen den Nacherfüllungsformen relevant: Es ist nicht gleichgültig, ob er eine anderweitig beschaffte „neue“ Kaufsache erhält oder eine vollständig reparierte, die dann aber ja „gebraucht” ist. Steht das Wahlrecht für die Nacherfüllung dem Verkäufer zu, kann der Käufer nur Nacherfüllung im Allgemeinen verlangen – hat hingegen der
Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
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Käufer das Wahlrecht, ist der Verkäufer nach Ausübung des Wahlrechts an die jeweilige Entscheidung gebunden. Wenn von Anfang an nicht beide Arten, sondern nur eine Art der Nacherfüllung vom Käufer geltend gemacht werden kann, ist der Nacherfüllungsanspruch auf diese einzig mögliche Nacherfüllungsmodalität konkretisiert. Beim Gattungskauf kommen grundsätzlich beide Formen der Nacherfüllung in Betracht – Gleiches gilt nach der hier vertretenen Ansicht für den Stückkauf vertretbarer Sachen. Im Schrifttum finden sich keine klaren Äußerungen zu dieser Problematik, jedoch wird mit unterschiedlichen Begründungen prinzipiell dem Käufer das Wahlrecht zugesprochen. 105 Da im Kaufrecht nur die Ersatzlieferung in § 581 Abs. 2 explizit normiert ist, enthält es logischerweise keine Vorgaben zum Wahlrecht. Nach § 581 Abs. 2 kann der Käufer statt zurückzutreten oder Schadensersatz zu fordern, Ersatzlieferung verlangen. Somit wird die Ersatzlieferung im Gattungskauf eigentlich als Recht des Käufers statuiert. So gesehen steht ein Wahlrecht des Käufers mit § 581 Abs. 2 in Einklang.106 Auch Verbraucherschutzgesichtspunkte sprechen für ein Wahlrecht des Käufers. Eine andere Auffassung stützt das Wahlrecht auf den Vorrang der Nacherfüllung. 107 Auch die Befürworter des Wahlrechts des Käufers erkennen Ausnahmefälle an, in denen dem Verkäufer die Entscheidung obliegt – so z.B. wenn die Wahlrechtausübung des Käufers gegen das Gebot von Treu und Glauben aus § 2 verstößt. Beispielsweise läuft das Beharren des Käufers auf Ersatzlieferung dem Gebot von Treu und Glauben gem. § 2 zuwider, wenn der bestehende Mangel geringfügig ist und die Ersatzlieferung dem Verkäufer übermäßige Kosten verursachen würde.108 Im Gegensatz dazu könnte man dem Verkäufer das Wahlrecht zusprechen, mit dem Argument, dass dieser besser beurteilen könne, wie der Mangel zu beseitigen ist. Außerdem wird die Nacherfüllung vom Verkäufer vorgenommen, sodass er auch ein stärkeres Interesse an der Wahl der Modalität habe, während es dem Käufer vorrangig um den Erhalt der mangelfreien Kaufsache gehe. Zudem kann das Wahlrecht dem Verkäufer mit der Begründung zugesprochen werden, dass § 667 Abs. 1 dem Besteller kein Wahlrecht auf die Mängelbeseitigungsweise gewähre. Da sich der Nacherfüllungsanspruch auf die analoge Anwendung des § 667 Abs. 1 stützt, 105 Z.B. KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 310; Seo, KwangMin, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 11, 12 (1995), S. 165 ff.; Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 26 f. 106 Vgl. Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 292. 107 Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 26 f. M.E. ist der Vorrang der Nacherfüllung aber auch mit einem Wahlrecht des Verkäufers realisierbar. 108 Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 26 f.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
spricht also der Wortlaut der einschlägigen Norm gegen ein Wahlrecht des Käufers. Nach einer anderen Ansicht spielt es gar keine Rolle, wem das Wahlrecht zusteht. Denn hat der Verkäufer das Wahlrecht, so könne der Käufer sein Interesse wahren, indem er sich auf sein Verweigerungsrecht gegen den Nacherfüllungsversuch stütze oder sich auf das Fehlschlagen der Nacherfüllung durch den Verkäufer berufe. Wenn dem Käufer hingegen das Wahlrecht zusteht, bestehe dies auch nicht uneingeschränkt. In bestimmten Fällen solle dem Verkäufer ein Recht eingeräumt werden, die Wahl des Käufers zu verweigern.109 M.E. ist das Wahlrecht richtigerweise dem Käufer zuzubilligen. Wie bereits erwähnt, 110 findet § 667 Abs. 1 mit Rücksicht auf die Eigenart des Kaufvertrages entsprechende Anwendung. Zu beachten ist, dass dem Käufer, anders als im Fall des Werkvertrages, die Ersatzlieferung und die Nachbesserung als unterschiedliche Rechtsbehelfe eingeräumt werden, um seinem Interesse angemessen Rechnung zu tragen. Daher ist die Wahl der Nacherfüllungsmodalität nicht lediglich als Wahl der Mängelbeseitigungsweise im Sinne des § 667 Abs. 1, sondern als ius variandi des Käufers unter jeglichen ihm zugesprochenen Rechtsbehelfen zu bewerten.111 Dies ist auch praxisnah, da der Verkäufer im Gegensatz zum Werkunternehmer gerade keine Fachkenntnis hinsichtlich der Nacherfüllung besitzt.112 Darüber hinaus wurde das Entstehen des Nacherfüllungsanspruchs vom Verkäufer verursacht. Die Rechtsfolge ist der Nacherfüllungsanspruch des Käufers, der aber in zwei für den Käufer unterschiedlich vorteilhaften Formen möglich ist – auch dies spricht m.E. für ein Wahlrecht des Käufers.113 Verlangt der Käufer allerdings keine konkrete Form der Nacherfüllung, kann diese Äußerung ggf. dahingehend ausgelegt werden, dass er auf sein Wahlrecht verzichtet. Der Verzicht darf aber nicht vorschnell angenommen werden vielmehr muss die Erklärung des Käufers sorgfältig ausgelegt und unter Umstände der Käufer darüber befragt werden.
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Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 293. S. Teil 4, Kapitel 1, C. 111 Vgl. Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 199. 112 Eingehend bereits Teil 4, Kapitel 1, C. 113 Nach der hier vertretenen Ansicht wird das Wahlrecht des Käufers zwischen der Ersatzlieferung und der Nachbesserung als ius variandi verstanden. Wenn der Käufer die Ersatzlieferung gewählt hat, kann er m.E. diese auch im Nachhinein noch ändern, bis der Verkäufer eine tatsächliche Handlung vornimmt. Jedoch ist das Wahlrecht ausgeschlossen, wenn er Rücktritt oder Minderung gewählt hat. 110
Kapitel 4. Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs
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C. Formalia bei der Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs Wenn die gelieferte Ware einen Sachmangel aufweist, kann der Käufer vom Verkäufer unter angemessener Fristsetzung Nacherfüllung verlangen. Diese Fristsetzung ist gem. § 667 Abs. 1 auch im Rahmen des Werkvertrages vorgesehen. Für die Angemessenheit der Frist sind die Umstände des Einzelfalls zu betrachten, allgemein können für die Auslegung jedoch die Überlegungen für die Frist in § 667 Abs. 1 herangezogen werden. Die angemessene Fristsetzung wird auch in anderen Vorschriften, z.B. §§ 395 (Schadensersatz an Erfüllung statt), 544 (Rücktritt wegen Erfüllungsverzuges), tatbestandlich normiert. Daher können auch diese Vorschriften für die Angemessenheit der Frist in Erwägung gezogen werden. Die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs bedarf keiner bestimmten Form, muss aber für den Käufer die Art und den Inhalt des bestehenden Mangels erkennen lassen. Außerdem muss das Nacherfüllungsbegehren eindeutig zum Ausdruck kommen.114 Da der Nacherfüllungsanspruch ein Rechtsbehelf der allgemeinen Mängelhaftung ist, unterliegt seine Geltendmachung auch der Ausschlussfrist der Gewährleistungsrechtsbehelfe in § 582. Somit muss der Käufer binnen sechs Monaten nach Kenntniserlangung des Mangels den Nacherfüllungsanspruch geltend machen. Im Zusammenhang mit der sechsmonatigen Ausschlussfrist wird im Schrifttum bemängelt, dass diese Frist äußerst kurz sei und daher durch eine Gesetzesänderung verlängert werden müsse. 115 Unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten ist die Ausschlussfrist in der Tat zu kurz. Das japanische BGB (JBGB) schreibt in den §§ 570, 566 Abs. 3 JBGB eine einjährige Ausschlussfrist vor, obwohl das JBGB wie das KBGB klar zwischen der allgemeinen Leistungsstörungshaftung und der Mängelhaftung differenziert.116
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Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 287. Z.B. Lee, Sang-Kwang, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 5, No. 1 (1998), S. 312; Han, Woong-Gil, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 13, Nr. 2 (2006), S. 304 f, S. 110 f. 116 Vgl. § 566 JBGB (1) Hat der Käufer nicht gewusst, dass ein Erbbau- oder Erbpachtrecht, eine Grunddienstbarkeit, ein Zurückbehaltungsrecht oder ein Pfandrecht an der Kaufsache besteht, so kann er von dem Vertrag zurücktreten, wenn der Vertragszweck dadurch nicht erreicht werden kann; anderenfalls ist er nur berechtigt, Schadensersatz zu verlangen. (2) Die Bestimmungen des obigen Absatzes finden entsprechende Anwendung, wenn eine zu Gunsten eines Kaufgrundstücks behauptete Grunddienstbarkeit nicht besteht oder wenn ein eingetragenes Mietrecht an dem Grundstück besteht. (3) In den Fällen der beiden vorstehenden Absätze muss innerhalb eines Jahres nachdem der Käufer Kenntnis des Sachverhalts erlangt hat, der Rücktritt erklärt oder Schadensersatz verlangt werden. § 570 JBGB 115
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Die Vorschläge für die Ausschlussfrist reichen im Schrifttum von einem Jahr nach Kenntniserlangung vom Mangel bis zu drei Jahren nach Lieferung der Kaufsache. 117 Nach diesem Vorschlag sollten beide Kriterien, nämlich die Kenntnisnahme des Käufers als subjektiver Maßstab und die Lieferung des Verkäufers als objektiver Maßstab für die Fristbestimmung kombiniert werden. Die Gegenansicht sieht in einer möglichen Verlängerung der Ausschlussfrist die Gefahr, dass beide Parteien einen größeren Zeitraum für ihren Disput haben und der Käufer diesen für die willkürliche Ausübung seiner Rechtsbehelfe ausnutzen könnte.118 Im KBGB ist eine Mängelrüge nicht als Obliegenheit des Käufers vorgesehen. Die Untersuchung der gelieferten Ware und die Mängelrüge werden nur für den handelsgeschäftlichen Kaufvertrag in § 69 des koreanischen HGB (KHGB) normiert.119 Da der Käufer im KBGB nicht der Untersuchungs- sowie Mängelrügefrist unterliegt, entdeckt er den Mangel ggf. erst nach Annahme der Kaufsache. In diesem Fall kann er trotzdem fristgerecht seinen Nacherfüllungsanspruch geltend machen. M.E. ist dennoch der Unterschied zwischen der Verjährungs- und der Ausschlussfrist zu groß, selbst wenn die Ausschlussfrist gem. § 582 erst nach der Kenntnisnahme des Käufers vom Mangel abläuft. Außerdem entfacht sich an den unterschiedlichen Fristen der Streit um die Einordnung des Nacherfüllungsanspruchs. Daher sollte die Ausschlussfrist so verlängert werden, dass sie mehr in Einklang mit der Verjährungsfrist steht. M.E. wäre es gemäß dem zuerst genannten Vorschlag plausibel, dass sowohl ein subjektives als auch ein objektives Kriterium für die Ausschlussfrist der Gewährleistungsrechte herangezogen wird. Wenn der Käufer mit dem Nacherfüllungsanspruch unvereinbare Rechtsbehelfe geltend gemacht hat, kann er nicht weiterhin Nacherfüllung Bei verborgenen Mängeln der Kaufsache kommen die Bestimmungen des § 566 zu entsprechender Anwendung, es sei denn, dass die Sache im Wege der Zwangsversteigerung verkauft wird. 117 Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 189. 118 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 289. 119 § 69 KHGB (Buyer’s Duty to Examine Subject-Matter and to Notify Defects Therein) (1) In the case of a sale between merchants, the buyer shall, upon taking delivery of the subject-matter, examine it without delay, and if he discovers any defects therein or any deficiency in quantity, he shall immediately dispatch notice thereof to the seller, otherwise, he has no right to rescind the contract, to demand a reduction in the price or to claim damages thereby. The same shall apply in cases where, within six months, the buyer discovers in the subject-matter of the sale a defect which was not immediately discoverable. (2) The provisions of the preceding paragraph shall not apply to the seller acting in bad faith.
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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verlangen. Das gilt z.B. im Falle der Minderung oder des Rücktritts. Daher kann der Käufer zusätzlich zur Nacherfüllung nur den Ersatz des Schadens gem. § 390 verlangen, der ihm trotz der Nacherfüllung verbleibt.
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Einleitung Während der Charakter des Nacherfüllungsanspruchs sowie die Anerkennung und die Tatbestandsmerkmale des allgemeinen Nacherfüllungsanspruchs stark diskutiert werden, wird der tatsächlichen Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs bislang im Schrifttum wenig Beachtung geschenkt. Diese ist m.E. für die Vertragsparteien aber von großer praktischer Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellen sich Fragen nach dem Umfang der Nacherfüllung, den Kosten und dem Erfüllungsort usw. Diese Fragen werden vom KBGB trotz ihrer Bedeutung eher stiefmütterlich behandelt.120 Die Frage nach dem Umfang der Ersatzlieferung wird beispielsweise virulent, wenn der Käufer die mangelhafte Sache bereits auf eigene Kosten verarbeitet hat. Ist nun der Verkäufer im Rahmen der Ersatzlieferung nur dazu verpflichtet, die im Kaufvertrag vereinbarte mangelfreie Kaufsache erneut auszuliefern, kann das Interesse des Käufers an der Verarbeitung der Kaufsache nicht berücksichtigt werden – sein Ressourceneinsatz für die Verarbeitung geht dann ins Leere. Beispielsweise kann der Käufer eines Wagens nach der Lieferung diesen kosten- und zeitaufwändig umgestalten. Wenn sich später ein schwerwiegender Defekt am Wagen zeigt, kann der Käufer zwar Ersatzlieferung verlangen. Aber wenn der Verkäufer dann nur ein neues, mangelfreies Autos liefern muss, bleibt der Käufer auf seinen getätigten Aufwendungen sitzen, auch wenn die Ersatzlieferung durch den Verkäufer erfolgt. Wenn eine weitere Verarbeitung der Kaufsache durch den Käufer typischerweise vorgesehen ist (z.B. bei Baustoffen), ist diese Problematik nicht zu vernachlässigen. Je beschränkter der Umfang der Ersatzlieferung ist, desto weniger korrigiert sie aus Käufersicht die aufgrund des Mangels verletzte Interessenlage. Wenn der Umfang der Nacherfüllung nicht ausreichend ist oder der Käufer die Kosten der Nacherfüllung weiterhin zu tragen hat, verliert der Nacherfüllungsanspruch seinen Charakter als Abhilfemittel des Käufers. Denn durch die Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs kann die 120 Die Frage, in welchem Umfang der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet ist, kann m.E. für den Käufer wichtiger sein als die Frage, unter welchen Voraussetzungen er überhaupt zur Nacherfüllung verpflichtet ist.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Wiederherstellung des Interesses des Käufers nicht vollständig herbeigeführt werden. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Kodifikation bleibt auch diese Frage Schrifttum und Rechtsprechung überantwortet. Diesbezüglich hilft auch das Werkvertragsrecht nicht weiter, weil sich hierzu keine Hinweise in § 667 finden, obwohl diese Vorschrift die einzige ist, die den Nacherfüllungsanspruch im Werkvertrag regelt. B. Durchführung der Ersatzlieferung Die Ersatzlieferung ist in § 581 Abs. 2 näher beschrieben. Demnach bedeutet Ersatzlieferung, dass der Verkäufer dem Käufer für die mangelhafte Sache eine mangelfreie liefern muss – sie also einen Austausch zum Inhalt hat.121 Sobald der Verkäufer die neue mangelfreie Kaufsache liefert, ist er berechtigt, die ursprüngliche mangelhafte Kaufsache zurückzuverlangen. Trotzdem gibt es im KBGB keine dem § 439 Abs. 4 BGB entsprechende Vorschrift. Daher kann der Verkäufer unter Berufung auf § 741, der Vorschrift über die ungerechtfertigte Bereicherung, die Herausgabe der gelieferten mangelhaften Kaufsache verlangen. Gleichwohl kann der Verkäufer die Rückgewähr nicht Zug um Zug gegen Ersatzlieferung verlangen: Die Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegt in der Sphäre des Verkäufers122 – die daraus resultierenden Unsicherheiten soll er selbst hinnehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob der Käufer Nutzungen ausgleichen muss, die er bis zur Annahme der Ersatzware aus der mangelhaften Kaufsache gezogen hat. Dies ist indes zu verneinen, da der Käufer die Sache bereits ab dem Zeitpunkt der ursprünglichen Lieferung nach seinem Belieben hätte nutzen können, wenn sie mangelfrei gewesen wäre.123 Als Ersatzlieferung wird nur der komplette Austausch der Ware bezeichnet – ein teilweiser Austausch dagegen ist eine Nachbesserung. Trotzdem kann der Käufer auch bei einer nur teilweise mangelhaften Kaufware Ersatzlieferung verlangen, sofern dies keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt.124 Anders als im Fall der Nachbesserung steht bei der Ersatzlieferung die Frage nach dem vom Verkäufer geschuldeten Umfang im Vordergrund.
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Vgl. § 581 Abs. 2 KBGB (2) Im Falle des Absatzes 1 kann der Käufer statt Wandlung oder Schadenersatz wegen Sachmangels verlangen, dass ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird (Hervorhebung durch den Verfasser). 122 Lee, Eun-Young, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 340. 123 So auch KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 310. 124 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 298.
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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Denn der Verkäufer muss die Ware erneut liefern, während Gegenstand der Nachbesserung stets die gelieferte ursprüngliche Kaufsache ist. Nach der Lieferung der Kaufsache steht sie zur Disposition des Käufers, sodass er sie nach seinem Belieben verarbeiten kann, was bei manchen Gegenständen, z.B. Baustoffen, sogar zu erwarten ist. Über die damit zusammenhängenden Probleme wird in der koreanischen Zivilrechtsliteratur bislang nicht diskutiert. M.E. liegt die Problematik darin, dass die erneute Auslieferung der vertraglich vereinbarten mangelfreien Kaufsache das Käuferinteresse grundsätzlich nicht völlig befriedigen kann. Denn es gibt stets einen zeitlichen Abstand zwischen der ursprünglichen Lieferung und der Ersatzlieferung, in der der Käufer die Sache verarbeiten oder verändern kann. Die bloße Lieferung der mangelfreien Sache, die keine Rücksicht auf die in der Zwischenzeit für die Sache getätigten Aufwendungen nimmt, kann nicht als echter Rechtsbehelf des Käufers gelten. Dies ist auch im Zusammenhang mit dem Rücktritt problematisch. Nach §§ 580, 581 in Verbindung mit § 575 Abs. 1 kann der Käufer zurücktreten, wenn er infolge des Mangels den Zweck des Kaufvertrages nicht erreichen kann. Darüber hinaus kann er gem. § 581 Abs. 2 anstelle von Rücktritt oder Schadensersatz Ersatzlieferung verlangen. D.h. der Rücktritt stellt im Rahmen der Gewährleistungsrechte des Käufers die ultima ratio dar und verfolgt das Ziel, den vereitelten Kaufzweck zu kompensieren. Die Ersatzlieferung gem. § 581 Abs. 2 ist eine Alternative zum Rücktritt, sodass man dem Umkehrschluss aus dieser rechtlichen Ausgestaltung entnehmen kann, dass bei der Ersatzlieferung der Zweck des Kaufvertrages nach wie vor verfolgt werden soll. Ob die Zweckerreichung aber lediglich mit einer erneuten Lieferung erreicht werden kann, halte ich gerade in Fällen wie denen der Baustoffe, bei denen der Zweck des Kaufvertrags von vornherein in der weiteren Bearbeitung der Sache liegt, für äußerst fragwürdig. Wenn der Käufer in solchen Fällen den ursprünglichen Kaufzweck mit Hilfe der erneut gelieferten mangelfreien Materialien weiterverfolgen will, muss er weitere Maßnahmen ergreifen, nämlich den Ausbau der bereits eingebauten mangelhaften Ware und den Einbau der Ersatzware. Dies ist für den Verkäufer auch von vornherein ersichtlich. Für den Verkäufer stellt sich die Frage umgekehrt: Legt man den Umfang der Ersatzlieferungspflicht äußerst weit aus – beispielsweise dergestalt, dass der Verkäufer auch alle vom Käufer zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen nach der Ersatzlieferung wiederherstellen muss – stellt dies eine nicht hinzunehmende Belastung für ihn dar. Dies gilt umso mehr als die Dispositionsmöglichkeit über die Kaufsache dem Käufer zusteht und es für den Verkäufer nicht immer vorhersehbar ist, wie der Käufer mit der Sache weiter verfährt.
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Fraglich ist demnach, wie diese beiden Interessenlagen zum Ausgleich gebracht werden können. M.E. muss die Ersatzlieferung etwaige Verarbeitungen durch den Käufer jedenfalls dann berücksichtigen, wenn es sich um eine Kaufsache handelt, bei der für den Verkäufer ersichtlich ist, dass sie verarbeitet werden wird. Gleichwohl muss dem Verkäufer eine Befreiungsmöglichkeit verbleiben, wenn die in Rede stehende Ersatzlieferung für ihn einen unzumutbaren Aufwand darstellt – so werden beide Interessenlagen gleichermaßen berücksichtigt. In Bezug auf diese Problematik kann m.E. dem Lösungsansatz eines Urteils des EuGH gefolgt werden.125 Demnach kann der Käufer, der die mangelhafte Kaufsache vor Auftreten des Mangels im Vertrauen auf die Mangelfreiheit ihrer Art und ihrem Verwendungszweck gemäß eingebaut hat, den Ausbau dieser ursprünglich gelieferten Kaufsache und den Wiedereinbau der ersatzweise gelieferten mangelfreien Ware im Sinne der Ersatzlieferung verlangen.126 M.E. ist dieser Ansatz des EuGH auch auf den Umfang der Ersatzlieferung im KBGB übertragbar. Wenn der Käufer hinsichtlich seiner Verarbeitung gutgläubig ist und diese Verarbeitung nach der Art und dem Verwendungszweck der Kaufsache, wie im Fall der Baumaterie, verkehrstypisch und daher auch für den Verkäufer vorhersehbar ist, soll die Ersatzlieferung im Sinne des Rechtsbehelfs des Käufers nicht auf eine bloße Lieferung der mangelfreien Ersatzware eingeschränkt werden. C. Durchführung der Nachbesserung Im Vergleich zur Ersatzlieferung zeichnet sich die Nachbesserung dadurch aus, dass der Mangel an der bereits gelieferten Sache beseitigt wird, ohne dass ein Austausch der Ware stattfindet, wobei aber ein teilweiser Austausch durchaus eine Art der Nachbesserung sein kann. Die Nachbesserung kann unabhängig davon verlangt werden, ob es sich um einen Stück- oder Gattungskauf handelt oder die Ware eine vertretbare oder unvertretbare Sache ist.127 Dabei steht es dem Verkäufer frei, wie er die Nachbesserung durchführt. Er kann entweder Dritte einschalten oder die Nachbesserung selbst vornehmen – z.B. wenn er über besondere Sachkenntnis verfügt oder die Einschaltung Dritter zu lange dauern würde.128 Sollte der Verkäufer bei Abschluss des Vertrags aber dem Käufer mitgeteilt haben, dass er über Reparaturmöglichkeiten verfügt, und hat das Vertrauen des Käufers auf die 125
EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988. EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988 (erster Leitsatz). 127 Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 25. 128 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 304. 126
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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besonderen Fähigkeiten des Verkäufers eine wichtige Rolle für den Abschluss des Kaufvertrages gespielt, muss der Verkäufer m.E. den Mangel selbst beseitigen. Der Käufer muss aber an der Nachbesserung mitwirken – z.B. im Rahmen der Beförderung der Kaufsache zum Verkäufer. Diese Nebenpflicht ergibt sich aus Treu und Glauben in § 2. D. Nacherfüllungsort und Kosten der Nacherfüllung Da es im KBGB keine Norm zur Durchführung der Nacherfüllung gibt, müssen die Fragen nach dem Erfüllungsort und den Kosten der Nacherfüllung durch Auslegung und den Charakter der Nacherfüllung beantwortet werden. Wenn man der Auffassung folgt, dass der Nacherfüllungsanspruch nur ein modifizierter Erfüllungsanspruch ist, können die Vorschriften über den Erfüllungsort des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs auch im Fall der Nacherfüllung gelten. Insoweit wäre § 467 anwendbar, der den Leistungsort des Schuldners definiert. Demnach muss der Verkäufer die Nacherfüllung beim Stückkauf an dem Ort bewirken, an dem sich die Kaufsache beim Abschluss des Kaufvertrages befunden hat, soweit der Vertragsvereinbarung bzw. der Natur des Schuldverhältnisses nichts anderes entnommen werden kann. Hingegen muss der Verkäufer beim Gattungskauf gem. § 467 Abs. 2 die Nacherfüllung am Wohnsitz des Käufers leisten, wenn sich nichts anderes aus der Vertragsvereinbarung sowie der Natur des in Rede stehenden Schuldverhältnisses ergibt. Im Fall des Stückkaufs ist das Problem des Nacherfüllungsorts strittig, denn der Käufer ist beim Nacherfüllungsverlangen verpflichtet, die mangelhafte Sache auf eigene Kosten zu dem Ort zu transportieren, an dem sie sich bei Abschluss des Kaufvertrages befunden hat. Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Ersatzlieferung auch beim Stückkauf möglich, falls die Kaufsache eine vertretbare Sache darstellt und zugleich das Leistungsinteresse bzw. die Erwartung des Käufers durch die Lieferung einer ersatzweise besorgten Sache zufriedenstellen kann. Wenn man diesem Ansatz folgt, ist der Verkäufer beim Stückkauf gem. § 467 Abs. 1 nur zur Ersatzlieferung am Leistungsort verpflichtet, während der Käufer beim Gattungskauf die erneute Lieferung der Ersatzware an seinen Wohnsitz verlangen kann. Für diese Differenzierung indes ist kein triftiger Grund ersichtlich. Nach der Ansicht, die eine Ersatzlieferung beim Stückkauf ablehnt, ergibt sich dennoch ein ähnliches Problem. Demnach ist die Nachbesserung die einzig mögliche Nacherfüllungsalternative beim Stückkauf. Wenn man § 467 Abs. 1 auch im Fall der Nachbesserung zur Anwendung bringen will, kann der Käufer beim Stückkauf nicht die Durchführung der Nach-
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besserung am Belegenheitsort der Kaufsache verlangen, vielmehr ist er verpflichtet die mangelhafte Kaufsache an den Leistungsort des Stückkaufs zu transportieren und die dafür anfallenden Kosten selbst zu tragen, obwohl doch die Nacherfüllung des Käufers von der Lieferung der mangelhaften Kaufsache durch den Verkäufer ausgelöst wird. Wenn die Kaufsache beim Stückkauf beispielweise bereits montiert und daher nicht mehr transportabel ist, bleibt dem Käufer nur, vom Verkäufer aus Kulanzgründen die Ausführung der Nachbesserung am Belegenheitsort zu verlangen und dabei die entstehenden zusätzlichen Kosten zu tragen. Daher kann die Vorschrift des § 467 über den ursprünglichen Leistungsort für den Nacherfüllungsanspruch nicht zur Geltung kommen. Wie bereits im Rahmen der Frage nach der Ersatzlieferungsmöglichkeit beim Stückkauf dargestellt,129 ist die Differenzierung zwischen Stück- und Gattungskauf kein geeigneter Maßstab für die Ausgestaltung des Nacherfüllungsanspruchs. Der Nacherfüllungsanspruch ist vielmehr so zu verstehen, dass er dem Käufer als wirksamer Rechtsbehelf dienen soll. Daher kann die Vorschrift, die den Leistungsort des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs regelt, nicht für den Nacherfüllungsanspruch gelten. Denn dies würde dazu führen, dass die zusätzlichen Nachteile im Zusammenhang mit dem Transport der nacherfüllungsbedürftigen Kaufsache dem Käufer zur Last fallen. Es müssen aber alle Nachteile im Rahmen der Ausübung der Rechtsbehelfe vielmehr vom Verkäufer getragen werden. In diesem Sinne ist der Nacherfüllungsort richtigerweise der jeweilige Belegenheitsort der Kaufware. Dies lässt sich mit der Natur des Schuldverhältnisses gem. § 467 Abs. 1 begründen. Die Vorrangigkeit des aus der Natur des Schuldverhältnisses zu ermittelnden Leistungsorts wird in § 467 klargestellt. Die Natur der Nacherfüllung besteht m.E. im davon ausgelösten Schuldverhältnis, das auf die Rechtsbehelfe, nicht auf die ursprüngliche Lieferung gerichtet ist. In diesem Sinne ist der Leistungsort der Nacherfüllung unabhängig vom Stückkauf oder Gattungskauf und unabhängig von gesetzlichen Bestimmungen zur ursprünglichen Leistungspflicht nur aufgrund der Natur des auf die Nacherfüllung bezogenen Schuldverhältnisses zu bestimmen – m.E. ist damit der Leistungsort stets der Belegenheitsort der Kaufsache.130 Dies gilt auch unabhängig von der Wahl zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung. Aber auch ein Teil derer, die den Nacherfüllungsanspruch als modifizierten Erfüllungsanspruch ansehen, spricht sich für den jeweiligen Belegenheitsort als Erfüllungsort aus. 131 Sie begründen dies damit, dass der 129
S. Teil 4, Kapitel 3. B. Im Ergebnis ebenso Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 198. 131 Eingehend Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 294. 130
Kapitel 5. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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Erfüllungsanspruch zugunsten des Käuferinteresses modifiziert werde. Allerdings verdeutlicht m.E. eine derartige „Modifikation” im Rahmen der Nacherfüllung abermals, dass der Nacherfüllungsanspruch bereits einem vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch abweichenden Pfad folgt. Wenn man den Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers anerkennt, ist klar, dass seine Bedeutung geschmälert wird, wenn seine Geltendmachung zugleich gewisse Einbußen mit sich bringt. Diese Ansicht lässt den Verkäufer wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben einen anderen Ort als Nacherfüllungsort auswählen, wenn die Nacherfüllung am Belegenheitsort der Kaufsache übermäßig teuer ist. Dies stellt m.E. aber nicht wirklich eine Änderung des Nacherfüllungsortes da – vielmehr kann der Verkäufer den Transport der Kaufsache auf seine Kosten zu einem anderen Ort verlangen, weil der Käufer im Rahmen der Nacherfüllung zur Mitwirkung verpflichtet ist. Auch eine gesetzliche Vorgabe über die Kostentragung der Nacherfüllung sucht man im KBGB vergeblich.132 Die Kosten müssen zu Lasten des Verkäufers gehen, weil sie ihre Ursache in seiner vertragswidrigen Lieferung haben.133 Demnach kann die Reichweite der Kostentragung des Verkäufers anhand des Umfanges der Nacherfüllungspflicht variieren. Zu den Kosten, die der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung hinzunehmen hat, gehören Transportkosten für die Ersatzware, Arbeitskosten für Nachbesserungen, Anschaffungskosten von Ersatzteilen, Mängeluntersuchungskosten usw.134 Einen gewissen Anknüpfungspunkt bietet das KBGB in § 473, nach dem der Schuldner die zur Bewirkung der Leistung nötigen Kosten zu tragen hat. Nach anderer Ansicht kann die Kostentragung des Verkäufers aus einem Umkehrschluss aus § 473 S. 2 abgeleitet werden. Demnach soll der Verkäufer die Nacherfüllungskosten als über die Erfüllungskosten hinausgehende Mehrkosten, die auf den Mangel der Kaufsache zurückgehen, selbst tragen.135 M.E. ist abermals der Rechtsbehelfscharakter der Nacherfüllung entscheidend.136 132 Auch im CISG fehlt eine entsprechende Vorschrift. Dort aber wird dem Art. 48 die Kostentragungspflicht des Verkäufers indirekt entnommen: Honsell/Schnyder/Straub, Art. 46 CISG, Rn. 42. 133 Lee, Joon-Hyung, Diss. (Seoul National Univ., 2001), S. 188 plädiert in Bezug auf die werkvertragliche Nacherfüllung ebenso für eine komplette Kostentragung des Werkunternehmers, begründet dies aber nicht. 134 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 294. 135 Diese Ansicht wird im Kontext der Nacherfüllung beim Werkvertrag vertreten: Kim, Kyu-Whan, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 25 (2004), S. 227. 136 Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 195 spricht auch für die Kostentragung des Verkäufers im Rahmen der Nacherfüllung, jedoch begründet er dies mit der Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben.
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Im Hinblick auf das Wesen der Nacherfüllung wird der Rechtsbehelfscharakter der Nacherfüllung geschwächt, wenn der Käufer die Nacherfüllung zwar in vollem Umfang verlangen kann, die anfallenden Kosten jedoch selbst tragen muss. In diesem Fall könnte sich der Käufer auch selbst um die Anschaffung einer anderen mangelfreien Sache oder um die Reparatur bemühen. Auch für den Verkäufer spielen die Kosten eine große Rolle – sie sind m.E. die Kernfrage des Verkäufers in Bezug auf die Nacherfüllung. Denn in den meisten Fällen ist der Verkäufer als einfacher Zwischenhändler nicht in der Lage, die Nacherfüllung aus eigener Kraft zu verrichten. Und sofern er nicht selbst Hersteller ist, muss er die Ware auf eigene Kosten beschaffen. Darüber hinaus ist die Nachbesserung werkvertragsähnlich – d.h. der Verkäufer muss bei der Nachbesserung werkvertragsähnliche Pflichten hinnehmen, obwohl er derartige Pflichten bei Abschluss des Kaufvertrages nicht erwartet und sie dem kaufrechtlichen Pflichtenkatalog zudem fremd sind. Die Nacherfüllung ist daher dem Verkäufer in den meisten Fällen nur mit Hilfe des Marktes möglich, an dem er z.B. andere Ersatzware oder die nötige Arbeitskraft beschaffen kann.137 Obwohl die Kostenfrage für beide Parteien zentral ist, wird sie in der Literatur kaum behandelt. Im Mittelpunkt der Diskussion steht stattdessen die Selbstvornahme des Käufers und wonach er die Kosten dafür zurückverlangen kann. Meiner Ansicht nach kann sich ein Anspruch auf Kostenausgleich auf eine ungerechtfertigte Bereicherung in § 741 stützen. Denn infolge der Durchführung der Nacherfüllung seitens des Käufers erlangt der Verkäufer ohne rechtlichen Grund einen tatsächlichen Vorteil. Wenn den Verkäufer Verschulden an der mangelhaften Lieferung trifft, kann der Käufer im Rahmen des Schadensersatzes gem. § 390 Ersatz seiner Kosten verlangen, die er für die Selbstvornahme der Nacherfüllung aufwendet. Denn der Schadensersatz in § 390 erfasst sämtliche Schäden, die in einem Kausalzusammenhang mit der mangelhaften Lieferung stehen.138
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Dies verdeutlicht wiederum den gesellschaftlichen Wandel hin zur Marktwirt-
schaft. 138 Trotzdem kann der Umfang des Schadensersatzes nach § 393 unter bestimmten Umständen beschränkt sein – so z.B. wenn die Selbstvornahme des Käufers als außergewöhnlicher Umstand für das Entstehen des Schadens betrachtet wird.
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Kapitel 6. Ausschluss der Nacherfüllung Kapitel 6. Ausschluss der Nacherfüllung
A. Einleitung Der Nacherfüllungsanspruch wird als effektiver Rechtsbehelf des Käufers betrachtet, weil dieser dadurch die vertraglich vereinbarte Leistung erhalten und folglich der mit dem Kaufvertag verfolgte Zweck doch noch erreicht werden kann. Dennoch kann die Nacherfüllung nicht voraussetzungslos verlangt werden – in bestimmten Konstellationen muss sie ausgeschlossen sein. Da das auf die Nacherfüllung gerichtete Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer selbstverständlich ein Schuldverhältnis ist, sollen alle Regeln, die für Schuldverhältnisse im Allgemeinen gelten, auch hier Anwendung finden. Obwohl im KBGB keine Vorschrift zur schuldbefreienden Unmöglichkeit wie in § 275 BGB, existiert, ist sie doch für Schuldverhältnisse im Allgemeinen anerkannt und somit auch auf das Nacherfüllungsschuldverhältnis anwendbar. Im Falle der Unmöglichkeit der Nacherfüllung ist der Verkäufer somit nicht zur Leistung verpflichtet. Da das Nacherfüllungsschuldverhältnis nicht nur ein allgemeines, sondern auch kauf- und gewährleistungsrechtliches Schuldverhältnis ist, gibt es auch nacherfüllungsspezifische Ausschlussgründe. Für diese sind allerdings die Besonderheiten der Nacherfüllung in Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen zu berücksichtigen. Während andere Rechtsbehelfe eine Liquidation (Rücktritt) oder eine Geldtransaktion (Schadensersatz) zum Ziel haben, besteht der Nacherfüllungsanspruch in dem Anspruch auf Leistungserbringung in natura inkl. der damit für den Verkäufer verbundenen Aufwendungen. Daraus ergibt sich der Bedarf für nacherfüllungsspezifische Ausschlussgründe. Z.B. muss der Verkäufer die passende Leistung auf dem Markt beschaffen, wenn er selbst zur Nacherfüllung nicht befähigt ist. Diese unterliegt jedoch schwankenden Marktpreisen. Auch wenn der Verkäufer die Nacherfüllung selbst leisten kann, kann dies mit hohem Aufwand verbunden sein. Bei der Nachbesserung muss er selbst oder mit fremder Hilfe die Kaufsache reparieren. Und bei der Ersatzlieferung muss er die mangelfreie Sache selbst transportieren oder transportieren lassen. All diese Nacherfüllungsmaßnahmen stellen einen Kostenfaktor für den Verkäufer dar. So muss der Verkäufer von der Nacherfüllungspflicht befreit werden, wenn sie für ihn einen unverhältnismäßigen Aufwand zur Folge hätte. Problematisch ist, auf welche gesetzliche Grundlage dieser Ausschlussgrund gestützt werden kann. Denkbar ist der Ausschluss der Nacherfüllung im Rahmen der werkvertraglichen Regelung in § 667 Abs. 1. Denn anders als die gesetzliche Vorgabe der Ersatzlieferung gem. § 581 Abs. 2 sieht § 667 Abs. 1 einen Ausschluss der Nacherfüllung wegen unverhältnismä-
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ßiger Kosten ausdrücklich vor, zumal sich nach hier vertretener Ansicht der allgemeine Nacherfüllungsanspruch auch grundsätzlich auf die Vorschrift des werkvertraglichen Nacherfüllungsanspruchs stützt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob § 667 Abs. 1 mit Hilfe des Grundsatzes von Treu und Glauben in § 2 der Eigenart des Kaufvertrages angepasst werden muss und inwieweit er hierbei zu modifizieren ist. Die Unmöglichkeit als allgemeiner schuldrechtlicher Ausschlussgrund der Nacherfüllung knüpft an das Wesen der Nacherfüllung als Naturalleistung an, weil bei der Leistungserbringung in natura ein Fall der Unmöglichkeit im Vergleich zur Geldtransaktion häufig vorkommen kann. Beide Nacherfüllungsmodalitäten gelten als eigenständige Rechtsbehelfe und nicht nur als unterschiedliche Arten der Nacherfüllung. 139 Daher muss der Ausschlussgrund separat für beide Arten der Nacherfüllung untersucht werden. Besteht der Ausschlussgrund nur für eine Art der Nacherfüllung, verbleibt dem Käufer ein Anspruch auf die andere Form der Nacherfüllung. B. Unmöglichkeit Der Nacherfüllungsanspruch ist ein Gewährleistungsrecht und unterliegt daher den gewährleistungsspezifischen Ausschlussgründen. Zugleich zählt das Nacherfüllungsschuldverhältnis zu den allgemeinen Schuldverhältnissen. Daher sind auch die Ausschlussgründe des allgemeinen Leistungsstörungsrechts von Bedeutung – dies gilt vor allem für die Unmöglichkeit.140 Die Unmöglichkeit befreit den Schuldner von der Verpflichtung zur Leistung des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers. Die Ansicht, nach der der Nacherfüllungsanspruch ohnehin nur ein modifizierter Erfüllungsanspruch ist, wendet die Figur der Unmöglichkeit folgerichtig auch auf den Nacherfüllungsanspruch an.141 Aber m.E. muss für die Anwendung nicht einmal dieser Ansicht gefolgt werden, da die Befreiungswirkung der Unmöglichkeit als allgemeine schuldrechtliche Regelung für alle Schuldverhältnisse gilt und nicht nur für die ursprüngliche Erfüllungspflicht. Es versteht sich daher von selbst, dass der Verkäufer zur unmöglich gewordenen Leistung nicht mehr verpflichtet ist, unabhängig davon, ob der Nacherfüllungsanspruch ein modifizierter Erfüllungsanspruch ist oder nicht. In diesem Sinne ist die Unmöglichkeit als Ausschlussgrund der Nacherfüllung m.E. kein Anhaltspunkt für die Charakte139 In diesem Sinne ist der Nacherfüllungsanspruch nur ein Oberbegriff für beide Rechtsbehelfe bzw. Gewährleistungsrechte. Zudem unterscheidet sich der Nacherfüllungsanspruch des Käufers aus diesem Grund von dem Nacherfüllungsanspruch des Bestellers gem. § 667 Abs. 1. 140 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 241. 141 Z.B. Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 305.
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risierung des Nacherfüllungsanspruchs als modifizierter Erfüllungsanspruch. Vielmehr hat die Unmöglichkeit als Ausschlussgrund der Nacherfüllung einen engen Zusammenhang mit dem Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs, der auf eine Naturalleistung gerichtet ist. Wie oben erwähnt,142 gibt es im KBGB keine dem § 275 BGB entsprechende Regelung. Dennoch ist die Unmöglichkeit im KBGB vorgesehen, da in einigen schuldrechtlichen Regelungen die Unmöglichkeit als Tatbestandsmerkmal ausdrücklich genannt wird, z.B. Rücktritt wegen Unmöglichkeit der Leistung gem. § 546 oder zu vertretendes Unmöglichwerden gem. § 538. Ferner hat gem. § 535 derjenige den Schaden zu ersetzen, der bei Abschluss eines Vertrages die Unmöglichkeit der Leistung kannte oder kennen musste. Daher ist in Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass die Unmöglichkeit von der Leistung befreit.143 Nach h.M. liegt der Maßstab für das Vorliegen der Unmöglichkeit in der Verkehrsanschauung.144 Daher zählen zum Begriff der Unmöglichkeit nicht nur die physische Unmöglichkeit, sondern auch die rechtliche und die faktische Unmöglichkeit.145 Die Rechtsprechung hat sich dem angeschlossen; anerkannt ist die Unmöglichkeit demnach aber auch dann, wenn Umstände vorliegen, die nach der Verkehrsanschauung die Erfüllung außerordentlich erschweren.146 D.h. die Unmöglichkeit im KBGB wird nicht nur auf eine absolute sowie physische Unmöglichkeit eingeschränkt, vielmehr erfasst sie auch eine faktische Unmöglichkeit.147 Darüber hinaus zählt im KBGB auch eine wirtschaftliche Unmöglichkeit im Allgemeinen zu einer Art der Unmöglichkeit. 148 Wenn die Leistungserbringung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Opfergrenze des Schuldners überschreitet und die Erfüllung des Schuldners daher vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann dieser von der Leistungspflicht befreit werden. Wenn die Nacherfüllung physisch, faktisch, rechtlich oder wirtschaftlich unmöglich ist, ist der Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen. M.E. ist der Nacherfüllungsanspruch im Falle der objektiven Unmöglichkeit schon von Amts wegen auszuschließen, da es in einem solchen Fall nicht sinnvoll ist, Nacherfüllung zu verlangen. Demgegenüber muss sich der Verkäufer im Falle der faktischen oder wirtschaftlichen Unmöglichkeit explizit auf diese 142
S. Teil 4, Kapitel 6, A. KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 240, 251. 144 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 242; so auch Kim, Hyung-Bae, Schuldrecht Allgemeiner Teil, S. 45. 145 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 254. 146 KOGH, 16.7.1996, 96Da14616; KOGH, 28.2.1995, 94Da42020; KOGH, 10.5.1994, 93Da37977; KOGH,.26.7.1991, 91Da8104. 147 Vgl. KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 260. 148 KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 261. 143
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berufen, um von der Pflicht zur Nacherfüllung befreit zu werden, denn in derartigen Fällen ist dem Verkäufer die Nacherfüllung eigentlich möglich. Ihm soll daher die Möglichkeit verbleiben, aus Kulanz trotz aller Schwierigkeiten zu erfüllen und so einen Rücktritt des Käufers abzuwenden.149 In manchen Fällen ist die Nacherfüllung für den Verkäufer sogar günstiger als ein Rücktritt des Käufers. Die Nacherfüllung ist wegen Unmöglichkeit ferner dann ausgeschlossen, wenn der Mangel technisch oder rechtlich nicht beseitigt werden kann. In einem KOGH-Urteil wurde der Ausschluss der Nacherfüllung wegen Unmöglichkeit in einem Fall bejaht, in dem ein Verkäufer ein Auto verkaufte, das gemäß amtlicher Verfügung wegen unerlaubten Fahrens 150 Tage nicht bewegt werden durfte. Denn infolge dieser Verfügung konnte der Käufer den Zweck des Autokaufs, nämlich die entsprechend gesteigerte Mobilität, nicht erreichen.150 M.E. scheidet in diesem Fall die Nachbesserung wegen Unmöglichkeit aus, da es dem Käufer bei Vertragsschluss darauf ankam, den Wagen sofort nutzen zu können. Eben darin liegt das Kerninteresse des Käufers an einem Autokauf. Die Nacherfüllung scheidet z.B. auch aus, wenn die Kaufsache ein als Original verkauftes, tatsächlich aber gefälschtes Bild ist, da dann beide Formen der Nacherfüllung undenkbar sind. Die Ersatzlieferung ist wegen Unmöglichkeit ferner dann ausgeschlossen, wenn alle auf dem Markt befindlichen Sachen der gleichen Gattung fehlerhaft sind.151 Nach der hier vertretenen Ansicht ist eine Ersatzlieferung sogar beim Stückkauf denkbar, wenn es sich um eine vertretbare Sache handelt und die Ersatzlieferung zugleich das vom Käufer erwartete Leistungsinteresse befriedigen kann. Wenn man dem folgt, kann u.U. auch bei einer komplett fehlerhaften Gattung die Nacherfüllung möglich sein, nämlich wenn der Verkäufer eine Sache beschaffen kann, die mit der ursprünglich vereinbarten funktionell vergleichbar ist und daher das Interesse des Käufers gleichermaßen befriedigt, z.B. eine Kupferleitung einer anderen Marke, jedoch von vergleichbarer Qualität. Denn m.E. spielt die ursprüngliche Vereinbarung eines Gattungskaufes im Rahmen der Nacherfüllung keine große Rolle. Wie bereits ausgeführt,152 kann diesem Ergebnis entgegengehalten werden, dass es das Beschaffungsrisiko des Verkäufers unerwartet erhöht. Dieser Einwand ist m.E. aber wenig überzeugend: Denn im Rahmen der Nachbesserung muss der Verkäufer auch beim Gattungskauf ggf. fremde 149 Nach der Tatbestandsvoraussetzung des Rücktritts gem. §§ 579, 580 im Rahmen der Nacherfüllung schließen Rücktritt und Nacherfüllung einander aus, weil die Nacherfüllung die Realisierung des Vertragszwecks zum Ziel hat. 150 KOGH, 9.4.1985, 84DaKa2525. 151 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 308. 152 S. Teil 4, Kapitel 3, B.
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Hilfe besorgen, obwohl eine solche Maßnahme bei Vertragsschluss nicht vereinbart wurde. Keine Berücksichtigung bei der Beurteilung der Unmöglichkeit finden subjektive Kriterien wie eine fehlende eigene Werkstatt oder fehlender Besitz an Ersatzware derselben Gattung. Auf sein eigenes Unvermögen kann sich der Verkäufer nicht berufen.153 Der Verkäufer muss bei eigenem Unvermögen die entsprechenden Leistungen am Markt beschaffen. Fraglich ist insofern nur, wieviel er dafür maximal ausgeben muss. Dies leitet über zur faktischen oder wirtschaftlichen Unmöglichkeit. Wenn die geforderten (wirtschaftlichen) Anstrengungen des Verkäufers die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, kann der Verkäufer von der Nacherfüllung unter Heranziehung der Figuren der wirtschaftlichen oder faktischen Unmöglichkeit befreit werden. Die beiden Nacherfüllungsmodalitäten sind als unterschiedliche Rechtsbehelfe anzusehen. Daher kann der Verkäufer nur dann endgültig von der Nacherfüllungspflicht befreit werden, wenn beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind. Wenn z.B. trotz Unmöglichkeit der Nachbesserung immerhin noch eine Ersatzlieferung möglich ist und der Käufer auf Nacherfüllung besteht, bleibt der Verkäufer zur Ersatzlieferung verpflichtet. C. Unverhältnismäßigkeit Der gewährleistungsrechtsspezifische Ausschlussgrund im Kaufrecht, der dem Ausschluss nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht gegenübersteht, ist in § 580 Abs. 1 S. 2 normiert. Danach hat der Käufer auch beim Vorliegen eines Sachmangels keine Rechtsbehelfe, wenn er den Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte. Dieser Ausschlussgrund gilt für alle Mängelgewährleistungsrechte des Käufers.154 Im Kaufrecht findet sich zwar kein nacherfüllungsspezifischer Ausschlussgrund, dennoch lässt sich ein solcher auch aus einer werkvertraglichen Vorschrift herleiten: Gem. § 667 Abs. 1 ist der Unternehmer von der Verpflichtung zur Nacherfüllung befreit, wenn der Mangel unerheblich ist und seine Beseitigung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde.155
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KBGB-Komm. Kwak/Yang, Chang-Su, Schuldrecht (2), S. 243. Der gesetzliche Ausschlussgrund in § 580 Abs. 1 S. 2 wird jedoch kritisiert, da er auch auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis des Käufers vom Sachmangel erfasst: Sa, Dong-Cheon, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 24 (2003), S. 20 f. 155 Dass sich im Werkvertragsrecht entsprechende Vorgaben finden, liegt daran, dass der Nacherfüllungsanspruch als Gewährleistungsrecht im Rahmen des Werkvertrags explizit normiert ist. 154
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Durch diesen Nacherfüllungsausschluss kann die Mängelhaftung des Unternehmers im Rahmen der Nacherfüllung auf gerechte Weise eingegrenzt werden, sodass beide Interessenlagen angemessen berücksichtigt werden. Gem. § 667 Abs. 1 kommt es maßgeblich auf eine Gegenüberstellung der Erheblichkeit des Mangels aufseiten des Bestellers einerseits und des dafür erforderlichen Aufwandes aufseiten des Werkunternehmers andererseits an.156 Nach dem Umkehrschluss aus § 667 Abs. 1 könnte man annehmen, dass bei Vorliegen eines erheblichen Mangels der Nacherfüllungsanspruch nicht gem. § 667 Abs. 1 ausgeschlossen sein kann, unabhängig davon, ob für die Mangelbehebung ein unverhältnismäßig hoher Aufwand erforderlich wäre. In einem KOGH-Urteil wird dieser Gedanke ausdrücklich geäußert: Demnach sei das Nacherfüllungsverlangen des Bestellers im Fall des erheblichen Mangels berechtigt, obwohl die Vornahme dieser Nacherfüllung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordere. 157 Wenn man dem folgt, kann der Nacherfüllungsanspruch des Bestellers gem. § 667 Abs. 1 wegen des erheblichen Mangels nur dann ausgeschossen werden, wenn der dafür erforderliche Aufwand nicht vom Werkunternehmer hingenommen werden kann, also ein Fall der wirtschaftlichen Unmöglichkeit vorliegt. Aber m.E. stellt der Ausschlussgrund des Nacherfüllungsanspruchs in § 667 Abs. 1 vielmehr den Maßstab der Unverhältnismäßigkeit dar – nämlich wie die Unverhältnismäßigkeit im Rahmen der Nacherfüllung festgestellt werden kann. Wenn der vorliegende Mangel nicht erheblich ist, sodass das Käuferinteresse hinsichtlich des Erhalts der mangelfreien Sache nicht übermäßig groß ist, kann Nacherfüllung nicht verlangt werden, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand für den Verkäufer bedeutet. Wenn ein erheblicher Mangel vorliegt, soll der Verkäufer jedoch einen Nacherfüllungsaufwand hinnehmen, der auf den ersten Blick als unverhältnismäßig hoch erscheint. D.h. die Erheblichkeit des Mangels im Sinne des § 667 Abs. 1 kann als Intensität des Interesses des Käufers an der Nacherfüllung verstanden werden. 158 Es wird also das Interesse des Käufers an der Mängelbeseitigung mit sämtlichen Aufwendungen des Verkäufers für die Nacherfüllung verglichen. In diesem Sinne statuiert § 667 Abs. 1 im Zusammenhang mit der Unverhältnismäßigkeit ein Prinzip: Je erheblicher der Mangel ist, desto intensiver ist das Interesse des Käufers an 156 Kritisch Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 308: demnach wird der Ausschlussgrund der Nacherfüllung gem. § 667 Abs. 1 als mangelhafte Normierung angesehen, weil diese Vorschrift als Kriterium des Nacherfüllungsausschlusses nur die Erheblichkeit des Mangels und deren Kosten anführt. 157 KOGH, 14.11.1999, 99Da49743. 158 Implizit ebenso KBGB-Komm. Kwak/Kim, Yong-Dam, Schuldrecht (8), S. 456: demnach stellt die Unverhältnismäßigkeit gem. § 667 Abs. 1 auf einen Vergleich zwischen den für die Nacherfüllung erforderlichen Kosten und dem Interesse des Käufers an der Mängelbeseitigung ab.
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der Nacherfüllung. Denn die Erheblichkeit des Mangels gem. § 667 Abs. 1 ist davon abhängig, inwieweit er den Vertragszweck vereitelt.159 Folgerichtig geht diese mit dem Interesse des Käufers am Erhalt der mangelfreien Sache, also dem Interesse an der Nacherfüllung, einher. Auf diese Weise lässt sich m.E. die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung feststellen.160 Der hinter dem Ausschluss der Nacherfüllung im Werkvertragsrecht stehende Rechtsgedanke kann für die Nacherfüllung im Kaufrecht ohne weiteres übernommen werden. Dementsprechend ist die Nacherfüllung des Verkäufers ausgeschlossen, wenn trotz der tatsächlichen Möglichkeit der Nacherfüllung dem Nacherfüllungsbegehren des Käufers im konkreten Fall nur durch einen unverhältnismäßigen Aufwand des Verkäufers entsprochen werden kann. Nach einer abweichenden Ansicht wird dem Verkäufer ein Verweigerungsrecht zugesprochen, wenn der Nacherfüllungsaufwand dem Verkäufer unzumutbar ist – unabhängig vom spezifischen Interesse des Käufers. Demnach kann der Verkäufer aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 2 eine derartige Nacherfüllung verweigern.161 Im Hinblick auf das Wesen der Nacherfüllung muss der Verkäufer die Nacherfüllung als Naturalleistung erbringen. Im Vergleich zu anderen Rechtsbehelfen des Käufers kann die Naturalleistung aber einen hohen wirtschaftlichen Aufwand erfordern. Wenn der Aufwand eine unverhältnismäßige Belastung für den Verkäufers darstellt, muss dieser berechtigt sein, die Forderung des Käufers nach Nacherfüllung abzuwehren. Für den Verkäufer stellt sich dieser Ausschlussgrund als Schutz- bzw. Abwehrrecht dar. Da dieser nacherfüllungsspezifische Ausschluss als Abwehrrecht des Verkäufers angesehen wird, kann der Verkäufer es einredeweise ausüben, denn es wirkt sich nur zu seinen Gunsten aus. Wenn der Verkäufer dagegen trotz unverhältnismäßigen Aufwands das Nacherfüllungsverlangen des Käufers befriedigen will, soll er dazu berechtigt sein. Eine solche Übernahme der Nacherfüllung aus Kulanzgründen kommt häufig vor, wenn an159
Lee, Joon-Hyung, Diss. (Seoul National Univ., 2001), S. 182. Selbst wenn die beiden Kriterien, nämlich Aufwand des Verkäufers einerseits und Interesse des Käufers andererseits, anhand derartiger Auslegung dem Tenor des § 667 Abs. 1 für den Ausschluss der Nacherfüllung im Werkvertrag entsprechen, ist die Erheblichkeit des Mangels, die im § 667 Abs. 1 zum Ausdruck kommt, m.E. kein geeigneter Terminus, da er das Interesse des Käufers an der Nacherfüllung nicht hinreichend präzisiert. Er ist vielmehr nur einer von mehreren Umständen, die bei der Bemessung des Käuferinteresses an der Nacherfüllung zu berücksichtigen sind. Daher sollten die Tatbestandsmerkmale des Ausschlusses der Nacherfüllung gem. § 667 Abs. 1 durch andere Termini ersetzt werden. 161 Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 308; im Ergebnis ebenso, jedoch ohne Begründung: Lee, Sang-Kwang, Lehrbuch der Mängelgewährleistungshaftung, S. 195. 160
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
dernfalls ein Rücktritt droht, da dieser für den Verkäufer oft noch kostspieliger ist.162 Zur Wahrung der Interessen beider Parteien ist fraglich, welche Abwägungselemente bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit eine Rolle spielen. Richtigerweise muss der Aufwand des Verkäufers im Rahmen der Nacherfüllung mit dem gegenüberstehenden Interesse des Käufers an der Nacherfüllung verglichen werden – wie es auch im Gesetz in § 667 Abs. 1 Widerklang findet. D.h. der Aufwand des Verkäufers soll in angemessenem Verhältnis zum Interesse des Käufers an der Nacherfüllung stehen. Der Kostenfaktor ist das wichtigste Kriterium für die Verhältnismäßigkeitsprüfung – jedoch werden auch andere Anstrengungen des Verkäufers, die mit der Durchführung der Nacherfüllung zusammenhängen, erfasst. Beispielsweise können langfristige Betriebs- sowie Werkstillstände berücksichtigt werden, die aus der Verrichtung der Nachbesserung resultieren. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgt objektiv, aber unter besonderer Berücksichtigung der Käuferbelange. Die Unverhältnismäßigkeit ist letztlich auch von der faktischen und der wirtschaftlichen Unmöglichkeit abzugrenzen, da sich die zu beachtenden Grenzen unterscheiden: Eine Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung ist eher gegeben, als die allgemeine faktische und wirtschaftliche Unmöglichkeit.163 Denn letztere ist absolut zu beurteilen, sodass dort beispielsweise nicht berücksichtigt wird, ob dem Gläubiger trotz der Unmöglichkeit eine weitere Abhilfemöglichkeit verbleibt. Demgegenüber ist die Unverhältnismäßigkeit bloß ein nacherfüllungsbezogener Ausschlussgrund: Der Käufer verliert im Falle der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung nur einen von mehreren ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen. Daher kann der Käufer weiterhin seine anderen Rechtsbehelfe, z.B. Rücktritt sowie Schadensersatz im Rahmen der Mängelhaftung geltend machen und dadurch sein schutzwürdiges Interesse schützen. Dies ist entsprechend zu berücksichtigen. Fraglich ist, in welchem Zusammenhang die Verhältnismäßigkeitsprüfung zum hier vertretenen Wahlrecht des Käufers bezüglich der beiden Nacherfüllungsmodalitäten steht. Dies ist ein Unterschied des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers zum Nacherfüllungsanspruch des Bestellers gem. § 667 Abs. 1. Nach der hier vertretenen Ansicht steht das Wahlrecht zwischen der Ersatzlieferung und der Nachbesserung dem Käufer zu, wäh162 Bei Vorliegen eines Mangels kann der Käufer nur zurücktreten, wenn infolgedessen der Zweck des Kaufvertrages nicht mehr erreicht werden kann (§§ 581 Abs. 1, 581 Abs. 1 in Verbindung mit § 575 Abs. 1). Auch wenn der Mangel derart schwerwiegend ist, kann er Nacherfüllung verlangen, statt zurückzutreten. 163 So auch Kim, Bong-Su, Diss. (Korea Univ., 2009), S. 309.
Kapitel 6. Ausschluss der Nacherfüllung
209
rend gem. § 667 Abs. 1 der Besteller nur dazu berechtigt ist, Nacherfüllung zu verlangen, nicht jedoch eine konkrete Form der Nacherfüllung zu bestimmen. Infolgedessen muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung beachtet werden, dass anders als beim werkvertraglichen Nacherfüllungsanspruch dem Käufer zwei unterschiedliche Formen der Nacherfüllung als eigenständige Rechtsbehelfe eingeräumt werden. 164 Diesbezüglich sind zwei Ansätze für die Abwägung denkbar: Erstens könnte die Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer konkret gewählten Art der Nacherfüllung dadurch festgestellt werden, dass der Aufwand des Verkäufers im Missverhältnis zum Interesse des Käufers an der Nacherfüllung im Allgemeinen steht (sog. absolute Unverhältnismäßigkeitsprüfung). Dem Käufer können zwar unterschiedliche Rechtsbehelfe im Rahmen der Mängelhaftung zustehen. Aber die Nacherfüllung wird als Naturalleistung erbracht, daher kann der Käufer nur mit Hilfe des Nacherfüllungsanspruchs sein Interesse am Erhalt der mangelfreien Kaufsache wahren. Daher ist er auch besonders an der Nacherfüllung interessiert. Die absolute Unverhältnismäßigkeit kommt vor allem in Betracht, wenn nur eine Nacherfüllungsmodalität denkbar ist. Wird dem Käufer der Anspruch auf diese wegen Unverhältnismäßigkeit verwehrt, wird der vom Käufer ursprünglich erwartete Kaufzweck nicht mehr erreicht. M.E. kommt eine absolute Unverhältnismäßigkeit aber auch dann in Betracht, wenn beide Arten der Nacherfüllung möglich sind und der Käufer eine bestimmte Nacherfüllungsmodalität beansprucht. Wenn der Aufwand des Verkäufers für die in Rede stehende Art der Nacherfüllung sehr hoch ist und die verletzte Interessenlage des Käufers mit Hilfe anderer Rechtsbehelfe gleichermaßen sowie kostengünstig wiederhergestellt werden kann, liegt ebenfalls eine absolute Unverhältnismäßigkeit vor. Zweitens kann die vom Käufer verlangte konkrete Art der Nacherfüllung auch dann vom Verkäufer wegen Unverhältnismäßigkeit verweigert werden, wenn beide Arten der Nacherfüllung möglich sind und die vom Käufer gewählte Modalität im Vergleich zu der anderen unverhältnismäßig ist (sog. relative Unverhältnismäßigkeitsprüfung). Diese relative Unverhältnismäßigkeit kann Missverständnisse hervorrufen. Eine relative Unverhältnismäßigkeit liegt nicht bereits dann vor, wenn die vom Käufer gewählte Nacherfüllungsmodalität im Vergleich zur nicht gewählten Modalität einfach einen höheren Aufwand des Verkäufers erfordert.
164 Dementsprechend ist m.E. die Modifikation nach Treu und Glauben in Bezug auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung für den kaufvertraglichen Nacherfüllungsanspruch unerlässlich. Nach der Rechtsprechung des KOGH unterliegt das gesamte kaufrechtliche Mängelgewährleistungsrecht der Maxime der Gerechtigkeit, die auf den Grundsatz von Treu und Glauben zurückgeht (KOGH, 30.6.1995, 94Da23920).
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4. Teil: Nacherfüllung im KBGB
Beschränkt wird hier beim Vorliegen der relativen Unverhältnismäßigkeit vielmehr das Interesse des Käufers am Wahlrecht hinsichtlich der Nacherfüllungsmodalität. Deswegen spielt nicht nur der zu erwartende Aufwand des Verkäufers eine Rolle, sondern auch, inwieweit die andere Form der Nacherfüllung das Käuferinteresse wahrt, bzw. inwieweit der Käufer durch die andere Nacherfüllungsform benachteiligt würde. Nur wenn beide Arten der Nacherfüllung das Interesse des Käufers gleichermaßen befriedigen können, ist die aufwandsintensivere Form der Nacherfüllung wegen relativer Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen. Beide Formen der Unverhältnismäßigkeit können auch kumulativ auftreten, etwa wenn die nach der Feststellung der relativen Unverhältnismäßigkeit einzig verbleibende Nacherfüllungsmodalität absolut unverhältnismäßig ist. Bei der absoluten Unverhältnismäßigkeit wird das Wahlrecht des Käufers zwischen dem Nacherfüllungsanspruch und anderen verschiedenartigen Rechtsbehelfen eingeschränkt, während die relative Unverhältnismäßigkeit lediglich die Wahl zwischen beiden Modalitäten der Nacherfüllung beschränkt.165 Für die Verhältnismäßigkeitsprüfung muss sämtlichen Umständen Rechnung getragen werden, weil die Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit eine synthetische Abwägung sein soll. Die Kostenprüfung ist der wichtigste Faktor bei der Unverhältnismäßigkeitsprüfung. Gleichwohl sind auch alle weiteren Umstände, die mit dem Interesse beider Parteien an der Nacherfüllung zusammenhängen, zu berücksichtigen. Dazu gehören z.B. die Dauer der Nacherfüllung, die zu befürchtenden Beeinträchtigungen des Verkäufers durch die Nacherfüllung, das Verschulden des Verkäufers am Mangel usw.166 M.E. gibt es zwischen diesen Umständen kein Prioritätsverhältnis. Die Entscheidung über die Unverhältnismäßigkeit ist vielmehr eine Einzelfallabwägung. Dies führt natürlich zu Unklarheiten, aber m.E. ist die Unverhältnismäßigkeit als normativer Begriff zu begreifen, sodass die Verhältnismäßigkeitsprüfung trotz der unterschiedlichen Umstände des Einzelfalls stets ein gerechtes Ergebnis produzieren kann. Hinsichtlich der Kosten der Nacherfüllung als bedeutendes Kriterium der Verhältnismäßigkeitsprüfung könnte die Rechtsprechung standardisierte Prozentsätze zur groben Determinierung der Unverhältnismäßigkeit 165 Dies ist m.E. ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass Ersatzlieferung und Nachbesserung als unterschiedliche Rechtsbehelfe zu behandeln sind. 166 Das Verschulden des Bestellers kann bei der Ausübung der Gewährleistungsrechte im Rahmen der werkvertragliche Mängelhaftung auch berücksichtigt werden, obwohl diese Haftung eine verschuldensunabhängige Haftung ist (KOGH, 9.3.1990, 88DaKa31866; KOGH, 11.11.1980, 80Da923, 924). Trotzdem wird sich die Frage der Unverhältnismäßigkeit meist um die Kosten drehen, da dies das Hauptinteresse des Verkäufers ist.
Kapitel 6. Ausschluss der Nacherfüllung
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formulieren, wobei m.E. wichtig wäre, dass solche Vorschläge niemals als entscheidende Kriterien, sondern eben nur als Faustformeln fungieren.
Teil 5
Vergleich Kapitel 1. Systematischer Vergleich Kapitel 1. Systematischer Vergleich
A. Vergleich der Systematik der Rechtsbehelfe des Käufers Das CISG stellt sich als ein System von Rechtsbehelfen dar. Denn mit Hilfe der Rechtsbehelfe wird das Interesse der Vertragsparteien geschützt. Der praktische Aspekt steht damit im Mittelpunkt der Rechtssystematik des CISG, nämlich ob und wie die verletzte Partei ihr Interesse mit Hilfe der Rechtsbehelfe durchsetzen kann. Dieses Rechtsbehelfssystem im CISG wird einheitlich konstruiert. Alle Rechtsbehelfe im CISG setzen einen einheitlichen Grundtatbestand, eine sog. Vertragsverletzung, voraus. Die Vertragsverletzung liegt gem. Art. 45, 61 CISG vor, wenn eine der Pflichten aus dem Vertrag oder dem CISG nicht erfüllt wird. Art. 45 CISG fungiert als eine Grundnorm, die einen Überblick aller Rechtsbehelfe seitens des Käufers verschafft. Im CISG sind jedoch Art sowie Maß der Vertragsverletzung in Bezug auf ein Auslösungsmomentum der Rechtsbehelfe gem. Art. 45 CISG unbedeutend, lediglich in der Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsbehelfe finden sie Berücksichtigung. D.h. Art und Schwere der Vertragsverletzung finden sich vielmehr in der detaillierteren Tatbestandsbeschreibung des einzelnen Rechtsbehelfs wieder. Demnach können die Rechtsbehelfe also nur anhand ihrer Tatbestandsmerkmale unterschieden werden. Da jede Pflichtverletzung im CISG unter den Begriff Vertragsverletzung subsumiert werden kann, ist besonders wichtig, festzulegen, was denn die Vertragspartei im Rahmen des CISG schuldet. Die Pflichten des Verkäufers werden in Art. 30 ff. CISG geregelt. Nach Art. 35 CISG wird die Lieferung der vertragsmäßigen Ware als Pflicht des Verkäufers normiert, deswegen liegt eine Vertragsverletzung im CISG bereits vor, wenn die gelieferte Ware einen Mangel aufweist. In diesem Fall kann der Käufer ohne weiteres die gem. Art. 45 CISG bei der Vertragsverletzung des Verkäufers eingeräumten Rechtsbehelfe geltend machen. Da im CISG die Lieferung der mangelfreien Ware in das Pflichtprogramm des Verkäufers integriert wird, ist eine gesonderte Haftung für die Mängelgewährleistung nicht mehr erforderlich. Vielmehr bietet das CISG ein einheitliches Haftungsystem. Im CISG kann der Käufer seine Rechtsbehelfe ausüben, unabhängig davon, ob
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5. Teil: Vergleich
ein Verschulden des Verkäufers vorliegt. In diesem Sinne ist die Haftung des Verkäufers im Rahmen des CISG eine verschuldensunabhängige Haftung. Nach der Schuldrechtsmodernisierung wurden die kaufrechtlichen Rechtsbehelfe in Anlehnung an die Systematik des CISG einheitlich konstruiert. D.h. die besondere Mängelgewährleistung im Kaufrecht nach dem BGB a.F. wird nunmehr in die allgemeine Leistungsstörungshaftung integriert. Bezeichnend hierfür ist § 433 Abs. 1 BGB, nach der die Übergabe der von Sach- und Rechtsmängeln freien Sache als typisierte Pflicht des Verkäufers im Rahmen des Kaufvertrages klar angeordnet wird. Demnach wird das Vorliegen des Mangels auch als eine Pflichtverletzung aus dem kaufrechtlichen Schuldverhältnis im Sinne des § 280 BGB betrachtet. Daher kann der Käufer im Falle eines Mangels nicht nur kaufrechtliche Rechtsbehelfe, z.B. Nacherfüllung sowie Minderung, sondern auch Rechtsbehelfe nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht im BGB, z.B. Schadensersatz und Rücktritt, geltend machen. Mit dem Art. 45 CISG ist § 437 BGB vergleichbar: Beide stellen Grundnormen dar, die einen Überblick über Rechtsbehelfe des Käufers verschaffen, die beim Vorliegen des Sachmangels zuzusprechen sind. Diese Vorschrift gilt als Rechtsgrundverweisungsnorm.1 Durch die Verweisung auf Normen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts im § 437 BGB können Rechtsbehelfe des Käufers beim Sachmangel zusammenfassend sowie einheitlich ausgestaltet werden.2 Je nach dem jeweiligen Rechtsbehelf wird dabei das Verschulden des Verkäufers als seine Tatbestandsvoraussetzung unterschiedlich normiert. Nach der Verweisung des § 437 BGB ist der Schadensersatz als Rechtsbehelf des Käufers beim Sachmangel gem. § 280 BGB im Verbindung mit § 276 BGB verschuldensabhängig, jedoch können andere Rechtsbehelfe, z.B. Nacherfüllungsanspruch gem. § 439 BGB, Rücktritt gem. §§ 323, 326 Abs. 5 BGB sowie Minderung gem. § 441 BGB, verschuldensunabhängig geltend gemacht werden. Im KBGB werden Rechtsbehelfe des Käufers beim Vorliegen des Mangels, anders als im CISG sowie BGB n.F., nicht einheitlich systematisiert. Es geht darauf zurück, dass das KBGB gleichzeitig zwei im Wesentlichen unterschiedliche Haftungssysteme vorsieht, nämlich die Haftung der allgemeinen Leistungsstörung und die kaufrechtliche Mängelhaftung. Zudem können diese beiden Haftungssysteme nicht miteinander in Einklag stehen, weil sich das Haftungsprinzip der beiden Haftungssysteme unterscheidet. 1 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 437 BGB, Rn. 1; Bamberger/Roth/Faust, § 437 BGB, Rn. 1. 2 Bamberger/Roth/Faust, § 437 BGB, Rn. 2.
Kapitel 1. Systematischer Vergleich
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Die allgemeine Leistungsstörungshaftung setzt nach § 390 KBGB als Haftungsgrundnorm das Verschulden des Schuldners voraus, hingegen wird die kaufrechtliche Mängelhaftung als eine verschuldensunabhängige Haftung statuiert. Dieses widersprüchliche duale Haftungssystem im KBGB schließt sich dem BGB a.F. und dem daraus folgenden JBGB an. Um diesen haftungsrechtlichen Widerspruch zu lösen, werden im Prinzip zwei Ansichten im Schrifttum vertreten. Wenn man das Vorliegen des Mangels als eine Pflichtverletzung des Verkäufers betrachtet, findet die Regelung der allgemeinen Leistungsstörungshaftung als allgemeine Regelung Anwendung, jedoch verdrängt die Regelung der kaufrechtlichen Mängelhaftung als lex specialis die allgemeine Regelung. Diese sieht eine verschuldensunabhängige Haftung sowie die als allgemeine Verjährungsfrist extrem kurze Ausschlussfrist3 vor. Daher kann die allgemeine Leistungsstörungsregelung nur für die Lücke Anwendung finden, die nicht explizit mit der kaufrechtlichen Mängelhaftungsregelung geregelt wird. Dies ist der Ansatz der Erfüllungstheorie. Im Gegensatz dazu geht die Gewährleistungstheorie davon aus, dass der Verkäufer im Rahmen des Kaufvertrages nicht dazu verpflichtet ist, dem Käufer eine mangelfreie Sache zu verschaffen, sodass dies keine Pflichtverletzung darstellt. Dementsprechend wird die kaufrechtliche Mängelhaftung als besondere Haftung verstanden, die ohne Verbindung mit der Leistungsstörung gesetzlich angeordnet wird. Diese Haftung zielt daher auf die Wiederherstellung der Äquivalenz zwischen Kaufsache und Kaufpreis, die wegen der Mängel gestört wird. B. Eigene Stellungnahme Das Rechtsbehelfssystem hinsichtlich der Sachmängel nach BGB n.F. ähnelt der Systematik des CISG, weil bei der Schuldrechtsmodernisierung des BGB das CISG in manchen Punkten als Vorbild genommen wurde. 4 Demnach wurde eine besondere Mängelgewährleistungshaftung im BGB a.F. abgeschafft und anschließend die Haftung des Verkäufers einheitlich systematisiert. Ähnlich dem BGB a.F. wird die Haftung des Verkäufers nach KBGB nicht einheitlich ausgestaltet, daher ist eine besondere Mängelhaftung im Kaufrecht vorgesehen. Anders als im BGB a.F. besteht nach wie vor ein wesentlicher Widerspruch der beiden Haftungsarten, denn die Haftung der Leistungsstörung wird im Allgemeinen im KBGB anerkannt. Demnach kann die allgemeine Leistungsstörungshaftung als allgemeine Regelung theoretisch die Mängelhaftung im Kaufrecht betreffen und darüber hinaus Rechtsbehelfe im Rahmen der allgemeinen Leistungsstörungs3 4
§§ 573, 575 Abs. 3, 582 KBGB. Westermann, in: FS Canaris, 2007, S. 1263.
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5. Teil: Vergleich
haftung auch als Rechtsbehelfe des Käufers beim Mangel zum Zuge kommen. Dennoch kann die allgemeine Leistungsstörungshaftung nicht mit der gesetzlich normierten Mängelhaftung im Kaufrecht in Einklag stehen. M.E. scheint nur der Ansatz der Erfüllungstheorie für diese Problematik plausibel, weil mit Rücksicht auf Natur und Sinn des Kaufvertrages der Ansatz der Gewährleistungstheorie nur eine rechtliche Fiktion darstellen kann, indem nämlich die Mangelfreiheit der Kaufware aus dem Pflichtprogramm des Verkäufers ausgegliedert wird. Aber als de lege ferenda muss ein einheitliches Haftungsystem gelten, wie es das BGB n.F. normiert. Bezüglich des Verständnisses sowie der Einordnung der gesonderten kaufrechtlichen Mängelhaftung gibt es im KBGB bislang einen nicht überschaubaren Meinungsstreit. Daher scheint m.E. eine gesetzliche Novellierung unerlässlich, weil sich eben dieser Widerspruch in der gesetzlichen Regulierung selbst findet. Durch die einheitliche Ausgestaltung der Mängelhaftung sollte der Käufer wie in Art. 45 CISG sowie § 437 BGB ausgeführt, einen Überblick über sämtliche Rechtsbehelfe bekommen, die ihm beim Vorliegen des Mangels zustehen. Anhand der Verweisung wie in § 437 BGB könnten die allgemeinen Leistungsstörungsregelungen widerspruchslos im Fall des Mangels angewendet werden. M.E. sollte das Haftungsprinzip nicht für das gesamte Rechtsbehelfspaket des Käufers, wie im Fall der allgemeinen Leistungsstörungshaftung im KBGB, zur Anwendung kommen, vielmehr ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Rechtsbehelfe zu ermitteln, ob das Verschulden des Verkäufers für den jeweiligen Rechtsbehelf als Zurechnungsgrund erforderlich ist. Dadurch könnte der Widerspruch hinsichtlich des Haftungsprinzips in der geltenden Fassung des KBGB aufgelöst werden.
Kapitel 2. Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs im Rahmen der Rechtsbehelfe des Käufers Kapitel 2. Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs
A. Vergleich der Bedeutung des Nacherfüllungsanspruchs in den Rechtsbehelfssystemen Der Nacherfüllungsanspruch nimmt einen besonderen Stellenwert im Rahmen der Rechtsbehelfe des Käufers ein. Der Grund dafür ist, dass der Nacherfüllungsanspruch in Form der Leistung in natura besteht. Dies bedeutet, dass anders als bei üblichen Rechtsbehelfen der Käufer durch seinen Nacherfüllungsanspruch trotz der Lieferung der mangelhaften Kaufware vom Verkäufer die vertragsgemäße Abwicklung des Vertrags verlangen kann. Durch die Ausführung des Nacherfüllungsanspruchs kann damit die Aufrechterhaltung des Vertrags gewährleistet werden. Im Gegensatz zu anderen Rechtsbehelfen zielt der Nacherfüllungsanspruch nicht auf
Kapitel 2. Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs
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eine Umgestaltung des Vertrags in Gestalt der rechtlichen Liquidierung sowie der Geldtransaktion ab. Aus diesem Grund wird durch den Erfolg der Nacherfüllung die ursprüngliche Leistungsstörung geheilt, die ansonsten die übrigen Rechtsbehelfe des Käufers auslöst. Die übrigen Rechtsbehelfe können also durch die Nacherfüllung abgewendet werden. Wegen dieser Sonderstellung des Nacherfüllungsanspruchs entspricht das Ziel des Nacherfüllungsanspruchs demjenigen Zustand, den der ursprüngliche Erfüllungsanspruch verfolgt hat, nämlich dem Erhalt der Kaufware im vertragsmäßigen Zustand. Trotzdem sollte der Nacherfüllungsanspruch nicht als bloßer nachträglicher Erfüllungsanspruch in modifizierter Form verstanden werden. Der Nacherfüllungsanspruch steht nicht auf der gleichen Ebene wie der Erfüllungsanspruch, vielmehr zählt er zu dem Rechtsbehelfkatalog des Käufers. Der Nacherfüllungsanspruch ist also nicht im Stadium der ursprünglichen Vertragsdurchführung, sondern im Stadium der Rechtsbehelfe verankert. Dem Käufer steht im Rahmen der Nacherfüllung nicht ein einziger Erfüllungsanspruch in modifizierter Form zu, sondern zwei eigenständige Rechtsbehelfe, nämlich der Ersatzlieferungs- und der Nachbesserungsanspruch. Nach der Grundstruktur des Art. 45 CISG tritt der besondere Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs nicht deutlich hervor, da dieser sich im Rechtsbehelfskatalog auf der Ebene der übrigen Rechtsbehelfe befindet. Wenn die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Käufer nach Belieben seine Rechtsbehelfe geltend machen. Die besondere Bedeutung der Nacherfüllung wird vielmehr durch Art. 48 CISG hervorgehoben, der festlegt, dass der Verkäufer einen vorliegenden Mangel beheben darf, obwohl der Käufer seinen Nacherfüllungsanspruch gem. Art. 46 CISG nicht geltend macht. Dieses Nacherfüllungsrecht des Verkäufers gem. Art. 48 CISG begründet sich damit, dass die Nacherfüllung auch dem Interesse des Verkäufers dienen kann, denn dadurch erhält dieser den Kaufpreis in vollem Umfang und kann gleichzeitig die Geltendmachung anderer kostspieliger Rechtsbehelfe vermeiden. Diese rechtliche Gestalt der Nacherfüllung, nämlich einerseits im Sinne des Rechtsbehelfs des Käufers, andererseits als ein Recht des Verkäufers, spiegelt wider, dass die Nacherfüllung bzw. der durch sie abgesicherte vertragsgemäße Austausch der Leistungen als Schnittstelle des Interesses beider Parteien fungiert. Die Grundstruktur der Rechtsbehelfe des Käufers im BGB weist Ähnlichkeit mit dem Rechtsbehelfssystem des CISG auf. Nach § 437 BGB werden alle Rechtsbehelfe augenscheinlich auf gleicher Ebene systematisiert. Der besondere Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs geht vielmehr darauf zurück, dass ein fruchtloses Verstreichen einer Frist zur Nacherfüllung als
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5. Teil: Vergleich
Voraussetzung für andere Rechtsbehelfe, z.B. Rücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB und Minderung gem. § 441 Abs. 1 BGB, vorgesehen ist. Das Fristsetzungserfordernis sorgt für ein Stufenverhältnis der Rechtsbehelfe – demgemäß der Nacherfüllungsanspruch als primärer Rechtsbehelf und die anderen Rechtsbehelfe als sekundäre Rechtsbehelfe einzuordnen sind. Auf diese Weise zeigt sich der Vorrang der Nacherfüllung. Zudem normiert diese das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung, sodass auch hier der Nacherfüllungsanspruch eine Schnittstelle des Interesses beider Vertragsparteien darstellt. Im Gegensatz zur Struktur des CISG sowie des BGB ist im KBGB ein allgemeiner Nacherfüllungsanspruch nicht konzipiert. Die einzige gesetzliche Normierung hinsichtlich des Nacherfüllungsanspruchs findet sich im § 581 Abs. 2 KBGB. Demnach kann der Verkäufer beim Vorliegen eines Sachmangels im Rahmen eines Gattungskaufs anstelle der anderen üblichen Rechtsbehelfe, z.B. Rücktritt oder Schadensersatz, Ersatzlieferung verlangen. D.h. nach der gesetzlichen Konzeption wird die Ersatzlieferung nicht als eigenständiger Rechtsbehelf des Käufers verstanden, denn er muss für Inanspruchnahme der Ersatzlieferung zunächst auf seine anderen Rechtsbehelfe verzichten. Darüber hinaus wird die Nachbesserung als Modalität des Nacherfüllungsanspruchs nicht im Rahmen der kaufrechtlichen Regelung normiert. Trotz dieser restriktiven Normierung kann nach der hier vertretenen Ansicht der Nacherfüllungsanspruch als ein allgemeiner Rechtsbehelf des Käufers im Rahmen der Mängelhaftung anerkannt werden.5 Dies kann aus der analogen Anwendung der werkvertraglichen Regelung über den Nacherfüllungsanspruch, nämlich § 667 KBGB abgeleitet werden. Denn zwischen dem Werkvertrag und dem Kaufvertrag herrscht sowohl eine notwendige Ähnlichkeit als auch Vergleichbarkeit. Die beiden Vertragstypen haben nämlich den gemeinsamen Zweck der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bzw. Erfolgs. In diesem Fall sind jedoch die Besonderheiten des Kaufvertrags unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 2 KBGB zu beachten. Anders als nach der rechtlichen Konstruktion im § 667 KBGB, sollte dem Käufer das Wahlrecht auf zwei Modalitäten der Nacherfüllung zukommen. B. Eigene Stellungnahme Im CISG sowie BGB wird der besonderen Stellung des Nacherfüllungsanspruchs in der Grundstruktur der Rechtsbehelfe des Käufers Rechnung getragen. Anders als bei den übrigen Rechtsbehelfen liegt der Nacherfül5
S. eingehend Teil 4, Kapitel 1, C.
Kapitel 3. Der Sachmangel als Grundvoraussetzung
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lungsanspruch in der Leistung in natura – dadurch kann der Leistungsaustausch im Kaufvertrag, wie ursprünglich vorgesehen, nachträglich gewährleistet werden. Aus diesem Grund dient die Nacherfüllung nicht nur dem Interesse des Käufers als sein Rechtsbehelf, sondern auch dem Interesse des Verkäufers am Erhalt des vollständigen Kaufpreises. Mit den unterschiedlichen Rechtsinstitutionen, nämlich dem Nacherfüllungsrecht des Verkäufers oder dem Nachfristsetzungserfordernis für die Auslösung der anderen Rechtsbehelfe, findet dies im CISG sowie BGB Berücksichtigung. Im Gegensatz dazu besteht der Nacherfüllungsanspruch, genauer gesagt der Ersatzlieferungsanspruch, im KBGB nicht als eigenständiger Rechtsbehelf des Käufers. Mit Hilfe der analogen Anwendung des § 667 KBGB kann der Nacherfüllungsanspruch jedoch in seinen beiden Modalitäten als allgemeiner Rechtsbehelf des Käufers erweitert werden, dennoch bedeutet dies noch nicht eine Sonderstellung der Nacherfüllung, weil dieser Nacherfüllungsanspruch nur auf der Ebene der übrigen Gewährleistungsrechtsbehelfe steht M.E. gibt es im KBGB, abgesehen vom Rücktritt wegen der Tatbestandsvoraussetzung der umfassenden Vereitelung des Kaufzwecks, keine Hierarchie der Rechtsbehelfe und somit auch keine Sonderstellung des Nacherfüllungsanspruchs gegenüber den anderen Rechtsbehelfen im KBGB. In diesem Sinne scheint auch im KBGB de lege ferenda erstrebenswert, dass mit Hilfe der Einführung einer generellen Nachfristsetzung für die übrigen Rechtsbehelfe der Nacherfüllungsanspruch eine Vorrangstellung findet.
Kapitel 3. Der Sachmangel als Grundvoraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 3. Der Sachmangel als Grundvoraussetzung
A. Rechtsvergleich Im CISG findet sich in Art. 35 CISG bereits eine Vorschrift, die beschreibt, was unter der Vertragswidrigkeit der Ware, also einem Sachmangel, zu verstehen ist. Die darin aufgeführten Merkmale erfassen nicht nur Menge sowie Qualität, sondern auch Art und Verpackung der Kaufware. Dabei findet sich eine klare Hierarchie unter diesen Kriterien, d.h. nach Art. 35 Abs. 2 CISG kommt das objektive Kriterium nur zur Anwendung, wenn es am subjektiven Kriterium, nämlich einer ausdrücklichen sowie stillschweigenden Vereinbarung über die Beschaffenheit der Ware fehlt. In Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG wird ein besonderer Maßstab hinsichtlich des Verwendungszwecks des Käufers angelegt. Wenn die beiden Parteien bereits eine Vereinbarung über den gesonderten Verwendungszweck der Kaufware getroffen haben, wird dieser Fall jedoch nicht unter Art. 35
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5. Teil: Vergleich
Abs. 2 lit. b CISG, sondern unter Art. 35 Abs. 1 CISG subsumiert.6 Vielmehr betrifft Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG den Fall, in dem der Käufer bei Abschluss des Vertrags einen bestimmten Verwendungszweck zum Ausdruck gebracht hat, ohne dass dieser Teil der Parteivereinbarung wurde. In diesem Fall muss die Kaufware dennoch den Anforderungen dieses speziellen Verwendungszwecks entsprechen. Wenn die vertragliche Vereinbarung oder der dem Verkäufer zur Kenntnis gebrachte Verwendungszweck nicht ersichtlich ist, gilt nach Art. 35 Abs. 2 lit. a CISG der gewöhnliche Verwendungszweck als weiteres Kriterium, infolgedessen die Ware für die Zwecke geeignet sein muss, für die sie üblicherweise gebraucht wird. Wenn der Verkäufer eine Probe bzw. ein Muster vorgelegt hat und sich dabei beide Parteien über die Lieferung der mit diesem Muster bzw. dieser Probe übereinstimmenden Ware einig sind, kann nach Art. 35 Abs. 2 lit. c CISG die Eigenschaft dieses Musters oder der Probe als ein Kriterium in Betracht kommen. Da Art 35 CISG ausdrücklich auch Kriterien wie die Art der Ware aufzählt, stellt eine Aliud-Lieferung ein Sachmangel im Sinne von Art. 35 CISG dar. Gem. Art. 38, 39 CISG trifft jedoch auch den Käufer eine Obliegenheit, nämlich die gelieferte Ware gem. Art. 38 Abs. 1 innerhalb kurzer Frist zu untersuchen und nach Art. 39 Abs. 1 innerhalb angemessener Zeit den Sachmangel anzuzeigen. Diese Fristsetzung ist von besonderer Bedeutung, da der Käufer alle auf den Sachmangel beruhenden Rechtsbehelfe verlieren kann, wenn er die Rügefrist versäumt hat. Das BGB hat ebenfalls eine Norm, die den Sachmangel definiert. Nach § 434 BGB wird der Sachmangel der Kaufware entsprechend der Regelung des CISG stufenweise ermittelt. Wie beim CISG ist primär die jeweilige Vereinbarung der beiden Parteien über die Beschaffenheit der Sache entscheidend. Anders jedoch als im CISG kommt danach die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung als weiteres Kriterium zur Anwendung. Im BGB ist hierfür jedoch die Vereinbarung der Parteien über die bestimmte Verwendung der Kaufsache erforderlich. Die Kaufware ist gem. § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB mangelfrei, wenn sie sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet. Demnach sind detaillierte Beschaffenheitsvereinbarungen zwischen den Parteien unnötig. Dies kommt im Rahmen der alltäglichen Geschäfte nicht selten vor, denn regelmäßig ist das Leistungsinteresse des Käufers auf die der Tauglichkeit der Kaufware zum jeweiligen Verwendungszweck gerichtet. Falls derartige subjektive Kriterien für den Sachmangel nicht vorliegen, kommt subsidiär das objektive Kriterium gem. § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Betracht. Demnach soll sich die Kaufsache für die gewöhnliche Verwendung eignen 6
S. Teil 2, B.
Kapitel 3. Der Sachmangel als Grundvoraussetzung
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und die übliche und vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit aufweisen. In diesem Zusammenhang ist besonders auffällig, dass gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auch öffentliche Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen für die Ermittlung der vom Käufer erwarteten Beschaffenheit der Kaufsache berücksichtigt werden. Obwohl sie als einfach einseitige Äußerungen vom Dritten keinesfalls in den Vertragsinhalt einbezogen werden können, werden sie für die Bestimmung des Sachmangels mitberücksichtigt. M.E beruht dies schlichtweg auf der Markwirtschaft, die sich an der Massenproduktion und der vom Hersteller bis zum einzelnen Endverkäufer eng verbundenen Vertriebsstruktur orientiert. 7 In diesem Wirtschaftssystem steht dem Endverbraucher eine Absatzkette gegenüber, die vom Hersteller bis zum Endverkäufer aufeinander abgestimmt ist und damit eine homogene Anbieterseite bildet. Die Angabe bzw. Äußerung innerhalb dieser Anbieterseite und die daraus folgende Erwartung des Käufers hinsichtlich der Beschaffenheit der Ware können starken Einfluss auf die Wahl des Käufers eines bestimmten Produkts nehmen. Doch auch für die Verkäuferseite ist dieses System vorteilhaft, kann er doch regelmäßig seine Einbußen aus einer eventuellen kaufrechtlichen Mängelhaftung innerhalb dieser Absatzkette kostengünstig kompensieren. Die Veränderung der Gegebenheiten auf dem Markt wird auch für solche Kaufware berücksichtigt, die zusätzlich eine Montage erfordert. Nach § 434 Abs. 2 BGB wird nicht nur die unsachgemäß vorgenommene Montage, sondern auch eine mangelhafte Montageanleitung, die zur mangelhaften Montage führt, als Sachmangel bewertet. Nach § 434 Abs. 3 BGB werden die Aliud- sowie die Zuweniglieferung dem Sachmangel gleichgestellt. Die heftige Kontroverse über die Einordnung der Aliud- und Zuweniglieferung im BGB a.F. wird damit normativ gelöst. Anders als im CISG ist jedoch die Obliegenheit des Käufers hinsichtlich der Untersuchung sowie Anzeige der Mängel gem. § 377 Abs. 1 HGB nur im Rahmen des Handelskaufs vorgesehen. Im Gegensatz zum CISG sowie zum BGB sieht das KBGB keine Vorschrift vor, die den Sachmangel gesetzlich definieren würde, obwohl alle Gewährleistungsrechte des Käufers ebenfalls aufgrund eines Mangels entstehen. Aus diesem Grund werden in Schrifttum und Rechtsprechung verschiedene Formulierungen des Sachmangels vertreten, einen einheitlichen Mangelbegriff gibt es nicht. Diese gliedern sich grob in drei Mangelbegriffe: den subjektiven, objektiven, und subjektiv-objektiven Mangelbegriff. Nach dem subjektiven Mangelbegriff wird das Vorliegen des Sachmangels anhand des subjektiven Kriteriums, nämlich der von den Vertragspar7
S. eingehend Teil 3, Kapitel 2, B.
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5. Teil: Vergleich
teien vereinbarten oder vorausgesetzten Beschaffenheit der Kaufsache, bestimmt. Im Gegensatz dazu ist nach dem objektiven Mangelbegriff die übliche Beschaffenheit der mit der Kaufsache übereinstimmenden Waren Maßstab. Nach dem subjektiv-objektiven Mangelbegriff werden beide Kriterien für die Feststellung des Sachmangels berücksichtigt. Nach der hier vertretenen Ansicht wird jedoch keinem der drei Mangelbegriffe gefolgt, vielmehr soll eine Hierarchie unter diesen geschaffen werden. Demnach kommt der subjektive Maßstab primär in Betracht, der objektive Mangelbegriff kann nur subsidiär angewendet werden, soweit im konkreten Fall kein subjektives Kriterium vorliegt. Denn in erster Linie ist es der durch den im Kaufvertrag vom Käufer angestrebte subjektive Kaufzweck, der bestimmt, ob das Interesse des Käufers durch den Sachmangel verletzt wird. In diesem Sinne kann die übliche Beschaffenheit der Kaufsache über normale Verwendung auch nur subsidiär als Kriterium in Betracht kommen. Im KBGB dagegen wird die Problematik der Zuweniglieferung sowie der Aliud-Lieferung nicht normativ, sondern über Lehrmeinungen gelöst. Nach der hier vertretenen Ansicht wird es als Sachmangel bewertet, wenn die angenommene Sache von den vereinbarten Merkmalen abweicht, unabhängig davon, welche Art der Abweichung vorliegt. In diesem Sinne wird die Zuweniglieferung dem Sachmangel gleichgestellt. Hingegen ist für den Fall der Aliud-Lieferung zu differenzieren: Die Aliud-Lieferung, die von den vereinbarten Merkmalen erheblich abweicht, kann nicht als „Lieferung der Kaufsache“ angesehen werden. Derartige AliudLieferungen sollen nicht als Sachmangel betrachtet werden, weil sie aus der Sicht des Käufers nicht als Lieferung der Kaufsache angenommen werden. Vielmehr sollen sie als eine Nichtlieferung qualifiziert werden, die dem Käufer ohnehin weiter den Erfüllungsanspruch gewährt. Im KBGB unterliegt der Käufer nicht der Untersuchungs- und Mängelanzeigenobliegenheit. Vielmehr ist eine derartige Verpflichtung des Käufers gem. § 69 KHGB nur für den handelsgeschäftlichen Kaufvertrag vorgesehen. B. Eigene Stellungnahme Für das KBGB wäre wünschenswert, wie im CISG sowie BGB eine gesetzliche Definition des Sachmangels einzuführen. In diesem Sinne sollte der Sachmangel stufenweise festgestellt werden. Die von den Vertragsparteien vereinbarte Beschaffenheit oder der im einzelnen Kaufvertrag vorausgesetzte Verwendungszweck der Kaufsache würde als primärer Maßstab dienen. Die übliche Beschaffenheit der Kaufsache für den gewöhnlichen Verwendungszweck könnte als objektiver Maßstab nur subsidiär Anwendung finden. Öffentliche Äußerungen von bestimmten Dritten könnten, wie nach
Kapitel 4. Weitere Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs
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§ 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB, im Sinne der Anpassung an moderne Wirtschaftstrukturen im Rahmen der Feststellung des Sachmangels Berücksichtigung finden. De lege ferenda sollten Aliud-Lieferungen unter den Sachmangel subsumiert werden, da eine klare Feststellung der Erheblichkeit der Abweichung der Beschaffenheitsmerkmale im Rahmen der Aliud-Lieferung mit der Folge der Qualifizierung als Nichterfüllung und eben nicht als Schlechtleistung nicht immer möglich ist und daher erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann.
Kapitel 4. Weitere Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs: Vorliegen der wesentlichen Vertragsverletzung im CISG, Ersatzlieferungsmöglichkeit beim Stückkauf Kapitel 4. Weitere Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Rechtsvergleich Im CISG setzt die Ersatzlieferung gem. Art. 46 Abs. 2 CISG eine wesentliche Vertragsverletzung voraus. Denn im internationalen Handelsverkehr sind die vom Verkäufer hinzunehmenden Kosten sowie das Risiko hinsichtlich einer Ersatzlieferung erheblich, sodass eine Nacherfüllung einer Vertragsaufhebung gleichstehen würde. Aus diesem Grund wird der Ersatzlieferungsanspruch im CISG auf den Fall der wesentlichen Vertragsverletzung beschränkt. 8 Schwierigkeiten bereitet dabei die Bestimmung der so genannten wesentlichen Vertragsverletzung. Letztendlich geht es um die Problematik des Verhältnisses zwischen der Ermittlung der wesentlichen Vertragsverletzung und dem Nacherfüllungsrecht des Verkäufers aus Art. 48 Abs. 1 CISG. Denn gem. Art. 48 Abs. 1 CISG kann der Verkäufer selbst seine Vertragsverletzung beheben, jedoch unter dem Vorbehalt der Vertragsaufhebung gem. Art. 49 CISG, die eine wesentliche Vertragsverletzung als Tatbestand vorsieht. Dabei geht es um die Frage, ob die Nachbesserungsmöglichkeit des Verkäufers im Rahmen der Feststellung der wesentlichen Vertragsverletzung als Tatbestandsvoraussetzung des Ersatzlieferungsanspruchs mitberücksichtigt werden muss. Nach der hier vertretenen Ansicht kann die Behebbarkeit des Mangels verhindern, dass ein objektiv schwerwiegender Mangel sofort als eine wesentliche Vertragsverletzung anerkannt wird. Vielmehr soll die Behebbarkeit des Mangels für die Feststellung der wesentlichen Vertragsverletzung herangezogen werden, wenn die Mängelbeseitigung durch den Verkäufer für den Käufer keine unzumutbare Belastung oder Verzögerung darstellt. In diesem Sinne liegt eine wesentliche Vertragsverletzung erst dann vor, wenn der Behebungsversuch fehlgeschlagen oder vom Verkäufer ernsthaft ver8
S. Teil 2, Kapitel 4, A, II, 1.
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5. Teil: Vergleich
weigert wurde. Der Grund dafür ist, dass das kaufrechtliche Schuldverhältnis als Kooperationsverhältnis verstanden werden muss und daher auch bei der Ausübung der durch die wesentliche Vertragsverletzung bedingten Rechtsbehelfe das Interesse der anderen Partei berücksichtigt werden soll. Das Gebot derartiger Kooperation beider Vertragsparteien im CISG wird durch den Kommunikationsmechanismus, der in Art. 47, 48 Abs. 2–4 CISG normiert ist, verdeutlicht. Demnach können die Vertragsparteien anhand der freiwilligen Kooperation sowie Kommunikation den Vertrag trotz der Vertragsverletzung wie vorgesehen abwickeln lassen. Wenn der Stellenwert dieses Kommunikationsmechanismus im CISG beachtet wird, kann man folgendes Fazit ziehen: Im CISG kommt ein allgemeiner Grundsatz der Rücksichtnahme auf das Interesse der anderen Partei zur Geltung. Dieser Grundsatz soll auch für die Feststellung einer wesentlichen Vertragsverletzung gelten, die den Käufer gem. Art. 46 Abs. 2 CISG zur Geltendmachung des Ersatzlieferungsanspruchs berechtigt. Nach h.M. kommt die Ersatzlieferung in Bezug auf das CISG nur beim Gattungskauf in Betracht.9 Denn beim Stückkauf ist ausgeschlossen, dass der Verkäufer eine ebenso zufriedenstellende Ersatzware ausliefern kann, weil der Gegenstand des Kaufvertrages bereits auf die im Vertrag bestimmte Sache konkretisiert worden ist. Der Ansatz der h.M. geht m.E. auf die Überlegung zurück, dass die Ersatzlieferung allein einen nachträglichen Erfüllungsanspruch der ursprünglichen Leistung darstellt. Aber m.E. sollte die Ersatzlieferung vielmehr als Rechtsbehelf des Käufers verstanden werden. So gesehen ist auch beim Stückkauf die Ersatzlieferung mit einer vertretbaren Sache möglich, sofern sie das vertragsmäßige Leistungsinteresse des Käufers in gleichem Maße befriedigen kann. Denn die Wiederherstellung der Interessenlage des Rechtsbehelfsberechtigten steht im Stadium der Rechtsbehelfe im Vordergrund. Das über die Reichweite der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung hinausgehende Beschaffungsrisiko des Verkäufers, das mit der in Rede stehenden Ersatzlieferung beim Spezieskauf zusammenhängt, kann im Rahmen der Beschränkung des Nacherfüllungsanspruchs hinreichend berücksichtigt werden, nämlich indem ein solcher Ersatzlieferungsanspruch ausgeschlossen ist, der übermäßige Anstrengungen des Verkäufers erfordert. Anders als im CISG erfordert das BGB für den Nachlieferungsanspruch keine wesentliche Pflichtverletzung. Jedoch kann die Problematik der Ersatzlieferungsmöglichkeit beim Stückkauf auch im BGB zum Tragen kommen. Im Schrifttum ist umstritten, ob der Käufer auch beim Stückkauf Ersatzlieferung beanspruchen kann. Nach dem Ansatz des BGH scheidet 9
S. Teil 2, Kapitel 4, A, I.
Kapitel 4. Weitere Voraussetzung des Nacherfüllungsanspruchs
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die Nachlieferung zumindest bei vertretbaren Sachen nicht von vornherein aus, wenn anhand des durch Auslegung zu ermittelnden Willens der Vertragsparteien bei Vertragsschluss eine derartige Nachlieferung das Interesse des Käufers befriedigen kann.10 Nach der obigen Ausführung im CISG sowie unter Berücksichtigung des Charakteristikums des Nachlieferungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers kann die Nachlieferungsmöglichkeit beim Stückkauf m.E. bejaht werden, wenn das verletzte Interesse des Käufers dadurch befriedigt werden kann. Ebenso wie im CISG kann der Verkäufer sich vor übermäßigen Belastungen mit Hilfe seines Verweigerungsrechts wegen unverhältnismäßiger Kosten gem. § 439 Abs. 3 BGB schützen. Ebenso wie im BGB wird eine wesentliche Leistungsstörung im KBGB nicht als eine Voraussetzung der Ersatzlieferung angesehen. Aber nach der vorherrschenden Meinung scheidet im KBGB die Ersatzlieferung beim Stückkauf aufgrund von Unmöglichkeit aus, denn die Lieferung einer anderen Sache beim Stückkauf sei ein Verstoß gegen den klaren Parteiwillen.11 Aber nach der hier vertretenen Ansicht sollte die Ersatzlieferung als eine wirksame Abhilfemöglichkeit des Käufers eher der Wiederherstellung seiner verletzten Interessenlage dienen. In diesem Sinne sollte die Ersatzlieferung bei vertretbaren Sachen mit der gleichen Begründung wie im BGB auch im KBGB möglich sein, wenn die anderweitig angeschaffte Ersatzware auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gem. § 2 KBGB das Interesse des Käufers befriedigen kann. Demgegenüber kann auch der Verkäufer eine derartige Ersatzlieferung verweigern, wenn diese für den Verkäufer unverhältnismäßig aufwendig ist. B. Eigene Stellungnahme M.E. ist eine wesentliche Vertragsverletzung wie im CISG vorgesehen im Rahmen des Ersatzlieferungsanspruchs im KBGB nicht erforderlich, denn anders als im Fall des CISG hat das Kaufrecht im KBGB keinen grenzüberschreitenden Handelsverkehr, sondern einen üblichen Alltagskauf zum Gegenstand. Im KBGB scheidet die Ersatzlieferung im Stückkauf nicht von vornherein aufgrund von Unmöglichkeit aus, wenn es sich um einen Kauf einer vertretbaren Sache handelt und zugleich die Lieferung der anderweitigen Ersatzware das verletzte Leistungsinteresse des Käufers wiederherstellen kann. M.E. kann dieser Ansatzpunkt auch im BGB gelten.
10 11
BGH, 7.6.2006, NJW 2006, S. 2839 ff. S. Teil 4, Kapitel 3, B.
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5. Teil: Vergleich
Kapitel 5. Wahl zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch Kapitel 5. Wahl zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch
A. Rechtsvergleich Der Nacherfüllungsanspruch kennt zwei Modalitäten, nämlich den Ersatzlieferungs- und der Nachbesserungsanspruch. In diesem Sinne ist der Nacherfüllungsanspruch nur ein Oberbegriff dieser beiden Ansprüche. 12 Wenn der Käufer im konkreten Fall den Nacherfüllungsanspruch geltend machen will, ist zuvor einer von beiden Ansprüchen zu bestimmen. Diesbezüglich stellt sich die Frage, wem das Wahlrecht der Nacherfüllungsform zusteht. Im CISG sind Ersatzlieferung und Nachbesserung gem. Art. 46 Abs. 2, 3 CISG als zwei unterschiedliche Rechtsbehelfe ausgestaltet. Daher steht im Prinzip dem Käufer das Recht zu, einen von beiden Rechtsbehelfen nach seinem Belieben zu wählen. 13 Anders als im BGB sowie KBGB kommt dem Verkäufer jedoch gleichzeitig ein Nacherfüllungsrecht gem. Art. 48 Abs. 1 CISG zu. Demnach kann der Verkäufer seinerseits seine Vertragsverletzung nachträglich beheben, vorausgesetzt, dass diese Nacherfüllungsmaßnahme dem Käufer auch zumutbar ist.14 Im Rahmen seines Nacherfüllungsrechts steht dem Verkäufer frei, in welcher Weise er die Vertragsverletzung beseitigt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die konkrete Form der Nacherfüllung mit Rücksicht auf das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers gem. Art. 48 Abs. 1 CISG im Einzelfall festzulegen ist. Denn es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wahlrecht des Käufers zwischen seinen Rechtsbehelfen und dem Wahlrecht des Verkäufers hinsichtlich der Art der Mängelbeseitigung im Rahmen seines Nacherfüllungsrechts. Diesbezüglich sind zwei Fallkonstellationen vorstellbar: Im ersten Fall hat der Käufer den Nachbesserungsanspruch gem. Art. 46 Abs. 3 CISG gewählt. Jedoch bietet der Verkäufer die Ersatzlieferung zur Mängelbeseitigung an. Soweit die vom Verkäufer gewählte Ersatzlieferung vorbehaltlich des Art. 48 Abs. 1 CISG dem Käufer zumutbar ist, kann der Verkäufer trotz des vom Käufer gewählten Nachbesserungsanspruchs die Ersatzlieferung durchsetzen. Im zweiten Fall kann der Käufer gem. Art. 46 Abs. 2 CISG den Ersatzlieferungsanspruch ohne weiteres geltend machen, wenn die wesentliche Vertragsverletzung abschließend feststeht. Nach der hier vertretenen Ansicht kann der Verkäufer den Ersatzlieferungsanspruch des Käufers also 12
S. Teil 3, Kapitel 4, B. S. Teil 2, Kapitel 5, A. 14 Eingehend Teil 2, Kapitel 5, C. 13
Kapitel 5. Wahl zwischen Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch
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nicht wie im vorherigen Fall durch Nachbesserung im Rahmen seines Nacherfüllungsrechts abwenden.15 Dennoch wird die Nachbesserungsmöglichkeit des Verkäufers bereits viel früher, nämlich bei der Feststellung der Wesentlichkeit des Sachmangels, berücksichtigt. Falls der Verkäufer umgehend eine Mängelbeseitigung durch Nachbesserung anbietet, entfällt die wesentliche Vertragsverletzung als Voraussetzung des Ersatzlieferungsanspruchs. Infolgedessen ist der Käufer nicht berechtigt, die Ersatzlieferung gem. Art. 46 Abs. 2 CISG zu verlangen. Im BGB wird nach dem gesetzgeberischen Willen dem Käufer das Wahlrecht zwischen dem Nachlieferungs- und dem Nachbesserungsanspruch gem. § 439 Abs. 1 BGB eingeräumt. Der Verkäufer kann seine Nacherfüllungspflicht gem. § 439 Abs. 1 BGB erst erfüllen, nachdem der Käufer sein Wahlrecht bezogen auf die Modalität der Nacherfüllung ausübt hat. Problematisch ist, ob der Käufer an die einmal getroffene Wahl der Nacherfüllungsart gebunden ist. Wird dies bejaht, kann der Käufer z.B. im Falle der Unmöglichkeit oder Verweigerung der von ihm gewählten Art der Nacherfüllung durch den Verkäufer gem. § 439 Abs. 3 BGB nicht die verbleibende andere Art beanspruchen. Nach der hier vertretenen Ansicht werden dem Käufer gem. § 439 Abs. 1 BGB zwei unterschiedliche Ansprüche als Rechtsbehelfe zugestanden. Daher kann der Käufer einen von beiden Rechtsbehelfen frei wählen. In diesem Sinne hat der Käufer im Rahmen der Wahl der Nacherfüllungsmodalitäten prinzipiell ein ius variandi. Demgegenüber wird dem Verkäufer ein Verweigerungsrecht gem. § 439 Abs. 3 BGB eingeräumt, damit diese freie Wahl unter Berücksichtigung des Verkäuferinteresses korrigiert werden kann.16 Beide Arten der Nacherfüllung zielen auf den Erhalt der mangelfreien Leistung in natura ab. Daher soll der Käufer bis zum Eintritt dieses Erfolges die ihm für dieses Interesse eingeräumten Rechtsbehelfe ausschöpfen können. Dies erfordert eine freie Wahl ohne Bindungswirkung einer einmal getroffenen Entscheidung. Jedoch kann der Verkäufer mit Hilfe des Grundsatzes von Treu und Glauben eine willkürliche sowie rechtsmissbräuchliche Ausübung des Wahlrechts des Käufers abwehren. Nach der hier vertretenen Ansicht basiert der über die gesetzliche Normierung hinausgehende allgemeine Nacherfüllungsanspruch im Rahmen des Kaufrechts im KBGB auf einer analogen Anwendung der werkvertraglichen Vorschrift hinsichtlich des Nacherfüllungsanspruchs, nämlich auf § 667 Abs. 1 KBGB.17 Nach dieser Vorschrift, die lediglich ein Wahlrecht 15
S. Teil 2, Kapitel 5, C. S. Teil 3, Kapitel 7, B, II, 1. 17 S. Teil 4, Kapitel 1, C. 16
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5. Teil: Vergleich
des Unternehmers enthält, steht dem Besteller kein Wahlrecht in Bezug auf die Mängelbeseitigungsweise zu. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Wahlrecht des Unternehmers gem. § 667 Abs. 1 KBGB der Eigenart des Kaufvertrages entsprechend anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 2 KBGB korrigiert werden muss.18 Anders als im Fall des Werkvertrages werden die Ersatzlieferung und die Nachbesserung im Rahmen des Kaufvertrages als unterschiedliche Rechtsbehelfe eingeräumt, um das verletzte Interesse des Käufers wiederherstellen zu können. In diesem Sinne soll die Wahl der Nacherfüllungsmodalität nicht lediglich als Wahl der Mängelbeseitigungsweise im Sinne des § 667 Abs. 1 KBGB, sondern als ius variandi des Käufers dem Verständnis aus CISG sowie BGB entsprechend verstanden werden. Demnach soll das Wahlrecht in Bezug auf die Nacherfüllungsmodalität dem Käufer als Rechtsbehelfsberechtigtem zugesprochen werden. B. Eigene Stellungnahme M.E. ist die Wahl der Nacherfüllungsmodalität auch im KBGB als ius variandi des Käufers einzuordnen, denn nach der hier vertretenen Ansicht werden die zwei Arten des Nacherfüllungsanspruchs genauso wie im CISG und BGB als zwei unterschiedliche Rechtsbehelfe eingeräumt. Daher ist es Sache des Rechtsbehelfsberechtigten, also des Käufers, den Rechtsbehelf genauer zu bestimmen,. Dieses Ergebnis ist auch praxisnah, da es im Regelfall dem Verkäufer an der besonderen Fachkenntnis fehlt. M.E. lässt sich das Wahlrecht des Unternehmers gem. § 667 Abs. 1 KBGB im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs mit dieser besonderen Fachkenntnis hinsichtlich der Herstellung des Werkes begründen. Darüber hinaus resultiert der Nacherfüllungsanspruch aus der Lieferung einer mangelhaften Sache, also aus dem Verantwortungsbereich des Verkäufers. Daher kann der Käufer die darauf beruhenden Rechtsbehelfe nach seinem Belieben frei wählen.
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
A. Umfang des Nacherfüllungsanspruchs Problematisch bei der Feststellung des Umfang des Nacherfüllungsanspruchs ist die Frage, inwieweit die vom Käufer vorgenommene Veränderung des Kaufsache im Rahmen der Nacherfüllung wiederherzustellen ist, denn nach der Auslieferung durch den Verkäufer steht die Kaufsache zur freien Disposition des Käufers. In Bezug auf das Charakteristikum des 18
Ausführlich Teil 4, Kapitel 1, C.
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers ist dies auch deshalb relevant, da bei Annahme eines restriktiven Umfangs des Nacherfüllungsanspruchs dieser an Bedeutung als Rechtsbehelf des Käufers verlieren könnte, weil der Käufer nach dem Vollzug der Nacherfüllung auf gewissen Nachteile sitzenbleiben würde. Demgegenüber ist auch das Interesse des Verkäufers eng mit der Feststellung des Umfangs des Nacherfüllungsanspruchs verbunden. Wenn der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs erweitert ausgelegt wird, soll der Verkäufer alle damit zusammenhängenden Kosten hinnehmen, die doch das Kerninteresse des Verkäufers in Bezug auf die Durchführung der Nacherfüllung ausmachen.19 In diesem Fall stellt die Kostentragungspflicht im erweiterten Ausmaß eine große Belastung für den Verkäufer dar. Diese Problematik stellt sich vor allem im Fall der Ersatzlieferung, weil der Ersatzlieferungsanspruch prinzipiell in der gleichen Gestalt wie der ursprüngliche Erfüllungsanspruch durchgeführt wird. Anders als im BGB und KBGB wird im CISG der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs nicht besonders thematisiert, weil die über den Umfang der Nacherfüllung hinausgehenden wirtschaftlichen Einbußen im Rahmen des Schadensersatzes gem. Art. 45 Abs. 1 lit. b. CISG ausgeglichen werden können, zumal der Schadensersatzanspruch im CISG kein Verschulden voraussetzt. Aus diesem Grund sei nach h.M. der Käufer im Rahmen der Nacherfüllung nur dazu berechtigt, eine vertragsmäßige Kaufware verlangen zu können.20 Wenn beispielsweise der Verkäufer einen mangelhaften Baustoff geliefert hat, der nach seiner Art und seinem Verwendungszweck einen Einbau erfordert, kann der Käufer neben der Lieferung der mangelfreien Kaufware die erforderlichen Kosten für den Ausbau des bereits eingebauten mangelhaften Baustoffs sowie den erneuten Einbau des ersatzweise gelieferten Baustoffs im Rahmen des Schadensersatzes verlangen, denn der Verkäufer ist dazu verpflichtet, alle sich aus der ursprünglichen mangelhaften Lieferung ergebenden Nachteile zu kompensieren, die trotz der Durchführung der Nacherfüllung nicht ausgeglichen werden.21 Gleiches gilt im Fall der vom Käufer verarbeiteten mangelhaften Ware. Wenn unter dem verobjektivierten Gesichtspunkt die Verarbeitung durch den Käufer im Vertrauen auf die Mangelfreiheit der gelieferten Ware unternommen wurde, sind die für diese Verarbeitung investierten Aufwendungen des Käufers als ein Schadensersatzposten und nicht im Rahmen der Nacherfüllung zu ersetzen. 19
Vgl. Teil 4, Kapitel 5, D. S. Teil 2, Kapitel 6, C. 21 Eingehend Teil 2, Kapitel 6, C. 20
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5. Teil: Vergleich
Im BGB war bislang stark umstritten, ob und inwieweit die vom Käufer vorgenommenen Veränderungen an der gelieferten Ware im Rahmen der Nachlieferung vom Verkäufer wiederhergestellt werden müssen. Dies ist wie die Frage nach dem Umfang des Nachlieferungsanspruchs eine besonders praxisrelevante Problematik. Denn beispielsweise Baustoffe wie Bodenfliesen oder Parkettstäbe sind regelmäßig dazu bestimmt, irgendwo eingebaut zu werden, so dass ein verdeckter Mangel der Baustoffe somit erst nach deren Einbau entdeckt wird. Zudem ist es in diesem Fall nicht selten, dass der bestehende Mangel nicht durch Nachbesserung beseitigt werden kann. In einem derartigen Fall ist daher umstritten, ob der Nachlieferungsanspruch gem. § 439 BGB neben der Lieferung der mangelfreien Ersatzware den Ausbau der bereits eingebauten Kaufware sowie den Wiedereinbau der erneut gelieferten Ersatzware umfasst. Diesbezüglich muss auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beachtet werden, deren Umsetzung § 439 BGB dient.22 Nach der tradierten Rechtsprechung und der bisherig vorherrschenden Meinung kann die Ausbau- sowie Wiedereinbauarbeit nicht zum Umfang der Nachlieferung gehören, weil die Nachlieferung nur als vollständige Wiederholung der ursprünglichen Leistung verstanden werden darf, die der Verkäufer im Rahmen des Kaufvertrages gem. § 433 Abs. 1 BGB schuldet.23 Dies wird als der vertragsgemäße Zustand angesehen, den der Verkäufer im Rahmen der Nachlieferung herstellen soll. Jüngst hat der EuGH über diese Problematik entschieden und dem Streit in Literatur und Rechtsprechung ein Ende gesetzt.24 Demnach werden der Ausbau der mangelhaften Kaufware und der Wiedereinbau der mangelfreien Ersatzware in das Pflichtprogramm des Verkäufers im Rahmen der Ersatzlieferung integriert, wenn der Käufer als Verbraucher vor Auftreten des Mangels die mangelhafte Kaufsache im Vertrauen auf die Mangelfreiheit gem. seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut hat. Nach dem Tenor dieses Urteils des EuGH bestehen die Ausbau- sowie Wiedereinbaupflicht des Verkäufers unabhängig davon, ob er im ursprünglichen Kaufvertrag dazu verpflichtet war.25 Somit werden die bisherige Rechtsprechung und vorherrschenden Meinungen in der Literatur, die sich gegen die Einordnung des Ausbaus sowie Wiedereinbaus in den Umfang des Nachlieferungsanspruchs aussprechen, zu Makulatur.26
22
Eingehend Teil 3, Kapitel 5, A. S. Teil 3, Kapitel 5, B, II. 24 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988. 25 S. Teil 3, Kapitel 5, B, III, 1. 26 S. Teil 3, Kapitel 5, B, III, 1. 23
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
231
Im Urteil des BGH, das als Umsetzung des EuGH-Urteils ergangen ist,27 wird der Tenor des Urteils des EuGH wiederholt. Demnach umfasst die Nachlieferung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Sache, darüber hinaus gilt dies für alle Arten des Kaufvertrages, obwohl das Urteil des EuGH nur im Zusammenhang mit dem Verbrauchsgüterkauf verbindlich ist. Anders als der Umfang der Nachlieferung wird die Problematik des Umfangs der Nachbesserung nicht derart diskutiert. Jedoch kann sich mit Blick auf Baustoffe das gleiche Problem ergeben, nämlich wenn der Käufer nach der Übergabe der Kaufware bestimmte Veränderungen an dieser vorgenommen hat. Dabei ist nun problematisch, welches der im Rahmen der Nachbesserung herzustellende vertragsmäßige Zustand ist. M.E. können die im Urteil des EuGH angeführten Kriterien auch im Fall der Nachbesserung zur Geltung kommen. Wenn die vom Käufer vorgenommene Veränderung der Kaufsache mit Rücksicht auf die Art und den Verwendungszweck der Kaufware typischerweise vorgesehen und die Veränderung zudem vor Auftreten des Mangels im Vertrauen auf die Mangelfreiheit erfolgt ist, kann diese Veränderung auch zum Pflichtprogramm der Nachbesserung gehören.28 Im KBGB wird die Ersatzlieferung in § 581 Abs. 2 KBGB normiert. Demnach kann der Käufer anstelle der ursprünglichen mangelhaften Kaufsache die Lieferung mangelfreier Kaufware verlangen.29 Da der Umfang der Ersatzlieferung im § 581 Abs. 2 KBGB nicht eingehend normiert ist, kann der Umfang der Ersatzlieferung, vornehmlich beim Kauf von Baustoffen, wie im BGB auch im KBGB problematisch sein. Dennoch wird hierüber bislang in der Literatur kaum diskutiert. M.E. ist die bloße erneute Lieferung der mangelfreien Ersatzware im Rahmen der Ersatzlieferung nicht ausreichend, um den Ersatzlieferungsanspruch zur wirksamen Abhilfemöglichkeit des Käufers zu machen. Wenn der Umfang der Ersatzlieferung so restriktiv ausgelegt wird, erlangt der Käufer nach erfolgreicher Durchführung der Ersatzlieferung keine vollständige Wiederherstellung seines verletzten Interesses. Er ist vielmehr gezwungen, gewisse Nachteile, nämlich den Ausbau der eingebauten mangelhaften Kaufware sowie den Wiedereinbau der mangelfreien Ersatzware, hinzunehmen. Darüber hinaus kann der Käufer die Kosten des Ausbaus sowie des Wiedereinbaus auch nicht im Rahmen des Schadensersatzes gem. § 390 KBGB verlangen, falls den Verkäufer kein Verschulden an der Mangelhaftigkeit der Kaufware trifft.
27
BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff. Eingehend Teil 3, Kapitel 5, C, II. 29 S. Teil 4, Kapitel 5, B. 28
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5. Teil: Vergleich
Aus diesem Grund ist der Umfang der Ersatzlieferung auch im KBGB hinreichend zu erweitern. Diesbezüglich ist der Ansatzpunkt des EuGH30 zu berücksichtigen. M.E. sollte – ganz dem Tenor des EuGH-Urteils folgend – die Ersatzlieferung die Ausbau- sowie die Wiedereinbauarbeit erfassen, vorausgesetzt, dass die Kaufware vor dem Auftreten des Mangels vom Käufer im Vertrauen auf die Mangelfreiheit eingebaut wurde und zudem eine derartige Bearbeitung der Kaufware nach Art und Verwendungszweck verkehrstypisch, mithin aus der Sicht des Verkäufers auch erkennbar ist. Gleiches sollte m.E. für den Umfang der Nachbesserung gelten. B. Leistungsort des Nacherfüllungsanspruchs In der Literatur werden verschiedene Ansichten über den Leistungsort des Nacherfüllungsanspruchs im CISG vertreten, denn Art. 46 Abs. 2, 3 CISG enthält hierzu keine klaren Bestimmungen. Wenn eine Vereinbarung der Vertragsparteien über den Nacherfüllungsort vorliegt oder in Bezug auf den Nacherfüllungsort Gepflogenheiten oder Handelsbräuche im Sinne des Art. 9 CISG bestehen, finden diese vorrangige Anwendung. Solche Vereinbarungen oder Handelsbräuche existieren aber nicht bei jedem Kaufvertrag nach CISG. Aus diesem Grund ist im CISG der Nacherfüllungsort umstritten.31 Im Prinzip lassen sich hierbei zwei Lösungsansätze unterscheiden: Nach einer Ansicht ist der Leistungsort der Nacherfüllung nach Art. 31 CISG festzustellen, der den Erfüllungsort der ursprünglichen Lieferung bestimmt. Demnach soll die Nacherfüllung dort durchgeführt werden, wo die ursprüngliche Lieferung der Kaufware erfolgte. Diese Ansicht wird mit Erwägungen der Rechtssicherheit und mit der festen Bindung des Nacherfüllungsanspruchs an den ursprünglichen Erfüllungsanspruch begründet. 32 Nach anderer Ansicht ist der Nacherfüllungsort der Ort, an dem sich die Kaufware bestimmungsgemäß befindet, nämlich an dem aktuellen Belegenheitsort. Dies wird damit begründet, dass der Käufer wegen der Vertragsverletzung des Verkäufers keine weiteren Kosten hinnehmen soll. M.E. ist das Charakteristikum des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers für die Feststellung des Nacherfüllungsorts maßgeblich, zumal aufgrund der mangelnden Normierung des Leistungsorts der Nacherfüllung im CISG der Ansatzpunkt aus dem Wesen des Nacherfüllungsanspruchs abgeleitet werden soll. Demzufolge beruht die Problematik des Nacherfüllungsorts darauf, dass der Käufer bei der Ausübung seines Rechtsbehelfs keine zusätzlichen Lasten hinnehmen soll. Daher soll der Nacherfüllungs30
EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988. S. Teil 2, Kapitel 6, D. 32 Eingehend Teil 2, Kapitel 6, D. 31
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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anspruch an dem Ort bewirkt werden, an dem sich die Kaufware derzeit befindet. Denn ansonsten müsste der Käufer die Beförderungskosten der Kaufware weiterhin tragen. Wie im CISG, ist der Leistungsort des Nacherfüllungsanspruchs im BGB umstritten, weil in § 439 BGB der Nacherfüllungsort nicht explizit normiert wird. Nach der überwiegenden Meinung soll die Nacherfüllung an dem Ort erfolgen, an dem sich die Kaufware bestimmungsgemäß befindet, nämlich an dem aktuellen Belegenheitsort. Nach der Gegenansicht soll der Nacherfüllungsort mit dem ursprünglichen Erfüllungsort identisch sein. 33 Dennoch hat der BGH jüngst beide Ansätze des Schrifttums abgelehnt.34 Vielmehr geht er davon aus, dass das Kaufrecht keine eigene Regelung über den Nacherfüllungsort beinhaltet und daher die allgemeine Bestimmung über den Leistungsort, nämlich § 269 Abs. 1 BGB, zur Anwendung kommen soll. Nach dem BGH wird der Nacherfüllungsort daher für den Einzelfall ermittelt, denn gem. § 269 Abs. 1 BGB werden sämtliche Umstände des Einzelfalls, vornehmlich die Natur des Schuldverhältnisses, für die Ermittlung des Leistungsorts berücksichtigt, falls die Vertragsparteien keine Vereinbarung über den Nacherfüllungsort getroffen haben. Wenn den Umständen sowie der Natur des Schuldverhältnisses kein Ansatz für den Leistungsort entnommen werden kann, soll die Nacherfüllung gem. § 269 BGB grundsätzlich am Wohnsitz des Verkäufers erfolgen. Demnach ist es möglich, dass der vom aktuellen Belegenheitsort abweichende Ort als Nacherfüllungsort gem. § 269 BGB festgestellt wird, sodass der Käufer die mangelhafte Kaufware an diesen Nacherfüllungsort transportieren muss. Dies scheint in Bezug auf die Richtlinienkonformität problematisch: Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist eine europäische Vorgabe des Nacherfüllungsanspruchs gem. § 439 BGB. Nach Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist die Nacherfüllung für den Käufer unentgeltlich durchzuführen. Damit diese Richtlinienkonformität auch im Zusammenhang mit der Feststellung des Nacherfüllungsorts gem. § 269 BGB erfüllt wird, kann nach der Ansicht des BGH dem Käufer ein Anspruch auf Kostenerstattung in Gestalt des Vorschussanspruchs gem. § 439 Abs. 2 BGB eingeräumt werden. In diesem Sinne wird § 439 Abs. 2 BGB nicht als bloße Kostenzuweisungsnorm, sondern als eine Anspruchsgrundlage der Kostenerstattung des Käufers angesehen. Nach Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie soll die Nacherfüllung nicht nur unentgeltlich, sondern auch ohne erhebliche Unannehmlichkeiten durchgeführt werden. Nach der Ansicht des BGH können die möglichen erheblichen Unannehmlichkeiten durch eine richtlinienkonforme Ausle33 34
S. Teil 3, Kapitel 5, D. BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff.
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5. Teil: Vergleich
gung des § 269 BGB vermieden werden, die sich aus dem Transport zum Nacherfüllungsort durch den Käufer ergeben. Auf den ersten Blick erscheint diese Lösung anhand des § 269 BGB als richtlinienkonform. Aber m.E. kann diese Einzelfallentscheidung des BGH der Richtlinie zuwiderlaufen. Denn dadurch entsteht für den Käufer eine enorme Rechtsunsicherheit: Im BGB fungiert der Nacherfüllungsanspruch nicht nur als Rechtsbehelf des Käufers. Im Regelfall kann der Käufer nämlich nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist für die Nacherfüllung auch seine sekundären Rechte wie z.B. Rücktritt oder Minderung geltend machen. Wenn der Käufer infolge seiner eigenen fehlerhaften rechtlichen Würdigung vom Verkäufer die Nacherfüllung am falschen Ort verlangt, stehen ihm trotz etwaigen Verstreichens der Frist für die Nacherfüllung keine weiteren sekundären Rechte zu. Im umgekehrten Fall kann der Käufer, der sicherheitshalber die Ware für die Nacherfüllung an den Wohnsitz des Verkäufers transportiert, Schaden nehmen, wenn sich nachher der aktuelle Belegenheitsort als der eigentlich richtige Nacherfüllungsort erweist. Nach der Auffassung des BGH soll der Käufer die anfallenden Transportkosten selber hinnehmen, da diese Beförderung des Käufers als Selbstvornahme bewertet wird.35 M.E. kann diese mit dem Nacherfüllungsort verbundene Rechtsunsicherheit als erhebliche Unannehmlichkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie betrachtet werden. Daher muss m.E. der Nacherfüllungsort stets als Belegenheitsort der Kaufware festgelegt werden. Aus demselben Grund muss m.E. auch der Nacherfüllungsanspruch im KBGB am jeweiligen Belegenheitsort bewirkt werden, wenn der Nacherfüllunganspruch seinen Charakter als effektiver Rechtsbehelf des Käufers nicht verlieren soll. Die gesetzliche Stütze für den Belegenheitsort als Nacherfüllungsort findet sich in § 467 Abs. 1 KBGB. Wie im BGB trifft das Kaufrecht im KBGB darüber keine ausdrücklichen Regelungen. Daher muss die allgemeine Vorschrift über den Leistungsort, also § 467 KBGB, herangezogen werden. Nach § 467 Abs. 1 KBGB hat der aus der Natur des Schuldverhältnisses zu ermittelnde Leistungsort stets den Vorrang. M.E. liegt die Natur der Nacherfüllung in einem Schuldverhältnis, das auf die Rechtsbehelfe, nicht auf die ursprüngliche Lieferung abzielt. Daher ist der Nacherfüllungsort stets der Belegenheitsort der Kaufsache. C. Kostentragung des Nacherfüllungsanspruchs Anders als die übrigen sekundären Rechtsbehelfe des Käufers, die in Gestalt der Geldleistung bestehen, liegt der Nacherfüllungsanspruch in der 35
Eingehend Teil 3, Kapitel 5, D.
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
235
Leistung in natura. Das Erbringen der Leistung in natura im Rahmen der Nacherfüllung ist mit hohen Kosten verbunden – man denke an die Transportkosten, Arbeitskosten, Kosten für Anschaffung der Sachleistung auf dem Markt, etc. Die Kostentragung im Rahmen der Nacherfüllung macht den Kern des Interesses beider Vertragsparteien aus. Wenn die bei der Durchführung der Nacherfüllung anfallenden Kosten nicht hinreichend auf den Verkäufer abgewälzt werden, wird das Charakteristikum des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers stark geschwächt, selbst wenn der Käufer die Nacherfüllung in erweitertem Umfang verlangen kann. Die Kostenfrage ist auch für den Verkäufer von großer Bedeutung. Denn im Regelfall ist der Verkäufer als reiner Zwischenhändler nicht in der Lage, die Nacherfüllung aus eigener Kraft durchzuführen. Vornehmlich werden dem Verkäufer im Rahmen der Durchführung der Nachbesserung werkvertragsähnliche Pflichten auferlegt, obwohl derartige Pflichten vertragstypusfremde Pflichten darstellen, die der Verkäufer beim Abschluss des Kaufvertrages nicht erwartet hat. In diesem Fall kann der Verkäufer mit Hilfe des Marktes die Nacherfüllung durchführen, indem er andere mangelfreie Ersatzware oder die nötige Arbeitskraft auf dem Markt beschafft. Daher ist die Kernfrage für den Verkäufer nicht mehr seine eigene Fähigkeit zur Nacherfüllung, vielmehr steht die Frage nach den Kosten im Mittelpunkt, die der Verkäufer für den Erwerb der Sach- oder Arbeitsleistung auf dem Markt zum Zweck der Durchführung der Nacherfüllung tragen soll.36 Unter diesen markwirtschaftlichen Bedingungen kann der Verkäufer durch die Besorgung auf dem Markt den im Rahmen der Nacherfüllung intendierten Erfolg, nämlich den vertragsmäßigen Zustand der Kaufware, schaffen, unabhängig davon, ob er selbst die dafür erforderlichen Fähigkeiten besitzt. Auf der Seite des Käufers kann er auch mit Hilfe des Markts diesen vertraglichen Erfolg selbst herstellen, wenn er alle für die Nacherfüllungsarbeit erforderlichen Kosten trägt. In diesem Sinne steht für beide Vertragsparteien im Vordergrund, von wem und auf welche Weise die anfallenden Kosten für die Nacherfüllung getragen werden sollen.37 Im CISG gibt es keine ausdrückliche Vorschrift, die die Kostentragung der Nacherfüllung regelt. Jedoch ist sich das Schrifttum darüber einig, dass der Verkäufer die unmittelbar mit der Durchführung der Nacherfüllung zusammenhängenden Kosten selbst tragen soll. 38 Dies ergebe sich aus der entsprechenden Anwendung des Art. 48 Abs. 1 S. 1 CISG oder schlicht aus der Argumentation, dass die Nacherfüllung ein weiterer Bestandteil der ursprünglichen Vertragserfüllung sei. Aber m.E. ist die Kostentragungs36
Eingehend Teil 3, Kapitel 6, B; Teil 4, Kapitel 1, B, III. S. Teil 3, Kapitel 6, B; Teil 4, Kapitel 1, C. 38 S. Teil 2, Kapitel 6, E. 37
236
5. Teil: Vergleich
pflicht des Verkäufers im Rahmen der Nacherfüllung darauf zurückzuführen, dass der Nacherfüllungsanspruch im CISG als ein Rechtsbehelf des Käufers besteht. Wenn der Verkäufer die Nacherfüllungskosten nicht in vollem Umfang trägt, müsste der Käufer nach erfolgreicher Nacherfüllung etwaige Nachteile weiterhin in Kauf nehmen. Dies steht im klaren Widerspruch zum Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Abhilfe des Käufers. Nach § 439 Abs. 2 BGB muss der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen tragen. Dadurch kann der Käufer seinen Nacherfüllungsanspruch ohne Bedenken geltend machen. Diesbezüglich ist Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu berücksichtigen, weil § 439 Abs. 2 BGB eine wortgleiche Umsetzung der Art. 3 Abs. 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist. Die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung, die in Art. 3 Abs. 2, 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bestimmt wird, ist für die Auslegung des § 439 Abs. 2 BGB heranzuziehen. Nach der Auffassung des EuGH soll der Verbraucher im Rahmen der Nacherfüllung vor jeder finanziellen Belastung geschützt werden, die ihn davon abhalten könnte, seine Ansprüche geltend zu machen.39 Dieses Verständnis des EuGH von der Nacherfüllung bestärkt einmal mehr den Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers. Demnach braucht der Käufer keine der im Rahmen der Herstellung des vertragsmäßigen Zustands entstehenden Kosten hinzunehmen. Dabei bleibt der Nacherfüllungsanspruch als ein primärer Rechtsbehelf des Käufers bestehen. Im Gegensatz zu seiner tradierten Rechtsprechung hat der BGH in seinem jüngsten Urteil über den Nacherfüllungsort § 439 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage des Käufers für den Kostenersatz angesehen.40 Dadurch kann das Gebot der Unentgeltlichkeit nach Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erreicht werden, denn aufgrund des § 439 Abs. 2 BGB könnte der Käufer die ihm wegen der Nacherfüllung entstandenen Kosten erstattet verlangen, obwohl die Verbringung des Kaufgegenstandes durch den Käufers zwecks Nacherfüllung nicht vom Umfang der Nacherfüllungspflicht des Verkäufers gedeckt würde. Fraglich ist jedoch, ob dieser Zwiespalt zwischen der Nacherfüllungspflicht und der Kostentragungspflicht des Verkäufers systemtreu ist. M.E. gibt es keinen großen Anwendungsbereich für den Kostenerstattungsanspruch des Käufers gem. § 439 Abs. 2 BGB, wenn der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs ausreichend ausgedehnt wird. Dies entspricht auch der wortlautgetreuen Auslegung des Art. 3 Abs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Denn m.E. liegt die Betonung im Rahmen der 39 40
EuGH, 17.4.2008 – C 404/06, NJW 2008, S. 1433 ff. BGH, 13.4.2011, NJW 2011, S. 2278 ff.; vgl. Teil 3, Kapitel 6, B.
Kapitel 6. Durchführung des Nacherfüllungsanspruchs
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Nacherfüllung eher auf der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands, hingegen kann die Unentgeltlichkeit kein Hauptzweck der Nacherfüllung sein. Im KBGB gibt es keine Vorschrift, die die Problematik der Kostentragung im Rahmen der Nacherfüllung reguliert. Ebenso gibt es keine gesetzliche Vorgabe über die Kostentragung im Rahmen der werkvertraglichen Vorschriften über die Nacherfüllung, auf denen der kaufrechtliche Nacherfüllungsanspruch im Sinne der allgemeinen Mängelhaftung basiert. Jedoch muss der Verkäufer generell die Kosten tragen, die bei der Durchführung der Nacherfüllung anfallen, denn der Nacherfüllungsanspruch hat seine Ursache in der ursprünglichen Lieferung der mangelhaften Kaufware.41 Daher stellt sich die Frage nach der Reichweite der Kostentragung des Verkäufers innerhalb des Umfangs der Nacherfüllungspflicht. Darüber hinaus ist der Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf des Käufers zu berücksichtigen. Wie oben ausgeführt, wird der Stellenwert des Nacherfüllungsanspruchs als wirksamer Rechtsbehelf des Käufers geschädigt, wenn dem Käufer etwaige Nachteile auch nach der Durchführung der Nacherfüllung verbleiben. D. Eigene Stellungnahme Die Auswirkung des in Rede stehenden Urteils des EuGH ist enorm. Denn der EuGH geht im Rahmen der Nacherfüllung davon aus, dass die Nacherfüllungspflicht über den ursprünglichen Pflichtenkatalog des Verkäufers im Rahmen des Kaufvertrages hinausgehen kann. Bislang stützt sich der Nacherfüllungsanspruch nach der Konzeption des BGB sowie des KBGB auf den ursprünglichen Erfüllungsanspruch; dabei besteht der Nacherfüllungsanspruch als Erfüllungsanspruch in modifizierter Form, weil die im Kaufvertrag vereinbarte Leistung des Verkäufers nicht vollends bewirkt wurde. In diesem Sinne wird der Nacherfüllungsanspruch lediglich als eine Ausdehnung der Erfüllungsanspruchs verstanden. Das jüngste Urteil des EuGH jedoch hat diesbezüglich einen neuen Blickwinkel aufgezeigt. Nach dem Tenor des EuGH-Urteils ist der Umfang der Ersatzlieferung so zu bestimmen, dass der Ersatzlieferungsanspruch dem Käufer als effektiver Rechtsbehelf dienen kann. Dies geht einher mit der Entkopplung des Nacherfüllungsanspruchs vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch. 42 Im darauf folgenden Urteil des BGH werden diese Züge des Nacherfüllungsanspruchs mit dem Argument des Verständnisses desselben als Modifikati-
41 42
S. Teil 4, Kapitel 5, D. Eingehend Teil 3, Kapitel 5, B, III, 1.
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5. Teil: Vergleich
on des Erfüllungsanspruchs gerechtfertigt.43 Aber m.E. verdeutlicht diese erforderliche Modifikation den Charakter des Nacherfüllungsanspruchs als Rechtsbehelf. Der Nacherfüllungsanspruch ist im Stadium der Rechtsbehelfe, nicht im Stadium des ursprünglichen Kaufvertrages anzusiedeln. In diesem Stadium spielt das förmliche Beharren auf dem ursprünglichen Pflichtenkatalog beider Parteien im Rahmen der Nacherfüllung keine große Rolle. Vielmehr geht das Interesse des Käufers dahin, ob seine verletzte Interessenlage wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufware mit Hilfe des Nacherfüllungsanspruchs wiederhergestellt werden kann. Demgegenüber liegt das Interesse des Verkäufers darin, ob er sich vor der Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs schützen kann, der mit einem übermäßigen Aufwand verbunden ist. M.E. muss die Problematik der Nacherfüllung unter diesem praktischen Gesichtspunkt gelöst werden. Ein derartiger Ansatz zeigt sich bereits in Bezug auf die Nachbesserung. Denn dabei werden dem Verkäufer bereits werkvertragsähnliche Pflichten (Reparatur) auferlegt, obwohl diese für ihn, vornehmlich als reinem Zwischenhändler, mit Rücksicht auf den Vertragstypus kein Gegenstand des ursprünglichen Kaufvertrages sind. Diese Abweichung vom ursprünglichen Pflichtenkatalog ist m.E. im Rahmen der Nacherfüllung unvermeidbar, damit der anhand der Nacherfüllung verfolgte Erfolg bzw. Zustand verwirklicht wird. Dieser Ansatz des EuGH hinsichtlich des Nacherfüllungsanspruchs im Sinne des Rechtsbehelfs des Käufers kann m.E. ohne weiteres im KBGB berücksichtigt werden.
Kapitel 7. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs Kapitel 7. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs
A. Unmöglichkeit Im CISG ist keine Vorschrift vorhanden, die die Unmöglichkeit als Befreiungsgrund des Erfüllungsanspruchs explizit normiert. Jedoch wäre es naturgemäß sinnlos, den Verkäufer weiterhin zu einer Nacherfüllung zu verpflichten, die bereits objektiv unmöglich wird. Das Beharren auf der unmöglichen Erfüllung kann vielmehr als Rechtsmissbrauch des Käufers angesehen werden. 44 Problematisch ist der Fall der subjektiven Unmöglichkeit, wenn die Nacherfüllung also zumindest objektiv möglich ist. Dabei geht es um die Frage, inwieweit der Verkäufer die vorliegenden Leistungshindernisse überwinden muss. Im Schrifttum findet man den Lösungsansatz dieses Problems in der analogen Anwendung des Art. 79 CISG, nämlich der gesetzlichen Vorgabe über die Befreiung vom Schadensersatz, 43 44
BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 6. S. Teil 2, Kapitel 7, B, IV.
Kapitel 7. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs
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oder in der Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben gem. Art. 7 Abs. 1 CISG.45 Aber m.E. sollte diese Problematik eher durch den allgemeinen Grundsatz des Art. 7 Abs. 2 CISG gelöst werden. Demnach sollte der Verkäufer im Allgemeinen vom Nacherfüllungsverlangen des Käufers befreit werden, wenn die Nacherfüllung unzumutbare Anstrengungen für den Verkäufer bedeuten würde. Im BGB kommt für den Ausschluss der Leistungspflicht § 275 BGB aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht zur Anwendung. Demnach wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit, wenn die Leistung unmöglich ist. Der Ausschluss der Nacherfüllung aufgrund von Unmöglichkeit bereitet dabei keine Schwierigkeiten hinsichtlich der Richtlinienkonformität, weil dies kein Regelungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist. Fraglich ist jedoch, im welchem Verhältnis § 275 Abs. 2 BGB, nämlich die so genannte faktische Unmöglichkeit, zum Verweigerungsrecht des Verkäufers aufgrund von Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 BGB steht. Denn in beiden Ausschlussgründen des Nacherfüllungsanspruchs müssen sowohl das Interesse des Käufers an der Nacherfüllung als auch die damit zusammenhängenden Aufwendungen des Verkäufers gleichermaßen Beachtung finden. 46 Aus dem Wortlaut des § 439 Abs. 3 S. 1 BGB „unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3“ ergibt sich der gesetzgeberische Wille, dass das Verweigerungsrecht gem. § 439 Abs. 3 BGB nur als besondere Ausprägung des § 275 Abs. 2 BGB und daher mit einer deutlich niedrigeren Schwelle der Unverhältnismäßigkeit verstanden werden muss. In diesem Sinne wird der Anwendungsbereich des § 275 Abs. 2 BGB im Rahmen der Nacherfüllung stark beschränkt. Im KBGB gibt es keine Vorschrift, die § 275 BGB entspricht und Arten und Rechtsfolge der Unmöglichkeit normiert. Trotzdem ist für das KBGB im Allgemeinen anerkannt, dass der Schuldner aufgrund von Unmöglichkeit von der Leistungspflicht befreit werden kann.47 Zur Unmöglichkeit im KBGB zählen nicht nur die physische Unmöglichkeit, sondern auch die rechtliche und die faktische sowie die wirtschaftliche Unmöglichkeit. Problematisch ist ebenso wie im BGB die Abgrenzung der faktischen sowie wirtschaftlichen Unmöglichkeit von der Unverhältnismäßigkeit, die sich aus der analogen Anwendung des § 667 Abs. 1 KBGB ergibt. M.E. stellt die Unverhältnismäßigkeit im Rahmen der Nacherfüllung ein Leistungshindernis mit bedeutend niedrigerer Schwelle als das der Unmöglichkeit dar. Denn die Unmöglichkeit ist ohne Rücksicht auf andere 45
Eingehend Teil 2, Kapitel 7, B, IV. S. Teil 3, Kapitel 7, B, I. 47 S. Teil 4, Kapitel 6, B. 46
240
5. Teil: Vergleich
Abhilfemöglichkeiten des Käufers absolut zu ermitteln, wohingegen im Rahmen der Grenzermittlung der Unverhältnismäßigkeit darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass die Unverhältnismäßigkeit nur einen nacherfüllungsbezogenen Ausschlussgrund darstellt, daher andere Rechtsbehelfe dem Käufer weiter zur Verfügung stehen können, obwohl der Nacherfüllungsanspruch wegen der Unverhältnismäßigkeit ausscheidet. B. Unverhältnismäßigkeit Im CISG soll der Verkäufer vom Nacherfüllungsanspruch des Käufers befreit werden, wenn das Interesse des Käufers an der Nacherfüllung mit dem Aufwand des Verkäufers im groben Missverhältnis steht. M.E. braucht der Verkäufer eine derartige Erschwerung für die Nacherfüllung nicht zu überwinden. Mit Hilfe des allgemeinen Grundsatzes des Art. 7 Abs. 2 CISG kann dieses Ergebnis problemlos gerechtfertigt werden. Aber m.E. soll der Prüfungsgrad dieser Unverhältnismäßigkeit niedriger als der der faktischen Unmöglichkeit im Rahmen der subjektiven Unmöglichkeit sein. Denn wie im KBGB ist zu berücksichtigen, dass der Käufer anhand anderer Rechtsbehelfe die Vertragsverletzung kompensieren kann. Nach § 439 Abs. 3 BGB kann der Verkäufer bei unverhältnismäßigen Kosten die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern. In diesem Sinne kann die vom Käufer gewählte Nacherfüllungsalternative ausscheiden, wenn sie im Vergleich zur anderen Nacherfüllungsalternative unverhältnismäßig ist. 48 Dies wird als sog. relative Unverhältnismäßigkeit bezeichnet. Die relative Unverhältnismäßigkeit kann daher nur in Betracht kommen, wenn beide Arten der Nacherfüllung möglich sind. Aber nach der gesetzgeberischen Konzeption, die in § 439 Abs. 3 S. 3 HS. 2 und § 440 S. 1 BGB eindeutig zum Ausdruck kommt, ist auch die Fallkonstellation vorgesehen, in der die Nacherfüllung gänzlich wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen werden kann. Demnach kann die einzig verbliebene Art der Nacherfüllung auch aufgrund von Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen sein, wenn sie isoliert betrachtet unverhältnismäßig ist (sog. absolute Unverhältnismäßigkeit). Unter Umständen kann so der Nacherfüllungsanspruch komplett wegen Unverhältnismäßigkeit entfallen In Bezug auf die Richtlinienkonformität scheint der Ausschluss der Nacherfüllung wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit sehr problematisch. Denn nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist nur die relative Unverhältnismäßigkeit als Ausschlussgrund vorgesehen. Demnach ist der gänzliche Ausschluss beider Arten der Nacherfüllung wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit unzulässig. In diesem Sinne hat der EuGH in einem 48
Eingehend Teil 3, Kapitel 7, B, II, 2.
Kapitel 7. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs
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aktuellen Urteil die absolute Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 S. 3 HS. 2 BGB für richtlinienwidrig erklärt. 49 Diesen Tenor des Urteils des EuGH hat der BGH in seinem darauf folgenden Urteil dahingehend umgesetzt, dass er die absolute Unverhältnismäßigkeit als verdeckte Regelungslücke betrachtet hat, die durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs zu schließen ist,50 und ist damit dem vom EuGH in seinem Urteil offengelassenen Ausweg gefolgt. Jedoch darf aufgrund von absoluter Unverhältnismäßigkeit die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers nicht ausscheiden. Vielmehr kann nach der Auffassung des EuGH der Verkäufer anstelle der tatsächlichen Nacherfüllungsvornahme auch durch eine entsprechende Kostenerstattung seine Nacherfüllungspflicht erfüllen. 51 Wenn die einzig verbliebene Nacherfüllungsalternative mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, könnte nach der Ansicht des EuGH der Anspruch des Käufers auf Kostenerstattung der in Rede stehenden Art der Nacherfüllung auf einen angemessenen Betrag beschränkt werden.52 Diese Herabsetzungsmöglichkeit des Verkäufers hat der BGH in seinem Urteil in Einklang mit der Richtlinie umgesetzt, sodass beim Verbrauchsgüterkauf der Verkäufer die einzig mögliche Nacherfüllungsalternative nicht aufgrund von absoluter Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 BGB verweigern darf, sondern den Käufer auf eine angemessene Kostenerstattung verweisen muss. 53 In diesem Rahmen ergibt sich jedoch ein Zwiespalt zwischen dem Verbrauchsgüterkauf und dem „normalen“ Kauf, den der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat. M.E. kann diese rechtliche Ausgestaltung durch den BGH als angemessener Lösungsansatz betrachtet werden, wobei die klare gesetzgeberische Konzeption mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im Einklag gebracht werden kann. Fraglich ist jedoch, wo man die gesetzlichen Stütze für diese Herabsetzung der Kostenerstattung finden kann. Denn nach der Auffassung des BGH ergibt sich die Anspruchsgrundlage des Käufers für die Kostenerstattung der Nacherfüllung unmittelbar aus § 439 Abs. 2 BGB. Dabei enthält diese Bestimmung jedoch keinen Hinweis auf eine derartige Kostenherabsetzungsmöglichkeit des Verkäufers. 54 Darüber hinaus soll sich der angemessene Betrag der Kostenerstattung den für die tatsächliche Durchführung der Nacherfüllung erforderlichen Kosten annähern, wenn die bereits vom Käufer verarbeitete mangelhafte Kaufware dem Käufer keinerlei
49
S. Teil 3, Kapitel 7, A. BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 28 ff. 51 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 61 f. 52 EuGH, 16.6.2011 – C-65/09, C-87/09, BeckRS 2011, S. 80988, Rn. 74. 53 BGH, 21.12.2011, NJW 2012, S. 1073 ff., Rn. 35. 54 S. Teil 3, Kapitel 7, B, II, 3, d). 50
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5. Teil: Vergleich
Vorteil mehr bringt. Denn anderenfalls droht das Kostenerstattungsrecht des Käufers im praktischen Sinne ausgehöhlt zu werden. M.E. ist der Tenor des EuGH-Urteils hinsichtlich der absoluten Unverhältnismäßigkeit fragwürdig. Wenn der Umfang des Nacherfüllungsanspruchs zugunsten des Verbraucherinteresses ausgedehnt wird, sollte das Interesse des Verkäufers gleichermaßen durch sein Abwendungsrecht hinreichend geschützt werden. Es ist eine Ausbalancierung der Käufer- und der Verkäuferinteressen anzustreben. Wenn bei der absoluten Unverhältnismäßigkeit dem Käufer noch andere Rechtsbehelfe verbleiben und das Interesse des Käufers dadurch auf angemessene Weise geschützt werden kann, darf der Käufer nicht auf der mit unverhältnismäßigem Aufwand verbundenen Nacherfüllungsalternative beharren, auch wenn sie die einzige mögliche Art der Nacherfüllung ist. Im KBGB kann die Unverhältnismäßigkeit als Ausschlussgrund der Nacherfüllung im Rahmen des Kaufvertrages der Analogie des § 667 Abs. 1 KBGB des Werkvertragsrechts entnommen werden. Demnach ist der Unternehmer von der Nacherfüllungspflicht befreit, wenn der Mangel unerheblich ist und seine Beseitigung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde. Jedoch kann diese werkvertragliche Vorschrift nicht unverändert ins Kaufrecht übertragen werden, vielmehr bedarf sie einer Korrektur nach Treu und Glauben. Denn anders als beim Nacherfüllungsanspruch des Bestellers gem. § 667 Abs. 1 KBGB werden beide Arten der Nacherfüllung, nämlich der Ersatzlieferungs- und der Nachbesserungsanspruch, im Kaufrecht als zwei unterschiedliche Rechtsbehelfe eingeräumt. Infolgedessen steht das Wahlrecht zwischen der Ersatzlieferung und dem Nachbesserungsanspruch dem Käufer zu. In diesem Sinne muss die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung anders als im Werkvertragsrecht auf zwei Wegen ermittelt werden. Erstens liegt eine Unverhältnismäßigkeit vor, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung im Vergleich zu der anderen unverhältnismäßig ist. Dies ist die sog. relative Unverhältnismäßigkeit. Zweitens ist die Nacherfüllung unverhältnismäßig, deren Aufwand im groben Missverhältnis zum Interesse des Käufers an der Nacherfüllung im Allgemeinen steht. Dies ist die sog. absolute Unverhältnismäßigkeit. In diesem Sinne kann im KBGB der Nacherfüllungsanspruch des Käufers, anders als beim Verbrauchsgüterkauf im BGB, nicht nur wegen relativer Unverhältnismäßigkeit, sondern auch bei absoluter Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen werden.
Kapitel 7. Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs
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C. Eigene Stellungnahme Es versteht sich von selbst, dass der Nacherfüllungsanspruch im Fall der objektiven Unmöglichkeit ausgeschlossen ist. Die Unmöglichkeit der Nacherfüllung kann in der Praxis oft vorkommen, denn anders als die anderen Rechtsbehelfe ist der Nacherfüllungsanspruch auf die Leistung in natura gerichtet. Problematisch scheint in der Praxis vielmehr die Frage, ob der Verkäufer von dem mit übermäßigen Aufwendungen verbundenen Nacherfüllungsanspruch des Käufers befreit werden kann, weil die Durchführung der Nacherfüllung im Sinne der Erbringung der Leistung in natura hohe Kosten verursachen würde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass beide Formen der Nacherfüllung dem Käufer als zwei eigenständige Rechtsbehelfe gewährt werden. In diesem Sinne kann die Unverhältnismäßigkeit zwischen dem Interesse des Käufers an der Nacherfüllung und dem dafür erforderlichen Aufwand des Verkäufers auf zwei Arten geprüft werden, nämlich als relative Unverhältnismäßigkeitsprüfung sowie als absolute Unverhältnismäßigkeitsprüfung. Beide Prüfungsweisen sind im Rahmen des KBGB möglich, denn eine verbindliche Vorgabe wie die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im BGB liegt hierbei nicht vor, weswegen die Problematik der Richtlinienkonformität nicht besteht. M.E. wird im Fall der relativen Unverhältnismäßigkeit das Interesse des Käufers am Wahlrecht zwischen beiden Nacherfüllungsmodalitäten beschränkt. Demgegenüber wird beim Vorliegen der absoluten Unverhältnismäßigkeit das Wahlrecht des Käufers zwischen dem ganzheitlichen Nacherfüllungsanspruch und anderen sekundären Rechtsbehelfen eingeschränkt. In diesem Sinne ist das Verhältnis zwischen der faktischen sowie wirtschaftlichen Unmöglichkeit und der Unverhältnismäßigkeit im Sinne des Ausschlussgrunds der Nacherfüllung zu berücksichtigen. Trotz des Vorliegens der Unverhältnismäßigkeit verbleiben dem Käufer andere Rechtsbehelfe, weil die Unverhältnismäßigkeit nur ein nacherfüllungsspezifischer Ausschlussgrund ist, sodass er auf die sekundären Rechtsbehelfe ohne Einfluss ist. Daher ist es gerechtfertigt, dass die Anforderungen an die Unverhältnismäßigkeit niedriger sind als die, welche an die faktische Unmöglichkeit gestellt werden.
Teil 6
Ausblick: Modernisierung des KBGB Kapitel 1. Der aktuelle Stand der Modernisierung des KBGB Kapitel 1. Der aktuelle Stand der Modernisierung des KBGB
Innerhalb des KBGB ist, abgesehen vom Familienrechtsteil, nach dessen Entstehen im Jahre 1958 erst ein einziges Mal ein kleiner Teil verändert worden. Daher kann das KBGB den Anforderungen der aktuellen rechtlichen Situation nicht gerecht werden. Aus diesem Grund hat das koreanische Justizministerium einen Änderungsentwurf für das KBGB (KBGB-E) vorbereitet, der am 21.10.2004 in das Parlament eingebracht wurde. Dieser Entwurf wurde von einem 1999 gegründeten Sonderausschuss zur Novellierung des KBGB erarbeitet. Als Mitglieder dieses Ausschusses haben viele namhafte Wissenschaftler aus dem Privatrecht teilgenommen. Zuvor gab es bereits in den akademischen Kreisen lebhafte Auseinandersetzungen um Richtung und Inhalt der KBGB-Modernisierung, sodass die Erstellung des Änderungsentwurfes über 5 Jahre beanspruchte und dabei fortlaufend heftiger Kritik unterworfen war.1 Im Vorwort des Entwurfes werden Richtung und Gründe der Modernisierung angegeben. Demzufolge wird die Anpassung des KBGB an den Trend der neuen internationalen Vertragsrechte wie CISG und PICC als Grund aufgeführt. Kritiker bemängeln indes, dass der KBGB-E den neuen Trend der internationalen Gesetzgebung sowie den globalisierten Standard des Vertragsrechts nicht hinreichend berücksichtige.2 Trotz der Vorlage des KBGB-E im Parlament wurde das Reformvorhaben im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben. Am 7.10.2008 hat das koreanische Justizministerium einen neuen Plan für die Modernisierung des KBGB angekündigt. Demnach soll das KBGB ab dem Jahr 2009 binnen 4 Jahren schrittweise in vollem Umfang novelliert werden. Neben der Angleichung des KBGB an den globalen Standard hat sich das koreanische Justizministerium im Rahmen der Modernisierung 1 Der aktuelle Meinungsstand hinsichtlich des Gegenentwurfs des KBGB-E sowie sonstige Fragestellungen diesbezüglich sind bereits zusammengefasst und publiziert: Hwang, Juk-In (Hrsg.), Gutachten über die KBGB-Modernisierung (2002). 2 Park, Young-Bok, The Korean Journal of Civil Law, Nr. 23 (2003), S. 165 ff.; Choi, Jun-Sun, Commercial Law Review, Vol. 21, Nr. 2 (2002), S. 183 ff.; Oh, Ho-Cheol, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 12, Nr. 1 (2005), S. 340 ff.
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6. Teil: Ausblick
des KBGB ein wichtiges Ziel gesetzt: Bislang wurden die Anforderungen der Praxis nur im Rahmen eines Sondergesetzes erfüllt, sodass das KBGB seine Bedeutung als zentrales Rechtsregime für private Rechtsverhältnisse zu verlieren drohte. Durch die Modernisierung sollte das KBGB diese Rolle wiedererhalten. Entgegen dem angekündigten Zeitplan für die KBGBModernisierung wurden jedoch bislang nur wenige Vorschriften novelliert – dies betrifft die Regelungen über die Volljährigkeit, beschränkte Entmündigung sowie Entmündigung gem. §§ 4 ff. KBGB. 3 Obwohl der im Jahr 2004 vom koreanischen Justizministerium vorgelegte KBGB-E das Parlament nicht passiert hat, ist dieser Änderungsentwurf jedoch eine sorgfältige Prüfung wert, denn er kann als Grundlage der erneut angeschobenen KBGB-Modernisierung fungieren. Hierfür soll auf die Vorschriften des KBGB-E nur im Zusammenhang mit der Nacherfüllung eingegangen werden. Zu beachten ist, dass gem. § 580 Abs. 2 KBGB-E die Nachbesserung im Kaufrecht eingeführt wird. Dadurch wird explizit eine gesetzliche Stütze für beide Arten der Nacherfüllung gegeben. Darüber hinaus wird der Ausschluss der Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit als nacherfüllungsspezifischer Ausschlussgrund ausdrücklich im KBGB-E normiert. Nach § 580 Abs. 2 S. 2 KBGB-E scheidet die Nachbesserung aus, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde. In der Diskussion über den KBGB-E wurde die Einführung der Nachbesserung aufgrund des Schutzes des Verbrauchers sowie der Realität in der Praxis begrüßt.4 Jedoch bietet die Regelung m.E. für viele Probleme der Nacherfüllung im KBGB-E nicht den richtigen Lösungsansatz. Nach der Konzeption der §§ 580, 581 KBGB-E steht der Nacherfüllungsanspruch auf der gleichen Ebene wie die anderen Rechtsbehelfe des Käufers im Falle eines Sachmangels. D.h. der Nacherfüllungsanspruch hat im KBGB-E keinen Vorrang vor anderen Rechtsbehelfen des Käufers. Im BGB steht dem Verkäufer über die Nachfristsetzung eine zweite Andienungsmöglichkeit zur Verfügung. Im CISG hat der Verkäufer gem. Art. 48 Abs. 1 CISG das Nacherfüllungsrecht. Im KBGB-E sollte m.E. der Nacherfüllungsanspruch ebenso als primärer Rechtsbehelf statuiert werden, weil die Nacherfüllung Schnittstelle der jeweiligen Interessen beider Vertragsparteien ist.5 3 Demnach tritt z.B. ab 2013 die Volljährigkeit mit der Vollendung des neunzehnten Lebensjahres ein. Gem. § 4 KBGB in der momentan geltenden Fassung beginnt die Volljährigkeit erst mit der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres. 4 Kim, Bong-Su, The Journal of Comparative Private Law, Vol. 17, Nr. 1 (2010), S. 70. 5 S. Teil 3, Kapitel 1, B, II.
Kapitel 1. Der aktuelle Stand der Modernisierung des KBGB
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Wie oben erwähnt, stehen die Kosten der Nacherfüllung im Mittelpunkt des Interesses beider Parteien.6 In diesem Sinne kann der Nacherfüllungsanspruch als der für den Verkäufer kostengünstigere Rechtsbehelf betrachtet werden. Dafür muss man die heutige Vertriebsstruktur berücksichtigen. Im Regelfall hat der Verkäufer eine besondere Verbindung zum Hersteller. Denn in der auf Massen- bzw. Fabrikproduktion orientierten Marktwirtschaft spielt die Marke des Produkts oder des Herstellers eine große Rolle, wenn der Verbraucher eine Entscheidung für eine bestimmte Ware trifft. Hierbei kauft der Endverbraucher aufgrund des Vertrauens in den Hersteller das Produkt. Daher stehen Verkäufer und Hersteller in einer engen Beziehung zueinander, weil die weitere Qualitätsgarantie des Markenprodukts nicht vom Verkäufer, sondern nur vom Hersteller kommen kann. So ist leicht vorstellbar, dass der Verkäufer im Sinne einer mächtigen Vertriebskette eine unmittelbare Verbindung zu vielen Herstellern besitzt. Auf der anderen Seite können namhafte Hersteller eine Vertriebskette zum Endverbraucher selbst organisieren, wie im Fall des Autoherstellers. Viele Autoverkäufer handeln nur mit Autos eines bestimmten Herstellers, weil sie in einem besonderen Verhältnis zu diesem Autohersteller stehen. Wenn die Handelskette vom Hersteller bis zum Endverkäufer besonders gut organisiert ist, kann diese eng verzahnte Kette eine sog. Verkäuferseite bilden. Der Verkäufer kann also, auch als ein bloßer Zwischenhändler, im Rahmen dieser Absatzkette die tatsächliche Durchführung der Nacherfüllung durch die Sonderverbindung mit dem Hersteller kostengünstig, ggf. sogar kostenlos, besorgen. Wenn beispielsweise der Käufer aufgrund der defekten Krone der Armbanduhr vom Verkäufer eine Reparatur verlangt, kann der Verkäufer als reiner Zwischenhändler diese Armbanduhr direkt zum Hersteller oder zur Werkstatt des Herstellers schicken und dort reparieren lassen. In diesem Fall trägt der Hersteller die Kosten für die Reparatur, weil die Mangelhaftigkeit der Armbanduhr ursprünglich vom Hersteller und nicht vom Verkäufer stammt. Wenn der Käufer aufgrund eines nicht reparierbaren Defekts der Armbanduhr einen Austausch verlangt, kann der Verkäufer diese mangelhafte Armbanduhr gegen eine neue Armbanduhr austauschen. Die Kosten für diesen Austausch können im Rahmen des Verhältnisses zwischen Hersteller und Verkäufer abgerechnet werden. In diesem Fall fungiert der Verkäufer nur als ein vernetzter Schalter des Herstellers für die Nacherfüllung. Daher trägt der Hersteller die Nacherfüllungskosten, und nur dieser Hersteller kann den Erfolg der Nacherfüllung gewährleisten.7 Wegen dieses Wandels der wirtschaftlichen Strukturen sollte der Verkäufer durch die kostengünstigere oder ggf. gar kostenlose Nach-
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S. Teil 5, Kapitel 6, C. Eingehend Teil 3, Kapitel 2, vgl. Teil 4, Kapitel 1, C.
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6. Teil: Ausblick
erfüllung andere nachteilintensive Rechtsbehelfe des Käufers abwehren können. Nach § 580 Abs. 1 S. 1 KBGB-E wird die Minderung im Sinne eines gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfs eingeführt. Gem. § 580 Abs. 1 S. 1 KBGB-E kann der Käufer erst dann den Rücktritt erklären, wenn mit der Ausübung der Minderung der Zweck des Kaufvertrages nicht erreicht wird. In diesem Sinne kann der Tatbestand des Rücktritts gem. § 580 Abs. 1 S. 1 KBGB-E mit der Voraussetzung der Vertragsaufhebung im CISG, nämlich der wesentlichen Vertragsverletzung, verglichen werden. Wie auch bei der Feststellung der wesentlichen Vertragsverletzung im CISG könnte m.E. die Nacherfüllungsmöglichkeit anhand der Frustration des Kaufzwecks gem. § 580 Abs. 1 S. 1 KBGB-E berücksichtigt werden, wobei die ausdrückliche Normierung der Vorrangigkeit der Nacherfüllung durchaus erwünscht ist. Daher sollte m.E. die Fristsetzung für die Nacherfüllung als weitere Voraussetzung der Minderung gem. § 580 Abs. 1 S. 1 KBGB-E eingeführt werden. Nach § 580 Abs. 2 KBGB-E wird klargestellt, dass die Ersatzlieferung im Stückkauf von vornherein ausscheidet, weil im Stückkauf gem. § 580 KBGB-E der Käufer nur die Reparatur des Mangels verlangen kann. Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Ersatzlieferung nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn die Kaufware eine vertretbare Sache darstellt.8 Daher sollte der Wortlaut „Reparatur des Mangels“ in § 580 Abs. 2, 3 KBGBE durch „Beseitigung des Mangels“ bzw. „Nacherfüllung“ ersetzt werden, denn damit besteht ein gewisser Auslegungsspielraum. Folgerichtig sollte § 581 Abs. 2 KBGB-E gestrichen werden, weil die Beseitigung des Mangels bzw. die Nacherfüllung selbstverständlich die Ersatzlieferung umfassen kann. Hinsichtlich der Problematiken der Kostentragung der Nacherfüllung, des Nacherfüllungsortes, des Umfangs der Nacherfüllung etc. machen die §§ 580, 581 KBGB-E keine Vorgaben, obwohl diese beiden Vorschriften als gesetzliche Stütze für beide Arten der Nacherfüllung im Entwurf angesehen werden. Auch im KBGB-E soll diese Problematik im Rahmen der Nacherfüllung nur durch die Auslegung gelöst werden. Eine gesetzliche Definition des Mangels ist auch im KBGB-E nicht ersichtlich, obwohl sie als Ausgangspunkt für die Mängelhaftung gilt. In diesem Sinne müssen m.E. die Vorschriften über die Nacherfüllung im KBGB-E nur als sehr schwache Änderung des geltenden Rechts bewertet werden. Nach § 582 KBGB-E wird die Ausschlussfrist für Rechte gem. §§ 580, 581 KBGB-E auf 1 Jahr verlängert, jedoch gibt es einen großen Unterschied zur Verjährungsfrist. Wenn man die Regressmöglichkeit des Vorverkäufers, wie in 8
S. Teil 5, Kapitel 4.
Kapitel 2. Die gestufte Interpretation des Kaufvertrages
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den §§ 478 ff. BGB, berücksichtigt, erscheint die Ausschlussfrist mit einem Jahr als zu kurz bemessen. Das größte Problem des Änderungsentwurfs liegt m.E. darin, dass anders als im CISG die Leistungsstörungen nicht einheitlich gestaltet werden, obwohl die Angleichung des KBGB an die internationalen Vertragsrechte intendiert war. Im Entwurf bleiben die klare Trennung zwischen allgemeiner Leistungsstörungshaftung und Gewährleistungshaftung sowie ihre unterschiedlichen Haftungsprinzipien nach wie vor bestehen. In diesem Sinne dient die Nacherfüllung gem. §§ 580, 581 KBGB-E in keiner Weise der Harmonisierung der beiden Haftungen. M.E. muss das Rechtsinstitut der Leistungsstörung im KBGB-E wie im CISG als ein an Rechtsbehelfen orientiertes System novelliert werden, wenn mit diesem Entwurf die Angleichung an internationale Standards erreicht werden soll.
Kapitel 2. Die gestufte Interpretation des Kaufvertrages und die an Rechtsbehelfen orientierte Systematik des Kaufvertrages Kapitel 2. Die gestufte Interpretation des Kaufvertrages
Das an Rechtsbehelfen orientierte System bedeutet m.E., dass die Rechtsbehelfe der Parteien im Mittelpunkt stehen. In diesem Sinne werden verschiedene rechtliche Mechanismen am Ende zu Rechtsbehelfe konvergiert, um das Interesse der Vertragsparteien zu schützen. Beschränkt auf den Kaufvertrag kann m.E. diese Systematik in drei Schritte gegliedert werden. Das kann man als gestufte Interpretation des Kaufvertrages begreifen. Dem entsprechen auch die folgenden drei zeitlichen Stadien: das Stadium des Abschlusses des Kaufvertrages, das Stadium der Inhaltsfeststellung des Kaufvertrages und schließlich das Stadium der Rechtsbehelfe der Parteien als drittes und damit letztes Stadium. Diese drei Stadien des Kaufvertrags unterscheiden sich nicht nur zeitlich, sondern auch im Hinblick auf die jeweiligen Interessen der Vertragsparteien, je nachdem, in welchem Stadium sich der Kaufvertrag befindet. Das erste Stadium des Kaufvertrages besteht im Abschluss des Kaufvertrages. Das ursprüngliche Begehren der Kaufvertragsparteien ist es, eine bestimmte Leistung von der anderen Partei zu erlangen. Daher ist in diesem Stadium das Interesse beider Parteien schwerpunktmäßig darauf gerichtet, wie man eine Leistungspflicht entstehen lassen kann, die sowohl rechtlich anerkannt, als auch mit dem Begehren der beiden Parteien identisch ist. D.h. also die Parteien wollen nicht im Ist-Zustand bleiben, sondern gemeinsam einen Soll-Zustand erreichen, der sich nur nach dem vereinbarten Willen der Parteien bestimmt und durch die Handlungen beider Parteien realisiert werden kann, z.B. wünscht sich der Verkäufer im Kaufvertrag
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6. Teil: Ausblick
den Erhalt des Kaufpreises, also eine bestimmte Geldsumme. Demgegenüber will der Käufer eine mangelfreie Ware erhalten. In diesem Rahmen wird das freie und noch nicht verbundene natürliche Verhältnis zweier Personen in ein auf Erschaffung eines bestimmten Soll-Zustandes gerichtetes rechtliches Verhältnis umgewandelt.9 Das zweite Stadium stellt die Inhaltsfeststellung des Kaufvertrages dar. Wenn ein natürliches Verhältnis in ein zielorientiertes rechtliches Verhältnis umgewandelt wird, stellt sich die Frage, welche konkreten Handlungen gegenseitig geschuldet sind – mit anderen Worten, wozu die Parteien verpflichtet werden, damit der durch den Vertrag anvisierte Soll-Zustand realisiert wird. Natürlich sind derartige Pflichten durch den Willen der Vertragsparteien, der im Wesentlichen dem Inhalt des Vertrags entspricht, zu konkretisieren.10 Die Partei, die freiwillig ihre Pflicht erfüllen und demzufolge keine Vertragsverletzung begehen will, muss wissen, welche Pflichten sie in der jeweils konkreten Situation erfüllen muss – mit anderen Worten, was der Inhalt des Kaufvertrages ist. Da alle vertraglichen Pflichten der Verwirklichung des Soll-Zustandes dienen, betrachtet man dieses Stadium am besten als das Stadium, in dem der Soll-Zustand im konkreten Fall festgelegt wird. Das dritte Stadium bezieht sich auf die Rechtsbehelfe der Kaufvertragsparteien. Nachdem im zweiten Stadium der detaillierte Inhalt des SollZustands durch den Kaufvertrag festgelegt wird, kann man den tatsächlichen Ist-Zustand mit diesem Soll-Zustand vergleichen. Wenn nach Erbringung der Leistungen durch die Kaufvertragsparteien irgendeine Abweichung besteht, wird diese als Vertragsverletzung bzw. Leistungsstörung angesehen. In diesem Fall wird ein Rechtsbehelfspaket zwischen den Vertragsparteien festgelegt, das an die Vertragsverletzung gekoppelt ist. Bei Vorliegen der Vertragsverletzung kann die verletzte Partei die betreffenden Rechtsbehelfe des Rechtsbehelfspaketes nach Belieben wählen, soweit die Tatbestandsvoraussetzungen jeweils erfüllt sind und die gewählten Rechtsbehelfe gemeinsam ausgeübt werden können. Dieser Vorgang ist im dritten Stadium zu untersuchen, damit das allgemeine Rechtsbehelfspaket zu den jeweils einlegbaren Rechtsbehelfen der verletzen Partei im Einzelfall kon-
9 Dementsprechend werden die betroffenen Personen umbenannt – also von „selbstständige Person“ zu „Käufer“ oder „Verkäufer“. 10 Die Vereinbarung der Parteien ist jedoch nicht immer ausreichend. Die Vertragsparteien neigen dazu, nur diejenigen Vertragsklauseln aufzustellen, die für die Schaffung des Soll-Zustandes erforderlich sind. Etwaige Lücken sind mit Hilfe der gesetzlichen Regeln auszufüllen.
Kapitel 2. Die gestufte Interpretation des Kaufvertrages
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kretisiert werden kann. Für die Bestimmung der Rechtsbehelfe im Einzelfall müssen im letzten Stadium m.E. vier Schritte berücksichtigt werden. Zunächst ist festzustellen, ob eine Vertragsverletzung vorliegt. Die Vertragsverletzung gilt als Grundvoraussetzung für die Ausübung von Rechtsbehelfen. Vom allgemeinen Rechtsbehelfspaket können bestimmte Rechtsbehelfskategorien ausgemacht werden, die jeweils nach Belieben der Partei geltend gemacht werden können. Die einzelnen Rechtsbehelfe können sich ferner durch ihre unterschiedlichen Rechtsfolgen unterscheiden, was sich aufgrund der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und der damit verbundenen Interessenslagen rechtfertigt. Im Einzelfall muss daher die Rechtsbehelfskategorie bestimmt werden, deren Voraussetzungen vorliegen. Als dritter Schritt soll der Rechtsbehelfsberechtigte im Rahmen der festgelegten Rechtsbehelfskategorie seine Rechtsbehelfe wählen. Unter Umständen kann die Partei die Rechtsbehelfe nur alternativ oder aber kumulativ ausüben. Infolge der Ausübung des Wahlrechts sind die Rechtsbehelfe zu bestimmen, die im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können. Als vierter Schritt ist zu ermitteln, ob für den Verkäufer eine Befreiungsmöglichkeit von den gewählten Rechtsbehelfen besteht. Durch die Ausübung der Rechtsbehelfe einer Partei ist die andere Partei den Rechtsbehelfen unterworfen, sodass sie grundsätzlich dazu verpflichtet ist, die Vertragsverletzung mittels der von der anderen Partei gewählten Rechtsbehelfe zu überwinden. Aber in bestimmten Fällen muss die andere Partei die Vertragsverletzung nicht überwinden, d.h. sie befreit sich von den Rechtsbehelfen, die der verletzten Partei eigentlich zustehen. Die Befreiungsmöglichkeit kann nur hinsichtlich bestimmter Rechtsbehelfen erreicht werden. Aber es ist auch möglich, dass eine Partei von der Haftung der Vertragsverletzung im Allgemeinen befreit wird, wenn der Anknüpfungspunkt der Befreiung sich auf die Festlegung der Vertragsverletzung bezieht.11 Zusammenfassend wird die an Rechtsbehelfen orientierte Systematik des Kaufvertrages in drei zeitliche Stadien gegliedert werden, wobei jedes Stadium eine Voraussetzung für das darauf folgende Stadium ist. Der Kaufvertrag ist daher nach dieser Reihenfolge zu interpretieren. Wenn man also das dritte Stadium, die Rechtsbehelfe der Parteien, untersuchen will, muss man die vorherigen zwei Stadien (Abschluss des Kaufvertrages sowie Inhaltsfeststellung des Kaufvertrages) bereits entsprechend beleuchtet haben. Man kann also davon sprechen, dass ein Kaufvertrag zum letzten Stadium, nämlich der Feststellung der Rechtsbehelfe und deren Geltendmachung, 11 Z.B. wird gem. § 390 S. 2 KBGB der Schuldner im Allgemeinen von der Leistungsstörungshaftung befreit, wenn ihn kein Verschulden trifft.
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6. Teil: Ausblick
konvergiert. Durch die Ausübung der Rechtsbehelfe mit ihren jeweiligen Rechtsfolgen kann der Kaufvertrag schließlich noch umgestaltet werden.12 M.E. wird diese an Rechtsbehelfen orientierte Systematik des Kaufvertrags nicht hinreichend in der Grundkonzeption des KBGB-E berücksichtigt. Das KBGB sollte dahingehend modernisiert werden, dass dieser an Rechtsbehelfen orientierten Systematik folgend die Leistungsstörungshaftung einheitlich konstruiert wird.
12 Z.B. wird der Kaufvertrag beim Verlangen von Schadensersatz so umgewandelt, dass eine Partei von der anderen Partei eine Geldsumme anstelle der im ursprünglichen Vertrag vereinbarten Leistung verlangen kann.
Anhang Ausgewählte Vorschriften des KBGB und des KBGB-E1 I. KBGB Allgemeine Grundsätze § 2. KBGB [Treu und Glauben] (1) Die Rechtsausübung und Pflichterfüllung haben nach Treu und Glauben zu erfolgen. (2) Das Recht darf nicht missbraucht werden. A. Rechtsfähigkeit § 4. KBGB [Beginn der Volljährigkeit] Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres ein. § 9. KBGB [Beschränkte Entmündigung] Wer infolge Geistesschwäche oder durch Verschwendung seines Vermögens sich oder seine Familie der Gefährdung des Lebensunterhalts aussetzt, wird auf Antrag des Betroffenen selbst, seines Ehegatten, seiner Verwandten bis zum vierten Grad, des Familienoberhaupts, seines Vormundes oder des Staatsanwalts durch das Gericht für beschränkt entmündigt erklärt. § 12. KBGB [Entmündigung] Wer sich in einem anhaltenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, wird auf Antrag einer der in § 9 bezeichneten Personen durch das Gericht für entmündigt erklärt. B. Verjährung § 162. KBGB [Verjährung des Anspruchs und Vermögensrechts] (1) Der Anspruch unterliegt der Verjährung, wenn er zehn Jahre nicht geltend gemacht wird. 1 Die Nachstehend abgedruckten Bestimmungen sind folgendem Werk entnommen: Cho, Kyu-Chang, Koreanisches Bürgerliches Gesetzbuch. Textausgabe, Seoul, 1984.
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(2) Das Vermögensrecht, mit Ausschluss von Ansprüchen aus Eigentum, unterliegt der Verjährung, wenn es zwanzig Jahre nicht ausgeübt wird. C. Gegenstand der Schuldverhältnisse § 375. KBGB [Gattungsschuld] (1) Ist der Gegenstand der Leistung nur der Gattung nach bestimmt, so hat der Schuldner eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten, sofern sie nach der Natur des Schuldverhältnisses nicht bestimmt und nicht aus dem Willen des anderen Teils entnommen werden kann. (2) Hat der Schuldner im Falle des Absatzes 1 das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan oder hat er mit Einverständnis des Gläubigers eine Sache zur Leistung bestimmt, so beschränkt sich der Leistungsgegenstand von diesem Zeitpunkt an auf diese Sache. D. Wirkungen der Schuldverhältnisse § 389. KBGB [Erfüllungszwang] (1) Hat der Schuldner seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt, so kann der Gläubiger bei Gericht beantragen, dass sie im Wege der Zwangsvollstreckung verwirklicht wird, es sei denn, dass nach der Natur der Verbindlichkeit die Zwangsvollstreckung unzulässig ist. (2) Besteht im Falle des Absatzes 1 die Verpflichtung in der Vornahme eines Rechtsgeschäfts, so kann auf die Entscheidung geklagt werden, die an die Stelle der Willenserklärung des Schuldners tritt. Soweit das Rechtsgeschäft sich nicht auf eine höchstpersönliche Handlung des Schuldners richtet, kann eingeklagt werden, dass die Verpflichtung an Stelle des Schuldners auf dessen Kosten durch einen Dritten erfüllt wird. (3) Ist die Verpflichtung eine Unterlassung, so kann verlangt werden, dass der Schuldner die aus seiner Zuwiderhandlung entstandenen Folgen auf seine Kosten beseitigen muss, und zugleich beantragt werden, dass ihm gegenüber eine zur Einhaltung der Unterlassungspflicht erforderliche Verfügung angeordnet wird. (4) Die auf die Absätze 1 bis 3 begründeten Ansprüche bleiben ohne Einfluss auf den Schadensersatzanspruch. § 390. KBGB [Schadensersatz wegen Nichterfüllung] Hat der Schuldner dem Inhalt des Schuldverhältnisses nach seine Verbindlichkeit nicht in gehöriger Weise erfüllt, so kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen, es sei denn, dass die Leistung infolge eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich wird.
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§ 393. KBGB [Umfang des Schadenersatzes] (1) Die Höhe des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung kann den Betrag nicht überschreiten, der unter gewöhnlichen Umständen entstehen würde. (2) Für den infolge eines außergewöhnlichen Umstandes entstehenden Schaden ist der Schuldner nur dann verantwortlich, wenn er diesen Umstand kannte oder kennen musste. § 395. KBGB [Schadensersatz an Erfüllung statt] Beim Schuldnerverzug kann der Gläubiger unter Bestimmung einer angemessenen Frist ihn zur Erfüllung auffordern. Wenn der Schuldner nicht fristgerecht erfüllt oder die Erfüllung infolge des Verzuges für den Gläubiger kein Interesse mehr hat, so kann dieser unter Ablehnung des Empfangs der Leistung Schadenersatz an Erfüllung statt verlangen. E. Erfüllung § 462. KBGB [Übergabe der Sache im vorhandenen Zustand] Ist der Schuldner zur Übergabe einer bestimmten Sache verpflichtet, so hat er sie in dem Zustand auszuliefern, in dem sie sich zur Zeit der Leistung befindet. § 467. KBGB [Leistungsort] (1) Ist ein Leistungsort nicht vereinbart und nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses heraus zu entnehmen, so hat der Schuldner, falls eine bestimmte Sache zu übergeben ist, diese an dem Ort zu erbringen, an dem die Sache zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses gewesen ist. (2) Im Falle des Absatzes 1 hat der Schuldner die Leistung, falls sie sich nicht auf die Übergabe einer bestimmten Sache bezieht, an dem Ort zu bewirken, an dem der Gläubiger seinen Wohnsitz hat. Die Erfüllung der im Gewerbebetrieb entstandenen Verbindlichkeit hat an dem Ort zu erfolgen, an dem der Gläubiger sein Gewerbe betreibt. § 473. KBGB [Tragen der Leistungskosten] Der Schuldner hat die zur Bewirkung der Leistung nötigen Kosten zu tragen, soweit nichts anderes vereinbart ist. Erhöhen sich die Leistungskosten infolge des Umzugs des Gläubigers oder durch einen von ihm zu vertretenden Umstand, so fallen die Mehrkosten dem Gläubiger zur Last. F. Zustandekommen des Vertrags § 535. KBGB [Verschulden bei Vertragsabschluss] (1) Wer bei Abschluss eines Vertrages, der eine unmögliche Leistung zum Gegenstand hat, die Unmöglichkeit der Leistung kannte oder kennen musste, hat den Schaden zu ersetzen, den der andere Teil dadurch erleidet, dass
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er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraute. Der Schadenersatz kann jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinausgehen, das der andere Teil an der Gültigkeit des Vertrags hat. (2) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden jedoch keine Anwendung, wenn der andere Teil die Unmöglichkeit der Leistung beim Vertragsabschluss kannte oder kennen musste. G. Kündigung, Rücktritt § 544. KBGB [Rücktritt wegen Erfüllungsverzuges] Hat der Schuldner seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt, so kann der Gläubiger ihn unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erfüllung auffordern und dann vom Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner ungeachtet der Mahnung die Schuld nicht in der bestimmten Frist erfüllt. Die Mahnung ist nicht erforderlich, wenn der Schuldner ihm gegenüber erklärt, dass er seine Verbindlichkeit nicht erfüllen will. § 545. KBGB [Rücktritt bei Fixgeschäft] Soweit der Gläubiger den Vertragszweck nicht erreichen kann, weil die ihm gebührende Leistung nicht fristgerecht bewirkt wird, die dem Vertragsinhalt nach oder aus der Vereinbarung zu einer festgesetzten Zeit oder binnen einer bestimmten Frist erbracht werden muss, kann er, ohne dem Schuldner die Mahnung gemäß § 544 zu schicken, vom Vertrag zurücktreten. § 546. KBGB [Rücktritt wegen Unmöglichkeit der Leistung] Wird die Leistung infolge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstandes unmöglich, so ist der Gläubiger zum Rücktritt berechtigt. § 548. KBGB [Wirkungen des Rücktritts] (1) Erfolgt ein Rücktritt vom Vertrag, so ist jeder Vertragsteil verpflichtet, für den anderen Teil den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre. Der Rücktritt kann jedoch zum Nachteil eines Dritten nicht geltend gemacht werden. (2) Im Falle des Absatzes 1 ist eine zurückzugebende Geldsumme von der Zeit des Empfangs an zu verzinsen. H. Kauf § 568. KBGB [Wirkungen des Kaufs] (1) Durch den Kaufvertrag ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer das Recht an dem Gegenstand zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. (2) Die nach dem Absatz 1 den beiden Teilen geschuldeten Verpflichtungen
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sind durch Leistung Zug um Zug zu erfüllen, soweit nichts besonderes vereinbart ist oder sich aus der Verkehrssitte ergibt. § 572. KBGB [Gewährleistung wegen teilweisen Rechtsmangels] (1) Verschafft der Verkäufer nur einen Teil des verkauften Rechts, weil der übrige Teil einer anderen Person gehört, so kann der Käufer im Verhältnis zum Wert des von ihm erworbenen Rechts Minderung verlangen. (2) Im Fall des Absatzes 1 kann der gutgläubige Käufer Rücktritt verlangen, wenn er nur mit dem von ihm geleisteten Teil des Rechts den Vertragszweck nicht erreichen kann und den Kaufvertrag nicht eingegangen wäre, wenn er von einem solchen Mangel gewusst hätte. (3) Außer Minderung und Rücktritt kann der Käufer, sofern er gutgläubig ist, auch Schadenersatz verlangen. § 573. KBGB [Ausschlussfrist] Die Geltendmachung der nach § 572 begründeten Ansprüche ist, falls der Käufer gutgläubig ist, mit Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt, in dem er Kenntnis von dem Rechtsmangel bekommen hat, falls er nicht in gutem Glauben ist, mit Ablauf eines Jahres seit dem Abschluss des Kaufs, ausgeschlossen. § 574. KBGB [Gewährleistung bei fehlender Menge und teilweisem Untergang] Soweit ein Sachmangel dem Käufer unbekannt ist, gelten die Vorschriften der §§ 572, 573 auch dann, wenn ein Teil der nach dem Maßstab der Anzahl oder Menge gekauften Sache fehlt oder die Sache zur Zeit des Kaufabschlusses bereits teilweise untergangen ist. § 575. KBGB [Gewährleistung bei Kauf einer mit einem dinglichen Recht belasteten Sache] (1) Ist eine gekaufte Sache mit dem Erbbaurecht, einer Grunddienstbarkeit, dem Tschonsae-Recht, einem Pfandrecht oder mit einem Zurückbehaltungsrecht belastet, so kann der Käufer Rücktritt nur dann verlangen, wenn er beim Abschluss des Kaufs diese Belastung nicht kannte und infolge der Belastung den Zweck des Kaufvertrages nicht verfolgen kann; andernfalls kann er nur Schadensersatz verlangen. (2) Die Vorschriften des Absatzes 1 gelten auch dann, wenn es an der bestehenden Grunddienstbarkeit für das gekaufte Grundstück mangelt oder das Grundstück mit dem im Grundstückregister eingetragenen Mietrecht belastet ist. (3) Die auf die Absätze 1 und 2 gegründeten Ansprüche können nur innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, in dem der
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Käufer von dem Mangel Kenntnis genommen hat. § 580. KBGB [Gewährleistung wegen Sachmängeln] (1) Ist eine verkaufte Sache zur Zeit des Kaufes mit Fehlern behaftet, so gelten die Vorschriften des § 575 Abs. 1 entsprechend. Das gilt jedoch nicht, wenn der Käufer den Mangel beim Abschluss des Kaufes kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte. (2) Auf den Verkauf einer Sache im Wege öffentlicher Versteigerung finden die Vorschriften des Absatzes 1 keine Anwendung. § 581. KBGB [Gewährleistung bei Gattungskauf] (1) Ist eine gekaufte, nur der Gattung nach bestimmte Sache mit Fehlern behaftet, so gelten die Vorschriften des § 580 entsprechend. (2) Im Falle des Absatzes 1 kann der Käufer statt Wandlung oder Schadenersatz wegen Sachmangels verlangen, dass ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. § 582. KBGB [Ausschlussfrist] Ausgeschlossen ist die Geltendmachung der auf die §§ 580, 581 begründeten Ansprüche mit Ablauf der Frist von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem der Käufer Kenntnis von dem Mangel erlangt hat. I. Werkvertrag § 664. KBGB [Wesen des Werkvertrages] Ein Werkvertrag kommt zustande, wenn sich beide Teile darüber einig sind, dass der eine zur Herstellung eines bestimmten Werkes, der andere zur Entrichtung der Vergütung für den herbeigeführten Erfolg verpflichtet wird. § 667 KBGB [Gewährleistungspflicht des Unternehmers] (1) Ist das Werk, das ganz oder zum Teil hergestellt wird, mit einem Fehler behaftet, so kann der Besteller unter Bestimmung einer angemessenen Frist die Beseitigung des Mangels fordern, es sei denn, dass der Mangel unerheblich ist und die Beseitigung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde. (2) Der Besteller kann statt der Beseitigung des Mangels Schadensersatz, oder Schadensersatz und auch die Beseitigung des Mangels verlangen. (3) Im Falle des Absatzes 2 gelten die Vorschriften des § 536 entsprechend. J. Ungerechtfertigte Bereicherung § 741. KBGB [Inhalt der ungerechtfertigten Bereicherung] Wer durch eine Leistung aus dem Vermögen oder den Diensten eines anderen einen Vorteil ohne rechtlichen Grund erlangt und dadurch diesem einen
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Schaden zufügt, ist ihm zur Herausgabe des erlangten Vorteils verpflichtet. II. KBGB-E2 § 580 KBGB-E [Gewährleistung wegen Sachmängeln] (1) Ist eine verkaufte Sache zur Zeit des Kaufes mit Fehlern behaftet, so kann der Käufer Minderung verlangen. Insofern der Zweck des Kaufvertrages damit nicht erreicht wird, kann er den Rücktritt erklären. Das gilt jedoch nicht, wenn der Käufer den Mangel beim Abschluss des Kaufes kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte. (2) Im Fall des Absatzes 1 kann der Käufer statt Minderung unter Bestimmung einer angemessenen Frist die Reparatur des Mangels fordern, es sei denn, dass die Reparatur einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde. (3) Im Fall der Absätze 1 und 2 kann der Käufer außer der Minderung, der Reparatur sowie dem Rücktritt Schadenersatz verlangen. (4) Auf den Verkauf einer Sache im Wege öffentlicher Versteigerung finden die Vorschriften der Absätze 1 und 2 keine Anwendung. § 581 KBGB-E [Gewährleistung bei Gattungskauf] (1) Ist eine gekaufte, nur der Gattung nach bestimmte Sache mit Fehlern behaftet, so gelten die Vorschriften des § 580 entsprechend. (2) Im Falle des Absatzes 1 kann der Käufer statt Minderung, Reparatur oder Rücktritt verlangen, dass ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. § 582 KBGB-E [Ausschlussfrist] Ausgeschlossen ist die Geltendmachung der auf die §§ 580, 581 begründeten Rechte mit Ablauf der Frist eines Jahres nach dem Zeitpunkt, in dem der Käufer den Mangel kannte oder hätte kennen müssen.
2 Die Abweichungen von der geltenden Fassung des KBGB werden vom Verfasser kursiviert.
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Kosten – Kostenerstattung 121, 128 ff., 136, 149 ff., 241 – Kostentragung 61 f., 125 ff., 129 ff., 132 ff., 234 ff. – Transportkosten 15, 62, 119 ff., 234 f. Leistung in natura 63 ff., 125, 129 lex specialis 163, 215 Lieferung – Aliud-Lieferung 20 ff., 181 ff., 220 ff. – Zuviellieferung 180 f. – Zuwenigliferung 83, 180 ff., 221 f.
Dachziegelurteil 96 ff. Erfüllungsanspruch – Fortsetzung 76, 84, 120 – Modifikation 29, 76 f., 94, 103, 109 ff., 184 f., 199 Erfüllungstheorie 161 ff., 170 ff., 216 Frist – Erklärungsfrist 49 f. – Mängelanzeigefrist 24 ff., 49 Gattungskauf 27 ff., 83 f., 158 f., 163 ff., 183 ff., 196 ff. Geldtransaktion 64, 201 f., 217 Generalklausel 156, 167 Gewährleistungstheorie 161 ff., 176 f., 215 f. Haftungsprinzip 157 ff., 168, 216
Mangel – Mangelbegriff 178 f., 221 f. – weiterfressender Mangel 114 f. Modernisierung des KBGB 1 ff., 245 ff. Montage – mangelhafte Montage 82, 221 – Montageanleitung 82, 115 f., 221 – Montagepflicht 82 – Selbstmontage 82 Nacherfüllungsmodalität 86 f., 188 ff., 208 ff., 227 f., 243 Nacherfüllungsort – Belegenheitsort 55, 60, 119 ff., 124 f., 198 f., 232 ff. – ursprünglicher Erfüllungsort 59, 119 ff., 197 ff., 232 ff. Nacherfüllungsrecht 31 f., 34 ff., 51 ff., 226 f. Nachfrist 9 f., 38 f., 89 f., 219
ius variandi 88, 112, 190, 227 f. Kommunikationsmachanismus 38 f., 224 Kooperationsverhältnis 38 f., 224
Obliegenheit – Rügeobliegenheit 79, 192 – Untersuchungsobliegenheit 22, 220 ff.
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Sachregister
Pflichtenkatalog 112, 168, 171, 217, 237 f. Pflichtenprogramm 93, 104, 112, 130 Privatautonomie 88, 111, 179 Prozentgrenze 144 f., 148 Rechtsbehelf – Hierarchie 74, 219 – primärer Rechtsbehelf 74 f., 106, 218, 246 – Rechtsbehelfscharakter 5, 60, 63, 199 f. – Rechtsbehelfskatalog 168, 171, 217 – sekundärer Rechtsbehelf 74 f. 94, 234, 243 – Wahl der Rechtsbehelfe 13, 112, 141 Richtlinienkonformität 123 f., 135 ff., 145 f., 149 ff., 233, 239 f. Selbstvornahme 45, 123, 200, 234 Stückkauf 83 ff., 158 f., 163 ff., 185 ff., 197 f. Stückschulddogma 164 f. teleologische Reduktion 136 f., 148, 241 Treu und Glauben 62, 69 f., 183 ff., 189, 207, 225 ultima ratio 9, 195 Unannehmlichkeit 107, 121 f., 145, 233 f. Unentgeltlichkeit 105 f., 121 f., 126 ff., 131, 236 f.
Unmöglichkeit – objektive Unmöglichkeit 69 – subjektive Unmöglichkeit 72 – wirtschaftliche Unmöglichkeit 203, 208, 239 Unverhältnismäßigkeit – absolute Unverhältnismäßigkeit 140 f., 145 ff., 148 ff., 209, 240 ff. – relative Unverhältnismäßigkeit 140 f., 141 ff., 209 f., 240 ff. Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 90 ff., 105 ff., 233 ff. Vertretbarkeit 28 f., 85 f., 186 ff., 196 f., 224 f. Verweigerungsrecht 85, 89, 111, 120, 135 ff., 148 f., 227, 239 Verwendungszweck 17 ff., 80 f., 106 f., 178 f., 220, 229 ff. Wahlrecht 43 f., 47 f., 87 ff., 141 ff., 172 ff., 188 ff., 226 ff. Werkvertrag 101 ff., 169 ff., 200 ff., 242 wesentliche Vertragsverletzung 15, 30 ff., 223 ff. Wirtschaftssystem – Absatzkette 81 f., 221, 247 – Marktwirtschaft 129, 169, 247 – Massenproduktion 81, 186, 221 Zumutbarkeit 41 ff., 51 ff., 148, 205 zweite Andienung 2, 9, 75, 246