Die Haftung des Verkäufers nach dem Kaufrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und nach deutschem Recht: Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 16. Mai 1990 9783110874945, 9783110128208


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German Pages 33 [36] Year 1990

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Table of contents :
I. Anwendungsbereich des Kaufrechtsübereinkommens
II. Pflichten des Verkäufers
III. Rechtsfolgen der Nichterfüllung der Verkäuferpflichten
IV. Die Schadensersatzhaftung des Verkäufers als Garantiehaftung
V. Haftung im Fall der Nichterfüllung der Lieferpflicht
VI. Lieferung vertragswidriger Ware
VII. Folgerungen für das deutsche Recht - de lege ferenda und de lege lata
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Die Haftung des Verkäufers nach dem Kaufrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und nach deutschem Recht: Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 16. Mai 1990
 9783110874945, 9783110128208

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Ulrich Huber Die Haftung des Verkäufers nach dem Kaufrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und nach deutschem Recht

Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin Heft 122

w DE

G_ 1991

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Die Haftung des Verkäufers nach dem Kaufrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und nach deutschem Recht Von Ulrich Huber

Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 16. Mai 1990

w DE

G

1991

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Professor Dr. Ulrich H über, Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn

CIP-Titelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Huber, Ulrich: Die Haftung des Verkäufers nach dem Kaufrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und nach deutschem Recht : Vortrag, gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 16. Mai 1990 / von Ulrich Huber. Berlin ; New York : de Gruyter, 1991 (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin ; H. 122) ISBN 3-11-012820-9 N E : Juristische Gesellschaft (Berlin, West): Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin

Copyright 1990 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Saladrack, Berlin 36 Buchbinderische Verarbeitung: Buchbinderei Heinz Stein, Berlin 30

I. Anwendungsbereich des Kaufrechtsübereinkommens Das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den Internationalen Warenkauf 1 wird für die Bundesrepublik am 1 . 1 . 1 9 9 1 in Kraft treten 2 . Das Haager Kaufrechtsübereinkommen von 1964, dem die Bundesrepublik zusammen mit wenigen anderen Staaten beigetreten war 3 , ist von uns zum gleichen Zeitpunkt gekündigt worden; das seit 1974 geltende Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen 4 wird also zugunsten des Kaufrechtsübereinkommens der Vereinten Nationen außer Kraft treten.

1. Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten D e r Anwendungsbereich des Übereinkommens ergibt sich aus seinem Artikel 1. Das Übereinkommen ist erstens anwendbar auf Kaufverträge über bewegliche Sachen (also nicht: über Grundstücke), wenn die Par-

' Vgl. Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf sowie zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beforderungsvertrag im Internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 5.Juli 1989, BGBl. II S. 586. Die beiden Gegenstände des Gesetzes haben nichts weiter miteinander zu tun. Text des Übereinkommens: BGBl. 1989 II S. 588. Artikelangaben ohne Zusatz beziehen sich im folgenden auf dieses Übereinkommen. Als Abkürzung empfiehlt sich die international übliche Bezeichnung „CISG" (für: Convention on Constracts for the International Sale of Goods) - so wie wir im internationalen Transportrecht von CIM, CIV und C M R sprechen. 2 Nach Art. 99 tritt das Übereinkommen ein Jahr nach Ratifikation am 1. des darauf folgenden Monats in Kraft. Die Ratifikationsurkunde der Bundesrepublik ist am 21.12.1989 hinterlegt worden; daraus ergibt sich das Inkrafttreten am 1.1.1991. Das Inkrafttreten wird im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht. 3 Vertragsstaaten des Haager Kaufrechtsübereinkommens waren, außer der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Gambia, Israel, Italien, die Niederlande, Luxemburg, San Marino und Großbritannien. Vgl. Soergel/Kegel, BGB, 11. Aufl. (1984), Rdn. 457 vor Art. 7 E G B G B . Die Kündigung des Übereinkommens von 1964 ist Voraussetzung für den Beitritt zum Übereinkommen von 1980, vgl. dort Art. 99 VI. Italien hat deswegen das Haager Übereinkommen bereits zum 1.1.1988 gekündigt. 4 Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen vom 17. Juli 1973, BGB1.I S.856 (EKG). An seiner Seite stand das Einheitliche Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen vom 17. Juli 1973, BGBl. I S. 868 (EAG). Das UN-Übereinkommen hat das materielle Kaufrecht und das Vertragsabschlußrecht zusammengefaßt.

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teien ihre Niederlassung in zwei verschiedenen Vertragsstaaten haben, d. h. in zwei verschiedenen Staaten, die dem Übereinkommen beigetreten sind (Art. 11 a). Angenommen ζ. B., der Verkäufer hat seinen Sitz in Frankreich, der Käufer in Deutschland, der Kaufvertrag ist nach dem 1.1.1991 abgeschlossen und der Verkäufer klagt in Deutschland auf Zahlung des Kaufpreises oder der Käufer klagt in Frankreich auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, so haben die Gerichte beider Staaten das einheitliche Kaufrecht des Ubereinkommens anzuwenden, denn Frankreich und Deutschland sind Vertragsstaaten. Es macht übrigens keinen Unterschied, wenn der Käufer seinen Sitz in der D D R hat, denn die D D R ist ebenfalls Vertragsstaat. Weil das so ist, könnte das Ubereinkommen ebenfalls anwendbar sein auf deutsch-deutsche Kaufverträge zwischen Parteien mit Sitz in der D D R einerseits, der Bundesrepublik andererseits41 - dies allerdings nur, solange es nicht zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten kommt. Denn daß die Parteien in „verschiedenen Staaten" ihren Sitz haben, ist für die Anwendbarkeit des Ubereinkommens condicio sine qua non.

2. Anwendbarkeit kraft internationalen Privatrechts Das Ubereinkommen ist zweitens anwendbar, wenn die Parteien ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben und wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen (Art. I I b ) . Angenommen also, der Kauf ist nach dem 1.1.1991 abgeschlossen, der Verkäufer sitzt in Deutschland und der Käufer in Großbritannien; der britische Käufer klagt vor einem deutschen Gericht auf Schadensersatz wegen Lieferung mangelhafter Ware. Großbritannien ist einstweilen kein Vertragsstaat. Der deutsche Richter wendet kraft deutschen internationalen Privatrechts das Recht des Verkäuferstaats an (Artt. 27, 28 E G B G B ) , also deutsches Recht. „Deutsches Recht" ist aber nun, kraft der Bestimmung des Art. I I b des Ubereinkommens, für diesen Fall das Recht des Übereinkommens, nicht das Recht des B G B und H G B . Die Parteien müßten also das Einheitskaufrecht vertraglich ausschließen (was nach Art. 6 möglich ist), wenn sie in einem solchen Fall das Einheitskaufrecht vermeiden wollten. Übrigens müßte auch der englische Richter im geschilderten Fall Einheitskaufrecht anwenden, wenn bei ihm geklagt wird und wenn das englische Kollisionsrecht auf deutsches Kaufrecht

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Durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3.10.1990 überholt.

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verweist; denn nach deutschem Recht ist eben auf diesen Fall Einheitskaufrecht anwendbar. Ich möchte bei der ein wenig komplizierten, bei den Beratungen übrigens nicht unumstrittenen Bestimmung des Art. I I b nicht länger verweilen5. Naturgemäß wird sie in Zukunft um so mehr an Bedeutung einbüßen, je mehr Staaten dem Ubereinkommen beitreten werden.

3. Ratifikationsstand und -aussiebten Die Aussichten hierfür sind nicht schlecht. Das erste Kaufrechtsübereinkommen, das auf der Staatenkonferenz verabschiedet worden war, die 1964 auf Einladung der niederländischen Regierung im Haag getagt hatte, war, an den Beitrittszahlen gemessen, ein Mißerfolg; es hat allerdings den wenigen Staaten, die es ratifiziert haben, wertvolle Erfahrungen vermittelt 6 . Der Grund für den zahlenmäßigen Mißerfolg war, daß sich an den Vorbereitungen der Haager Konferenz, und an der Konferenz selbst, doch überwiegend nur westeuropäische Staaten beteiligt hatten 7 . Diese Basis erwies sich unter den Bedingungen des Jahres 1964 und der Folgezeit als zu schmal. Der Gedanke der Vereinheitlichung des Kaufrechts beschränkt auf grenzüberschreitende Kaufverträge - wurde indessen aufgegriffen von der soeben durch die Vereinten Nationen eingesetzten Kommission für internationales Handelsrecht ( U N C I T R A L ) , die aus 36 Mitgliedstaaten, weltweit verteilt und in rotierender Besetzung, besteht. U N C I T R A L hat zunächst in einer Arbeitsgruppe das gesamte Kaufrecht, einschließlich des Vertragsabschlußrechts, durchberaten. Arbeitsgrundlage war das bereits vorliegende Haager Kaufrecht. Der endgültige Entwurf, der auf zwei Plenarkonferenzen von 1977 und 1978 verabschiedet worden ist, stellte also eine modifizierte Fassung des Haager Kaufrechts dar. Für das Jahr 1980 haben dann die Vereinten Nationen eine allgemeine Staatenkonferenz in Wien einberufen, die das Ubereinkommen verab-

5 Zur Problematik des Art. I I b vgl. Herber in v. Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht (1990) Rdn. 14 vor A n . 1. 6 Vgl. dazu als aktuellste Kommentierung des E K G - Soergel/Lüderitz, B G B , 11.Aufl. (1986), nach §515; sowie die Rechtsprechungssammlung von Schlechtriem/Magnus, Internationale Rechtsprechung zu E K G und E A G (1987). 7 Vgl. dazu Herber, Die Arbeiten des Ausschusses für internationales Handelsrecht ( U N C I T R A L ) , R I W 1974, 577, 578 f.; U. Huber, Der U N C I T R A L Entwurf eines Ubereinkommens über internationale Warenkaufverträge, RabelsZ 43 (1979), 413, 414 f.; Schlechtriem, Bemerkungen zur Geschichte des Einheitskaufrechts, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und internationales Obligationenrecht (1987), S.27, 30 f.

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schiedet hat8. Naturgemäß haben die Arbeiten der U N O manche Staaten, die an sich bereit gewesen wären, das Haager Kaufrecht von 1964 zu ratifizieren, hiervon abgehalten; man hat das Ergebnis der neuen Beratungen abgewartet. Dieses Hindernis ist nunmehr entfallen. Und außerdem hat die Zusammensetzung von U N C I T R A L - nach einem Proporzverfahren über die ganze Erde verteilt; die westlichen Industrienationen sind zahlenmäßig in der Minderheit - dazu geführt, daß das Wiener Ubereinkommen von 1980 etwa für Länder des früheren Ostblocks und für Entwicklungsländer viel leichter zu akzeptieren ist als das Haager Ubereinkommen von 1964. Es liegt in der Natur solcher Ubereinkommen, die einen komplizierten rechtlichen Gegenstand ohne Tagesaktualität betreffen, daß die Ratifikationen zunächst einmal zögernd eingesetzt haben. Inzwischen haben zweiundzwanzig Länder das Ubereinkommen in Kraft gesetzt oder jedenfalls das innerstaatliche Ratifikationsverfahren abgeschlossen, darunter sehr bedeutende Handelspartner der Bundesrepublik; für die erste Gruppe ist das Übereinkommen bereits seit 1.1.1988 in Kraft. Das kann übrigens dazu führen, daß das Ubereinkommen gemäß seinem Art. I I b von deutschen Gerichten schon jetzt (auf vor dem 1.1.1991 abgeschlossene Verträge) anzuwenden ist, nämlich dann, wenn bei einem internationalen Kauf nach deutschem internationalen Privatrecht ausländisches Recht anzuwenden ist und in dem betreffenden ausländischen Staat das Ubereinkommen bereits in Kraft getreten ist9; eine erste Entscheidung, die auf diese Weise ergangen ist, ist bereits veröffentlicht10. Die zweiundzwanzig Staaten sind 11 : aus dem EG-Bereich wie schon erwähnt Frankreich, außerdem Italien, Dänemark und die Bundesrepublik; aus der EFTA Osterreich und die drei anderen skandinavischen Staaten Schweden, Norwegen, Finnland, die Schweiz wird demnächst hinzukommen 12 ;

8 Vgl. dazu Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, 1981. Die Beratungen sind festgehalten in: United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods, Vienna, 10 March- 11 April 1980, Official Records (New York 1981). Uber die Vorberatungen berichten die von U N C I T R A L seit 1968 herausgegebenen Yearbooks. Eine Zusammenstellung aller Materialien findet sich bei v. Caemmerer/ Schlechtriem aaO (Fn.5) S.XLIIIff.; zur Bibliographie vgl. ebd. S. XXVIIff. ' Vgl. dazu v. Caemmerer/Schlechtriem/Herber aaO (Fn. 5) Art. 1 Rdn. 40. 10 L G Stuttgart RIW 1989, 984 zu einem italienisch-deutschen Kaufvertrag (vgl. dazu auch oben Fn. 3). 11 Vgl. v.Caemmerer/Schlechtriem/Herber aaO (Fn.5) Rdn. 17 vor Art. 1; ergänzend Schwenzer, Das UN-Abkommen zum internationalen Warenkauf, NJW 1990, 602 Fn.4. 12 In der Schweiz hat die Ratifikation das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem aaO (Fn. 5) S. 27 Fn. 16. Sie wird für Sommer 1990 erwartet, vgl. Schwenzer aaO (Fn. 11).

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aus dem Bereich des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe wie gesagt die D D R 1 2 1 , außerdem Ungarn und Weißrußland 13 , ferner Jugoslawien; aus Asien: China und Syrien; aus Afrika: Ägypten, Lesotho, Sambia; aus Australien: Australien; aus Amerika: Argentinien, Mexiko und die Vereinigten Staaten. Das betrifft bereits einen großen Teil unseres Außenhandels. Die E G als solche unterstützt das Einheitskaufrecht, und es ist anzunehmen, daß in nicht allzulanger Zeit die EG-Staaten, wenn nicht sämtlich, so doch in ihrer großen Mehrheit beigetreten sein werden. Die Übersicht vermittelt aber doch auch den Eindruck, daß das Einheitskaufrecht diesmal, im zweiten Anlauf, wirklich auf weltweite Resonanz, und nicht nur auf Resonanz in Westeuropa, rechnen kann.

II. Pflichten des Verkäufers Im folgenden möchte ich versuchen, anhand eines Einzelproblems, aber eines zentralen Einzelproblems, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie das Ubereinkommen an die Sachfragen herangeht, von welchen Grundprinzipien es sich dabei leiten läßt und wieweit die Lösungen des Einheitskaufrechts mit dem deutschen Recht übereinstimmen oder aber davon abweichen. Ich wähle als Gegenstand die Haftung des Verkäufers.

1. Lieferpflicht Die Pflichten, deren Nichterfüllung die Haftung des Verkäufers auslöst, sind dieselben wie bei uns; das ergibt sich aus der Natur der Sache. Der Verkäufer ist gemäß Art. 30 des Ubereinkommens „nach Maßgabe des Vertrages und dieses Ubereinkommens verpflichtet, die Ware zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen". Das entspricht § 4 3 3 1 B G B , wobei die Pflicht zur „Ubergabe" durch die Pflicht zur „Lieferung" ersetzt wird. Ein sachlicher Unterschied besteht nicht. „Lieferung" bezeichnet die Leistungshandlung des Verkäufers, die erforderlich ist, um dem Käufer den Besitz zu verschaffen - beim Versendungskauf ist das die Absendung - , während der Begriff der Ubergabe auch noch den Besitzerwerb des Käufers einschließt. Für die Art und Weise, den Ort und die Zeit der Lieferung ist in erster Linie der Vertrag maßgeblich. Sagt er nichts über

121 Nachtrag: Die Ratifikation durch die D D R , die noch von der früheren kommunistischen Regierung vollzogen worden, aber erst am 1.3.1990 wirksam geworden ist, hat naturgemäß allenfalls eine ephemere praktische Bedeutung. 13 Vgl. Schwenzer aaO (Fn. 11).

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die Lieferzeit, ist „innerhalb einer angemessenen Frist" nach Vertragsabschluß zu liefern (Art. 33 c) - eine für den Stil des Übereinkommens charakteristische, elastische Regel. Die Pflicht zur Übergabe der Dokumente, die im BGB nicht besonders erwähnt ist, versteht sich hier auch ohne das von selbst, wenn eine entsprechende Vereinbarung getroffen ist oder ein entsprechender Handelsbrauch besteht. Die Hervorhebung der Dokumente in Art. 30 erklärt sich daraus, daß Dokumente - wie Konnossement, Frachtbriefdoppel, Transportversicherungspolice - im internationalen Handel eine besondere Rolle spielen. Selbstverständlich können, nach Einheitskaufrecht wie nach dem BGB, zusätzliche Pflichten der Parteien vereinbart werden oder sich aus den Umständen ergeben. Hier wie dort gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit. Im Übereinkommen ist es in dem schon erwähnten Artikel 6 verankert, der bestimmt: „Die Parteien können die Anwendung dieses Übereinkommens ausschließen oder . . . von seinen Bestimmungen abweichen oder deren Wirkung ändern." Das ganze Übereinkommen ist also dispositives Recht.

2. Pflicht zur Lieferung mangelfreier

Ware

Der Verkäufer ist, wie Art. 30 sagt, „nach Maßgabe des Vertrages" verpflichtet, die Ware zu liefern. Die gelieferte Ware muß also vertragsgemäß sein. Art. 35 führt das näher aus. „Der Verkäufer hat Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich Verpackung und Behältnis den Anforderungen des Vertrages entspricht" (Art. 351). Wenn nichts anderes vereinbart ist, muß die Ware sich für die Zwecke eignen, „für die Ware der gleichen Art gewöhnlich gebraucht wird" (Art. 35 II a), und außerdem muß sie sich für den bestimmten Zweck eignen, „der dem Verkäufer bei Vertragsabschluß ausdrücklich oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht wurde" (Art. 35 II b) 14 ; beim Kauf nach Probe muß sie der vorgelegten Probe entsprechen (Art. 35 II c). Vergleicht man diese Bestimmungen im einzelnen mit dem deutschen Recht, so sieht man leicht, daß alle Fälle, in denen nach deutschem Recht eine Sachmängelhaftung gemäß §§459, 494 BGB begründet ist, durch Art. 35 abgedeckt werden. Allerdings stoßen wir hier auf zwei bemerkenswerte Abweichungen des Einheitskaufrechts vom deutschen Recht. 14 Art. 35 II b macht die Einschränkung, daß diese Haftung dann nicht eingreift, wenn sich „aus den Umständen ergibt, daß der Käufer auf die Sachkenntnis und das Urteilsvermögen des Verkäufers nicht vertraute oder vernünftigerweise nicht vertrauen konnte". Diese Einschränkung entstammt dem englischen und u. s.-amerikanischen Recht. Vgl. dazu U . Huber RabelsZ 43 (1979), 413, 480 f.; Schlechtriem aaO (Fn. 8) S. 57; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stumpf aaO (Fn. 5) Art. 35 Rdn.24.

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a) Kein Unterschied zwischen Schlechtlieferung und Falschlieferung Erstens unterscheidet das Einheitskaufrecht nicht zwischen der Lieferung einer mangelhaften Sache und der Falschlieferung. Art. 351 erfaßt beides: die Ware muß in „Qualität" und „Art" den Anforderungen des Vertrags entsprechen. Diese Gleichbehandlung setzt sich bei den Rechtsfolgen fort: Entspricht die Ware nach Qualität oder Art nicht den Anforderungen des Vertrags, so ist sie „nicht vertragsgemäß". Die Rechtsfolgen sind genau dieselben, gleichgültig, ob die Vertragswidrigkeit darauf beruht, daß die Ware der „Qualität" nach, oder daß sie der „Art" nach nicht den Anforderungen des Vertrags entspricht15. Das gilt vor allem für die Rügepflicht, die Artt. 38, 39 des Ubereinkommens anordnen, prinzipiell übereinstimmend mit unserem § 377 HGB, wenn auch mit etwas großzügigerer Fristbestimmung (der Käufer muß zwar unverzüglich - binnen „kurzer Frist" - nach Ablieferung untersuchen, aber er muß erst innerhalb einer „angemessenen Frist" rügen; also nicht unverzüglich - binnen kurzer Frist - , sondern nur ohne unangemessene Verzögerung). Auch für die weiteren Rechtsbehelfe des Käufers wegen Vertragswidrigkeit besteht kein Unterschied. Das Ubereinkommen differenziert also nicht, wie wir, zwischen „Schlechtlieferung" und „Falschlieferung" und innerhalb der Falschlieferung nicht nochmals, wie §378 HGB, zwischen „genehmigungsfähiger" und „nicht genehmigungsfähiger" Falschlieferung. Für die Praxis ist das sicher eine bedeutende Vereinfachung.

b) Keine Sonderregeln über zugesicherte Eigenschaften Die zweite bemerkenswerte Abweichung des Art. 35 von § 459 BGB besteht darin, daß Art. 35 nicht zwischen Fehlern und dem Fehlen zugesicherter Eigenschaften unterscheidet. Mangelnde Eignung für den Vertragszweck löst die Haftung wegen Vertragswidrigkeit aus; ob die Eignung für den Zweck bloß „vorausgesetzt" oder aber „zugesichert" war, spielt keine Rolle. Auch die Haftungsfolgen sind die gleichen.

III. Rechtsfolgen der Nichterfüllung der Verkäuferpflichten Diese Haftungsfolgen ergeben sich aus Art. 45 des Ubereinkommens. Es heißt dort in Absatz 1: „Erfüllt der Verkäufer eine seiner Pflichten 15 Vgl. U. Huber RabelsZ 43 (1979), 413, 484; Schlechtriem aaO (Fn. 8) S.54, 57; Enderlein/Maskow/Stargardt, Kaufrechtskonvention der U N O (Berlin[-Ost] 1985), Art. 35 Anm. 3; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stumpf aaO (Fn. 5) Art. 35 Rdn.6, 13, 18.

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nach dem Vertrag oder diesem Übereinkommen nicht, so kann der Käufer a) die in Artikel 46 bis 52 vorgesehenen Rechte ausüben; b) Schadenersatz nach Artikel 74-77 verlangen." Der Fall der „Nichterfüllung" im Sinn des Art. 45 ist sowohl dann gegeben, wenn der Verkäufer seine Lieferpflicht gemäß Art. 30 zur vorgeschriebenen Zeit nicht erfüllt, als auch dann, wenn er seine Pflicht gemäß Art. 35 nicht erfüllt, eine Sache zu liefern, die „in Menge, Qualität und Art" den Anforderungen des Vertrags entspricht. Das heißt Nichtlieferung und Lieferung mangelhafter Ware unterliegen demselben Haftungstatbestand. Für sonstige Vertragsverletzungen gilt nichts anderes. Den vielfältigen Haftungstatbeständen des deutschen Rechts - Verzug, Unmöglichkeit, Rechtsmängelhaftung, Sachmängelhaftung wegen Fehlern und wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften, positive Vertragsverletzung - steht im Einheitskaufrecht ein einheitlicher Haftungstatbestand gegenüber, der alle diese Fälle umfaßt. Ich beschränke mich im folgenden auf die beiden wichtigsten Fälle, den Lieferverzug und die mangelhafte Lieferung. Nach Art. 45 I a stehen dem Käufer im Fall der Nichterfüllung „die in Arn. 46 bis 52 vorgesehenen Rechte" zu. Die beiden wichtigsten Rechte sind der Erfüllungsanspruch nach Art. 46 und das Recht zur Vertragsaufhebung nach Art. 49. Die Vertragsaufhebung entspricht der Funktion nach ungefähr dem Rücktritt oder der Wandelung des deutschen Rechts: der Anspruch auf Lieferung, Ersatzlieferung, Nachbesserung entfällt; bereits erbrachte Leistungen sind zurückzuerstatten. Außerdem kann der Verkäufer gemäß Art. 45 I b „Schadenersatz nach Artikel 74-77 verlangen". Art. 45 I b ist Anspruchsgrundlage; die Artt. 74—77, auf die hier verwiesen wird, betreffen nur den Umfang und die Berechnung des zu ersetzenden Schadens16. Wie Art. 45 Abs. 2 ausdrücklich klarstellt, steht der Schadensersatzanspruch dem Käufer nicht wahlweise, sondern kumulativ zu, neben dem Erfüllungsanspruch und dem Recht zur Vertragsaufhebung.

1. Lieferverzug Im Fall der Nichtlieferung, d.h. der Nichterfüllung der Lieferpflicht zur vorgeschriebenen Zeit, bedeutet das folgendes: Der Käufer kann, wenn er will, auf Erfüllung bestehen (Art. 461) und daneben Schadensersatz gemäß Art. 45 I b verlangen, also Ersatz des Verzögerungsschadens. Das entspricht der Rechtslage, wie sie sich bei uns aus §4331 und §286 16 Vgl. Honnold, Uniform L a w for International Sales under the 1980 United Nations Convention (Deventer 1982), Rdn. 2 7 6 ; Enderlein/Maskow/Stargardt aaO (Fn. 15) Art. 45 Anm. 5; Will in Bianca/Bonell, Commentary on the International Sales Law (Mailand 1987) Art. 4 5 Anm. 2 . 1 . 1 ; v. Caemmerer/Schlechtriem/Huber aaO (Fn. 5) Art. 45 Rdn. 1.

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BGB ergibt. Er kann es statt dessen vorziehen, die Vertragsaufhebung gemäß Art. 49 zu erklären. Dieses Recht ist ihm aber nicht ohne weiteres und sofort gegeben. Ein sofortiges Recht zur Vertragsaufhebung besteht nur, wenn die Überschreitung des Liefertermins als solche eine „wesentliche Vertragsverletzung" ist (Art.49 Ia i.V. mit Art.25), also bei Fixgeschäften17 und in ähnlichen Fällen (etwa beim Kauf von Saisonware18). Es geht also um die Fälle, die bei uns in § 376 HGB und in § 326 Abs. 2 BGB (Fortfall des Interesses an der Lieferung infolge des Verzugs) geregelt sind. Im allgemeinen ist die Verspätung der Lieferung als solche aber noch nicht als wesentliche Vertragsverletzung im Sinn des Art. 25 anzusehen. In diesem Fall kann der Käufer gemäß Art. 49 Ib erst dann den Vertrag aufheben, wenn er dem Verkäufer eine Nachfrist für die Lieferung gesetzt hat und diese erfolglos verstrichen ist. Wir erkennen hier unsere Regel des § 3261 BGB wieder, die in der Tat das, wenn auch in verschiedener Hinsicht abgeänderte, Vorbild für Art.49 I b gewesen ist. Außerdem kann der Käufer auch hier Schadensersatz gemäß Art. 45 I b verlangen. Nimmt man beides, Vertragsaufhebung nach Fristablauf und den Schadensersatz, zusammen, so hat man den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung im Sinn unseres § 3261 BGB, berechnet nach der „Differenztheorie"l9.

2. Mangelhafte

Lieferung

Im Fall der Lieferung mangelhafter Ware (einschließlich, wie gesagt, der Falschlieferung) ergibt sich folgende Rechtslage: Der Käufer kann Erfüllung verlangen, und zwar entweder Ersatzlieferung (Art. 46 II) oder Nachbesserung (Art. 46 III). Der Anspruch auf Ersatzlieferung hängt bemerkenswerterweise, anders als nach §4801 BGB, von der einschränkenden Voraussetzung ab, daß der Sachmangel eine „wesentliche Vertragsverletzung" ist. Ersatzlieferung bedeutet ja immer: Rückgabe der gelieferten mangelhaften Sache und Verwertung durch den Verkäufer. Die 17 Vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem aaO (Fn. 5) Art. 25 Rdn. 9, 18; sowie v. Caemmerer/Schlechtriem/Huber Art. 49 Rdn. 23; ebenso zur insoweit übereinstimmenden Rechtslage nach dem E K G O L G Hamm, 8.12.1980, in: Schlechtriem/Magnus aaO (Fn. 6) Art. 26 E K G Nr. 3; O L G Oldenburg, 27.4.1982, in: Schlechtriem/Magnus A n . 26 E K G Nr. 5. 18 Vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem aaO (Fn. 5) Art. 25 Rdn. 18; v. Caemmerer/Schlechtriem/Huber Art. 49 E K G Rdn. 23; ebenso zum E K G O L G Hamm, 8 . 1 2 . 1 9 8 0 , in: Schlechtriem/Magnus aaO (Fn.6) Art. 26 E K G Nr. 3. 19 Vgl. dazu U. Huber, Die Rechtsbehelfe der Parteien, insbesondere der Erfüllungsanspruch, die Vertragsaufhebung und ihre Folgen nach UN-Kaufrecht im Vergleich zu E K G und B G B , in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987), S. 199, 208 ff.

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hiermit verbundenen Umstände, Kosten und Gefahren will das Übereinkommen dem Verkäufer ersparen, wenn es sich um einen minder schweren Mangel handelt, also um einen Mangel, bei dem es dem Käufer zuzumuten ist, sich mit Nachbesserung oder Ersatz des Minderwerts zufrieden zu geben20. Selbstverständlich kommt Ersatzlieferung nur beim Gattungskauf in Betracht; ist beim Spezieskauf die verkaufte und gelieferte Sache mangelhaft, so gibt es keine andere vertragsmäßige Sache, mit der der Verkäufer den Vertrag erfüllen kann21. Der Anspruch auf Nachbesserung (Art. 46 III) hängt davon ab, daß die Nachbesserung dem Verkäufer zumutbar ist; das ist unter „Berücksichtigung aller Umstände" zu entscheiden. Selbstverständlich hängt der Anspruch auf Nachbesserung davon ab, daß die Nachbesserung überhaupt möglich ist; sonst entfällt er. Neben der Ersatzlieferung oder Nachbesserung kann der Käufer außerdem auf Grund des Art. 451 b Schadensersatz verlangen, also Ersatz von Verzögerungs-, Begleit- und Restschäden. Der Käufer kann sich aber auch für die Vertragsaufhebung (analog unserer Wandelung) gemäß Art. 49 entscheiden. Voraussetzung ist, anders als nach deutschem Recht, wieder, daß die Vertragsverletzung „wesentlich" ist (Art. 49 I a). Die Gründe hierfür wurden schon genannt. Die Umstände, Kosten und Gefahren der Rückabwicklung sollen nur bei wirklich schweren Mängeln entstehen; bei minder schweren Mängeln, bei denen das zumutbar ist, soll der Käufer sich mit Nachbesserung und Ausgleich des Minderwerts gemäß Art. 451 b (oder Minderung gemäß Art. 50) begnügen. Ist der Mangel eine wesentliche Vertragsverletzung, so kommt es auf eine Nachfrist insoweit in Ubereinstimmung mit dem deutschen Recht - nicht an. Der Verkäufer hat also auch nach dem Einheitskaufrecht nicht die Möglichkeit, die Wandelung durch Ersatzlieferung abzuwenden21 Neben der Vertragsaufhebung kann der Käufer außerdem Schadensersatz gemäß Art. 45 I b verlangen. Vertragsaufhebung und Schadensersatz zusammengenommen ergeben das, was die §§463,480 II BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung nennen, und zwar in der Form des sog. „großen Schadensersatzes".

20 Vgl. dazu die Erläuterungen des UNCITRAL-Sekretariats zum Entwurf des Übereinkommens (= Commentary on the Draft Convention on Contracts for the International Sale of Goods, Prepared by the Secretariat) in: Official Records (wie Fn. 8) S. 14, 38 f. (Art. 42 Anm. 12); v. Caemmerer/Schlechtriem/Huber aaO (Fn. 5) Art. 46 Rdn. 53 f. 21 Vgl. v.Caemmerer/Schlechtriem/Huber aaO (Fn.5) Art.46 Rdn.21. A . A . v. Hoffmann, Gewährleistungsansprüche im UN-Kaufrecht - verglichen mit dem EKG und BGB, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S.293, 295. 2la Das Haager Einheitskaufrecht von 1964 hatte das anders entschieden, vgl. Artt.43, 44 EKG.

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IV. Die Schadensersatzhaftung des Verkäufers als Garantiehaftung Das Bemerkenswerte an dem Schadensersatzanspruch gemäß Art. 45 I b in allen geschilderten Konstellationen ist das folgende: Der Schadensersatzanspruch entsteht allein dadurch, daß der Verkäufer eine seiner Pflichten nicht erfüllt. Irgendwelche weiteren Voraussetzungen stellt Art. 451 nicht auf. Auf Verschulden oder, im Fall der Lieferung mangelhafter Ware, auf das Vorliegen einer Zusicherung kommt es nicht an. Die Vertragsverletzung als solche löst die Haftung aus. Die Haftung des Verkäufers ist gesetzliche Garantiehaftung. Indem er den Vertrag abschließt, übernimmt der Verkäufer, wenn er nichts anderes vereinbart (vgl. Art. 6), die Garantie dafür, daß er den Vertrag richtig und rechtzeitig erfüllen wird. Diese Garantiehaftung ist indessen nicht unbegrenzt. Die Grenze ergibt sich aus Art. 79 des Übereinkommens. Hier ist bestimmt (Art. 791): „Eine Partei hat für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, daß die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflußbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und daß vernünftigerweise von ihr nicht erwartet werden kann, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluß in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden." Das Schulbeispiel ist: Abbrennen des Betriebs des Verkäufers. Der Verkäufer hat ζ. B. Mehl aus seiner Mühle verkauft, und der Hinderungsgrund besteht darin, daß die Mühle nach Vertragsabschluß abgebrannt ist22. Vom Verkäufer kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, daß er für diesen Fall eine zweite Mühle in Reserve hält, oder daß er Mehl auf dem Markt zurückkauft, um seiner Verpflichtung gegenüber dem Käufer nachzukommen. Der Verkäufer ist entlastet23. Die Folge ist, daß seine Schadensersatz22

114.

Vgl. dazu die unter dem gemeinen Recht ergangene Entscheidung R G Z 42,

23 Im Fall R G Z 42, 114 ging es um die Frage, ob der Käufer nach Wiederaufbau der Mühle anderthalb Jahre später wieder Lieferung verlangen konnte. Wegen zwischenzeitlichen Steigens der Getreidepreise hätte sich das als ein erhebliches Verlustgeschäft für den Verkäufer (und als Gewinngeschäft für den Käufer) dargestellt. Nach Art. 79 III („Die . . . Befreiung gilt für die Zeit, während der der Hinderungsgrund besteht") scheint es so zu sein, als wäre der Erfüllungsanspruch gegeben. Das R G hat dagegen den Erfüllungsanspruch abgewiesen, weil infolge der Verzögerung der „Leistungsinhalt ein anderer" geworden sei; deshalb sei die vorübergehende Unmöglichkeit als dauernde Unmöglichkeit zu bewerten (RGZ 42, 114, 115 f.). Nach dem Ubereinkommen sollte man genauso entscheiden, obwohl die Bestimmung des Art. 74 II E K G , die das (offensichtlich im Anschluß an R G Z 42, 114) ausdrücklich vorgesehen hatte, ins Ubereinkommen nicht übernommen worden ist. Vgl. dazu überzeugend Nicholas, Impracticability and Impossi-

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pflicht entfällt (dagegen bleibt das einfache Rücktrittsrecht des Käufers nach Art. 49 unberührt). Vergleicht man die hiermit gegebene Haftungslage mit der Haftung des Verkäufers nach dem BGB, so muß man zwischen den Fällen der Nichterfüllung der Lieferpflicht und den Fällen der mangelhaften Lieferung unterscheiden.

V. Haftung im Fall der Nichterfüllung der Lieferpflicht 1. Stückkauf In den Fällen der Nichterfüllung der Lieferpflicht geht das BGB vom Prinzip der Verschuldenshaftung aus - allerdings nur, soweit es sich um einen Stückkauf handelt, und auch hier nur, soweit es um nachträgliche Leistungshindernisse geht. Für anfängliche objektive Unmöglichkeit haftet der Verkäufer nach dem BGB überhaupt nicht (§306 BGB; die Haftung auf das negative Interesse gemäß §307 mag außer Betracht bleiben). Nach dem Einheitskaufrecht ist das anders. Eine dem §306 BGB entsprechende Vorschrift ist ihm unbekannt; der Kaufvertrag ist wirksam24. Anfängliche Unmöglichkeit kann ein „Hinderungsgrund" im Sinn des Art. 79 sein, aber regelmäßig doch ein solcher, den der Verkäufer bei Vertragsabschluß „in Betracht zu ziehen hat". Der Verkäufer, der eine Partie Kartoffeln „schwimmend" verkauft, ist nach Einheitskaufrecht jedenfalls haftbar, wenn auf dem angegebenen Dampfer keine Kartoffeln abgeladen sind. Das O L G Hamburg hat das übrigens nach bility in the U N Convention on Contracts for the International Sale of Goods, in: Galston/Smit (Hrsg.), International Sales (New York 1984), S.5—16ff. A . A . v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll aaO (Fn.5) Art. 79 Rdn.40, 52 (Wegfall des Anspruchs nur bei „Erschütterung der Sozialexistenz" - das traf im Fall des R G nicht zu). 24 Zwar regelt das Übereinkommen grundsätzlich nicht die Fragen, die die „Gültigkeit des Vertrages" betreffen, Art. 4 Satz 2 a. Das gilt aber nicht, soweit das Ubereinkommen selbst etwas Abweichendes bestimmt. Nach der Systematik des Übereinkommens ist davon auszugehen, daß die Folgen von Leistungsstörungen abschließend geregelt werden sollten. Hierher gehört auch die anfängliche Unmöglichkeit. §306 ist daher im Geltungsbereich des Übereinkommens unanwendbar. Vgl. Schlechtriem aaO (Fn. 8) S. 19; v. Caemmerer/ Schlechtriem/Herber aaO (Fn.5) Art.4 Rdn. 13; v. Caemmerer/Schlechtriem/ Huber Art. 46 Rdn. 7; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll Art. 79 Rdn. 21; vgl. auch, zur insoweit gleichen Rechtslage unter dem E K G , Stoll in Dölle, Kommentar zum einheitlichen Kaufrecht (1976) Art. 74 E K G Rdn. 51 f.; v. Caemmerer, Probleme des Haager Einheitlichen Kaufrechts, AcP 178 (1978), 121, 127 = Ges.Schr. III (1983) S.23, 29. A . A . Bianca/Bonell/Tallon aaO (Fn. 16) Art. 79 Anm. 2.4.3.

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B G B genauso entschieden, indem es angenommen hat, § 306 B G B sei in einem solchen Fall stillschweigend abbedungen 25 . Für anfängliches Unvermögen haftet der Verkäufer, der beispielsweise eine Sache verkauft, die ihm nicht gehört oder die er nicht besitzt, unbedingt. Das ergibt sich für das B G B aus einem zwingenden Gegenschluß zu §§ 306 einerseits, 275 II andererseits und ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt 26 . Nach Einheitskaufrecht mag das fehlende Eigentum oder der fehlende Besitz ein Hinderungsgrund sein, aber jedenfalls ein solcher, der innerhalb des Einflußbereichs des Verkäufers liegt, den er bei Vertragsabschluß in Betracht ziehen muß und von dem erwartet werden kann, daß er ihn überwindet 27 . Nachträgliche Leistungsstörungen hat der Verkäufer dagegen nach deutschem Recht beim Spezieskauf nicht zu vertreten, wenn er beweisen kann, daß er sie nicht verschuldet hat (§§275, 282, 285 B G B ) - so z.B., wenn die verkaufte Sache, ohne Verschulden des Verkäufers, gestohlen worden ist oder wenn sie kraft öffentlichen Rechts beschlagnahmt wird. Hier kann man sich allerdings nur schwer vorstellen, daß das Verschuldensprinzip des B G B und die Entlastungsregel des Art. 791 in der Praxis zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

2.

Gattungskauf

a) Prinzip der

Garantiehaftung

Beim Gattungskauf gilt nach §279 B G B auch im deutschen Recht strikte Garantiehaftung. Hauptanwendungsfall des §279 B G B ist die Verzugshaftung. Der Verkäufer, der auf Schadensersatz gemäß § 286 oder - nach erfolgloser Nachfristsetzung - gemäß §326 B G B in Anspruch genommen wird, kann sich nicht darauf berufen, er sei zum Lieferzeitpunkt ohne sein Verschulden nicht in der Lage gewesen, sich die Ware zu

25 O L G Hamburg SeuffA 65 Nr. 160; vgl. dazu Rabel, Über Unmöglichkeit der Leistung und heutige Praxis, RheinZ 3 (1911), 467, 479 f. = Ges.Aufs. I (1965) S. 56, 68; Arp, Anfängliche Unmöglichkeit (1988) S. 43 ff., 167 ff. Vgl. auch Soergel/ Wolf, BGB, 11.Aufl. (1986), §306 Rdn.24. 26 RGZ 69, 355, 357; 80, 247, 250; 117, 335; B G H Z 5, 337, 339; 8, 222, 231; 11,16, 21 f.; B G H LM Nr. 7 zu REGBrZ Art. 39; WM 1956, 539, 541 ; LM Nr. 1 zu REGAmZ Art.21; WM 1957, 670 = BB 1957, 493; W M 1964, 234, 235 = MDR 1964, 305; WM 1972, 556, 557; B G H Z 62, 119, 120; B G H NJW 1983, 275. 27 Abweichend aber Stoll, Inhalt und Grenzen der Schadensersatzpflicht sowie Befreiung von der Haftung im UN-Kaufrecht, im Vergleich zum E K G und BGB, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987), S. 257, 272, 275 f.

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verschaffen28. Das Beschaffungsrisiko trifft ihn29. Insoweit besteht zwischen dem BGB und dem Einheitskaufrecht Ubereinstimmung. Abweichende Vereinbarungen sind möglich (etwa in Form des „Selbstbelieferungsvorbehalts"30), aber nicht schon deshalb zu unterstellen, weil der Käufer bei Vertragsabschluß wußte, daß der Verkäufer sich die Ware erst noch von dritter Seite beschaffen muß31. Die Haftung nach §279 setzt nur voraus, daß Ware der verkauften Gattung überhaupt existiert. b)

Entlastungsmöglichkeiten

Eine dem Art. 79 vergleichbare Einschränkung der Garantiehaftung ist dem §279 BGB unbekannt. Zu helfen ist hier nur mit ergänzender Vertragsauslegung und notfalls mit dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Was die Vertragsauslegung betrifft, ist vor allem der Unterschied zwischen „einfachen" und „marktbezogenen" Gattungskäufen von Bedeutung, den Ballerstedt aufgezeigt hat32. Aus einem Kaufvertrag ergibt sich in aller Regel mit ziemlicher Eindeutigkeit, ob der Verkäufer Ware aus einer bestimmten Produktion verkauft - das mag die eigene Produktion sein oder, etwa im Fall des Verkaufs durch den Vertragshändler, die eines bestimmten Dritten - , oder ob er Marktware verkauft, d. h. Ware, die am Markt frei verfügbar ist. Beim „einfachen" Gattungskauf, der auf eine bestimmte Produktion bezogen ist, ergibt sich aus dem Sinn des Vertrags, daß der Verkäufer nicht haftet, wenn die Lieferung aus der laufenden Produktion nicht möglich ist und der Verkäufer dies nicht zu vertreten hat33. Hier zieht der Sinn des Vertrags der Haftung aus §279 BGB eine feste Grenze. Im Einheitskaufrecht folgt B G H L M N r . 6 0 zu § 2 4 2 B G B (Ba) = N J W 1972, 1702. B G H aaO ( F n . 2 8 ) ; vgl. auch B G H W M 1983, 841, 843. E s handelt sich bei der Haftung gem. § 2 7 9 B G B um wirkliche Garantiehaftung, nicht etwa nur um eine Haftung für sorgfältiges Verhalten hinsichtlich der Beschaffung. Vgl. v. Caemmerer A c P 178 (1978), 121, 145 = Ges.Schr. III S . 2 3 , 4 7 ; Saiger, Beschaffung und Beschaffenheit (1985) S. 59. Abweichend Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung (1969) S. 159 f., 2 0 6 f.; Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht (1972), S. 98 ff. 28

29

30 Vgl. dazu Heynen, Die Klausel „richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten", R I W 1956, 81 ff.; Soergel/Huber, B G B , 11.Aufl. (1986) § 4 4 0 Rdn. 158 ff. (demnächst in 12. Aufl., vgl. dort § 4 3 3 Anh. II R d n . 3 9 f f . ) .

B G H aaO ( F n . 2 8 ) . Ballerstedt, Festschrift für Nipperdey (1955) S.261 ff. 3 3 Vgl. R G Z 88, 287, 2 8 8 : „Verkauft ein Fabrikant Ware, die er selbst herstellt, so werden, auch ohne daß es besprochen wird, die Umstände nicht selten die Annahme nahelegen, daß nur die Erzeugnisse der eigenen Fabrik den Vertragsgegenstand bilden sollen." Vgl. auch R G Z 91, 2 1 3 : ein Gutsbesitzer, der Milch verkauft, schuldet Milch nur aus der eigenen Produktion. 31

32

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dasselbe Ergebnis daraus, daß die Unmöglichkeit der Belieferung aus der Produktion - etwa infolge Abbrennens der Mühle - ein „Hinderungsgrund" ist, dessen Überwindung vom Verkäufer vernünftigerweise nicht zu erwarten ist (Art. 791). Beim „marktbezogenen" Gattungskauf haftet der Verkäufer dagegen nach dem Sinn des Kaufvertrags für seine Fähigkeit zur Lieferung, solange überhaupt Ware am Markt zu bekommen ist. Hier ist die Haftung aus §279 BGB unbeschränkt, und eine Grenze ist erst bei Marktstörungen erreicht, die so schwer sind, daß ein Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen werden darf. Im Einheitskaufrecht ist der Fall im Prinzip nicht anders zu beurteilen, denn beim marktbezogenen Gattungskauf kann vom Verkäufer vernünftigerweise erwartet werden, daß er Beschaffungsschwierigkeiten überwindet. Möglicherweise kann hier, bei schweren unvorhergesehenen Marktstörungen, die „Entlastung" des Art. 79 etwas früher eingreifen, als der „Wegfall der Geschäftsgrundlage" nach deutschem Recht. Insgesamt kann man die ratio legis des Art. 79 vielleicht so umschreiben, daß der Verkäufer soweit haften soll, wie er nach deutschem Recht haftet, wenn er eine seinem Fall angepaßte und angemessene „Höhere-Gewalt-Klausel" vereinbart hat34.

c) Vertragsbruch

des

Vorlieferanten

Außer Zweifel steht, daß der Verkäufer sich zu seiner Entlastung von der Verzugshaftung nicht darauf berufen kann, daß sein eigener Vorlieferant ihn im Stich gelassen hat35. Das ergibt sich für das deutsche Recht nicht daraus, daß der Vorlieferant Erfüllungsgehilfe im Sinn des § 278 BGB wäre; das ist er nicht36. Vielmehr folgt die Haftung für den Verzug des Vorlieferanten beim Spezieskauf daraus, daß der Verkäufer, der eine Sache verkauft, die er noch nicht im Besitz hat, für sein anfängliches Leistungsvermögen unbedingt einzustehen hat. Beim Gattungskauf ergibt die Haftung des Verkäufers für den Verzug des Vorlieferanten sich einfach aus dem in §279 BGB aufgestellten Prinzip der Garantiehaftung. Der Verkäufer kann die Haftung vertraglich ausschließen, insbesondere durch den „Selbstbelieferungsvorbehalt"37. Aber ein solcher Vorbehalt versteht sich nicht von selbst und ist nicht sillschweigender Vertragsinhalt. 34 Auf diese Parallele verweist auch Honnold aaO (Fn. 16) Rdn. 429ff.; vgl. auch Nicholas aaO (Fn.23) S.5-9, 14. 35 Vgl. Saiger aaO (Fn.29) S.30f. 36 Grundlegend BGHZ 48, 118, 120. Vgl. ferner RGZ 101, 152, 154; 101, 157, 158; BGH LM Nr. 2 zu §276 (Hb) = VersR 1956, 259; VersR 1962, 480, 481; WM 1968, 1249 = NJW 1968, 2238; WM 1977, 220; NJW 1981, 1269, 1270; WM 1984, 1059. 37 Vgl. oben Fn. 30.

20

Im Einheitskaufrecht ist der Vertragsbruch des Vorlieferanten kein Entlastungsgrund im Sinn des Art. 79 138. Von dem Verkäufer, der Lieferung bis zu einem bestimmten Termin verspricht, kann „vernünftigerweise erwartet" werden, daß er imstande ist, sich die Ware oder die zu ihrer Herstellung erforderlichen Rohstoffe, Vorfabrikate und Einzelteile zu verschaffen; dies ist wesentlicher Inhalt seiner vertraglichen Zusage, die Lieferung bis zum festgesetzten Termin zu bewirken. Das gilt auch dann, wenn der Verkäufer sich seine Lieferanten „nicht aussuchen" und „auf sie keinen Einfluß ausüben" kann 39 . Haftungsgrund ist auch nach dem Einheitskaufrecht nicht ein Verschulden des Verkäufers bei Auswahl und Überwachung seines Vorlieferanten, sondern das vom Verkäufer übernommene Beschaffungsrisiko. Will er dieses Risiko nicht tragen, darf er dem Käufer nicht Lieferung bis zu einem bestimmten Termin versprechen. Ein Vertragshändler kann also auch nach Einheitskaufrecht seinen Lieferverzug nicht damit entschuldigen, daß er geltend macht, der Hersteller habe ihn seinerseits nicht pünktlich beliefert - sowenig wie nach deutschem Recht.

d) Höhere Gewalt beim Vorlieferanten Art. 79 Abs. 2 des Ubereinkommens enthält hierzu eine interessante Zusatzregel. Sie lautet: „Beruht die Nichterfüllung einer Partei auf der Nichterfüllung durch einen Dritten, dessen sie sich zur völligen oder teilweise Vertragserfüllung bedient, so ist diese Partei von der Haftung nur befreit, a) wenn sie selbst nach Absatz 1 befreit ist und b) wenn der Dritte selbst ebenfalls nach Absatz 1 befreit wäre, sofern Absatz 1 auf ihn Anwendung fände." Zwar trifft die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur auf solche Unternehmen zu, die der Verkäufer unmittelbar mit der Erfüllung des Kaufvertrags beauftragt, also auf „Subunternehmer", nicht auf Vor- und Zulieferanten 40 . Ein Versuch auf der Wiener Konferenz von 1980, die Lieferanten des Verkäufers ausdrücklich in Art. 79 II einzubeziehen, hatte keinen Erfolg 41 . Trotzdem scheint es geboten, die Bestim38 Vgl. Saiger aaO (Fn. 29) S. 33; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll aaO (Fn.5) Art. 79 Rdn. 31, 38. 39 A . A . Schlechtriem aaO (Fn.8) S . 9 7 f „ 99. 40 In der Literatur wird sie deshalb auch überwiegend in diesem Sinn verstanden, so Schlechtriem a a O (Fn.8) S.98; Bianca/Bonell/Tallon aaO (Fn. 16) Art. 79 Anm. 2.7, 2.7.1; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll aaO (Fn. 5) Art. 79 Rdn. 36—38; vgl. auch U. Huber RabelsZ 43 (1979), 413, 466. Differenzierend Honnold aaO (Fn. 16) Rdn. 433 f. 41 Vgl. dazu Official Records (wie Fn. 8) S. 379 Nr. 23-30; Schlechtriem aaO (Fn.8) S. 97 f.; Saiger aaO (Fn.29) S.33f.; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll aaO (Fn. 5) Art. 79 Rdn. 5.

21

mung auf Vor- und Zulieferanten des Verkäufers zumindest analog anzuwenden. Daß Vor- und Zulieferanten nach ganz herrschender Auffassung keine Erfüllungsgehilfen im Sinn des § 278 BGB sind, steht dem nicht entgegen. Art. 79 II regelt ein ganz anderes Problem als §278 BGB. Bei der Gehilfenhaftung gemäß §278 BGB geht es um Verschuldenshaftung und um die Frage, wieweit der Schuldner sich das Verschulden Dritter zurechnen lassen muß, also um eine Erweiterung der Haftung für eigenes Verschulden. In Art. 79 II geht es um Garantiehaftung und um die Frage der Entlastung durch höhere Gewalt. Wenn der Schuldner sich selbst korrekt verhält und der von ihm zur Vertragserfüllung eingeschaltete Dritte ein Opfer höherer Gewalt wird, so soll der Schuldner ebenso befreit sein, wie wenn er selbst das Opfer höherer Gewalt geworden wäre. Es geht in Art. 79 II also nicht, wie in §278 BGB, um eine Erweiterung der Haftung, sondern um eine Erweiterung der Haftungsbefreiung des Schuldners42. Es scheint nun fast evident zu sein, daß diese Haftungsbefreiung dem Verkäufer auch dann zugute kommen muß, wenn sein Vorlieferant ein Opfer höherer Gewalt wird - insbesondere dann, wenn ein anderer Vorlieferant nicht in Betracht kommt43. Verkauft der Vertragshändler eines Automobilwerks ein Auto und kann er, trotz pünktlicher Weiterleitung der Bestellung, den Vertrag nicht erfüllen, weil das Herstellerwerk abgebrannt ist, muß er nach Art. 79 II befreit sein. Unter deutschem Recht sollte man, nach dem Grundgedanken der Lehre vom „einfachen" Gattungskauf und der hieraus folgenden Einschränkung des §279 BGB, genauso entscheiden44 (im Automobilhandel vereinbaren die Vertragshändler mit ihren Kunden üblicherweise Höhere-Gewalt-Klau-

42 A . A . Schlechtriem aaO (Fn.8) S . 9 8 F n . 4 3 3 ; Enderlein/Maskow/Stargardt aaO (Fn. 15) A r t . 79 A n m . 6; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll Art. 79 Rdn. 36. Stoll aaO weist darauf hin, A r t . 79 II enthalte eine „Haftungsverschärfung, mindestens im Sinne der Klarstellung, daß eine Erfüllungsübernahme durch Dritte stets auf das Risiko des Schuldners geschieht". Dem ist nicht zu widersprechen, allerdings hätte es hierzu einer Klarstellung nicht bedurft, vgl. - zu Art. 74 E K G , der eine solche Klarstellung nicht enthielt - Dölle/Stoll aaO (Fn.24) Art. 74 Rdn. 66. Der wesentliche Inhalt des A r t . 79 II bleibt jedenfalls der, daß die Entlastungsmöglichkeit des Art. 7 9 1 auf die vom Verkäufer bei der Erfüllung zur Hilfe gezogenen selbständigen Unternehmen erstreckt wird. 43 Für Anwendbarkeit des Art. 79 II in einem solchen Fall Honnold aaO (Fn. 16) Rdn. 433. 44 Vgl. dazu R G Z 57, 116: Verkauf von Baumwollsaatmehl aus der Produktion einer bestimmten Mühle durch einen Händler; kurz vor dem Liefertermin brannte die Mühle ab. In einem solchen Fall haftet der Händler nicht. Auf die vom R G erörterte Frage, ob die Beschaffung der Ware von dritter Seite noch möglich war, kann es nicht ankommen.

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sein, bezogen auf das Herstellerwerk 4 5 ; das liegt ganz auf der Linie, die Art. 7 9 für internationale Kaufverträge vorzeichnet).

3. Ergebnis des Vergleichs Insgesamt unterscheidet die Haftung des Verkäufers für Lieferverzug nach deutschem Recht und nach Einheitskaufrecht sich allenfalls in Nuancen. D e r hauptsächliche Grund der Ubereinstimmung liegt darin, daß hier auch das deutsche Recht v o m Prinzip der

Garantiehaftung

ausgeht: das gilt durchweg für den Gattungskauf (§ 2 7 9 B G B ) und für den Stückkauf insoweit, als es u m den wichtigen Fall der Haftung für das anfängliche Leistungsvermögen geht.

VI. Lieferung vertragswidriger Ware 1. Einheitskaufrecht: Gesetzliche

Garantiehaftung

Bei der Sachmängelhaftung liegen die Dinge anders. N a c h Einheitskaufrecht kann man sich nur schwer Fälle vorstellen, in denen die Entlastungsregel des Art. 79 bei Lieferung mangelhafter W a r e eingreift 46 . Man kann hierfür zwar Beispiele konstruieren, so ζ. B . den Fall, daß ein Verkäufer von Apfelsinen Opfer eines Attentats wird: Terroristen vergiften heimlich die zur Lieferung bereitgestellten Apfelsinen und geben dies

45 Vgl. Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern IV 4; Abdruck bei Reinking/Eggert, Der Autokauf, 4. Aufl. 1990, S. 277 ff. 46 Streitig ist bereits, ob Art. 791 den Fall des Sachmangels überhaupt erfaßt. Bejahend Stoll aaO (Fn. 27) S.275f.; ders. in v. Caemmerer/Schlechtriem aaO (Fn. 5) Art. 79 Rdn. 10, 45; Vischer, Gemeinsame Bestimmungen über Verpflichtungen des Verkäufers und des Käufers, in: Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (Hrsg.), Wiener Ubereinkommen von 1980 über den internationalen Warenkauf (Zürich 1985) S. 173, 177f.; Hjerner, Diskussionsbemerkung, ebda. S. 185; Saiger aaO (Fn.29) S. 127; U.Huber, RabelsZ 43 (1979), 413, 465f. A.A. Honnold aaO (Fn. 16) Rdn. 427; Nicholas aaO (Fn.23) S. 5-10 ff.; Bianca/Bonell/ Talion aaO (Fn. 16) Art. 79 Anm. 2.6.2. Das Gegenargument ist, daß das Vorliegen eines „Hinderungsgrunds" schon, rein begrifflich gesehen, ein nachträgliches Leistungshindernis voraussetze; außerdem liege der Grund der Vertragsverletzung im allgemeinen nicht im Sachmangel als solchem - der, wenn er erst einmal bekannt sei, vom Verkäufer unschwer vermieden werden könnte, sei es durch Reparatur, sei es durch Auswechselung gegen ein fehlerfreies Stück - , sondern in der Unkenntnis des Verkäufers vom Sachmangel; diese könne aber nicht als „Hinderungsgrund" für fehlerfreie Erfüllung im Sinn des Gesetzes angesehen werden (vgl. vor allem Nicholas aaO, Fn. 23, S. 5-13 ff.).

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nach der Lieferung öffentlich bekannt 47 . Das ist in der Tat ein Fall höherer Gewalt, und der Verkäufer ist von der Schadensersatzhaftung entlastet. Aber normalerweise ist eine Entlastung nicht möglich. Ist der Verkäufer selbst Hersteller der mangelhaften Ware, so kann ihm Art. 791 schon deshalb nicht helfen, weil der Sachmangel innerhalb seines „Einflußbereichs" entstanden ist 48 . Hat der Verkäufer mangelhafte Vor- oder Teilprodukte von Dritten bezogen, so kann ihn das nicht entlasten, weil die Vertragsverletzung des Zulieferanten, wie bereits dargestellt, kein Entlastungsgrund ist. Art. 79 II kann dem Verkäufer auch dann nicht zugutekommen, wenn man den Anwendungsbereich der Bestimmung auf Zulieferanten erstreckt, weil der Fehler im Einflußbereich des Zulieferanten oder - bei längeren Lieferketten - im Einflußbereich eines weiter entfernten Zulieferanten seine Wurzel hat. Entsprechendes gilt, wenn ein Händler mangelhafte Ware liefert, die er von einem Dritten bereits in mangelhaftem Zustand bezogen hat49. Nach dem System des Einheitskaufrechts kommt es auf eine „Untersuchungspflicht" des Herstellers oder Händlers nicht an50. Die Frage der Untersuchungspflicht des Händlers spielt nur eine Rolle für das deutsche Recht, soweit es um einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung geht; insoweit gilt nach deutschem Recht das Verschuldensprinzip. Für das Einheitskaufrecht gilt der Grundsatz der Garantiehaftung, und hieraus folgt, im Fall des Sachmangels wie im Fall des Verzugs, das einfache Prinzip, daß der Verkäufer für seine Bezugs-

47 Vgl. Stoll aaO (Fn.27) S.276; vgl. auch das von Honnold aaO (Fn. 16) Rdn. 310 f. diskutierte Beispiel eines durch höhere Gewalt (Schiffsblockade auf Grund kriegerischer Ereignisse) verursachten Sachmangels. 48 Vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll aaO (Fn. 5) Art. 79 Rdn. 46; zur übereinstimmenden Rechtslage nach dem EKG vgl. Dölle/Stoll aaO (Fn. 24) Art. 74 EKG Rdn. 102; Soergel/Lüderitz aaO (Fn.6) Art. 74 EKG Rdn. 23. Vgl. auch U. Huber, Die Haftung des Verkäufers für Verzug und Sachmängel nach dem Wiener Kaufrechtsübereinkommen, (öst.) JB1. 1989, 273, 283 f. Selbst die für „Entwicklungsfehler", früher auch von mir, erwogene Ausnahme (vgl. Huber, RabelsZ 43 [1979], 413, 496 f.; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll Art. 79 Rdn. 22) halte ich für zweifelhaft. Sicher ist, daß der Verkäufer auch für „Ausreißer" haftet, vgl. Stoll aaO m. weit. Nachw. 49 Vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll Art. 79 Rdn. 47; Saiger aaO (Fn. 29) S. 128; zum EKG ebenso v.Caemmerer AcP 178 (1978), 121, 148 = Ges.Schr. III S. 23, 50; Soergel/Lüderitz Art. 74 EKG Rdn.23; a.A. Mertens/Rehbinder, Internationales Kaufrecht (1975), Art. 74 EKG Rdn. 17. 50 In der Konstruktion abweichend Huber RabelsZ 43 (1979), 413, 496 f. Die dort vertretene Ansicht, eine Haftung des Zwischenhändlers für schlechterdings unerkennbare Mängel sei zu verneinen, wird zwar von Stoll aaO (Fn. 49) geteilt; trotzdem möchte ich an ihr nicht festhalten. Da es im Einheitskaufrecht nicht um Verschuldenshaftung geht, kann es auf Erkennbarkeit überhaupt nicht ankommen. Vgl. auch U. Huber (öst.) JB1. 1989, 273, 284.

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quelle einzustehen hat; v. Caemmerer hat das schon für das Haager Kaufrecht von 1964 überzeugend dargelegt51. Mit nur geringfügiger Vereinfachung kann man sagen, daß der Verkäufer nach Einheitskaufrecht kraft Gesetzes so haftet, wie nach deutschem Recht ein Verkäufer, der die Gebrauchstauglichkeit und Fehlerfreiheit der verkauften Ware im Sinn des §459 Abs. 2 zugesichert hat52.

2. Deutsches Kaufrecht: Zusicherungshaftung oder Verschuldenshaftung Im deutschen Kaufrecht ist nun, wenn man den Gebrauchtwagenhandel beiseiteläßt53, die Zusicherung, auch die „stillschweigende" Zusicherung, die Ausnahme, die besonderer Begründung bedarf, die einfache Haftung nach §459 Abs. 1 die Regel54. Der Gebrauchtwagenhandel ist ein nicht repräsentativer Sonderfall, weil es hier im Kern nicht um eine auf Schadensersatz gerichtete Garantiehaftung geht, sondern um die Unwirksamkeit der Freizeichnungsklausel gemäß § 11 Nr. 11 AGB-Gesetz, soweit der Verkäufer individuelle Aussagen über den Zustand des Fahrzeugs gemacht hat 55 . Im allgemeinen aber geht die Rechtsprechung von den Prinzipien aus, daß die Beschreibung der Sache im Kaufvertrag nicht als Zusicherung anzusehen ist, und daß die Tauglichkeit der Sache zum vertraglich vorausgesetzten Gebrauch nicht als stillschweigend zugesichert gilt. Die einfache Fehlerhaftung gemäß §459 I, die daher bei uns in der Praxis den Regelfall darstellt, beschränkt sich auf Wandelung und Minderung; der Käufer bekommt keinen Schadensersatz. Allerdings können ergänzende Anspruchsgrundlagen eingreifen. Soweit der Käufer infolge des Mangels einen Personen- und Sachschaden erleidet, haftet der Verkäufer gegebenenfalls nach §8231 BGB; dieser Fall soll hier nicht weiter vertieft werden (Personenschäden fallen übrigens nicht in den Regelungsbereich des Einheitskaufrechts, Art. 5; bei Sachschäden könnte es dagegen 51

v. Caemmerer AcP 178 (1978), 121, 148 = Ges.Schr. III S.23, 50. Vgl. auch v. Caemmerer/Schlechtriem/Huber aaO (Fn.5) Art. 45 Rdn.9c. Im Ergebnis ist deshalb Nicholas zuzustimmen, aaO (Fn. 23) S. 5-14: unter „impediment" im Sinn des Art. 79 I ist zu verstehen „a barrier to performance which is external to the party and the thing concerned". 53 Zum Gebrauchtwagenhandel vgl. die Nachweise in Soergel/Huber §459 Rdn. 176, 180 (in der 12. Aufl.: §459 Rdn.309ff., 314f.) sowie U . H u b e r , Anmerkung, JZ 1988, 923. 54 Vgl. Soergel/Huber §459 Rdn. 116 m. weit. Nachw. (in der 12.Aufl.: Rdn. 80 ff. vor § 459). 55 Vgl. Soergel/Huber §459 Rdn. 125 f. (in der 12. Aufl.: Rdn. 92 vor §459); Huber JZ 1988, 923 f. 52

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zu einer Konkurrenz zwischen der Haftung aus Art. 45 I b und § 823 B G B kommen 5 6 ). Außerdem haftet der Verkäufer für Fehler im Sinn des § 4 5 9 Abs. 1, im Fall des Verschuldens, aus positiver

Vertragsverletzung.

Diese

Haftung erfaßt, anders als die Haftung aus unerlaubter Handlung, außer Personen- und Sachschäden, auch reine Vermögensschäden des Käufers 5 7 , also ζ. B. Arbeitskosten, Kosten wegen Materialaufwands und Transportkosten, die bei einem fehlgeschlagenen Versuch, die mangelhafte Sache zu verarbeiten, entstanden sind 5 8 , und hierin liegt ihre eigentliche Bedeutung 5 9 . Bei Personen- und Sachschäden ist die Haftung aus § 8 2 3 1 im allgemeinen für den Käufer günstiger und die Haftung aus positiver Vertragsverletzung nur von untergeordneter Bedeutung 6 0 . Die Haftung aus positiver Vertragsverletzung für Vermögensschäden beschränkt sich allerdings nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf solche Vermögensschäden, die „Mangelfolgeschäden" darstellen 61 , und erfaßt nicht die „eigentlichen Mangelschäden", das heißt ζ. B . nicht die Kosten einer Beseitigung des Fehlers und nicht den entgangenen Gewinn 6 2 .

3. Vergleich der beiden Regelungen Bei einem Vergleich des Einheitskaufrechts mit dem deutschen Recht muß man unterscheiden, ob der Käufer v o m Hersteller oder v o m Händler kauft. Denn das Verschuldensprinzip, das nach deutschem Recht regelmäVgl. v. Caemmerer/Schlechtriem/Huber aaO (Fn.5) Art. 45 Rdn.87ff. B G H Z 77, 215, 217. 58 Vgl. Soergel/Huber §463 Rdn.84 m. weit. Nachw. (in der 12. Aufl.: §463 Anh. Rdn. 32ff.). 59 Vgl. Soergel/Huber Rdn. 54 vor §459 (12. Aufl.: Rdn. 45 vor §459). 60 Das beruht vor allem auf der günstigeren deliktsrechtlichen Verjährungsregel des §852 BGB im Vergleich zur sachmängelrechtlichen Verjährungsregel des §477 B G B , die auf Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung, soweit sie auf Sachmängel gestützt sind, entsprechend anzuwenden ist (vgl. Soergel/Huber § 463 Rdn.76ff. m. weit. Nachw.; in der 12. Aufl.: Rdn.67ff. vor §459). Ein anschauliches Beispiel für diesen Vorzug des Deliktsrechts bietet die (umstrittene) Rechtsprechung des B G H zu den „weiterfressenden" Mängeln. Vgl. B G H Z 67, 359; B G H WM 1978, 1172; B G H Z 86, 256; B G H WM 1985, 919 = NJW 1985, 2420. 56 57

61 Grundlegend R G D R 1941, 637, 638; B G H Z 77, 215, 218; vgl. auch B G H NJW 1965, 532 = LM Nr. 12 zu §463; WM 1980, 1388, 1389 = N J W 1981, 222, 223; WM 1988, 716, 717 = NJW 1988, 1202 (insoweit nicht in B G H Z 103, 39). Die in der Literatur geäußerte Kritik - vgl. insbesondere A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl. (1969) §30 II 1 b; v. Caemmerer, Mortuus redhibetur, in: Festschr. für Latenz (1973) S. 621, 626 f. = Ges.Schr. III (1983) S. 167, 172 f. - hat in der Rechtsprechung keinen Widerhall gefunden. M. E. wäre die Gegenansicht vorzuziehen, vgl. Soergel/Huber §463 Rdn. 69ff. (12. Aufl.: Rdn. 55 ff. vor §459). 62 Vgl. dazu Soergel/Huber §463 Rdn. 83 m. weit. Nachw. (12. Aufl.: §463 Anh. Rdn. 23, 28).

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ßig, außer in den Fällen besonderer Zusicherung, die Grundlage der Schadensersatzhaftung des Verkäufers für Sachmängel darstellt, hat für den Hersteller schärfere Konsequenzen als für den Händler.

a) Kauf vom Hersteller Beim Kauf vom Hersteller greift nach deutschem Recht die Haftung aus positiver Vertragsverletzung ohne weiteres ein, wenn der Sachmangel auf einem Fabrikationsfehler beruht. Das wird in der deutschen Literatur häufig nicht richtig dargestellt und deshalb auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht immer richtig gesehen. Unrichtig (und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchaus unvereinbar) ist vor allem die Vorstellung, die Haftung aus positiver Vertragsverletzung setze voraus, daß der Verkäufer irgendwelche sogenannten „Nebenpflichten" oder eine „über die bloße Lieferung hinausgehende Verhaltenspflicht" schuldhaft verletze, namentlich „Aufklärungs-, Beratungs- und Untersuchungspflichten" 63 . Die Lieferung einer fehlerhaften Sache ist vielmehr, nach deutschem so gut wie nach Einheitskaufrecht, als solche eine Vertragsverletzung. Der B G H hat das kürzlich, in Abänderung einer Entscheidung des O L G Frankfurt, nochmals bekräftigt 64 . Die dogmatische Grundlage hat Flume schon vor mehr als vierzig Jahren dargestellt65. Der Verkäufer haftet für diese Vertragsverletzung - nach deutschem Recht - , wenn Verschulden hinzukommt. Das Verschulden liegt nun aber, wenn der Verkäufer selbst der Hersteller ist, einfach darin, daß die Sache schuldhaft fehlerhaft hergestellt worden ist 66 . Da die Herstellung im Herrschaftsund Verantwortungsbereich des Verkäufers erfolgt ist, wird ein solches Verschulden vermutet67. Der Verkäufer, der zugleich Hersteller ist und

63 Vgl. Putzo in Palandt, BGB, 49. Aufl. (1990), A n m . 2 b vor §459; ebenso Vollkommer in Jauernig, BGB, 4. Aufl. (1987), § 4 5 9 Anm. IV 6; Wiedemann in Soergel, BGB, 11. Aufl. (1986), Rdn.259 vor §275 (demnächst in 12. Aufl., vgl. dort Rdn.419 vor §275); KG NJW-RR 1986, 1162. Von der Verletzung einer „Nebenpflicht" sprechen auch Honseil in Staudinger, BGB, 12. Aufl. (1978), Rdn. 38 vor §459; H . P . Westermann in Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl. (1988), §463 Rdn. 32. 64 Vgl. B G H WM 1989, 575, 577 = BB 1989, 517. Zutreffend auch O L G Düsseldorf WM 1989, 459, 462; vgl. auch Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 4. Aufl. (1989) S. 214. 65 Vgl. Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf (1948), insbesondere S. 13 ff., 33 ff., 41 ff. u B G H aaO (Fn. 64). 67 B G H Z 59, 303, 309; vgl. auch B G H LM N r . 6 zu §377 HGB; LM N r . 3 6 zu §433 BGB = J Z 1971, 29 = VersR 1971, 80.

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fehlerhaft hergestellte Ware liefert, muß also, um der Haftung aus positiver Vertragsverletzung zu entgehen, den Entlastungsbeweis führen, daß kein Verschulden vorliegt. Dieser Entlastungsbeweis wird ihm kaum einmal gelingen. Anders ist es nur, wenn der Fehler in einem Teil der Kaufsache seinen Ursprung hat, den der Verkäufer von dritter Seite zugekauft hat. Hier kann das Verschulden des Verkäufers nur darin bestehen, daß er den Fehler nicht entdeckt hat. Eine Pflicht des Verkäufers, zugekaufte Teile vor Verwendung auf verborgene Fehler zu untersuchen, kann im allgemeinen nicht angenommen werden68, und insoweit besteht auch keine Verschuldensvermutung. Der Unterschied zwischen der Haftung für Sachmängel nach deutschem Recht und nach Einheitskaufrecht ist also, wenn der Verkäufer selbst Hersteller der verkauften Sache ist, praktisch nicht so groß, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Prinzipiell ist eine Schadensersatzhaftung in beiden Fällen begründet. Die Schadensersatzhaftung nach Einheitskaufrecht geht allerdings in zwei Richtungen einen wesentlichen Schritt weiter als die Haftung aus positiver Vertragsverletzung nach deutschem Recht. Erstens umfaßt sie nicht nur Mangelfolgeschäden, sondern auch die „eigentlichen" Mangelschäden, und zweitens erstreckt sie sich auch auf die von dritter Seite zugelieferten Teile. b) Kauf vom Händler Anders ist die Lage beim Verkauf durch den Händler. Grundlegend für die Haftung des Händlers nach deutschem Recht ist eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 196869. Ein Kraftstoffhändler hatte Dieselkraftstoff verkauft. Der vom Vorlieferanten des Verkäufers gelieferte Kraftstoff entsprach nicht der im Kaufvertrag festgelegten DIN-Norm, und die Motoren des Käufers wurden zerstört. Der BGH hat den Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer abgewiesen und dabei drei Regeln formuliert, um den Verkäufer vor der Haftung zu bewahren. 1. Die Bezeichnung der DIN-Norm im Kaufvertrag ist bloße Warenbeschreibung, keine Zusicherung70; der Verkäufer haftete daher nur wegen eines einfachen Sachmangels gemäß § 4591 auf Wandelung und Minderung, nicht wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gemäß 68 Die Entscheidung BGH VersR 1972, 953, 954 (Pflicht des Verkäufers, die Ventile gebrauchter Propangasflaschen vor der Abfüllung zu überprüfen) betrifft einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall. 69 BGH W M 1968, 1249 = NJW 1968, 2238. n BGH aaO (Fn.69). Ebenso BGHZ 59, 303, 308; BGH W M 1974, 1204, 1205; WM 1980, 1035 = NJW 1980, 1950 (insoweit nicht in BGHZ 77, 215, 217); WM 1981, 558 = NJW 1981, 1501.

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§§45911, 463, 480 II auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. 2. Der Händler ist zur Untersuchung der Ware, die er von Dritten bezieht, nicht verpflichtet 7 1 ; der Verkäufer haftete daher auch nicht aus positiver Vertragsverletzung wegen eigenen Verschuldens gemäß § 2 7 6 B G B . 3. Der Vorlieferant ist nicht der Erfüllungsgehilfe des Händlers 7 2 ; der Verkäufer haftete deshalb f ü r das Verschulden des Vorlieferanten auch nicht gemäß § 2 7 8 B G B aus positiver Vertragsverletzung. D u r c h die Kombination dieser drei Regeln hat der B G H eine Schutzzone u m die Händler gezogen. D a s ist sicher aus wohlerwogenen Gründen geschehen: der B G H wollte die Händler insgesamt vor einer Vertragshaftung für Produktschäden bewahren. Wenig später ist dann die „Hühnerpest"-Entscheidung ergangen 7 3 . D i e Absage, die der B G H dort allen Versuchen erteilt hat, die Produkthaftung auf Vertragskonstruktionen z u stützen, und die Ansiedlung der Produkthaftpflicht im Deliktsrecht dient dem gleichen Zweck: der Hersteller, nicht der Händler soll f ü r Produktschäden haften 7 4 . Im einheitlichen Kaufrecht besteht diese Schutzzone für den Händler nicht. Der Kraftstoffhändler aus dem Fall des B G H hätte nach Einheitskaufrecht dem Käufer Schadensersatz f ü r die zerstörten Motoren gemäß Art. 4 5 1 b zahlen müssen. Eine Entlastung nach Art. 791 wäre nicht in Betracht gekommen, weil der Verkäufer „für seine Bezugsquelle einstehen" muß 7 5 . Eine Entlastung nach Art. 79 II wäre - auch wenn man den Anwendungsbereich der Bestimmung auf den Vorlieferanten erstreckt nicht möglich gewesen, weil der Vorlieferant nicht entlastet war. Es hätte dem Kraftstoffhändler auch nichts geholfen, daß nach Art. 74 Satz 2 des Ubereinkommens nur der Schaden zu ersetzen ist, „den die Vertragsbrüchige Partei bei Vertragsabschluß als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder unter Berücksichtigung der Umstände, die sie kannte oder kennen mußte, hätte voraussehen m ü s s e n " . D a ß Dieselkraftstoff z u m Betrieb von Motoren verwendet wird und daß nicht normgerechter Dieselkraftstoff f ü r Motoren schädlich ist, ist ohne weiteres voraussehbar. Art. 74 Satz 2 sagt nicht, daß der Verkäufer nur für

71 BGH aaO (Fn.69). Ebenso B G H VersR 1956, 259 = LM Nr. 2 zu §276 BGB (Hb); WM 1971, 1121, 1122 = BB 1971, 1172; WM 1977, 584, 586 = NJW 1977, 1055; B G H Z 74, 383, 388; BGH NJW 1981, 928, 929; WM 1981, 382 = NJW 1981, 1269. Vgl. auch schon R G JW 1910, 748; RGZ 125, 76, 78. 72 B G H aaO (Fn.69). Ebenso B G H WM 1977, 220 = BB 1977, 469; NJW 1981, 1269, 1270; WM 1984, 1059. 73 BGHZ 51, 91. 74 Auch das ProdukthaftungsG vom 15.12.1989, BGB1.I S.2198, siedelt die Haftung grundsätzlich beim Hersteller und nur ausnahmsweise beim Händler an, vgl. §4. 75 v. Caemmerer AcP 178 (1978), 121, 148 = Ges.Schr. III S.23, 50.

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solche Schäden haftet, die er verschuldet hat 7 6 , sondern er besagt, daß die Garantiehaftung sich nur auf voraussehbare Schäden erstreckt und daß Schäden, die inadäquat verursacht sind oder nicht im Schutzbereich der Vertragsgarantie liegen oder das v o m Verkäufer überschaubare Risiko überschreiten, nicht zu ersetzen sind 7 7 . Der Kraftstoffhändler müßte also, um es zu wiederholen, nach Einheitskaufrecht so haften, wie er nach deutschem Kaufrecht gehaftet hätte, wenn der B G H die Erwähnung der D I N - N o r m im Kaufvertrag als Zusicherung angesehen hätte.

VII. Folgerungen für das deutsche Recht - de lege ferenda und de lege lata Uberlegt man sich, welche Folgerungen hieraus für das

deutsche

(interne) Recht zu ziehen sind, so ist zwischen Folgerungen de lege ferenda und de lege lata zu unterscheiden.

1. De lege ferenda Die Kommission, die der Bundesjustizminister eingesetzt hat,

um

Vorschläge für etwaige Änderungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, des Sachmängelrechts und des Werkmängelrechts vorzulegen 7 8 , will ihre Arbeit bis Ende des Jahres beenden 7 9 . Sollte es zu Änderungen des Sachmängelrechts kommen, so ist mit Sicherheit das Verhältnis von Fehlerhaftung gemäß § 4 5 9 Abs. 1 und Zusicherungshaftung gemäß § 4 5 9 Abs. 2 besonders bedenkenswert 8 0 . Die gegenwärtige Rechtslage, die dar76 Vgl. Stoll aaO (Fn.27) S.261; v. Caemmerer/Schlechtriem/Stoll aaO (Fn. 5) Art. 74 Rdn. 4, 27; unrichtig LG Duisburg RIW 1977, 424 = Schlechtriem/ Magnus aaO (Fn. 6) Art. 43 E K G Nr. 2 (zur insoweit übereinstimmenden Vorschrift des Art. 82 EKG). 77 Vgl. dazu im einzelnen v. Caemmerer/Dölle/Stoll aaO (Fn. 5) Art. 74 Rdn. 26 ff. 78 Vgl. dazu Engelhard, Zu den Aufgaben einer Kommission für die Überarbeitung des Schuldrechts, NJW 1984, 1201. 79 Uber die bisherigen Arbeiten berichten R.Schubert, Der Einfluß des Einheitskaufsrechts auf die Schuldrechtsreform in der Bundesrepublik Deutschland, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987), S. 415 ff.; Medicus, Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188 (1988), 168. 80 Die gegenwärtigen Pläne der Kommission bleiben im Bericht von Medicus aaO (Fn. 79) S. 173, 176 undeutlich. Offenbar soll die Zweispurigkeit der Haftung für Fehler und für zugesicherte Eigenschaften beseitigt werden. An ihre Stelle soll die Verschuldenshaftung (§276 neu) treten. Hierzu wird eine „Randkorrektur" erwogen, die „deutlicher machen" soll, daß „den Schuldner auch eine Garantiehaftung treffen kann"; hierdurch werde „die Zusicherungshaftung (gemäß) §463 erweitert". Wenn damit nur gesagt sein soll, daß der Verkäufer für Verschulden

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auf hinausläuft, daß der inländische Verkäufer einem inländischen Käufer weniger streng haftet als einem ausländischen Käufer, und daß der ausländische Verkäufer, der ins Inland verkauft, strenger haftet als der inländische Verkäufer, ist schwer zu rechtfertigen. Solche Differenzen wirken vor allem dann störend, wenn man sich vorstellt, daß sie innerhalb eines europäischen Binnenmarkts auftreten. Der Gesetzgeber, der für seinen Außenhandel das Einheitskaufrecht mit seiner Garantiehaftung in Kraft setzt, sollte dort, wo wirkliche Differenzen in der Wertung und in den praktischen Konsequenzen bestehen, das Recht für Binnenkäufe anpassen. Das gilt um so mehr, als die Garantiehaftung einen Grundzug jeden Kaufvertrags betrifft und mit Eigentümlichkeiten des grenzüberschreitenden Handels nichts zu tun hat. Wie dargelegt, besteht bei der Verzugshaftung kein ins Gewicht fallender Anpassungsbedarf, obwohl meiner Ansicht nach auch hier die Regel des Art. 79 gegenüber der des §279 BGB gewisse Vorzüge aufweist. Der Anpassungsbedarf beschränkt sich auf die Sachmängelhaftung. Hier sollte man sich überlegen, ob es nicht doch an der Zeit ist, die Haftung gemäß § 459 II zur Regelhaftung zu erheben. Allerdings ist dabei noch eines zu bedenken. Das einheitliche Kaufrecht hat einen gewerblichen, professionell tätigen Verkäufer im Auge. Das ist zwar im Ubereinkommen so nicht gesagt. Gesagt ist nur, daß der Käufer nicht im privaten Bereich tätig sein darf; Kaufverträge für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt, Privatkäufe also, fallen nach Art. 2 a nicht unter das Ubereinkommen. Ein Käufer, der im Rahmen einer gewerblichen, beruflichen oder öffentlichen Tätigkeit einkauft, und dies auch noch im Ausland, wird aber stets bei einem gewerblichen Verkäufer kaufen. An die Lage des privaten Verkäufers brauchten die Verfasser des Ubereinkommens also nicht zu denken. Und diese Lage ist, de lege ferenda betrachtet, eine besondere. Daß den gewerblichen Verkäufer für die Qualität seiner Ware eine Garantiehaftung trifft, ist gut zu begründen80a; daß den privaten Verkäufer für Gegenstände, die er aus seinem Privatvermögen verkauft, eine solche Haftung treffen soll, leuchtet weniger ein81. Für Privatverkäufe sollte es deshalb auch de lege ferenda bei der Haftung nach §4591 bleiben. Die Haftung aus positiver Vertragsverletzung im Fall des Verschuldens mag daneben haftet und ohne Verschulden, wenn er vertraglich eine besondere Garantiehaftung übernimmt, so würde das bedeuten, daß es bei der bisherigen Regelung i. S. der § § 4 5 9 , 462, 463, 480 II bleibt. Vgl. Flume aaO ( F n . 6 5 ) S.55 F n . 8 3 . Deswegen war zum E K G - das wegen Fehlens einer dem Art. 2 a des Wiener Ubereinkommens entsprechenden Bestimmung leichter auf private internationale Verkäufe Anwendung finden konnte als das UN-Einheitskaufrecht — erwogen worden, für Verkäufe aus dem privaten Vermögen die Auslegung des 80i 81

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bestehen bleiben; soviel man sehen kann, spielt sie allerdings bei Kaufverträgen im Privatbereich keine wesentliche Rolle. Mit einer solchen Differenzierung zwischen einer auf Schadensersatz gerichteten Garantiehaftung hei gewerblichen Verkäufen und einer einfachen auf Wandelung und Minderung beschränkten Haftung bei Privatverkäufen würde übrigens ein Vorschlag aufgegriffen, der schon bei den Gesetzgebungsarbeiten zum BGB diskutiert worden ist82, sich aber damals gegen die aus dem römischen Recht überkommene Tradition83 nicht hat durchsetzen können84. 2. De lege

lata

Das aber ist Zukunftsmusik. Für die Gegenwart und das heißt de lege lata ist folgendes zu sagen: Meiner Ansicht nach sollte die Rechtsprechung hier dem Gesetzgeber nicht vorgreifen. Das Inkrafttreten des neuen Einheitskaufrechts ist kein Anlaß, den Gerichtsgebrauch zu korrigieren. Wie der Fall des Kraftstoffhändlers zeigt, wären solche Korrekturen in mehrfacher Hinsicht denkbar. Man könnte erstens bei der Zusicherung ansetzen und mit der Annahme stillschweigender Zusicherungen großzügiger sein als bisher. Das ist wiederholt vorgeschlagen worden85. Man könnte zweitens aber auch beim Verschulden ansetzen und die Haftung aus positiver Vertragsverletzung dadurch erweitern, daß man dem Verkäufer, der Ware weiterverkauft, die er von dritter Seite bezogen hat, eine Untersuchungspflicht auferlegt oder daß man den Vorlieferanten als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers ansieht. Dieser zweite Weg einer Erweiterung der Verschuldenshaftung muß, wie ich glaube, von vornherein ausscheiden. Wo das Verschuldensprinzip gilt, sollte es ernst genommen werden und nicht durch Verschuldens- und Zurechnungsfiktionen Art. 74 EKG (= Art. 79 UN-Ubereinkommen) stärker dem Verschuldensprinzip anzugleichen. So Dölle/Stoll aaO (Fn.24) Art. 74 EKG Rdn. 106; ebenso für Mangelfolgeschäden v.Caemmerer AcP 178 (1978), 121, 149 = Ges.Schr. III S. 2 3 , 5 1 . 82 Vgl. dazu Prot. I S . 6 8 7 f „ 689 f. 83 Vgl. Soergel/Huber R d n . l 9 f . vor §459 m. weit. Nachw. (12. Aufl.: Rdn. 6 ff. vor §459). 84 Vgl. Soergel/Huber Rdn.22ff. vor §459 (12. Aufl.: Rdn.9ff. vor §459). 85 Vgl. - unterschiedlich weitgehend und mit ganz unterschiedlichem dogmatischen Ansatz - Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag (1981) S. 310 ff.; G. Hager, Zum Schutzbereich der Produzentenhaftung, AcP 184 (1984), 413, 433; Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht (1985) S. 135 ff.; Schack, Die Zusicherung beim Kauf, AcP 185 (1985), 333, 356 f.; Baumann, Grundlinien eines „beweglichen Systems" der Sachmängelhaftung beim Kauf, AcP 187 (1987), 511, 525f.; Böckler, Die Entwicklung der Zusicherung in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (1987) passim, besonders S.45f., 48 ff., 69, 129 ff., 158 ff., 193 ff., 214 ff.

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ausgehöhlt und denaturiert werden. Und es wäre eine Fiktion, zu behaupten, daß ein ordentlicher Händler seine Ware Stück für Stück auf Fehler untersucht, und ebenso, zu behaupten, der Hersteller wäre der Gehilfe des Händlers bei der Vertragserfüllung, der etwas tut, was eigentlich der Händler selbst zu tun hätte. Was die stillschweigende Zusicherung betrifft, so sollte die Rechtsprechung sie nicht zur Regel erheben, nachdem sie neunzig Jahre lang, im großen und ganzen jedenfalls, anders verfahren ist. Die Lösung, daß die einfache Haftung die Regel, die Zusicherungshaftung die Ausnahme ist, ist die Lösung des Gesetzes, die durch eine langdauernde Übung der Rechtsprechung bestätigt ist. Die Rechtsprechung sollte sie nicht von sich aus ändern. Es ist Sache der für die Gesetzgebung zuständigen Organe, zu entscheiden, ob der Rechtszustand mit Rücksicht auf das Einheitskaufrecht revidiert werden soll. Sehen sie von der Revision ab, so wäre das auch eine Entscheidung, die zu respektieren wäre. Dagegen bestätigt das Einheitskaufrecht, daß die Rechtsprechung sich auf den richtigen Weg begeben hat, indem sie die Haftung nach §4591 BGB überhaupt um eine ungeschriebene Schadensersatzhaftung wegen Vertragsverletzung ergänzt hat, wenn auch, dem Grundprinzip des § 276 BGB folgend, um eine verschuldensabhängige Haftung. De lege lata sollte man aus der Tatsache, daß das Einheitskaufrecht eine noch weitergehende Haftung anordnet, den Schluß ziehen, daß es eher richtig ist, diesen Ansatz zu verstärken als ihn abzuschwächen. Bei der ohnehin problematischen Abgrenzung zwischen ersatzfähigen „Mangelfolgeschäden" und nicht zu ersetzenden „eigentlichen Mangelschäden" 86 sollte man daher den Begriff des Mangelfolgeschadens weit und den des Mangelschadens eng fassen. Nur der durch den Mangel begründete Minderwert der Sache als solcher und der entgangene Gewinn sollte als nicht zu ersetzender eigentlicher Mangelschaden angesehen werden; jeder weitere Vermögensschaden sollte - im Fall des Verschuldens - als Mangelfolgeschaden ersetzt werden87. Und außerdem sollte das Einheitskaufrecht die Erkenntnis verstärken, daß der Sachmangel, wie Rabel gesagt hat, ein „wirklicher Fehler der Vertragserfüllung" ist88. Grundlage der Sachmängelhaftung ist auch nach deutschem Recht die Vertragswidrigkeit der Ware, also, wie das

86 Vgl. dazu Soergel/Huber §463 R d n . 8 0 f f . (12.Aufl.: vgl. §463 Anh. Rdn. 21 ff.). 87 Vgl. dazu Soergel/Huber §463 R d n . 8 3 (12.Aufl.: vgl. §463 Anh. Rdn.23, 25 f., 28). 88 Rabel, Zu den allgemeinen Bestimmungen über Nichterfüllung gegenseitiger Verträge, in: Festschrift für Dolenc u.a., 1937, S. 703, 727 = Ges.Aufs. III, 1965, S. 138, 163.

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Übereinkommen (Art. 35) sagt, die Pflicht des Verkäufers, „Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art den Anforderungen des Vertrages entspricht". Die Nichterfüllung dieser Pflicht ist Vertragsverletzung, für die der Verkäufer, solange nicht eine Garantiehaftung gesetzlich angeordnet ist, nach dem allgemeinen Rechtsprinzip des §276 BGB 8 9 jedenfalls dann zu haften hat, wenn Verschulden des Verkäufers hinzukommt oder zu vermuten ist.

89 Mit dem „allgemeinen Grundsatz" des §276 hat das RG in seiner ersten und grundlegenden Entscheidung zur Haftung des Verkäufers aus positiver Vertragsverletzung die Haftung des Verkäufers begründet, vgl. R G Z 52, 18, 19.