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German Pages 37 [40] Year 1986
Günther Barbey Bundesverfassungsgericht und einfaches Gesetz
Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin Heft 98
w DE
G_ 1986 Walter de Gruyter · Berlin · New York
Bundesverfassungsgericht und einfaches Gesetz
Von Günther Barbey
Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 22. Mai 1985
w DE
G
1986
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Dr. jur. Günther Barbey Richter am Bundesverwaltungsgericht apl. Professor an der Freien Universität Berlin
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Barbey, Günther: Bundesverfassungsgericht und einfaches Gesetz : Vortrag, gehalten vor d. Jur. Ges. zu Berlin am 22.Mai 1985/von Günther Barbey. Berlin; New York : de Gruyter, 1985. (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin ; H . 98) ISBN 311010763 5 N E : Juristische Gesellschaft (Berlin, West): Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin
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Copyright 1985 by Walter de Gruyter & C o . 1000 Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck, Berlin 36 Bindearbeiten: Verlagsbuchbinderei Dieter Mikolai, Berlin 10
Dem Andenken Günther Holsteins (22.5.1892-11.1.1931)
I. Organkompetenzen als funktionsspezifisch bestimmte Kompetenzen"' Art. 20 A b s . 2 Satz 2 des Grundgesetzes konstituiert mit den Worten, daß die Staatsgewalt durch besondere O r g a n e der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird, das Prinzip der funktionsbestimmten und funktionsgebundenen Organschaft als Organisationsprinzip für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben. D i e Vorschrift verheißt hinsichtlich der Verfassungsorgane und
verlangt
bezüglich der O r g a n e , die durch anderweitig gesetztes Recht errichtet und mit K o m p e t e n z e n versehen sind, daß die K o m p e t e n z n o r m e n , die die Rechtsmacht zur organschaftlichen A u s ü b u n g von Staatsgewalt begründen, die funktionsspezifischen Merkmale der jeweiligen Kompetenzen als kompetenzbestimmende
Merkmale unmittelbar (mit) normieren
und
dadurch gewährleisten, daß die je zugewiesene Funktion - und nur diese bei der organschaftlichen Wahrnehmung von Staatsgewalt in allen Entscheidungslagen gleichmäßig und kontinuierlich ausgeübt wird. D i e s e durchgängige Bindung der Staatsorgane an die jeweils zugewiesene Funktion und die dadurch begründete funktionsspezifische organschaftliche Entscheidungsmacht bestehen ganz unabhängig davon, wie die jeweilige O r g a n k o m p e t e n z im übrigen ausgestaltet ist und welchen weiteren verfassungsgesetzlichen oder gesetzlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und Beschränkungen - etwa durch bestimmte Grundrechte oder durch besondere gesetzliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen - die konkret zu treffenden Entscheidungen außerdem unterworfen sind: D i e nicht funktionsspezifischen rechtlichen Determinanten der organschaftlichen Entscheidungen lassen deren Funktion unberührt. Sie verändern nicht etwa diese Funktion nach Maßgabe der variablen Anforderungen, die an die organschaftlichen Entscheidungen je nach der konkreten Entscheidungslage gestellt werden, und nivellieren die funktionsspezifischen
* Der Vortrag mutete dem Hörer zu, sich auf eine ungewohnte Begrifflichkeit einzulassen, und schuldete ihm deshalb eine straffe Gedankenführung. Dem Leser werden nähere Aufschlüsse über den Untergrund der vorgetragenen Thesen geschuldet. Hierzu sind dem unveränderten Text des Vortrags Fußnoten beigefügt worden.
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rechtlichen Unterschiede zwischen den Organkompetenzen auch dann nicht, wenn sie - wie die Grundrechte - von allen Staatsorganen bei Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Funktionen zu beachten sind. Die Grundrechte bringen die spezifischen Organfunktionen nicht zum Verschwinden. Art. 1 Abs. 3 G G besagt insofern, daß die Gesetzgebung als Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt als vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung als Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden sind; Art. 20 Abs. 3 G G formuliert den Gedanken der Funktionskonstanz allgemeiner dahin, daß die Staatsorgane in ihren spezifischen Funktionen an das ihre Entscheidungen determinierende Recht gebunden sind: Funktionsänderungen werden durch diese Bindungen nicht bewirkt. Sind hiernach die organschaftlichen Entscheidungen zwar nicht ausschließlich, wohl aber notwendig - in allen Entscheidungslagen - funktionsspezifisch determiniert, so ist die Einhaltung der funktionsbestimmenden Kompetenzmerkmale notwendiges Element rechtmäßiger Kompetenzwahrnehmung und insoweit sowohl rechtliche Voraussetzung als auch rechtlicher Grund der Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der dadurch gesetzten Organakte. Hieraus folgt u. a., daß die Rechtmäßigkeit eines Organakts nicht aus Gründen verneint werden kann, die die funktionsspezifischen Merkmale der Entscheidungskompetenz des erlassenden Organs negieren, die also durch diese Merkmale in Wahrheit widerlegt werden. Die gerichtliche Kontrolle der Organakte setzt deshalb voraus, daß die funktionsspezifischen Merkmale der diesen Akten zugrunde liegenden organschaftlichen Entscheidungskompetenzen zutreffend und hinreichend ermittelt und festgestellt werden. Diese Funktionsermittlung ist von außerordentlichem Gewicht, weil sie nicht nur die spezifische Funktion des kontrollierten Organs festlegt, sondern zugleich die spezifische Funktion der kontrollierenden Gerichtsbarkeit bestimmt, dadurch auch das gegenseitige Verhältnis dieser Funktionen festlegt und somit die real wirksame Funktionenverteilung maßgeblich prägt 1 . Das gilt insbesondere für das funktionale Verhältnis der Verfassungsorgane des Grundgesetzes, hier vor allem für das Verhältnis zwischen der Funktion der Gesetzgebung und der Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit.
1 Vgl. in diesem Zusammenhang G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, 1980, S.5; K.Hesse, Funktionelle Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Recht als Prozeß und Gefüge, FS für Hans Huber zum 80. Geburtstag, 1981, S.261 (270); ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 14. Aufl., 1984, Tz. 51 f., 82 bis 85; G. Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, 1979, S. 369 ff., insbes. S. 379 ff.
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II. Problemfelder des Verhältnisses von Bundesverfassungsgericht und einfachem Gesetz Fragt man nun danach, wie das Bundesverfassungsgericht das Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit in seinen Aussagen über die Funktion der Gesetzgebung bestimmt, so zeigen sich alsbald auf einigen Problemfeldern erhebliche Unklarheiten. 1. Das erste Problemfeld ergibt sich daraus, daß das Bundesverfassungsgericht - hier freilich praktisch ausnahmslos geübtem Brauch folgend - seine Aussagen zur Gesetzgebungsfunktion nicht an die Gesetzgebungskompetenzen anknüpft und aus diesen entwickelt, sondern diese Aussagen aus der Figur des Gesetzesvorbehalts herleitet, die als solche zwar Gegenstand vielfältiger Theorien, Unterscheidungen und Spekulationen, nicht aber Gegenstand verfassungsgesetzlicher Normierung ist. D a s Grundgesetz ist eine Kompetenzverfassung und keine Vorbehaltsverfassung. Aussagen über die außerhalb des positiven Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland liegende Figur des Gesetzesvorbehalts lassen sich deshalb als solche verfassungsdogmatisch nicht verifizieren, dementsprechend aber auch nicht falsifizieren. Dieser Umstand ermöglicht nicht nur das friedliche Nebeneinander unterschiedlicher Vorbehaltslehren 2 , sondern auch das Nacheinander und den Wechsel miteinander nicht zu vereinbarender Vorbehaltsaussagen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 3 . Damit ist freilich noch nicht gesagt, daß 2 Vgl. etwa die Übersicht bei E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt. Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus, 2. Aufl., 1981, S. 382 ff. Auf diese Lehren ist im vorliegenden Zusammenhang nicht näher einzugehen. 3 Kennzeichnend hierfür sind etwa: a) BVerfGE 2, 307: Gesetzesvorbehalt kraft Regelung einer Materie durch den Gesetzgeber (313 ff.); Gesetzesvorbehalt aus Herkommen, Eigenart der geregelten Materie oder aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen (316 ff.). - b) BVerfGE 8, 155: Allgemeinvorbehalt des Gesetzes für „Eingriffe in Freiheit und Eigentum" (166f.); wenngleich zweifelhaft sei, ob diese Formel noch ausreiche (167), gelte jedenfalls „auch heute" kein Gesetzesvorbehalt für die Zuständigkeiten und das Verfahren der leistungsgewährenden Verwaltung (167); (deshalb) könnten (gemeinverbindliche) Regelungen, die das Verfahren der Lastenausgleichsbehörden hinsichtlich der Gewährung von Leistungen abweichend von §345 LAG regelten (156 bis 160), aufgrund diesbezüglicher gesetzlicher Ermächtigung, die den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 G G nicht zu genügen brauche (163), durch „allgemeine Verwaltungsvorschriften getroffen werden" (163 f.); das förmliche Gesetz könne sich insofern Subsidiarität beilegen, als sich dadurch nicht eine Gewichtsverschiebung zwischen gesetzgebender Gewalt und Verwaltung ergebe (171). - c) BVerfGE 40, 237: Der Grundsatz des Vorbehalts des (allgemeinen) Gesetzes werde im Grundgesetz zwar nicht ausdrücklich erwähnt, seine Geltung ergebe sich jedoch aus Art. 20 Abs. 3 GG (248 f.); die „Freiheit und Eigentum"-Formel werde dem heutigen Verfassungsverständnis
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diese Lehren und Aussagen bei Anlegung kompetenzrechtlicher Maßstäbe jedenfalls im Ergebnis nicht auch Einsichten in die Funktion der Gesetzgebung vermitteln könnten. U m dies von einem gesicherten verfassungs-
nicht mehr voll gerecht (249); im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung liege es „näher" anzunehmen, „daß die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muß, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Abgrenzungsmerkmal des .Eingriffs'" (249); dem vom Parlament beschlossenen Gesetz komme „gegenüber dem bloßen Verwaltungshandeln die unmittelbarere demokratische Legitimation" zu, und das parlamentarische Verfahren gewährleiste u. a. größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen (249); auch außerhalb des Bereichs des Art. 80 G G habe „der Gesetzgeber die grundlegenden Entscheidungen selbst zu treffen und zu verantworten" (249 f.). - d) B V e r f G E 45, 400: D a s Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip verpflichteten den Gesetzgeber „die wesentlichen Entscheidungen im Schulwesen selbst zu treffen und nicht der Schulverwaltung zu überlassen" (417f.). - e) B V e r f G E 47, 46: Als entscheidender Fortschritt der neuen Rechtsauffassung sei anzusehen, daß der Vorbehalt des Gesetzes von seiner Bindung an überholte Formeln (Eingriff in Freiheit und Eigentum) gelöst und von seiner demokratisch-rechtsstaatlichen Funktion her auf ein neues Fundament gestellt werde (78); hierbei sei „wesentlich" als „zunächst heuristischer" Begriff zu verstehen, der im Grunde nur die „Binsenwahrheit" ausspreche, daß die „wirklich wichtigen Dinge" vor das Parlament gehörten (79). O b eine Maßnahme wesentlich sei und damit „dem Parlament selbst vorbehalten bleiben" müsse oder „zumindest aufgrund einer inhaltlich bestimmten parlamentarischen Ermächtigung ergehen" dürfe, richte sich „zunächst allgemein nach dem Grundgesetz" (79). - f) B V e r f G E 49, 89: N a c h inzwischen ständiger Rechtsprechung sei der Gesetzgeber verpflichtet - losgelöst von dem Merkmal des „Eingriffs" - in grundlegenden normativen „Bereichen", zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich sei, „alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen" (126). In welchen „Bereichen" danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedürfe, lasse sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. D i e verfassungsrechtlichen „Wertungskriterien" seien dabei „in erster Linie" den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den v o m Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen (127). Schon diese grobe Übersicht läßt die das Denken in Vorbehalten kennzeichnende Beliebigkeit in der Wahl und im Wechsel der Anknüpfungspunkte für einen Gesetzesvorbehalt hervortreten, die vor allem belegt, daß dieses Denken methodenbestimmende verfassungsrechtliche Richtigkeitskriterien nicht entwickeln kann und deswegen nicht zu einer klaren Methodik gefunden hat. Insbesondere wird das Verhältnis zwischen der K o m p e t e n z zur Gesetzgebung und dem jeweils angenommenen Gesetzesvorbehalt nicht problematisiert. Infolgedessen wird auch nicht erörtert, ob die jeweils gewählten verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte - Rechtsstaatsprinzip, Demokratieprinzip, „grundlegende normative Bereiche", Grundrechtsrelevanz der Regelung usw. - und das als „heuristischer Begriff" verstandene Wesentlichkeitspostulat überhaupt geeignet sind, die ihnen angesonnenen Leistungen zu erbringen.
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rechtlichen Standpunkt aus beurteilen zu können, ist es jedoch nötig, die Kriterien zu bestimmen, die kompetenzrechtlich für die funktionsspezifischen Merkmale der Gesetzgebung maßgeblich sind. Dies können, das sei schon vorab bemerkt, nur diejenigen Entscheidungsmerkmale sein, von denen diejenigen Vorschriften, die die Gesetzgebungskompetenz als solche regeln, die Rechtmäßigkeit und Geltung des Gesetzes als Gesetz abhängig machen. 2. D a die auf die Figur des Gesetzesvorbehalts ausgerichteten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts auf die kompetenzrechtlich erheblichen Merkmale nicht abstellen, ergeben sich für das Gericht erhebliche Schwierigkeiten - dies ist das zweite Problemfeld - die in allen Entscheidungslagen zu wahrenden funktionsspezifischen Merkmale der Gesetzgebung mit den nicht funktionsspezifischen Rechtmäßigkeitsanforderungen, die die Grundrechte an die Gesetzgebung stellen, ohne Verkürzung der Gesetzgebungsfunktion zur Übereinstimmung zu bringen. Die Grundrechte verändern die Gesetzgebungsfunktion als solche nicht. Die Rechtsprechung muß deshalb sowohl die Grundrechte als auch die verfassungsmäßige Gesetzgebung unverkürzt zur Geltung bringen. Sie darf die Grundrechte nicht zugunsten der Gesetzgebung zurücktreten lassen; sie darf aber auch nicht die verfassungsmäßige Funktion der Gesetzgebung verändern. Sie kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn nicht nur Gewicht und Reichweite der Grundrechte, sondern auch die funktionsbezogenen Rechtmäßigkeits- und Geltungsbedingungen der Gesetzgebung hinreichend bestimmt werden. Sind die kompetenzrechtlichen funktionsspezifischen Rechtmäßigkeits- und Geltungsbedingungen des Gesetzes nicht oder nicht hinreichend bekannt, so lassen sich die Probleme des wechselseitigen Einflusses von Gesetzgebung und Grundrechten nicht mehr sachgerecht strukturieren. Insbesondere ist es dann nicht mehr möglich, die den speziellen Einzelgrundrechten beigefügten Konkretisierungs-, Beschränkungs- und Eingriffskompetenzen des Gesetzgebers dem jeweiligen Einzelgrundrecht verfassungsgerecht zuzuordnen. D a s Bundesverfassungsgericht hat das Problem der sowohl grundrechtsgerechten als auch funktionsgerechten Zuordnung von Grundrechten und der funktionsspezifischen Regelungskompetenz des verfassungsmäßigen Gesetzgebers in Mitbestimmungsurteil angesprochen. Es heißt dort: „Maßstäbe der verfassungsrechtlichen Prüfung sind diejenigen Einzelgrundrechte, welche die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Einführung einer erweiterten Mitbestimmung markieren . . . Das Grundgesetz . . . normiert . . . nicht konkrete verfassungsrechtliche Grundsätze der Gestaltung des Wirtschaftslebens. Es überläßt dessen Ordnung vielmehr dem Gesetzgeber, der hierüber innerhalb
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der ihm durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen zu entscheiden hat, ohne hierbei einer weiteren als seiner allgemeinen demokratischen Legitimation zu bedürfen. Da diese gesetzliche Gestaltungsaufgabe ebenso wie die Gewährleistung von Grundrechten zu den konstituierenden Elementen der demokratischen Verfassung gehört, kann sie nicht im Wege einer Grundrechtsinterpretation weiter eingeschränkt werden, als die Grundrechte es gebieten." Die Aufgabe bestehe infolgedessen darin, „die grundsätzliche Freiheit wirtschafts- und sozialpolitischer Gestaltung, die dem Gesetzgeber gewahrt bleiben muß, mit dem Freiheitsschutz zu vereinen, auf den der einzelne Bürger gerade auch dem Gesetzgeber gegenüber einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat" 4 . Wenngleich man an diesen Darlegungen bemängeln kann, daß sie allzu unbefangen die „Gestaltungsaufgabe" des Gesetzgebers mit einer „Gestaltungsfreiheit" des Gesetzgebers gleichsetzen 5 und nicht von der kompetentiellen Legitimation des Gesetzgebers, sondern von seiner allgemeinen demokratischen Legitimation sprechen 6 - Indizien dafür, daß spezifisch kompetenzrechtliche Kriterien nicht in den Blick genommen werden - , so bringen sie doch deutlich z u m Ausdruck, daß die durch die verfassungsgesetzlichen Gesetzgebungskompetenzen begründete Gestaltungsaufgabe des verfassungsmäßigen Gesetzgebers durch die jeweils einschlägigen Grundrechte zwar begrenzt, funktional aber nicht verändert wird.
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BVerfGE 50, 290 (336f.). Die Entscheidungsmacht (auch) der Legislative gründet auf besonders zugewiesenen Kompetenzen, die nicht zu freier Beliebigkeit, sondern - auch dort, wo das diese Entscheidungsmacht begründende Recht nur wenige Entscheidungsdeterminanten setzt und so einen weiten Entscheidungsraum eröffnet - zu aufgabengerechter Wahrnehmung zugewiesen sind. Der Mangel an heteronomer Determiniertheit legislativer Entscheidungen ist deshalb nicht Ausdruck gesetzgeberischer „Freiheit", sondern Signum des gesetzgeberischen Auftrags und der zur sachgerechten Erfüllung dieses Auftrags gewährten besonderen Rechtsmacht und Entscheidungsautorität: der Gesetzgebungskompetenz. 6 Die Formel von der „demokratischen Legitimation" (vgl. in diesem Zusammenhang auch oben Fn. 3 zu c)) wurzelt in dem Argumentationsfeld des monarchischen Konstitutionalismus. Sie konnte dort die Volksrepräsentation als präkonstitutionell - demokratisch - legitimierte eigenständige politische Größe der Fürstenmacht entgegenstellen. Im modernen Verfassungsstaat gründet die Entscheidungsmacht aller Staatsorgane ausschließlich in der Verfassung und dem verfassungsmäßigen Recht. Dies schließt es aus, „aus dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie einen Vorrang des Parlaments und seiner Entscheidungen gegenüber den anderen Gewalten als einen alle konkreten Kompetenzordnungen überspielenden Auslegungsgrundsatz herzuleiten" (BVerfGE 49, 89 [89, 125 f.]; vgl. auch BVerfGE 68, 1 [86 f.]). Der Schluß von der „demokratischen Legitimation" des parlamentarischen Gesetzgebers auf Inhalt und Reichweite seiner Regelungsmacht ist nicht zulässig. Der Hinweis auf die „demokratische Legitimation" des Parlaments mag den Grund und Sinn der Zuweisung bestimmter Kompetenzen an das Parlament erklären; er vermag jedoch den Nachweis, daß dem Parlament Kompetenzen der behaupteten Reichweite durch die Verfassung zugewiesen seien, nicht 5
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Dieses Verhältnis zwischen der verfassungsmäßigen Funktion der Gesetzgebung zur Gestaltung der staatlichen Ordnung und den diese Funktion begrenzenden Einzelgrundrechten wird in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch dadurch grundlegend verunklart und in Frage gestellt, daß die Gesetzgebung ganz unabhängig v o n den spezifischen Bindungen und Begrenzungen, die sich in den jeweils einschlägigen Einzelgrundrechten finden, einem unspezifischen, aus d e m Rechtsstaatsprinzip und dem „Wesen" der Grundrechte
abgeleiteten
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterworfen wird 7 , der z u m einen die G e b o t e der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Grundrechtseingriffs zur Erreichung des jeweiligen Gesetzeszwecks, z u m anderen das Verbot der UnVerhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs umschließt 8 .
zu ersetzen. Auch der Gesetzesrang des parlamentarisch beschlossenen Gesetzes beruht nicht darauf, daß das Parlamentsgesetz „demokratisch legitimiert" ist; vielmehr sind - umgekehrt - die mit Gesetzesrang versehenen Regelungen nur dann in dieser Weise „demokratisch legitimiert", wenn und soweit dem Parlament die Kompetenz zur gesetzeskräftigen Regelung von Sachverhalten zugewiesen ist (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 119 Satz 1 GG). 7 BVerfGE 17, 306 (313 f.); 19, 342 (348 f.); 23, 127 (133f.); 49, 24 (58); 63, 88 (115). Dazu ausführlich E. Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 98 (1973), 568 ff.; R. Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Ubermaßverbot, AöR 104 (1979), 414 ff. 8 Die Gebote der Geeignetheit und der Erforderlichkeit des Mittels einerseits, das Verbot der UnVerhältnismäßigkeit des Mittels andererseits, haben verschiedene Funktionen. Die Gebote der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Mittels - die sich im übrigen auf Eingriffe und Gewährungen, auf individuell-konkrete und generell-abstrakte Regelungen, auf verwaltungsintern wirksame und auf gemeinverbindliche Regelungen beziehen können - betreffen die lineare Zweck-MittelBeziehung. Nach ihnen bemißt sich, ob ein bestimmtes Mittel einen bestimmten Zweck verwirklicht oder verfehlt. Als rechtliche Kontrollmaßstäbe kommen sie nur für solche Entscheidungen in Betracht, deren Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit voraussetzt, daß durch ihre Befolgung oder sonstige Verwirklichung ein bestimmter Zweck erreicht wird. Die Geeignetheit und die Erforderlichkeit des Mittels sind deshalb rechtliche Kontrollmaßstäbe nur hinsichtlich derjenigen Entscheidungen, die durch das ihnen vorgegebene Recht heteronom final determiniert sind und deshalb nur zweckbedingt - hypothetisch - gelten. Das Verbot der UnVerhältnismäßigkeit des Mittels betrifft dagegen nicht die lineare Zweck-Mittel-Beziehung. Es erstreckt sich auch auf Entscheidungen, deren Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit nicht durch die Verwirklichung eines bestimmten Zwecks bedingt ist, und wird für die heteronom final determinierten zweckbedingten - Entscheidungen erst unter der Voraussetzung bedeutsam, daß diese zur Verwirklichung des ihnen vorgeschriebenen Zwecks geeignet und erforderlich sind. Es soll nicht die Verfehlung eines zur Verwirklichung vorgeschriebenen Zwecks verhindern, sondern die Verwirklichung eines zulässigen oder sogar hinsichtlich der heteronom final determinierten Entscheidungen - bindend vorge-
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Soweit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Verbot der UnVerhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs zu den grundrechtlichen Begrenzungen der Gesetzgebung rechnet, ist gegen sie nichts einzuwenden. Diese Begrenzung stellt die im Mitbestimmungsurteil exemplarisch beschriebene Gestaltungsfunktion des Gesetzgebers nicht in Frage. Diese Begrenzung ist anhand des Gewährleistungsgehalts des einschlägigen Einzelgrundrechts einerseits, der Reichweite der - gegebenenfalls um eine besondere Ermächtigung zum Grundrechtseingriff erweiterten Gesetzgebungskompetenz sowie anhand der Gewichtigkeit des gesetzgeberischen Anliegens andererseits, für jedes Einzelgrundrecht strukturierbar' und als durch das jeweilige Einzelgrundrecht begründete Begrenzung der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers durchaus verfassungsmäßig10. Das Bundesverfassungsgericht bleibt hierbei jedoch nicht stehen. Es geht von der Annahme aus, das „Wesen" der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechte sei Ausdruck eines „allgemeinen" Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat", und unterstellt aufgrund dieser - die spezifischen Schutzbereiche und spezifischen Gewährleistungsgehalte der Einzelgrundrechte nivellierenden - Verallgemeinerung die Gesetzgebung auch den Geboten der Geeignetheit und Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung für die Verwirklichung des vom Gesetzgeber selbst gesetzten Regelungszwecks. Hierzu fordert das Bundesverfassungsgericht, das vom Gesetzgeber eingesetzte „Mittel" müsse geeignet und erforderlich sein, um den vom Gesetzgeber erstrebten Zweck zu erreichen. Das Mittel sei geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden könne; es sei erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können12.
schriebenen Zwecks ausschließen, weil der durch diese Zweckverwirklichung erreichte Vorteil im konkreten Fall durch einen demgegenüber unverhältnismäßigen anderweitigen Nachteil kompensiert wird und sich deswegen bei einer Gesamtwertung aller Umstände trotz erreichter Zweckverwirklichung nicht als nützlich, sondern als schädlich erweist. ' R. Wendt ( F n . 7 ) , S.459. 10 Das Verbot der UnVerhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs ist letztlich nur ein Anwendungsfall des allgemeinen Rechtsprinzips, daß der durch die Anwendung eines (zur Herbeiführung des angestrebten Zwecks geeigneten und erforderlichen) Mittels bewirkte Nachteil nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck und dem durch dessen Verwirklichung bewirkten Vorteil stehen darf. 11 BVerfGE 19, 342 (348 f.), insbes. S . 3 4 9 : Die Grundrechte dürften als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden, als dies zum Schutz öffentlicher Interessen „unerläßlich" sei. 12
BVerfGE 63, 88 (115).
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Diese Annahmen stehen tendenziell im Widerspruch zu der These des Mitbestimmungsurteils, der Gesetzgebung obliege im Rahmen der Einzelgrundrechte die Gestaltung der staatlichen Ordnung: Die postulierte Zweckbindung bedeutet, daß von der Gesetzgebung nicht lediglich - negativ - die Wahrung der Grundrechte als Rechtmäßigkeitsbedingung der durch autonome Zwecksetzung und Zweckkonkretisierung zu erfüllenden Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers verlangt wird, sondern daß - positiv - die beständige Verwirklichung der Grundrechte als solche Zweck der Gesetzgebung - diese also gerade nicht zur autonomen Zwecksetzung und Zweckkonkretisierung berufen - ist. Eine solche positive Zweckbindung des Gesetzes bedeutet, denkt man sie zu Ende, daß sich der Gesetzgeber nicht mit dem Erlaß eines inhaltlich verfassungsmäßigen - insbesondere den Grundsätzen der Geeignetheit und Erforderlichkeit entsprechenden und auch im übrigen grundrechtskonformen - Gesetzes begnügen darf, sondern darüber hinaus auch vorbeugend dafür sorgen muß, daß nicht durch eine zu befürchtende oder jedenfalls nicht auszuschließende rechtswidrige Handhabung des Gesetzes Grundrechtsverstöße eintreten können 13 . In diesem Sinne begnügt sich z . B . das Volkszählungsurteil nicht mit der Feststellung, daß das an Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 A b s . l G G überprüfte Erhebungsprogramm des Volkszählungsgesetzes nicht zu einer mit der Würde des Menschen unvereinbaren gänzlichen oder teilweisen Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit führe 14 , daß es ferner dem Gebot der Normenklarheit entspreche 15 und schließlich zur Erreichung des erstrebten Zwecks geeignet, erforderlich und für die Auskunftspflichtigen auch zumutbar sei16. Darüber hinaus hält das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber vielmehr u. a. auch für verpflichtet, durch entsprechende gesetzliche Regelung „grundrechtssichernde Maßnahmen" 1 7 zu treffen, insbesondere die Handhabung des § 11 Abs. 7 13 N a c h B V e r f G E 53, 30 (65) ist davon auszugehen, daß Grundrechtsschutz weitgehend auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken ist und daß die Grundrechte demgemäß auch das Verfahrensrecht beeinflussen, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung ist. Vgl. ferner etwa B V e r f G E 63, 131 (143): „Erfüllt das vom Gesetzgeber geschaffene Verfahrensrecht seine Aufgabe nicht oder setzt es der Rechtsausübung so hohe Hindernisse entgegen, daß die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition entsteht, dann ist es mit dem Grundrecht, dessen Schutz es bewirken soll, unvereinbar."
B V e r f G E 65, 1 (52 ff.). A . a . O . S.54. 16 A . a . O . S . 5 4 f f . 17 A. a. O . S. 59. Gemeint ist im konkreten Zusammenhang das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das - als partielle Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ( a . a . O . S.41, 42, 43) - durch Art.2 A b s . l i . V . m . 14 15
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des Bundesstatistikgesetzes nicht allein dem Ermessen der Verwaltung zu überlassen, sondern für eine - als „notwendig" bezeichnete - effektive Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten zu sorgen18 und die Übereinstimmung des zur Erhebung benutzten Fragebogens mit dem Gesetzestext durch entsprechende gesetzliche Regelungen - ggfl. durch eine Ermächtigung, den Inhalt des Fragebogens durch Rechts Verordnung festzulegen - sicherzustellen". Diese Spannungslage zwischen den beschriebenen Elementen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist mehrfach von Mitgliedern des Gerichts mit unterschiedlicher Akzentuierung angesprochen worden: Wiltraut Rupp-von Brünneck hebt mit zustimmender Tendenz hervor, die Rechtsprechung greife trotz fast stereotyper Betonung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers über die Brücke des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Teil recht einschneidend in das Wie der gesetzgeberischen Regelung ein20. Helmut Simon erinnert unter Hinweis auf das Mitbestimmungsurteil „nachdrücklich" daran, daß die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers zu den konstituierenden Elementen des demokratischen Rechtsstaats gehöre und das „Demokratieprinzip" eine „ungezügelte Verfassungsauslegung" verbiete21, hält jedoch ebenfalls die Ausformung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bis hin zur Uberprüfung von Eignung und Erforderlichkeit strittiger Maßnahmen für eine schöpferische Ausformung verfassungsgesetzlich fundierter Richtwerte und Handlungspflichten22. Konrad Hesse hält demgegenüber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bedenken für berechtigt, daß das Bundesverfassungsgericht namentlich durch seine extensive Grundrechtsinterpretation die dem
Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt ist. Der Gesetzgeber müsse insofern „mehr als früher organisatorische Maßnahmen treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken" (a. a. O. S. 44 unter Bezugnahme auf BVerfGE 53, 30 [65] und 63, 131 [143]; vgl. zu diesen beiden Entscheidungen oben Fn. 13). " A . a . O . S.60. §11 Abs. 7 des Statistikgesetzes regelt die Löschung und die Art der Aufbewahrung bestimmter Daten. " A . a . O . S.60 f. 20 Verfassungsgerichtsbarkeit und gesetzgebende Gewalt. Wechselseitiges Verhältnis zwischen Verfassungsgericht und Parlament. AöR 102 (1977), 1 (15). 21 Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 1253 (1284). 22 A . a . O . S. 1281.
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Gesetzgeber gegenüber bestehenden funktionell-rechtlichen Grenzen überschreiten könnte 23 . Ernst-Wolfgang Böckenförde präzisiert dies dahin, daß das Bundesverfassungsgericht das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus einem verwaltungsrechtlichen Grundsatz zu „einem allgemeinen, dem Rechtsstaatsbegriff innewohnenden Verfassungsprinzip mit Verfassungsrang" umgebildet und diese Umbildung den Gesetzesbegriff dahin verändert habe, daß das Gesetz immer mehr die Geltung aus sich selbst heraus verliere und auf die Ebene der Verordnung herabgedrückt werde; dieser Wandel des Gesetzesbegriffs sei Ausdruck und Erscheinungsform des Ubergangs vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsvollziehenden Jurisdiktionsstaat, durch die das demokratische Prinzip in der Verfassung, das mit der Gesetzgebungsgewalt der Volksvertretung notwendig verknüpft sei, eingeschränkt und zurückgedrängt werde".
III. Gesetzesvorbehalt und Gesetzgebungskompetenz Die beschriebenen zentrifugalen Tendenzen legen offen, daß es dem Bundesverfassungsgericht bisher nicht gelungen ist, die funktionsspezifischen Merkmale der Gesetzgebung zu bestimmen und als das Verhältnis von Gesetzgebungsfunktion und Grundrechtsbindung (mit) strukturierende Elemente sicher in seiner Rechtsprechung zu verorten. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fehlt so auf diesem Gebiet die institutionelle Festigkeit, deren die Verfassungsrechtsprechung bedarf, wenn sie die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens zur konkreten Erscheinung bringen will25. Dieser Mangel an institutioneller Festigkeit gründet darin, daß das Bundesverfassungsgericht seine Aussagen zur Funktion der Gesetzgebung an die Figur des Gesetzesvorbehalts knüpft und aus dieser herleitet. Die Denkfigur des Gesetzesvorbehalts kann die ihr damit angesonnenen Leistungen jedoch von vornherein nicht erbringen. Sie ist nämlich allein auf die Legitimationskriterien der konstitutionellen Monarchie zugeschnitten, nicht jedoch auf die ganz andersartigen Legitimationskriterien des Grundgesetzes ausgerichtet. Sie ist deshalb schon nach ihrem Bauprinzip nicht imstande, auf Fragen, die nach den Legitimationskriterien
23 Funktionelle Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit (Fn. 1), S. 269 zu Fn. 31 i . V . m . S . 2 7 0 ; vgl. aber auch Grundzüge (Fn. 1), T z . 3 1 7 bis 319 gegen T z . 7 2 . 24 Gesetz und gesetzgebende Gewalt (Fn.2), S.401 f.; vgl. ferner die Diskussionsbemerkungen Böckenfördes in W D S t R L 39, 201 f. und 42, 109 f. 25 Vgl. in diesem Zusammenhang auch oben Fn. 3.
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des Grundgesetzes zu beantworten sind, die ihr abgeforderten Auskünfte zu geben. In der Verfassungsordnung der konstitutionellen Monarchie waren die Legislativ-Vorbehalte „Ausgrenzungen" 26 aus der präkonstitutionellen rechtlich also nicht spezifisch bestimmten oder auch nur bestimmbaren, sondern unbestimmten und unbegrenzten - monarchischen Machtfülle: Sie schmälerten diese Macht in dem Sinne, daß die monarchische Exekutive in dem der Volksvertretung vorbehaltenen Bereich nicht mehr „aus sich selbst", sondern nur auf gesetzlicher Grundlage tätig werden konnte 27 . Die Legislativ-Vorbehalte vermittelten auch nicht der Volksvertretung die Legitimation zum Erlaß der ihr „vorbehaltenen" - d. h. der Regelungsmacht der monarchischen Exekutive entzogenen - Regelungen. Vielmehr waren - umgekehrt - die in den Legislativ-Vorbehalten niedergelegten Beschränkungen der monarchischen Regelungsmacht Folge der von der Volksvertretung kraft elementarer - präkonstitutioneller - demokratischer Legitimation für sich in Anspruch genommenen Macht. Die Legislativ-Vorbehalte anerkannten diese Regelungsmacht als bereits anderweitig legitimierte Regelungsmacht. Sie waren infolgedessen - der Struktur der konstitutionellen Monarchie als Mischform zwischen dem überwundenen Absolutismus und dem heraufkommenden Parlamentarismus 2 ' entsprechende - Abgrenzungskompromisse zwischen den auf je eigenständige präkonstitutionelle Legitimitätsargumente gestützten und voneinander unabhängigen politischen Größen der Fürstenmacht und der Volksrepräsentation 2 '. 24 E. Forsthoff, W D S t R L 12, 18; W. Mallmann, W D S t R L 19, 184; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S . 8 1 . 27 Vgl. die plastische Beschreibung der „Ausgrenzungs"-Doktrin bei Otto Mayer, zuletzt noch in der 1924 - nach dem Sturz der Monarchie - erschienenen, insoweit unveränderten dritten Auflage seines Deutschen Verwaltungsrechts (Bd. I): „Das verfassungsmäßige Gesetz ist . . . nur für gewisse besonders wichtige Gegenstände zur notwendigen Bedingung aller Staatstätigkeit gemacht worden. F ü r alle übrigen ist die vollziehende Gewalt an sich frei; sie wirkt aus eigener Kraft, nicht aufgrund des Gesetzes. W i r nennen den Ausschluß ihres selbständigen Vorgehens, der bezüglich jener besonders ausgezeichneten Gegenstände besteht, den Vorbehalt des Gesetzes" (S. 69 f., Hervorhebungen abweichend vom Original). Was die vollziehende Gewalt aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung vornehme, sei „nichts, was sie nicht auch so tun könnte, wenn eben nur der Vorbehalt des Gesetzes sie nicht besonders davon ausgeschlossen hätte; denn auch sie ist Staatsgewalt und an sich fähig, dem Einzelnen nach jeder Richtung obrigkeitlich gegenüberzutreten" (S. 73, Hervorhebung nur hier). 28 E.R. Huber, 1970, S. 7 ff.
Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. III, 2. Aufl.,
29 E.-W. Böckenförde (Fn. 26), S. 7 8 ; E. R. Huber Gesetz und Verwaltung, 1 9 6 1 / 1 9 6 8 , S. 76 bis 80.
(Fn. 28), S. 9ff., 12;
D.Jesch,
19
D i e Gesetzesvorbehalte geben so nach ihrem Bauprinzip lediglich A n t w o r t auf die Frage, wie die Machtsphären zweier miteinander konkurrierender Gewalten gegeneinander abzugrenzen sind, w o b e i die Legitimation dieser Gewalten zur Ausübung der jeweils beanspruchten Macht als vorhanden - im historischen Modell: als präkonstitutionell gegeben vorausgesetzt wird 30 und dementsprechend ebenso wie die durch sie vermittelte Macht Undefiniert bleibt": Auf eine andere Frage als die nach der Abgrenzung v o n „Bereichen" vermag die Figur des Gesetzesvorbehalts nicht zu antworten. Sie ist blind gegenüber den durch die Kompetenzvorschriften positiv gesetzten Kompetenzmerkmalen und den in diesen Kompetenzvorschriften durch unterschiedliche Kompetenzmerkmale bestimmten Funktionsunterschieden. Insbesondere ermöglicht sie keine Aussagen über die durch die Kompetenznormen bestimmten funktionsspezifischen Merkmale der Gesetzgebung. Sie verfehlt deshalb v o n vornherein die Legitimationskriterien des Grundgesetzes.
30
Das ist im Denkschema der Lehre vom Gesetzesvorbehalt deswegen möglich, weil die Gesetzesvorbehalte lediglich „Ausgrenzungen" aus der präkonstitutionellen - als solche rechtlich nicht bestimmten und prinzipiell unbegrenzten - monarchischen Machtfülle darstellen, so daß die der Legislative und der Exekutive zukommende Staatsmacht insgesamt stets allumfassend - omnipotent - bleibt, wie weit oder wie eng auch immer die „ausgrenzenden" Gesetzesvorbehalte angenommen werden. 31 Deshalb lassen sich bloß negativ ausgrenzende Gesetzesvorbehalte ebenso wie sonstige - ohne ausdrücklichen Rückgriff auf die Figur des Gesetzesvorbehalts gebildete - Abgrenzungen von „Bereichen" (vgl. etwa oben Fn. 3 zu f) nicht zu positiv zugewiesenen Kompetenzen umformen. Ein Musterbeispiel für diese Unmöglichkeit bietet der sog. dualistische Gesetzesbegriff, d.h. die Unterscheidung zwischen dem Gesetz im materiellen Sinne und dem Gesetz im formellen Sinne. Im Rahmen dieser Unterscheidung figuriert der jeweils vertretene - als Vorbehaltsbegriff oder als „Bereichs"-Begriff konzipierte - materielle Gesetzesbegriff unvermittelt als Kompetenzbegriff (vgl. dazu E.-W. Böckenförde [Fn. 2], S.227ff.; Chr. Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S.256 unten; G. Zimmer [Fn. 1], S. 38 f.), mit dem die Gesetzgebungskompetenz in ihren funktionsspezifischen Merkmalen erfaßt werden soll. Das hat zur Folge, daß die sog. formelle Gesetzeskraft, die eine funktionsspezifische Wirkung des Gesetzes ist, jedoch als solche weder nur noch allen Gesetzen im materiellen Sinne zukommt, unerklärbar wird: Die von dem dualistischen Gesetzesbegriff vertretene Annahme, die sog. formelle Gesetzeskraft beruhte auf der Gesetzesform, besagt auf das deutlichste, daß die Legitimation zur Ausübung der in „Gesetzesform" ausgeübten Macht ebenso wie diese selbst Undefiniert geblieben und dadurch die formelle Gesetzeskraft als spezifische Wirkung der Ausübung dieser zugewiesenen Macht unerklärbar geworden ist: Die Begriffe des Gesetzes im formellen Sinne und der formellen Gesetzeskraft sind formelhafte Bezeichnungen für Leerstellen, deren sachspezifische Ausfüllung überhaupt erst zeigen könnte, ob der dualistische Gesetzesbegriff Bestand haben kann oder sich in sich selbst aufhebt.
20
Das Grundgesetz gründet staatliche Macht nicht auf präkonstitutionelle Legitimitätsgrundlagen, sondern schließt solche mit Entschiedenheit aus. E s erkennt allein die vom Recht bereits vorgefundene natürliche Fähigkeit und Möglichkeit des einzelnen Menschen zur selbstbestimmten Gestaltung des je eigenen individuellen Lebensbereichs als vorrechtlich gegebene
Grundlage für die rechtliche Anerkennung
und
rechtliche
Gewährleistung personaler Freiheit an. Die Ausübung von Staatsgewalt betrifft überindividuelle - öffentliche - Angelegenheiten, deren Erledigung nicht Gegenstand vorrechtlicher Freiheit ist32. Befugnisse zur Erledigung dieser Angelegenheiten
können deshalb" nur durch
besondere
Rechtsvorschriften begründet und den Staatsorganen zu aufgabengerechter W a h r n e h m u n g in rechtlich geordneten Verfahren 3,1 zugewiesen wer32 Vgl. in diesem Zusammenhang auch G. Barbey, Wirtschaft und Verwaltung, 1978, 77 (78ff.) und in: D.Wilke (Hrsg.), FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, 1984, 25 (31 ff.). 33 Die hier vertretene Auffassung knüpft nicht, wie Scholz/Pitschas (Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, 1984, S. 129 Fn. 436) annehmen, „an Vorstellungen der ,Wesentlichkeit'" an. Sie geht vielmehr davon aus, daß staatliches Handeln und Entscheiden - gleichgültig, in welchen Erscheinungsformen es sich äußert und unabhängig davon, ob es zu Lasten oder zugunsten derjenigen geschieht, deren individueller Lebensbereich von diesem Handeln und Entscheiden thematisch betroffen ist - der Legitimation durch gemeinverbindliches Recht bedarf, das den Staatsorganen die Rechtsmacht zur autoritativen Bestimmung und Durchsetzung der Interessen des Gemeinwohls im Rahmen und nach Maßgabe der ihnen jeweils zugewiesenen Aufgaben, Befugnisse, Handlungsformen und Entscheidungsformen zuweist. Die zur Legitimation staatlichen Handelns und Entscheidens nötigen gemeinverbindlichen Kompetenzregeln können - soweit nicht schon durch die Verfassung selbst begründet - nur durch Staatsorgane gesetzt werden, denen durch verfassungsmäßiges Recht die Kompetenz zur gemeinverbindlichen Regelung der Kompetenzordnung zugewiesen ist. Das hat mit „Wesentlichkeitsvorstellungen" nichts zu tun. Einen Versuch, die Kompetenzordnung mit Hilfe einer an Wesentlichkeitsvorstellungen ausgerichteten Vorbehaltslehre aufzugliedern, bietet R. Stettner (Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 349 ff.): Hiernach unterfallen nur „wesentliche" Kompetenzregelungen dem „Vorbehalt des Gesetzes"; „,unbedeutsame' Zuständigkeiten können dagegen nach wie vor ihre Festlegung in Verwaltungsvorschriften finden", die dann „über Selbstbindung und Gleichheitssatz auch zugunsten des Bürgers wirken können" (S.354). Die grundlegende Legitimitätsfrage: woher die handelnden und entscheidenden Staatsorgane gegenüber der Allgemeinheit ebenso wie gegenüber dem in seinem individuellen Lebensbereich unmittelbar thematisch Betroffenen die Legitimation zur autoritativen Bestimmung und Durchsetzung öffentlicher Interessen in der von ihnen hierfür konkret beanspruchten Ausprägung nehmen, bleibt damit unbeantwortet: Selbstbindung und Gleichheitssatz vermögen diese Legitimität nicht zu schaffen, sondern setzen sie gerade voraus. 34 Die durch die Kompetenz zugewiesene Aufgabe verlangt eine aufgabengerechte Entscheidungsstruktur und damit auch eine aufgabengerechte Organisation
21
den. Das Erfordernis der Legitimation jeder Ausübung staatlicher Macht durch die Verfassung und das verfassungsmäßige Recht stellt den - vor jedem Grundrechtsschutz wirksamen - primären Schutz des einzelnen in seinem individuellen Lebensbereich dar. Dieser Schutz „greift" weit vor dem Bereich, in dem der Grundrechtsschutz als solcher wirksam wird 35 ,
und ein aufgabengerechtes Verfahren der Staatsorgane. Es obliegt dem Organisations· und Verfahrensrecht, die Struktur der Staatsorgane und ihr Verfahren auf deren Kompetenzen und die damit geforderte Entscheidungsstruktur auszurichten. Auf diese Zusammenhänge weist BVerfGE 68, 1 (86) mit der Wendung hin, die in Art. 20 Abs. 2 G G normierte Organisation und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten ziele „auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, d. h. von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen". Freilich suchen sich nicht - wie die zitierte Wendung nahelegen könnte - Organisation und Verfahren ihre Aufgaben; vielmehr verlangen - umgekehrt - die staatlichen Aufgaben nach einer aufgabengerechten Organisation und einem aufgabengerechten Verfahren. 35 Für das Denken in „Vorbehalten", dem die präkonstitutionelle Omnipotenz staatlicher Macht notwendig und unveränderlich zugrunde liegt (oben Fn. 30), gewähren erst die Grundrechte subjektiv-rechtliche Rechtspositionen, aus denen negatorische Rechte des einzelnen erwachsen können. Aus dieser Sicht bewirkt die Kompetenzordnung lediglich die Verteilung staatlicher Omnipotenz zur Ausübung durch die jeweils für kompetent erklärten Staatsorgane, ändert aber an der vorgegebenen staatlichen Omnipotenz nichts. Der durch die Bestimmung und Begrenzung der Kompetenzen bewirkte Schutz des einzelnen ist unter den Voraussetzungen des Denkens in „Vorbehalten" lediglich ein Reflex des objektiven Rechts, nicht aber Ausdruck eines subjektiv-rechtlichen Freiheitsstatus des einzelnen (vgl. dazu eingehend R. Scholz, Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 100 [1975], S. 80ff., 265 ff. [104]). Ein solcher wird gegenüber der vorgegebenen staatlichen Omnipotenz erst durch Grundrechte begründet, die die staatliche Machtausübung inhaltlich begrenzen, beschränken oder ausschließen. Das bedeutet zweierlei, nämlich: a) Staatliche Macht braucht sich gegenüber den von ihr in ihrem individuellen Lebensbereich Betroffenen nicht schon als solche besonders zu legitimieren; sie bedarf einer besonderen Legitimation erst, sofern und soweit sie in einen grundrechtlich besonders geschützten Lebensbereich „eingreift", b) Soweit ein Bedürfnis nach besonderer staatlicher Legitimation staatlichen Handelns und Entscheidens besteht, kann diesem Bedürfnis nur dadurch nachgegeben werden, daß die staatliche Machtausübung als „Eingriff" in einen grundrechtlich geschützten Lebensbereich qualifiziert wird. Soweit hierfür kein spezifisches Einzelgrundrecht einschlägig ist, kann das benötigte Grundrecht nur aus Art. 2 Abs. 1 G G hergeleitet werden. Diesen - dem Denken in „Vorbehalten" eigentümlichen Nötigungen, deren Wirkungsweise z.B. bei Steinmüller u.a. (Grundfragen des Datenschutzes, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, BTDrs. VI/3826, S. 84ff., insbesondere S. 85 f. zu 2.2.2, 87 zu 2.2.3.4, 89 re.) deutlich wird, verdankt ζ. B. das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung" (BVerfGE 65, 1 ff.) seine Existenz.
22
und reicht weit über den Schutzbereich sowohl der benannten Grundrechte als auch des sog. allgemeinen Freiheitsrechts - das im Grunde eine subjektiv-rechtlich verdichtete partielle 3 ' Ausformung des Zwangs zur rechtlichen Legitimation staatlicher Machtausübung ist37 - hinaus. Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf jede staatliche Macht zur autoritativen Bestimmung und Durchsetzung von Interessen des gemeinen Wohls - nicht erst und nur die Macht zur Vornahme von „Eingriffen" - der Legitimation (auch) gegenüber dem von der autoritativen Wahrnehmung dieser Interessen in seinem individuellen Lebensbereich Betroffenen durch die Verfassung oder das verfassungsmäßige Recht, weil anders die beanspruchte autoritative Macht nicht verbindlich begründet werden kann. Nicht der einzelne muß einem omnipotenten Staat ein Grundrecht entgegensetzen, sondern der Staat muß sich (auch) gegenüber dem einzelnen dahin legitimieren, daß er Interessen des Gemeinwohls so, wie von ihm konkret beansprucht, autoritativ bestimmen und durchsetzen kann. Die Legitimation zum Eingriff in Grundrechte ist nicht die einzige, sondern eine zusätzlich benötigte Legitimation. Vgl. in diesem Zusammenhang H.-J. Papier, „Spezifisches Verfassungsrecht" und „einfaches Recht" als Argumentationsformel des Bundesverfassungsgerichts, in: Chr. Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. I, 1976, S. 432 (433 f.); G.Barbey, in FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (Fn. 32), S. 32 f. 36 Die Legitimationslast des Staates bezieht sich nicht lediglich auf „Eingriffe" in die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern auf das gesamte staatliche Handeln und Entscheiden. Insbesondere ist unerheblich, ob es sich um die Rechtsmacht zu Eingriffen oder Begünstigungen, zu tatsächlichen Handlungen (ζ. B. Übermittlung von Informationen) oder zu förmlichen Entscheidungen (ζ. B. Erlaß von Verwaltungsakten) handelt. 37 Art. 2 Abs. 1 G G formuliert für den von ihm erfaßten begrenzten Sachbereich der Entfaltung der Persönlichkeit von der subjektiv-rechtlichen Seite her das Strukturprinzip des säkularisierten (E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, [wieder abgedruckt] in: Oers., Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, 42 [56 oben]) Verfassungsstaates, der zur Rechtfertigung staatlicher Macht nicht auf präkonstitutionelle Legitimitätsgrundlagen zurückgreifen kann, sondern die Legitimation zur autoritativen Bestimmung und Durchsetzung der Interessen des Gemeinwohls durch die Verfassung und das verfassungsmäßige Recht besonders begründen und verbindlich setzen muß. Art. 2 Abs. 1 G G sagt mit der Formel, daß jeder das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hat, sofern er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt, nichts, was nicht auch ohne diese ausdrückliche Normierung rechtens wäre, weil es aus dem Zwang zur Legitimation staatlichen Handelns und Entscheidens durch die Verfassung und das verfassungsmäßige Recht unausweichlich folgt. Eben dieser Zwang zur Legitimation staatlicher Macht bildet die Grundlage für negatorische Ansprüche zur Abwehr nicht legitimierter Staatsmacht, soweit diese den individuellen Lebensbereich des einzelnen thematisch betrifft, und schafft damit eine Voraussetzung ζ. B. für die verwaltungsgerichtliche Generalklausel sowie für die generell eröffnete Anfechtungsklage, die negative Feststellungsklage und die (von der auf Unterlassung gerichteten Leistungsklage zu unterscheidende) negatorische Unterlassungsklage (vgl. z . B . die §§40, 42, 43, 113 Abs. 1 VwGO).
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Jede Ausübung von Staatsgewalt bedarf so der - auch gegenüber den Betroffenen oder Begünstigten verbindlichen - rechtlichen Legitimation durch eine durch die Verfassung oder verfassungsmäßiges Recht zugewiesene, inhaltlich bestimmte und begrenzte Kompetenz. Das gilt insbesondere für die Gesetzgebung. Nicht die Figur des bloß negativ ausgrenzenden Gesetzesvorbehalts, sondern die durch das Grundgesetz positiv zugewiesene
und funktionsspezifisch
bestimmte
Gesetzgebungskom-
petenz kommt deshalb als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der funktionsspezifischen Merkmale der Gesetzgebung in Betracht. Hierbei kommt es, wie bereits dargelegt, auf diejenigen Merkmale an, von denen
Der Zwang zur Legitimation staatlichen Handelns und Entscheidens schützt zwar u. a. (auch) den individuellen Lebensbereich des einzelnen, begründet aber ebensowenig wie das von ihm umhegte „Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit" im Sinne von Art. 2 Abs. 1 G G ein Grundrecht. Grundrechte setzen Bedingungen für die verfassungsmäßige Wahrnehmung legitimierter staatlicher Macht; sie determinieren das kompetenzgemäße Handeln und Entscheiden der Staatsorgane. Der Zwang zur Legitimation staatlichen Handelns und Entscheidens schützt dagegen vor der nicht legitimierten Ausübung staatlicher Macht, und zwar ganz unabhängig davon, ob dadurch zugleich ein Grundrecht verletzt wird oder nicht: Die nicht legitimierte Ausübung staatlicher Macht ist bereits als solche - nicht erst wegen einer Grundrechtsverletzung - rechtswidrig und verletzt, sofern und soweit sie den individuellen Lebensbereich des einzelnen betrifft, die rechtlich geschützte Individualsphäre. Die Stellung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 G G ist ambivalent. Einerseits geht das Gericht davon aus, daß die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch jede formell und materiell der Verfassung entsprechende Rechtsnorm eingeschränkt wird (BVerfGE 6, 32 [38]; 49, 168 [180f.]; 55, 159 [165]; 59, 275 [278]); das schließt die Annahme aus, die allgemeine Handlungsfreiheit setze - als Grundrecht - selbst eine Bedingung verfassungsmäßiger Wahrnehmung legitimierter staatlicher Macht (vgl. dazu R.Scholz [Fn.35], S.286). Andererseits faßt das Bundesverfassungsgericht die durch Art. 2 Abs. 1 G G gewährleistete Rechtsposition durchaus als Grundrecht auf (BVerfGE 6, 32 [36 f.]; 19, 206 [225]; 49, 168 [180]; 65, 1 [1, 43]; vgl. dazu R.Scholz [Fn.35] S.286 f.). Damit versperrt sich das Gericht die Erkenntnis, daß Art. 2 Abs. 1 GG nur eine partielle Ausformung des Zwangs zur Legitimation staatlichen Handelns und Entscheidens durch gemeinverbindliches Recht ist, und verlagert es die Legitimitätslast des Staates mit der Folge (nur) in den grundrechtlichen Bereich, daß einerseits nur die grundrechtsrelevante - oder gar nur die grundrechtsbeschränkende - staatliche Machtausübung als legitimationsbedürftig angesehen wird, und andererseits die allgemeine Handlungsfreiheit als eigenständiges „allgemeines" Grundrecht gedeutet wird, das in der jeweils vom Gesetz betroffenen Beziehung eigenständige spezifische Schutzbereiche - ζ. B. das „informationelle Selbstbestimmungsrecht" (BVerfGE 65, 1 ff.) entfaltet und dementsprechend eigenständige Bedingungen für die verfassungsmäßige Ausübung legitimierter staatlicher Macht setzen soll. Auf diese Weise wird Art. 2 Abs. 1 G G zum Reservoir potentieller und jederzeit aktualisierbarer - wenn vielleicht auch bloß „supplementärer" (R.Scholz [Fn.35], S. 112ff.) - Grundrechte.
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die einschlägigen Kompetenznormen die Rechtmäßigkeit und Geltung des Gesetzes als Gesetz abhängig machen. Dabei fragt es sich zunächst, ob die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts über den Gesetzesvorbehalt übernommen werden können, weil sie jedenfalls im Ergebnis auf die funktionsspezifischen Merkmale des Gesetzes abstellen. Die nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß auch der vom Bundesverfassungsgericht angenommene Gesetzesvorbehalt nicht auf die Legitimationskriterien des Grundgesetzes ausgerichtet ist. Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist „der Gesetzgeber verpflichtet..., - losgelöst vom Merkmal des .Eingriffs' - in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen"38. Nach dieser Umschreibung ist der Gesetzesvorbehalt zwar nicht mehr eine „Ausgrenzung" aus anderen Machtbereichen, sondern eine durch das Recht zugewiesene Macht. Das funktionsspezifische Merkmal dieser Rechtsmacht wird jedoch in der Formel nicht bestimmt. Der Gesetzgeber wird vielmehr nur hinsichtlich bestimmter „Bereiche" seiner Tätigkeit - die grundlegenden normativen Bereiche" - für verpflichtet erklärt, „alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen"40. Auch dieser Hinweis auf das „Wesentliche" erfaßt die Legitimationskriterien des Grundgesetzes nicht, weil - von der unlösbaren Frage, wie das Wesentliche vom Unwesentli-
" BVerfGE 49, 89 (126 f. m . w . N . ) . 19 BVerfGE 49, 89 (127): „In welchen Bereichen . . . staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, läßt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Bewertungskriterien sind dabei in erster Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen." - Nimmt man die Formeln des Bundesverfassungsgerichts beim Wort, so kann die Exekutive kraft originärer Macht für alle nicht „grundlegenden" normativen Bereiche alle wesentlichen Entscheidungen treffen, ohne hierfür einer Rechtsgrundlage in gemeinverbindlichem Recht zu bedürfen. W o die Grundlage dieser Rechtsmacht zu finden ist, bleibt unerklärt. Unerklärt bleibt auch, in welchem Verhältnis die angeführten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 80 Abs. 1 G G stehen, dessen Anwendungsbereich sich schwerlich auf die „grundlegenden normativen Bereiche" begrenzen läßt. Inwiefern Art. 80 Abs. 1 G G angesichts der angeführten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts eine Ausprägung „dieses allgemeinen Gesetzesvorbehalts" sein soll (BVerfGE 49, 89 [127]), ist nicht erkennbar. 40 Nach BVerfGE 49, 89 (127) bemißt sich die Frage, ob der Gesetzgeber „die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht etwa dem Handeln der Verwaltung überlassen hat", nach „den gleichen Maßstäben" wie die Frage, in welchen Bereichen staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf (vgl. dazu Fn. 39).
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chen abzugrenzen ist, ganz abgesehen — auch „unwesentliche" Entscheidungen von der Gesetzgebungskompetenz des Gesetzgebers getragen werden,
die Gesetzgebungskompetenz
also nicht als Kompetenz
zu
„wesentlichen" Entscheidungen bestimmt werden kann 41 . Eine gesicherte Position gegenüber der hier betrachteten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts läßt sich nur aus den Vorschriften des Grundgesetzes - insbesondere den Art. 70 ff. des Grundgesetzes
-
herleiten, die die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes bestimmen und dadurch
zugleich
von
den
Gesetzgebungskompetenzen
der
Länder
abgrenzen 42 . D a ß diese Vorschriften der Gesetzgebung nur wenige E n t scheidungsdeterminanten setzen, hindert aus zwei Gründen nicht, sie nach der Funktion der Gesetzgebung zu befragen. Es ist zum ersten von vornherein zu erwarten, daß die Entscheidungsmacht des Gesetzgebers ebenso wie übrigens auch die Entscheidungsmacht der Regierung 43 - nur wenigen Entscheidungsdeterminanten unterworfen ist. Z u m zweiten ist -
ergänzend hierzu -
zu erwägen, daß zu den funktionsspezifischen
Merkmalen der Gesetzgebung gerade das Fehlen bestimmter Entscheidungsdeterminanten gehören kann. Aus den angeführten Vorschriften ergibt sich zunächst, daß sie dem Bund mit der „Befugnis" oder dem „Recht" zur Gesetzgebung die
41 Die Kritik an der Wesentlichkeitstheorie soll hier nicht aufgegriffen werden (vgl. dazu neuestens F. Rottmann, Der Vorbehalt des Gesetzes und die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, EuGRZ 1985, 277 m.w. N.). Im vorliegenden Zusammenhang soll lediglich auf folgendes hingewiesen werden: Kompetenzbegriffe sollen die spezifischen Merkmale der durch die Kompetenzen zugewiesenen Entscheidungsmacht und Entscheidungsautorität erfassen und zur Erscheinung bringen. Sie dürfen die jeweils gemeinte Kompetenz nicht so bestimmen, daß damit nur die optimale Entscheidung erfaßt wird. Eine solche Kompetenzdefinition würde in Wahrheit die Rechtsmacht, über die bestmögliche Verwirklichung der zugewiesenen Aufgaben zu entscheiden, von dem hierzu berufenen Kompetenzinhaber auf den kontrollierenden Richter überwälzen und damit die Entscheidungsautorität des Kompetenzinhabers auf den Richter verlagern - dem sie nicht zukommt. Das bedeutet freilich nicht, daß bei der Bestimmung von Kompetenzen nicht auch nach den Zielen zu fragen wäre, auf die hin kompetentielle Entscheidungsmacht ausgerichtet ist. Nur kann eben die Kompetenz lediglich als eine auf die Erfüllung dieser Ziele gerichtete, nicht jedoch als eine diese Ziele optimal verwirklichende Entscheidungsmacht bestimmt werden. Die Kompetenz definiert die zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe zugewiesene Rechtsmacht, nicht die optimale Aufgabenerfüllung. 42 Diese Abgrenzungen greifen nur, wenn sie nicht nur „Bereiche" der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern aufteilen, sondern zugleich die für die einzelnen Sachbereiche zugewiesenen Gesetzgebungskompetenzen als solche bestimmen. 45 Vgl. ζ. B. BVerfGE 68, 1 (2, 89).
26
Rechtsmacht zuweisen, auf bestimmten Sachgebieten unmittelbar wirksame und nach Maßgabe der ihnen von den gesetzgebenden Organen beigelegten subjektiven Tragweise intersubjektiv verbindliche 44 Regelungen zu setzen und dadurch diese Sachbereiche zu ordnen. Die Gesetzgebungskompetenz ist hiernach als Kompetenz zur Stiftung von Ordnungen auf den geregelten Sachbereichen gekennzeichnet. Die Gesetzgebungsbefugnis umschließt somit die Rechtsmacht zur Bildung des maßgeblichen Ordnungsprinzips, also die Befugnis zur Bestimmung des Ordnungsprinzips anhand der Wahl, Abwägung und Stufung verschiedener denkbarer und verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossener Regelungszwecke. Das bedeutet, daß der Gesetzgebung nicht die Verwirklichung heteronom vorbestimmter Zwecke aufgegeben, sie also als solche final nicht determiniert ist. D i e „Befugnis zur Gesetzgebung", das „Recht der Gesetzgebung", die „Gesetzgebungsbefugnisse" und das „Gesetzgebungsrecht" im Sinne des Grundgesetzes sind hiernach funktionsspezifisch gekennzeichnet als Kompetenzen zur final nicht determinierten Regelung von Sachbereichen. D i e aufgrund einer solchen final nicht determinierten Entscheidungskompetenz erlassenen Regelungen sind dementsprechend hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit und Geltung nicht auf die Bedingung eines durch ihre Befolgung zu verwirklichenden Zwecks eingeschränkt. Sie gelten in diesem Sinne zweckunbedingt, d . h . sie gelten - ebenso wie auch das Grundgesetz -
kategorisch: N i c h t das Grundgesetz
allein,
sondern Grundgesetz und Gesetz zusammen prägen die Ordnung des Gemeinwesens 4 5 .
Die
„Gesetzgebung"
im
Sinne
des
Grundgesetzes
44 Gesetze sind gemeinverbindlich in dem Sinn, daß sie nach Maßgabe ihres Inhalts für und gegen jedermann gelten. Das bedeutet z . B . , daß der einzelne die Wahrnehmung bloß verwaltungsinterner Pflichten gegen sich gelten lassen muß und daß es der gesetzgeberischen Entscheidung obliegt, ob diesen Pflichten ein Rechtsanspruch des Bürgers auf ihre Einhaltung korrespondiert. 45 Im Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts heißt es dagegen ( E u G R Z 1985, 4 5 0 [459]): „Das Grundrecht und nicht das Versammlungsgesetz verbürgt die Zulässigkeit von Versammlungen und Aufzügen; das Versammlungsgesetz sieht lediglich Beschränkungen vor, soweit solche erforderlich sind." - Diese Aussage greift in ihrer Allgemeinheit zu weit. Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8, 1 Abs. 3 G G ) schließt nicht aus, daß (auch) das kategorisch geltende Gesetz über Versammlungen und Aufzüge in der Fassung v o m 15. N o v e m b e r 1978 (BGBl. I S. 1790) - VersG - die Zulässigkeit von Versammlungen und Aufzügen „verbürgt" und dies für „jedermann" (§ 1 VersG), also insbesondere auch für diejenigen Menschen leistet, für die - weil keine Deutschen im Sinne des Grundgesetzes - die (nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich maßgebliche) „Verbürgung" des Art. 8 G G nicht gilt. D e r angeführte Satz des Bundesverfassungsgerichts läßt ferner außer acht, daß die den Fremden durch einfaches Gesetz mit kategorischer Geltung gewährleistete Versammlungsfreiheit der den Deutschen durch Art. 8 G G und das Versamm-
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besteht mithin in dem Erlaß final nicht determinierter und infolgedessen kategorisch geltender Regelungen. Ein „Gesetz" im Sinne der funktionsbestimmenden N o r m e n des Grundgesetzes schließlich ist eine final nicht determinierte und deshalb kategorisch geltende Regelung v o n Sachbereichen 46 .
lungsgesetz mit kategorischer Geltung „verbürgten" Versammlungsfreiheit gleichwertig ist: Meldet eine nur aus Ausländern bestehende Vereinigung drei Wochen vor dem Veranstaltungstermin eine Versammlung für eine bestimmte Zeit auf einem bestimmten öffentlichen Platz an und ergibt die behördliche Prüfung, daß ein Verbotsgrund nicht vorliegt, so kann, wenn eine nur aus Deutschen bestehende Vereinigung eine Woche vor diesem Termin für dieselbe Zeit auf demselben Platz eine Versammlung anmeldet, die Veranstaltung des Ausländervereins nicht mit der Begründung verboten werden, das Grundrecht der deutschen Veranstalter sei dem bloß einfach-gesetzlich gewährleisteten Recht des ausländischen Veranstalters vorrangig oder das Anliegen des deutschen Vereins sei höher zu bewerten als das Anliegen des Ausländervereins. Klarstellend sei bemerkt, daß es hierfür einer Heranziehung von Art. 11 EMRK nicht bedarf. 46 Als nicht auf die Verwirklichung eines heteronom vorbestimmten Zwecks eingeschränkte, sondern kategorisch geltende Regelung von Sachbereichen gilt das Gesetz somit - sofern, soweit und solange es nicht verfassungsgesetzlich ausgeschlossene Zwecke verwirklicht - unabhängig von den örtlichen Verschiedenheiten und dem zeitlichen Wechsel der Umstände, durch die die von ihm geregelten Lebensbereiche geprägt werden. Die dem Gesetzgeber durch die Verfassung eingeräumte Entscheidungsmacht und Entscheidungsautorität zur kategorischen Regelung von Sachbereichen ist deshalb nach ihrem Sinn und ihrer Zielsetzung (vgl. oben Fn. 41 a. E.) darauf gerichtet, das von der räumlichen Verschiedenheit und dem zeitlichen Wechsel der Lebensverhältnisse unabhängige und deswegen für alle regelungsbetroffenen Sachverhalte grundlegende, prinzipielle, - in diesem Sinne allgemeine absolute und unverbrüchliche Recht kraft autoritativer Entscheidung zu setzen. Das Gesetz muß deshalb einerseits so konkret sein, daß das gesetzliche Ordnungsprinzip nachprüfbar gesetzt wird; es soll andererseits so abstrakt sein, daß die getroffene Regelung unabhängig von den örtlichen Verschiedenheiten und dem zeitlichen Wechsel der regelungsbetroffenen Sachbereiche ihre ordnungstiftende Kraft gleichmäßig in sich bewahrt, d. h. situationsspezifischen Konkretisierungen - die ungeachtet der in ihnen berücksichtigten örtlichen und zeitlichen Verschiedenheiten das gesetzliche Ordnungsprinzip als solches unverkürzt in sich bewahren und verwirklichen - hinreichend Raum läßt (vgl. dazu neuestens J. Isensee, Mehr Recht durch weniger Gesetze? ZRP 1985, 139 (141 zu III 3). Das bedeutet, daß die gesetzgeberische kategorische Entscheidung - anders als eine final auf die Verwirklichung eines bestimmten, heteronom gesetzten Zwecks verpflichtete und ausgerichtete Entscheidung - keine lineare Entscheidung (oben Fn. 8) ist, sondern eine komplexe, ganzheitlich am Gesamtzustand des Gemeinwesens ausgerichtete und damit im Wortsinne politische Entscheidung darstellt. Durch das Fehlen heteronomer finaler Determiniertheit ist die Gesetzgebungskompetenz als Rechtsmacht zu gemeinverbindlichen politischen Entscheidungen, das Gesetz als normativ verbindlicher Ausdruck politischer Entscheidungen gekennzeichnet.
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Diese kategorische Gesetzesgeltung ist das, was die überkommene Lehre vom „formellen" Gesetz und „materiellen" Gesetz formelhaft als „formelle" Gesetzeskraft bezeichnet, sachspezifisch jedoch nicht erklärt hat, weil auch sie unter dem Einfluß der Figur des Gesetzesvorbehalts 47 normativ geprägte Kompetenzmerkmale und normativ geprägte funktionsspezifische Kompetenzdifferenzen nicht in sich aufzunehmen vermochte 48 . Durch den Mangel an positiver finaler Determinierung unterscheidet sich die Gesetzgebung funktionsspezifisch von der in Wahrnehmung spezifischer Verwaltungskompetenzen ausgeübten Rechtsetzung: Eine Rechtsverordnung, die aufgrund einer nach Maßgabe des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 G G final determinierten Verordnungsermächtigung ergeht und deswegen nicht wie das Gesetz kategorisch, sondern nur zweckbedingt - hypothetisch - gilt, ist kein Gesetz; die Erteilung einer Verordnungsermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 G G ist keine Delegation von Gesetzgebungskompetenzen 49 ,
sondern Zuweisung
einer
spezifischen
Verwaltungskompetenz 50 . Oben Fn. 31. Der formelle Gesetzesbegriff, der die Verordnung schon als solche dem formellen Gesetz unterordnet, und der materielle Gesetzesbegriff, der die Gleichrangigkeit aller materiellen Gesetze impliziert, lassen den Gesetzesrang der gesetzeskräftigen Verordnungen (Art. 119 GG) ebenso unerklärt wie den Rangunterschied zwischen dem formellen Gesetz und der nicht gesetzeskräftigen Verordnung. Die „bequem formulierte Systematik" (E. Roethe, Die Ausführungsverordnung im heutigen Staatsrecht, AöR n. F. 20 [1931], 194 [195]) des dualistischen Gesetzesbegriffs versandet schließlich in der schon in sich widersprüchlichen Annahme, jede Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen sei eine Delegation gesetzgebender Gewalt. Treffend hierzu G. Holstein (Die Theorie der Verordnung im französischen und belgischen Verfassungsrecht, in: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann zum 50jährigen Doktorjubiläum, 1923, S.307 [319]): „Der Gedanke der Gleichartigkeit von Gesetz und Verordnung mußte . . . in Widerspruch treten mit den Konsequenzen des Gedankens der Unterordnung der Verordnung unter das Gesetz. Beide Momente stecken in der Theorie der Delegation . . . ; jeder stellt sich, zur praktischen Folgerung entwickelt, in Gegensatz zum andern." 49 Vgl. dazu oben Fn. 8 und 46. Eine Delegation der durch das Grundgesetz begründeten Gesetzgebungskompetenzen des Bundes durch den Bundesgesetzgeber auf andere Organe wäre - da der Gesetzgeber die durch das Grundgesetz begründete Kompetenzordnung nicht ändern kann, insbesondere an die ihm durch das Grundgesetz zugewiesenen Gesetzgebungskompetenzen gebunden ist - nur kraft einer diesbezüglichen besonderen verfassungsgesetzlichen Delegationsermächtigung zulässig. (Eine Delegationsermächtigung ist ζ. B. dem Bundespräsidenten zur Delegation der ihm durch Art. 60 Abs. 1 und Abs. 2 zugewiesenen Kompetenzen durch Art. 60 Abs. 3 GG erteilt.) Eine Befugnis zur Delegation der Kompetenz zur kategorischen Regelung von Sachbereichen auf die Exekutive erteilt das Grundgesetz dem Bundesgesetzgeber nicht. Die Delegation von Gesetzgebungskompetenzen des Bundesgesetzgebers auf andere Organe ist infolgedessen 47 48
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Daß die Gesetzgebung nicht final determiniert ist, bedeutet freilich nicht, daß die Gesetzgebungsbefugnis eine rechtlich unbeschränkbare oder unbeschränkte Befugnis und der Gesetzgeber insbesondere in der Wahl der Regelungszwecke völlig ungebunden wäre. Die Gesetzgebungsbefugnis zeichnet sich nicht dadurch aus, daß dem Gesetzgeber die Befugnis zur Wahl beliebiger Regelungszwecke eingeräumt wäre. Sie ist vielmehr dadurch bestimmt, daß sie nicht final determiniert, die Rechtmäßigkeit und Geltung des Gesetzes nicht auf die Bedingung eines durch seine Befolgung zu verwirklichenden Zwecks eingeschränkt ist: Die ,,,Entzogenheit' einem konkreten Zweck gegenüber" 51 - nicht die Realisierbarkeit beliebiger Zwecke - bildet das spezifische Merkmal des Gesetzes. Im übrigen kann es durch die ihm vorrangige Verfassung beliebig determiniert sein und ist auch in vielfacher Hinsicht determiniert, ohne daß hierdurch seine Gesetzesqualität in Frage gestellt wird". Die Verfas-
mangels der hierfür erforderlichen verfassungsgesetzlichen Delegationsermächtigung schlechthin unzulässig. Die Art. 122, 129 Abs. 3 und 80 Abs. 1 GG sind deklaratorische, sinnvoll aufeinander bezogene Ausprägungen dieses Grundsatzes. Vom Zusammentritt des Bundestages an werden die Gesetze „ausschließlich" von den im Grundgesetz anerkannten „gesetzgebenden Gewalten" beschlossen (Art. 122 Abs. 1 GG). Dementsprechend gehen früher zuständige „gesetzgebende und bei der Gesetzgebung beratend mitwirkende Körperschaften" unter (Art. 122 Abs. 2 GG), erlöschen vorkonstitutionelle einfach-gesetzliche Ermächtigungen, die zur Änderung oder Ergänzung von Gesetzen oder zum Erlaß von Rechtsvorschriften anstelle von Gesetzen ermächtigen - d.h. final nicht determinierte Ermächtigungen zum Erlaß von „Rechtsvorschriften" enthalten - (Art. 129 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 und Abs. 2 GG), und dürfen nur final determinierte gesetzliche Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen erteilt werden (Art. 80 Abs. 1 GG). 50 Das kann hier nicht näher dargelegt werden. Bemerkt sei lediglich: Gesetzgebungskompetenzen und Regierungskompetenzen sind gleichermaßen dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht heteronom final determiniert sind, also die Rechtsmacht zu kategorischen Entscheidungen geben. Sie unterscheiden sich voneinander dadurch, daß die Gesetzgebung eine Kompetenz zu kategorischen gemeinverbindlichen Regelungen darstellt, während die Regierungskompetenzen keine Kompetenzen zu gemeinverbindlichen Regelungen sind und sich mit dieser Maßgabe in einer unerschöpflichen Mannigfaltigkeit von Formen und Inhalten niederschlagen können. Verwaltungskompetenzen sind final determinierte Entscheidungskompetenzen, die sich ebenfalls in einer unerschöpflichen Mannigfaltigkeit von Formen und Inhalten konkretisieren, insbesondere auch Kompetenzen zu final determinierten gemeinverbindlichen Regelungen (z.B. Polizeiverordnungen) sein können. 51 Vgl. P.Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S.339 Fn.78. 53 Vgl. ζ. B.: a) Beschränkung der Gesetzgebung auf die kategorische Konkretisierung verfassungsgesetzlicher Regelungen (z.B. Art.21 Abs.3, 38 Abs.3, 41 Abs. 3, 45 b Satz 2, 45 c Abs. 2 GG); - b) Bindung der kategorischen Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und an die Grundrechte (Art. 20 Abs. 3, 1 Abs. 3 GG); - c) Pflicht des Gesetzgebers zur kategorischen Regelung bestimmter
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sung kann insbesondere die durch sie begründeten Befugnisse z u m Erlaß final nicht determinierter und deshalb kategorisch geltender Regelungen - vor allem durch Grundrechte - derart beschränken und begrenzen, daß dadurch die Verwirklichung bestimmter Zwecke ausgeschlossen oder ausdrücklich verboten wird". Diese Beschränkung der verfassungsrechtlich zulässigen Regelungszwecke, die in Grenzfällen sehr eng sein und wie z . B . in Art. 11 A b s . 2 in Verbindung mit A r t . 7 3 N r . 3 G G - durch A n f ü h r u n g nur der wenigen noch zulässigen Regelungszwecke Ausdruck
gebracht
werden
kann,
läßt
den
Charakter
der
zum derart
beschränkten Regelungen als final nicht determinierte und deshalb kategorisch geltende Anordnungen unberührt". Insbesondere bestimmen die
Materien (z.B. Art.6 Abs.5, 94 Abs.2, 98 Abs.] und Abs.3, 106 Abs.4, 107 Abs.2 G G ) unter Einschluß bestimmter Einzelfragen (z.B. Art.94 Abs.2 Satz 1 [letzter Halbsatz], 107 Abs. 2 Satz 2 GG); - d) Pflicht des Gesetzgebers zur „Berücksichtigung" bestimmter Grundsätze bei der kategorischen Regelung von Sachbereichen (z.B. Art. 33 Abs.5, 36 Abs.2, 106 Abs.3 Satz 4, 107 Abs.2 Satz 1 GG). Diese Bindungen schränken die Gesetzgebungskompetenzen nicht auf die Verwirklichung eines bestimmten heteronom vorgegebenen Zwecks ein - verwandeln sie nicht in final determinierte Regelungskompetenzen - , sondern sind bei der kategorischen Regelung von Sachbereichen zu beachten: Die gesetzgeberische Entscheidung hat sich nicht an einem bestimmten vorgegebenen Zweck, sondern an dem Gesamtzustand des Gemeinwesens auszurichten. 53 Vgl. z.B. Art.3 Abs.3, 34 Abs.3, 101 Abs. 1 GG. 54 Dem das Grundrecht der Freizügigkeit einschränkenden Gesetz ist durch Art. 11 Abs.2 G G nicht etwa positiv die Aufgabe zugewiesen, (z.B.) die zum Schutz der Jugend vor Verwahrlosung „erforderlichen" Regelungen zu treffen: Das Gesetz ist keine Polizeiverordnung. Vielmehr ist - umgekehrt - die final nicht determinierte Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 70, 73 Nr. 3, 76 ff. G G negativ dahin begrenzt, daß gesetzliche Einschränkungen des Grundrechts der Freizügigkeit zu anderen als den in Art. 11 Abs. 2 G G besonders normierten Zwecken unzulässig sind. - Die enumerative Aufzählung einzelner Zwecke hat eine jeweils verschiedene rechtliche Bedeutung, je nach dem, ob sie der Konkretisierung einer final determinierten Kompetenz oder der Konkretisierung einer final nicht determinierten Kompetenz dient. Hinsichtlich einer final determinierten Kompetenz bedeutet sie eine Aufgabenzuweisung und damit ein Zweckverwirklichungsgebot, an dem die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung nach dem Maßstab der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Mittels zu messen ist. Hinsichtlich der final nicht determinierten Regelungskompetenzen enthält sie keine Aufgabenzuweisung - denn diese liegt gerade in dem Mangel an positiver finaler Determinierung beschlossen, durch die dem Gesetzgeber die Stiftung von Ordnungen aufgegeben ist (vgl. oben Fn. 5, 41 [a. E.], 46) sondern bewirkt eine Beschränkung dieser final nicht determinierten Kompetenzen durch den Ausschluß der für nicht zulässig erklärten Regelungszwecke. Hinsichtlich der final nicht determinierten Regelungskompetenzen hat die enumerative Aufführung bestimmter Regelungszwecke die negative Bedeutung eines Ausschlusses der nicht für zulässig erklärten Zwecke.
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Vorschriften, die die grundrechtsrelevante Gesetzgebung bestimmten Beschränkungen unterwerfen, nicht Aufgabe und Funktion der grundrechtseinschränkenden Gesetze, sondern beschränken die zulässige Ausübung der final nicht determinierten Gesetzgebungsfunktion, soweit diese Grundrechte berührt, näher ausgestaltet oder einschränkt, dahin, daß derartige Regelungen zu anderen als den zulässigen Zwecken nicht angenommen werden dürfen. Das diese Zweckbegrenzungen verletzende grundrechtseinschränkende Gesetz ist nicht deshalb ungültig, weil es ihm zur Verwirklichung aufgegebene Zwecke verfehlt - denn es ist in seiner Funktion als Gesetz nicht auf die Bedingung der Verwirklichung irgendwelcher Zwecke eingeschränkt es ist vielmehr - umgekehrt - verfassungswidrig, weil es bestimmte verbotene oder ausgeschlossene Zwecke verwirklicht. Dementsprechend kann sich die richterliche Uberprüfung der Gesetze, die besonderen Zweckbegrenzungen und Zweckausschlüssen unterliegen, nur darauf richten, ob ein solches Gesetz die damit gegebenen Zweckverwirklichungsverbote verletzt, nicht aber darauf, ob es - verfassungsrechtlich nicht bestehende - Zweckverwirklichungsgebote erfüllt.
IV. Gerichtliche Überprüfung des kategorisch geltenden Gesetzes Die gerichtliche Kontrolle des Gesetzes besteht in der Prüfung, ob die Bedingungen, von denen die Verfassung die Rechtmäßigkeit und Geltung des Gesetzes als Gesetz abhängig macht, eingehalten sind. Sie richtet sich somit - neben der hier nicht interessierenden Prüfung der förmlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen des Gesetzes - darauf, ob das überprüfte Gesetz ihm vorgegebene Zweckverwirklichungsverbote verletzt. Diese Prüfung markiert die funktionsspezifische Grenze zwischen der Gerichtsbarkeit - insbesondere der allein zur Verwerfung des Gesetzes befugten Verfassungsgerichtsbarkeit - und dem kategorisch geltenden Gesetz. D a die Gesetzgebung nicht an die Verwirklichung bestimmter Zwecke gebunden ist und die für sie geltenden Zweckverwirklichungsverbote von außen an sie herangetragen werden - die Gesetzgebungsfunktion als solche unberührt lassen - hängen Art, Umfang und Intensität der einschlägigen Zweckverwirklichungsverbote von der jeweiligen konkreten Entscheidungslage ab und sind dementsprechend variabel. Die Konstanz des Prüfungsmaßstabes wird dadurch nicht aufgehoben; zu prüfen ist, ob das Gesetz ihm vorgegebene Zweckverwirklichungsverbote verletzt. Grund einer solchen Verletzung ist stets ein Entscheidungsfehler des Gesetzgebers, der diese Verletzung bewirkt und wegen seiner Kausalität
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für die eingetretene Verfassungswidrigkeit des Gesetzes rechtsfehlerhaft ist. Worin dieser Entscheidungsfehler besteht, ist gleichgültig 55 ; alle für den Verstoß gegen ein Zweckverwirklichungsverbot kausalen Entscheidungsfehler sind einander gleichwertig. E s ist insofern durchaus sachgerecht, wenn das Bundesverfassungsgericht auch prüft, o b im Gesetzgebungsverfahren die für die gesetzgeberische Entscheidung wesentlichen Tatsachen (legislative facts) vollständig und richtig ermittelt sind und ob die legislativen Prognosen, die einem G e s e t z zugrunde liegen, verfassungsrechtlich anerkannt werden können 5 6 . F ü r die gerichtliche Entscheidung ist nur maßgeblich, o b das überprüfte Entscheidungselement zu einem Verstoß gegen ein dem Gesetzgeber vorgegebenes Zweckverwirklichungsverbot geführt hat. In diesen Prüfungsrahmen lassen sich die v o m Bundesverfassungsgericht als Prüfungsmaßstab benutzten G r u n d s ä t z e der Geeignetheit und Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung für die Verwirklichung des angestrebten Zwecks nicht einordnen. A u c h das gerade für den angestrebten Z w e c k nicht geeignete G e s e t z ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sofern es nur überhaupt einem verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossenen Z w e c k zu dienen vermag, d . h . nicht bereits in sich unsinnig oder unverhältnismäßig ist und auch nicht gegen ein Zweckverwirklichungsverbot verstößt 57 . E b e n s o k o m m t es für die Rechtmäßigkeit und Geltung eines Gesetzes nicht darauf an, daß es nur das zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks Erforderliche anordnet. D e m Gesetzgeber ist mit der K o m p e t e n z zur final nicht determinierten Rechtssetzung die 55 Es kann sich dabei insbesondere um ein gesetzgeberisches Unterlassen handeln, durch das ein Gesetz von seinem Erlaß an oder nachträglich - infolge einer wesentlichen Veränderung des geregelten Sachbereichs - gegen ein verfassungsgesetzliches Zweckverwirklichungsverbot verstößt und deswegen verfassungswidrig ist oder geworden ist (vgl. z.B. BVerfGE 66, 214; d a z u ] . Berkemann, Realitätsfremde Steuergesetzgebung und gesetzgeberisches Unterlassen, EuGRZ 1985, 137). 56 Vgl. dazu F. Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, in: Chr. Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe zum 25jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. I, 1976, S. 458 ff. m.w. N. 57 Freilich wird ein für den angestrebten Zweck untaugliches Gesetz in der Regel zur Erfüllung eines verfassungsmäßigen Zwecks schlechthin untauglich sein (vgl. z.B. BVerfGE 17, 306; 36, 47). - Dementsprechend kann nicht die subjektive Willkür des Gesetzgebers, sondern nur die objektive, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Norm im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, die sie regeln soll, zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit führen (BVerfGE 51, 1 [26 f. m. w. N.]). Vgl. in diesem Zusammenhang auch K. Schiaich, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, W D S t R L 39, 99 (109 f.).
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K o m p e t e n z zur autonomen Zwecksetzung und mit dieser notwendig auch die K o m p e t e n z zugewiesen, autonom darüber zu entscheiden, mit welcher Intensität der autonom gesetzte Regelungszweck im
Gesetz
konkretisiert wird: Die K o m p e t e n z zur rechtlichen O r d n u n g von Sachbereichen umschließt die Befugnis zur rechtlichen Gestaltung dieser O r d nung, soweit dem nicht verfassungsgesetzliche
Zweckverwirklichungs-
verbote entgegenstehen.
V. Zur Bedeutung der Uberprüfung des kategorisch geltenden Gesetzes nach den Grundsätzen der Geeignetheit und Erforderlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts D a m i t stellt sich abschließend die Frage, welche Bedeutung
dem
U m s t a n d zuzumessen ist, daß das Bundesverfassungsgericht das kategorisch geltende Gesetz nach den Grundsätzen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit der gesetzlichen Regelung für den angestrebten Zweck überprüft. D u r c h diesen Prüfungsmaßstab wird die Kompetenz des Gesetzgebers z u m Erlaß final nicht determinierter und deshalb kategorisch geltender Regelungen aus dem Feld gerichtlicher Erkenntnis ausgeblendet 5 '. D e r
58 Durch die Anwendung der Grundsätze der Geeignetheit und Erforderlichkeit wird die gesetzgeberische Entscheidung auf eine lineare Entscheidung (oben Fn. 8) verkürzt. Freilich tendiert zwar vor allem das Verfassungsbeschwerde-Verfahren, in dem die Fülle des zur Beurteilung anstehenden Lebenssachverhalts und der hierfür maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte durch das Nadelöhr eines Grundrechts getrieben werden muß und dadurch vielfach die bei einer Anwendung des einfachen Rechts im Vordergrund stehenden handfesten Probleme ausgefällt oder nur in vielfach gebrochener Spiegelung sichtbar werden, zu einer derart verkürzten Sicht, die dem Regelungsgehalt des einfachen Gesetzes nicht gerecht wird. Das Gesetz ist Ausdruck einer komplexen, ganzheitlichen, auf den Gesamtzustand des Gemeinwesens bezogenen Entscheidung (oben Fn.46). Diese hat insbesondere die Bedingungen, die ihr durch die Grundrechte vorgegeben sind, in sich aufzunehmen und in den getroffenen sachspezifischen Regelungen zu bewahren. Hierfür steht dem Gesetzgeber eine Fülle von Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung, die von einer thematisch unmittelbaren grundrechtsbezogenen Regelung bis zur sehr sublimierten Regelungen reichen können, deren Grundrechtsbezug nicht unmittelbar erkennbar ist, die aber - wie ζ. B. die differenzierten Gefahrenbegriffe des Polizeirechts - gleichwohl schon in ihrem unmittelbaren Regelungsgehalt die gebotene Grundrechtskonformität gewährleisten. Eine Prüfung des einfachen Gesetzes nach dem Maßstab der Grundrechte - wie überhaupt nach dem Maßstab des spezifischen Verfassungsrechts - setzt deshalb zunächst die Entfaltung und Vergegenwärtigung des Gesetzes als ganzheitlicher Entscheidung voraus, die als solche nur durch die Fachgerichte geleistet werden kann. Dies ist der letzte Grund dafür, daß die Verfassungsbeschwerde (regelmäßig) erst nach
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Fortsetzung Fußnote 58
Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden darf und daß im Normenkontrollverfahren des Art. 100 GG das vorlegende Gericht die Entscheidungserheblichkeit des zur Kontrolle gestellten Gesetzes sowie die Gründe dartun muß, aus denen es dieses Gesetz für verfassungswidrig hält. Wird demgegenüber die Kompetenz des Gesetzgebers zur kategorischen Regelung von Sachbereichen aus dem Feld gerichtlicher Erkenntnis ausgeblendet, so werden dadurch erhebliche Unsicherheiten und Gefahren geschaffen, von denen hier nur einige genannt seien: a) Das Gesetz wird nicht als ganzheitliche Entscheidung im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung entfaltet, sondern einzelne Normen des Gesetzes werden isoliert mit dem Blick auf bestimmte Verfassungsnormen der Prüfung nach Verhältnismäßigkeitsmaßstäben unterworfen. Ein Beispiel dafür bietet BVerfGE 56, 298 (313 ff.), wo zwecks Erzielung eines (vermeintlich allein) verfassungsmäßigen Auslegungsergebnisses der überprüften Vorschrift ein gesetzwidriger Inhalt beigelegt wird. Vgl. dazu eingehend F. Weyreutber, Abwägung gemeindlicher Belange und Anhörung der Gemeinden bei der Festlegung von Lärmschutzbereichen? DÖV 1982, 173 (177ff.); in diesem Zusammenhang auch G.F. Schuppert (Fn. 1), S. 38 ff., 45 ff. b) Durch Anwendung der Grundsätze der Geeignetheit und Erforderlichkeit verändert sich die Funktion der - ohnehin nicht unproblematischen - verfassungskonformen Auslegung. Sie ist nicht mehr eine das Gesetz durch Negation verfassungswidriger Auslegungsmöglichkeiten erhaltende, sondern wird zu einer den Gesetzesinhalt positiv dirigierenden und damit bestimmenden Auslegung. Sie ist nicht mehr eine die Entscheidung des Gesetzgebers achtende Auslegung - die als solche erst und nur einsetzen kann, wenn das Gesetz jedenfalls noch einer als verfassungskonform bewertbaren Auslegungsmöglichkeit Raum bietet - , sondern wird eine die Entscheidung des Gesetzgebers mißachtende Auslegung, weil sie das Gesetz ggf. um der Verfassungskonformität willen umdeutet und damit dem Gesetz einen wandelbaren Inhalt zuspricht, ohne daß es zur Herbeiführung der Inhaltsänderung einer Entscheidung des Gesetzgebers bedarf (vgl. oben a); ferner BVerfGE 59, 336 [356 ff.]). Vgl. zur Problematik der gesetzesbestimmenden verfassungskonformen Auslegung neuestens W. Geiger, Das Bundesverfassungsgericht im Spannungsfeld von Recht und Politik, EuGRZ 1985, 401 (403 mit Fn. 7); ausführlich Chr. Gusy, Die Offenheit des Grundgesetzes, JöR n. F. 33 (1984), 105 (128ff.); ders., Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, 1985, S.214ff., vgl. auch S.68ff., 73ff.; W.Brohm, Demonstrationsfreiheit und Sitzblockaden, JZ 1985, 501, 502 f. c) Die Ausblendung der Kompetenz des Gesetzgebers zur kategorischen Regelung von Sachbereichen begründet die Gefahr, in Konfliktfällen Träger von Grundrechten zu Lasten von Inhabern verfassungsmäßiger einfach-gesetzlicher Rechte sachwidrig zu bevorzugen. Grundgesetz und einfaches Gesetz gelten gleichermaßen kategorisch, sprechen also den durch sie begünstigten Personen die diesen zugewiesenen Rechte mit derselben Verbindlichkeit zu: Das durch verfassungsmäßiges einfaches Gesetz gewährte Recht ist dem durch das Grundgesetz gewährten Recht gleichwertig. Das Grundrecht gewährt eine besonders geschützte, nicht aber eine gegenüber dem verfassungsmäßigen „einfachen" Recht vorrangige Rechtsposition. Wird das einfache Gesetz dagegen als bloß hypothetisch geltendes Recht verstanden, so mindert sich dadurch die Verbindlichkeit der einfach-gesetzlich
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Fortsetzung Fußnote 58
begründeten Rechtspositionen und werden diese den Grundrechten im Konfliktfall von vornherein nachrangig. Indessen ist es Aufgabe des einfachen Gesetzgebers und ggf. des Verwaltungsermessens, konkrete Konflikte zwischen Grundrechten und verfassungsmäßigen „einfachen" Rechten normativ oder im Wege pflichtgemäßen Ermessens auszugleichen, ohne daß hierbei die Entscheidung notwendig zugunsten des Grundrechts getroffen werden müßte oder getroffen werden dürfte (vgl. oben Fn. 45). d) Insgesamt gesehen besteht die Gefahr, daß das Gesetz nicht mehr aus sich heraus ausgelegt und entfaltet wird, sondern die „Grundrechte als flächendeckende Ordnungsprinzipien" (J. Isensee [Fn.46], S. 140) angewendet werden, die das Gesetz unter sich ersticken, so daß es in seinem spezifischen Regelungsgehalt nicht mehr erkennbar ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch M. Klopfer, Verfassungsausweitung und Verfassungsrechtswissenschaft, in: Rüthers/Stern (Hrsg.), Freiheit und Verantwortung, Festgabe zum 10jährigen Jubiläum der Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, 199 [202 vorletzter Absatz]). Ein Beispiel dafür bietet das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juni 1984 - 5 AZR 286/81 - (SAE 1985, 95 [96ff.]; zur Gegenposition instruktiv P.Krause, SAE 1985, 98f. insbes. zu 4. und 5·)· _ Die Verstärkung der Grundrechte zu „flächendeckenden Ordnungsprinzipien" kann so weit gehen, daß einfach-gesetzliche Ordnungsprinzipien in ihrer Ausgestaltung und ihrer spezifischen Wirkungsweise nicht mehr erkannt werden. Das mag mit zwei Beispielen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts belegt werden: (aa) Nach BVerfGE 65, 1 (46) ist hinsichtlich von zwangsweise erhobenen individuellen personenbezogenen Daten „ein - amtshilfefester - Schutz gegen Zweckentfremdung durch Weitergabe- und Verwertungsverbote" zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts erforderlich. Indessen bedarf es derartiger Verbote nicht, weil die Weitergabe zwangsweise erhobener Informationen wegen der Exklusivität der zur Erhebung benutzten Mittel schon nach allgemeinem Amtshilferecht unzulässig ist (vgl. G. Barbey, FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin [Fn. 32], S. 45 Fn. 85). Die Forderung nach einem „amtshilfefesten" Verbot belegt, daß der angeführten Aussage des Bundesverfassungsgerichts ein rein tatsächlicher Amtshilfebegriff - nicht das verfassungsgesetzlich und gesetzlich ausgeformte Institut der Amtshilfe - zugrunde liegt. (bb) Ahnlich verhält es sich mit der Aussage des Bundesverfassungsgerichts im Brokdorf-Beschluß (EuGRZ 1985, 450 [461]): „Je mehr die Veranstalter anläßlich der Anmeldung einer Großdemonstration zu einseitigen vertrauensbildenden Maßnahmen oder sogar zu einer demonstrationsfreundlichen Kooperation bereit sind, desto höher rückt die Schwelle für behördliches Eingreifen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung." - Das Polizeirecht berücksichtigt die Rechtspositionen der potentiellen Adressaten polizeilicher Maßnahmen schon durch einen spezifischen Gefahrenbegriff - Handlungen, Unterlassungen und Zustände, die in ihrer konkreten Ausprägung durch geltendes Recht zugelassen oder sogar besonders geschützt sind, stellen keine polizeiliche Gefahr dar - und durch spezifische Differenzierungen des Wahrscheinlichkeitsgrades, der Voraussetzung polizeilichen Einschreitens ist, und bestimmt dadurch die Schwelle für behördliches Einschreiten; im Bereich des Versammlungsrechts liegt diese Schwelle bei einer „unmittelbaren" Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (§ 15 VersG). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine solche „unmittelbare" Gefahr
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R ü c k g r i f f auf die F i g u r des Gesetzesvorbehalts kann diese Leerstelle nicht ausfüllen. D u r c h die Ausblendung der Gesetzgebungskompetenz
ver-
schwindet die Entscheidungsautorität des Gesetzgebers - die auch in der Grundrechtsbindung des Gesetzes unverkürzt wirksam bleiben m u ß und mit dieser z u m Ausgleich zu bringen ist - als strukturierendes E l e m e n t des Verhältnisses zwischen Gesetzgebungsfunktion und Grundrechten. Dieses
Verhältnis
wird
nunmehr
allein
durch
die
Grundrechte
bestimmt, die nicht m e h r auf die Entscheidungsautorität des G e s e t z g e bers, sondern nur n o c h auf eine "Gestaltungsfreiheit" des Gesetzgebers treffen. E s ist aus dieser Sicht nahezu unausweichlich, daß die G r u n d rechte n u n m e h r über die Grundsätze der Geeignetheit und Erforderlichkeit die gänzlich amorphe „Gestaltungsfreiheit" des Gesetzgebers, die aus sich heraus keine K o n t u r e n aufweist, dirigieren und ihr Ziel und M a ß geben. D a m i t wird nicht nur die F u n k t i o n s k o n s t a n z der Gesetzgebung aufgehoben, die n u n m e h r je nach der konkreten Entscheidungslage ein größeres oder geringeres M a ß an „Gestaltungsfreiheit" hat 59 , sondern wird auch die Einheit der R e c h t s o r d n u n g gefährdet. Z w a r wahren die allein aus den Grundrechten unter Berücksichtigung der amorphen „Gestaltungsfreiheit" des Gesetzgebers nach dem Schutzbereich und der Schutzintensität der einzelnen Grundrechte entwickelten K o n t r o l l e l e m e n t e - insbesondere die Abstufung der Kontrolldichte von der E v i d e n z k o n t r o l l e über die Vertretbarkeitskontrolle bis zur uneingeschränkten K o n t r o l l e des Gesetzes 6 0 - in weiten, nicht scharf abgrenzbaren Bereichen die Entscheidungsautorität des Gesetzgebers. Diese bleibt j e d o c h nicht als solche, sondern lediglich als Reflex immanenter G r u n d rechtsbegrenzungen erhalten. J e unschärfer ein G r u n d r e c h t konturiert ist, um so m e h r bringen sich jedoch die Grundsätze der Geeignetheit und Erforderlichkeit als dirigierende Maßstäbe mit der Folge zur Geltung, daß die Einheit der R e c h t s o r d n u n g gefährdet wird. D i e Unterstellung des Gesetzes unter die Grundsätze der Geeignetheit und Erforderlichkeit des gesetzgeberischen Eingriffs zu dem angestrebten Z w e c k b e w i r k t , daß das G e s e t z nicht m e h r zweckunbedingt (kategorisch), sondern nur zweckbedingt (hypothetisch) gilt. Insofern wird die Einheit der R e c h t s o r d n u n g dadurch gefährdet, daß das G e s e t z seine kategorische Geltung und mit dieser seine ordnungstiftende Kraft verloren hat und n u n m e h r als b l o ß zweckbedingte (hypothetisch) geltende
vorliegt, muß die Bereitschaft der Veranstalter z.B. zur Kooperation bei der Würdigung des konkret vorgefundenen Sachverhalts mit berücksichtigt werden; das bedeutet aber nicht, daß die Eingriffsschwelle dadurch höher gerückt würde. 59 Vgl. dazu E. Grabitz (Fn. 7), S. 602 ff. 60 BVerfGE 50, 290 (333 m.w.N.).
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Regelung einer zweckbestimmten Auslegung und Anwendung unterworfen werden muß, ohne daß diejenigen Zwecke, die für die Rechtmäßigkeit und Geltung des Gesetzes als maßgeblich angesehen werden, hinreichend ausgeformten Sätzen des Verfassungsrechts entnommen werden könnten 61 . Das Grundgesetz stellt solche Sätze nicht bereit; denn es weist die verbindliche Stiftung von Ordnungen durch kategorisch geltendes Recht den Gesetzgebern von Bund und Ländern zu. Wird das kategorisch geltende Gesetz zu bloß hypothetisch geltendem Recht abgestuft, dann geht dadurch das die Rechtseinheit in Bund oder Land stiftende O r d nungsprinzip des Gesetzes verloren und ist für die Gerichte aller Stufen der Weg zu einer Auslegung des Gesetzes eröffnet, die sich nicht mehr an vorgegebenen und als solchen feststellbaren Norminhalten, sondern allein am Grundrechtsverständnis der jeweils entscheidenden Richter orientiert und nach diesem Maßstab den Inhalt des Gesetzes beständig relativiert". Mit dem Verlust der kategorischen Geltung des Gesetzes verliert die richterliche Entscheidung ihren normativen Anknüpfungspunkt und ihre Grundlage.
" Vgl. in diesem Zusammenhang z. B. W. Brohm (Fn. 58), S. 501 f. zu 2 und S.502f.; Chr. Gusy, Offenheit (Fn.58), S. 122ff.; E.Schmidt-Assmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 19 RdNr.4 a.E. und RdNr. 180; R. Wahl, Der Vorrang der Verfassung und die Selbständigkeit des Gesetzesrechts, NVwZ 1984, 401 (407 ff.). 62 Die verfassungskonforme Auslegung steht jedem Gericht offen. Wandelt sie sich von der gesetzeserhaltenden zur gesetzesbestimmenden Auslegung (oben Fn. 58), so „verliert - gerade bei der Vielzahl der Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland - nicht nur der Gesetzgeber die erforderliche Achtung, sondern das Recht insgesamt seine Evidenz" (W. Brohm [Fn. 58], S. 503). Die Normenkontrolle nach Art. 100 G G kann die Gefahren nicht auffangen, die durch eine solche unmittelbar auf die Verfassung ausgerichtete und zur allmählichen Auflösung der Rechtseinheit führende Rechtsprechung bewirkt werden. Diese Gefahren könnten nur durch ein dem Art. 177 EWG-Vertrag nachgebildetes Institut abgefangen werden, das dem Bundesverfassungsgericht (schon) die Auslegung des Grundgesetzes vorbehielte und dadurch der Rechtszersplitterung, die durch eine solche verfassungsunmittelbare Rechtsprechung heraufbeschworen wird, entgegenwirken könnte. Das Grundgesetz kennt ein solches Institut freilich gerade deswegen nicht, weil es den gesetzgebenden Organen die Kompetenz zur kategorischen Regelung von Sachbereichen gibt, das Gesetz infolgedessen kategorisch gilt und deswegen eine eigenständige Rechtsgrundlage bildet, die zwar - selbstverständlich - mit der Verfassung vereinbar sein, aber nicht erst aus der Verfassung inhaltlich ableitbar sein muß. Deshalb gibt Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht die Kompetenz zur Verwerfung des einfachen Rechts wegen Verfassungswidrigkeit, nicht aber (schon) die Kompetenz zur allein verbindlichen verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts.