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German Pages 667 [695] Year 2019
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 239
Andreas Dieckmann
Gesamthand und juristische Person
Mohr Siebeck
Andreas Dieckmann, geboren 1977; Studium der Rechtswissenschaft in Hannover; 2007 Promotion; wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademischer Rat a. Z. an der Leibniz Universität Hannover; seit 2017 Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Hannover und Lüneburg; 2019 Habilitation; derzeit Lehrstuhlvertreter an der Universität Bremen.
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. ISBN 978-3-16-157652-2 / eISBN 978-3-16-157653-9 DOI 10.1628/978-3-16-157653-9 ISSN 9610-0940 / eISSN 8472-2568 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Garamond gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover im Wintersemester 2018/2019 als Habilitationsschrift angenommen. Das Manuskript wurde im April 2018 abgeschlossen; für die Veröffentlichung sind Rechtsprechung und Schrifttum bis einschließlich Februar 2019 einbezogen. Das Werk ist das Produkt mehrjähriger intensiver Beschäftigung mit den Rechtsfiguren der Gesamthand und der juristischen Person, einem Thema, mit dem ich zwar durchaus gerungen, unter dem ich aber niemals gelitten habe (Reuter). Die wissenschaftliche Neugier und der Antrieb, das Rätsel um das „noch immer unbekannte Wesen“ der Gesamthand (Ulmer) und der juristischen Person zu lösen, hat stets die Mühen überwogen. Methodisch bewegt sich die Arbeit auf dem Boden der Rechtsdogmatik und begibt sich deshalb niemals auf die Suche nach dem einen abstrakten Wesen von Gesamthand und juristischer Person. Stets geht es ausschließlich um Gesamthand und juristische Person in der konkreten Gestalt, die sie im geltenden Recht heutzutage gefunden haben. Die Analyse des positiven Rechts erfolgt daher mit den Mitteln der juristischen Methodenlehre. Da aber Wortlaut, Systematik und Telos nicht in der Lage sind, auf die Frage nach der gegenwärtigen Rechtsnatur von Gesamthand und juristischer Person eine Antwort zu geben, erweist sich als Teil der historischen Auslegung erst eine dogmengeschichtliche Betrachtung als fruchtbar. Allein aus diesem Grund führt die Untersuchung zurück in das 19. Jahrhundert am Vorabend des BGB und deshalb zu Otto von Gierkes deutsch-rechtlicher Gesamthandslehre und zu Friedrich Carl von Savignys juristischer Person. Die Thesen in diesem Werk rufen sicherlich zu Widerspruch auf, vor allem deswegen, da sie das Verständnis, das Schrifttum und Rechtsprechung momentan von den Rechtsfiguren der Gesamthand und der juristischen Person haben, zumindest infrage stellt. Es steht daher nicht nur jedem frei, die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse kritisch zu hinterfragen, vielmehr sind alle dazu ausdrücklich aufgerufen. Dem Postulat moderner Wissenschaft folgend, gilt auch für die Rechtswissenschaft, dass eine Theorie niemals verifiziert, sondern nur falsifiziert werden kann, und dementsprechend auch für die hier entwickelten Modelle zu Gesamthand und juristischer Person im geltenden Recht. Meiner akademischen Lehrerin, Frau Prof. Dr. Petra Buck-Heeb, gilt mein herzlicher Dank. Sie hat mein Habilitationsverfahren unermüdlich und mit
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Vorwort
größtem Einsatz begleitet und wesentlich zu dessen Erfolg beigetragen. Danken möchte ich ihr zudem für den Rat und die vielfältige wissenschaftliche Förderung, die ich während meiner Zeit als ihr Schüler und Mitarbeiter an ihrem Lehrstuhl erfahren durfte. Sie hat mir dabei den wissenschaftlichen Freiraum gewährt, ohne den diese Abhandlung als mein eigenständiges Werk nicht entstanden wäre. Daneben hat sie mir den Blick dafür geschärft, dass wahre Rechtsdogmatik stets anwendungsbezogen sein muss und sich deshalb auch in ihrer praktischen Relevanz zu bewähren hat. Zu Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Bernd Oppermann, Prof. h. c. (UMCS) LL.M. (UCLA), der trotz seiner umfangreichen Verpflichtungen als Dekan der Juristischen Fakultät die Last des Zweitgutachtens in meinem Habilitationsverfahren auf sich genommen hat. Herrn Prof. Dr. Stephan Meder danke ich für die zahlreichen Gespräche, die ich mit ihm zum Thema von Gesamthand und juristischer Person führen durfte, und die daraus gewonnenen Denkanstöße, auf denen wegweisende Erkenntnisse in meiner dogmengeschichtlichen Betrachtung beider Rechtsfiguren beruhen. Für stets kritische und zum Teil sogar herausfordernde Gespräche nicht nur zum Thema von Gesamthand und juristischer Person, sondern allgemein zu Fragen der Rechtswissenschaft danke ich meinem Kollegen Dr. Christoph Sorge. Durch die offenen Diskussionen zeigte sich immer wieder, dass der Widerspruch für das eigene wissenschaftliche Denken fruchtbarer ist als die bloße Zustimmung. Auch oder gerade die Rechtswissenschaft lebt von einer solchen kritischen, aber zugleich stets fairen Streitkultur, die in der Sache hart miteinander ringt, den anderen jedoch als Diskussionspartner gelten lässt. Mein Dank gilt zudem Ina Krückeberg für das gewissenhafte und geduldige Korrekturlesen. Danken möchte ich ferner dem Verlag Mohr Siebeck für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Jus Privatum“, und hier besonders Frau Dr. Julia Caroline Scherpe-Blessing, LL.M. (Cantab) und Frau Daniela Zeiler für die stets freundliche und fachkundige Betreuung, sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die großzügige Übernahme der Druckkosten und die damit einhergehende Auszeichnung meiner Habilitationsschrift. Mehr als Dank schulde ich denen, die mich nicht nur auf dem Weg zur Habilitation unterstützt, sondern die mich überdies auf meinem Lebensweg stets mit Verständnis, Geduld und vor allem mit Wertschätzung und Liebe begleitet haben, aber auch denen, die in dieser Weise erstmals ein unverzichtbarer Teil meines Lebens geworden sind. Ihnen allen ist dieses Buch von ganzem Herzen gewidmet, in besonderer Weise den beiden liebevollen Menschen, die die Vollendung der vorliegenden Arbeit leider nicht mehr miterleben konnten, meinem Bruder, Marcus Dieckmann, und meiner Mutter, Hedwig Maria Dieckmann, geb. Schulte. Hannover, im April 2019
Andreas Dieckmann
Inhaltsübersicht Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 § 1 Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Dogmengeschichtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
7 8 13 30
§ 2 Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 A. Die Kompatibilität von Gierkes Theorie einer deutschen Gesamthand mit dem positiven Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells . . . . . . . . . . . . . 44 C. Die Bedeutung des stoischen Immanenzgedankens im Rechtsdenken Gierkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 D. Die Figur der Gesamthand als einheitliches Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . 81 E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht 91 F. Zur Bedeutung des europäischen Gesellschaftsrechts für die Gesamthandsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
§ 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Teil 1: Eine dogmengeschichtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 § 4 Gesamthand und Verbandsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die h. M. und ihre Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand im deutschen Recht (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117 120 127 139
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Inhaltsübersicht
E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
§ 5 Verbandsperson und juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 B. Der einzelne Mensch und seine Person im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 C. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 1) 200 D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny . . . . 206 E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2) 222 F. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
§ 6 Erste Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 A. Der dogmengeschichtliche Ansatz: Gierke und seine Gesamthand . . . . . 237 B. Das dogmengeschichtliche Umfeld der Gesamthandsfigur im BGB . . . . 239 C. Ausblick auf das weitere Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
Teil 2: Die Gesamthand im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 § 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A. Die Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 B. Die Unterscheidung zwischen Außen- und Innengesellschaft . . . . . . . . . 262 C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
§ 8 Die Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Gesamthand als modifizierte societas (individualistische Gesamthandslehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Gesamthand als Vermögensgemeinschaft (kollektive Gesamthandslehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Gesamthand als Personengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 279 305 327 352
§ 9 Die Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Organschaft und Identitätsrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357 359 386 406
§ 10 Das Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 A. Der Gesellschaftsvertrag als Grundlage für das Innenverhältnis . . . . . . . 410 B. Verwaltungsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 C. Vermögensrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
Inhaltsübersicht
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D. Rechte und Pflichten des Gesellschafters aus Drittgeschäften mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
§ 11 Zweite Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 A. Die „kollektive Rechtsfähigkeit“ der Gesamthand oder von der modifizierten societas zur rechtsfähigen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . 447 B. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Gesamthand und worin sich Gesamthand, reale Verbandsperson und juristische Person dabei voneinander unterscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 C. Die Gesamthand als das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 D. Zusammenführung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 E. Gesamthand und juristische Person als doppelter Gegenstand dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
Teil 3: Gesamthand und juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 § 12 Die juristische Person im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 B. Das Substrat der juristischen Person im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
§ 13 Die Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand . . . . . . . . . C. Die Vorgründungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Einpersonengründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die werdende Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
479 486 529 535 550 557
§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 A. Die Grundfrage: Wie kann der „nicht rechtsfähige Verein“ ein Rechtssubjekt sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der nichtrechtsfähige Idealverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
566 575 588 609
§ 15 Dritte Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617
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Inhaltsübersicht
A. Der Ansatz dieser Arbeit oder die Notwendigkeit, die Gesamthandsfigur des BGB dogmengeschichtlich zu betrachten . . . . . . B. Die Dogmengeschichte der Gesamthandsfigur des BGB . . . . . . . . . . . . . C. Die Gesamthand im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der unverzichtbare Dualismus von Gesamthand und juristischer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
617 619 626 631
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII
Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 § 1 Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Dogmengeschichtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Schlüssel zum Verständnis von Gierkes Gesamthandsfigur . . II. Der Grundirrtum der Gruppenlehre oder wo Flume Gierke missversteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit der Gruppenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Wiederkehr des Streits um die Rechtsnatur der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gesamthand und juristische Person als doppelter Gegenstand dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
7 8 13 13 17 21 22 26 30
§ 2 Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 A. Die Kompatibilität von Gierkes Theorie einer deutschen Gesamthand mit dem positiven Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der entscheidende Ansatz der h. M. als Gruppenlehre: Die OHG ist als eine Gesamthandsgesellschaft „jedenfalls“ ein Rechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsfähigkeit der Gesamthand im Umwandlungs- und Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells . . . . . . . . . . . . . I. Der Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Gesellschafterwechsels im Modell von der Gesamthand als Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 39 42 43 44 45
XII
Inhaltsverzeichnis
1. Das Defizit im Gesamthandsmodell der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Gierkes Rechtsfigur der Verbandsperson als Lösungsansatz für die h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Der menschliche Verband als Substrat der Verbandsperson und als corpus ex distantibus in der „stoischen Philosophie“ (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Die Identität des menschlichen Verbands als stoischer corpus ex distantibus im Wechsel seiner Teile . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Der Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Gesellschafterwechsels im Modell der deutschen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 III. Die Gesellschafterhaftung im Modell von der Gesamthand als Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 IV. Die Gesellschafterhaftung im Modell der deutschen Gesamthand 64 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 C. Die Bedeutung des stoischen Immanenzgedankens im Rechtsdenken Gierkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Der menschliche Verband im römischen und im deutschen Recht . 68 II. Pufendorfs Lehre von den entia moralia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Rousseaus Konzeption einer volonté générale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 D. Die Figur der Gesamthand als einheitliches Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . 81 I. Die Gesamthand im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Die BGB‑Gesellschaft als „Urfigur“ der Gesamthand . . . . . . . . 81 2. Die eheliche Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Die Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Die Gesamthand außerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Die Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Die Partnerschaftsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung . . . . . . . 85 4. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5. Die Miturhebergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht 91 I. Der Nutzen dieser Arbeit de lege lata für die Rechtsanwendung . . 91 1. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Verbraucher . . . . . . . . 91 2. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Vermieter . . . . . . . . . . 95 3. Die fehlende Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Aktualität und Nutzen dieser Arbeit de lege ferenda: der 71. Deutsche Juristentag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 F. Zur Bedeutung des europäischen Gesellschaftsrechts für die Gesamthandsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
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XIII
G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
§ 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Teil 1: Eine dogmengeschichtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 § 4 Gesamthand und Verbandsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Die h. M. und ihre Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Die Fehldeutung der realen Verbandsperson als juristische Person 120 II. Die reale Verbandsperson des deutschen Rechts (Gierke) . . . . . . . . 122 1. Die reale Verbandsperson als Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Die reale Verbandsperson als Anstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Die daraus resultierende Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand im deutschen Recht (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Der alte Genossenschaftsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Der Unterschied der alten Genossenschaft zu Gesamthand und Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Der neue Genossenschaftsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Die deutsch-rechtliche Körperschaft als Genossenschaft . . . . . . 133 2. Der Unterschied zwischen Körperschaft und Gesamthand im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 IV. Die „reale Verbandspersönlichkeit“ (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Der Begriff der „Persönlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Die Begriffe der „Person“ und des „Rechts der Persönlichkeit“ 138 D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Die Personengemeinschaft als subjektive Seite der Gesamthand . . 140 1. Pufendorf und seine Lehre von den entia moralia – der Schlüssel zum Verständnis von Gierkes Gesamthandsbegriff . . 140 2. Pufendorf und seine Lehre von den entia moralia – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Pufendorfs persona moralis composita und Gierkes Gesamtperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Die persona moralis composita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – für Gierke eine Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Der menschliche Verband als Gesamtperson (Gierke) . . . . . . 148 c) Die Doppelnatur des Menschen als Einzelner und als Teil einer Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4. Der gemeinsame status als das „Wesen“ der deutschen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
XIV
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a) Der gemeinsame status und wie er entsteht . . . . . . . . . . . . . . . b) Der gemeinsame status als Zuordnungsmittler der kollektiven Rechtbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der gemeinsame status bleibt auch bei veränderter Trägerschaft derselbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Gemeinschaftsverhältnis als Grundlage des gemeinsamen status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vermögensgemeinschaft als objektive Seite der Gesamthand . 1. Das Rechtssubjekt in der Eigenschaft als Träger seines Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das eine Vermögen als Ursache für die Kontinuität der Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der gemeinsame Name als sichtbares Zeichen für die Einheit der Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die subjektive Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die objektive Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die persönliche Haftung der Gesamthänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die persönliche Haftung – Ausdruck der Personengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die persönliche Haftung – auch Ausdruck der Vermögensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Unterschied zwischen Handelsgesellschaft und BGB‑Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bei Gierke lebt der alte Genossenschaftsgedanke zwar zunächst noch fort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dennoch ist der alte Genossenschaftsgedanke im heute geltenden Recht schließlich doch abgestorben . . . . . . . . . . . . . . . E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151 154 154 156 157 157 159 160 160 161 164 164 167 168 169 170 172 173 174
§ 5 Verbandsperson und juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der einzelne Mensch und seine Person im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wirklichkeit und Recht als zwei voneinander zu unterscheidende Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Person als artifizieller juristischer Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die „natürliche Person“ im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „natürliche Person“ vor der Geburt ihres Menschen . . . . . . 2. Die „natürliche Person“ nach dem Tod ihres Menschen . . . . . . . IV. Der einzelne Mensch und seine Person bei Savigny und Gierke . . . 1. Die „natürliche Person“ bei Savigny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die „Einzelperson“ bei Gierke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183 190 190 192 194 194 196 197 197 198 200
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XV
C. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 1) 200 I. Pufendorf und seine Lehre von den entia moralia . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Daher: Die Verbandsperson ist bei Gierke eine „wirkliche Person“ 202 D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny . . . . 206 I. Der menschliche Verband im Verständnis Savignys . . . . . . . . . . . . . 206 1. Eine bloß „gedankliche Einheit“ (universitas) . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Eine „soziale Realität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Vom menschlichen Verband zur juristischen Person . . . . . . . . . . . . 209 1. Die Aufgabe: ein gemeinsames Vermögen für den menschlichen Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Die Lösung: die juristische Person als eine „fingierte Person“ . . 210 3. Die juristische Person als gedankliche Schöpfung des Rechts (Savigny) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4. Die Anerkennung des menschlichen Verbands als Verbandsperson (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Die juristische Person als ein „ideales Wesen“ (Savigny) . . . . . . . . . 215 IV. Das Trennungsprinzip bei der juristischen Person (Savigny) . . . . . 217 V. Die künstliche Handlungsfähigkeit der juristischen Person . . . . . . 219 1. Das Problem: ohne eigenen Willen keine Handlungsfähigkeit . 219 2. Die Lösung: die künstliche Zurechnung eines fremden Willens 220 3. Die fehlende Deliktsfähigkeit der juristischen Person . . . . . . . . . 221 E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2) 222 I. Das Wesen der Verbandsperson als eine „zusammengesetzte Person“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Menschlicher Verband und Verbandsperson als Einheit in der Vielheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Die Identität des menschlichen Verbands und seiner Verbandsperson (Gierke) im Wechsel ihrer Teile . . . . . . . . . . . . . 224 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Die natürliche Handlungsfähigkeit der Verbandsperson . . . . . . . . . 225 1. Der menschliche Verband als Träger eines eigenen „Gemeinwillens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Die Gesamtwirkung der einzelnen Menschen als ein menschlicher Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Das Eigenhandeln des menschlichen Verbands (agere per se) . . . 228 4. Die Verfassung als das, was den menschlichen Verband zusammenhält . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Das Differenzprinzip bei Gierke im Unterschied zum Trennungsprinzip bei Savigny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 F. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
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§ 6 Erste Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 A. Der dogmengeschichtliche Ansatz: Gierke und seine Gesamthand . . . . . B. Das dogmengeschichtliche Umfeld der Gesamthandsfigur im BGB . . . . I. Die juristische Person (Savigny) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die reale Verbandsperson (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gesamthand (Gierke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ausblick auf das weitere Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237 239 239 240 242 247
Teil 2: Die Gesamthand im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 § 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 A. Die Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die „Gesellschaft“ im ersten Entwurf zum BGB – eine societas . . II. Die Ansicht Gierkes zur societas als Schuldvertrag und worin sie sich von der Gesamthand unterscheidet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die „Gesellschaft“ im zweiten Entwurf zum BGB . . . . . . . . . . . . – eine modifizierte societas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung: Die „Gesellschaft“ als Vermögens- und Schuldengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Unterscheidung zwischen Außen- und Innengesellschaft . . . . . . . . . I. Das Nebeneinander von societas und „deutscher Gesellschaft“ selbst im BGB von heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ansicht der h. M. und die Kritik daran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das fehlende Auftreten der „Gesellschaft“ selbst nach außen . . 2. Das fehlende Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251 251 254 256 258 262 262 265 265 267 269 270
§ 8 Die Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die individualistische Gesamthandslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die kollektive Gesamthandslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gruppenlehre und h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Theorie der deutschen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Gesamthand als modifizierte societas (individualistische Gesamthandslehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die römische societas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die römische communio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die „Gemeinschaft des BGB“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die gesamthänderische Bindung der Gesellschafter (§ 719 BGB) oder das „Gesellschaftsvermögen“ als ein dominium plurium in solidum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 275 277 277 278 279 279 280 282 284
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V. Der Standpunkt des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . 286 VI. Das Vermögen der „deutschen Gesamthand“ oder ein Vermögen, das mehreren Rechtssubjekten in Gemeinschaft gehört 288 VII. Das Anwachsungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Die traditionelle Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Die h. M. (Gruppenlehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 3. Die Theorie der deutschen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4. Die KG und die persönliche Haftung des Kommanditisten als einziger noch verbliebener „Gesellschafter“ . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Die h. M. (Gruppenlehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 b) Die Theorie der deutschen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 c) Die traditionelle Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 VIII. Bereits auf dem Weg zu einer kollektiven Gesamthandslehre . . . . . 300 1. Die „Gesellschaft“ als Vielheit oder die Gesellschafter als Rechtsträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten . . . . 300 2. Die „Gesellschaft“ als Einheit oder die Gesamthand als bloßes Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 C. Die Gesamthand als Vermögensgemeinschaft (kollektive Gesamthandslehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Die Schuld als Teil des Vermögens oder von der Gesamthand als einem Sondervermögen zur Gesamthand als einer Vermögensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 II. Schuld und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Von der Schuld zur Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Das Vermögen als Bezugspunkt der Schulden . . . . . . . . . . . . . . . 306 3. Die subjektiv dinglichen Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Fortbestand der mit der „Gesellschaft“ bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Gesellschafterwechsels . . . . . . . . . . . . . 308 III. Die persönliche Haftung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Die Theorie der rechtsgeschäftlichen Doppelverpflichtung . . . . 310 2. Der allgemeine Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts: Der Schuldner haftet stets mit seinem gesamten Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Die Ansicht des BGH vor und nach Anerkennung der BGB‑Gesellschaft als rechtsfähig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Die h. M. (Gruppenlehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 c) Die kollektive Gesamthandslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Die akzessorische Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 4. Der Gesellschafterwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 IV. Die Kontinuität der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Die Gesellschafter – jetzt nur noch vermittelt über das Gesellschaftsvermögen Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
XVIII
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2. Das Vermögen als Bezugspunkt der Schulden auch im BGB? . . 322 3. Das „Handelsgeschäft“ als Bezugspunkt für die Schulden des Kaufmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Die Haftung des Erwerbers eines „Handelsgeschäfts“ bei Firmenfortführung (§ 25 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 b) Eintritt in das „Handelsgeschäft“ eines Einzelkaufmanns (§ 28 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 D. Die Gesamthand als Personengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 I. Von der Vermögensgemeinschaft zur Personengemeinschaft . . . . . 327 II. Der gemeinsame status als das, was die Gesamthand ausmacht . . . 330 III. Die persönliche Haftung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 IV. Die Kontinuität der Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 V. Strukturmerkmale der „Gesellschaft“ als einer Gesamthandsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Die Gesamthand besteht aus mindestens zwei Gesellschaftern . 336 2. Die Einheitlichkeit der „Mitgliedschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 3. Die „Selbstorganschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 VI. Beispiele, an denen sich die Rechtsfigur der „deutschen Gesamthand“ modellhaft bewährt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 1. Nochmals: Die BGB‑Gesellschaft als Verbraucher . . . . . . . . . . . 339 2. Nochmals: Die BGB‑Gesellschaft im Grundstücksverkehr . . . 340 a) Die Rechtslage vor Anerkennung der GbR als rechtsfähig . . 340 b) Die Rechtslage nach Anerkennung der GbR als rechtsfähig . 342 c) Die Ansicht der h. M. (Gruppenlehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 VII. Die Fähigkeit der Gesellschafter, im Rechtsverkehr unter einem gemeinschaftlichen Namen aufzutreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
§ 9 Die Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Gesamthand . . . . . . . . . . 1. Doch zuvor: Die Handlungsfähigkeit der natürlichen Person . . 2. Der „Gemeinschaftswille“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gemeinschaftshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Umfang der „kollektiven Handlungsfähigkeit“ . . . . . . . . . . 5. Die Gesamthand als Besitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Besitz als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der gemeinschaftliche Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Handlungsfähigkeit der realen Verbandsperson . . . . . . . . . . . .
357 359 359 360 360 363 365 368 368 370 372 373
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1. Die Gesamthand der h. M. – eine reale Verbandsperson des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die reale Verbandsperson als wirkliche Körperschaft . . . . . . . . . a) Der menschliche Verband als corpus mysticum und als corpus ex distantibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gesamtheit der gegenwärtigen Mitglieder als Organ der Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die juristische Person als reiner Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der „Gemeinwille“ als der Wille des menschlichen Verbands (volonté générale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das „Gemeinwohl“ als oberste Richtschnur . . . . . . . . . . . . . . b) Die Mehrheitsentscheidung als Ausdruck des „Gemeinwillens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Und der daraus folgende Unterschied zur Mehrheitsentscheidung bei der Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . C. Organschaft und Identitätsrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Organschaft bei der Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Organhandeln als Eigenhandeln der Körperschaft . . . . . . . II. Der Unterschied zwischen Identitätsrepräsentation und Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Identitätsrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgeschäfte und erlaubte Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . 2. Unerlaubte Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundlage und Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Unterschied zwischen deutscher und römischer Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Bedeutungsinhalt des § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Für die Gesamthand des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Für die juristische Person des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Und worin sie sich dabei von der realen Verbandsperson unterscheidet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die juristische Person im Kontext des § 31 BGB aus Sicht der Verfasser des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Und aus der Sicht der heute h. M. – nicht wirklich eine „Organtheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX 373 374 374 376 377 378 378 380 384 386 386 386 387 389 392 392 393 396 398 401 401 402 402 403 406 406
§ 10 Das Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 A. Der Gesellschaftsvertrag als Grundlage für das Innenverhältnis . . . . . . . B. Verwaltungsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vermögensrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ihre Rechtsnatur als Sozialverbindlichkeit und Sozialanspruch . . .
410 413 415 415
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II.
Keine persönliche Haftung der Gesellschafter für Sozialverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 1. Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 2. Die Begründung der h. M. und die Kritik daran . . . . . . . . . . . . . 419 III. Die gerichtliche Durchsetzung von Sozialverbindlichkeit und Sozialanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 1. Die Sozialverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 a) Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 b) Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 2. Der Sozialanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 a) Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 b) Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 IV. Der Gesellschafterregress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 V. Die Auseinandersetzung in Ansehung des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 1. Die Auflösung der Gesellschaft als Zweckänderung . . . . . . . . . . 429 2. Dennoch dieselbe Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 3. Von der Gesamthand zur Gemeinschaft nach Bruchteilen (communio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 a) BGB‑Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 b) Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 4. Die Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 VI. Der Abfindungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 VII. Der Gewinnanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 D. Rechte und Pflichten des Gesellschafters aus Drittgeschäften mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 I. Der Gesellschafter als „Dritter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 II. Eine Als-ob-Betrachtung als Hilfestellung: als wären sie zwei Rechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 III. Die persönliche Haftung der Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 E. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
§ 11 Zweite Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 A. Die „kollektive Rechtsfähigkeit“ der Gesamthand oder von der modifizierten societas zur rechtsfähigen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . 447 B. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Gesamthand und worin sich Gesamthand, reale Verbandsperson und juristische Person dabei voneinander unterscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 C. Die Gesamthand als das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 D. Zusammenführung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 E. Gesamthand und juristische Person als doppelter Gegenstand dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
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Teil 3: Gesamthand und juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 § 12 Die juristische Person im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Substrat der juristischen Person im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der menschliche Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Vermögen (Wiedemann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die (zweckgebundene) Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Zweck (Rittner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
465 467 467 468 469 474 476
§ 13 Die Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 A. Eine Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 I. Die These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 1. Die Vorgesellschaft als Bestätigung des unverzichtbaren Dualismus von Gesamthand und juristischer Person im BGB . . 479 2. Demgegenüber die monistische Auffassung der h. M. von der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 II. Die Grundfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 1. Der Gegensatz zwischen Gesamthand und juristischer Person . 482 2. Die fertige juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 3. Die Vorgesellschaft als notwendige „Vorstufe“ zur juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand . . . . . . . . . 486 I. Die „kollektive Rechtsfähigkeit“ der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . 486 1. Doch zunächst: Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 2. Die Ansicht des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 3. Die Ansicht des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 4. Kritik an der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 5. Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 II. Die unechte Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 1. Die werbende (echte) Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 2. Von der echten zur unechten Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 495 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 III. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Vorgesellschaft . . . . . . . . 497 1. Die Rechtsnatur der „Organe“ in der (angestrebten) juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 2. Die Rechtsnatur der „Organe“ in der echten Vorgesellschaft . . 498 3. Die Rechtsnatur der „Organe“ in der unechten Vorgesellschaft 500 IV. Die Satzungsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 1. Die Satzung als Verfassung der fertigen juristischen Person . . . 500 2. Rechtsnatur der Satzung: Norm oder Vertrag? . . . . . . . . . . . . . . 501
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a) Die modifizierte Normentheorie: Die Satzung ist zuerst Vertrag, dann Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Daraus resultierende Problemstellung: entweder immer Vertrag oder Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vertragstheorie: Die Satzung ist immer Vertrag . . . . . . . c) Die Normentheorie und zugleich eigene Lösung: Die Satzung ist immer Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der „allgemeine Wille“ des menschlichen Verbands als Geltungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Normbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) „Autonomie“ versus „Privatautonomie“ . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: Die Satzung ist immer Norm . . . . . . . . . . e) Die Satzung in der Körperschaft des deutschen Rechts: Norm, nicht Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die persönliche Haftung der Vorgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die persönliche Außenhaftung der Vorgesellschafter erlischt (erst), wenn die angestrebte juristische Person entsteht . . . . . . . . 2. Die Innenhaftung in Vorgesellschaft und juristischer Person und worin sie sich von der persönlichen Außenhaftung der Vorgesellschafter unterscheidet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die persönliche Außenhaftung der Vorgesellschafter . . . . . . . . . a) Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) In der echten Vorgesellschaft vorläufig suspendiert . . . . bb) Lebt aber in der unechten Vorgesellschaft wieder auf . . . b) Die Ansicht der h. M. und die Kritik daran . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Vorgründungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum dazu . . . . . . . . . III. Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Von der unechten wieder zur echten Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . D. Die Einpersonengründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der menschliche Verband „kraft der Zeit und in der Zeit“ . . . . . . . II. Auch hier: Die Satzung ist Norm, nicht Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Problem: Ein „Gesellschafter“ kann nicht eine Gesamthand sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Lösung: Die „Vorgesellschaft“ als Sondervermögen des Einpersonengründers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Von der „Einpersonen-Vorgesellschaft“ zur angestrebten juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das objektive Schuldverhältnis im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
501 501 503 503 505 505 507 508 510 510 513 516 520 520 522 524 524 524 525 526 529 529 530 532 533 535 535 536 537 538 538 539
Inhaltsverzeichnis
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3. Die Verselbständigung des Sondervermögens durch einen ständigen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Zweckbindung des Sondervermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Regeln, denen das Sondervermögen unterworfen ist . . . . b) Der Irrtum der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die persönliche Haftung des Einpersonengründers . . . . . . . . . . a) Endet mit der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ist in der „echten Vorgesellschaft“ vorläufig suspendiert . . . . c) Und lebt in der „unechten Vorgesellschaft“ wieder auf . . . . . V. Erneute und abschließende Kritik an der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die werdende Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Diskussion im Schrifttum und ihre Bewertung . . . . . . . . . . . . . 1. Die rechtsfähige Stiftung – eine mitgliederlose, verselbständigte Vermögensmasse als Rechtssubjekt? . . . . . . . . . 2. Das Entstehen der rechtsfähigen Stiftung – in zwei Akten? . . . . 3. Die Vorstiftung – Sondervermögen des Stifters oder selbständiger Rechtsträger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die rechtsfähige Stiftung entsteht als reiner Rechtsbegriff uno actu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Vermögen als Substrat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Stifter als Substrat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Stifterwille als Substrat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540 542 542 544 545 545 545 547 548 550 550 550 552 552 553 553 554 555 556 557 557
§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 A. Die Grundfrage: Wie kann der „nicht rechtsfähige Verein“ ein Rechtssubjekt sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 I. Die These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 II. Die Auffassung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 2. Der nichtrechtsfähige Verein als Körperschaft des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 III. Der Wille des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 IV. Der Gegensatz zwischen „Gesellschaft“ und „juristischer Person“ 573 1. Der Ausgangspunkt im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 2. Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 3. Die Ansicht Flumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 B. Der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 I. Die Auffassung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 II. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 III. Ein Sonderrecht für den nichtrechtsfähigen Verein? . . . . . . . . . . . . 577 1. Prozess- und Zwangsvollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
XXIV
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2. Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Handelndenhaftung (§ 54 Satz 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beim Dauerverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Auffassung des historischen Gesetzgebers und eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beim Vorverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Befugt Handelnde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unbefugt Handelnde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Vorverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der nichtrechtsfähige Idealverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verweisung in § 54 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Wille des historischen Gesetzgebers und die h. M. . . . . . . . 3. Veränderung der ursprünglichen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Derogatives Gewohnheitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der nichtrechtsfähige Idealverein als BGB‑Gesellschaft . . . . . . . . . 1. Dispositive Natur der Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wechselnder Mitgliederbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorstand und Mitgliederversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Aufnahme neuer Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Mehrheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die persönliche Haftung der Mitglieder selbst im nichtrechtsfähigen Idealverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ansicht der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichlauf mit dem nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein . . . . . 4. Ein Sonderrecht für den nichtrechtsfähigen Idealverein? . . . . . . a) Die Ansicht Reuters und deren Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der nichtrechtsfähige Verein als körperschaftsähnliche Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
578 579 579 579 580 581 581 581 585 586 587 588 588 588 589 590 592 593 593 594 594 595 595 596 598 598 598 601 604 604 605 606 609
§ 15 Dritte Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 A. Der Ansatz dieser Arbeit oder die Notwendigkeit, die Gesamthandsfigur des BGB dogmengeschichtlich zu betrachten . . . . . . 617
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B. Die Dogmengeschichte der Gesamthandsfigur des BGB . . . . . . . . . . . . . 619 I. Die reale Verbandsperson als Zentralfigur im Rechtsdenken Gierkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 1. Die Schwierigkeit ihrer Rekonstruktion in Gierkes Rechtsdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 2. Pufendorfs Lehre von den entia moralia und der stoische Immanenzgedanke als Schlüssel zu Gierkes Rechtsdenken . . . . 619 3. Rousseaus Konzeption einer volonté générale als komplementärer Zugang zu Gierkes Rechtsdenken . . . . . . . . . . 620 4. Gierkes reale Verbandsperson als germanistischer Gegenentwurf zu Savignys romanistischer juristischer Person . 622 II. Gierkes germanistische Gesamthandsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 1. Gierkes Gesamthand im Unterschied zu seiner realen Verbandsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 2. Gierkes „deutsche Gesamthand“ im Unterschied zur römischen societas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 III. Vier Assoziationsformen als dogmengeschichtlicher Hintergrund des BGB: universitas und societas sowie reale Verbandsperson und Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 C. Die Gesamthand im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 I. Der Weg der Gesamthandsfigur in das BGB und ihr (erst) später Durchbruch: von einer modifizierten societas zur germanistischen Gesamthand Gierkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 II. Gierkes Gesamthandsmodell als „gute Rechtsdogmatik“ . . . . . . . . 627 1. Die Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 2. Der Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse trotz eines Gesellschafterwechsels . . . . . . . . 628 a) Der stoische Immanenzgedanke bei Gierkes Gesamthand . . 628 b) Der stoische Immanenzgedanke bei Gierkes realer Verbandsperson in der Gegenüberstellung dazu . . . . . . . . . . . 629 c) Die Stärke von Gierkes Gesamthandsmodell gegenüber dem der „ganz h. M.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 D. Der unverzichtbare Dualismus von Gesamthand und juristischer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661
Problemaufriss Neben der Rechtsfigur der juristischen Person versetzt allein die der Gesamthand Menschen in die Lage, im Rechtsverkehr als eine Gemeinschaft auftreten zu können. Sie ist demgemäß ein wesentlicher Baustein des geltenden Rechts. „Paradigmatisch für die Gesamthand an sich“ ist das „Recht der Gesellschaft“ (§§ 705–740 BGB).1 Da die „Gesellschaft“ im Grundsatz für jeden beliebigen „gemeinsamen Zweck“ offensteht (vgl. § 705 BGB), ist sie im Gegensatz zur ehelichen Gütergemeinschaft und der Erbengemeinschaft von „Besonderheiten frei“, sodass es sich bei ihr heutzutage „gewissermaßen“ um „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ handelt.2 Der Gesamthandsbegriff findet jedoch im „Recht der Gesellschaft“ nur unvollständig Ausdruck, ist er dort doch ausschließlich als Vermögensprinzip in den §§ 718 Abs. 1, 719, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB kodifiziert.3 Das positive Recht bedarf deshalb der Ergänzung, ja der Vervollständigung. Da die Gesamthand des geltenden Rechts auf die „deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts“ zurückgeht, sind die §§ 705–740 BGB zu diesem Zweck vor allem historisch auszulegen.4 Eine solche dogmengeschichtliche Betrachtung hat dabei bei Otto von Gierke (1841–1921) und seiner „deutschen Gesamthandsfigur“ anzusetzen, war er es doch, der ihr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, am Vorabend des BGB, ihre „begriffliche Prägung“ gab.5 Dieser Ansatz begegnet indes der Schwierigkeit, dass Gierke nicht offenlegt, was er unter seinem Gesamthandsbegriff versteht. Deswegen sind bisher auch sämtliche Versuche gescheitert, über Gierkes „germanistische Gesamthandsfigur“ zum Gesamthandsprinzip des geltenden Rechts zu gelangen. Bei Gierke dient nun die Gesamthand als Abgrenzungsfigur zu seiner sog. realen Verbandsperson, der „deutschen Genossenschaft“. Auf ihre juristische Durchdringung, nicht auf die der „deutschen Gesamthand“, war Gierkes wissen1 2 3
343.
4
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III d) (S. 203–204); BGHZ 146, 341,
BGHZ 146, 341, 344. Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62; K. Schmidt, NJW 2001, 993, 994–995; Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 120; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 9 Rn. 72 (S. 185); Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 158; Raiser, in: FS Zöllner, 1998, 469, 476. 5
2
Problemaufriss
schaftliches Wirken ausgerichtet. Die Erforschung des „deutschen Genossenschaftsrechts“ sah er geradezu als seine Lebensaufgabe an. Ausschließlich über Gierkes reale Verbandsperson lässt sich deshalb sein Gesamthandsbegriff nachvollziehen. Aber auch dieses Vorgehen stößt auf das scheinbar unüberwindliche Hindernis, dass selbst bei Gierke die Konturen seiner realen Verbandsperson äußerst unscharf bleiben. Weil aber Gierke seine deutschrechtliche Figur der „realen Verbandsperson“ in einer ganz bewussten Entgegensetzung zur „juristischen Person“ des Romanisten Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) entworfen hat, erschließt sich Gierkes Vorstellung von seiner deutschen Genossenschaft einzig und allein aus ihrer Gegenüberstellung zur juristischen Person Savignys. Beide, juristische Person und reale Verbandsperson, erhellen sich insofern mit Notwendigkeit nur gegenseitig. Der Streit um das „Wesen“ der juristischen Person, der heutzutage, obschon zu Unrecht, als „hoffnungslos“, ja sogar als„ unlösbar“ gilt,6 ist deshalb allein aus dem Grund wiederaufzunehmen, um darüber, vor allem im Kontrast zur realen Verbandsperson, überhaupt erst imstande zu sein, Gierkes deutsch-rechtliche Gesamthand zu verstehen. Da Gierkes germanistische Gesamthand den dogmengeschichtlichen Hintergrund für die Gesamthand des BGB, besonders für das „Recht der Gesellschaft als Gesamthand“ bildet,7 lässt sich das Gesamthandsprinzip des positiven Rechts nicht anders als über diese, auf den ersten Blick so „verschlungen wirkenden Pfade“ einer historischen Auslegung der §§ 705–740 BGB herausarbeiten. Den Zugang zu Gierkes Verständnis von seiner realen Verbandsperson und zu dem der juristischen Person, um in Abgrenzung dazu Gierkes Gesamthandsbegriff wiederaufleben zu lassen, eröffnet allein Samuel Pufendorfs (1632–1694) Lehre von den entia moralia, da es dieses Gedankenmodell ist, auf das Gierke sein gesamtes germanistisches Rechtsdenken aufgebaut hat. Denn im Anschluss daran differenziert auch Gierke zwischen der Welt, die der Mensch über seine Sinne erfährt, der insofern „wirklichen Welt“ und der davon „abstrahierten“, bloß „vorgestellten Welt“ des Rechts.8 Während Gierke zufolge bei einer Genossenschaft, bei einer realen Verbandsperson, sich mehrere einzelne Menschen (entia physica) schon in der wirklichen Welt zu einem menschlichen Verband zusammenschließen (ens physicum) und aus diesem die reale Verbandsperson (ens morale) in der vorgestellten Welt des Rechts hervorgeht und fortwährend in ihm „lebt“, existiert die juristische Person, jedenfalls sieht das Gierke so, im Recht völlig losgelöst und getrennt davon als ein Rechtbegriff (nomen iuris). Bei der Gesamthand bilden die einzelnen Menschen da6 Raiser, AcP 199 (1999), 104, 105; Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff. Rn. 4. 7 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2; K. Schmidt, NJW 2001, 993, 994–995; Raiser, in: FS Zöllner, 1998, 469, 476. 8 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103.
Problemaufriss
3
gegen nicht einen menschlichen Verband in der wirklichen Welt, sondern es steht jeder für sich. Erst und allein in der vorgestellten Welt des Rechts assoziieren sie sich als mehrere Rechtssubjekte (als mehrere „Personen“) zu einer Gesamthand und haben in der Folge davon ein „gemeinschaftliches Vermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB), über das sie nur alle zusammen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB).
Einführung
§ 1
Konzeption A. Zielsetzung Die Aufgabe, der sich dieses Werk stellt, ist es, der Rechtsnatur oder gleichbedeutend dem „Begriff“ der „Gemeinschaft zur gesamten Hand“, also der Gesamthand, nachzugehen.1 Denn anders als es die momentan ganz h. M. als Gruppenlehre annimmt, ist die Gesamthand selbst, oder wie Flume es ausdrückt: als „Gruppe“, nicht ein Rechtssubjekt.2 Die Grundthese der Arbeit lautet daher, dass die Gesamthänder oder auch die Gesellschafter3 die Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen sind, wenn auch nicht, wovon fälschlicherweise noch die frühere h. M. und individualistische Ansicht ausging, unmittelbar.4 Die Gesellschafter nehmen im Recht zusammen einen 1 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 663 und öfter (Zitate). Alle Zitate in dieser Arbeit sind an die heutige deutsche Schreibweise angepasst. 2 Flume, ZHR 136 (1972), 177, 189: „Die Gruppe ist als solche Rechtssubjekt“; ihm folgend BGHZ 146, 341, 344, 347 („als Gruppe“); BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 24; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 289–302: „Die Gruppenlehre hat sich voll durchgesetzt.“; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 705 Rn. 64; für Hadding/ Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 21, ist „die GbR als Gruppe“ und damit die Gesamthand „als solche ein eigenes Zuordnungssubjekt“ (d. h. ein Rechtssubjekt); v. Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 705 Rn. 35; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 24; Habermeier, in: Staudinger, BGB, 2003, vor § 705 Rn. 9; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 9; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 1 Rn. 107; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 49; Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 2–3. Schon Reinhardt, Gesellschaftsrecht, 1973, Rn. 56, sieht in der Gesamthand (als GbR, OHG und KG) ein Rechtssubjekt. Er lehnt allerdings den Begriff der „Gruppe“ dafür ausdrücklich ab, da hier „ein Stück Mystik“ erhalten bleibe (Rn. 41a). Denn nach Ansicht von Reinhardt dient bei Flume der Gruppenbegriff nur dazu, die Gesamthand von der juristischen Person abzugrenzen. Für Reinhardt sind Gesamthand und juristische Person in ihrem „Wesen“ dasselbe Rechtsgebilde („kollektive Einheit“) und unterscheiden sich allein im Umfang ihrer Rechtsfähigkeit voneinander (Rn. 56–57). 3 Die Ausdrücke „Gesellschafter“, „Gesamthänder“ und „Gemeiner“ stehen in dieser Arbeit in der Regel gleichbedeutend für das „Mitglied“ in einer Gemeinschaft zur gesamten Hand (= Gesamthand) an sich. 4 Zöllner, in: FS Gernhuber, 1993, S. 563–578; ders., in: FS Claussen, 1997, S. 423, 429; ders., in: FS Kraft, 1998, S. 701–718; Hueck, in: FS Zöllner, 1998, S. 275–294 (S. 294: „Vorzug“ der „Gesetzesnähe“); Cordes, JZ 1998, 545, 551; Berndt/Boin, NJW 1998, 2854, 2861; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2000, C I 1 d) (S. 102–106), wonach die Gesellschafter als Gesamthänder „Rechtsträger eines Sondervermögens“ sind und nicht die Gesellschaft selbst ein Rechtssubjekt ist (ebenda, S. 106). Vgl. dazu Blomeyer, JR 1971, 397–403
8
§ 1 Konzeption
Raum ein, einen gemeinsamen status, der sie befähigt, kollektiv Rechte und Pflichten haben zu können („kollektive Rechtsfähigkeit“), indem er ihnen als Zuordnungsendpunkte (= Rechtsträger; Rechtssubjekte) die gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten bloß vermittelt.5 Der gemeinsame status ist als solcher kein Rechtssubjekt, er schirmt daher die Gesellschafter nicht vor den gesamthänderischen Rechtsbeziehungen ab, vielmehr dringen diese bis zu den einzelnen Gesellschaftern als ihren Trägern durch.6 Das überzeugend darzulegen, ist Zielsetzung dieser Schrift.
B. Dogmengeschichtlicher Ansatz Obgleich Flumes Gruppenlehre und damit der heute ganz h. M. in dieser Arbeit nicht gefolgt wird, ist seinem methodischen Vorgehen, dem Versuch, die Rechtsnatur der gesamten Hand aus deren Dogmengeschichte herauszuarbeiten und dafür gewissermaßen von neuem an die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts anzuknüpfen, und zwar, so wie sie ihre Ausgestaltung bei Otto von Gierke gefunden hat, zuzustimmen.7 Und obschon diese geschichtliche Methode im Schrifttum verbreitet auf Skepsis gestoßen ist und ihr zum Teil auch heute noch begegnet wird,8 hat sich der BGH Flume und seiner Gruppenlehre nicht nur in der Sache angeschlossen und ihr dadurch, zumindest vermeintlich, in Rechtswissenschaft und -praxis zum („Nebeneinander von Anteils- und Einheitsbetrachtung als das eigentliche Charakteristikum der Gesamthand“). 5 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682 (Zitat). 6 A. A. aber Flume, ZHR 136 (1972), 177, 189–192. 7 Flume, ZHR 136 (1972), 177, 184–193. Dass diese geschichtliche Methode elementar ist für Flumes Art und Weise, wie er die Rechtswissenschaft im Allgemeinen sieht, offenbart sich, wenn er hervorhebt, dass die Rechtswissenschaft allein schon deswegen als eine „geschichtliche“ zu verstehen sei, weil ihr Gegenstand, das Recht, stets „das Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung“ ist und ausschließlich daraus wirklich verstanden werden könne (Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, S. VII–VIII). Dabei schließt Flume, aaO., S. VIII, ganz bewusst an Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. XV, an, der seinerseits den „lebendigen Zusammenhang“ betont, der „die Gegenwart an die Vergangenheit knüpft und ohne dessen Kenntnis wir von dem Rechtszustand der Gegenwart nur die äußere Erscheinung wahrnehmen, nicht das innere Wesen begreifen“. Bei „Werner Flume“, so Raiser, in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 480, „fällt“ in Bezug auf seine Gesamthandslehre „als erstes auf, wie stark er auf Gierke zurückgreift“. 8 Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 48; a. A. dagegen K. Schmidt, NJW 2001, 993, 994–995: „subjekthafte Deutung des Gesamthandsprinzips“ durch Gierke, „an dessen verdienstvolle Arbeiten Flume“ 1972 mit „seinem folgenreichen ZHR‑Aufsatz“ „ausdrücklich anschloss“. Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 298. Auch nach Auffassung von Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 113 und 150, folgt für die Anhänger der Gruppenlehre im Anschluss an Flume die Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgesellschaft aus ihrer „rechtlichen Qualifikation“ als „deutsch-rechtliche Gesamthand“ (Gierke).
B. Dogmengeschichtlicher Ansatz
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„Durchbruch“ verholfen,9 sondern ist Flume auch in dessen methodischem Ansatz bewusst gefolgt. Auch nach Ansicht des BGH lässt sich erst und allein durch eine dogmengeschichtliche Betrachtung des geltenden Rechts die Rechtsnatur oder das „Wesen“ der (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand wirklich erfassen, indem auf die „deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts“ zurückgegangen wird, die der BGH wiederum im Anschluss an Flumes Gruppenlehre mit der von Gierke gleichsetzt.10 Das Recht ist ein „geschichtliches Produkt“11 und daher stehen „die heute geltenden Normen und anerkannten juristischen Denkformen“ in einem „Überlieferungszusammenhang“ mit dem vorausgegangenen Recht, und zwar nicht nur, wenn sie dadurch „ihre heutige Gestalt erlangt haben“, sondern selbst dann, wenn sie sich davon zumindest scheinbar „losgemacht“ haben.12 Weil demnach das damalige Recht – wenn auch nicht immer als dasselbe, sondern durchaus auch verändert – im jetzigen nachwirkt, muss das eine in seiner Kontinuität mit dem anderen gesehen werden, um dadurch „das Fortleben des Rechts als Kontinuum zu vollziehen und die Tradition des Rechtsdenkens zu bewahren“.13 Diese Einsicht kommt unmissverständlich auch bei K. Schmidt zum Ausdruck, wenn er für das Gesellschaftsrecht die immense Bedeutung dieser dogmengeschichtlichen Methode, ja ihre Unverzichtbarkeit hervorhebt: „Rechtsordnung ist System und Prozess. Wer nicht um das Woher weiß, wird das Heute und das Wohin nicht begreifen können. Viele Unstimmigkeiten im Normen9 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, vor § 705 Rn. 11; K. Schmidt, NJW 2001, 993–1003, bei dem von einem „Siegeszug“, sogar von einem „Triumph“ der „neuen Gesamthandslehre“ die Rede ist (S. 995, 1003); Westermann, NZG 2001, 289–295 („Befreiungsakt“); Dauner-Lieb, DStR 2001, 356, 357 („Fundament“). 10 BGHZ 146, 341, 344. 11 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1114. 12 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 209 mit Fn. 60. 13 Betti, Zur Grundlegung einer allgemeinen Auslegungslehre, in: FS Rabel, Bd. 2, 1954, S. 79, 123, Fn. 62a. Nach Schröder, Recht als Wissenschaft, 2. Aufl. 2012, S. 359, besteht „wohl Einigkeit darüber, dass das frühere Recht (…) Hinweise“ auf den „Sinn“ des gegenwärtigen Rechts „geben“ kann. Picker, AcP 201 (2001), 763–859, insbes. 834–840, fordert eine „geschichtliche Rechtswissenschaft“ in dem konkreten Sinn „einer Dogmatik“ ein, „die die Historik“ (d. h. die Entstehungsgeschichte) „als ein unverzichtbares Instrument fundierter Lösungsversuche betrachtet“ (ebenda, S. 834–835), und zwar, weil „für den Dogmatiker erst die Entstehungsgeschichte den Weg zur vollen Entschlüsselung seines Forschungsgegenstands“, d. i. das gegenwärtige Recht, „freigibt“ (ebenda, S. 835). Dazu auch Honsell, Historische Argumente im Zivilrecht, 1982, S. 60–67, 194–201; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 15. Aufl. 1959, § 56 (S. 334): „Zustand, wie er vor dem Gesetz bestand, und die historische Entwicklung“. Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, 10. Aufl. 2018, Rn. 782, wonach die „begriffs- und dogmengeschichtliche Ausgangslage“ zu beachten ist, „in welcher die Normsetzung beraten und formuliert wurde“. Nach Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 1 Rn. 6, erschließt erst die Rechtsgeschichte die Bedeutung der einzelnen Rechtsfiguren und Argumente „viel klarer“. Dilcher, AcP 184 (1984), 247–288.
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§ 1 Konzeption
gefüge des gesetzlichen Gesellschaftsrechts finden durch eine historische Schau – und nur durch sie! – ihre Erklärung und nicht selten ihre Auflösung. Rückblicke auf die Vergangenheit sollen deshalb diesem Buch nicht Patina und historisierende Würde verleihen, sondern sie sind Teil von Erkenntnis und Fortschritt.“14
Das gilt dabei nicht bloß für das Gesellschaftsrecht im Allgemeinen, sondern im Besonderen für die Figur der Gesamthand als ein „geschichtsmächtiges juristisches Modell“,15 das als solches in „einer seit Jahrhunderten gewachsenen Rechtstradition“ steht.16 Demgemäß steht auch in dieser Arbeit Gierke und dessen Theorie der deutschen Gesamthand im Fokus der Überlegungen.17 Das derart dogmengeschichtlich rekonstruierte Gesamthandsmodell Gierkes ist insofern für das geltende Recht fortzuentwickeln, als sich die Figur der Gesamthand in das gegenwärtige positive Recht einfügen muss, indem es das geltende Recht in sich schlüssig und widerspruchsfrei abbildet und die insoweit unvollständigen gesetzlichen Regelungen zur Gesamthand systemimmanent ergänzt.18 Zu dieser geschichtlichen Methode besteht schon allein deswegen keine wirkliche Alternative, weil sich die Verfasser des BGB auf das „Wesen der gesamten Hand“ gerade nicht festlegen wollten und daher lediglich die „Bestimmungen“ zur Gesamthand in das BGB aufgenommen haben, die in ihren Augen „sachlich den Vorzug“ verdienten.19 Auch wenn das geltende Recht stets und demzufolge auch bei der Begriffsbildung der Gesamthand (als Rechtsfigur) mit Notwendigkeit den Ausgangspunkt der Auslegung darstellt, reicht eine Analyse des positiven Rechts für sich allein von vornherein nicht aus, um das „Wesen“ der Gesamthand im BGB aufzufinden.20 Die Analyse des 14
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 3 IV 1 (S. 54). Raiser, AcP 194 (1994), 495, 499. Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 120. 17 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 9 Rn. 72 (S. 185), bezeichnen „die Arbeiten Otto v. Gierkes“ als „grundlegend“ für das Verständnis der „Gesamthandsgemeinschaft“ im geltenden Recht. Auch nach Raiser, in: FS Zöllner, 1998, 469, 476, ist die „Theorie der Gesamthand, wie sie bis heute gelehrt wird, (…), wie man weiß, im wesentlichen das Werk Otto v. Gierkes“. 18 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197). 19 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 b) (S. 199), stellt in der Folge fest: „Bei den Gesamthandsgemeinschaften des BGB hat der Gesetzgeber die Fragen der Rechtszuständigkeit weitgehend im Dunkel gelassen. Hier ist die Wissenschaft zur Klärung aufgerufen.“ 20 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197). Nach der Ansicht von Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung, 2000, S. 34–39 (S. 35), haben demgegenüber die Verfasser des BGB das Gesamthandsprinzip, das schon für die OHG des ADHGB vor 1900 gegolten habe, für die BGB‑Gesellschaft als „ungeschriebenes geltendes Recht“ übernommen (offengelassen in BGHZ 146, 341, 347). Das „Wesen“ (S. 33), die „Rechtsnatur“, von OHG und BGB‑Gesellschaft als Gesamthandsgemeinschaften ergebe sich deswegen zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, dafür aber aus deren „deutschrechtlicher Gestaltung“ (S. 39). 15 16
B. Dogmengeschichtlicher Ansatz
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positiven Rechts ist daher um eine dogmengeschichtliche Betrachtung als eine Form der historischen Auslegung zu ergänzen, um so für das geltende Recht das Modell einer deutschen Gesamthand zu entwerfen. Das dogmengeschichtliche Umfeld, in dem die Gesamthand als Rechtsfigur schließlich in das BGB eingegangen ist, bildet die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts, und zwar in der „begrifflichen Prägung“, die sie am Vorabend des BGB durch Gierke gefunden hat.21 Demgemäß ist für die Dogmengeschichte der Gesamthand des BGB entscheidend, wie Gierke diesen Begriff auffasste. Da für ihn die römisch-rechtliche Gesellschaft (societas) auf der einen und die deutsch-rechtliche Verbandsperson auf der anderen 21 Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62 (und 63). Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 488–509 (und öfter), der den „modernen Gesamthandbegriff“ zwar nicht auf die „Genossenschaftsidee Beselers und Gierkes“ zurückführen und daher auch nicht in Gierke dessen „Urheber“ sehen will, sondern Johannes E. Kuntze (1863) und Otto Stobbe (1864). Erst in der Folge davon habe zunächst Beseler diesen „Gesamthandbegriff“ in seinem Lehrbuch rezipiert (Limbach, aaO., Rn. 477–482), der erst darüber zu Gierke gelangt sei. Dennoch ist Gierke der erste, der die „Konstruktion der Gesamthand vertieft behandelt“ (ebenda, Rn. 482) und dadurch die Rechtsfigur der deutschen Gesamthand als Rechtsprinzip ausarbeitet hat. Die moderne Gesamthand, so wie sie heute in den §§ 718, 719, 738 BGB für die BGB‑Gesellschaft als die „Urfigur“ der „Gesamthand an sich“ (Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2) zum Ausdruck kommt, nimmt ihren Anfang insofern erst bei Gierke. Demgemäß führt Lepsius, aaO., Rn. 17, auch die Umstellung der BGB‑Gesellschaft von einer societas des römischen Rechts im ersten Entwurf auf das Gesamthandsprinzip im zweiten Entwurf „im Wesentlichen auf den Einfluss von Otto Gierke zurück“; sogar „allein auf Otto von Gierke“: Köbler, Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010, S. 296. Für einen insofern entscheidenden Einfluss des Stettiner Rechtsanwalts Emil Boyens (1848–1925) dagegen Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002, S. 223; wohl auch Limbach, aaO., Rn. 438. Doch selbst dann geht das Gesamthandsprinzip bei der BGB‑Gesellschaft auf Gierkes deutsch-rechtliche Gesamthandslehre zurück. Denn auch für Boyens war die Gesamthand eine Rechtsfigur, die die germanistische Rechtsschule erst im 19. Jahrhundert und damit vor allem Gierke „geschaffen“ hat (Limbach, aaO., Rn. 436). Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 158, versteht die §§ 718, 719 BGB („gesetzliche Regel“) als Ausdruck „deutsch-rechtlicher Einflüsse“. Daher ist die „BGB‑Gesamthand“ allenfalls insofern eine „Zweckschöpfung des Gesetzgebers“ (Schäfer, aaO., Rn. 289), als die Verfasser des BGB die deutsch-rechtliche Gesamthandsfigur allein in Bezug auf das „gemeinschaftliche Vermögen“ (§§ 718, 719 BGB) übernahmen (Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989–992; so auch Denkschrift, in: Mugdan, aaO., S. 1259–1260, wonach sich der „Entwurf“ in Bezug auf die „Gesellschaft“ [§§ 705–740 BGB] der „deutsch-rechtlichen Gestaltung“ angeschlossen hat; Flume, aaO., S. 3–4; BGHZ 146, 341, 343; Schäfer, aaO., Rn. 289, der die „BGB‑Gesamthand“ insgesamt als das „Sondervermögen einer Personenmehrheit“ beschreibt). Ein Gesamthandsvermögen (§§ 718, 719 BGB) setzt jedoch eine Personengemeinschaft zur gesamten Hand voraus, sodass die Verfasser des BGB auch insofern die germanistische Gesamthandsfigur Gierkes, und dadurch insgesamt, in das BGB aufgenommen haben (dazu § 7). Demzufolge trifft es vollauf zu, wenn Raiser, in: FS Zöllner, 1998, 469, 476, betont, dass die „Theorie der Gesamthand, wie sie bis heute gelehrt wird, (…), wie man weiß, im wesentlichen das Werk Otto v. Gierkes“ ist.
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§ 1 Konzeption
Seite gewissermaßen die Gegenpole zu seiner Gesamthand bildeten und die Verbandsperson ihrerseits für Gierke ein germanistischer Gegenentwurf zur römisch-rechtlichen juristischen Person (universitas) war, ist zudem Gierkes Verständnis der drei Rechtsfiguren societas, Verbandsperson und juristische Person (universitas) in die dogmengeschichtliche Betrachtung der Gesamthand im BGB einzubeziehen.22 Obschon es demnach gilt, vor allem Gierkes Vorstellungen dazu wiederaufleben zu lassen, um so den dogmengeschichtlichen Hintergrund der Gesamthand im BGB zu rekonstruieren, stößt dieses Vorhaben immer wieder auf die Schwierigkeit, dass Gierke oftmals nicht offenbart, wie er sich diese Rechtsfiguren vorstellt.23 Aus diesem Grund ist Gierkes Sichtweise auch unter Rückgriff auf ein insofern allgemeines Verständnis dieser Rechtsfiguren zu vervollständigen.
22 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 479–482 (und öfter). Auch Laufs, JuS 1968, 311, hebt hervor, dass Gierke seine Auffassung von der Verbandsperson als realer Gesamtperson im Gegenüber zum „Phantom der persona ficta“ und damit zur „römischrechtlichen universitas“ (= juristischen Person) entwickelt hat. 23 Diesem Umstand ist es, zumindest auch, geschuldet, dass das Schrifttum zu Gierkes germanistischer Genossenschaftslehre, in deren Zentrum seine Rechtsfigur der Verbandsperson (= „Genossenschaft“) steht, fast unüberschaubar geworden ist. Die Gesamthandsfigur dient Gierke dagegen oftmals nur zur Abgrenzung davon; Mertens, JuS 1971, 508, 509, wonach Genossenschaft und menschliche Verbände insgesamt als der „wichtigste Einzelgegenstand“ Gierke ein Leben lang beschäftigt haben. Peters, Die Genossenschaftstheorie Otto v. Gierkes (1841–1921), 2001, vor allem S. 76–123; Janssen, ZRG GA 122 (2005), 352– 366; K. Schmidt, Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht. Aktuelle Betrachtungen zur Wirkungsgeschichte von Otto v. Gierkes Genossenschaftstheorie, 1987; Thieme, Was bedeutet uns Otto von Gierke?, in: FS Lübtow, 1980, S. 407–424; Wieacker, in: FS für Huber, 1973, S. 339–383; Laufs, JuS 1968, 311–315; Mertens, JuS 1971, 508–511; Dilcher/Kern, ZRG GA 101 (1984), 1–46; Schikorski, Die Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff in der Rechtslehre des 19. Jahrhundert, 1978; Dilcher, Zur Geschichte und Aufgabe des Begriffs Genossenschaft, in: Dilcher/Diestelkamp (Hrsg.), Recht Gericht, Genossenschaft und Policey, 1986, S. 114–123; Heydenreuter, Otto von Gierkes Genossenschaftsrecht und die Rechtsgeschichte, in: Entwicklung und Realisierung des Genossenschaftsgedankens vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 2000, S. 153–169; Malowitz, Freiheit in Gemeinschaft. Zu Rezeption und Bedeutung der Gemeinwohlidee in der Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, in: Münkler/Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, 2002, S. 141– 164; Oexle, Otto von Gierkes „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“, in: Hammerstein (Hrsg.), Deutsche Geschichtswissenschaft um 1900, 1988, S. 193–217; Kosfeld, Genossenschaft, Gemeindegedanke und Verfassungsstaat. Historische Reflexion und moderne Gesellschaft bei Maitland und Gierke. Ein deutsch-englischer Vergleich, in: Kirsch/Kosfeld/Schiera (Hrsg.), Der Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Massengesellschaft, 2002, S. 307–337; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 2013, S. 207–215, 317–328; Repgen, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001, S. 127–179; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 151–182 (und öfter).
C. Herangehensweise
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C. Herangehensweise I. Der Schlüssel zum Verständnis von Gierkes Gesamthandsfigur Auch wenn sich die Rechtsfigur der Gesamthand im geltenden Recht einzig und allein dadurch erschließen lässt, dass an Gierke und seine Gesamthandslehre angeknüpft wird, stößt dieser Ansatz auf die grundlegende Schwierigkeit, dass Gierke die Rechtsfigur der Gesamthand als eine „verbundene Personenmehrheit“ beschreibt, die „kraft der gesamten Hand“ zugleich eine (kollektive) „Personeneinheit“ ist.24 Die Gesamthand ist demnach für Gierke gleichzeitig Vielheit und Einheit. Die Momente von Einheit und Vielheit scheinen jedoch unversöhnliche Gegensätze zu sein: Etwas ist entweder eine Vielheit oder eine Einheit, aber nicht zur selben Zeit beides, oder wie Buchda es ausdrückt: „Wo aber wirklich Einheit ist, da ist keine Vielheit mehr.“25 Die24
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682. Buchda, Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936, S. 258; Philipsborn, ZRG RA 71 (1954), 41, 63: „Zwischen Vielheit und Einheit gibt es nur ein ‚Ja‘ oder ein ‚Nein‘, nicht ein Mehr oder Weniger.“ Dieser Gegensatz von „Einheit und Vielheit“, „Herrschaft und Genossenschaft“, ihre Dialektik, zieht sich durch Gierkes Denken (Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1, 1868, S. 1–4 und öfter). Dazu Schikorski, Die Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff in der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts, 1978, S. 246: „Gierkes Dialektik: Herrschaft – Genossenschaft“, sowie S. 28–29, 225–228, wonach die Verbandsperson („Korporation“) bei Gierke eine Einheit in oder trotz der Vielheit ihrer Mitglieder sei, weil sie beide zu einem „ambivalenten, gleichsam dialektischen Ganzen“ verbinde (sowohl Rechtssubjekt als auch Rechtsverhältnis). Dilcher, Genossenschaftstheorie und Sozialrecht: Ein „Juristensozialismus“ Otto v. Gierkes?, in: Quaderni Fiorentini 3/4 (1974/75), S. 319–365, sieht einen „offenkundigen Einfluss der Hegel’schen Dialektik auf Gierkes Geschichtsdenken“ (ebenda, S. 332 mit Fn. 56). Nach Auffassung von Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. II/1, 1951, S. 156–157, zeichnet sich das Rechtsdenken Gierkes, seine Rechtsidee als die „Idee des Gerechten“, entscheidend durch eine „echt Hegelsche Synthese zwischen den beiden Polen des Soziallebens, Individuum und Gemeinschaft“ aus. Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. Aufl. 1995, S. 147–176, sieht im Denken Gierkes „das Erbe Hegels unverkennbar lebendig“ (S. 155 mit Fn. 44), dennoch ist für ihn die Dialektik Hegels erst durch das Immanenzdenken Schellings bei Gierke „in eine stabilisierende Ruhelage gebracht“ (S. 156). Wolf, Große Rechtsdenker, 4. Aufl. 1963, S. 693–697, meint im Gegensatz dazu, in der Lehre von der „Realität der Verbandsperson“ weniger eine Nähe zu Hegels Dialektik als zu Schellings Organismuslehre und dessen metaphysischem Idealismus zu erkennen. Nach Janssen, ZRG GA 122 (2005), 352, 360–366, wiederum geht Gierkes philosophisches Denken vermittelt über Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften, 1883, auf das von Schleiermacher zurück (ebenda, S. 362; sowie ders., Otto von Gierkes Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1974, S. 181–188, 203–209, und öfter). Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 6, Fn. 1, selbst verweist in Bezug auf seinen „Gedanken der realen Gesamtpersönlichkeit“ und damit für die reale Verbandsperson als ein organischer Verband (auch) auf die Rechtsphilosophie Hegels. Dazu Larenz, Hegels Dialektik des Willens und das Problem der juristischen Persönlichkeit, in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1931 (1972), S. 733, 760–767, 776 (und öfter). Den Einfluss der „Hegelschen Dialektik“ auf die Rechtsfiguren der realen Verbandsperson, aber auch der Gesamthand, einer genaueren Be25
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§ 1 Konzeption
ses Diktum wirkt dabei auf den ersten Blick durchaus schlagend, es sieht geradezu so aus, als sei es nicht zu widerlegen, sodass die Suche nach dem „noch immer unbekannten Wesen“ der Gesamthand wie ein vergebliches „Mysterienspiel“ anmutet.26 Das gilt umso mehr, als sogar Gierke selbst in Bezug auf die Rechtsfigur der Gesamthand überlegt, wie es denn überhaupt möglich sein könne, „dass eine Personenmehrheit, wenn sie doch Mehrheit bleibt, sich so vielfach im Sinne einer Einheit geltend macht“.27 Eine überzeugende Antwort darauf bleibt auf den ersten Blick auch Gierke schuldig, zumindest ist es selbst namhaften Autoren in der Rechtswissenschaft bis heute noch immer nicht gelungen, die Rechtsnatur der Gesamthand, so wie Gierke sie sich vorstellt, zu ergründen und verständlich darzustellen. Was Gierke unter dem Begriff der Gesamthand versteht, wie er sie als eine Rechtsfigur des deutschen Rechts entwirft, findet sich indes durchaus bei ihm, nur ist dieser erst mühsam aus sehr vielen Einzelteilen zusammenzufügen. Die diversen Stücke, aus denen sich gleichsam Gierkes Bild von der Gesamthand zusammensetzt, sind über seine zahlreichen und umfangreichen Schriften zum deutschen Genossenschaftsrecht und zum deutschen Privatrecht verstreut und dort auch noch geradezu versteckt, sodass sie und damit das „Wesen“ der Gesamthand bei Gierke bis heute unentdeckt geblieben sind. Es erstaunt deshalb auch nicht, dass, obschon „die Arbeiten Otto v. Gierkes“ allgemein für das Verständnis der Gesamthand als „grundlegend“ erachtet werden, ihr Verständnis trotzdem „von jeher große Schwierigkeiten bereitet“ hat und in der Folge davon „die Fülle der unterschiedlichen Meinungen“ dazu „fast unabsehbar“ ist und es immer noch nicht geschafft wurde, die Figur der Gesamthand im geltenden Recht als das zu erfassen, was sie ist.28 trachtung zu unterziehen, wäre sicherlich reizvoll. Dieser ideengeschichtliche Hintergrund Gierkes ist jedoch für das Verständnis der Gesamthand und der Verbandsperson und damit für den Gegenstand dieser Arbeit nicht zwingend erforderlich. Den Schlüssel zu Gierkes Sicht auf seine germanistischen Rechtsfiguren bildet vielmehr Samuel von Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia sowie das stoische Immanenzdenken, die Relation des Ganzen zu seinen Teilen. (Dazu sogleich). 26 Zitate: Ulmer, AcP 198 (1998), 113; Weber-Grellet, AcP 182 (1982), 316. Auch für Schulte, in: FS für Großfeld, 1999, S. 1075–1087, ist die Figur der Gesamthand ein „Mysterium“, weshalb die „alte ‚echte‘ Gesamthandstheorie (…) ohne einen Rest von Mystik anscheinend nie wird auskommen können“ (S. 1087). Die Gruppenlehre Flumes und der heute ganz h. M., als neue Gesamthandslehre, die in der Gesamthand ein Rechtssubjekt sieht, ist für Schulte deswegen überhaupt keine Gesamthand mehr. 27 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 927. Für ihn ist die Gesellschaft als eine Gesamthand zwar (stofflich) „eine andere“, „sobald ein Gesellschafter ausscheidet oder hinzutritt“, da die Gesellschaft „ja in subjektiver Beziehung mit der Summe der Gesellschafter zusammenfällt“, aber dennoch „in jeder Beziehung in ihrer objektiven Einheit fortbesteht“ (S. 941). 28 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 9 Rn. 72 (S. 185).
C. Herangehensweise
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Der Schlüssel zum Verständnis Gierkes und seiner Gesamthand (aber nicht nur in Bezug auf sie) ist der Naturrechtler Samuel Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia.29 Dieser differenziert zwischen der physischen Welt, einer Welt, die der Mensch allein über seine Sinne erfährt: den entia physica (physische Wesenheiten), und der moralischen Welt, der idealen, da nur gedachten Welt des Rechts, die ausschließlich im menschlichen Denken existiert: den entia moralia (moralische Wesenheiten).30 Während der Mensch in die sinnlich wahrnehmbare Welt gehört und dort ein ens physicum ist, hat (!) er in der Welt des Rechts ein Rechtssubjekt (ens morale), eine moralische Person (persona moralis). Der einzelne Mensch oder vielmehr seine persona moralis ist nun nicht schon unmittelbar Träger von Rechten und Pflichten und insofern noch nicht voll und ganz ein Rechtssubjekt, sondern nur und erst ergänzt um einen status, den sie, vorgestellt als Raum, in der Welt des Rechts mit Notwendigkeit einnimmt. Der status ist gewissermaßen eine „Hülle“, die die persona moralis vollkommen umgibt.31 Diese Hülle ist jedoch insofern transparent, als Rechtsbeziehungen, die von außen auf den status treffen, jenen durchdringen, ihn passieren und so bis zur persona moralis im Inneren als dem eigentlichen Rechtsträger (= Zuordnungsendpunkt) gelangen.32 29 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 668 mit Fn. 23, wonach die „moralische Person“ im Naturrecht „nichts als eine kollektive Personeneinheit“ und demnach eine Gemeinschaft „im Sinne der gesamten Hand“ war; sowie S. 470, Fn. 8: „Dies hat schon Pufendorf erkannt (…). Es ist aber immer wieder vergessen worden.“ Dazu Gierke, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1880, S. 192–194, und ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4., 1913, S. 415–420. 30 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 1–23 (S. 13– 25). Dazu Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 223, der die Unterscheidung zwischen entia physica und entia moralia als grundlegend für das Gesamtwerk Pufendorfs einstuft; Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 19, erkennt darin sogar „eine geniale Leistung“ Pufendorfs, und betont, dass stets die moralischen Personen logisch scharf von den Menschen als ihre physischen Träger zu trennen sind (S. 29); Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 84–85. 31 Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 248 (Zitat). Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 6 (S. 15–16); Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 231–233: „Der status (…) erfasst den Menschen als Person in einem bestimmten sozialen Stand. Erst dieser Stand vermittelt Rechte und Pflichten“ (Hervorhebung im Original). Nach Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 112, ist der Stand (d. h. status) „der Ort, wo es Recht und Verpflichtung geben kann“. Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 24–25; Hattenhauer, „Der Mensch als solcher rechtsfähig“, in: Klein/Menke (Hrsg.), Der Mensch als Person und Rechtsperson, 2011, S. 39, 51. 32 Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 248, beschreibt insofern treffend die OHG und damit an sich die Gesamthand selbst als einen „ambivalenten Verband mit transparenter Personenstruktur“. Transparent, da die „Zuordnungslinien“ (d. h. die Rechtsverhältnisse, weil bildlich vorgestellt als Verbindungslinien zwischen den Rechtssubjekten) „auf die
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§ 1 Konzeption
Eine persona moralis kann einen status in der Welt des Rechts aber nicht nur für sich allein einnehmen, vielmehr kann sie sich einen status auch mit mehreren anderen personae morales teilen.33 Der gemeinsame status verbindet so die Personenmehrheit zu einer Personeneinheit, ist aber selbst kein Rechtssubjekt, da der status die Rechte und Pflichten bloß an die personae morales weiterleitet; ihnen kommen deshalb die Rechte und Pflichten in Gemeinschaft, weil über den gemeinsamen status vermittelt, zu. Das „Fürsichsein der einzelnen Menschen“ wird dadurch „in einem bestimmten Bereich“ aufgehoben und „durch Verbundenheit ersetzt“.34 Die personae morales bilden eine „kollektive Personeneinheit“, sie sind eine Gesamthand.35 Da Gierke selbst dem juristisch geschulten Leser sein Bild von der deutschen Gesamthand nicht offenbart, der Begriff der Gesamthand aber ausschließlich über Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia zu verstehen ist, kann zwar sicherlich den Autoren, die sich mit der Rechtsfigur der Gesamthand bei Gierke auseinandergesetzt haben, sich zumindest redlich darum bemüht haben, nicht einmal vorgeworfen werden, das Wesen der Gesamthand in ihren Schriften (in aller Regel) verfehlt zu haben.36 Das ändert jedoch nichts an dem Hülle der Ganzheit“ (d. h. den gemeinsamen status als einen Raum im Recht, der die Gesellschafter als „Hülle“ umgibt) treffen, dort aber nicht enden, sondern sie durchdringen, „freilich nicht unverändert, sondern gleichsam gebrochen“, und so die dahinterstehenden einzelnen Mitglieder als die Zuordnungsendpunkte erreichen. Nach Brecher, S. 247–248, ist jedoch die OHG „mehr als Gesamthand und weniger als Rechtsperson“, weshalb er in ihr ein „Zwischengebilde“ und nicht eine Gesamthand sieht, eine solche ist für ihn allein die BGB‑Gesellschaft. Die Gesamthand, das sind für Brecher, S. 249–250, mehrere Personen (d. h. Gesellschafter), die „wie eine Person“ erscheinen. Sie sind es jedoch nicht absolut, sondern selbst als Ganzheit von außen betrachtet bloß relativ zueinander. Die Gesamthand ist daher nach Brecher, S. 250, eine „relative Verbandsperson“. 33 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, §§ 12–13 (S. 19– 20): „persona moralis composita“. Nach Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 232, 237, ist die persona moralis composita die vertragliche Absprache verschiedener Individuen, einen gemeinsamen status zusammen einzunehmen. Sie ist deshalb „die Summe der Vielen in der Identität eines status“. Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 340, denen zufolge sich im Fall der persona moralis composita die Mitglieder (als personae morales) vertraglich einigen, „gemeinsam einen status anzunehmen“. Für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 668, Fn. 23, war daher die „moralische Person“ (persona moralis composita, Gierke, aaO., S. 462, sowie ders., Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1880, S. 193, Fn. 195) eine „Gemeinschaft im Sinne der gesamten Hand“. 34 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 35 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 676 (und öfter). 36 Bei Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 372, ist von der Erfahrung die Rede, „dass ausschließende Theoriebildungen in Wahrheit Entfaltungsstufen der Problemreflexion“ und deswegen auch heute „nicht vertane Arbeit sind, wenn sie mit der gleichen denkerischen Energie verfolgt werden, die den führenden Dogmatikern des 19. Jahrhunderts ihren Rang in der Rechtswissenschaft aller Zeiten sichern“. Dass Modelle und Hypothesen dabei aktuell selbst in der Rechtswissenschaft „im viel berufenen Sinn heutiger Wissenschafts-
C. Herangehensweise
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Faktum, dass ihre Ausführungen zur Gesamthand allenfalls im Ansatz, wenn auch das überhaupt, imstande sind, etwas zum Verständnis der Gesamthand beizutragen, was nicht nur in Bezug auf die Figur der Gesamthand gilt, wie Gierke sie im 19. Jahrhundert und damit noch vor Inkrafttreten des BGB vor Augen hatte, sondern selbst in Bezug auf die des heute geltenden Rechts. Allein dort, wo dies der Fall ist, finden daher jene Autoren in dieser Arbeit Berücksichtigung. Daraus folgt zwangsläufig umgekehrt, dass in dieser Schrift vor allem und in Teilen sogar fast ausschließlich auf Gierke und dessen Werke abgestellt wird, ja allein auf sie zurückgegriffen werden kann und muss, um die Rechtsfigur der Gesamthand für das positive Recht von heute wirklich erschließen und fruchtbar machen zu können.
II. Der Grundirrtum der Gruppenlehre oder wo Flume Gierke missversteht Es überrascht infolgedessen zunächst einmal auch nicht, wenn sogar Flume mit seiner Gruppenlehre Gierke und dessen Rechtsfigur der Gesamthand fehlinterpretiert. Denn auch Flume ist unbekannt, dass Gierke seine Gesamthand auf der Basis von Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia konstruiert. Dass Flume in vermeintlicher Anknüpfung an Gierke in dessen Gesamthand, oder wie Flume es formuliert: „wir sagen: als Gruppe“,37 jedoch ein Rechtssubjekt zu erkennen glaubt,38 erstaunt trotzdem, stellt doch Gierke ausdrücklich für die „personenrechtlichen Gemeinschaften“, zu denen auch die „zur gesamten Hand“ gehört, fest: „Im Gegensatze zur Verbandsperson ist sie ein Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt.“39 Beide, Gesamthand und Verbandsperson, sind demgemäß „durch eine unüberbrückbare begriffliche Kluft getrennt“, und weil „Begriff“ bei Gierke für „Wesen“ steht, sind beide als Rechtsverhältnis (Gesamthand) bzw. als Rechtssubjekt (Verbandsperson) vollkommen wesensverschieden.40 Demnach ist das, worin Flume fälschlicherweise eine Gesamthand zu sehen meint, tatsächlich eine Verbandsperson des deutschen Rechts. Für seine Ansicht, wonach die Gesamthand als Gruppe und ausschließlich in diesem Sinn „als solche“ ein Rechtssubjekt ist,41 stellt Flume allerdings allein auf die Aussage Gierkes ab, dass „kraft der gesamten Hand“ die „verbunlehren zu falsifizieren“ und nicht (mehr) „zu verifizieren“ sind, hebt Wieacker ebenfalls zu Recht hervor (S. 383). 37 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55. 38 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 56: „Die Gruppe ist als solche Rechtssubjekt.“ 39 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660, 663. 40 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339. 41 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 56.
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§ 1 Konzeption
dene Personenmehrheit als solche rechtsfähig“ ist, dennoch aber die „Rechte und Pflichten“, die sie haben kann, „keiner von den verbundenen Personen verschiedenen Verbandsperson (…) zustehen“.42 Dabei setzt Flume den Begriff der Verbandsperson mit dem der juristischen Person gleich.43 Das ist allerdings ein fatale Fehlinterpretation. Flume übersieht hier (aber nicht nur er), dass die von Gierke als Germanist geschaffene Verbandsperson des deutschen Rechts ein ganz bewusster Gegenentwurf zur juristischen Person ist, die Savigny als Romanist zuvor aus dem klassischen römischen Recht entwickelt hatte.44 Deutsche Verbandsperson und juristische Person römischer Provenienz sind deswegen auch wesensverschieden. Während selbst eine „körperschaftliche juristische Person fortbesteht, auch wenn sie keine Mitglieder (mehr) hat“,45 „endet“ automatisch, insofern ipso iure, eine körperschaftliche Verbandsperson (d. h. „Genossenschaft“) „auch schon durch Wegfall aller Mitglieder bis auf Eines“.46 Dass die Verbandsperson als Rechtssubjekt erlischt, wenn ihr ein menschlicher Verband, der sich aus zwei oder mehr Menschen als seine Mitglieder zusammensetzen muss, nicht mehr als ihr Substrat, oder als „tatsächliche Unterlage“,47 zugrunde liegt, eine juristische Person als Rechtssubjekt davon aber völlig unberührt bleibt, folgt daraus, dass auch die Verbandsperson Einheit und Vielheit zugleich ist, die juristische Person im Gegensatz dazu aber ausschließlich eine Einheit, oder wie Savigny es ausdrückt: ein „ideales Ganzes“.48 Die Verbandsperson ist dagegen ein reales Ganzes, da sie als Rechtssubjekt (d. h. als Einheit) in ihren Mitgliedern als ihren Teilen (= Vielheit) existiert 42 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 53, der wörtlich Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682, zitiert. 43 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55 mit Fn. 29, der sich dabei in Übereinstimmung mit Gierke wähnt. 44 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 142, 173 (und öfter), wonach Savigny seine Rechtslehre „bekanntlich“ aus der klassischen römischen Jurisprudenz geschöpft und sich vor allem bei seiner Figur der juristischen Person als ein ideales Ganzes „auf die Korporationslehre der klassischen römischen Jurisprudenz“ gestützt hat. Dazu Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241 mit Fn. (t): die „juristische Person“ als „fingierte persona“ im römischen Recht (und öfter). Meder, aaO., S. 54, der Gierkes Lehre von der realen Verbandsperson als einen „Kampf“ Gierkes „gegen alles Fiktive, Imaginäre oder ‚Unleibliche‘ in der Theorie von den Personenverbänden“ charakterisiert. Dazu Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 463–468 (und öfter), der ausdrücklich auf Savigny und dessen „juristische Person“ als „fingierte Person“ („wesenloser Schemen“, „Gespenst einer fingierten Person“) Bezug nimmt. 45 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 98, verweist hier auf Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 280, für den seinerseits „der Tod aller Mitglieder die Corporation“ nicht „notwendig auflösen“ muss, sofern „ihr ein dauernder Zweck, von öffentlichem Interesse, zum Grund liegt“. 46 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 558. 47 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22. 48 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243.
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und insofern eine „immanente Einheit“ ist.49 Sie setzt sich aus der Gesamtheit ihrer Mitglieder (= dem menschlichen Verband) zusammen und ist deshalb eine „zusammengesetzte Person“50 oder auch „Gesamtperson“.51 Als Ganzes ist sie demnach auf der einen Seite die Summe ihrer Teile. Da das Ganze aber zugleich von der Summe seiner Teile verschieden, wenn auch nicht getrennt ist, über sie hinausgeht und insofern selbständig ist, ist das Ganze und damit die Verbandsperson auf der anderen Seite zugleich auch mehr als die Summe ihrer Teile („Übersummativität“).52 Mit dieser Beschreibung der Verbandsperson knüpft Gierke an die „stoische Philosophie“ an.53 Für Gierke ist der menschliche Verband und in der Folge davon auch seine Verbandsperson des deutschen Rechts ein „Gesamtkörper“, der sich aus „räumlich getrennten Einzelkörpern“ zusammensetzt (corpus ex distantibus).54 Der „Verband“ ist danach „ein von der Summe seiner Teile verschiedenes Ganzes“, dem deshalb „eine körperliche Einheit“ beigelegt ist, zu der sich „die im Übrigen als selbständige Körper anerkannten Individuen“, also die räumlich getrennten Einzelkörper, „als Glieder“ verhalten.55 Auf diese Weise stehen Gierke zufolge das Ganze und die Glieder in „doppelter körperlicher Einheit“ nebeneinander.56 Auch Flume hat dieses Bild von seiner ja bloß vermeintlichen Gesamthand vor Augen, sodass seine Gesamthand in Wirklichkeit eine Verbandsperson ist. Das wird daran sichtbar, dass für ihn die „Gesellschaft als Gruppe“, und weil die Gesellschaft „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand an sich“ ist, die Gesamthand als solche, „in den Gesellschaftern existiert“.57 Insofern fällt die Gesamthand als Ganzes (Einheit) mit den Gesellschaftern als der Summe ihrer Teile (Vielheit) zusammen und ist doch von ihr als „zwar selbständige, aber immanente Einheit“ verschieden und bildet als ein solcher „Gesamtkörper“ (corpus ex distantibus),58 oder wie es Flume nennt: „als Gruppe“, dann ausschließlich das Rechtssubjekt: „Die Gruppe ist auch als Rechtssubjekt nichts anderes als die Mitglieder in ihrer Verbundenheit.“59 49
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 906.
50 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, 473. 51 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873,
S. 825. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825 (für die „Stadt“ im Besonderen), S. 906 (für die „deutsche Genossenschaft“ im Allgemeinen und damit für die reale Verbandsperson des deutschen Rechts); Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, S. 58 (Zitat). 53 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32. 54 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32. 55 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 56 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33, Fn. 76. 57 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2, 57. 58 Zitate aus: Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825, und Bd. 3, 1881, S. 32. 59 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 56–57. 52
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Die Gesellschaft ist demgemäß für Flume als vermeintliche Gesamthand insofern alleiniger „Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen“ und nicht ihre Gesellschafter,60 weil die Rechtsbeziehungen bei ihr als angebliche Gesamthand enden und daher nicht bis zu den einzelnen Gesellschaftern durchdringen.61 Sie ist in diesem Sinn, wie Gierke es ausdrückt, „eine selbständige Einheit“.62 Da die Gesellschaft als Gesamthand aber für Flume zugleich „in ihren Gesellschaftern existiert“,63 ist sie auch eine in dieser Vielheit „immanente Einheit“,64 die deshalb ohne ihre Gesellschafter als ihr Substrat (= Vielheit) nicht (fort-) bestehen kann und infolgedessen ipso iure erlischt, sobald nur noch ein Gesellschafter vorhanden ist.65 Fällt die „tatsächliche Unterlage“ (d. h. der menschliche Verband) also weg,66 hört demnach auch die Gesellschaft als vermeintliche Gesamthand automatisch auf, als Rechtssubjekt (und damit im Recht) zu existieren. Demnach ist aber die Gesamthand Flumes und damit der ganz h. M., die ihm darin als Gruppenlehre folgt, in Wirklichkeit eben nicht die deutsche Gesamthand Gierkes, sondern dessen Verbandsperson als juristische Person des deutschen Rechts. Selbst um Flume und seine Gruppenlehre rechtsdogmatisch überhaupt im Ansatz erfassen und dadurch die heute ganz h. M. verstehen zu können, ist es demgemäß unverzichtbar, auf Gierke und seine Figuren der Gesamthand und der Verbandsperson abzustellen. Und weil Gierke beide Rechtsfiguren im Rückgriff auf Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia entwickelt hat, ist auch jener und seine Lehre stets in die dogmengeschichtliche Betrachtung sowie in die des geltenden Rechts einzubeziehen. Damit ergibt sich für diese Arbeit mit Notwendigkeit aber auch die Vorgehensweise, als Ausgangspunkt der eigenen Überlegungen stets Gierke und dessen Gesamthandsmodell sowie das der Verbandsperson zu wählen und erst darauf aufbauend in Auseinandersetzung mit Flume und dessen Gruppenlehre die Figur der Gesamthand im geltenden Recht zu entfalten.
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Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 93.
61 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 62, 90. 62 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2,
1873, S. 825 (Zitat). Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 94. 64 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825 (Zitat). 65 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 99, der hier auf BGHZ 65, 79, 82–83 verweist; dort stellt der BGH, was Flume wortwörtlich zitiert, für den Fall, dass eine Einzelperson sämtliche Anteile an einer Gesellschaft von deren Gesellschaftern erwirbt, fest: „Sämtliche zur Mitgliedschaft gehörenden Rechte, Pflichten, Ansprüche und Schulden vereinigen sich, und da es im Recht der Personengesellschaften eine ‚Ein-Mann-Gesellschaft‘ nicht gibt, hört die Gesellschaft als solche auf zu bestehen.“ 66 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22 (Zitat). 63
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III. Die Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit der Gruppenlehre Die Darstellung und Einbeziehung der heute ganz h. M. in diese Arbeit stößt dabei jedoch auf die Schwierigkeit, dass fast ausschließlich Flume den rechtsdogmatischen Unterbau der, wenn auch bloß vermeintlichen Gesamthand der heute ganz h. M. erarbeitet und aufgezeigt hat. Daher kann oftmals nur auf seine Schriften, daneben noch, zumindest vor allem, auf die von Peter Ulmer (und jetzt seinem Schüler Carsten Schäfer) sowie die von Karsten Schmidt, die als die Wegbereiter der „neuen Gesamthandslehre“ (d. h. der Gruppenlehre) und neben Flume als deren Zentralfiguren gelten,67 zurückgegriffen werden, um das Gesamthandsmodell zu erschließen, so wie die ganz h. M. es heute als geltendes Recht auffasst. Es ist aus diesem Grund sicherlich auch kein Zufall, wenn K. Schmidt im Rückblick auf „Flumes Thesen“, die jener erstmals im Jahr 1972 mit dem Titel „Gesellschaft und Gesamthand“ veröffentlichte,68 feststellt: „Flumes Thesen waren – auch auf Grund der dogmatischen Höhe des Textes – für die hierauf nicht vorbereiteten Leser nicht leicht verständlich. Sie werden auch heute mehr sekundär zitiert als substantiell wahrgenommen.“69 Die momentan ganz h. M. übernimmt demnach auch nicht wirklich die von Flume entworfene Dogmatik der Gesamthand als Gruppe, sondern allein dessen Ansatz, die Gesamthand sei ein Rechtssubjekt.70 Da in ihren Augen „jedenfalls“ die OHG ein Rechtssubjekt in diesem Sinn ist, die OHG zugleich aber bloß eine kaufmännische GbR (und als solche eine Gesamthand), muss (!) für sie dann die GbR nicht nur ebenfalls ein Rechtssubjekt sein, vielmehr überträgt sie schon allein deswegen das Regelungsmodell der OHG einfach auf die BGB‑Gesellschaft.71 Die GbR ist infolgedessen für die heute ganz h. M. le67 K. Schmidt, NJW 2001, 993, 995, der ausdrücklich Ulmer als den hervorhebt, der „den Siegeszug der ‚neuen Gesamthandslehre‘ befördert“ habe. Ähnlich nochmals K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181, 189, und schließlich ZHR 177 (2013), 712, 714, wonach Werner Flumes folgenreiche Gesamthanddoktrin „erst durch Peter Ulmers bezwingende Kommentierung den ihr gebührenden Widerhall“ gewann. 68 Flume, ZHR 136 (1972), 177–207. K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181, 204, beschreibt, wie der Aufsatz buchstäblich seinen Weg in die ZHR gefunden hat (sehr lesenswert). 69 K. Schmidt, NJW 2001, 993, 995. Es ist deshalb auch bezeichnend, wenn Ulmer, AcP 198 (1998), 113, schreibt, Flume habe mit seiner Gruppenlehre „in relativ kurzer Zeit die Köpfe – oder die Herzen(?) – der deutlichen Mehrzahl der Gesellschaftsrechtler erobert“. 70 Dazu Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 48–49, der deshalb die Notwendigkeit erkennt, die Rechtsfähigkeit der Gesamthand als „Gruppe“ auch „dogmatisch abzusichern“ und nicht bloß pragmatisch zu bejahen. 71 BGHZ 146, 341, 346; Wilhelm, Sachenrecht, 5. Aufl. 2016, Rn. 177, Fn. 310, als Schüler Flumes bestreitet das und betont dagegen, die neue Gesamthandslehre bedeute nicht die bloße Übertragung des Regelungsmodells der OHG, sondern habe „die Figur der Gesamthand aus der Natur der Sache entwickelt“; Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung, 2000, S. 34–39 (37), für den sich das „Wesen“ (S. 33), die „Rechtsnatur“, von OHG und BGB‑Gesellschaft als Ge-
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diglich die „kleine Schwester der oHG“ (K. Schmidt).72 Die „Mischung aus Desinteresse und Ratlosigkeit“,73 auf die „Flumes Thesen“ zunächst gestoßen sind, ist daher selbst heute allenfalls oberflächlich überwunden, sodass insofern auch die Bezeichnung der heute ganz h. M. als Gruppenlehre zumindest ungenau, wenn nicht sogar falsch ist.
IV. Die Wiederkehr des Streits um die Rechtsnatur der juristischen Person Indem Flume seine vermeintliche Gesamthand als ein Rechtssubjekt charakterisiert, das keine juristische Person sein soll, hat er, wenn auch unbewusst, die Auseinandersetzung um das Wesen, die Rechtsnatur, der juristischen Person zwischen Romanisten und Germanisten des 19. Jahrhunderts, hier vor allem zwischen Savigny und Gierke, wiederbelebt.74 Für Flume stimmen seine angebliche Gesamthand und juristische Person darin überein, Rechtssubjekte zu sein. Sie sind in ihrer „Rechtszuständigkeit insofern gleichgestellt“, als bei beisamthandsgemeinschaften zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, dafür aber aus deren „deutschrechtlicher Gestaltung“ ergibt (S. 39). Die Verfasser des BGB haben demnach für die BGB‑Gesellschaft das Gesamthandsprinzip, das schon für die OHG des ADHGB vor 1900 gegolten habe, als „ungeschriebenes geltendes Recht“ übernommen (S. 35; offengelassen in BGHZ 146, 341, 347). 72 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 60 III 2 e) (S. 1799); ders., NJW 2003, 1897, 1904. 73 K. Schmidt, NJW 2001, 993, 995, verweist hier auf Fischer, ZGR 1979, 251, der zwar die Darlegungen Flumes als „immer originell und anregend“ lobt, die „den Leser durch ihre klare Gedankenführung in ihren Bann“ ziehen, ihm dennoch „nicht zu folgen vermag“, da die Gesamthand als „Gruppe“, d. h. als Rechtssubjekt, „im geltenden Recht keine ausreichende Grundlage“ finde (Fischer, aaO., S. 257). 74 Auch deshalb hat der Streit um „Wesen“ und „Theorie“ der juristischen Person durchaus selbst im BGB von heute immer noch seine immense Bedeutung und ist demnach nur scheinbar „abgeklungen“ (so jedoch Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. 1989, S. 133). Für „das Tagewerk der Juristen“ ist es sicherlich nicht „notwendig, alle Probleme, die sich hinter einer Rechtsfigur verbergen, wieder und wieder zu reflektieren“, was allerdings erst dann zutrifft, wenn jene auch wirklich „zu einer handhabbaren Kategorie geworden“ ist (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 II 1 [S. 186–187]). Wenn die „heute ganz h. M.“ die Aufgabe der juristischen Person als „rechtstechnischen Kunstgriff“ allein darin sieht, ein Sondervermögen zu einem Träger eigener Rechte und Pflichten, also zu einem Rechtssubjekt (= Person), zu verselbständigen und dadurch die Haftung der Mitglieder auf dieses Sondervermögen zu beschränken (Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 2, im Anschluss an Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 358–359, 345, 346), erkennt Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233–234, in dieser „Technisierung des Begriffs der juristischen Person“ (so K. Schmidt, aaO., S. 186) zu Recht eine „Verarmung“, wenn er beklagt: „Die Diskussion um die Rechtsperson“ (d. h. um die juristische Person) „ist erstarrt; wäre es noch ein Stellungskrieg!, aber man hat sich arrangiert, einen modus vivendi gefunden für den Tagesgebrauch; der Ernst, mit dem einst die Banner der Theorien entrollt wurden, ist einem pragmatischen common sense gewichen.“ Dazu Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 210–212; Teubner, KritV 1987, 61–85, wonach sich für das „Wesen“ der juristischen Person heutzutage „niemand mehr interessieren“ will (ebenda, S. 61).
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den die Einheit als solche, d. h. die Gesamthand bzw. die juristische Person, und nicht das einzelne Mitglied „Träger der Rechtsbeziehungen“ und demnach das Rechtssubjekt ist.75 Während nun aber für Flume seine angebliche Gesamthand als Rechtssubjekt „in ihren Gesellschaftern existiert“ und sie insofern deshalb eine Einheit in der Vielheit und demnach eine „zwar selbständige, aber immanente Einheit“ (Gierke) ist, ist die „juristische Person als Rechtssubjekt in ihrer Existenz gegenüber den Mitgliedern verselbständigt“ und demgemäß ausschließlich eine Einheit, ein „ideales Ganzes“ (Savigny).76 Vor diesem Hintergrund ist dann auch die Aussage des BGH in seiner Entscheidung, mit der er sich der Gruppenlehre Flumes im Jahr 2001 ausdrücklich für die (Außen-) GbR anschloss, zu verstehen, dass die Rechtsfähigkeit der juristischen Person, so wie sie in den §§ 21, 22, 54 BGB zum Ausdruck kommt, im Gegensatz zu derjenigen der Gesamthand im Sinn Flumes darin besteht, „Träger von Rechten und Pflichten aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit ‚als solcher‘ und nicht als Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder zu sein“.77 Demgemäß existiert auch für den BGH die angebliche Gesamthand als Rechtssubjekt in ihren Mitgliedern (Gruppe) und hat insofern keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie ist also als Rechtssubjekt eine immanente Einheit in der Vielheit ihrer Gesellschafter, während die juristische Person als Rechtssubjekt aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigt ist und deshalb nicht in ihnen als Gruppe existiert. Der Gegensatz, den Flume und im Anschluss daran auch der BGH beschreibt, ist aber nicht der zwischen Gesamthand und juristischer Person, sondern der zwischen der Verbandsperson des deutschen Rechts und der juristischen Person des römischen Rechts. Für Gierke ist die Verbandsperson „eine wirkliche, nicht bloß erdichtete Person“, da auch sie in ihren Mitgliedern existiert und insofern eine in ihnen immanente Einheit ist.78 Die juristische Person römischer Provenienz ist demgegenüber für Gierke eine „bloß erdichtete Person“,79 oder wie Savigny es ausdrückt, eine „fingierte Person“, da sie losgelöst von ihren Mitgliedern als Rechtssubjekt und damit als Person (im Recht) existiert.80 Auch der Unterschied zwischen Verbandsperson und juristischer Person und in diesem Sinn ihr Wesen erschließt sich über Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia. Pufendorf und im Anschluss an ihn auch Gierke dif75
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 93. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 94; Zitate: Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243. 77 BGHZ 146, 341, 347. 78 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 79 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 80 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241, 243–244, 280. 76
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ferenziert zwischen den Wesenheiten in der sinnlich erfahrbaren Welt, den entia physica, und denen in der Welt des Rechts, den entia moralia.81 Die Verbandsperson des deutschen Rechts fußt für Gierke auf einer anfangs unverbundenen Menge von Menschen und insofern auf einer Vielheit, die sich in der sinnlich erfahrbaren Welt, der Tatsachenwelt, oder wie Gierke sie nennt, der „Erscheinungswelt“, zu einem menschlichen Verband und damit zu einer Einheit zusammengefügt haben.82 Diesen menschlichen Verband erkennt das objektive Recht als Verbandsperson, d. h. als ein Rechtssubjekt an, indem es dem menschlichen Verband das „Recht der Persönlichkeit“, die Rechtsfähigkeit,83 lediglich „beilegt“ und dadurch zu einem ens morale, einer persona moralis, erklärt.84 Dieser Akt des objektiven Rechts ist in diesem Sinn nur „deklarativ“.85 Die Verbandsperson (ens morale) leitet sich demnach aus dem menschlichen Verband (ens physicum) ab, wohnt ihm als sein Attribut (modus) inne. Umgekehrt bildet der menschliche Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt das Substrat oder die tatsächliche Unterlage für die Verbandsperson in der Welt des Rechts. Als Rechtssubjekt, das seinem menschlichen Verband immanent ist, kann die Verbandsperson daher per se nicht ohne einen menschlichen Verband auskommen. Und weil der menschliche Verband aus zwei oder mehr Menschen in der sinnlich wahrnehmbaren Welt besteht (entia physica), endet die Verbandsperson ipso iure als Rechtssubjekt (ens morale), sobald bis auf ein Mitglied alle anderen weggefallen sind. Als Ganzes und insofern als eine immanente Einheit vermag die Verbandsperson als Rechtssubjekt (ens morale) nicht ohne ihre Vielheit, die Summe ihre Teile (entia physica), aus denen sie sich sinnlich wahrnehmbar zusammensetzt, zu existieren. Das Recht abstrahiert die Verbandsperson als „Rechtsbegriff“ aus dem menschlichen Verband und insofern aus der „Wirklichkeit“, als der menschliche Verband über die Menschen, die ihn als entia physica in der Tatsachenwelt real bilden, sinnlich wahrnehmbar und in diesem Sinn wirklich ist, sodass die Verbandsperson in der Tat eine „wirkliche Person“ ist.86 Und weil sich die 81 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 308, Fn. 1: „(…) Allein das Recht ist ja in der Tat eine Gedankenwelt, welche sich mit der Welt des Wirklichen niemals vollkommen deckt (…).“ (Hervorhebung nicht im Original); ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 mit Fn. 8: „Das hat schon Pufendorf erkannt. (…) Es ist aber immer wieder vergessen worden.“ 82 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, S. 66; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat). 83 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265. 84 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471; so bereits ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 21–23. 85 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 97 (Zitat). 86 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469–471; dazu Damm, AcP 202 (2002), 841, 864–866, der im Anschluss an Raiser, AcP 199 (1999), 104, 114, die „Realität juristischer Personen“ in der „dem Recht vorgegebenen sozialen und psychischen Wirklichkeit der gesellschaftlichen Kollektive“ erkennt.
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vielen Menschen, die man sehen und anfassen kann, zu dem einen menschlichen Verband formieren und das objektive Recht den menschlichen Verband lediglich „kraft Rechtssatzes“ als „Person“ anerkennt, ist die reale Verbandsperson, was das betrifft, für Gierke durchaus zutreffend eine „zusammengesetzte Person“.87 Die juristische Person „entstammt“ im Gegensatz dazu als eine „fingierte Person“ weder ihrem menschlichen Verband noch „lebt“ sie in ihm.88 Sie existiert in der Welt des Rechts vollkommen getrennt und losgelöst von ihrem menschlichen Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Das objektive Recht erschafft zunächst einmal die juristische Person in der Welt des Rechts als einen reinen Rechtsbegriff (nomen iuris) und in diesem Sinn als eine „fingierte Person“89 und „künstlich angenommenes Subjekt“90 und ordnet dieses erst im Anschluss daran einem menschlichen Verband als ihrem vermeintlichen Träger, als Substrat der juristischen Person, in der sinnlich erfahrbaren Welt zu. Dieser Akt des objektiven Rechts ist demnach „durch und durch konstitutiv, nicht deklarativ“.91 Doch selbst in der Folge davon bleibt dann die juristische Person auch weiterhin in ihrer Existenz als Rechtssubjekt (ens morale) von dem menschlichen Verband (ens physicum), ihrem bloß scheinbaren Substrat, völlig getrennt und unabhängig, sodass ihr „eigentliches Wesen“ als ein „künstlich angenommenes Subjekt“ von ihrem Substrat überhaupt nicht beeinflusst wird.92 Die juristische Person kann deshalb nicht nur unverändert als Rechtssubjekt fortbestehen, wenn sämtliche Mitglieder später weggefallen sind, vielmehr ist sie schon von vornherein nicht einmal auf ein einziges Mitglied angewiesen.93 Die Stiftung als mitgliederlose juristische Person und damit als eine Anstalt ist demgemäß „die juristische Person in Reinkultur“.94 Denn nur, wenn ihr Substrat nicht wirklich ein menschlicher Verband ist, vermag die juristische Person als gedankliche Rechtsfigur die Stiftung (als Anstalt) in sich aufzunehmen.95 Damit ist aber unverkennbar, dass, anders als es die heute ganz h. M. annimmt, der Streit zwischen Romanisten (Savigny) und Germanisten (Gierke) im 19. Jahrhundert um das Wesen der juristischen Person keineswegs „ohne 87
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471, 473. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241. 90 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 239. 91 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 96–97 (Zitat). 92 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106. 93 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 244, Fn. (b) („Stiftung“). 94 Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850. Ähnlich Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 242, wonach die Stiftung „juristische Person reinster Form“ ist, „ein bloßes Gedankending, dem in der Wirklichkeit nichts entspricht“. 95 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106. 88 89
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Bedeutung“ oder gar „hoffnungslos“ ist,96 sich jener auch nicht „als unlösbar“ erwiesen hat.97 Die Verbandsperson des deutschen Rechts, so wie Gierke sie entwirft, ist als Rechtssubjekt (ens morale), das mit Notwendigkeit in den Mitgliedern (entia physica) existiert, „zwar eine selbständige, aber immanente Einheit“ und deshalb von ihren Mitgliedern verschieden, aber eben nicht getrennt. Das unterscheidet sie diametral von der juristischen Person (des römischen Rechts), die als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) und insofern als „fingierte Person“ und „künstlich angenommenes Subjekt“ in der Welt des Rechts (ens morale) völlig losgelöst (d. h. getrennt und nicht bloß verschieden) von ihren Mitgliedern in der sinnlich erfahrbaren Welt (entia physica) besteht.98
V. Gesamthand und juristische Person als doppelter Gegenstand dieser Arbeit Die ganz h. M. als Gruppenlehre deutet ihre vermeintliche Gesamthand als Verbandsperson und damit als juristische Person des deutschen Rechts fehl, gleichzeitig ist die Rechtsnatur der juristischen Person selbst heute im BGB immer noch nicht zutreffend erfasst. Daher sind neben der Rechtsfigur der Gesamthand auch die der Verbandsperson und der juristischen Person in die Untersuchung der Gesamthand im geltenden Recht, die ursprünglich allein Aufgabe dieser Arbeit sein sollte, einzubeziehen. Da die Verbandsperson, wie gesagt, die juristische Person des deutschen Rechts ist, ergibt sich der doppelte Gegenstand dieser Schrift als „Gesamthand und juristische Person“. Und insofern ist dann zunächst einmal auch der Aussage von Thomas Raiser zuzustimmen, dass 96 Auch für Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, ist die Auseinandersetzung über die Rechtsnatur, oder das Wesen, der juristischen Person bloß „vermeintlich unfruchtbar und akademisch“; a. A. jedoch die heute ganz h. M.: Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff. Rn. 4 (Zitate); Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, vor § 21 Rn. 2, wonach die Theorien zum Wesen der juristischen Person „für die praktische Rechtsanwendung nutzlos“ sind und „ihr Erklärungswert gering“ ist; für Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 8, haben „die im 19. Jahrhundert heftig umstrittenen Fragen zum ‚Wesen‘ der juristischen Person und die dazu entwickelten Theorien nicht nur für die Rechtspraxis, sondern auch für die systematische Rechtslehre weithin an interessierendem Gewicht“ verloren. Auch Flume, Die juristische Person, 1983, S. V, stellt in seinem Vorwort fest: „Mit der Theorie der juristischen Person weiß man nichts Rechtes mehr anzufangen.“ Nach Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 114, ist der Streit um die „Rechtsnatur“ der juristischen Person in Deutschland nur durch die vom positiven Recht nicht ausdrücklich entschiedene Frage nach der Rechtsfähigkeit der BGB‑Gesellschaft und der Vorgesellschaft (beide sind Gesamthandsgemeinschaften) „am Leben erhalten“ worden. Heute könnten beide Fragen aber „als erledigt betrachtet werden“. Das stimmt freilich nicht. 97 Raiser, AcP 199 (1999), 104, 105. 98 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 239, 241 (Zitate).
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„der gegenwärtige Disput um die Rechtsnatur der Gesamthand (…) der Sache nach auch ein Disput um die Rechtsnatur der juristischen Person (ist). Wer meint, diese Diskussion sei überholt, glaubt an ein Trugbild. Im Gegenteil kommt alles darauf an, sich erneut auf Begriff und Sinngehalt der Figur der juristischen Person zu besinnen, denn nur von einer solcher Grundlage aus kann es gelingen, auch im Streit um die Rechtsnatur der Gesamthand und um die Subsumtion der Vereinigungsformen des Privatrechts unter beide Figuren weiterzukommen. Dies ist das Ziel der folgenden Überlegungen“.99
Dabei missversteht aber auch Raiser sowohl die Rechtsnatur der Gesamthand als auch die der juristischen Person im BGB.100 Er sieht zwar nicht dem Namen, so aber der Sache nach gleichermaßen in Gesamthand und juristischer Person (auch des BGB) eine Verbandsperson des deutschen Rechts, ohne sich dessen freilich bewusst zu sein.101 Die Gesamthand ist für ihn in der Folge davon als Rechtsfigur heute neben der juristischen Person „funktionslos und überflüssig geworden“, sie sei als „rechtsdogmatische Kategorie“ deshalb aufzugeben: „Ihre Geschichte ist am Ende.“102 Um im Gegensatz dazu aber aufzuzeigen, dass die Geschichte der Gesamthand keinesfalls an ihrem Ende angekommen ist, die germanistische, insofern die deutsche Gesamthand vielmehr für die Rechtsfigur der juristischen Person im geltenden Recht sogar unverzichtbar ist, darf sich die Aufgabenstellung dieser Arbeit nicht auf die Gesamthand beschränken, sondern hat zwingend die juristische Person zu umfassen. Die juristische Person von heute (und nicht nur die des BGB) ist die juristische Person, die Savigny aus dem klassischen römischen Recht entwickelt hat. Als fingierte Person entsteht sie erst und ausschließlich durch einen staatlichen Akt, der deshalb konstitutiv und nicht bloß deklarativ ist. Die körperschaftliche juristische Person (als Verein, Genossenschaft, AG oder GmbH) tritt je99 Raiser, AcP 199 (1999), 104, 105–106, 107; ihm folgend Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 2013, S. 33, der dabei völlig zu Recht betont, dass die Gesamthandslehre Gierkes niemals losgelöst von der Rechtsfigur der realen Verbandsperson, der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit, verstanden werden kann. 100 Raiser, AcP 199 (1999), 104, 107, 143–144; ders., in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 479–480, 484, wonach die Gesamthand deshalb eine juristische Person ist, weil sie rechtsfähig ist. Denn das, was als Verband rechtsfähig ist, ist für ihn „im System des Zivilrechts und des BGB“ mit Notwendigkeit juristische Person. „Die Gesamthandsgesellschaft als rechtsdogmatische Kategorie ist daher funktionslos und überflüssig geworden. Ihre Geschichte ist am Ende.“ (S. 486); erneut ders., ZGR 2016, 781, 795–796. 101 Raiser, AcP 199 (1999), 104, 132–133, wonach die juristische Person „in keinem Fall ein Geschöpf des Rechts (ist), sondern der sozialen Wirklichkeit“, weswegen „das Recht sie also nicht hervorbringt, sondern immer schon vorfindet“. Für K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181, 200–202, sind „Körperschaften“ (d. h. reale Verbandspersonen) „und Personen-Außengesellschaften vielleicht doch nur unterschiedlich verfasste juristische Personen“ und damit ein und dasselbe. Anders jetzt aber anscheinend K. Schmidt, ZIP 2014, 493, 497–498, wenn er den Unterschied zwischen der „Gruppe“ (d. h. der Gesamthand) und dem „korporativen Subjekt“ (d. h. der Körperschaft als juristischer Person) hervorhebt. 102 Raiser, in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 486.
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doch im geltenden Recht auch schon zuvor als „Vorstufe“ dazu, als „werdende juristische Person“ oder stattdessen genauer als Vorgesellschaft, im Rechtsverkehr auf.103 Ein solches „Vorleben“ hat indes allein die Verbandsperson des deutschen Rechts (Gierke), nicht aber die juristische Person des römischen Rechts (Savigny).104 Die Aufgabe, dieses Vorleben der juristischen Person als das einer Verbandsperson zu simulieren, übernimmt im geltenden Recht die Figur der deutschen Gesamthand. Weil die Vorgesellschaft demgemäß eine Gesamthand ist, nehmen die Vorgesellschafter gemeinsam einen status ein, der ihnen als Zuordnungsendpunkte (= Rechtssubjekte) die Rechte, Forderungen und Schulden, die sie im Hinblick auf die angestrebte, zukünftige juristische Person erwerben und eingehen (§ 14 Abs. 2 BGB), vermittelt. Da sie zusammen und nicht die Vorgesellschaft als solche (d. h. als ein Rechtssubjekt) die vielen Rechtsträger sind, sind sie nicht nur gemeinschaftliche Schuldner (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern auch jeder für sich allein, sodass die Vorgesellschafter nicht nur mit dem gemeinschaftlichen Vermögen, d. h. dem Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), für die gemeinschaftlichen Schulden einzustehen haben, sondern an sich zudem persönlich mit ihrem Privatvermögen (§ 128 Satz 1 HGB). Diese persönliche Haftung ist jedoch in der Vorgesellschaft als der Vorstufe zur juristischen Person vorläufig suspendiert und erlischt erst dann endgültig, wenn die juristische Person tatsächlich durch den staatlichen Akt der Eintragung in ein öffentliches Register oder durch die Verleihung der Rechtsfähigkeit entsteht (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG). Und weil der „vereinbarte Zweck“ der Vorgesellschaft darin besteht, dass die ins Auge gefasste juristische Person einmal in der Zukunft existiert, endigt sie von selbst (ipso iure), sobald die angestrebte juristische Person vorhanden ist (§ 726 BGB). Zugleich gehen die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen (§§ 718 Abs. 1, 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) von den Vorgesellschaftern automatisch (ipso iure) auf die dann existente juristische Person über. Allein, wenn man in der Vorgesellschaft eine Gesamthand erkennt, wird überhaupt erst verständlich, dass (und warum) Vorgesellschaft und juristische Person wesensverschieden sind und trotzdem die zuvor durch die Vorgesellschaft begründeten Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten ipso iure auf die juristische Person übergehen können, sobald jene durch den staatlichen Akt und damit gleichsam erst im Nachhinein als Rechtsträger entstanden ist. 103 BGHZ 143, 314, 319; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, Rn. 190; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 11 Rn. 13. Diesen Begriff hat vor allem Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 319–337, in den rechtswissenschaftlichen Diskurs eingeführt. Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 33 Rn. 36. 104 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486 mit Fn. 18; ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 132–136.
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Wer dagegen wie die h. M. Vorgesellschaft und spätere juristische Person als wesensgleich, ja sogar als identisch ansieht,105 leugnet den konstitutiven Charakter des staatlichen Akts und damit das Wesen der juristischen Person als eine „fingierte Person“ (Savigny).106 Dass aber die juristische Person im positiven Recht erst und ausschließlich mit dem staatlichen Akt entsteht und nicht schon vorab („keinen Augenblick früher“),107 sich insofern die juristische Person römischen Ursprungs heutzutage durchgesetzt hat,108 beweist nun mit Nachdruck der nichtrechtsfähige Verein i. S. des § 54 BGB. Als „Gesellschaft“ (so § 54 Satz 1 BGB) ist er eine Gesamthand (§§ 718 Abs. 1, 719 BGB). Die Mitglieder, oder genauer die Gesellschafter, sind aus diesem Grund sowohl gemeinschaftliche Schuldner als auch jeder für sich allein. Da die Gesellschafter bei einem nichtrechtsfähigen Verein aber schon von vornherein gar nicht erst anstreben, durch Eintragung oder Verleihung der Rechtsfähigkeit einen rechtsfähigen Verein (§§ 21, 22 BGB) und damit eine juristische Person entstehen zu lassen, eine juristische Person also niemals existiert, kann die persönliche Haftung in einem nichtrechtsfähigen Verein anders als bei einer Vorgesellschaft, die als Vorstufe zur angestrebten juristischen Person gleichfalls eine Gesamthand ist, nicht bloß vorläufig suspendiert sein. Ein Ausschluss der persönlichen Haftung im nichtrechtsfähigen Verein wäre dann allerdings dauerhaft und würde in der Folge davon aus der Gesamthand ein Rechtssubjekt machen, das alleiniger Rechtsträger wäre, indem jener sich vor seine Mitglieder schieben und sie dadurch vor den Rechtsverhältnissen zu außenstehenden Dritten abschirmen würde. Der nichtrechtsfähige Verein wäre mit anderen Worten eine Verbandsperson des deutschen Rechts, die es im BGB jedoch als Rechtsfigur gerade nicht gibt. Das übersieht die ganz h. M., wenn sie zumindest bei einem nichtrechtsfähigen Verein, der einen ideellen Zweck verfolgt (vgl. § 21 BGB), eine persönliche Mitgliederhaftung ausschließt.109 Dadurch ist aber die Grenze zwischen juristischer Person und Verbandsperson verwischt und droht infolgedessen selbst aus der juristischen Person des BGB eine Verbandsperson des deutschen Rechts zu werden. Dem105 BGHZ 143, 314, 319; RGZ 143, 368, 372; RGZ 151, 86, 91; Reuter, in: MünchKommBGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 80, wonach die „ganz h. M.“ beide als Einheit ansieht; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 149 („das gleiche Rechtsgebilde“); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 120 („Identitätstheorie“); Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 741 („identisch“). 106 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241. 107 Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100) (Zitat). 108 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 43 („bis heute herrschend geblieben“). 109 BGH, NJW‑RR 2003, 1265, 1265; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 28 Rn. 10; Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 42; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 42. Aufl. 2018, § 34 Rn. 54; Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 51; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 65.
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gemäß ist aber allein die Rechtsfigur der Gesamthand imstande, die juristische Person des römischen Rechts (Savigny) und damit die des BGB (und darüber hinaus) auf Dauer als solche im geltenden Recht zu erhalten. Die Rechtsfigur der deutschen Gesamthand ist aus diesem Grund für die juristische Person des geltendes Rechts geradezu unerlässlich. Auch das überzeugend aufzuzeigen, ist daher ebenfalls Zielsetzung dieser Schrift.
D. Zusammenfassende Thesen Die Rechtsnatur der Gemeinschaft zur gesamten Hand besteht im geltenden Recht darin, dass die vielen Gesellschafter und nicht die eine Gesellschaft die Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen sind. Die Gesellschafter als eine Vielheit haben Rechte, Forderungen und Schulden jedoch in Gemeinschaft und deshalb als eine Einheit (d. h. als eine Gesamthand), weil sie zusammen einen gemeinsamen status einnehmen. Dieser gemeinsame status umgibt die Gesellschafter gleichsam wie eine durchlässige Hülle. Die Rechte und Pflichten, die von außen auf den status treffen, durchdringen jenen, der sie daraufhin nach innen an die Gesellschafter als die Zuordnungsendpunkte (= Rechtssubjekte) weiterleitet. Die Gesamthand ist daher die Vielheit der Gesellschafter (als die Rechtsträger) in der Einheit des einen gemeinsamen status, den die Gesellschafter zusammen innehaben, und der ihnen die Fähigkeit verleiht, in Gemeinschaft Rechte und Pflichten zu haben („kollektive Rechtsfähigkeit“).110 Da sich die Verfasser des BGB nicht auf „das Wesen der gesamten Hand“ festlegen wollten, kommt dieses Gesamthandsmodell nur sehr fragmentarisch im Gesetz zum Ausdruck (§§ 718 Abs. 1, 719, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB).111 Um die Figur der Gesamthand im geltenden Recht sichtbar zu machen, reicht deshalb eine Analyse des positiven Rechts für sich allein nicht aus, vielmehr ist jene notwendigerweise um eine dogmengeschichtliche Betrachtung zu ergänzen. Für diesen Zweck ist auf die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts in der Ausgestaltung zurückzugehen, die sie bei Otto von Gierke (1841–1921) als Germanisten gefunden hat. Seine Gesamthand hat Gierke dabei in Abgrenzung zu der ebenfalls deutsch-rechtlichen Verbandsperson entwickelt, die ihrerseits einen germanistischen Gegenentwurf zur juristischen Person des Romanisten Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) darstellt. Das deutsche oder auch germanische Recht im Allgemeinen und deshalb auch die Rechtsfiguren der Gesamthand und der Verbandsperson bei Gierke im Besonderen sind Konstruktionen der Germanisten des 19. Jahrhunderts.112 110 111
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682 (Zitat). Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 112 Seif, ZRG GA 118 (2001), 302. Nach Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommen-
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Anders als der romanistische Zweig der historischen Rechtsschule haben die Germanisten ihr deutsches (und insofern germanisches) Recht nicht einfach nur in der Geschichte vorgefunden, es gleichsam dort fertig entdeckt, sondern es erst in der Auseinandersetzung mit dem in Deutschland rezipierten römischen Recht entwickelt. Ein solches Vorgehen bot sich den Germanisten an, weil ein Nachdenken über den Prozess der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland unvermeidlich mit der Vorstellung einer Verschiedenheit von römischem (als „fremdem“) und einheimischem Recht verbunden war.113 Nach Frank Schäfer sahen die Germanisten im rezipierten römischen Recht geradezu ihren „imaginären tar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62–63, erhielt die Rechtsfigur der Gesamthand erst im späten 19. Jahrhundert durch Georg Beseler und Otto Gierke ihre „begriffliche Prägung“, weshalb auch sie in der Gesamthand „eine juristische Konstruktionsleistung der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts“ sieht. Nach Scherner, ZRG GA 118 (2001), 346, 351, ist die Gesamthand „schon“ ein „Konstrukt der Geschichtswissenschaft“, weshalb sie sich als Institution nicht unmittelbar aus einem Rechtsbegriff ergebe oder mit ihm identisch sei. Schäfer, Juristische Germanistik, 2008, S. 499, seinerseits attestiert Gierke eine „retrospektive Begriffsbildung“, die sich darin offenbare, dass er „an die mittelalterliche Welt juristische Maßstäbe des 19. Jahrhunderts“ angelegt und daher seine deutschen Rechtsfiguren „aus dem Horizont seiner Zeit heraus“ ausformuliert habe. Nach Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 488–509 (und öfter), ist zumindest die Rechtsfigur der „Gesellschaft“ erst in der Germanistik der „Mitte des 19. Jahrhunderts“ mit dem Begriff der „Gesamthand“ bezeichnet worden. Da es insofern zu einem „Begriffstransfer“ gekommen sei, stellt für ihn die Bezeichnung der Gesellschaft als eine Gesamthand „nicht mehr als einen Kunstbegriff“ dar (ebenda, Rn. 6). Sie habe „in Wirklichkeit keine historischen Vorbilder“ (ebenda, Rn. 473), sei insofern bloß „historisierende Fassade“, nicht aber wirklich „historisch“ (ebenda, Rn. 511). Den Grund dafür sieht er darin, dass nicht die sog. „altdeutsche Gesamthand“, sondern das Seehandelsrecht der italienischen Stadtstaaten im Mittelalter und in der Neuzeit das deutsche Gesellschaftsrecht geformt hat. Selbst wenn das so zutrifft, hat gewissermaßen erst recht Gierke die germanistische Gesamthand im 19. Jahrhundert ausgestaltet (ebenda, Rn. 469–473). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass selbst Limbach im „altdeutschen Recht“ Wesensmerkmale von Gierkes deutscher Gesamthand wiedererkennt, was vor allem für die gesamthänderische Bindung (§ 719 Abs. 1 BGB) gilt (ebenda, Rn. 495–497), die auch für ihn „besonders charakteristisch für die alten Figuren der lehnrechtlichen und der eherechtlichen Gesamthand“ ist (ebenda, Rn. 505). Nur, weil bei diesen alten Gesamthandsgemeinschaften „Ansätze einer eigenen Subjektivität“ fehlten (ebenda, Rn. 507), im Handelsrecht der italienischen Stadtstaaten in Mittelalter und Neuzeit es aber mit „Firma“ und der „Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens“, zumindest „faktisch“, Ansätze für eine „Subjektivierung der Gesellschaft“ gab (ebenda, Rn. 507–508), geht Limbach von einem entscheidenden Einfluss des Handelsrechts der italienischen Stadtstaaten in Mittelalter und Neuzeit auf das deutsche Gesellschaftsrecht aus und nicht von einem Einfluss der altdeutschen Gesamthand. Die Gesamthand, die Limbach in der Rechtsgeschichte der Gesellschaft sucht, ist damit die der heute ganz h. M. (Gruppenlehre), die jedoch in Wahrheit nicht eine Gesamthand, sondern eine reale Verbandsperson ist. Insofern kann es durchaus sein, worauf es aber für die Zielsetzung dieser Arbeit nicht ankommt, dass Gierkes Gesamthand vielleicht doch „historische Vorbilder“ im altdeutschen Recht hat. 113 Luig, „Römische und germanische Rechtsanschauung, individualistische und soziale Ordnung“, in: Rückert/Willoweit (Hrsg.), Die Deutsche Rechtsgeschichte in der NS‑Zeit, 1995, S. 95, 100.
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Feind“.114 In Bezug auf diese Auffassung der Germanisten im 19. Jahrhundert verweist Schäfer ausdrücklich auf Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 8–15, der in der „Aufnahme des fremden Rechts“ (d. h. des römischen) einen „Kampf“ erblickt, der bis in seine Zeit fortdauert.115 Wenn Gierke für das „deutsche Volk“ ein „deutsches Recht“ fordert,116 mutet eine solche Sprache heute wie ein „präfaschistischer Kampfruf“ an, der aber als ein solcher nicht gedeutet werden darf.117 Auch Gierke ist aus seiner Zeit und Kultur heraus und in diesem Sinn historisch zu verstehen,118 und zwar aus einer Zeit und Kultur, in der nationalsozialistischer Rassenwahn, zumal im Namen des deutschen Volkes, noch nicht zur deutschen Geschichte gehörte. Dass er gewiss kein Vorläufer des Nationalsozialismus war, belegt seine Ansicht, der Staat müsse stets ein Rechtsstaat sein, denn nur so verwirkliche sich die Rechtsidee im Staat und komme dadurch zu ihrem eigentlichen Ziel.119 Demgemäß lehnt er einen Staat, dessen Herrschaft auf „Rassenunterjochung“ beruht und daher kein Rechtsstaat mehr ist, vehement ab.120 Der Vorwurf des Rassismus trifft Gierke ferner auch schon allein deshalb nicht, da seine „Frau jüdischer Abstammung“ und er ein „Freund deutsch-jüdischer Gelehrter“ war.121 114 Schäfer, Juristische Germanistik, 2008, S. 2. Darin fügt sich durchaus auch die Ansicht von Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 498–511 (und öfter), ein, wonach in Bezug auf die Rechtsfigur der Gesellschaft nicht die „altdeutsche Gesamthand“, sondern das Seehandelsrecht der italienischen Stadtstaaten in Mittelalter und Neuzeit auf das deutsche Recht der Handelsgesellschaft, vor allem auf das ADHGB von 1861, eingewirkt hat und sich die Gesellschaft (als Rechtsfigur) und die Gesamthand (als Begriff) erst in der „Mitte des 19. Jahrhunderts“ durch die Germanistik und schließlich (zumindest auch) über Gierke im BGB (und darüber im HGB) „begegnet“ sind. Selbst Limbach, aaO., Rn. 494–497, findet im „altdeutschen Recht“ indes im Ansatz die deutsche Gesamthand, die, wie es Gierke formuliert: „ein Rechtsverhältnis, aber kein Rechtssubjekt“ ist, und deren Wesen bei der BGB‑Gesellschaft in der gesamthänderischen Bindung ihrer Gesellschafter (§ 719 Abs. 1 BGB) sichtbar zum Ausdruck kommt. Die Parallelen zwischen (alter) Gesamthand und der Gesellschaft des BGB von heute sind für Limbach, aaO., Rn. 495–497, allein deswegen „verblasst“, da er ebenfalls im Anschluss an die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) in der BGB‑Gesellschaft irrtümlich ein Rechtssubjekt sieht. Wenn sich aber „Ansätze einer eigenen Subjektivität“ in den „alten Gesamthandsgemeinschaften kaum identifizieren“ lassen, so Limbach, aaO., Rn. 507, spricht das gegen die h. M. und damit umgekehrt durchaus für und nicht gegen Gierke und seine deutsche Gesamthand. Das, was Limbach in der Geschichte insofern vermeintlich als eine Gesamthand, die ein Rechtssubjekt sein soll, sucht, ist in Wahrheit die reale Verbandsperson und nicht die (deutsche) Gesamthand (so eine der zentralen Thesen dieser Arbeit). 115 Schäfer, Juristische Germanistik, 2008, S. 2. 116 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 25. 117 K. Schmidt, Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987, S. 42. 118 K. Schmidt, Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987, S. 42. 119 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1101–1102. 120 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1101–1102. 121 So ausdrücklich Dilcher, Genossenschaftstheorie und Sozialrecht: Ein „Juristenso-
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Aus diesem Grund ist es absolut unbedenklich, heutzutage und damit auch in dieser Arbeit, an Gierke und seine deutsch-rechtliche Gesamthandslehre anzuknüpfen. Wenn in dieser Schrift die Rechtsfiguren der Gesamthand und der Verbandsperson als „deutsch“ (bzw. „germanisch“), die der juristischen Person im Gegensatz dazu als „römisch“ bezeichnet und insofern einander gegenübergestellt werden, geschieht das vollkommen wertneutral. Die Begriffe „deutsch“ und „römisch“ stehen dementsprechend auch nicht mehr, wie noch bei Gierke, für den Gegensatz „römisch-individualistisch, deutschsozial“.122 Es soll damit also keinesfalls ausgesagt werden, dass das deutsche dem römischen Recht „moralisch überlegen, jedenfalls ‚sozialer‘ ist“, wie Otto Scherner zutreffend anmerkt und zudem darauf aufmerksam macht, dass wir, „wenn es überhaupt jemals eine spezifisch germanische Rechtsanschauung gegeben hat, (…) noch weit davon entfernt“ sind „zu wissen, wie diese aussah“.123 Die Begriffe „deutsch“ und „römisch“ verweisen deshalb einzig und allein auf den ungleichen dogmengeschichtlichen Ursprung der Rechtsfiguren von Gesamthand, (realer) Verbandsperson (= Genossenschaft) und juristischer Person und dem divergierenden Rechtsdenken, auf dem sie jeweils fußen. Das Modell der deutschen Gesamthand, und zwar nicht nur so, wie es Gierke zu seiner Zeit vor Augen hatte, sondern auch das, auf dem heute das positive Recht basiert, erschließt sich allein durch eine Zusammenschau mit den Rechtsfiguren der Verbandsperson des deutschen Rechts und der juristischen Person des römischen Rechts. Diese drei Assoziationsformen, die jede für sich in unterschiedlicher Form die Momente von Einheit und Vielheit in sich vereinen (oder auch nicht), bilden deshalb mit Notwendigkeit den Gegenstand dieser Arbeit und ziehen sich sozusagen als wiederkehrendes Motiv durch diese Schrift:124 Die deutsche Gesamthand ist insofern eine Vielheit, als die vielen Gesellschafter die Rechtssubjekte sind, zugleich aber auch eine Einheit, als jene einen gemeinsamen status einnehmen, der ihnen zusammen eine kollektive Rechtsfähigkeit verleiht. Während die Gesamthand in diesem Sinn eine zialismus“ Otto v. Gierkes?, in: Quaderni Fiorentini 3/4 (1974/75), S. 319, 349, 360; informativ dazu auch Thieme, in: FS Lübtow, 1980, S. 407–424, insb. S. 408–409. 122 Nach Krause, JuS 1970, 313, 321, bezeichnen die Ausdrücke „germanisches“ und „deutsches Recht“ je nach Autor und Zeit dasselbe, oder es handelt sich beim „germanischen Recht“ um einen Oberbegriff für „deutsches Recht“. Germanisches Recht findet sich nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 79–83, „heute“ bei jedem „Kulturvolk“, ist „bei den übrigen germanischen Völkern (…) zum Teil sogar reiner als in Deutschland erhalten“ und selbst „bei den romanischen Völkern bildet es ein Stück ihrer germanischen Erbschaft“. Der Begriff der „germanischen Nationen“ findet sich bereits bei Hegel, selbst dort steckt in den Worten „germanisch“ und „deutsch“ „kein Chauvinismus“ (Taylor, Hegel, 1978, S. 521). 123 Scherner, ZRG GA 118 (2001), 346, 347. 124 Als vierte Assoziationsform gehört an sich auch noch die societas dazu. Als reine Innengesellschaft ist sie jedoch nach außen ausschließlich eine Vielheit und nicht wie die Gesamthand auch eine Einheit.
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Vielheit in der Einheit ist, ist umgekehrt die Verbandsperson des deutschen Rechts eine Einheit in der Vielheit, und zwar, indem sie ein Rechtssubjekt ist, das sich aus der Vielheit seiner Mitglieder zusammensetzt, und deswegen allein in dieser Vielheit ein Dasein als Rechtssubjekt hat. Sie ist insofern eine in der Vielheit „immanente Einheit“.125 Die juristische Person des römischen Rechts ist im Gegensatz dazu im Recht ausschließlich eine Einheit, ohne dort zugleich auch eine Vielheit zu sein. Denn als Rechtssubjekt existiert sie, anders als die Verbandsperson des deutschen Rechts, nicht in ihren (ja bloß vermeintlichen) Mitgliedern, sondern völlig losgelöst von ihnen. Die Stiftung (als Anstalt) ist demnach die „juristische Person in Reinkultur“.126 Die Verbandsperson ist demzufolge ein reales Ganzes, weil sie als Ganzes mehr, aber zugleich auch nicht etwas anderes als die Summe ihrer Teile ist,127 während die juristische Person ein „ideales Ganzes“ (Savigny) ist, da sie als ein bloßes Gedankenbild, ein Bild im Geiste, etwas vollkommen anderes als ihre realen (aber nur vermeintlichen) Teile ist.128 Obschon nach allgemeiner Ansicht die Gesamthand des geltenden positiven Rechts ihre Ausgestaltung bei Gierke gefunden hat,129 ist es Rechtsprechung und Schrifttum bis heute nicht gelungen, die Gesamthand Gierkes, ausschließlich in diesem Sinn ihr Wesen oder ihren Begriff, zu rekonstruieren. Das hat seine Ursache allein darin, dass Gierke seine Figuren des deutschen Rechts Gesamthand und reale Verbandsperson auf der Grundlage der von Samuel von Pufendorf (1632–1694) entworfenen Lehre der entia moralia aufgebaut hat, dieser unverzichtbare Schlüssel zum Verständnis von Gierkes 125
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 906. Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850. Ähnlich Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 242, wonach die Stiftung „juristische Person reinster Form“ ist, „ein bloßes Gedankending, dem in der Wirklichkeit nichts entspricht“. 127 Für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466, ist der menschliche Verband eine „wirklich existierende Wesenheit“ und infolgedessen die Verbandsperson eine „reale Person“. Das Recht erkennt den menschlichen Verband, als einen „von der Summe der verbundenen Personen unterschiedenes einheitlichen Ganzes“, als rechtsfähig (d. h. als Person) an (ebenda, S. 469). Die Verbandsperson ist daher als Ganzes zwar „begrifflich verschieden von der Summe der Teile“ und doch ist sie „als Ganzes nicht denkbar ohne ihre Teile“. Sie ist insofern eine der „Gesamtheit immanente Einheit“ (Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825, 826, 829, zunächst für die „Stadt“, dann für jede „Genossenschaft des deutschen Rechts“). 128 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243–244, wonach das „Wesen und die Einheit“ der juristischen Person als ein „ideales Ganzes“ „durch den Wechsel einzelner, ja selbst aller, individuellen Mitglieder (…) nicht affiziert wird“ (mit ausdrücklichem Bezug auf D. 3, 4, 7, 2 [Ulpian]: „Bei Ratskollegien und anderen universitates macht es keinen Unterschied, ob die Mitglieder allesamt dieselben bleiben, ob bloß ein Teil von ihnen bleibt oder ob alle ausgewechselt sind. – In decurionibus vel aliis universitatibus nihil refert, utrum omnes idem maeant an pars maneat vel omnes immutati sint.“). 129 Nach Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62, erhielt die Gesamthand ihre „begriffliche Prägung“ bei Gierke, der dabei auf die Vorarbeiten von Beseler aufbaute. Siehe auch die Nachweise oben in Fn. 21 und 112. 126
D. Zusammenfassende Thesen
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Rechtsfiguren aber vollkommen unentdeckt geblieben ist. Das gilt zunächst einmal für die Verbandsperson als juristische Person des deutschen Rechts (Gierke), die nicht nur einen Gegenentwurf zu der des römischen Rechts (Savigny) darstellt, sondern auch das Gegenstück zur Rechtsfigur der Gesamthand bildet.130 Grundlegend für Pufendorfs Lehre von den entia moralia ist die gedankliche Differenzierung zwischen der sinnlich wahrnehmbaren Welt (entia physica), insofern der Wirklichkeit, und der bloß gedachten und insofern idealen Welt des Rechts (entia moralia). Erst auf dieser Basis erschließt sich die Rechtsfigur der Verbandsperson, so wie Gierke sie entwickelt hat. Und weil Gierkes Verbandsperson ein bewusster Gegenentwurf zur juristischen Person Savignys war, wird in diesem Kontext offensichtlich, dass der Streit zwischen Romanisten und Germanisten im 19. Jahrhundert um das Wesen, die Rechtsnatur, der juristischen Person insofern eine „Scheindebatte“ war,131 als es das eine Wesen der juristischen Person überhaupt nicht gibt. Der Disput zwischen Germanisten und Romanisten kreiste vielmehr in der Sache einzig und allein darum, ob eine juristische Person mit Notwendigkeit auf einem menschlichen Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt (entia physica) fußt, dieser sozialen Realität inhärent ist, sodass sie in der Welt des Rechts (entia moralia) nicht ohne ihren menschlichen Verband in der sinnlich erfahrbaren Welt zu existieren vermag, dann ist die juristische Person im Recht eine in der Vielheit „immanente Einheit“,132 insofern ein reales Ganzes, und damit eine reale Verbandsperson (Gierke), oder ob sie in der Welt des Rechts davon völlig losgelöst vorhanden sein kann, dann ist sie im Recht ausschließlich eine Einheit, ein „ideales Ganzes“, und damit eine juristische Person des römischen Rechts (Savigny).133 Erst und allein über Pufendorfs Lehre von den entia moralia erschließt sich demnach der Begriff der Verbandsperson, in deren Abgrenzung Gierke seine Gesamthand ausgearbeitet hat. Für die Rechtsfigur der deutschen Gesamthand, so wie Gierke sie entworfen hat, ist überdies von entscheidender Bedeutung, dass in Pufendorfs Lehre von den entia moralia der einzelne Mensch als ens physicum in der Welt des Rechts eine Person (persona moralis) als ein ens morale hat, aber nicht ist. Diese persona moralis ist ausschließlich vermittelt über einen status, den sie, vorgestellt als ein Raum, in der Welt des Rechts einnimmt, fähig, Träger von 130 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 479–482 (und öfter); Laufs, 1968, 311, der jedoch die Verbandsperson („Körperschaft“) der Sache nach mit der Gesamthand gleichsetzt, wenn er auf Gierke, Personengemeinschaften und Vermögensinbegriffe in dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 1889, S. 53, verweist und dort von der „personenrechtlichen Gemeinschaft“ die Rede ist, jene aber für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 479, 663, die Gesamthand ist. 131 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 57. 132 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 906 (Zitat). 133 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243 (Zitat).
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§ 1 Konzeption
Rechten und Pflichten (d. h. ein Rechtssubjekt) zu sein. Eine persona moralis kann indes nach Pufendorf einen status nicht nur für sich allein, sondern auch zusammen mit anderen innehaben, sodass ihnen zusammen ein gemeinsamer status zukommt, der die gemeinschaftlichen und insofern gesamthänderischen Rechtsbeziehungen zu den außenstehenden Dritten an sie als die vielen Rechtsträger (= Zuordnungsendpunkte) weiterleitet. Die personae morales bilden mit anderen Worten eine Gesamthand. Erst und allein auf der Grundlage von Pufendorfs Lehre von den entia moralia wird offenbar, dass Flume und die gegenwärtig ganz h. M. (Gruppenlehre) mit ihrer Gesamthand als einer Gruppe lediglich vermeintlich an Gierkes Gesamthandslehre im 19. Jahrhundert anknüpfen und stattdessen ihre Gesamthand als eine Verbandsperson (= Genossenschaft), eine juristische Person des deutschen Rechts,134 missverstehen, wenn sie in ihrer Gesamthand ein Rechtssubjekt sehen (wollen), das zwar in ihren Gesellschaftern (= Mitgliedern) existiert, selbst aber der alleinige Rechtsträger und damit eine in der Vielheit „immanente Einheit“ (d. h. eine reale Verbandsperson) ist.135 Einigkeit besteht darüber, dass die Gesamthand des geltenden Rechts auf Gierke zurückgeht und dort ihre aktuelle Ausgestaltung erfahren hat. Gierke hat seine Gesamthand und seine Verbandsperson als Figuren des deutschen Rechts anhand der von Pufendorf entworfenen Lehre der entia moralia entwickelt. Da diese Tatsache aber bis in die Gegenwart immer wieder verkannt worden ist, insofern also ein Desiderat in Bezug auf Gierke und die Rechtsfigur der (deutschen) Gesamthand besteht, darf eine dogmengeschichtliche Betrachtung nicht einfach erneut Gierkes Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts lediglich aufgreifen, vielmehr sind mit Notwendigkeit dessen diversen Werke erstmals unter diesem Blickwinkel zu durchleuchten. Dieser methodische Ansatz ist demnach unverzichtbar, um Gierke und damit die Rechtsfigur der Gesamthand im BGB, aber auch darüber hinaus, erfassen zu können. Dennoch ist dieser Ansatz im Schrifttum bis jetzt nicht verfolgt worden, sodass das Schrifttum zunächst einmal zum Verständnis der Gesamthand im geltenden Recht nichts beizutragen vermag. Aus diesem Grund ist in dieser Arbeit zwingend Gierke nicht bloß an den Anfang, sondern in das Zentrum der Analyse der Gesamthandslehre im positiven Recht zu stellen. Dabei sind seine Aussagen zu den Figuren der Gesamthand und der Verbandsperson im Lichte der von Pufendorf ausgestalteten Lehre von den entia moralia zu deuten. Erst im Anschluss daran ist es überhaupt denkbar, zumindest dort, wo es sinnvoll ist, die Erkenntnisse des Schrifttums zur Gesamthand, vorausgesetzt sie sind in der Tat auch solche, in Gierkes Modell 134 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469 mit Fn. 3, der den Begriff der „juristischen Person“ als „irreführend“ und „nichtssagend“ verwirft. 135 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 56–57; ihm darin folgend BGHZ 146, 341, 344, 347; Zitat: Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 906 (und öfter).
D. Zusammenfassende Thesen
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einer deutschen Gesamthand einzubeziehen. Allein auf diese Weise kann es gelingen, die Aufgabe dieser Schrift zu erfüllen, den Begriff der Gesamthand, so wie er hinter dem geltenden Recht steht, aufzudecken und in diesem Sinn das „noch immer unbekannte Wesen“ der Gesamthand zu entschlüsseln.136
136
Ulmer, AcP 198 (1998), 113 (Zitat).
§ 2
Relevanz A. Die Kompatibilität von Gierkes Theorie einer deutschen Gesamthand mit dem positiven Recht Einer „guten Theorie“ der Gesamthand kommt wie jeder „guter Rechtsdogmatik“ die „primäre Aufgabe“ zu,1 das geltende Recht in sich umfassend abzubilden, sodass es eines Rückgriffs auf das positive Recht nicht mehr bedarf. Obschon ein rechtsdogmatisches Modell das Recht bloß beschreibt und insofern allein deskriptiv ist, erzeugt es doch einen Erkenntnisgewinn, der darin besteht, dass es das geltende Recht als ein System transparent und so das Recht als ein Ganzes überhaupt erst für den Rechtsanwender handhabbar macht. Diese „darstellende Aufgabe“ kann eine Theorie der Gesamthand, wie jede rechtsdogmatische Theorie, jedoch nur so lange erfüllen, „wie sie als Ausdruck und als Schlüssel zum Verständnis des geltenden Rechts dienen kann“.2 Aus diesem Grund hat es überhaupt nur und erst dann einen Sinn, der Rechtsfigur der deutschen Gesamthand in einer dogmengeschichtlichen Betrachtung der Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts bei Gierke nachzugehen, wenn sich diese zumindest als These in das positive Recht einfügt, da sie nicht im Widerspruch dazu steht. Anderenfalls wäre das Modell einer deutschen Gesamthand für das geltende Recht zu verwerfen, und zwar unabhängig davon, ob auch die ganz h. M. als Gruppenlehre mit dem positiven Recht nicht wirklich zu vereinbaren ist.
I. Der entscheidende Ansatz der h. M. als Gruppenlehre: Die OHG ist als eine Gesamthandsgesellschaft „jedenfalls“ ein Rechtssubjekt Die Figur einer deutschen Gesamthand, die, wie Gierke betont, „ein Rechtsverhältnis“, aber „kein Rechtssubjekt“ ist,3 scheint sich nun allerdings, zumin1 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197); Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134. 2 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197). 3 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. Auch wenn an dieser Stelle zwar noch nicht von der Gesamthand, sondern ausschließlich von einer „personenrechtlichen Gemeinschaft“ die Rede ist, gilt Gierkes Aussage: „Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt“ auch für die Gesamthand, da letztere lediglich eine Form dieser „personenrechtlichen Ge-
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§ 2 Relevanz
dest auf den ersten Blick, nicht in das geltende Recht einfügen zu wollen. Nach der heute ganz h. M. (Gruppenlehre) leitet sich aus § 124 Abs. 1 HGB ab, dass „jedenfalls“ die OHG ein Rechtssubjekt ist.4 Da die OHG ihrerseits nichts anderes als eine kaufmännische GbR ist (vgl. § 105 HGB) und deswegen nicht nur zu einer OHG wird, sobald die Gesellschaft ein Handelsgewerbe betreibt (§ 105 Abs. 1, § 1 HGB), sondern vielmehr automatisch (ipso iure) eine OHG ist, muss in den Augen der heute h. M. auch schon die BGB‑Gesellschaft ein Rechtssubjekt sein.5 Wenn OHG und GbR als Gesamthandsgesellschaften in diesem Sinn eines Wesens sind und die OHG wirklich ein Rechtssubjekt ist, muss in der Tat auch die GbR ein Rechtssubjekt sein. Diese Beweisführung setzt jedoch zwingend voraus, dass es sich bei der OHG auch um ein Rechtssubjekt handelt. An dieser Argumentation ist zunächst einmal durchaus richtig, dass die OHG als eine des Handelsrechts und die GbR als eine des bürgerlichen Rechts insofern wesensgleich sind, als für beide das „Rechtsprinzip der gesamten Hand (…) kernhafte Bedeutung“ hat.6 Da bei der OHG als Handelsgesellschaft das „Rechtsprinzip der gesamten Hand“ lediglich „umfassender und kräftiger verwirklicht“ ist und sie daher den „Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ bildet, lassen sich „alle wesentlichen Unterschiede“ zwischen der Gesellschaft des Handelsrechts und der des bürgerlichen Rechts „auf ein Plus von gesamter Hand“ zurückführen.7 Das bedeutet jedoch nicht, dass die OHG und mit ihr dann auch die GbR zwingend ein Rechtssubjekt sein muss, vielmehr können sie als Gesellschaften zur gesamten Hand auch bloß ein Rechtsverhältnis sein. Dass die OHG „jedenfalls“ ein Rechtssubjekt ist, stellt demzufolge eine bloße, weil erst zu beweisende Annahme der ganz h. M. dar (petitio principii). Anders als es nun die ganz h. M. meint, folgt aber nicht mit Notwendigkeit aus § 124 Abs. 1 HGB eine Rechtssubjektivität der OHG. Die OHG ist nicht schon deshalb ein Rechtssubjekt, weil sie gemäß § 124 Abs. 1 HGB „unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden“ kann.8 Der Begriff „offene Handelsgesellschaft“ kann durchaus meinschaft“ ist (S. 663). Diesen Unterschied zwischen Körperschaft und Gesamthand betont bereits Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 924, wonach die Gesamthand als eine verbundene Personenmehrheit ein „subjektives Rechtsverhältnis“, aber „nicht Rechtssubjekt“ ist. 4 BGHZ 146, 341, 346. 5 Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 49. 6 Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 119. 7 Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 119; ders, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. 8 Nach Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 286, ist bereits im ADHGB das Handeln der OHG „unter ihrer Firma“ (so zunächst Art. 111 Abs. 1 ADHGB, jetzt § 124
A. Die Kompatibilität von Gierkes Theorie mit dem positiven Recht
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nur eine Abkürzung (Abbreviatur) für die Gesellschafter als verbundene Personenmehrheit sein, die im Recht einen gemeinsamen status einnehmen und deswegen über ihre kollektive Rechtsfähigkeit gemeinsam und nicht jeder für sich Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen können. Für diese Auslegung des § 124 Abs. 1 HGB spricht schon allein seine systematische Stellung im Gesetz. So ist der Abschnitt („Titel“), zu dem § 124 Abs. 1 HGB gehört, als „Rechtsverhältnis der Gesellschafter“ und eben nicht der Gesellschaft „zu Dritten“ überschrieben. Der Ausdruck „Gesellschaft“ steht demnach bloß als Abbreviatur für die Gesellschafter (als Vielheit), um sie als eine Einheit (d. h. als eine Gesamthand) in den Rechtsverhältnissen zu Dritten zu kennzeichnen und damit im Gegensatz zur Stellung des einzelnen Gesellschafters für sich allein (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Eine Rechtsfähigkeit bedeutet nicht stets auch ein Rechtssubjekt. Vielmehr können mehrere Rechtssubjekte auch zusammen eine (kollektive) Rechtsfähigkeit innehaben. In diesem Sinn ist dementsprechend auch die Regelung des § 14 Abs. 2 BGB zu verstehen, wenn sie die „rechtsfähige Personengesellschaft“ als eine definiert, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Auch hier steht also der Begriff der Personengesellschaft für die Gesellschafter als eine Gesamtheit und „rechtsfähig“ für die eine kollektive Rechtsfähigkeit, durch die die vielen Gesellschafter zu einer Einheit verbunden sind. Der Regelungsinhalt des § 124 Abs. 1 HGB erschöpft sich demzufolge in der Verpflichtung und der Berechtigung der Gesellschafter „unter ihrer gemeinschaftlichen Firma“ (§ 105 Abs. 1 HGB) und damit unter einem gemeinschaftlichen Namen im Rechtsverkehr aufzutreten (vgl. § 17 HGB).9 Indem der BGH die Vorschrift des § 124 Abs. 1 HGB auf die BGB‑Gesellschaft erstreckt hat, hat er sie deshalb nicht zu einem Rechtssubjekt gestempelt, sondern ihr lediglich, wie es schon bei der OHG der Fall ist, das Recht zuerkannt, als verbundene Personenmehrheit unter einem gemeinschaftlichen Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen zu können. Das unterscheidet die Personengesellschaften von den anderen Gemeinschaften zur gesamten Hand, wie die Gemeinschaft von Miterben (§ 2032 Abs. 1 BGB) und die eheliche Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB), die dazu nicht befugt sind.
Abs. 1 HGB) eines der „zusammengefassten Gesellschafter“ und nicht der OHG als solcher (und deshalb auch nicht das der OHG als ein Rechtssubjekt). 9 Vgl. Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 5 Rn. 6: Das tatsächliche Auftreten der Gesellschaft unter einer gemeinschaftlichen Firma ist zwar keine Voraussetzung der OHG. Die Gesellschafter sind bereits dann eine OHG (und nicht eine GbR), sobald sie ein Handelsgewerbe betreiben, auch wenn sie nicht unter einem gemeinschaftlichen Namen auftreten, doch sind sie dann zum Firmengebrauch i. S. des § 105 Abs. 1 HGB verpflichtet.
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§ 2 Relevanz
II. Die Rechtsfähigkeit der Gesamthand im Umwandlungs- und Insolvenzrecht Auch das Umwandlungsrecht und das Insolvenzrecht unterstützen entgegen der h. M. nicht die Annahme einer Rechtssubjektivität von GbR und OHG.10 Beide werden in § 191 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UmwG sowie in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO einander lediglich gleichgestellt, was jedoch nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass OHG und GbR auch tatsächlich Rechtssubjekte sind. Beide können als Gesamthandsgemeinschaften durchaus auch bloß „ein Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt“ sein.11 Eine OHG kann schon von vornherein ebenso wenig wie eine GbR derselbe Rechtsträger bleiben, wenn beide zu einer juristischen Person werden. Denn für die h. M. (Gruppenlehre) sind OHG und BGB‑Gesellschaft als Gesamthand rechtsfähig, ohne eine juristische Person zu sein.12 Eine Gesellschaft ist für sie im Gegensatz zu einer juristischen Person nicht aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und in diesem Sinn nicht „als solche“ Träger der Rechte und Pflichten, sondern „als Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder“.13 Personengesellschaft und juristische Person sind demnach wesensverschieden und können demnach nicht derselbe Rechtsträger sein. Eine identitätswahrende Umwandlung einer OHG oder BGB‑Gesellschaft als Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft als juristische Person oder auch umgekehrt scheidet demnach selbst nach h. M. per se aus.14 Der neue Rechtsträger ist also lediglich so anzusehen, als ob es immer noch der bisherige wäre, und zwar, damit sich die Rechtsverhältnisse, die be10 So aber BGHZ 146, 341, 346, wonach die Gruppenlehre die identitätswahrende Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nach § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG „ohne weiteres“, die traditionelle Auffassung „aber – wenn überhaupt – nur mit Mühe erklären“ kann. Auch die Tatsache, dass die GbR ebenso wie die OHG insolvenzfähig ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), soll die Annahme ihrer Rechtssubjektivität „unterstützen“; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 304; ders., Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 3; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 11; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 49; Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 50–67; so schon Timm, NJW 1995, 3209, 3210–3214 (3211), der daraus sogar die Aufgabe des „Dualismus von Gesamthand und juristischer Person“ zugunsten der juristischen Person schlussfolgert. 11 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660 (Zitat). 12 BGHZ 146, 341, 343; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 56: „Die Gruppe ist aber nicht als Person oder als Zwischenstufe zu einer Person zu verstehen. Sie ist keine ‚juristische Person‘. (…) Die Gruppe ist als solche Rechtssubjekt.“ Die Gruppe ist für Flume die Gesamthand (S. 55); BGHZ 149, 80, 83; BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 24; BGH, NJW 2017, 547 Rn. 17–19; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 307–309; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 13; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 49; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 1 Rn. 108; Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 123– 124. 13 BGHZ 146, 341, 347; so auch § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, wenn hier GbR und OHG als „Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“ im Gegensatz zur juristischen Person (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO) definiert sind. 14 Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 119–121.
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reits zuvor mit dem alten Rechtsträger bestanden, an dem neuen unverändert fortsetzen (können). Dann spielt es aber auch keine Rolle, ob OHG und GbR ein Rechtssubjekt sind oder lediglich ein Rechtsverhältnis, denn unabhängig davon wandelt sich die Gesamthand in eine juristische Person und damit in einen neuen Rechtsträger um, der nur die Stelle der Gesamthand einnimmt, nicht aber wirklich mit ihr identisch ist (als ob). Auch wenn die GbR ebenso wie die OHG insolvenzfähig ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), müssen beide keineswegs Rechtssubjekte sein. Der Begriff „Gesellschaft“ kann auch hier lediglich eine Abbreviatur für die Gesellschafter als eine verbundene Personenmehrheit sein, die über ihre eine kollektive Rechtsfähigkeit gemeinsam Träger der Insolvenzmasse sind. Ebenso wie im Fall der Einzelzwangsvollstreckung geht es beim Insolvenzverfahren ausschließlich um das Vermögen als das Haftungsobjekt, auf das die Gläubiger zugreifen können (§ 1 Satz 1 InsO). Das Vermögen als Objekt tritt hier gleichsam an die Stelle des Schuldners als Subjekt. Ein Vermögen setzt aber nicht zwingend ein Rechtssubjekt voraus, auch deshalb muss die GbR und ebenso wenig die OHG ein Rechtssubjekt sein, damit ein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) eröffnet werden kann. So ist nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO selbst über das gemeinschaftliche Vermögen der Miterben, über den Nachlass (§ 2032 Abs. 1 BGB) sowie über das Gesamtgut als dem gemeinschaftlichen Vermögen beider Ehegatten (§ 1416 Abs. 1 BGB) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig.
III. Ergebnis Die OHG muss demnach nicht unbedingt ein Rechtssubjekt sein, zumindest ergibt sich eine Rechtsubjektivität der OHG nicht zwingend aus dem positiven Recht, vielmehr kann auch sie die verbundene Personenmehrheit der Gesellschafter sein, die deshalb kollektiv rechtsfähig sind (§ 14 Abs. 2 BGB), weil sie zusammen einen status im Recht einnehmen, der an sie als Zuordnungsendpunkte (d. h. als Rechtssubjekte) die Rechte, Forderungen und Schulden in den Rechtsverhältnissen zu Dritten lediglich weiterleitet (Modell der deutschen Gesamthand). Dann muss aber auch nicht die BGB‑Gesellschaft auf jeden Fall ein Rechtssubjekt sein. Die Theorie einer deutschen Gesamthand fügt sich dementsprechend zunächst einmal als These durchaus in das geltende Recht ein. Für eine dogmengeschichtliche Betrachtung, die darauf abzielt, auf die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts in der begrifflichen Prägung Gierkes zurückzugehen, besteht deshalb selbst heute noch ausreichend „Raum“.15 15
BGHZ 146, 341, 343–344.
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B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells Einem „guten“ Gesamthandsmodell als rechtsdogmatischer Theorie kommt, wie ausgeführt, die „darstellende Aufgabe“ zu, die Eigenschaften, durch die sich die Gesamthand im geltenden Recht auszeichnet, in sich stimmig und umfassend zu beschreiben, um sie so zu einer für den Rechtsanwender „handhabbaren Kategorie“ zu machen.16 Charakteristisch für die Figur der Gesamthand im gegenwärtigen positiven Recht ist zum einen, dass die mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse auch dann unverändert fortbestehen, wenn in ihrem Mitgliederbestand ein Wechsel stattgefunden hat, sowie zum anderen, dass ihre Gesellschafter für die Schulden der Gesamthand persönlich mit ihrem Privatvermögen haften (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Damit ein Gesamthandsmodell als eine „gute Theorie“ gelten kann, muss sie demzufolge diese für die Gesamthand wesentlichen Eigenschaften adäquat in sich aufnehmen.17 Sollte es jedoch der ganz h. M. als Gruppenlehre bereits gelungen sein, diese „darstellende Aufgabe“ in Bezug auf die Rechtsfigur der Gesamthand angemessen zu erfüllen, wäre von der Zielsetzung dieser Arbeit schon von Anfang an Abstand zu nehmen. Denn „unter dem Aspekt des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag“ führte es zu einer „übermäßigen Bindung rechtswissenschaftlicher Ressourcen“, wollte man dennoch ein neues Gesamthandsmodell entwickeln oder vielmehr mit dem der deutschen Gesamthand (Gierke) ein schon bestehendes, wenn auch vergessenes, wiederentdecken.18 Aus diesem Grund ist darzulegen, dass die ganz h. M. nicht imstande ist, in ihrer Theorie von der Gesamthand als einer Gruppe, die als solche das alleinige Rechtssubjekt ist, sowohl den Fortbestand der mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Wechsels im Mitgliederbestand als auch zugleich die persönliche Gesellschafterhaftung zu erklären. Erst im Anschluss daran kann sich der Aufgabe gestellt werden, nachzuweisen, dass im Gegensatz dazu die eigene Lösung, die Theorie der deutschen Gesamthand, hierzu sehr wohl in der Lage ist und sich infolgedessen der Aufwand durchaus lohnt, in einer dogmengeschichtlichen Betrachtung der germanistischen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts die Rechtsfigur zur gesamten Hand bei Gierke mit dem Ziel herauszuarbeiten, die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse für das geltende Recht fruchtbar zu machen. Um die Unterschiede zwischen der Gruppenlehre (ganz h. M.) und der eigenen Lösung (Theorie der deutschen Gesamthand) zu akzentuieren, werden beide Modelle einander jedoch nicht en bloc gegenübergestellt, sondern zunächst in Bezug auf den Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Gesellschafter16
17 18
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197) und § 8 II 1 (S. 186). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197) (Zitat). Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134.
B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells
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wechsels sowie im Anschluss daran in Bezug auf die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Gesamthandsschulden mit ihrem Privatvermögen (§ 128 Satz 1 HGB).
I. Der Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Gesellschafterwechsels im Modell von der Gesamthand als Gruppe 1. Das Defizit im Gesamthandsmodell der h. M. Für die ganz h. M. als Gruppenlehre hat ihr Modell von einer Gesamthand, die „als Gruppe“ ihrer Mitglieder das Rechtssubjekt ist, den „für die Praxis bedeutsamen Vorzug“, dass „danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat“.19 Ein Mitgliederwechsel soll sich nach ihrer Ansicht auf die Identität der Gesamthand als Rechtssubjekt deshalb nicht auswirken (können), weil für sie allein „die Gesellschaft und nicht der einzelne Gesellschafter Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen ist“.20 Die Rechtsbeziehungen zu Dritten enden „bei der Gesamthand als Gruppe“ und dringen „nicht je bis zu dem einzelnen Mitglied der Gesamthand durch“.21 Der einzelne Gesellschafter hat an den Rechtsverhältnissen zu Dritten keinerlei Anteil.22 Seine Rechtsstellung besteht allein darin, „Mitglied der Gesamthand zu sein“, weshalb nach der h. M. die „Identität der Gesellschaft von dem Wechsel der Mitglieder unberührt“ bleibe.23 Die Gesellschaft und damit die Gesamthand an sich existiert jedoch in den Augen der h. M. „als Gruppe in den Gesellschaftern“ und deswegen endet ihre „Rechtszuständigkeit“ auch „bei der Gesamthand als der Gruppe der Gesamthänder“.24 Dass ihre Gesamthand indes „in ihren Gesellschaftern existiert“, während die juristische Person „in ihrer Existenz gegenüber ihren Mitglieder verselbständigt ist“, ist nun aber gerade für das Gesamthandsmodell der ganz h. M. (Gruppenlehre) ausschlaggebend, unterscheidet sich doch erst dadurch ihre Gesamthand „deutlich“ von der juristischen Person.25 Die juristische Person des römischen Rechts ist als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) in der Welt des Rechts ein Rechtssubjekt (ens morale), das vollkommen losgelöst von seinen vermeintlichen Mitgliedern in der sinnlich erfahrbaren Welt (entia physica) vorhanden ist. Sie ist anders als die Gesamthand der h. M. eine Einheit, 19
BGHZ 146, 341, 345, 347.
20 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 93. 21 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 90. 22 23
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 62. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 62, 70. 24 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 57, 62. 25 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 94.
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ohne zugleich auch eine Vielheit zu sein. Kommt ein Mitglied zur juristischen Person hinzu oder fällt ein Mitglied weg, vermag das die juristische Person und damit ihre Identität als Rechtssubjekt per se nicht zu beeinflussen, da die Mitglieder ja nicht wirklich Teil der juristischen Person sind, die insofern ein lediglich „ideales Ganzes“ (Savigny) ist.26 Wenn sich nun aber die Gesamthand als Gruppe aus ihren Gesellschaftern zusammensetzt, besteht sie als Ganzes aus und in ihnen als ihre Teile. Die Gesellschafter liegen ihr als dem Rechtssubjekt zugrunde. Kommt ein Gesellschafter zur Gruppe hinzu, scheidet er aus ihr aus oder wird er ausgetauscht, verändert sich demnach die Zusammensetzung der Gruppe und, weil die Gruppe die Gesamthand ist, daher die Gesellschaft als Rechtssubjekt. Dann kann aber an sich die Gesellschaft nicht mehr dasselbe Rechtssubjekt sein, wenn sich doch das, aus dem sie besteht, was ihr zugrunde liegt und damit ihr Substrat ist, verändert hat. Dass die Gesamthand der h. M. als Rechtssubjekt trotzdem ihre Identität im Wechsel ihrer Mitglieder bewahrt, ist deshalb zunächst einmal eine Annahme, ja eine bloße Behauptung der h. M. Eine Darlegung, wie die Gesamthand sogar dann dieselbe bleiben kann, wenn zu ihr als Gruppe und damit als Rechtssubjekt Mitglieder hinzukommen, wegfallen oder ausgetauscht werden, sich ihr Substrat gleichsam beständig im Fluss befindet, lässt sich aus den Ausführungen der h. M. jedoch an keiner Stelle entnehmen.
2. Gierkes Rechtsfigur der Verbandsperson als Lösungsansatz für die h. M. Den Ansatz, gleichwohl Aufschluss darüber zu bekommen, welche Vorstellung die ganz h. M. (Gruppenlehre) davon hat, wie ihre Gesamthand als ein Ganzes die Identität im Wechsel ihrer Teile bewahrt und dementsprechend ein Wechsel im Mitgliederbestand den Fortbestand der mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse nicht beeinflusst, bietet der Umstand, dass es sich bei der Gesamthand der h. M. in Wahrheit um die reale Verbandsperson des deutschen Rechts im Sinn Gierkes handelt. Die Verbandsperson fußt als Rechtssubjekt (ens morale) auf einem menschlichen Verband (ens physicum), sie ist sein Attribut (modus) und er ihr Substrat. Die Rechtsfähigkeit des menschlichen Verbands, seine „Verbandspersönlichkeit“27 und somit die Verbandsperson als Rechtssubjekt erwächst demzufolge aus dem menschlichen Verband, der sich seinerseits aus den Menschen zusammensetzt, die ihn real bilden (entia physica). Der menschliche Verband ist danach ein „soziales Ganzes“, eine „Körperschaft“, in die der einzelne Mensch („Einzelkörper“) eintritt und sich dadurch „mit einer Menge anderer Einzelner zu einer überindividuellen Einheit zu26 27
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat).
B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells
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sammenfügt“.28 Der „vorsoziale Einzelne“ erfährt insofern eine „tiefgreifende Umwandlung“, als er in diesem „Akt der Konversion (…) zu einem Glied des sozialen Ganzen“, zu dessen Teil wird und als Teil in diesem menschlichen Verband als einem Gesamtkörper gewissermaßen aufgeht, da ihm als Teil nunmehr erst das Ganze seinen Sinn verleiht.29 Wenn demzufolge der menschliche Verband aus und in den Menschen existiert, die ihn real bilden, ist er als Ganzes insofern die Summe seiner Teile. Kommt nun ein Mitglied (d. h. ein Mensch) hinzu oder scheidet ein Mitglied aus, kann der menschliche Verband an sich nicht mehr derselbe sein. Und weil die Verbandsperson (ens morale) dem menschlichen Verband (ens physicum) nicht nur „entstammt“, sondern fortlaufend in ihm „lebt“, muss jetzt eigentlich auch die Verbandsperson als ein Rechtssubjekt (ens morale) eine andere sein.30 Dass der menschliche Verband (ens physicum) und in der Folge davon auch seine Verbandsperson (ens morale) die Identität im Wechsel ihrer Teile trotzdem bewahren, ergibt sich aus der Sicht Gierkes jedoch mit Notwendigkeit aus der „stoischen Philosophie“.31 Demnach besteht die Aufgabe auch an dieser Stelle nicht darin, herauszufinden, wie man „die stoische Philosophie“ zu verstehen hat, sondern wie Gierke sie aufgefasst hat, um sie im Anschluss daran in seine Vorstellung von einer deutschen Verbandsperson einzubauen. Da Gierke aber auch in diesem Zusammenhang, wie so oft, seine Auffassung nicht wirklich offenlegt, ist immer wieder auch ergänzend auf das allgemeine Verständnis der stoischen Philosophie abzustellen.
3. Der menschliche Verband als Substrat der Verbandsperson und als corpus ex distantibus in der „stoischen Philosophie“ (Gierke) Die Stoiker begreifen einen menschlichen Verband als „Gesamtkörper“, der sich aus „räumlich getrennten Körpern“ zusammensetzt (σῶμα ἐκ διεστώτων, lat. corpus ex distantibus).32 Der menschliche Verband existiert daher zwar aus und in der Gesamtheit der Menschen, die ihn bilden, d. h. in der „Summe seiner Teile“.33 Da er aber gleichzeitig „ein von der Summe seiner Teile verschiedenes Ganzes“ ist, fasst die stoische Lehre den menschlichen Verband als „eine körperliche Einheit“ auf, die gewissermaßen zu ihren Mitgliedern, den Menschen als seine „Glieder“ (= Teile), hinzutritt.34 Denn in der stoischen Philoso28 29
Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. 30 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106 (Zitate). 31 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34. (Zitat: S. 32). 32 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32. 33 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32. 34 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33 mit Fn. 76, wonach das „Ganze“ (= menschliche Verband) und seine „Glieder“ in „doppelter körperlicher Einheit“ nebeneinanderstehen. Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person,
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phie sind die Teile auch in ihrer Summe und in diesem Sinn als eine Gesamtheit weder dasselbe wie das Ganze noch etwas anderes.35 Der menschliche Verband ist deshalb in der Stoa zwar lediglich vermittelt über die vielen Menschen, aus denen er sich zusammensetzt (= Mitglieder), sinnlich wahrnehmbar und dennoch ist er für die Stoiker und im Anschluss daran auch für Gierke ein von ihnen zu unterscheidender Gesamtkörper (in diesem Sinn „verschieden“, aber nicht getrennt).36 Nach der materialistischen Auffassung der Stoa ist alles Wirkliche, d. h. alles das, was auf die menschlichen Sinne einwirkt, insofern also sinnlich wahrnehmbar ist, Materie und demgemäß ein Körper (σῶμα, lat. corpus).37 Für die Stoiker besteht dabei jeder individuelle Körper, jedes konkrete Einzelding, aus eigenschaftsloser Materie (ὓλη) und einer individuellen Eigenschaft (ἰδία ποιότης), die ihm allein als dieser eine Körper zukommt.38 Diese individuelle Eigenschaft (ἰδία ποιότης) äußert sich in einer individuellen Beschaffenheit (ἰδίως ποιόν), die den Körper in seiner Einzigartigkeit (Individualität) erst sinnlich wahrnehmbar macht.39 1933, S. 190: „Wir sehen also, dass die Stoa in den corpora ex distantibus (und damit in den menschlichen Verbänden; Anm. d. Verf.) Einheiten, ja Ganzheiten erblickte, die jedenfalls nicht gleich der Summe der sie bildenden Teile sind, sondern ein Ganzes bilden, das aber nicht unabhängig von diesen seinen Teilen besteht.“ 35 Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, IX 336 (= XI 24) (= SVF III 75; LS 60G); Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 123–130; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 83, 281. Stobaeus, Anthologii libri duo priores/posteriores, I 177, 21–179, 17 (= LS 28D): „Der individuelle, weil eigenschaftsmäßig bestimmte Gegenstand ist weder dasselbe wie die Substanz (oder die Materie), aus der er besteht, noch etwas davon Verschiedenes: beide sind nicht dasselbe, weil die Substanz sowohl ein Teil von ihm (als Ganzes) ist als auch denselben Ort einnimmt, während das, was als von etwas verschieden bezeichnet wird, sowohl dem Ort nach von ihm getrennt sein muss als auch noch nicht einmal als Teil von ihm betrachtet werden kann.“; Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 93, 5 (= SVF III 307): „Nur dann wird etwas für sich gezählt werden, wenn es für sich besteht: wenn es aber ein Glied von etwas anderem ist, so wird es nicht als etwas anderes angesehen werden können.“ (Armato, aaO., S. 127); Barnes, Bits and Pieces, in: Barnes/Mignucci (Hrsg.), Matter and Metaphysics, 1988, S. 224, 262–268; Lewis, The Stoics on Identity and Individuation, Phronesis 40 (1995), S. 89, 101–108. 36 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 37 Diogenes Laertios, Vitae philosophorum, VII 56: „Denn alles, was tätig wirkt, ist Körper.“ (= SVF III 18; LS 33H); VII 50 (= SVF II 52; LS 39A); Cicero, Academica, I 39 (= SVF I 90; LS 45A); Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3. Stoa, Epikureismus und Skepsis, 2. Aufl. 1995, S. 69–70; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 14; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 75–81, 82–83; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 50; Plutarch, De communibus notitiis adversus Stoicos, 30, 1073e (= SVF II 525). 38 Stobaeus, Anthologii libri duo priores/posteriores, I 177, 21–179, 17 (= LS 28D); Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 44–45; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 14; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 77; Ricken, Philosophie der Antike, 4. Aufl. 2007, S. 215. 39 Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 85; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 44–56; Forschner, Die stoische Ethik, 2. Aufl. 1995, S. 48–49. Die Stoa sieht aufgrund dessen, dass die individuelle Beschaffenheit (ποιόν) die menschlichen Sinne affi-
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Auch ein menschlicher Verband (z. B. ein Chor oder ein Heer) verfügt über eine individuelle Beschaffenheit, die die Sinne affiziert. Weil der menschliche Verband über diese individuelle Beschaffenheit als Einheit Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung ist, sehen die Stoiker auch in ihm einen individuellen Körper.40 Die Eigenschaft, die in der individuellen Beschaffenheit nach außen wahrnehmbar wird, ist die allen Menschen gleichsam von Natur aus gegebene Fähigkeit, untereinander Gemeinschaften und Staaten zu bilden („Geselligkeitstrieb“).41 Die vielen Menschen, aus denen der eine menschliche Verband besteht, wirken als eine Einheit zusammen und erzeugen auf diese Weise eine individuelle Gesamtbeschaffenheit (ποιόν), die auf die menschlichen Sinne einwirkt. Durch diese eine Gesamtwirkung wird der menschliche Verband als „eine körperliche Einheit“ sinnlich wahrnehmbar.42 Weil Träger der individuellen Gesamtbeschaffenheit und der so erzeugten Gesamtwirkung die Mitglieder (= Menschen) als räumlich getrennte Einzelkörper sind, ist der menschliche Verband (z. B. ein Chor oder Heer) in der Stoa ein Gesamtkörper (σῶμα ἐκ διεστώτων, lat. corpus ex distantibus).43 ziert, in ihr ebenfalls einen Körper (σῶμα), insofern ist auch sie angesichts ihrer „Wirkkraft“ „somatisch verfasst“ und damit eine „materielle Entität“ (Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 79; Forschner, aaO., S. 60–61). Sie selbst muss „Materie sein, weil alles Wirkliche für die Stoiker Materie ist“ (Armato, aaO., S. 50) und fügt sich dadurch in den Materialismus der stoischen Philosophie durchaus ein. Todd, Monism and Immanence, in: Rist (Hrsg.), The Stoics, 1978, S. 137, 150–151. Kenny, Geschichte der abendländischen Philosophie, Bd. 1: Antike, 2. Aufl. 2014, S. 205–207. 40 Marcus Aurelius, Ad se ipsum, VII 13: „Was in geeinten Körpern die Glieder des Körpers sind, ein solches Verhältnis haben in getrennten Körpern die Vernunftwesen, die auf Zusammenwirken angelegt sind.“ (= in der Weltgemeinschaft); Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 129–130; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 110–112, wonach „jeder menschliche Verband ein kleines Abbild der Weltgemeinschaft“ ist (so Marcus Aurelius, Ad se ipsum, III 11, 2; VI 44, 6; Epiktet, Dissertationes ab Arriano digestae, II 5, 26); dazu Bees, Die Oikeiosislehre der Stoa, 2004, S. 195–196 („Stadt“); Groten, aaO., S. 105–110. 41 Cicero, De finibus bonorum et malorum, III 19, 63 (= SVF III 369); III 20, 67; Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 95, 52; dazu Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 130; Göppert, Über einheitliche, zusammengesetzte und Gesammt-Sachen nach römischen Recht, 1871, S. 49; ihm darin folgend Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32, Fn. 74 (Zitat). Nach Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 102, 6, werden die Mitglieder eines menschlichen Verbands (Heer, Volk, Senat) als Einzelkörper („corpora“) eines Gesamtkörpers („corpus ex distantibus“) „durch Recht und Verpflichtung“ zusammengehalten („iure aut officio cohaerent“). Hierzu Gierke, aaO., S. 22, Fn. 47 sowie S. 33, Fn. 79; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 113–126. 42 Marcus Aurelius, Ad se ipsum, VII 13: „Was in geeinten Körpern die Glieder des Körpers sind, ein solches Verhältnis haben in getrennten Körpern die Vernunftwesen, die auf Zusammenwirken angelegt sind.“; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 129– 130; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 110, wonach für die Stoa die sinnliche „Wahrnehmbarkeit einer einheitlichen Beschaffenheit (ποιόν) zur Anerkennung als Gesamtkörper“ genügt; Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32 (Zitat). 43 Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, VII 102 und IX 78 (Chor, Heer); Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32 mit Fn. 75.
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Die Gemeinschaft der Singenden ist nur deswegen ein Chor (χορός), weil nicht jeder für sich, sondern alle zusammen miteinander musizieren, indem sich ihre vielen Stimmen in Harmonie zu einer einzigen wohlklingenden Melodie vereinigen, welche die Zuhörer als solche sinnlich erfahren (können). Die Vielstimmigkeit des Chors ist demnach zugleich eine Symphonie (von σύμφωνος = zusammentönend). Durch das vereinte, aufeinander abgestimmte Singen seiner Mitglieder kommt dem Chor eine Gesamtbeschaffenheit zu (ποιόν), die der einzelne Sänger und selbst alle in ihrer bloßen Summe nicht hervorrufen können, sondern einzig und allein der Chor, indem seine Mitglieder zusammenwirken.44 Das gilt auch für ein Heer (στρατιά, auch στρατός oder στράτευμα) als ein menschlicher Verband. Die Soldaten kämpfen hier nicht jeder für sich, vielmehr bilden sie eine feste Formation, eine Schlachtordnung, die sie erst dazu befähigt, als eine Einheit, als ein menschlicher Verband, zu agieren. Da Chor und Heer durch das Zusammenwirken der Menschen, aus denen sie sich zusammensetzen, eine individuelle Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) aufweisen, sind sie als „eine körperliche Einheit“ Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung und insofern ein Gesamtkörper (corpus ex distantibus).45
4. Die Identität des menschlichen Verbands als stoischer corpus ex distantibus im Wechsel seiner Teile Ein jeder Körper setzt sich in der stoischen Philosophie aus eigenschaftsloser Materie (ὓλη) und einer individuellen Eigenschaft (ἰδία ποιότης) zusammen, die ihm allein zukommt. Dabei sorgt nach stoischem Verständnis die eigenschaftslose Materie zunächst einmal dafür, dass ein Körper überhaupt existiert (Dasein).46 Sie ist für die Stoiker deswegen insofern das dem Körper Zugrundeliegende (ὑποκείμενον), ja sogar dessen Substanz, sein Wesen (οὐσία).47 Dennoch macht erst die individuelle Eigenschaft (ἰδία ποιότης) den Körper zu dem, was er ist (Sosein), indem sie dem Körper seine individuelle Beschaffenheit (ἰδίως ποιόν) verleiht, ihn darüber in seiner Einzigartigkeit zum Gegenstand 44 Simplikios, In Aristotelis Categorias commentarium, 214, 24–37 (Kalbfleisch) (= SVF II 391; LS 28M); Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 84, 9–10; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 102–105; vgl. dazu auch Witt, Plotinus and Posidonius, The Classical Quarterly 24 (1930), 198, 200–202. Nach Bees, Die Oikeiosislehre der Stoa, 2004, S. 195–196, „überlebt“ die Stadt („Polis“) als Körper „nur durch den Zusammenhalt der Teile“. 45 Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, VII 102 und IX 78 (Chor, Heer); Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32 (Zitat). 46 Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 78; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 47–51; Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3. Stoa, Epikureismus und Skepsis, 2. Aufl. 1995, S. 81–82; Long/Sedley, Die hellenistischen Philosophen, 2000, S. 201. 47 Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 78; Long/Sedley, Die hellenistischen Philosophen, 2000, S. 201; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 44; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 86; Ricken, Philosophie der Antike, 4. Aufl. 2007, S. 215; für den menschlichen Verband Groten, corpus und universitas, 2015, S. 127.
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sinnlicher Wahrnehmung erhebt, und, weil nur das, was die Sinne affiziert, ein Körper ist, insofern erst zum wirklichen Körper macht.48 Die individuelle Beschaffenheit ist das, was uns erlaubt, den einen ganz bestimmten Körper von allen anderen zu unterscheiden.49 Sie erst verhilft dem Körper also zu seiner Individualität und damit zu seiner Identität. Der konkrete Körper bewahrt deshalb selbst dann seine Identität, wenn seine eigenschaftslose Materie ganz oder zum Teil ausgetauscht worden ist, solange er nur weiterhin dieselbe individuelle Beschaffenheit aufweist, und zwar, weil er dann immer noch über die unveränderte individuelle Beschaffenheit als derselbe ganz bestimmte Körper sinnlich wahrnehmbar ist.50 Obschon sich seine Substanz, das, was ihm zugrunde liegt (ὑποκείμενον), für die Stoiker „beständig im Fluss“ befindet, verharrt der Körper in seiner unverwechselbaren Individualität und daher in seiner Identität, sofern die Eigenschaft (ποιότης), die ihn (und nur ihn) bestimmt und die als individuelle Beschaffenheit (ποιόν) den Körper sinnlich wahrnehmbar macht, dieselbe geblieben ist.51 Diese Vorstellung, die die Stoa von den geeinten Körpern (σῶματα ήνωμένα) hat, überträgt sie auf die menschlichen Verbände, die ja, obgleich sie aus räumlich getrennten Einzelkörpern bestehen, für sie Gesamtkörper sind (σῶματα ἐκ διεστώτων, lat. corpora ex distantibus). Denn durch das Zusammenwirken der Menschen, die ihn bilden, weist der menschliche Verband eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) auf, die ihn als eine körperliche Einheit zum Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung macht. Kommen einzelne Menschen zu ihm hinzu oder scheiden sie aus ihm aus, verändert sich zwar das, was ihm zugrunde liegt (ὑποκείμενον), trotzdem bewahrt der menschliche Verband seine Identität, wenn sich seine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) und damit seine Gesamtwirkung dabei erhält, da der menschliche Verband trotz seiner veränderten 48 Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 44–56; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 78; Sedley, The Stoic Criterion of Identity, Phronesis 27 (1982), S. 255–275 (261, 265 und öfter); Forschner, Der Begriff der Person in der Stoa, in: Sturma (Hrsg.), Person, 2001, S. 37, 48; ders., Die stoische Ethik, 2. Aufl. 1995, S. 48–49, 58; Lewis, The Stoics on Identity and Individuation, Phronesis 40 (1995), S. 89, 92. 49 Forschner, Die stoische Ethik, 2. Aufl. 1995, S. 48–49; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 49–51; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 78; Sedley, The Stoic Criterion of Identity, Phronesis 27 (1982), S. 255, 260, 265; Lewis, The Stoics on Identity and Individuation, Phronesis 40 (1995), S. 89, 90–93. 50 Plutarch, De communibus notitiis, 44, 1083a–1084a (= SVF II 762; LS 28A); Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 87–89; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 78; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 47–54; Sedley, The Stoic Criterion of Identity, Phronesis 27 (1982), S. 255, 260–261, 265; Lewis, The Stoics on Identity and Individuation, Phronesis 40 (1995), S. 89, 90–93. 51 Plutarch, De communibus notitiis, 44, 1083a–1084a (= SVF II 762; LS 28A); Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 87–89; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 78; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 47–54; Sedley, The Stoic Criterion of Identity, Phronesis 27 (1982), S. 255, 260–261, 265; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 128–131; Schermaier, Materia, 1992, S. 216.
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Zusammensetzung (ὓλη) weiterhin als dieselbe Einheit und damit als derselbe Gesamtkörper erscheint. Die Menschen, aus denen sich der menschliche Verband zusammensetzt und die ihm insofern zugrunde liegen, bilden gewissermaßen seine eigenschaftslose Materie (ὓλη). Denn obschon sich jeder einzelne Mensch durch seine allein ihm eigene Individualität auszeichnet, erfährt er doch eine „tiefgreifende Umwandlung“, sobald er sich mit anderen einzelnen Menschen zu der „überindividuellen Einheit“ des einen menschlichen Verbands zusammenfügt.52 Der einzelne Mensch wird von einem „vorsozialen Einzelnen zu einem Glied des sozialen Ganzen“, er wird zu dessen Teil und erhält nunmehr als Teil seinen Sinn erst und allein durch das Ganze.53 Er tritt als Teil (= Glied) in seiner vorsozialen Einzigartigkeit hinter dem Ganzen zurück, er geht insofern im Ganzen, im menschlichen Verband, vollkommen auf, und zwar in der Aufgabe oder Funktion, die er als Teil für das Ganze übernimmt.54 Der einzelne, unverwechselbare Mensch, der sich in einen Chor als menschlichen Verband einfügt, wird durch diesen Akt zu dessen Teil: zu einem Sänger. Ein Musikstück, das der Chor singt, weist dem einzelnen Sänger seine Aufgabe im Ganzen des Chores zu, hier die Stimme, die er in der Komposition zu singen hat. Es kommt daher nicht auf ihn als Menschen in seiner Individualität an, sondern allein auf seine Fähigkeit, die ihm vom Ganzen zugeteilte Stimme zu singen. Da er so zusammen mit den anderen Sängern gewissermaßen zur eigenschaftslosen Materie des Chors wird, ist er (wie diese) austauschbar. Der Chor bewahrt deshalb als Ganzes seine Identität selbst für den Fall, dass seine Mitglieder zum Teil oder insgesamt ausgetauscht worden sind, immer vorausgesetzt, der Chor weist auch in der veränderten Zusammensetzung weiterhin seine Fähigkeit (ποιότης) auf, das Musikstück zu singen. Denn als Ausdruck davon ist die Gesamtbeschaffenheit (ποιόν), die den Chor als „eine körperliche Einheit“ (d. h. als einen Gesamtkörper) sinnlich wahrnehmbar macht, nur dann dieselbe.55 Auch ein Heer erscheint als ein Gesamtkörper (corpus ex distantibus), wenn die Soldaten, die es bilden, als eine Einheit funktionieren, indem sie gemeinsam kämpfen und zu diesem Zweck jeder Soldat die ihm zugewiesene Aufgabe 52 53
Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. 54 Die Mitglieder (corpora), die den menschlichen Verband (corpus ex distantibus) bilden, „hängen“ insofern „durch Recht und Verpflichtung zusammen“ (iure aut officio cohaerent) (Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 102, 6). Behrends, Index 37 (2009), 397, 425; Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person, 1933, S. 189: gemeinsame Zweckbestimmung als einheitsstiftendes Merkmal. Groten, corpus und universitas, 2015, S. 173, wonach der „überzeugte Stoiker Seneca“ an der Realität des Gesamtkörpers (corpus ex distantibus), dessen Mitglieder durch „Recht und Verpflichtung“ als ein menschlicher Verband zusammenhängen (iure aut officio cohaerent), keinen Zweifel hegt. 55 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32 (Zitat).
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im Ganzen des Heeres erfüllt. Die Soldaten wirken zusammen und stimmen ihr Verhalten vor allem in einer Schlacht aufeinander ab, sodass ein Mensch, der sie beobachtet, in ihnen nicht mehr die vielen, einzelnen Soldaten, sondern die eine Streitmacht als einen menschlichen Verband, das Heer, erblickt. Und weil auch hier der einzelne Soldat nicht als individueller Mensch für das Ganze entscheidend ist, es vielmehr auf die Funktion ankommt, die er im Heer wahrnimmt, auch die Soldaten insofern gewissermaßen die eigenschaftslose Materie (ὓλη) des Heeres sind, kann an die Stelle eines Soldaten, der im Kampf gefallen ist, ein anderer treten und seinen Posten übernehmen. Demgemäß bleibt auch das Heer als Ganzes selbst dann, wenn ein oder mehrere Soldaten, ja selbst wenn allesamt gefallen und durch andere gleichsam ausgetauscht worden sind, dasselbe Heer.56 Es bewahrt als menschlicher Verband seine Identität im Wechsel seiner Teile. Für die Stoiker ist das Heer derselbe Gesamtkörper. Zwar hat sich mit den ausgetauschten Soldaten die eigenschaftslose Materie (ὓλη) des Heeres verändert, doch ist die Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) diesel56 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33 („Legion“) mit Fn. 77, der dabei auf Alfenus in D. 5, 1, 76 verweist: „Denn man hält eine Legion für dieselbe, von der viele Legionäre gefallen und an deren Stelle andere getreten sind. – nam et legionem eandem haberi, ex qua multi decessisent, quorum in locum alii subiecti essent.“ Nach Alfenus in D. 5, 1, 76 bewahrt auch ein „Schiff“ (navis) als ein zusammengesetzter Körper (corpus composita) seine Identität im Wechsel seiner Teile („Planken“; tabula): „Und ebenso wird ein Schiff, mag es auch so häufig ausgebessert worden sein, dass keine Planke daran ist, die nicht neu wäre, nichtsdestotrotz als dasselbe Schiff angesehen – itemque navem, si adeo saepe refecta esset, ut nulla tabula eadem permaneret quae non nova fuisset, nihilo minus eandem navem existimari.“ Und ebenso ein Mensch (homo) als ein geeinter Körper (corpus continua). „Die Parallelisierung des Wechsels der Mitglieder im Gesamtkörper“ (corpus ex distantibus), der Legion, mit den beiden anderen Arten von „Körpern“ in der stoischen corpus-Lehre (Gierke, aaO., S. 32) findet Gierke „beachtenswert“. Obschon Alfenus als römischer Jurist der Klassik in seinem Denken bereits durch die skeptische Akademie beeinflusst ist (Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 38, Fn. 38; Behrends, Index 39 [2009], 397, 423–426), hat er mit dieser Dreiteilung „die ganze stoische Lehre“ (d. h. die stoische corpus-Lehre) „im Zusammenhang vor Augen“ (so Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1, 1988, S. 649, der das an der Parallelität von D. 5, 1, 76 mit D. 41, 3, 30 pr. festmacht. Das Schiff [navis] steht auch bei Pomponius in D. 41, 3, 30 pr., der anerkanntermaßen die stoische Körperlehre rezipiert hat, ausdrücklich für die zusammengesetzten Körper [corpora composita]). Dazu auch Palm, Ertragsteuerrecht, 2013, S. 51; Alexander, Anstalten und Stiftungen, 2003, S. 5; Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person, 1933, S. 177, 179, Philipsborn, ZRG RA 71 (1954), 41, 42, wonach D. 41, 3, 30 pr. „aus der Lehre der Stoiker fast wörtlich übernommen“ sei; Erhardt, ZRG RA 70 (1953), 299, 309–310. Alfenus ersetzt zwar den stoischen corpus durch die skeptische res, hält aber ansonsten an der Dreiteilung der Körper fest. Das kann er auch, weil schon für die Stoa ein corpus und damit auch ein menschlicher Verband (corpus ex distantibus) als Ganzes derselbe bleibt, auch wenn Teile von ihm ausgetauscht worden sind (Groten, corpus und universitas, 2015, S. 331–338). Dazu auch Pomponius in D. 41, 3, 30, 2 sowie in D. 30, 22, der hier wie in D. 41, 3, 30 pr. die Ansicht des Sabinus überliefert (Gierke, aaO., S. 33, Fn. 77) und dadurch an die stoische corpusLehre in der Gestalt anknüpft, die jene durch den Stoiker Chrysipp (3. Jahrhundert v. Chr.) gefunden hat (Meder, aaO., S. 33–34).
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§ 2 Relevanz
be wie zuvor, da auch die neuen Soldaten, die die bisherigen ersetzt haben, als eine Einheit, d. h. als ein Heer, zusammenwirken, indem die neuen Soldaten die Aufgaben und Funktionen, die ihnen, wie schon zuvor den gefallenen Soldaten, das Ganze zugewiesen hat, übernehmen.
5. Schlussfolgerung Der menschliche Verband erschöpft sich demnach in der stoischen Philosophie zwar als ein Ganzes nicht in der Summe seiner Teile. Insofern ist er nicht dasselbe wie sie, er ist aber auch nicht von ihnen verschieden (= im Sinn von getrennt), da er aus und in ihnen existiert, er ist insofern auch nicht etwas anderes als die Summe seiner Teile. Dadurch, dass die Menschen (z. B. Musiker, Soldaten), aus denen sich der menschliche Verband zusammensetzt, ihr Tun aufeinander abstimmen und dadurch als eine Einheit (Chor, Heer) zusammenwirken, weist der menschliche Verband eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) auf, die nur ihm als Ganzes, nicht aber seinen Teilen, auch nicht in ihrer bloßen Summe zukommt. Durch die darüber erzeugte „Gesamtwirkung“ wird der menschliche Verband zum Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung und ist deshalb im stoischen Denken ein Gesamtkörper (corpus ex distantibus).57 Als ein solcher Gesamtköper bewahrt der menschliche Verband in der stoischen Philosophie seine Identität im Wechsel der Teile. Denn für die Stoiker besteht der Gesamtkörper nicht allein aus den Menschen, die ihn bilden, insofern seine eigenschaftslose Materie sind, sondern auch aus der individuellen Gesamtbeschaffenheit, die auf dem Zusammenwirken seiner Mitglieder beruht. Die einzelnen Menschen sind nicht in ihrer Individualität, sondern in ihrer Fähigkeit Teil des menschlichen Verbands, Aufgaben, die er ihnen zuweist, für ihn wahrzunehmen. Das, was den menschlichen Verband als diesen einen ganz bestimmten Gesamtkörper ausmacht, sind nicht die einzelnen Menschen in ihrer Individualität (deshalb sind sie gewissermaßen dessen eigenschaftslose Materie), sondern die Gesamtbeschaffenheit, die ihm seine Individualität und damit Identität verleiht. Wenn es deshalb in der stoischen Philosophie und im Anschluss daran bei Gierke für die Identität eines menschlichen Verbands allein auf die Gesamtbeschaffenheit ankommt, stimmt der menschliche Verband (als Ganzes) immer noch mit sich selbst überein, wenn lediglich seine Mitglieder (als Teile) zum Teil oder auch insgesamt ausgetauscht worden sind, sich, wie die Stoiker sagen, das, was ihm zugrunde liegt (ὑποκείμενον) und insofern seine Substanz (οὐσία) ist, „beständig im Fluss“ (d. h. fortwährend in
57 Groten, corpus und universitas, 2015, S. 104–105; Sigwart, Logik, Bd. 2: Methodenlehre, 4. Aufl. 1911, S. 271, wonach „der Staat und alle ähnlichen Einheiten“ (d. h. die menschlichen Gemeinschaften) „als Gesamtwirkungen (…) der denkenden, wollenden und handelnden Individuen“ zu begreifen sind.
B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells
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der Veränderung) befindet, die Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) sich aber als dieselbe durchhält.58 Die Verbandsperson geht nun bei Gierke als Rechtssubjekt aus dem menschlichen Verband hervor und wohnt ihm gleichsam fortlaufend inne. Wenn der menschliche Verband in der Stoa und infolgedessen auch für Gierke seine Identität im Wechsel seiner Mitglieder (= Menschen) bewahrt, bleibt auch die Verbandsperson des deutschen Rechts als Rechtssubjekt von einem Wechsel im Mitgliederbestand unberührt, sodass die mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse unverändert fortbestehen (können). Und weil die Gesamthand der h. M. bloß vermeintlich eine Gesamthand ist, es sich vielmehr bei ihr um die Verbandsperson im Sinn Gierkes handelt, wirkt es sich auch auf die Rechtsbeziehungen der Gesamthand der h. M. nicht aus, wenn ein oder mehrere Gesellschafter, ja selbst wenn allesamt ausgetauscht werden. Denn auch in Bezug auf die Gesellschafter, die als ein menschlicher Verband („wir sagen: als Gruppe“) der Gesamthand der h. M. zugrunde liegen,59 kommt es nicht auf den einzelnen Menschen in seiner Individualität an, sondern allein darauf, dass jeder Gesellschafter die Aufgaben, die der menschliche Verband von ihm einfordert, derart zu erfüllen vermag, dass alle Gesellschafter als eine Einheit zusammenwirken, und insofern dem menschlichen Verband (= der Gruppe) eine Gesamtbeschaffenheit zu eigen ist. Demgemäß ist die Gruppenlehre und heute ganz h. M. durchaus in der Lage, die für die Gesamthand wesentliche Eigenschaft in ihrem Modell in sich stimmig abzubilden, sodass die mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse selbst bei einem Wechsel im Mitgliederbestand (und insofern der ihrer Teile) unverändert fortdauern.
II. Der Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Gesellschafterwechsels im Modell der deutschen Gesamthand Die Menschen, die in der gedachten Welt des Rechts eine Gesamthand bilden, bleiben in der sinnlich erfahrbaren Welt (Körperwelt) jeweils für sich somatisch verfasst. Sie formen keinen menschlichen Verband (ens physicum), der sich als ein Ganzes aus ihnen als seinen Teilen zusammensetzt (σῶμα ἐκ διεστώτων, corpus ex distantibus). Neben die mehreren einzelnen Menschen als Einzelkörper (entia physica) tritt deshalb nicht ein menschlicher Verband als Gesamtkörper (ens physicum). Weil sie einen menschlichen Verband nicht bilden, 58 Plutarch, De communibus notitiis, 44, 1083a–1084a (= SVF II 762; LS 28A); Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 87–89; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 78; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 47–54; Sedley, The Stoic Criterion of Identity, Phronesis 27 (1982), S. 255, 260–261, 265; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 126–131. 59 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55 (Zitat).
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§ 2 Relevanz
für Gierke aber „die Menschen“ (entia physica) nur „als Einzelne oder als Verbände“ ein Rechtssubjekt (persona moralis) sein können,60 sind die mehreren Menschen per se nicht imstande, in der Welt des Rechts ein Rechtssubjekt, eine persona moralis, zu sein. Eine persona moralis als ein ens morale kann daher als Attribut (modus) allein einem einzelnen Menschen oder einem menschlichen Verband innewohnen, nicht jedoch mehreren einzelnen Menschen zusammen. Die Menschen (entia physica) gehen aus diesem Grund jeder für sich allein aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt in die ideale Welt des Rechts ein und haben dort deshalb jeder für sich ein Rechtssubjekt (persona moralis). Als mehrere Rechtssubjekte nehmen sie erst hier gemeinsam einen status ein, der ihnen die Rechtsbeziehungen zu den Rechtssubjekten außerhalb davon vermittelt, indem er Rechte und Pflichten, die von außen auf ihn treffen, an die mehreren Rechtsträger (personae morales) in seinem Inneren zur gesamten Hand weiterleitet. Ein Rechtssubjekt (persona moralis) ist nicht schon als solches, sondern immer erst und allein über einen status Träger von Rechten und Pflichten. Die Rechte und Pflichten haften daher gewissermaßen nicht fest am Rechtssubjekt (persona moralis). Verlässt es den status, den es bisher eingenommen hat, verliert es seine Verbindung zum status und büßt in der Folge davon die Rechte und Pflichten ein, die ihm der status vormals vermittelt hat. Kommt ein Gesellschafter neu zur Gesamthand hinzu, tritt er demgemäß als Rechtssubjekt (persona moralis) in den gemeinsamen status ein, der daraufhin nunmehr auch an ihn (und weiterhin an die bisherigen Gesellschafter) die schon bisher mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse weiterleitet. Der Neugesellschafter wird zum „Mitträger“ des gemeinsamen status, der „Gemeinsphäre“, wie Gierke den status nennt,61 und dadurch, dass der status die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen jetzt auch an ihn vermittelt, zum „Mitträger aller Rechte und Pflichten der Gemeinschaft“.62 Umgekehrt hört ein Gesellschafter, der aus der Gesamthand und daher aus dem gemeinsamen status austritt, ipso iure auf, „Mitträger dieser Rechte und Pflichten zu sein“, weil der status jetzt nicht mehr in der Lage ist, diese weiterhin an ihn als Rechtssubjekt (persona moralis) und Zuordnungsendpunkt weiterzuleiten.63 Die Gesamthand setzt sich demgemäß aus mehreren Rechtssubjekten (personae morales), ihren Gesellschaftern, und einem status zusammen, den jene gemeinsam einnehmen (allein insofern ist die Gesamthand dann eine persona moralis composita). Als Zuordnungsendpunkte der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen sind die Gesellschafter gewissermaßen auch bei der 60 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 267. 61 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 664. 62 63
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691.
B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells
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Rechtsfigur der Gesamthand deren eigenschaftslose Materie (ὓλη) und damit das, was ihr zugrunde liegt (ὑποκείμενον). Dennoch ist es der status, der die Gesellschafter zu der ganz bestimmten, individuellen Gesamthand macht. Als individuelle Eigenschaft (ποιότης) verleiht erst und allein er der Gesamthand ihre Individualität und damit ihre Identität. Selbst wenn sich das ihr Zugrundeliegende verändert, indem ein Gesellschafter neu zu ihr hinzukommt, aus ihr ausscheidet oder ausgetauscht wird, bleibt die Gesamthand so lange dieselbe, wie es auch ihr status tut. Eine Gesamthand kann deshalb „einen Wechsel der verbundenen Personen“ (d. h. den ihrer Gesellschafter) „überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft fortbestehen“, weil der status weiterhin derselbe ist.64 Von dieser Veränderung der „Trägerschaft“ als das, was der Gesamthand zugrunde liegt (ὑποκείμενον), bleiben daher „alle Rechtsverhältnisse der Personeneinheit als solcher“ (= der Gesamthand) „unberührt“.65 Obgleich Gierke seine Rechtsfigur der deutschen Gesamthand offensichtlich stoisch aufbaut, weicht er mit ihr (und Pufendorf mit seiner persona moralis composita) doch insofern von der stoischen Philosophie ab, als seine Gesamthand nicht ein Rechtssubjekt (Gesamtkörper) ist, sondern mehrere Rechtssubjekte (Einzelkörper) bleiben. Die vielen Rechtssubjekte, die durch den einen gemeinsamen status, den sie miteinander teilen, eine Einheit (= Gesamthand) bilden, verschmelzen nicht zu einem einzigen großen Rechtssubjekt (persona moralis). Denn anderenfalls wäre Träger dieses Rechtssubjekts nicht ein menschlicher Verband in der sinnlich erfahrbaren Welt (ens physicum), sondern mehrere einzelne Menschen (entia physica), was aber für Gierke ausgeschlossen ist, muss doch für ihn jedes Rechtssubjekt (persona moralis) als ein ens morale entweder auf einem (!) einzelnen Menschen (ens physicum) oder aber auf einem menschlichen Verband (ens physicum) in der sinnlich wahrnehmbaren Welt fußen.66 Die Verbandsperson ist, obschon für Gierke ja eine „zusammengesetzte Person“, nur deshalb ein Rechtssubjekt in der Welt des Rechts (ens morale), weil schon ihr „Träger“ in der sinnlich erfassbaren Welt ein menschlicher Verband (ens physicum) ist (und nicht mehrere einzelne Menschen wie bei der Gesamthand).67 Anders als die Gesamthand findet die Verbandsperson bereits in der sinnlich erfahrbaren Welt dadurch eine Einheit, dass ihr menschlicher Verband, der aus mehreren Menschen besteht, für die Stoa eine „körperliche Einheit“, ein Gesamtkörper neben seinen Mitgliedern (Einzelkörpern) ist (corpus ex distantibus).68 Als dieser eine corpus geht der menschliche Verband (ens 64
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 690–691. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 267. 67 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 68 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32. 65 66
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physicum) dann in das Recht ein und wird dort zu einem Rechtssubjekt: zur Verbandsperson (ens morale). Weil die Gesamthand im Gegensatz dazu ihre Einheit erst in der Welt des Rechts (über den einen status), nicht aber schon zuvor in der sinnlich wahrnehmbaren Welt findet, kann sie nicht ein Gesamtkörper (corpus ex distantibus) sein und in der Folge davon auch nicht zu einem Rechtssubjekt werden. Stattdessen müssen die einzelnen Menschen auch im Recht mehrere Rechtssubjekte bleiben, sodass sie, obgleich eine Vielheit, über den einen gemeinsamen status eine Einheit (= Gesamthand) bilden und als solche in der Lage sind, über den einen status ihre Identität im Wechsel der Teile zu bewahren. Demgemäß bewahren die von Gierke entworfenen Rechtsfiguren der realen Verbandsperson und der Gesamthand zwar gleichermaßen nach dem Vorbild stoischer Einheitsvorstellungen ihre Identität im Wechsel der Teile. Die Verbandsperson findet jedoch ihre Einheit schon in der sinnlich wahrnehmbaren Welt über den einen menschlichen Verband, aus dem sie dann in der Welt des Rechts als ein Rechtssubjekt hervorgeht. Die Gesamthand ist im Gegensatz dazu in der sinnlich erfahrbaren Welt mehrere einzelne Menschen und in der Welt des Rechts mehrere einzelne Rechtssubjekte, die erst hier über den einen status eine Einheit (im stoischen Sinn) sind. Wie aber die vielen einzelnen Menschen bei der Verbandsperson selbst als menschlicher Verband ihre „reale Disjunktion“ nicht wirklich überwinden, da sie ja allein gedanklich zu dem einen menschlichen Verband („imaginären Subjekt“) „verschmelzen“ (corpus ex distantibus), so werden auch bei der Gesamthand die mehreren einzelnen Rechtssubjekte über den einen status nicht zu einem Rechtssubjekt.69 Die Gesamthand ist deshalb für Gierke „im Gegensatz zur Verbandsperson“ bloß „ein Rechtsverhältnis“ unter mehreren Rechtssubjekten und „kein Rechtssubjekt“ (das ist allein die Verbandsperson).70 Dass sich Gesamthand und Verbandsperson bei Gierke gewissermaßen in der Anzahl ihrer Rechtsträger unterscheiden (dort mehrere Rechtssubjekte, hier ein Rechtssubjekt), fügt sich ebenfalls in stoisches Denken ein, geht doch in der stoischen Philosophie das Recht aus der Natur hervor,71 sodass jedem einzelnen Rechtssubjekt in der Welt des Rechts stets auch ein individueller Körper (corpus) in der sinnlich erfahrbaren Welt (d. h. ein einzelner 69 70
Koschorke/Lüdemann, Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitate). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 71 Diogenes Laertios, Vitae philosophorum, VII 128: „Das Recht besteht nach ihnen (d. h. den Stoikern; Anm. d. Verf.) von Natur und nicht durch menschliche Satzung“; Cicero, De legibus I 44 (= SVF III 321), wonach „wir ein gutes Gesetz von einem schlechten Gesetz nur dann unterscheiden“ können, „wenn wir den Maßstab der Natur anlegen“; Bees, Die Oikeiosislehre der Stoa, 2004, S. 321–331; Behrends, Index 37 (2009), 397, 408; Llano Alonso, Cicero and Natural Law, ARSP 98 (2012), 157–168; Asmis, Cicero on Natural Law and the Laws of the State, Classical Antiquity 27 (2008), 1–33.
B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells
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Mensch oder ein menschlicher Verband) entsprechen muss.72 Davon geht auch Gierke aus, wenn für ihn „die Menschen entweder als Einzelne oder als Verbände“ (und damit als corpora im stoischen Sinn) die „einzigen Rechtssubjekte“ sind.73 Allein insofern übernimmt Gierke (im Anschluss an Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia) diese Naturrechtslehre der Stoa, und zwar, indem er seine Rechtsfiguren der Verbandsperson und der Gesamthand unter Rückgriff auf dieses stoische Gedankengut ausarbeitet. Die Gesellschafter bleiben zwar im Gesamthandsmodell Gierkes als Gesellschaft (und damit als Gesamthand) mehrere Rechtssubjekte, werden also nicht zu einem Rechtssubjekt (so aber die ganz h. M. als Gruppenlehre), dennoch bewahrt die Gesellschaft über den einen status, den die Gesellschafter zusammen einnehmen und der an sie als die Zuordnungsendpunkte die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen weiterleitet, ihre Identität im Wechsel der Teile (d. h. ihrer Gesellschafter). Ein Wechsel im Mitgliederbestand der Gesamthand hat demzufolge auch nach der von Gierke entworfenen Theorie der deutschen Gesamthand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit ihr bereits bestehenden Rechtsverhältnisse. Demgemäß ist auch die hier als eigene Lösung vorgeschlagene Gesamthandslehre (Gierke) durchaus in der Lage, diese Eigenschaft der Gesamthand im BGB in sich abzubilden.
III. Die Gesellschafterhaftung im Modell von der Gesamthand als Gruppe Die Gesellschafter einer OHG haben nach § 128 Satz 1 HGB „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich“ und unmittelbar einzustehen. Dieses Haftungsmodell überträgt die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) über eine Analogie zu § 128 HGB deshalb auf die Gesellschaft des BGB,74 weil für sie „jedenfalls“ die OHG als eine Gesamthand ein Rechtssubjekt sein soll.75 Da die OHG ihrerseits eine kaufmännische 72 Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 224–227. 73 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 267. 74 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 36; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 714 Rn. 12; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 7 Rn. 12, 14; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 1 Rn. 113; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 194. Auch der BGH stützt jetzt, anders als noch in seinen Grundsatzurteilen (BGHZ 146, 341, 358; BGHZ 142, 315, 318–323), die persönliche Haftung der BGB‑Gesellschafter auf eine Analogie zu § 128 HGB: BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 8–11; BGH, NJW 2013, 1089 Rn. 12; BGHZ 188, 233 Rn. 23; BGH, NJW 2006, 765 Rn. 12 (analog § 130 HGB); BGH, NJW‑RR 2006, 1268 Rn. 10, der jedoch „zur analogen Anwendung von §§ 128, 129 HGB auf die Haftung von BGB‑Gesellschaftern“ zu Unrecht auf „BGHZ 146, 341, 358“ verweist. Denn dort ist von einer Analogie (!) zu § 128 HGB noch keine Rede (dazu sogleich). 75 BGHZ 146, 341, 346. Anders aber zu Recht noch BGHZ 110, 127, 128, wonach bei der OHG nicht ein von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt Träger der Rechte und
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GbR ist (§ 105 Abs. 3 HGB) und deshalb eine GbR automatisch (ipso iure) eine OHG ist, sobald die Gesellschaft ein Handelsgewerbe betreibt (§ 105 Abs. 1, § 1 HGB) und umgekehrt, muss für die ganz h. M. dann auch die BGB‑Gesellschaft als eine Gesamthand ein Rechtssubjekt sein. Wenn danach die Gesellschaft als eine Gesamthand („als eine Gruppe“) ein Rechtssubjekt ist, enden die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen bei der Gesamthand und dringen „nicht je zu dem einzelnen Mitglied durch“.76 Die „Gesellschaft und nicht der einzelne Gesellschafter“ ist demzufolge „Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen“.77 Dann haben aber die Gesellschafter für „die Verbindlichkeiten eines anderen Rechtssubjekts“, die der Gesellschaft, „persönlich und unmittelbar einzustehen“.78 Haftung setzt nun aber Schuld voraus, und zwar eine eigene Schuld desjenigen, der haften soll.79 Die Gesellschafter müssen daher jeder für sich Schuldner sein (§ 421 BGB), denn für die „Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ haften sie als Gesamtschuldner (§ 128 Satz 1 HGB). Der BGH hat sich zwar erst in BGHZ 146, 341 der Gruppenlehre Flumes angeschlossen und die BGB‑Gesellschaft als Rechtssubjekt anerkannt, doch ging er hier bereits davon aus, dass die Gesellschafter „kraft Gesetzes“ für die Verbindlichkeiten einer BGB‑Gesellschaft (als einer Gesamthandsgesellschaft) einzustehen haben. Neu war in BGHZ 146, 341 insofern einzig und allein, dass der BGH eine „akzessorische Gesellschafterhaftung“ nach dem Vorbild des § 128 Satz 1 HGB auch für die GbR annahm.80 Das „Prinzip der Akzessorietät wirkt“ jedoch „nicht schuldbegründend, sondern setzt eine perPflichten ist, die im Namen der Gesellschaft begründet worden sind, sondern die Gesellschafter selbst. Demgemäß stellt auch Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 357, zutreffend fest, die OHG sei keinesfalls deshalb rechtsfähig, weil sie „unter ihrem Namen klagen und verklagt werden kann“ (§ 124 HGB). Ähnlich Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 106; a. A. wiederum K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181, 191. 76 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 90. 77 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 93. 78 Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 41–42 (Hervorhebung nicht im Original). 79 Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 241 Rn. 18, versteht unter dem Begriff der Haftung in der Gegenüberstellung zu dem der Schuld „das Unterworfensein des Schuldnervermögens unter den Vollstreckungszugriff des Gläubigers, d. h. die prozessuale Durchsetzbarkeit der Schuld“ (Hervorhebung nicht im Original), eine Haftung des Schuldners setzt demgemäß eine eigene Schuld voraus. Dazu auch Aderhold, Das Schuldmodell der BGB‑Gesellschaft, 1981, S. 90–91, sowie Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 42. Aufl. 2018, § 2 Rn. 19. Für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 49, folgt zwar aus einer eigenen Schuld stets eine Haftung des Schuldners, umgekehrt kann ein Schuldner zunächst aber auch für eine fremde Schuld haften und erst dann die Haftung (für die fremde Schuld) eine eigene Schuld hervorbringen. Auch dann beruht aber die Haftung schließlich auf einer eigenen Schuld, sodass auch für ihn gilt: Haftung setzt eine eigene Schuld voraus. BGHZ 163, 154, 172–174 (173); im Anschluss daran auch Wandt, Das Innenrecht der (teil-)rechtsfähigen BGB‑Gesellschaft, 2009, S. 56. 80 BGHZ 146, 341, 358.
B. Die Abbildfunktion eines „guten“ Gesamthandsmodells
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sönliche Haftung voraus“.81 Dafür, dass die Gesellschafter einer BGB‑Gesellschaft überhaupt persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Gesellschaftsschulden haften, verwies der BGH deshalb, wenn auch ausschließlich, auf seine Entscheidung in „BGHZ 142, 315, 318“.82 Dort hatte der BGH die „kraft Gesetzes“ bestehende Einstandspflicht der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR bereits zuvor bejaht und sich dabei auf den „allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts“ gestützt, „dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen“ und damit auch persönlich mit seinem Privatvermögen „haftet“.83 Damit nun dieser „Grundgedanke der geltenden Rechtsordnung“ (daher „kraft Gesetzes“)84 eine persönliche Gesellschafterhaftung zu begründen vermag, müssen, weil, wie ausgeführt, jede Haftung die eigene Schuld desjenigen voraussetzt, der haften soll, die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft (als eine Gesamthand) die Rechtsträger und damit Schuldner sein. Denn anderenfalls übten die Gesellschafter ihre Geschäfte nicht „in Gemeinschaft“ aus,85 sondern allein die Gesellschaft als Rechtssubjekt und insofern als „Einzelperson“.86 Nur sie allein wäre dann Schuldnerin und haftete mit ihrem „gesamten Vermögen“, dem „Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB), das nach der Gruppenlehre als ganz h. M. ja ausschließlich ihr gehört.87 Demgemäß haften die Gesellschafter nur dann mit ihrem gesamten Vermögen, d. h. sowohl mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) als auch persönlich mit ihrem Privatvermögen (§ 128 Satz 1 HGB), wenn sie (und nicht die Gesellschaft als Rechtssubjekt) die Geschäfte in Gemeinschaft betreiben. Diese 81 BGHZ 163, 154, 174 im Anschluss an Beuthien, NJW 2005, 855, 858; so auch schon ders., JZ 2003, 969, 971. Nach Huber, in: FS Lutter, 2000, S. 107, 137–138, beschreibt der Begriff der Akzessorietät allein das „Wie“ der Haftung, entscheidet aber nicht über ihr „Ob“. Dem schließt sich auch Westermann, in: FS Konzen, 2006, S. 957, 959, an. 82 BGHZ 146, 341, 358. 83 BGHZ 142, 315, 319. 84 BGHZ 142, 315, 319. 85 BGHZ 142, 315, 319. 86 BGHZ 142, 315, 319. 87 BGHZ 142, 315, 319 (Zitat). K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 417; Röder, AcP 215 (2015), 450, 491; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 9 Rn. 3; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 1 Rn. 107; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 23, 24 („Trennungsprinzip“); BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 24; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 719 Rn. 4, geht im Gegensatz dazu von einer „Mitberechtigung“ der Gesellschafter (§ 719 Abs. 1 BGB: Anteil) am „Gesellschaftsvermögen“ aus. Auch Wilhelm, Sachenrecht, 5. Aufl. 2016, Rn. 180, will das Vermögen sowohl der Gesellschaft als auch den Gesellschaftern zuordnen („weil die Gesellschaft aus den Gesellschaftern besteht“); a. A. aber Beuthien, NZG 2019, 41, 44, wonach „die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als gesamtrechtsfähige und damit kollektive Personalität genießende Personengesellschaft“ die Träger des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) sind (Hervorhebung im Original).
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Argumentation des BGH fügt sich demnach allein in die traditionelle, individualistische Gesamthandslehre und frühere h. M. ein, die in den einzelnen Gesellschaftern die Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen sah und noch nicht in der Gesellschaft selbst als einem Rechtssubjekt, das sich vor die Gesellschafter schiebt und sie dadurch vor den Rechtsbeziehungen, auch den Schulden, abschirmt.88 Nach Ansicht des BGH in BGHZ 142, 315 „gelangt man“ aber auch „von dem Standpunkt“, in der GbR als Gesamthand ein Rechtssubjekt („verpflichtungsfähige Rechtsperson“) zu sehen, „zu keinem anderen Ergebnis“.89 Auch nach der Gruppenlehre sollen demnach, so sieht es der BGH, die BGB‑Gesellschafter „kraft Gesetzes“ gegenüber Dritten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Eine Begründung für diese „Annahme“ findet sich in BGHZ 142, 315 indes nicht, stattdessen verweist der BGH zuerst und vor allem auf die Ausführungen Flumes.90 Flume sieht darin, dass die Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten von der GbR auf die Gesellschafter „zur vollen persönlichen Haftung eines jeden Gesellschafters“ erstreckt wird, eine „dem Gesamthandsprinzip entsprechende sachgerechte Lösung“91 und stellt damit auf das „Wesen der Gesamthand“ (Schäfer) ab.92 Denn die Sachgerechtigkeit folgt nach Flume daraus, dass „die Gesellschaft als Gruppe aus den Gesellschaftern besteht“,93 sie in ihnen „existiert“ (und in diesem Sinn aus dem „Wesen der Gesamthand“).94 Dann sei aber „die Sache der Gesellschaft zugleich die Sache des Gesellschafters“, der deshalb „in eigener Sache“ verpflichtet sei, für die Verpflichtungen der Gesellschaft, die er ja zusammen mit den anderen Gesellschaftern ist, auch persönlich mit seinem Privatvermögen einzustehen.95 88 A. A. aber Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 90 („abgesehen von der Schuldenhaftung“). 89 BGHZ 142, 315, 321. 90 BGHZ 142, 315, 321. 91 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 325. 92 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 35. Auch für Wilhelm, Sachenrecht, 5. Aufl. 2016, Rn. 177, Fn. 310, hat sein akademischer Lehrer Flume „die Figur der Gesamthand aus der Natur der Sache entwickelt“. Nach Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung, 2000, S. 34–39 (37), ergibt sich das „Wesen“ (S. 33), die „Rechtsnatur“, von OHG und BGB‑Gesellschaft als Gesamthandsgemeinschaften zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, dafür aber aus deren „deutschrechtlicher Gestaltung“ (S. 39). Denn nach Ansicht Wertenbruchs (S. 35) haben die Verfasser des BGB das Gesamthandsprinzip, das schon für die OHG des ADHGB vor 1900 gegolten habe, als „ungeschriebenes geltendes Recht“ für die BGB‑Gesellschaft übernommen (offengelassen in BGHZ 146, 341, 347). 93 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 326. 94 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 98. 95 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 326; a. A. Röder, AcP 215 (2015), 450, 508, wonach „klar zwischen der Ebene der Gesellschaft und der Ebene der Gesellschafter“ zu trennen sei. Die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft sei nicht „schlicht mit der Natur der GbR als Personengesellschaft zu begründen“, weshalb dafür de lege ferenda eine ausdrückliche Regelung im Gesetz zu fordern sei (Röder, aaO., S. 511). Anders wiederum schon Flume, aaO., S. 98, wonach die persönliche Haftung deswe-
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Damit mag Flume vielleicht das „Wesen der Gesamthand“ durchaus zutreffend beschreiben, in sein Modell von der Gesamthand als ein Rechtssubjekt („wir sagen: als Gruppe“)96 fügt es sich freilich überhaupt nicht ein.97 Wenn für Flume und die ganz h. M. als Gruppenlehre die Gesamthand selbst ein Rechtssubjekt sein soll, müssen in der Tat die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen und damit auch die Verpflichtungen (insofern die „Schuldenhaftung“)98 bei der Gesellschaft enden und können nicht bis zu den Gesellschaftern durchdringen.99 Und selbst wenn man unbedingt in den Gesellschaftern als Gruppe die Gesellschaft sehen will, sind die Gesellschafter doch nur in Gemeinschaft und insofern gemeinschaftliche Schuldner (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gesellschafter haften indes als Gesamtschuldner jeder für sich (§ 128 Satz 1 HGB; § 421 BGB). Es besteht daher nicht bloß eine Schuldnermehrheit, sondern eine Mehrheit von Schuldverhältnissen. Der Gesellschaftsgläubiger steht zu jedem einzelnen Gesellschafter in einem eigenen Schuldverhältnis. Allein deshalb wirkt ja auch eine Tatsache im Grundsatz „nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie“ eintritt (§ 425 Abs. 1 BGB). Die Gesellschafter stehen als Gesamtschuldner lediglich untereinander in einem Schuldverhältnis („im Verhältnis zueinander“) und sind erst daraus zum Ausgleich verpflichtet (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wenn die Gesamthand der h. M. ein Rechtssubjekt sein soll und sie damit in Wirklichkeit eine Verbandsperson ist, existiert sie allein insofern in ihren Gesellschaftern als Gruppe, als sich die Gesellschafter als einzelne Menschen (entia physica) in der sinnlich wahrnehmbaren Welt zu dem einen menschlichen Verband zusammengeschlossen haben (corpus ex distantibus). Nun gen „die an sich für die Personengesellschaft gehörige Rechtsfolge“ ist, „weil die Personengesellschaft in den Personen ihrer Gesellschafter existiert“. 96 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55 (Zitat). 97 Zöllner, in: FS Claussen, 1997, S. 423, 431: „methodisch unhaltbar“; Tolani, „Teilrechtsfähigkeit“ von Personenvereinigungen, 2009, S. 98–100, 117, 273. 98 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 90 (Zitat). 99 Selbst nach Westermann, WM 2013, 441, 442, begründet an sich die alleinige Rechtsträgerschaft der Gesellschaft ihre alleinige Schuldnerstellung und nimmt demnach die Gesellschafter eigentlich aus der Haftung. Nach Zöllner, in: FS Gernhuber, 1993, S. 563, 568, ist es noch keinem Anhänger der neuen Gesamthandslehre für die BGB‑Gesellschaft „überzeugend“ gelungen, „die Haftung der Gesellschafter zu begründen“. Für Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 956, Fn. 56, ist eine unmittelbare persönliche Haftung der Gesellschafter („Prinzipalhaft“) mit der Annahme einer eigenen Persönlichkeit (d. h. als eine Person = Rechtssubjekt) „kaum vereinbar“. Und für Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 356 mit Fn. 40, ist die Annahme, die Gesamthand selbst sei ein Rechtssubjekt, sogar „mit der unbeschränkten Haftung der Gesamthänder“ vollkommen „unvereinbar“. Aus diesem Grund folgt für Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 190–192, die persönliche Haftung der Gesellschafter nicht schon aus dem Gesamthandsprinzip, sondern allein aus dem Gesetz. Die Einzelhaftung des § 128 HGB ist daher für Schünemann (S. 190, Fn. 199) „eine Haftung für ‚fremde‘, nicht für ‚eigene‘ Schuld“. Zumindest mittelbar gesteht er damit das Scheitern eines Modells ein, das in der Gesamthand selbst ein Rechtssubjekt sieht.
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§ 2 Relevanz
geht aber allein der menschliche Verband in das Recht ein und ist dort ein Rechtssubjekt (ens morale), sodass die Gesellschafter allenfalls als Glieder des menschlichen Verbands und daher als einzelne Menschen, nicht aber als Rechtssubjekte Teil der Gesellschaft sind. Mag die Sache der Gesellschaft auch zugleich die Sache des einzelnen Gesellschafters sein, „Glied der Gesellschaft“ ist er nicht, sondern einzig und allein des menschlichen Verbands (corpus ex distantibus) in der sinnlich erfahrbaren Welt, und zwar als Substrat der Verbandsperson in der idealen Welt des Rechts (Gierke) und in diesem Sinn als Substrat der Gesamthand der h. M. (Gruppenlehre). Schon Flume und im Anschluss an ihn dann auch die ganz h. M. ist demnach nicht imstande, die für die Rechtsfigur der Gesamthand wesentliche Eigenschaft, dass die Gesellschafter für die Gesamthandsschulden auch persönlich und mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben (§ 128 Satz 1 HGB), und damit das geltende Recht in ihrem Modell von der Gesamthand als einer Gruppe, d. h. als ein Rechtssubjekt, abzubilden.100 Sie verfehlt damit die „darstellende Aufgabe“, die jede „gute“ rechtsdogmatische Theorie vor allem anderen zu erfüllen hat.101 Ein Verweis auf § 128 Satz 1 HGB (erst recht eine Analogie dazu) reicht dafür nicht aus, besteht doch die „primäre Aufgabe guter Rechtsdogmatik“ darin, das geltende Recht vollständig, gewissermaßen eins zu eins in sich abzubilden, was dann aber auch heißt, insofern nicht mehr auf das positive Recht abstellen zu müssen, als dieses im rechtsdogmatischen Modell, dessen getreues Abbild es ja ist, schon insgesamt enthalten ist.102 Denn allein so kann das Ziel guter Rechtsdogmatik erreicht werden, das geltende Recht als System transparent zu machen und festzustellen, ob sich eine Rechtsfigur, hier die Gesamthand, in dieses System einfügt.103
IV. Die Gesellschafterhaftung im Modell der deutschen Gesamthand Das „Prinzip der gesamten Hand“ hat nach Gierke für die Handelsgesellschaften (d. h. für OHG und KG), aber auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts „kernhafte Bedeutung“.104 Die Handelsgesellschaften weisen dabei 100 Auch Westermann, WM 2013, 441, 442, sieht „das Bedürfnis für eine tragfähige Begründung“, „denn an sich würde die alleinige Rechtsträgerschaft der Gesellschaft auch ihre alleinige Schuldnerstellung für die Verbindlichkeiten begründen und die Gesellschafter aus der Haftung nehmen“. Obwohl er darin eine „grundlegende Erkenntnis von Canaris“ (ZGR 2004, 69–125) sieht, die aber „im Schrifttum wenig diskutiert, man möchte vermuten: geflissentlich übersehen worden“ ist, greift auch er auf eine „Analogie zur Lage bei der Handelsgesellschaft“ (d. h. auf das Haftungsmodell der §§ 128, 129 HGB) zurück und begründet dies allein mit der „Sachgerechtigkeit“, die aber auch bei ihm völlig unklar bleibt. 101 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197) (Zitat). 102 Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134. 103 Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134. 104 Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 119.
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den „Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ auf,105 sodass sich die Unterschiede der Handelsgesellschaft (und daher auch der OHG) von der des BGB „auf ein Plus von gesamter Hand“ zurückführen lassen.106 Da insofern die GbR in der Tat die „kleine Schwester der oHG“ (K. Schmidt)107 ist, kann in Übereinstimmung mit der ganz h. M. das Haftungsmodell der OHG durchaus in Analogie zu den §§ 128–130 HGB auf die BGB‑Gesellschaft übertragen werden. Dafür muss aber die OHG und in der Folge davon auch nicht die GbR ein Rechtssubjekt sein, ja als Gesamthandsgemeinschaften darf es sich bei ihnen nicht einmal um Rechtssubjekte handeln. Als Gesamthand ist jede Gesellschaft eine Mehrheit von Gesellschaftern und damit mehrere Rechtssubjekte, die lediglich zusammen einen status einnehmen. Die Gesamthand ist insofern „ein Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt“, als die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft selbst die Zuordnungsendpunkte und demgemäß die Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten (d. h. insofern zur gesamten Hand) sind.108 Die Gesellschafter sind in der sinnlich wahrnehmbaren Welt einzelne Menschen (entia physica) und deshalb ist jeder von ihnen auch in der Welt des Rechts zunächst einmal für sich ein Rechtssubjekt (persona moralis). Als persona moralis füllt jeder von ihnen für sich allein einen einzelnen status aus, denn erst vermittelt über diesen kann eine persona moralis auch ein Rechtsträger und insofern überhaupt ein wirkliches Rechtssubjekt sein. Erst jetzt schließen sich die Gesellschafter in der Welt des Rechts zu einer Gesamthand (persona moralis composita) zusammen, indem sie alle zusammen einen status, in diesem Sinn einen gemeinsamen status, bekleiden. Dabei löst sich der eigene status des einzelnen Gesellschafters aber nicht gewissermaßen auf, vielmehr nimmt er diesen mit in den gemeinsamen status (und insofern in die Gesamthand) hinein. Trifft eine Rechtsbeziehung von außen auf den kollektiven status, der gewissermaßen als eine Hülle die Gesellschafter als Rechtssubjekte umgibt, verteilt dieser die Rechtsbeziehung nach innen auf die Gesellschafter und macht so aus jener eine gemeinschaftliche (= zur gesamten Hand). Auf ihrem Weg zum einzelnen Gesellschafter als dem Rechtssubjekt (persona moralis) und Zuordnungsendpunkt muss die Rechtsbeziehung, vorgestellt als eine Verbindungslinie zwischen den einzelnen Gesellschaftern (vermittelt über den gemeinsamen status) und dem außenstehenden Dritten, jeweils auch den individuellen status des einzelnen Gesellschafters passieren. Dadurch kommt es sozusagen zu einer Verdoppelung der Rechtsbeziehung, denn abgeleitet von 105 106
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 119. 107 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 60 III 2 e) (S. 1799); ders., NJW 2003, 1897, 1904. 108 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660.
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der gemeinschaftlichen (weil ja vermittelt über den gemeinsamen status) und in diesem Sinn akzessorisch, entsteht jetzt außerdem ein individuelles Rechtsverhältnis des einzelnen Gesellschafters (da vermittelt über den individuellen status). Die Gesellschafter sind deshalb über den gemeinsamen status „gemeinschaftliche Schuldner“ (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) und insofern dann zur gesamten Hand (Gesellschaftsschuld) und zudem über den individuellen status jeder für sich (Gesellschafterschuld). Sie haften in diesem Sinn auch persönlich als Gesamtschuldner mit ihrem Privatvermögen (§ 128 Satz 1 HGB). Anders als die ganz h. M., die in der Gesellschaft als Gesamthand („wir sagen: als Gruppe“)109 ein Rechtssubjekt sieht, das sich gewissermaßen vor ihre Gesellschafter schiebt und sie daher vor den Schulden abschirmt, vermag demzufolge die Theorie der deutschen Gesamthand die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter und demnach das geltende Recht (hier: § 128 Satz 1 HGB) in ihrem Gesamthandsmodell umfassend abzubilden. Auch, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und trotzdem wie bisher „für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten“ persönlich weiterhaftet (vgl. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB), findet sich im Modell der deutschen Gesamthand wieder. Durch seinen Austritt aus der Gesellschaft (d. h. der Gesamthand) verlässt er zwar den gemeinsamen status, sodass dieser die gemeinschaftlichen Schulden jetzt nicht mehr an ihn weiterleiten kann. Er hört deshalb ipso iure auf, gemeinschaftlicher Schuldner (zur gesamten Hand) zu sein. Dennoch nimmt er auch weiterhin seinen individuellen status ein, an dem immer noch die Gesellschafterschuld haftet, die einmal vermittelt über den gemeinsamen status wirksam entstanden ist. Über seinen status (individuelle Rechtsfähigkeit) bleibt der Gesellschafter demnach auch dann noch persönlicher Schuldner, nachdem er aus dem gemeinsamen status ausgetreten ist. Er hat demzufolge für die Gesellschaftsschuld akzessorisch und persönlich mit seinem Privatvermögen einzustehen (§ 128 Satz 1 HGB). Umgekehrt wird jeder Gesellschafter, der neu zur Gesellschaft hinzukommt und zu diesem Zweck in den gemeinsamen status eintritt, automatisch nicht nur gemeinschaftlicher, sondern auch individueller Schuldner. Der gemeinsame status gibt „die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ jetzt auch an ihn weiter (§ 130 Abs. 1 HGB), sodass auch er mit den bisherigen Gesellschaftern gemeinschaftlicher Schuldner wird (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da der neue Gesellschafter selbst innerhalb des gemeinsamen status seinen eignen status behält und die Gesellschaftsschuld deswegen auf ihrem Weg zu ihm als Rechtssubjekt (persona moralis) und Zuordnungsendpunkt seinen individuellen status durchquert, entsteht auf diese Weise jetzt auch für ihn eine eigene Gesellschafterschuld. Er haftet daher zusammen mit den übrigen Ge109
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55.
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sellschaftern „als Gesamtschuldner persönlich“ mit seinem Privatvermögen für die gemeinschaftliche Schuld aller und allein in diesem Sinn für die Verbindlichkeit „der Gesellschaft“ (§ 128 Satz 1 HGB). Die Theorie der deutschen Gesamthand vermag daher im Gegensatz zur ganz h. M. (Gruppenlehre) die persönliche Gesellschafterhaftung in ihrem Gesamthandsmodell umfassend und in sich stimmig, da widerspruchsfrei darzustellen.
V. Ergebnis Die ganz h. M. kann als Gruppenlehre zwar mit ihrem Gesamthandsmodell beschreiben, dass und auch warum die mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse bei einem Wechsel im Mitgliederbestand unverändert fortbestehen: Ihre Gesamthand fußt als Rechtssubjekt (ens morale) auf einem menschlichen Verband (ens physicum). Da der menschliche Verband, der sich aus den Gesellschaftern als einzelne Menschen (entia physica) zusammensetzt (corpus ex distantibus), seine Identität selbst dann bewahrt, wenn ein Gesellschafter (als Mensch) zu ihm hinzukommt oder ihn verlässt, bleibt auch die Gesamthand als ein Rechtssubjekt dieselbe. Dass aber die Gesellschafter persönlich mit ihrem Privatvermögen für die „Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ haften, so wie es § 128 Satz 1 HGB für die OHG ausdrücklich vorsieht und dessen Regelungsmodell die ganz h. M. in Analogie dazu auf die BGB‑Gesellschaft überträgt, vermag die Gruppenlehre nicht in ihrem Gesamthandsmodell abzubilden: Als Rechtssubjekt schiebt sich die Gesamthand vor ihre Gesellschafter (Mitglieder) und schirmt sie auf diese Weise vor den Rechtsbeziehungen zu Dritten ab, auch den Schulden. Diese dringen „nicht je bis zum einzelnen Mitglied der Gesamthand durch“, sondern „enden“ bei der Gesamthand als der „Gruppe der in ihr vereinigten Personen“.110 Damit erfüllt die Gruppenlehre aber nicht die „primäre Aufgabe guter Rechtsdogmatik“, das geltende Recht in sich abzubilden und dadurch auf eine „möglichst widerspruchsfreie Formel zu bringen“.111 Sie ist deshalb aufzugeben. Anders als die Gruppenlehre ist die Theorie der deutschen Gesamthand und eigene Lösung durchaus imstande, die Gesamthand des geltenden Rechts in ihrem Modell umfassend und widerspruchsfrei darzustellen: Die Gesellschafter nehmen zusammen einen status ein, der an sie als Zuordnungsendpunkte (= Rechtssubjekte) die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten weiterleitet. Tritt ein Gesellschafter neu in den gemeinsamen status ein, vermittelt dieser jetzt auch ihm die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen. Verlässt dagegen ein Gesellschafter den kollektiven status, hört er au110
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 90 (Zitat). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197); Ulmer, AcP 198 (1998), S. 113, 134 (Zitate). 111
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tomatisch auf, Zuordnungsendpunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten und damit Rechtsträger zu sein, da der status jene jetzt nicht mehr an ihn transferiert. Die Gesamthand bewahrt demnach ihre Identität im Wechsel der Teile (d. h. der Gesellschafter), solange ihr status ein und derselbe bleibt. Er verleiht der Gesamthand ihre Individualität und Identität. Ein Gesellschafterwechsel hat demzufolge keinen Einfluss auf die mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse. Da die Gesellschafter aber, wenn auch zunächst bloß vermittelt über den gemeinsamen status, die Rechtsträger sind, haften sie auch persönlich mit ihrem Privatvermögen (§ 128 Satz 1 HGB). Über ihren eigenen status, den sie für sich innehaben und den sie gleichsam mit in den gemeinsamen status hineinnehmen, sind sie abgeleitet von der gemeinschaftlichen Rechtsbeziehung (und insofern akzessorisch) nicht nur gemeinschaftliche Schuldner zur gesamten Hand, sondern außerdem auch jeder für sich allein (als Gesamtschuldner). Auch „unter dem Aspekt des Verhältnisses von Aufwand und Ertrag“ ist es deswegen gerechtfertigt,112 die hier erst noch als These formulierte Theorie der deutschen Gesamthand in einer dogmengeschichtlichen Betrachtung der deutsch-rechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zu entwickeln, so wie jene ihre begriffliche Prägung bei Gierke gefunden hat.
C. Die Bedeutung des stoischen Immanenzgedankens im Rechtsdenken Gierkes I. Der menschliche Verband im römischen und im deutschen Recht Dass Gierke seine germanistische Rechtsfigur der Verbandsperson aufbauend auf stoisches Gedankengut konstruiert hat, gibt für diese Arbeit Anlass, allgemein auf das Verhältnis von stoischer Philosophie und Gierkes vermeintlich deutschem Rechtsdenken einzugehen. Als Germanist fasst Gierke seine Verbandsperson zwar als einen ganz bewussten Gegenentwurf zur juristischen Person der Romanisten auf.113 Dennoch stimmen Gierke zufolge römisches und germanisches Rechtsdenken darin restlos überein, im menschlichen Verband einen aus menschlichen Gliedern bestehenden und in deren Wechsel identischen einheitlichen corpus im Sinn der Stoa zu sehen.114 Die Vorstellung von einem menschlichen Verband, der als ein Ganzes die Identität im Wechsel seiner Teile bewahrt, sind demnach für ihn insofern auch im deutschen 112
Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 463–464 (zu Savigny und dessen juristischer Person als „streng romanistischer Auffassung“), S. 466–468 („Germanisten“), sowie S. 479–482 (und öfter). 114 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 34. 113
C. Die Bedeutung des stoischen Immanenzgedankens im Rechtsdenken Gierkes
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Recht Ausdruck der stoischen corpus-Lehre, als Gierke insoweit eine Kongruenz zwischen germanischem und römischem Recht wahrzunehmen glaubt. An dieser Stelle täuscht sich Gierke allerdings, denn er übersieht, dass, wie Stephan Meder anknüpfend an Vorarbeiten von Okko Behrends überzeugend nachgewiesen hat, für die Juristen der römischen Klassik, beeinflusst durch die Gegnerin der Stoa, die skeptische Akademie, der menschliche Verband nicht mehr wie in der Vorklassik ein stoischer corpus, sondern als universitas nur noch eine skeptische res incorporalis war oder wie es dann später bei Savigny heißen wird: ein „ideales Ganzes“.115 Auf diesen Irrtum Gierkes in Bezug auf das römische Recht kommt es jedoch, zumindest hier, zunächst einmal überhaupt nicht an. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allein, dass Gierke den menschlichen Verband als eine „wirklich existierende Wesenheit“, als einen corpus ex distantibus im Sinn der stoischen Philosophie, und deshalb auch seine deutsch-rechtliche Verbandsperson als eine „volle und wirkliche Person“ verstanden hat.116 Daher spielt es auch keine Rolle, dass Gierke einen Einfluss der Stoa, einer wohlgemerkt griechischen Philosophie der Antike, auf das römische und nicht auf das deutsche Rechtsdenken behauptet.117 Etwas Anderes hätte zu Recht sicherlich auch stark verwundert. Maßgeblich ist ausschließlich, dass Gierke im menschlichen Verband der Römer einen corpus wiederzufinden meint, der ebenso wie der menschliche Verband im deutschen Recht eine wirklich existierende Wesenheit ist. Dass Gierke hiervon fest überzeugt ist, offenbart sich, wenn er wiederholt und ausdrücklich hervorhebt, dass die römische Jurisprudenz, obwohl sie den „Begriff des corpus ex distantibus“ aus der „stoischen Philosophie“ rezipiert hat, nicht zum „Begriff der Gesamtpersönlichkeit“ und damit zu der 115 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 36–42, vor allem S. 39, sowie S. 54 mit Fn. 28; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243; Behrends, Index 41 (2013), 145–146 mit Fn. 4, 150; ders., Index 37 (2009), 397, 424–426; ders., ZRG RA 125 (2008), 25, 44–54; ders., Labeo 44 (1998), 26, 42 mit Fn. 25; a. A. die immer noch h. M., die ausschließlich eine Rezeption der stoischen corpus-Lehre durch die römischen Juristen annimmt (so ganz besonders in D. 41, 3, 30 pr. [Sabinus], aber auch in D. 5, 1, 76 [Alfenus]: Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1, 1988, S. 648–649; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 2013, S. 51; Alexander, Anstalten und Stiftungen, 2003, S. 5; Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person, 1933, S. 177, 179; Philipsborn, ZRG RA 71 [1954], 41, 42; Erhardt, ZRG RA 70 [1953], 299, 309–310; so auch schon Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34). Dass D. 5, 1, 76 (Alfenus) zwar auf der stoischen Lehre basiert, die römischen Juristen der Klassik diese aber unter dem Einfluss der skeptischen Akademie insofern fortentwickelt haben, als sie jetzt nicht wie die Stoa zwischen dem Ganzen (Einheit) und der Summe der Teile (Vielheit) nur differenzieren, sondern zwischen beiden vollkommen trennen, sodass aus dem corpus eine res und in der Folge davon aus dem menschlichen Verband (corpus ex distantibus) eine universitas als eine res incorporalis wird, übersieht die h. M. jedoch (Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 36–42). 116 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466, 470. 117 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34.
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Rechtsfigur der Verbandsperson gelangt sei.118 Das war Gierke zufolge erst und allein dem germanischen Rechtsdenken vorbehalten. Verbandsperson und juristische Person unterscheiden sich demzufolge in den Augen Gierkes nicht in Bezug auf den menschlichen Verband als „Substrat“ (= soziale Realität), sondern allein darin, dass ausschließlich im deutschen Rechtsdenken aus dem menschlichen Verband (ens physicum) eine „subjektive Einheit“, d. h. ein Rechtssubjekt als Verbandsperson (ens morale), erwächst und in ihm existiert.119 Diese „selbständige Persönlichkeit“, seine Rechtsfähigkeit, wohnt dem menschlichen Verband also bereits von selbst inne.120 Das römische Recht erfasst im Gegensatz dazu die juristische Person nicht bloß, sondern erschafft sie zunächst als einen abstrakten Rechtsbegriff, als ein „künstlich angenommenes Subjekt“,121 und ordnet sie erst im Anschluss daran einem menschlichen Verband als ihrem Substrat, als ihrer sozialen Realität, zu.122 Danach erhält der menschliche Verband im römischen 118 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 31–34. Bemerkenswert ist daher auch, dass Gierke im Anschluss daran nochmals mehr als 70 Seiten benötigt, um den „Verbandsbegriff der römischen Jurisprudenz“ darzustellen und von dem des germanischen Rechts abzugrenzen (S. 34–106). 119 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33–34. 120 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33. 121 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 236; Zitat: Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106. 122 Das klassische römische Recht unterscheidet in D. 3, 4, 7, 1–2 (Ulpian) zwischen der universitas, die als „gedankliche Einheit“ eine skeptische res incorporalis ist und insofern als juristische Person zur Welt des Rechts gehört (entia moralia), und dem menschlichen Verband (omnes) als einem ens physicum (soziale Realität): Das, was einer universitas geschuldet wird, wird nicht den einzelnen Mitgliedern (singuli) geschuldet, und was eine universitas schuldet, schulden nicht die einzelnen Mitglieder (D. 3, 4, 7, 1). Wenn nun die universitas nur noch einen einzelnen Menschen als Mitglied hat (ad unum redit und nicht ad singulum), besteht die universitas fort (stet nomen universitatis). Das „Recht Aller“ (ius omnium), des menschlichen Verbands, fällt nur insofern an den einzelnen Menschen (in unum), als „Träger“ der universitas jetzt nicht mehr der menschliche Verband (omnes), sondern der einzelne Mensch ist (D. 3, 4, 7, 2b). Das Recht (ius) gehört aber weiterhin der universitas, nicht dem einzelnen Mitglied (singulus) (D. 3, 4, 7, 1). Die juristische Person dauert also fort und ihr Vermögen wird nicht ein Vermögen des einzigen übrigen Mitglieds; „das Besondere (worauf jene Stelle aufmerksam machen will) liegt nur darin, dass dieser Einzelne jetzt ohne Weiteres im Prozess auftreten kann, ohne der künstlichen Vertretung durch einen actor oder syndicus zu bedürfen“ (Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 276, Fn. [b], 296). Die universitas (= „juristische Person“) erwächst demnach als Rechtsbegriff (ens morale) nicht ihrem menschlichen Verband (ens physicum) und existiert daher auch nicht in ihm, sondern als gedankliche Einheit losgelöst davon. Wenn Savigny (S. 280 mit Bezug auf D. 3, 4, 7, 2) die juristische Person auch nach Wegfall aller Mitglieder (entia physica) fortbestehen lässt, sie sich nicht „notwendig auflösen“ muss, vollendet er nur noch das, was in der universitas als einer bloß gedanklichen Einheit schon im klassischen römischen Recht angelegt ist: die vollständige Trennung von juristischer Person und menschlichem Verband, der ja auch schon bei einem einzelnen Menschen nicht mehr vorhanden ist. Dazu Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 238–239; ders.,
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Recht seine Rechtsfähigkeit von außen und nicht, wie im deutschen Recht, schon aus sich selbst, von innen heraus.123 Während die Verbandsperson deshalb für Gierke eine „wirkliche Person“ ist,124 weil sie ihrem menschlichen Verband „entstammt“ und in ihm fortwährend „lebt“,125 ist die juristische Person für ihn eine „bloß erdichtete Person“126 oder wie Savigny es ausdrückt: eine lediglich „fingierte Person“,127 da sie vollkommen losgelöst von ihrem menschlichen Verband, ihrem Substrat als soziale Realität, in der Welt des Rechts als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) und insofern für sich allein existiert.128 Diese Divergenz zwischen Verbandsperson und juristischer Person beruht für Gierke darauf, dass im deutschen anders als im römischen Recht die Menschen nicht als Einzelne, sondern auch als Verbände „Träger von freiem Willen“ sind.129 Darin, dass allein ein „Träger von freiem Willen“ ein Rechtssubjekt und damit Person sein kann, sind sich Romanisten und Germanisten durchaus einig.130 Dass aber im deutschen Recht auch ein menschlicher Verband ein „Träger von freiem Willen“ sein kann, ergibt sich für Gierke aus der Eigenschaft der „deutschen Persönlichkeit“, der Rechtsfähigkeit des einzelnen Menschen im deutschen Recht, anders als die römische „teilbar“ zu sein.131 Der einzelne Mensch ist im deutschen Recht dazu imstande, „Stücke seiner Persönlichkeit, einzelne Willenssplitter“ von sich abzutrennen und mit denen anderer einzelner Menschen zu einer „Gesamtpersönlichkeit“ zu vereinigen.132 Die Menschen, die sich zu einem menschlichen Verband zusammenschließen, bilden demzufolge nicht bloß einen menschlichen Verband als ens physicum, sondern zugleich auch eine Verbandsperson als ens morale: ein Rechtssubjekt. Index 41 (2013), 145, 147–161; a. A. Platschek, Index 40 (2012), 617, 621, für den zu Unrecht „universitas und omnes ein und dasselbe meinen“. Er missversteht deshalb die universitas als eine Gesamthand (ders., ZHR 181 [2017], 153, 157). So bereits Lübtow, Bemerkungen zum Problem der juristischen Person, in: Gesammelte Schriften, Abt. 1, Römisches Recht, Bd. 2, 1989 (Studi in memoria di Paolo Koschaker, Bd. 2, 1954), S. 233, 247, 260. 123 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 102–103, wonach sich im römischen Recht die juristische Person „schlechthin nur als ein zu den verbundenen Individuen von außen her hinzutretendes neues Individuum denken“ ließ. 124 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 125 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106. 126 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 127 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241. 128 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 280 (siehe dazu oben Fn. 122). 129 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 267 (Zitat: S. 265). 130 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265, 267; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 331–333, 7, 22, 23: Der einzelne Mensch als Träger eines freien Willens ist der „Zweck“ des Privatrechts, sowie Bd. 2, 1840, S. 2: „Alles Recht ist vorhanden um der sittlichen, jedem einzelnen Menschen innewohnenden Freiheit willen.“ 131 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 29, 36. 132 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36.
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§ 2 Relevanz
Dadurch kommt dem menschlichen Verband „ein rechtlich relevanter Wille“ zu.133 Er wird zum „Träger eines einheitlichen Gemeinwillen“,134 eines allgemeinen Willens (volonté générale),135 zu dem sich die „einzelnen Willenssplitter“ der vielen Menschen, die den einen menschlichen Verband bilden, verbinden, der dabei aber über seine Teile hinausgeht und insofern zugleich ein von der Summe dieser Teile verschiedenes Ganzes ist.136 Auch wenn nach der Ansicht Gierkes die „stoische Philosophie“ und das von ihr beeinflusste römische Recht zu dieser Einsicht noch nicht gelangt sind,137 spiegelt sich doch in der Gestalt des „einheitlichen Gemeinwillens“, der dem menschlichen Verband als Träger zukommt und ihm dadurch „eine subjektive Einheit“ verleiht, ihn zur Verbandsperson macht,138 unverkennbar der stoische Immanenzgedanke von einem Ganzen wider, das aus seinen Teilen besteht und in ihnen existiert (ihnen insofern immanent ist), aber gleichzeitig auch von ihnen verschieden (nicht getrennt) ist.139 Der „Gemeinwille“ ist, in der Begrifflichkeit der Stoa ausgedrückt, weder dasselbe als die Summe der Einzelwillen (d. h. der Teile) noch etwas anderes als sie.140 Dafür, dass sich dieser stoische Immanenzbegriff, die Relation des Ganzen zu seinen Teilen, bei der Rechtsfigur der Verbandsperson nicht rein zufällig findet, Gierke stattdessen bewusst bei der Ausarbeitung seiner deutschrechtlichen Verbandsperson auf stoisches Gedankengut zurückgegriffen hat, spricht zunächst einmal, dass die Germanisten des 19. Jahrhunderts ihr (ver133
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33.
134 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 135 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2,
Kap. 3 (S. 32). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469, wonach die Verbandspersönlichkeit die „von der Rechtsordnung anerkannte Fähigkeit eines menschlichen Verbands“ ist, „als ein von der Summe der verbundenen Personen unterschiedenes einheitliches Ganze“ Rechtssubjekt zu sein. Dazu sogleich. 137 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 22, 33–34. 138 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitate). 139 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 140 Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, IX 336 (= XI 24) (= SVF III 75; LS 60G); Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 123–130; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 83, 281. Stobaeus, Anthologii libri duo priores/posteriores, I 177, 21–179, 17 (= LS 28D): „Der individuelle, weil eigenschaftsmäßig bestimmte Gegenstand ist weder dasselbe wie die Substanz (oder die Materie), aus der er besteht, noch etwas davon Verschiedenes: beide sind nicht dasselbe, weil die Substanz sowohl ein Teil von ihm (als Ganzes) ist als auch denselben Ort einnimmt, während das, was als von etwas verschieden bezeichnet wird, sowohl dem Ort nach von ihm getrennt sein muss als auch noch nicht einmal als Teil von ihm betrachtet werden kann.“; Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 93, 5 (= SVF III 307): „Nur dann wird etwas für sich gezählt werden, wenn es für sich besteht: wenn es aber ein Glied von etwas anderem ist, so wird es nicht als etwas anderes angesehen werden können.“ (Armato, aaO., S. 127); Barnes, Bits and Pieces, in: Barnes/Mignucci (Hrsg.), Matter and Metaphysics, 1988, S. 224, 262–268; Lewis, The Stoics on Identity and Individuation, Phronesis 40 (1995), S. 89, 101–108. 136
C. Die Bedeutung des stoischen Immanenzgedankens im Rechtsdenken Gierkes
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meintlich) deutsches Recht erst in der Auseinandersetzung mit dem römischen Recht als ihrem „imaginären Feind“ ausgearbeitet haben.141 Das römische Recht bildete demzufolge den Ausgangspunkt für ihr Vorhaben, im Kontrast zu diesem ihr deutsches Recht zu entwerfen. Das schließt mit ein, dass die Germanisten durchaus Vorstellungen aus dem römischen Recht in ihre deutschen Rechtsfiguren integrierten, sofern sich jene in ihr Bild vom deutschen Recht einfügten.
II. Pufendorfs Lehre von den entia moralia Für Gierke gilt das umso mehr, als er seine Rechtsfigur der deutschen Gesamthand, aber auch die der realen Verbandsperson mithilfe der von Pufendorf ausgearbeiteten Lehre von den entia moralia konstruiert hat. Für Pufendorf bildete die Stoa die unverzichtbare Grundlage für sein Rechtsdenken und infolgedessen auch für seine Lehre von den entia moralia, denn er verstand sich als „stoisch inspirierten Naturrechtler“, der aus diesem Grund „ausgiebig“ auf stoisches Gedankengut zurückgriff.142 Über Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia gingen demnach stoische Anschauungen bei Gierke zumindest in seine Figuren der Gesamthand und der Verbandsperson ein. Vielleicht, so darf vermutet werden, war Gierke auch deshalb für ein stoisches Immanenzdenken, wie er es, zumindest aus seiner Sicht und darauf kommt es an dieser Stelle allein an, im römischen Recht für den menschlichen Verband als corpus vorfand, besonders empfänglich, übernahm dieses jedoch nicht nur in Bezug auf den menschlichen Verband als Substrat für seine Verbandsperson im deutschen Recht, sondern erstreckte die stoische Auffassung von der Beziehung des Ganzen zu seinen Teilen auf den Gemeinwillen. Er formte so aus dem menschlichen Verband als einem corpus in der sinnlich erfahrbaren Welt (ens physicum) auch noch ein Rechtssubjekt in der idealen Welt des Rechts (ens morale), seine Verbandsperson.
141 Schäfer, Juristische Germanistik, 2008, S. 2 (Zitat). 142 Kaufmann, in: Neymeyr/Schmidt/Zimmermann (Hrsg.), Stoizismus in der europäi-
schen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik, Bd. 1, 2008, S. 229, 282–283; dazu Saastamoinen, Pufendorf and the Stoic model of natural law, Grotiana 22/23 (2001/2002), 257: „Roman Stoics had a visible role in Samual Pufendorf’s main work on natural law, De jure naturae et gentium.“, der „over three hundred references to Stoic authors“ in Pufendorfs ‚De jure naturae et gentium‘ zählt, dem Werk, in dem Pufendorf seine Lehre von den entia moralia ausgearbeitet hat. Auch Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 121, stellt für Pufendorfs Lehre der entia moralia fest: „Mit stoischem Gedankengut war Pufendorf jedenfalls vertraut.“; Palladini, Pufendorf and Stoicism, Grotiana 22/23 (2001/2002), 245–256; Sauter, Die philosophischen Grundlagen des Naturrechts, 1932, S. 44, Fn. 6, der hier auf Pufendorf, Eris Scandica, 2. Aufl. 1743, S. 103: „Ego Stoicorum sanae doctrinae proxime accedo.“, verweist.
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Damit geht Gierke freilich insofern über Pufendorf hinaus, als er in dessen persona moralis composita nicht seine „zusammengesetzte Person“,143 seine Verbandsperson des deutschen Rechts, erkennt, sondern seine deutsch-rechtliche Figur der Gesamthand.144 Bei Pufendorf setzt sich die persona moralis composita allein in dem Sinn aus mehreren personae morales simplices (= einfachen Personen, d. h. Rechtssubjekten) zusammen, als sie bloß gemeinsam einen status einnehmen, der an sie als Zuordnungsendpunkte (d. h. als viele Rechtssubjekte) die Rechtsbeziehungen weiterleitet. Die Mitglieder fügen sich demgemäß bei Pufendorf nicht zu einer persona moralis composita als einem Rechtssubjekt zusammen, sind also an sich gar nicht eine persona moralis, sondern bleiben, obgleich sie einen status miteinander teilen, doch mehrere Rechtssubjekte (personae morales), und das ist für Gierke die Gesamthand.145
III. Rousseaus Konzeption einer volonté générale Aber nicht nur Pufendorfs Lehre von den entia moralia, die sich offenkundig durch stoisches Immanenzdenken auszeichnet, sondern auch Rousseaus Konzept einer volonté générale, zu Deutsch: von einem „Gemeinwillen“, oder gleichbedeutend von einem „allgemeinen Willen“,146 ist unverzichtbar, um überhaupt in der Lage zu sein, Gierkes germanistische Rechtsfigur der realen Verbandsperson und, in Abgrenzung dazu, die der Gesamthand zu verstehen. Denn auch das neuzeitliche Naturrechtsdenken Jean-Jacques Rousseaus (1712–1778) ist von der intensiven Aufnahme stoischen Gedankenguts geprägt.147 Die einzelnen Menschen fügen sich bei Rousseau zu einem „Ge143
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, 473. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 668 mit Fn. 23, verwandte das Naturrecht „den Gedanken der gesamten Hand (…) beim Aufbau seiner Gesellschaftslehre“, sodass „seine moralische Person“, d. h. die persona moralis composita bei Pufendorf (S. 470 mit Fn. 7), im Grunde nichts als eine „kollektive Personeneinheit“ und damit eine „Gemeinschaft im Sinne der gesamten Hand“ war. 145 Siehe oben Fn. 144. 146 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32), in der Unterscheidung zum volonté de tous, dem „Willen aller“ (und öfter). Dazu Forschner, Rousseau, 1977, S. 117–157; Riley, Rousseau’s General Will, in: ders. (Hrsg.), The Cambridge Companion of Rousseau, 2001, S. 124–153; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–353, 355; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–156. Siehe auch unten Fn. 156. 147 Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 348–353; Brooke, Stoicism and anti-Stoicism in the seventeenth century, Grotiana 22/23 (2001/2002), 93, 115; ders., Rousseau’s Political Philosophy: Stoic and Augustinian Origins, in: Riley (Hrsg.), The Cambridge Companion of Rousseau, 2001, S. 94–123. Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–156 (151); Kaufmann, Die stoischciceronische Naturrechtslehre und ihre Rezeption bis Rousseau, in: Neymeyr/Schmidt/ Zimmermann (Hrsg.), Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik, Bd. 1, 2008, S. 229, 286–292; Melzer, The Natural Goodness of Man, 1990, insb. S. 36–37, 56–57, 91–92; Pire, De l’influence de Sénèque sur les théories pédagogiques de 144 Nach
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meinwesen“, einem „Staat“, zu einem menschlichen Verband also, zusammen, den er als einen „politischen Körper“ (corps politique), oder auch als eine „sittliche Gesamtkörperschaft“ (corps moral et collectif), als ein soziales Ganzes versinnlicht.148 „Dieser Akt des Zusammenschlusses“, der Konversion, vollzieht sich Rousseau zufolge, indem sich die einzelnen Menschen der volonté générale unterstellen.149 Sie werden dadurch zu einem „Körper“ (corps), jeder Einzelne von ihnen wird zu einem Glied davon, „zu einem untrennbaren Teil des Ganzen“.150 Bei Rousseaus „sittlicher Gesamtkörperschaft“ handelt es sich demnach um ein corpus ex distantibus im Sinn der „stoischen Philosophie“.151 Auch für Rousseau ist der menschliche Verband als Ganzes zwar nicht etwas anderes als die Summe seiner Teile, wenn für ihn die „Gesamtkörperschaft“ (corps moral et collectif) „aus ebenso vielen Gliedern besteht, wie die Versammlung Stimmen hat“.152 Zugleich erschöpft sich der menschliche Verband jedoch auch nicht einfach in der Gesamtheit der einzelnen Menschen, da er als ein Ganzes insofern mehr als die bloße Summe seiner Teile ist, als er „über eine Einheit und einen gemeinsamen Willen verfügt“,153 und deswegen, Rousseau zufolge, ein „gemeinschaftliches Ich“ (moi commun) besitzt.154 J.‑J. Rousseau, Annales de la Société Jean-Jacques Rousseau 33 (1953–1955), 57–92; Bretonneau, Stoïcisme et valeurs chez Jean-Jacques Rousseau, 1977. 148 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18), Kap. 7 (S. 20– 21) sowie Buch 2, Kap. 6 (S. 40), wonach der politische Körper, oder gleichbedeutend die politische Körperschaft (corps politique) „durch den Gesellschaftsvertrag“ (contract social) „Dasein und Leben“, weil ihre Einheit, ihr „gemeinschaftlichen Ich“ und ihren Willen erhält. Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 112 („soziales Ganzes“). 149 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18). 150 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18), Buch 2, Kap. 7 (S. 45): Der vorsoziale einzelne Mensch („Individuum“) wird „in den Teil eines größeren“ sozialen „Ganzen“, des menschlichen Verbands, verwandelt, von dem das Individuum „in gewissen Sinn sein Leben und Dasein empfängt“. Dazu Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350. Baczko, Rousseau, 1970, S. 392–393, 401–402, 405, wonach der Staat ein „überindividuelles Ganzes“ ist, dessen Teil die Einzelnen als Bürger sind („Mitbürgerschaft“); Seubert, Ambivalenzen demokratischer Freiheit. Zur Aktualität von Rousseaus politischer Theorie, Politische Vierteljahresschrift 53 (2012), 609, 613–617. 151 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33, und Bd. 4, 1913, S. 433. 152 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18). Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 59 mit Fn. 42, worin sich dann Rousseaus corps moral et collectif von der juristischen Person bei Savigny unterscheidet, der „eine klare Trennlinie zwischen der Summe der Mitglieder und dem ‚idealem Ganzen‘ einer Korporation zieht“ (Meder, aaO., S. 145). 153 Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 152 und 154. Für Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 7 (S. 20), ist es deshalb „ein großer Unterschied, sich gegenüber sich selbst zu verpflichten oder gegenüber dem Ganzen, dessen Teil man ist“. Daran „wird deutlich, dass Rousseau den Staat nach dem Bild eines organischen Gan-
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Für Gierke ist dieser „moralische Körper“ (corps moral et collectif) nun aber gerade nicht die deutsche „Gesamtperson“, seine reale Verbandsperson, sondern bloß eine „kollektive Einheit“, d. h. eine Gesamthand.155 Die einzelnen Menschen verfolgen aus „Selbstliebe“ (amour de soi) ausschließlich ihre eigenen Zwecke. Nur weil jeder seinen eigenen Zweck, den er für sich hat, lediglich zusammen mit den anderen, einzelnen Menschen verwirklichen kann, schließen sie sich zu einer „Gesamtkörperschaft“ (corps moral et collectif), allein in diesem Sinn zu einem menschlichen Verband zusammen.156 Ein „allzen denkt, das nur durch Summation seiner Teile = Glieder nicht erklärt werden kann. Das Ganze ist“ deswegen für Rousseau „eine Körperschaft (corps)“ (aaO., Anm. 28 [S. 161]), was insofern auf stoisches Gedankengut zurückgeht: Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350 (und öfter). Dazu Forschner, Rousseau, 1977, S. 117–118, 119, 148–157; Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 58–62, 80–97, 97–117 (und öfter): Die Gesamtkörperschaft (corps moral et collectif) ist „eine Gemeinschaft, die sich selbst organisiert, die in ihren Mitgliedern lebt, in deren Mitte ein Gemeinwille entsteht, der die Geschicke der Allgemeinheit lenkt und leitet“ und dabei im Gemeinsinn seiner Bürger wurzelt (Kersting, aaO., S. 103). 154 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18); Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 152, 154; Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 111–112 mit Fn. 31, wonach aus Rousseaus Gesellschaftsvertrag ein „corpus mysticum des sozialen Ganzen“ hervorgeht, und zwar mit ausdrücklichem Bezug auf Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18). 155 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 433–436. 156 Nach Forschner, Rousseau, 1977, S. 120–157, findet sich bei Rousseau ein zweifaches Konzept der volonté générale. Nach dem „ersten Begriff“ ist der Gemeinwille (volonté générale) der bloß summative Wille aller Einzelwillen in Bezug auf die Selbstinteressen, die die einzelnen Menschen nur zusammen, „im Verein“, verwirklichen können, also bloß der „faktische Konsens“, insofern dann doch nur der „Wille Aller“ (volonté de tous). Nach dem „zweiten Begriff“ gehen die einzelnen Menschen in der Gemeinschaft vollkommen auf und haben deshalb insofern eine ausschließlich „soziale Existenz“. Sie verfolgen nicht mehr ihre, zwar übereinstimmenden, aber doch nur eigenen Zwecke, sondern die der Gemeinschaft an sich, sodass der Gemeinwille (volonté générale) jetzt allein der „Wille zur Gemeinschaft“ ist. Auch wenn das Verhältnis zwischen beiden Konzepten umstritten ist, besteht doch Einigkeit darin, dass Rousseau, zumindest vor allem, auf den „zweiten Begriff“ einer volonté générale, als einem „vernünftigen Konsens“, abzielt. Allein darauf, und dass Gierke in Rousseaus volonté générale ausschließlich den ersten Begriff eines Gemeinwillens verwirklicht sieht, kommt es jedoch für diese Arbeit an. Dazu Bertram, Rousseau’s Legacy in Two Conceptions of the General Will, The Review of Politics 74 (2012), 403–419 (403–407: „democratic and transcendent“); Sreenivasan, What Is the General Will?, The Philosophical Review 109 (2000), 545–581 (546: „the practical strand and the pure strand“). Morgenstern, Crossing Lines: Rousseau and the Creation of Community, Historical Reflections/ Réflexions Historiques 32 (2006), 523–541 (523, 538–540). Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 122–127, der den „ersten Begriff“ einer volonté générale „im Rahmen des Rousseau’schen Denkens“ für „gänzlich abwegig“ hält (ebenda, S. 123– 124) und deswegen nur vom „zweiten Begriff“ ausgeht, wonach „Existenz und Wirklichkeit des Gemeinwillens (…) „gelebte Gemeinschaftlichkeit“ voraussetzt (S. 126–127, und öfter). Dennoch zeichnet sich auch nach Kersting, aaO., S. 97–103, der volonté générale bei Rousseau durch eine gewisse „Doppeldeutigkeit“ aus, die „eine doppelte Lesart“ zu erlauben scheint, eine liberal-staatsrechtliche und eine republikanisch-ethische. Während nach der ersten Lesart die volonté de tous zugleich auch immer die volonté générale ist, handelt es
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gemeiner Wille“ (volonté générale) kann deshalb nur dort entstehen, wo sich die Zwecke der einzelnen Menschen decken, d. h. bei allen gleich sind.157 Da der „allgemeine Wille“ (volonté générale) Gierke zufolge demnach lediglich ein „Durchschnittswille“ ist, der sich aus der reinen Summierung der Selbstinteressen ergibt, die unter allen einzelnen Menschen kompatibel sind, ist der „allgemeine Wille“ für Gierke nicht ein „echter Gemeinwille“, sondern bloß der „Wille Aller“ (volonté de tous), ein „Gesamtwille“.158 Dieser „Gesamtwille“ geht zwar nicht aus den antagonistischen Selbstinteressen der einzelnen Menschen, aus ihrer „Selbstsucht“ (amour-propre), hervor und beruht deshalb nicht auf einem „do ut des“,159 dennoch ist der „Wille Aller“ (volonté de tous) insofern bloß der summative Wille aller Einzelwillen, als ihm der „Wille zur Gemeinschaft“ abgeht.160 Als „Wille Aller“ (volonté de tous) ist er stattdessen, zumindest im Kern, der „einheitliche Gesamtwille“ oder synonym auch der sich nach der zweiten Lesart nur dann um eine volonté générale, wenn der faktische Konsens (volonté de tous) deshalb auf das Gemeinwohl abzielt, weil er „im Gemeinsinn der Bürger wurzelt“ (S. 103). Kersting, Gesellschaftsvertrag, Volkssouveränität und „volonté générale“, in: ders. (Hrsg.), Die Republik der Tugend, 2003, S. 81, 89–90. Williams, Justice and the General Will, Journal of the History of Ideas 66 (2005), 383–411 (insb. 385–388), sowie ders., The Substantive Elements of Rousseau’s General Will, in: Farr/Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 219–246 (insb. S. 219–220, 222–240); Riley, The General Will before Rousseau, Political Theory 6 (1978), 485–516. 157 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 434; Forschner, Rousseau, 1977, S. 120–148, insb. S. 120–121; Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 123. 158 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 434: „Der angebliche Gemeinwille ist also lediglich ein durch ein Rechenexempel zu ermittelnder Durchschnitt der Einzelwillen.“ Dort nimmt Gierke Bezug auf Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 33), wonach der Gesamtwille, der „Wille Aller“ (volonté de tous), „nichts anderes als eine Summe von Sonderwillen“, den „Einzelwillen“ (volonté particulière) ist: „aber nimm von ebendiesen das Mehr und das Weniger weg, das sich gegenseitig aufhebt, so bleibt als Summe der Unterschiede der Gemeinwille“ (volonté générale). Dazu etwa Forschner, Rousseau, 1977, S. 120–148 (Zitat: S. 132); Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 122–127 (123–124). Morgenstern, Crossing Lines: Rousseau and the Creation of Community, Historical Reflections/Réflexions Historiques 32 (2006), 523, 539: „Rousseau defines the General Will as the result of a process: that is to say, of subtracting all the differences existing between people’s wills and taking the common ground of all these opinions as the General Will.“ Siehe auch Williams, Justice and the General Will, Journal of the History of Ideas 66 (2005), 383, 385–388, sowie Hidalgo, Rousseau, die Antinomien der Demokratie und das Scheitern ihrer Aufhebung durch die Religion, in: ders. (Hrsg.), Der lange Schatten des Contract social, 2013, S. 121, 133–134. 159 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl. 1995, § 12 III (S. 218). 160 Forschner, Rousseau, 1977, S. 120–157, insb. S. 133, 142–143; Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 122–127. Dazu Brooke, Stoicism and anti-Stoicism in the seventeenth century, Grotiana 22/23 (2001/2002), 93, 115: „Jean-Jacques Rousseau drew his distinction between amour de soi and amour-propre in a careful fashion when building his post Augustinian political theory, his amour de soi strongly resembling the Stoics’ oikeiosis while the aspects of prideful self-love so strongly criticised by Pascal and the French Augustinians could only speak to his account of amour-propre.“ Vgl. auch Morgen-
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„Gemeinschaftswille“, von dem Gierkes deutsche Gesamthand „beherrscht“ wird.161 Erst der „Wille zur Gemeinschaft“ macht aus einem menschlichen Verband, zu dem sich die einzelnen Menschen zusammengetan haben, den „Träger eines einheitlichen Gemeinwillens“, der „dazu geeignet“ ist,162 im Recht als eine „moralische Person“ (Rousseau),163 als eine reale Verbandsperson (Gierke) „anerkannt“ zu werden.164 Die einzelnen Menschen verfolgen nicht mehr ihre eigenen Ziele, sondern die der Gemeinschaft an sich, des menschlichen Verbands. Der einzelne Mensch begreift sich nunmehr als den untrennbaren Teil eines größeren Ganzen (corps), der ihm seinen Sinn verleiht, sodass er gleichsam erst von ihm „Leben und Dasein empfängt“.165 Betrachten sich aber die einzelnen Menschen dergestalt als ein einziger Körper, haben sie auch nur einen einzigen Willen.166 Und weil dieser Wille stets und ausschließlich auf das Gemeinwohl, insofern „auf das öffentliche Wohl abzielt“, ist er, anders als Gierke es freilich Rousseau vorwirft, durchaus ein „echter Gemeinwille“ (volonté générale).167 Als Träger des „Gemeinwillens“ (volonté générale) fragen sich daher die einzelnen Menschen nicht, was für sie allein, auch nicht in ihrer bloßen Summe, subjektiv von Vorteil ist, sondern, was für den menschlichen Verband, für den „politischen Körper“ (corps politique) als solchem, als einem „organischem Ganzen“ „objektiv gut“ und insofern der Vernunft, stoisch dem „logos“ (λόγος), gemäß ist.168 (Auch hier wird das „stoische Gedankengut“ in Rousseaus Modell einer volonté générale offenkundig.169) Der Gemeinwille (volonté générale) existiert demnach zwar mit und in den einzelnen Menschen, in ihrer stern, Crossing Lines: Rousseau and the Creation of Community, Historical Reflections/ Réflexions Historiques 32 (2006), 523, 528–532. 161 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687–689. 162 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 163 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 33). 164 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470–471. 165 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 7 (S. 45). 166 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 115). 167 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 31 und öfter). Williams, The Substantive Elements of Rousseau’s General Will, in: Farr/Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 219, 224–225 (und öfter); Strong, The General Will in Rousseau and after Rousseau, in: Farr/Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 307, 308– 317 („common self“). Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 103 („Gemeinsinn der Bürger“), S. 106 (Die „Sorge der Bürger um ihre Gemeinschaft“ als Voraussetzung für „Gemeinschaftlichkeit“), S. 122–127 (und öfter). 168 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 117); Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349, 350: Der einzelne Mensch stimmt dabei als „Bürger“ („rational citizen“) des „Gemeinwesens“ („polity“), als Mitglied des menschlichen Verbands, dem „Gemeinwillen“ („General Will“) zu und erfüllt auf diese Weise seine „Natur“. Auch darin kommt offenkundig stoisches Gedankengut zum Ausdruck (Rorty, aaO., S. 350 und öfter). 169 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 59, Fn. 42.
C. Die Bedeutung des stoischen Immanenzgedankens im Rechtsdenken Gierkes
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bloßen Summe, ist ihnen insofern immanent, doch geht er zur selben Zeit über den Willen aller (volonté de tous), den Gesamtwillen, hinaus. Der Gemeinwille (volonté générale) ist dementsprechend auch für Rousseau, um es in der Terminologie der Stoa zu sagen, das, was als die eine individuelle Eigenschaft (ποιότης) aus den vielen einzelnen Menschen, als gewissermaßen eigenschaftsloser Materie (ὓλη), erst den einen menschlichen Verband macht. Dadurch weist jener eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) auf, die die menschlichen Sinne affiziert. Er ist deshalb für die Stoa als corpus ex distantibus ein „wirklicher Körper“, für Gierke daher eine „wirklich existierende Wesenheit“ und schließlich für Rousseau eine „Gesamtkörperschaft“ (corps moral et collectif).170 Rousseau und Gierke stimmen demzufolge in ihren Vorstellungen von einem „Gemeinwillen“ (volonté générale), dessen Träger ein menschlicher Verband als ein corpus ex distantibus ist, nicht bloß dem Namen nach (in der deutschen Übersetzung),171 sondern auch in der Sache zumindest insofern bemerkenswert überein, als sich bei beiden Konzepten in der Relation des Ganzen zu seinen Teilen der stoische Immanenzgedanke unverkennbar aufweisen lässt, und allein darauf kommt es in dieser Schrift an. Dass Gierke gleichwohl diese Kongruenz seines „Gemeinwillens“ mit Rousseaus „allgemeinem Willen“, der volonté générale, nicht erkennt, ja vielleicht sogar ganz bewusst nicht sehen will, beruht auf seinem Postulat, der „naturrechtliche Individualismus“ und damit auch Rousseau habe es nur vermocht, zu dem „allein denkbaren Begriff der kollektiven Einheit“, der Gesamthand, nicht aber zu dem der „Gesamtperson“, der deutschen Verbandsperson, zu gelangen.172 Obschon Rousseau immer wieder versichere, aus dem „Sozialvertrag“ (contract social) gehe ein „moralischer Körper“ (corps moral et collectif) als ein „unteilbares Ganzes“ hervor, ist für Gierke dieses „reale Gesamtwesen“ doch in Wahrheit nur die bloße Summe der einzelnen sinnlich wahrnehmbaren Menschen („Individuen“), aus denen sich jenes zusammensetzt, eine unverbundene Menge, eine reine „Zusammenhäufung“, nicht ein menschlicher Verband.173 Ein menschlicher Verband geht für Gierke einzig und allein aus einem „Vereinigungsakt“, einem „sozialrechtlichen Konstitutivakt, der im 170 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471 (Zitat: S. 466). Dass Gierke insofern einen Bezug von Rousseaus corps moral et collectif zur „stoischen Philosophie“ sieht (corpus ex distantibus), ergibt sich, wenn auch erst mittelbar, aus seinen Ausführungen in: Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33, Bd. 4, 1913, S. 433. Nach Baczko, Rousseau, 1970, S. 393, ist für Rousseau der „Staat“ (corps politique) ein Ganzes, das eine „Eigenschaft“ aufweist, die allein ihm zukommt und anders ist als die Eigenschaften der „einzelnen Körper, aus denen es besteht“. 171 Da Gierke sich den Begriff des „Gemeinwillens“ für den „rechtlich relevanten Willen“ seiner realen Verbandsperson („Gesamtperson“) vorbehält, übersetzt er die „volonté générale“ Rousseaus nicht als „Gemeinwillen“, sondern als „allgemeinen Willen“ (Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 433–434). 172 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 432–437 (Zitat: S. 432). 173 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 433–436.
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Individualrecht kein Vorbild hat und daher nicht unter den Begriff irgendeines Rechtsgeschäfts gebracht werden darf“, hervor.174 Weil demzufolge dieser „schöpferische Gesamtakt“ per se „kein Vertrag“ sein kann, vermag ein „Sozialvertrag“, wie ihn Rousseau als Denker des Naturrechts annimmt, in den Augen von Gierke schon von vornherein nicht einen menschlichen Verband und in der Folge davon daher auch nicht eine echte „Gesamtperson“, eine reale Verbandsperson, hervorzubringen.175 Anderenfalls wäre der moralische Körper Rousseaus (corps moral et collectif) ein menschlicher Verband (corpus ex distantibus), der mit der volonté générale außerdem noch über einen echten Gemeinwillen verfügte. Die moralische Person des romanischen Denkers Rousseau wäre dann jedoch in der Tat eine deutsche, ja germanische Verbandsperson (Gesamtperson). Eine Vorstellung, die, wenn überhaupt, sich doch nur schwer in das Bild von einer spezifisch germanischen Rechtsanschauung einfügen wollte, die Gierke zufolge ja erst und allein imstande gewesen sein soll, die Rechtsfigur der Verbandsperson auszubilden. Gerade darin aber, dass und vor allem wie Gierke Rousseaus Konzept einer volonté générale die Eigenschaft eines echten Gemeinwillens abspricht und es zudem ablehnt, in Rousseaus moralischem Körper (corps moral et collectif) einen menschlichen Verband zu sehen, zeigt sich, wenn auch zunächst einmal bloß schemenhaft, Gierkes Vorstellung von seiner realen Verbandsperson, von einem menschlichen Verband also, der als Träger eines einheitlichen Gemeinwillens dazu geeignet ist, als Person, als Rechtssubjekt, anerkannt zu werden. Die Hinweise, die Gierke in seiner Ablehnung der volonté générale indirekt auf die Figur seiner germanistischen Verbandsperson gibt, reichen deshalb aus, um eine nötige Übereinstimmung zwischen Gierkes Gemeinwillen und Rousseaus volonté générale feststellen zu können. Die Parallelen, die insoweit im Denken der beiden zutage treten, erlauben es daher, zumindest ergänzend, auf Rousseaus Konzept einer volonté générale abzustellen, um darüber Gierkes Vorstellung von einem Gemeinwillen (bei der realen Verbandsperson) und, in Abgrenzung dazu, von einem Gesamtwillen (bei der Gesamthand) zu erschließen. Dieser Rückgriff findet allerdings ausschließlich insoweit statt, als es darum geht, dass Träger der volonté générale eine Gesamtkörperschaft (corps moral et collectif), ein menschlicher Verband ist, der als ein Ganzes zwar mit und in seinen Teilen existiert, dabei aber trotzdem mehr als deren bloße Summe ist, er demnach weder etwas Anderes noch dasselbe als seine Teile ist (darin drückt sich das Immanenzdenken der Stoiker aus). Dass sogar eine Notwendigkeit dafür besteht, den Gemeinwillen Gierkes im Verlauf dieses Werks immer wieder mithilfe der volonté générale Rousseaus zu vervollständigen, ist dabei erneut dem Umstand geschuldet, dass Gier174 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 484–487. 175 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486 mit Fn. 15.
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ke sein Rechtsdenken, auf dem seine germanistischen Rechtsfiguren der Gesamthand und der realen Verbandsperson beruhen, nicht wirklich offenlegt, und wenn doch, dann allenfalls im Ansatz und geradezu versteckt, sodass die Rekonstruktion seiner Rechtsfiguren nicht aus seinen diversen Schriften allein heraus erfolgen kann, sondern oftmals der gleichsam externen Ergänzung, ja der Vervollständigung bedarf.
IV. Ergebnis Der „Ausflug“ in die stoische Gedankenwelt, freilich begrenzt auf die stoische corpus-Lehre und das damit einhergehende Immanenzdenken, auf die hierdurch beeinflusste Lehre Pufendorfs von den entia moralia sowie Rousseaus Modell einer volonté générale, geschieht deshalb in dieser Arbeit nicht bloß colorandi causa. Vielmehr ist diese Vorgehensweise die unabdingbare Voraussetzung dafür, Gierkes Vorstellung von seiner Rechtsfigur der realen Verbandsperson und darüber, in Abgrenzung dazu, seine „deutsch-rechtliche Gesamthandslehre“ verstehen zu können.176 Erst auf diesem Weg lässt sich der dogmengeschichtliche Hintergrund erhellen, vor dem im späten 19. Jahrhundert das Gesamthandsprinzip schließlich in das BGB eingegangen und so zum heute immer noch geltenden Recht geworden ist.
D. Die Figur der Gesamthand als einheitliches Rechtsprinzip I. Die Gesamthand im BGB 1. Die BGB‑Gesellschaft als „Urfigur“ der Gesamthand Die Gesamthand ist indes „kein für sich bestehendes Rechtsinstitut, sondern ein einer Fülle von Rechtsinstituten gemeinsames Gedankenelement“, sie ist ein „Rechtsprinzip“ (Gierke).177 Die Rechtsfigur der Gesamthand tritt deswegen bei den diversen Rechtsinstituten durchaus unterschiedlich in Erscheinung. Das gilt zunächst für die Rechtsinstitute im BGB, die auf dem Rechtsprinzip der gesamten Hand basieren, also für die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB), die eheliche Gütergemeinschaft (§§ 1415–1518 BGB) und die Erbengemeinschaft (§§ 2032–2063 BGB). Während die eheliche Gütergemeinschaft durch die Besonderheiten des Familienrechts und die Erbengemeinschaft durch die des Erbrechts bestimmt sind, kann eine Gesellschaft als Personen-
176
BGHZ 146, 341, 344 (Zitat). Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 342; ders., Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 117–118. 177
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verbindung für jeden gemeinsamen Zweck geschlossen werden und ist deshalb „von solchen Besonderheiten frei“.178 Die Rechtnatur der Gesellschaft als Rechtsinstitut überlagert demnach (zumindest in der Regel) nicht den Begriff der Gesamthand als Rechtsprinzip. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist aus diesem Grund „gewissermaßen (…) die ‚Urfigur‘ der Gesamthand, sodass das Recht der Gesellschaft als Gesamthand paradigmatisch für die Gesamthand an sich ist“ (Flume).179 Demgemäß kontrastiert bereits Gierke den Gegensatz von Körperschaft und Gesamthand als den von „Genossenschaft“ und „Gesellschaft“.180 Auch wenn deswegen die Überlegungen in dieser Arbeit auf die Gesellschaft fokussiert sind, geht es doch immer um die Gesamthand und ihre Eigenschaft als ein Rechtsprinzip, das einer Vielzahl von Rechtsinstituten gemeinsam ist. Die zentrale These, wonach die Gesamthänder einen kollektiven status (im Recht) einnehmen, der an sie als Zuordnungsendpunkte (d. h. als Rechtssubjekte) die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten weiterleitet, gilt deshalb eben nicht bloß für die Personengesellschaft (als GbR, OHG und KG), sondern auch für eheliche Gütergemeinschaft und Erbengemeinschaft im BGB, aber auch darüber hinaus. Sie sind gleichfalls kollektiv rechtsfähig, ohne aber ein Rechtssubjekt (d. h. eine Person) zu sein.
2. Die eheliche Gütergemeinschaft Die Ehegatten sind verbundene Subjekte und haben als eine solche kollektive Einheit ein gemeinschaftliches Vermögen: das Gesamtgut (§ 1416 Abs. 1 Satz 1 BGB), über das sie nur zusammen (d. h. als Gemeinschaft) verfügen können (§ 1419 Abs. 1 BGB). Anders als bei der Gesellschaft als einer Gesamthandsgemeinschaft löst sich die eheliche Gütergemeinschaft im Grundsatz notwendigerweise durch den Tod eines der Ehegatten auf (§ 1482 BGB), da mit dessen Tod auch die Ehe als die Basis der Gütergemeinschaft von selbst endet. Dass die gemeinschaftlichen Abkömmlinge in die Gütergemeinschaft eintreten und diese dadurch mit dem überlebenden Ehegatten fortsetzen (§ 1483 Abs. 1 BGB), stellt demnach lediglich eine Besonderheit für die eheliche Gütergemeinschaft, nicht aber für die Gesamthand als solche dar, die ihr als Rechtsprinzip zu eigen ist. Die Gesamthand kann durchaus „einen Wechsel der verbundenen Personen überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter 178
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 925, Fn. 1; an anderer Stelle ist bei ihm von einem „deutschen Gegensatz zwischen körperschaftlicher und gesellschaftlicher Vereinigung“ die Rede, wobei er die „deutsche Gesellschaft“ und den „Gesellschaftsbegriff“ mit dem der Gesamthand gleichsetzt (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 481–482). 179 180
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Trägerschaft fortbestehen“, sodass die mit ihr bereits bestehenden Rechtsverhältnisse davon unberührt bleiben.181
3. Die Erbengemeinschaft Das trifft auch auf die Erbengemeinschaft zu. Ein Miterbe kann nur deshalb frei über seinen Anteil am Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil ein solcher Mitgliederwechsel keinen Einfluss auf den Fortbestand der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten der Erben (als Gesamthand) hat. Da die Erben eine Gemeinschaft zur gesamten Hand bilden, sind sie kollektiv rechtsfähig. Nur darum können sie überhaupt den Nachlass als gemeinschaftliches Vermögen besitzen (§ 2032 Abs. 1 BGB). Während aber bei der ehelichen Gütergemeinschaft die Gesamthänder als Ehegatten „inniger“ gemeinschaftlich miteinander vereinigt sind, ist die Erbengemeinschaft „vorübergehend angelegt“ und sind aus diesem Grund die mehreren Erben „loser“ miteinander verbunden.182 Für sie ist es charakteristisch, dass ihr gemeinsamer Zweck in ihrer Auflösung besteht, um das gemeinschaftliche Vermögen (d. h. den Nachlass) unter den Erben auseinanderzusetzen (vgl. §§ 2032 Abs. 2, 2042 Abs. 1 BGB). Die Miterben stehen daher selbst in der Zeit, in der die Erbengemeinschaft als Gesamthand (noch) besteht, gewissermaßen schon jeder für sich. Die Auseinandersetzung wirft gleichsam ihren Schatten voraus, sodass die Miterben anders als sonst üblich bei einer Gemeinschaft zur gesamten Hand jederzeit über ihren Anteil an dem Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Auseinandersetzung verlangen können (§ 2042 Abs. 1 BGB). Auch wenn die Erben nur deshalb eine Personengemeinschaft zur gesamten Hand sind, damit das eine Vermögen des Erblassers zunächst als ein Ganzes auf die vielen Erben übergeht und erst anschließend unter ihnen aufgeteilt wird (vgl. § 1922 Abs. 1 BGB),183 erscheint (!) die Vermögengemeinschaft nur als Grundlage der Personenverbundenheit der mehreren Erben.184 Denn auch hier macht im Rechtssinne nicht das eine Vermögen des Erblassers als Objekt die mehreren Erben zu einer Personengemeinschaft, stattdessen ist die Vermögensgemeinschaft der Erben auch an dieser Stelle lediglich Ausfluss der Gesamthand als einer Personengemeinschaft.185 181
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691.
182 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 669. 183 Die Erbengemeinschaft tritt aus diesem Grund nach
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 944, „nur in Anlass“ der „Objektgemeinschaft“ als Personenverbindung hervor und ist als Gesamthand nur zum Zweck „der Herstellung dieser einzelnen Objektgemeinschaft gebildet“. 184 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 669. 185 Nach Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 353, besteht „das eigentliche Wesen der gesamten Hand (…) in (…) der vermögensrechtlichen Wirksamkeit einer personenrechtlichen Gemeinschaft“ (Hervorhebung im Original).
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II. Die Gesamthand außerhalb des BGB 1. Die Handelsgesellschaften Aber nicht nur im BGB, sondern auch außerhalb davon ist die Gesamthand als Rechtsprinzip vorhanden. Dass auch die Handelsgesellschaften (als OHG und KG) Gemeinschaften zur gesamten Hand sind, offenbart sich schon allein darin, dass die Vorschriften des BGB über die Gesellschaft auf sie ergänzend Anwendung finden (§§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB). Die Gesellschafter bilden auch hier eine Personengemeinschaft zur gesamten Hand und haben deshalb ein gemeinschaftliches Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), über das nur alle zusammen und in diesem Sinn als Gesellschaft (d. h. als Gesamthand) verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB). Die Gesellschafter sind als eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ebenso wie als eine des Handelsrechts bloß kollektiv rechtsfähig und deshalb als solche in Gemeinschaft die Rechtsträger (d. h. die Zuordnungsendpunkte) der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Nur weil die Gesellschafter gleichermaßen als GbR wie auch als OHG die Rechtssubjekte sind, kann eine GbR automatisch (ipso iure) eine OHG sein, sobald ihre Gesellschafter ein Handelsgewerbe betreiben (§ 105 Abs. 1, § 1 Abs. 2 HGB), und umgekehrt eine OHG eine GbR, wenn ihre Gesellschafter das nicht (mehr) tun.
2. Die Partnerschaftsgesellschaft Die Angehörigen freier Berufe können zwar kein Handelsgewerbe ausüben (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 PartGG) und daher per se nicht eine OHG oder KG bilden, dafür besteht für sie aber die Möglichkeit, sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Partnerschaft als eine Gesellschaft zusammenzuschließen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PartGG), die der OHG ähnlich ist. Auch auf die Partnerschaft finden die Vorschriften über die GbR ergänzend Anwendung (§ 1 Abs. 4 PartGG), sodass ihre Gesellschafter ebenfalls ein gemeinschaftliches und gesamthänderisch gebundenes Vermögen haben (§§ 718 Abs. 1, 719 Abs. 1 BGB). Wie bei einer OHG oder KG können die Gesellschafter (Partner) unter ihrem gemeinschaftlichen Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§ 7 Abs. 2 PartGG, § 124 Abs. 1 HGB) und haben die Partner für die gemeinschaftlichen Schulden den Gläubigern gegenüber im Grundsatz nicht bloß mit dem Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB einzustehen, sondern auch persönlich für sich (mit ihrem Privatvermögen) als Gesamtschuldner (§ 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG). Dass den gemeinschaftlichen Gläubigern ausschließlich das Gesellschaftsvermögen haftet, wenn die Gesellschaftsverbindlichkeit auf einer fehlerhaften Berufsausübung beruht, ist allein der Besonderheit geschuldet, dass die Angehörigen freier Berufe zumeist gesetzlich verpflichtet sind, eine Berufshaftpflichtversicherung für diese Zwecke zu un-
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terhalten (§ 8 Abs. 4 PartGG). Das lässt jedoch das Wesen der Partnerschaft als Gesamthandsgemeinschaft unberührt.
3. Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Sofern eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, oder kurz EWIV, ihren Sitz in Deutschland hat, ist sie in ihrer Rechtsform ebenfalls einer OHG angenähert.186 So kommt bei der in diesem Sinn deutschen EWIV ergänzend das Recht der OHG und darüber zumindest auch das der GbR zur Anwendung (§ 1 EWIV‑Ausführungsgesetz).187 Selbst die (deutsche) EWIV ist demgemäß eine Personengesellschaft und damit eine zur gesamten Hand. Die EWIV ist deshalb auch kein Rechtssubjekt, was sich schon daran zeigt, dass sie für die Mitglieder nur „Hilfscharakter“ haben darf (Art. 3 Abs. 1 EWIV‑VO).188 Und weil deswegen die Mitglieder in Gemeinschaft die EWIV (als Gesellschaft) sind, haften jene persönlich unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die gemeinschaftlichen Schulden der EWIV (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EWIV‑VO), wenn auch im Gegensatz zur OHG bloß subsidiär (Art. 24 Abs. 2 EWIV‑VO).189 Die Fähigkeit der (deutschen) EWIV, „im eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten jeder Art zu sein“ (Art. 1 Abs. 2 EWIV‑VO), ist deshalb ebenso wie § 124 Abs. 1 HGB bei der OHG dahin zu verstehen, dass die Gesellschafter kollektiv und in diesem Sinn – abgekürzt – als Gesellschaft rechtsfähig sind. Sie können als verbundene Rechtssubjekte daher bloß unter einem gemeinschaftlichen Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten zu gesamter Hand eingehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Die Gesamthand als Rechtsprinzip ist demnach selbst der deutschen EWIV zu eigen.
4. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Das gilt auch für die „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“, die zumindest in Bezug auf ihr „Verwaltungsvermögen“ eine Gesamthandsgemeinschaft ist (vgl. § 10 Abs. 7 Satz 1 WEG). Ausgangspunkt für die „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ ist dabei zunächst einmal das Wohnungseigentum ihrer Mitglieder (und damit ihr Objekt). Das Wohnungseigentum ist dabei das 186 Salger/Neye, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 94 Rn. 21 („OHG mit Fremdgeschäftsführung“); Bärwaldt, in: Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 21 Rn. 2; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, Anhang nach § 160 Rn. 1. 187 Salger/Neye, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2014, § 94 Rn. 24; Bärwaldt, in: Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl. 2014, § 21 Rn. 8; v. Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 705 Rn. 8. 188 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessengemeinschaft (EWIV), ABl. EG vom 31. Juli 1985 Nr. L 199, S. 1–9. 189 Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, Anhang nach § 160 Rn. 45.
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Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (so ausdrücklich § 1 Abs. 2 WEG). Die Wohnung gehört zum Gebäude und dieses, weil es fest mit dem Grund und Boden verbunden ist, als wesentlicher Bestandteil zum Grundstück (§ 94 Abs. 1 BGB), auf dem es steht. Das Grundstück befindet sich im „gemeinschaftlichen Eigentum“ der Wohnungseigentümer. Als „gemeinschaftlicher Gegenstand“ ist das Grundstück unter den Wohnungseigentümern als den Miteigentümern ideell geteilt und daher die „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ eine Bruchteilsgemeinschaft i. S. des § 741 BGB.190 Neben das Miteigentum tritt das Eigentum an der jeweiligen Wohnung, das dem einzelnen Wohnungseigentümer als Sondereigentum (wie Alleineigentum, § 903 BGB) zukommt.191 Das „gemeinschaftliche Eigentum“ am Grundstück wird auf diese Weise gewissermaßen insoweit real unter den Miteigentümern aufgeteilt. Die Aufgabe, das „gemeinschaftliche Eigentum“ zu verwalten, steht dabei im Grundsatz „den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich“ zu (§ 21 Abs. 1 WEG). Zu diesem Zweck sammeln die Wohnungseigentümer Gelder ein und schaffen so ein „Verwaltungsvermögen“, das ihnen als „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ gehört (§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG). Angesichts dieser Zweckbindung, der das Verwaltungsvermögen unterliegt, ist es an das Grundstück (d. h. an das „gemeinschaftliche Eigentum“) und darüber an die Gemeinschaft „selbst“ gebunden, sodass das Verwaltungsvermögen auch bei einem Eigentümerwechsel erhalten bleibt.192 Um das zu erreichen, meinte der BGH, die Wohnungseigentümergemeinschaft als „teilrechtsfähig“ und damit als Rechtssubjekt anerkennen zu müssen.193 Dem folgte der Gesetzgeber insoweit, als die „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ nunmehr „im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen“ 190 Nach BGHZ 49, 250, 251 ist das Wohnungseigentum eine „Mischung“ von Alleineigentum an der Wohnung (d. h. von Sondereigentum) und Bruchteilsmiteigentum am Grundstück, wobei „juristisch das Miteigentum im Vordergrund steht und das Sondereigentum sein Anhängsel bildet“; BGHZ 163, 154, 161; BGHZ 150, 109, 114: „Wohneigentum als besonders ausgestaltetes Miteigentun nach Bruchteilen“; ebenso Wellenhofer, Sachenrecht, 33. Aufl. 2018, § 2 Rn. 17; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 29 Rn. 9. 191 Commichau, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, vor § 1 WEG Rn. 39; Armbrüster, in: Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 1 Rn. 14. 192 So ausdrücklich BGHZ 163, 154, 165. 193 BGHZ 163, 154, 158–159, im Anschluss an die Anerkennung der Außen-GbR als rechtsfähig. Der BGH erschafft ausschließlich deshalb die Wohnungseigentümergesellschaft als Rechtssubjekt, um das Verwaltungsvermögen rechtlich gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer zu verselbständigen. Da aber eine Schuld immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen kann, weist der BGH (S. 164) dem Verwaltungsvermögen das Rechtssubjekt „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ zu.
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kann (§ 10 Abs. 6 Satz 1 WEG). Sie selbst ist die Inhaberin dieser Rechte und Pflichten (§ 10 Abs. 6 Satz 2 WEG). Dafür muss, ja kann sie nicht einmal ein Rechtssubjekt, oder wie es der BGH formuliert: ein Verband, sein.194 Wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst, d. h. als Verband und damit als Rechtssubjekt, wirklich Trägerin der Rechte und Pflichten wäre, könnten es nicht die Wohnungseigentümer als ihre Mitglieder sein, sodass in der Folge eine persönliche Haftung der Wohnungseigentümer (mit ihrem Privatvermögen) für die Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft von vornherein ausscheiden müsste.195 Denn als Verband (d. h. als Rechtssubjekt) schiebt sich die Gemeinschaft an sich vor ihre Mitglieder und schirmt sie so vor den Rechtsverhältnissen zu außenstehenden Dritten ab, die „Verwaltungsschulden“ endeten bei ihr und könnten nicht mehr bis zu den Wohnungseigentümern durchdringen. Und dennoch hat jeder der Wohnungseigentümer einem Gläubiger der Gemeinschaft für deren Verbindlichkeiten persönlich und unmittelbar mit seinem Privatvermögen einzustehen, wenn auch nur „nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils“ (§ 10 Abs. 8 Satz 1 WEG). Obschon die Wohnungseigentümer demnach bloß Teilschuldner sind (§ 420 BGB), müssen sie für diese persönliche Haftung selbst Schuldner und damit auch Inhaber der Rechte und Pflichten der Gemeinschaft sein (vgl. § 10 Abs. 1 WEG).196 Die Wohnungseigentümer sind daher auch als Gemeinschaft eine Vielheit. Sie sind die Endpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Damit sie aber ein Verwaltungsvermögen als ein „gemeinschaftliches Vermögen“ besitzen können (vgl. § 718 Abs. 1 BGB), das ausschließlich dem „gemeinsamen Zweck“ gewidmet ist, das „gemeinschaftliche Eigentum“ zu verwalten, sodass es von einem Eigentümerwechsel unabhängig ist, dürfen die Wohnungseigentümer als Gemeinschaft nicht nur, zumindest im Rahmen der Verwaltung, eine Vielheit sein, vielmehr müssen sie zugleich auch eine „kollektive Einheit“ bilden.197 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist darum, jedenfalls insoweit,198 eine solche zur gesamten Hand. Ihr liegt demzufolge die Gesamthand als Rechtsprinzip zugrunde, zumindest sofern es um 194 BGHZ 163, 154, 166. Nach Suilmann, in: Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 10 Rn. 202, stellt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen „rechtsfähigen Verband sui generis dar“. 195 So zu Recht BGHZ 163, 154, 174. 196 BGHZ 163, 154, 174. 197 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 343. 198 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 678 mit Fn. 73, kann durchaus selbst innerhalb einer Gesamthand der reale Besitz und die Nutzung (der „Genuss“) „in Form der Mutschierung“ (S. 667) „mehr oder minder“ vollständig auf die Gesamthänder aufgeteilt sein. Dementsprechend ließe sich auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insgesamt als Gesamthand auffassen, lediglich die Nutzung der Wohnung stünde dann vollständig dem einzelnen Wohnungseigentümer zu.
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die Verwaltung des „gemeinschaftlichen Eigentums“ geht.199 Auf diese Weise ist das Verwaltungsvermögen ebenfalls zweckgebunden, da die Wohnungseigentümer nur noch zusammen darüber verfügen können (vgl. § 719 Abs. 1 BGB).200 Sie sind dabei befugt (und verpflichtet), unter einem gemeinschaftlichen Namen als „Wohnungseigentümergemeinschaft“ im Rechtsverkehr aufzutreten (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 4 WEG).
5. Die Miturhebergemeinschaft Selbst im Urheberrecht findet sich die Gesamthand als Rechtsprinzip. „Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen“ und sich dabei einer Gesamtidee untergeordnet, sodass „sich ihre Anteile nicht gesondert verwerten lassen, so sind sie Miturheber des Werkes“ (§ 8 Abs. 1 UrhG).201 Durch den Realakt der gemeinsamen Werkschöpfung entsteht dabei, bezogen auf das Recht zur Veröffentlichung und Verwertung des Werkes, automatisch (ipso iure) zwischen den Miturhebern eine Gemeinschaft zur gesamten Hand, die Miturhebergemeinschaft (§ 8 Abs. 2 Satz 1 UrhG).202 Das Recht zur Veröffentlichung und Verwertung des gemeinsamen Werkes ist daher ein (gemeinschaftliches) „Gesamthandsgut“ (§ 718 Abs. 1 BGB).203 Auch hier fasst aber nicht das gemeinschaftliche Urheberrecht als Objekt die mehreren Miturheber zu der einen Gesamthand zusammen. Die Miturhebergemeinschaft ist als Gesamthand nicht bloß ein Sondervermögen der Miturheber. Damit den Miturhebern das Recht zur Veröffentlichung und Verwertung „zur gesamten Hand“ zustehen kann (§ 8 Abs. 2 Satz 1 UrhG), verbindet das Recht die Miturheber zunächst zu einer Gesamthand als Personengemeinschaft und ordnet dieser erst anschließend das gemeinschaftliche Recht zur Veröffentlichung und Verwertung des gemeinsamen Werkes als Gesamthandsgut i. S. des § 718 Abs. 1 BGB 199 Grundlegend Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 154–156. 200 Der Verwalter vertritt insoweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als eine Gesamthand und nicht als ein Rechtssubjekt (vgl. § 27 WEG). Allein aus diesem Grund können die Wohnungseigentümer überhaupt erst befugt sein, alle zusammen die Gemeinschaft zu vertreten, wenn ein Verwalter fehlt oder zur Vertretung nicht berechtigt ist (§ 27 Abs. 3 Satz 2 WEG). 201 Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, 18. Aufl. 2018, Rn. 288. 202 BGHZ 193, 49 Rn. 18; Thum, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 8 UrhG Rn. 23; für Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 8 UrhG Rn. 12, 14, ist die Gesamthandsgemeinschaft unter den Miturhebern Ausdruck ihrer „unumgänglichen Bindung“; Rieke, Miturhebergemeinschaft, 2012, S. 65–67; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 782; nach K. Schmidt, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 741 Rn. 65, handelt es sich bei der Miturhebergemeinschaft bloß um eine „modifizierte Bruchteilsgemeinschaft am Urheberrecht“; ihm darin folgend Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, 18. Aufl. 2018, Rn. 293. 203 Loewenheim/Peifer, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, § 8 UrhG Rn. 11.
D. Die Figur der Gesamthand als einheitliches Rechtsprinzip
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zu. Dass die Miturheber ein „gemeinschaftliches Vermögen“ haben (können), ist auch im Urheberecht erst die Folge davon, dass mehrere Subjekte zu einer „kollektiven Einheit“ verbunden sind und in diesem Sinn eine „deutsch-rechtliche Personengemeinschaft“ (d. h. Gesamthand) formen.204 Teil des Gesamthandsguts (§ 718 Abs. 1 BGB) sind neben dem gemeinschaftlichen Recht zur Veröffentlichung und Verwertung auch die Nutzungsrechte an dem gemeinsamen Werk, da die Nutzungsrechte Ausfluss dieses gemeinschaftlichen Rechts sind und deshalb dessen Rechtsnatur teilen. Nun ist zwar das Urheberrecht als solches nicht übertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG) und aus diesem Grund auch das Recht zur Veröffentlichung und Verwertung, nicht aber das Nutzungsrecht am gemeinsamen Werk, das die Urheber deshalb einem anderen durchaus einräumen können (§ 29 Abs. 2 UrhG). Weil aber, wie ausgeführt, auch die Nutzungsrechte solche zur gesamten Hand sind, können die Miturheber auch über diese nur alle zusammen verfügen (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Die Miturheber sind infolgedessen, anders als es freilich die h. M. annimmt, nicht imstande, das Nutzungsrecht an ihrem gemeinsamen Werk gleichsam erneut in eine Miturhebergesellschaft, d. h. eine Außen-GbR, die aus ihnen besteht, als einen Beitrag i. S. des § 706 BGB einzubringen.205 Die Beitragspflicht des einzelnen Miturhebers hat ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag als gegenseitiger Vertrag (§ 705 BGB). Die einzelnen Miturheber verpflichten sich gegenseitig als Gesellschafter, den vereinbarten Beitrag in das gemeinschaftliche Vermögen der Miturhebergesellschaft zu leisten (§§ 705, 706 BGB). Als Vertragspartner trifft diese Verpflichtung den einzelnen Miturheber aber jeden für sich allein. Ein Gesellschafter kann demnach nur das als seinen Beitrag in das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) einbringen, was ausschließlich ihm allein gehört. Da die Nutzungsrechte an dem gemeinsamen Werk aber den Miturhebern zur gesamten Hand zustehen, kann der einzelne Miturheber von vornherein ein Nutzungsrecht am gemeinsamen Werk nicht separat für sich allein als seinen Beitrag i. S. des § 706 BGB in die Miturhebergesellschaft leisten. Das übersieht die h. M., da ihr das Wesen der Gesamthand als Rechtsprinzip und damit auch das der Miturhebergemeinschaft als einer Gesamthand unbekannt sind. Als Gesamthand gehört es zur Rechtsnatur der Miturhebergemeinschaft, dass die Miturheber kollektiv rechtsfähig und deswegen ihre Rechte stets gemeinschaftliche sind (vgl. § 718 Abs. 1 BGB) und sie daher über diese auch nur
204 205
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 269 (Zitat). BGHZ 193, 49 Rn. 22, wonach sich Urheber, die ihre Werke durch eine BGB‑Gesellschaft verwerten wollen, deren Gesellschafter sie sind, sich durch den Gesellschaftsvertrag gegenseitig verpflichten, die Nutzungsrechte an ihrem gemeinsamen Werk „in das Gesellschaftsvermögen zu überführen“; so auch Loewenheim/Peifer, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, § 8 UrhG Rn. 13; Rieke, Miturhebergemeinschaft, 2012, S. 78.
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alle zusammen verfügen können (vgl. § 719 Abs. 1 BGB).206 Dafür muss die Miturhebergemeinschaft nicht selbst ein Rechtssubjekt sein.207 Da die Miturhebergemeinschaft eine Gemeinschaft zur gesamten Hand und die Gesellschaft ihre Urfigur ist, können auf sie die Vorschriften über die BGB‑Gesellschaft ergänzend Anwendung finden, vorausgesetzt, in ihnen kommt das Wesen der Gesamthand zum Ausdruck.208 Allein in diesem Sinn ist daher die Miturhebergemeinschaft als eine solche zur gesamten Hand „einer BGB‑Gesellschaft ähnlich“.209 Die Miturheber können die Gesamthand nicht auflösen. Die Miturhebergemeinschaft ist an das gemeinschaftliche Urheberrecht als ihr Objekt zwingend gebunden. Dieses Urheberrecht der Miturheber erlischt von selbst ipso iure erst „siebzig Jahre nach dem Tode des längstlebenden Miturhebers“ (§ 65 Abs. 1 UrhG), davor ist die Gemeinschaft nicht kündbar.210 Damit wird zwar die Gesellschaft als Rechtsinstitut, nicht aber die Gesamthand als Rechtsprinzip durch das Urheberrecht überlagert. Das Wesen der Miturhebergemeinschaft als Gesamthand bleibt also unberührt. Dass die Miturheber eine Gesamthandsgemeinschaft bilden, wird dagegen durch das Anwachsungsprinzip, das für die Gesamthand als solches charakteristisch ist, belegt (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB).211 Auch wenn ein Miturheber nicht befugt ist, die Gemeinschaft zu kündigen, so kann er trotzdem „auf seinen Anteil an den Verwertungsrechten verzichten“ (§ 8 Abs. 4 Satz 1 UrhG). Dadurch wächst sein Anteil zwingend den übrigen Miturhebern zu (§ 8 Abs. 4 Satz 3 UrhG = § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch der Miturhebergemeinschaft liegt also offenkundig die Gesamthand als Rechtsprinzip zugrunde.
206
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 783. BGHZ 193, 49 Rn. 20, besitzt nur die Miturhebergesellschaft (nach außen) Rechtssubjektivität, nicht aber die Miturhebergemeinschaft. Schon Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 782, sieht in der Miturhebergemeinschaft eine „Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand“, weshalb für ihn, wie ja auch sonst bei einer Gesamthand, „die Miturheber in ihrer Verbindung zur Personeneinheit das Subjekt des Urheberrechts sind“. Der Begriff „Subjekt“ steht auch hier nicht für den des Rechtssubjekts, da die Gesamthand für Gierke, aaO., S. 660, „im Gegensatze zur Verbandsperson (…) ein Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt“ ist. 208 Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 8 UrhG Rn. 12; und selbst nach Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, 18. Aufl. 2018, Rn. 293, sind „ergänzend die Regeln des BGB über die Gesellschaft“ heranzuziehen. 209 Thum, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 8 UrhG Rn. 23 („h. M.“); Loewenheim/Peifer, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, § 8 UrhG Rn. 11. 210 BGHZ 193, 49 Rn. 18; Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 8 UrhG Rn. 14; Loewenheim/Peifer, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, § 8 UrhG Rn. 12. Dazu auch Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 782– 783. 211 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 680. 207 Nach
E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht
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E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht Die Aufgabe einer guten rechtsdogmatischen Theorie der Gesamthand besteht zwar vor allem darin, das geltende Recht auf eine „möglichst widerspruchsfreie Formel“ zu bringen.212 Das zu diesem Zweck entworfene Modell muss daher das positive Recht in sich umfassend abbilden, es insofern bloß beschreiben, um dadurch dem Rechtsanwender das geltende Recht besser, weil sozusagen einfacher, zu erschließen („Transparenz des Rechtssystems“).213 Eine neues Gesamthandsmodell zu entwickeln oder vielmehr ein altes, wenn auch wie hier zum ersten Mal, wiederzuentdecken, hat dennoch allein dann einen Sinn, wenn ihm auch praktische Relevanz zukommt. Gerade „unter dem Aspekt von Aufwand und Ertrag eines Theorienstreits“ darf es dadurch nicht zu einer „übermäßigen Bindung rechtswissenschaftlicher Ressourcen“ kommen.214 Das gilt dabei ganz besonders für „die Theorie der Gesamthand“, die nach dem zweifellos kompetenten Urteil von K. Schmidt als dem Gesellschaftsrechtler unserer Zeit „zu den schwierigsten und umstrittensten Fragen der Zivilrechtsdogmatik“ gehört, 215 sodass es auch nicht verwundert, wenn „die Fülle der unterschiedlichen Meinungen“ zur Rechtsfigur der Gesamthand „fast unabsehbar“ ist.216 Aus diesem Grund hat auch dieses Werk allein dann im rechtswissenschaftlichen Diskurs eine Berechtigung, wenn es sich nicht im rein Akademischen verliert, sondern auch, vielleicht sogar ganz besonders für die Rechtspraxis einen Mehrwert hat, was nicht nur auf die Rechtsanwendung de lege lata, sondern auch auf die lege ferenda insoweit zutrifft, als es hier um die Frage geht, ob sich für das Personengesellschaftsrecht eine grundlegende Reform empfiehlt und, wenn ja, wie eine solche aussehen sollte.217
I. Der Nutzen dieser Arbeit de lege lata für die Rechtsanwendung 1. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Verbraucher Dass allein ein Gesamthandsmodell, das in den vielen (!) Gesellschaftern die gemeinsamen Rechtsträger (d. h. die Zuordnungsendpunkte) und nicht in der einen Gesellschaft das alleinige Rechtssubjekt erkennt, die für die 212 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197); Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134. 213 Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134. 214 Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134. 215 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 196). 216 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 9 Rn. 72 (S. 185). 217 Schäfer, Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts? Gutachten E zum 71. Deutschen Juristentag, 2016.
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Rechtsanwendung nötige „systematische Stimmigkeit“ und unverzichtbare „Transparenz des Rechtssystems“ gewährleistet, insofern für die erforderliche Rechtssicherheit sorgt, 218 veranschaulicht zunächst der Fall, in dem eine BGB‑Gesellschaft (als eine Gesamthand) „in Verfolgung ihres nicht kommerziellen Gesellschaftszweckes ein Darlehen“ aufnimmt.219 Die GbR ist als rechtsfähiger Zusammenschluss mehrerer natürlicher Personen selbst nicht eine natürliche Person und kann deshalb nach dem Wortlaut des § 13 BGB an sich von vornherein nicht Verbraucher sein.220 Gegen die Verbrauchereigenschaft einer BGB‑Gesellschaft (als Gesamthand) scheint auf den ersten Blick auch die Systematik zu sprechen, in der § 13 BGB steht. Wenn § 14 Abs. 1 BGB beim Begriff des Unternehmers ausdrücklich nicht nur zwischen natürlichen und juristischen Personen differenziert, sondern jene auch von den rechtsfähigen Personengesellschaften abgrenzt, kann eine „rechtsfähige Personengesellschaft“ und demzufolge scheinbar auch eine BGB‑Gesellschaft (Gesamthand) offensichtlich nicht eine natürliche Person sein, sondern nur ein „aliud“.221 Da die „rechtsfähige Personengesellschaft“ in § 13 BGB nicht erwähnt ist (so aber in § 14 BGB), sieht es deshalb so aus, als ob die GbR (als Gesamthand) per se nicht unter den Begriff der natürlichen Person in § 13 BGB fallen und daher nicht Verbraucher sein könnte.222 Der Ausdruck „rechtsfähige Personengesellschaft“ als einer Personengesellschaft, „die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ fand 1996 erstmals Einzug ins BGB (§ 1059a Abs. 2 BGB a. F.). Da war indes (noch) nicht an die GbR (als Gesamthand), sondern ausschließlich an OHG und KG gedacht. 223 Begriff und Definition der „rechtsfähigen Personengesellschaft“ sind dann im Jahr 2000 von dort in den § 14 BGB hinübergewandert.224 Zumindest ursprünglich waren also nur OHG und KG eine „rechtsfähige Personengesellschaft“. Weil beide naturgemäß ein Gewerbe i. S. des HGB betreiben und deshalb stets kommerzielle 218 219
Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134 (Zitat). BGHZ 149, 80, 83 (Zitat). 220 Micklitz, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 20. 221 Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1009; ihnen folgend Micklitz, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 20. 222 Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 13. Aufl. 2018, Rn. 364. 223 Beuthien, JZ 2003, 715, 716, der auf BT‑Drucks. 13/3604 vom 30.1.1996, S. 7, verweist. Dort heißt es: „Nach heute allgemeiner Meinung ist § 1059a BGB auf die Offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) entsprechend anzuwenden.“ 224 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, in: BT‑Drucks. 14/3195 vom 12.4.2000, S. 34, wonach „die Definition der rechtsfähigen Personengesellschaft (…) im Zusammenhang mit der Einstellung der Definition des Unternehmers in § 14 BGB dort eingefügt werden“ musste, weshalb die Definition der „rechtsfähigen Personengesellschaft“ in § 1059a Abs. 2 BGB zu streichen war; so selbst Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1009, die jedoch unter „rechtsfähiger Personengesellschaft“ in § 14 BGB auch die BGB‑Gesellschaft fassen wollen.
E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht
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Zwecke verfolgen, können sie von vornherein nicht Verbraucher sein, 225 was dann auch erklärt, warum die „rechtsfähige Personengesellschaft“ in § 13 BGB fehlen muss. Erst danach hat der BGH im Jahr 2001 die Außen-GbR als eine „rechtsfähige Personengesellschaft“ i. S. des § 14 Abs. 2 BGB eingestuft.226 Demgemäß schließen Wortlaut und Systematik eine Verbrauchereigenschaft der GbR (als Gesamthand) nicht zwingend aus. Wenn die BGB‑Gesellschaft aber, wie es die h. M. (Gruppenlehre) vertritt, ein Rechtssubjekt ist, kann sie nicht eine „natürliche Person“ und damit auch nicht Verbraucher sein (§ 13 BGB). Dennoch geht die h. M. davon aus, dass eine BGB‑Gesellschaft, die „in Verfolgung ihres nicht kommerziellen Gesellschaftszwecks ein Darlehen“ aufnimmt, „natürliche Person“ i. S. des § 13 BGB und demzufolge Verbraucher ist.227 Das kann sie aber nur, weil für sie nicht die GbR als Rechtssubjekt („wir sagen: als Gruppe“) Darlehensnehmerin ist, sondern „mehrere natürliche Personen den Kredit gemeinsam aufnehmen“. 228 Statt der Gesellschaft (als Gruppe) sind es nun also doch wieder die Gesellschafter, die dem Unternehmer (d. h. in der Regel der Bank) als Darlehensnehmer gegenüberstehen. Die h. M. (Gruppenlehre) wirft hier gewissermaßen kurzerhand ihr eigenes Modell über Bord, weil für sie die Gesellschafter schutzwürdig sind: „Auf die rechtsdogmatisch richtige Einordnung der GbR kann es deshalb (…) nicht ankommen“, weil „die Gesellschafter in aller Regel uneingeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen“ für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen haben (§ 128 Satz 1 HGB analog).229 Das sieht im Kern auch der Teil der h. M. so, der zwar formal daran festhält, die GbR sei (als Gesamthand) selbst ein Rechtssubjekt und könne daher per se selbst dann kein Verbraucher sein, wenn sie ausschließlich ideelle Gesellschaftszwecke verfolgt.230 Auch diese Ansicht stellt dann inhaltlich doch wieder auf die Gesellschafter ab. Denn auch für sie sind jene schutzwürdig und haften nicht persönlich (§ 128 HGB analog), weil sie (d. h. die Gesellschafter), hätten sie (als „natürliche Personen“) und nicht die GbR (als Rechtssubjekt) den Kredit aufgenommen, Verbraucher i. S. des § 13 BGB gewesen wären.231 225
Mülbert, WM 2004, 905, 911; Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1008. BGHZ 146, 341, 343, 347, der dort § 14 Abs. 2 BGB ausdrücklich (nur) auf OHG und KG bezieht. 227 BGHZ 149, 80, 83; ihm folgend Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 491 Rn. 5; Möller, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 491 Rn. 41; Alexander, in: BeckOGK, BGB, 2019, § 13 Rn. 229–230; Nietsch, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 491 Rn. 47; vgl. auch BGH, NJW 2017, 2752 Rn. 24. 228 BGHZ 149, 80, 84. 229 BGHZ 149, 80, 84, 85. 230 Micklitz, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 20; Mülbert, WM 2004, 905, 914; Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 13. Aufl. 2018, Rn. 364. 231 Mülbert, WM 2004, 905, 914; ihm folgend Micklitz, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 20. 226
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Diese Als-ob-Betrachtung „vernebelt“ indes nicht nur das wahre Problem (d. h. die Suche nach dem Begriff der Gesamthand) und seine Lösung, 232 vielmehr setzt sich diese Auffassung auch dem Vorwurf aus, „problematische Begriffsjurisprudenz“ zu betreiben.233 Weil die GbR für sie als Gruppe ein Rechtssubjekt sein muss, soll sie nicht „natürliche Person“ i. S. des § 13 BGB und damit nicht Verbraucher sein können. Gleichwohl soll zumindest so getan werden, als ob die Gesellschafter (und nicht die Gesellschaft) den Kredit aufgenommen hätten. Das ist in sich widersprüchlich, zudem ist es auch nicht sachgerecht. Denn die Bank („Unternehmer“) muss hiernach zwar formal nicht die „Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“ (§§ 491–505 BGB) gegenüber der GbR einhalten, damit zumindest die Gesellschaft als solche mit ihrem Vermögen haftet. Die Gesellschafter können ihre Gesellschaft nun aber auch mit einem „nur minimalen oder gar ganz fehlendem Haftungsfonds“ betreiben und „jederzeit Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen beschließen, ohne zur Erstattung verpflichtet zu sein“. 234 Weil der Bank demnach ein gesichertes Gesellschaftsvermögen nicht zur Verfügung steht, auf das sie notfalls in der Zwangsvollstreckung zugreifen kann, wird sie eine BGB‑Gesellschaft, die mit der Kreditaufnahme ideelle Gesellschaftszwecke verfolgt, als Verbraucher behandeln (§ 13 BGB), damit dann neben der Gesellschaft zusätzlich auch ihre Gesellschafter persönlich (mit ihrem Privatvermögen) für die Rückzahlung des Darlehens haften. Die h. M. (Gruppenlehre) kann demzufolge die Verbrauchereigenschaft einer GbR als eine Gesamthand, die ausschließlich einen nicht wirtschaftlichen Gesellschaftszweck verfolgt, nicht widerspruchsfrei erklären und begründen. Anders die Theorie der Gesamthand, die, hier noch als These formuliert, in der Vielheit der Gesellschafter die Rechtssubjekte sieht, die lediglich einen gemeinsamen status im Recht innehaben und in diesem Sinn als Gesamthand eine Einheit bilden (Theorie der deutschen Gesamthand). Als „natürliche Personen“ i. S. des § 13 BGB schließen danach die Gesellschafter (zwar in Gemeinschaft) einen Darlehensvertrag zu Zwecken ab, die „überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“ (§ 13 BGB). Weil die Gesellschaft (als Gesamthand) nichts anderes als die Gesellschafter ist, folgt die Verbrauchereigenschaft der Gesellschaft hier automatisch aus der der Gesellschafter. Die Theorie der deutschen Gesamthand kann also widerspruchsfrei das auch von der h. M. (Gruppenlehre) als sachgerecht empfundene Ergebnis (d. h. die Verbrauchereigenschaft einer GbR, die einen ideellen Gesellschaftszweck hat) in ihrem Gesamthandsmodell abbilden. Sie erfüllt damit im Gegensatz zur Gruppenlehre „die primä232 233
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197) (Zitat). Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134 (Zitat). 234 BGHZ 142, 315, 323, weshalb die Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich mit ihrem Privatvermögen haften müssen.
E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht
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re Aufgabe guter Rechtsdogmatik“, anhand von „vorgefundenen, als solchen nicht strittigen Rechtsfolgen die zutreffende Stellung der fraglichen Rechtsfigur im Rechtssystem zu bestimmen“, hier der Gesamthand, sodass insofern für die unverzichtbare „Transparenz des Rechtssystems“ und dadurch für die nötige Rechtssicherheit gesorgt ist. 235
2. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Vermieter Das trifft auch auf die Vermietereigenschaft einer BGB‑Gesellschaft zu. Nach der Theorie der deutschen Gesamthand sind die Gesellschafter die GbR und jene daher auch als Vermieter eine Personenmehrheit. Davon geht indirekt auch der BGH aus, wenn er einer GbR, die eine Wohnung vermietet, ebenso wie einer „einfachen Vermietermehrheit“ das Recht zugesteht, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, obschon nur einer ihrer Gesellschafter die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörigen seines Haushalts benötigt und deshalb allein in seiner Person als Vermieter ein berechtigtes Interesse vorliegt (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).236 Der BGH kann dieses als sachgerecht empfundene Ergebnis nicht mit der Rechtssubjektivität der BGB‑Gesellschaft (als Gesamthand) erklären. Denn wäre die GbR tatsächlich rechtsfähig, wie es die h. M. (Gruppenlehre) behauptet, wäre sie selbst und nicht ihre Gesellschafter Vermieterin und könnte sich deswegen an sich ebenso wenig wie eine juristische Person auf den Wohnbedarf eines oder selbst aller ihrer Mitglieder berufen.237 Auch eine OHG oder KG ist als Gesamthandsgemeinschaft eine Personenmehrheit, sodass auch hier die Gesellschafter in Gemeinschaft Vermieter sind. Dass einer Handelsgesellschaft aber im Gegensatz zu einer GbR der Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter nicht zugerechnet werden kann, folgt daraus, dass die Gesellschafter hier in ihrer Rolle als Kaufleute Vermieter sind. Als Kaufmann kann aber ein Gesellschafter die vermietete Wohnung von vornherein nicht für seine privaten Zwecke nutzen, vielmehr muss jede Nutzung der Wohnung zum Betrieb des gemeinschaftlichen Handelsgewerbes gehören 235
Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134 (Zitat). NJW‑RR 2012, 237 Rn. 23; BGH, NJW 2007, 2845 Rn. 15; BGH, NJW 2017, 547 Rn. 14–53, wonach die „teilrechtsfähige (Außen-)GbR“ mit einer „einfachen Vermietermehrheit“ vergleichbar ist und § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB deshalb zumindest „entsprechende Anwendung“ findet, wenn eine Außen-GbR auf Vermieterseite beteiligt ist. Der AußenGbR werde insofern ein Eigenbedarf ihrer Gesellschafter als natürliche Personen „zugerechnet“ (Rn. 30). 237 Lützenkirchen, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 573 Rn. 34, wonach eine Kündigungsmöglichkeit der GbR wegen des Eigenbedarfs (eines) ihrer Gesellschafter „im Hinblick auf die Teilrechtsfähigkeit der GbR inkonsequent und daher abzulehnen“ ist. Ähnlich Grunewald, NJW 2009, 3486, 3487, für die sich weder Personengesellschaften noch juristische Personen bei der Kündigung von Wohnraum auf den Eigenbedarf (eines) „ihrer Gesellschafter“ berufen können. 236 BGH,
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(vgl. § 343 Abs. 1 HGB).238 Daher erkennt der BGH zu Recht bei OHG und KG lediglich einen „Betriebsbedarf“ als grundsätzlich berechtigtes Interesse i. S. des § 573 Abs. 1 BGB an.239 Eine Kündigungsmöglichkeit setzt hier also voraus, dass die „betrieblich bedingte Notwendigkeit“ besteht, „die Wohnung einem Mitarbeiter oder Geschäftsführer zur Verfügung zu stellen“.240
3. Die fehlende Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Nach h. M. ist die BGB‑Gesellschaft als Gesamthand Trägerin des Gesellschaftsvermögens und demzufolge sie selbst Eigentümerin eines Grundstücks, das zum Gesellschaftsvermögen gehört.241 Dennoch sieht § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO vor, dass neben der Gesellschaft auch ihre Gesellschafter im Grundbuch eingetragen werden, um so einem Dritten zu ermöglichen, das Eigentum oder ein anderes dingliches Recht an dem Grundstück, dessen Eigentümerin die GbR (scheinbar) ist, von den eingetragenen Gesellschaftern gutgläubig erwerben zu können (§§ 899a Satz 2, 892 BGB). Es wird also für den gutgläubigen Erwerb so getan, als ob die Gesellschafter (und nicht die Gesellschaft) die (vermeintlichen) Eigentümer des Grundstücks wären.242 Durch § 899a BGB ist jedoch ausschließlich die sachenrechtliche und nicht auch die schuldrechtliche Ebene erfasst: Der Dritte erwirbt zwar von der Gesellschaft gutgläubig das Eigentum am Grundstück, doch ist dieser Erwerb nicht kondiktionsfest.243 Der Erwerber muss das Eigentum (oder ein anderes dingliches Recht am Grundstück) nach Bereicherungsrecht also wieder an die BGB‑Gesellschaft herausgeben (§ 812 BGB), sodass ihm am Ende der gutgläubige Erwerb überhaupt nichts nützt.244 Die h. M. (Gruppenlehre) schließt auf diese Weise die GbR von der effektiven Teilnahme am Grundstücksverkehr aus; nicht so wiederum die 238
BGH, NJW 2017, 547 Rn. 52. BGH, NJW 2011, 993 Rn. 13. BGH, NJW 2011, 993 Rn. 13. 241 BGH, NJW 2006, 3716 Rn. 11, der ausdrücklich auf Flume, ZHR 136 (1972), 177, 195, verweist, für den die GbR „als solche“ ebenso grundbuchfähig ist wie die OHG, weil sie die Eigentümerin ist („wie es ja auch allein der Rechtslage entspricht“). 242 Nach Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1696, sind die Gesellschafter „fiktive Eigentümer“ und deshalb Partei des dinglichen Geschäfts. Sie handeln im eigenen Namen und „machen von ihrer Verfügungsbefugnis als (fiktive) Eigentümer Gebrauch“; ihm folgend Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 4. 243 Nach Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 899a Rn. 6, gilt § 899a BGB ausschließlich für das Verfügungsgeschäft („hM“); auch für Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1696, ist strikt zwischen Sachen- und Schuldrecht zu unterscheiden; a. A. aber Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 315, wonach der gutgläubige Erwerber mit dem dinglichen Recht stets auch einen Behaltensgrund i. S. des § 812 BGB erworben haben soll, sodass dann der dingliche Erwerb kondiktionsfest ist. 244 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 4 („stark entwertet“). Für Weiss, JuS 2016, 494, 497, darf aber „§ 899a nicht leerlaufen“. Eine Kondiktion müsse ausgeschlossen sein, denn anderenfalls hätte sich der Gesetzgeber „§ 899a schlicht sparen können“. 239 240
E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht
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Theorie der deutschen Gesamthand, die auch an dieser Stelle zu einer sachgerechten und „systematisch stimmigen“ Problemlösung führt und damit fähig ist, „bisher ungeklärte oder strittige Rechtsfolgen“ zu bewältigen.245 Die Gesellschafter sind wirklich und nicht bloß fiktiv die Eigentümer des Grundstücks (bzw. die Rechtsinhaber anderer dinglicher Rechte daran). Wenn sie nun im Grundbuch zu Unrecht als Eigentümer (oder Rechtsinhaber) eingetragen sind, kann ein Dritter weiterhin (wie nach h. M.) von ihnen gutgläubig das Eigentum erwerben (§ 892 BGB). Dieser Erwerb ist jetzt aber auch kondiktionsfest. Die eingetragenen Gesellschafter schließen für sich selbst und nicht als Stellvertreter für die GbR als Rechtssubjekt den schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) ab. Während der obligatorische Vertrag (d. h. in der Regel der Kaufvertrag) mit der GbR als Rechtssubjekt deswegen unwirksam ist, weil sie durch die eingetragenen Gesellschafter nicht ordnungsgemäß vertreten ist, ist er nunmehr wirksam, weil die eingetragenen Gesellschafter auch die Partei des Kaufvertrags sind. Für das erlangte Etwas, d. h. das gutgläubig erworbene Eigentum am Grundstück, besteht jetzt ein Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB. Weil ein Erwerber sein Grundstück also nicht mehr nach Bereicherungsrecht wieder herausgeben muss, kann auch eine BGB‑Gesellschaft effektiv am Grundstückverkehr teilnehmen. Allein die – hier noch als These formulierte – Theorie der deutschen Gesamthand ist damit imstande, das Problem der Grundbuchfähigkeit der GbR (als Gesamthand) in sich stimmig zu lösen und das in die Tat umzusetzen, was der Gesetzgeber ausdrücklich fordert, und zwar, die BGB‑Gesellschaft im Wesentlichen weiterhin im Grundstücksverkehr so zu behandeln wie „vor Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit durch die Rechtsprechung“.246 Der Gesetzgeber wollte also wieder zur alten Gesamthanddoktrin zurückkehren, nach der nicht die GbR (als Einheit) selbst Rechtssubjekt und damit Eigentümerin des Grundstücks ist, sondern ihre Gesellschafter (als Vielheit). Die Gesellschaft selbst ist nicht allein, sondern daneben sind auch ihre Gesellschafter als die wahren Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch einzutragen (vgl. dazu § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO; § 899 BGB).247 Denn anders als es die heute ganz h. M. als Gruppenlehre annimmt, ist die (Außen-) GbR nicht als solche – „wir sagen: als Gruppe“ (Flume) – ein Rechtssubjekt, 248 und daher auch nicht sie Eigentümerin des Grundstücks, das zum „Gesellschaftsver245 Das fordert ausdrücklich Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134, von einer Theorie der Gesamthand. 246 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG, BT‑Drucks. 16/13437 vom 17.6.2009, S. 24. 247 Nach BGH, NZG 2016, 666, 667–668, gilt das entsprechend für den nichtrechtsfähigen Verein, der deshalb „nicht allein unter seinem Vereinsnamen in das Grundbuch eingetragen werden kann“, und zwar unabhängig davon, ob der nichtrechtsfähige Verein rechtsfähig (d. h. ein Rechtssubjekt) ist oder nicht. 248 Flume, ZHR 136 (1972), 177, 189 (Zitat: S. 188).
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mögen“ gehört (§ 718 Abs. 1 BGB), stattdessen sind das die Gesellschafter, und demzufolge ist das „Gesellschaftsvermögen“ ein „gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter“. Auch wenn die vielen Gesellschafter unter einem gemeinschaftlichen Namen gegenüber einem Dritten im Rechtsverkehr auftreten (vgl. § 124 Abs. 1 HGB: „unter ihrer Firma“), sind sie doch selbst in diesem Fall als Gesellschaft (d. h. als Gesamthand) weiterhin mehrere Rechtssubjekte und daher die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Die Gesellschafter einer (Außen-) GbR sind im Gegensatz zu denen einer OHG oder KG, obgleich sie alle Gesamthandsgemeinschaften sind, nicht imstande, im Grundstücksverkehr unter einem gemeinschaftlichen Namen als Gesamthand eine Willenserklärung abzugeben, was sowohl für die sachenrechtliche Ebene als auch für die des Schuldrechts gilt, also in der Regel für den Kaufvertrag. Der Käufer erwirbt deshalb nicht nur das Eigentum gutgläubig von den Gesellschaftern (und eben nicht von der Gesellschaft selbst), die als vermeintliche gemeinschaftliche Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind (§§ 873, 892 BGB), vielmehr ist dieser gutgläubige Eigentumserwerb auch kondiktionsfest. Die Gesellschafter vertreten nicht bloß die Gesellschaft rechtsgeschäftlich (vgl. §§ 709 Abs. 1, 714 BGB), 249 sie sind als vermeintliche Eigentümer des verkauften Grundstücks Vertragspartner des schuldrechtlichen Kaufvertrags, treten also für sich selbst (in Gemeinschaft) auf, sodass mit dem wirksamen Kaufvertrag ein Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB besteht. Allein in diesem Sinn wird mit dem in dieser Arbeit wiederentdeckten Gesamthandsmodell zu der alten und sicheren Rechtslage zurückgekehrt, die galt, als der BGH die (Außen-) GbR noch nicht als rechtsfähig (d. h. als ein Rechtssubjekt) anerkannt hatte, 250 nicht aber zu der als traditionell bezeichneten und insofern alten Gesamthandslehre, die in der BGB‑Gesellschaft und der Gesamthand allgemein, indes zu Unrecht, lediglich eine modifizierte societas und daher ausschließlich eine Vielheit sah, die allein durch das gemeinsame Sondervermögen eine Gemeinschaft (zur gesamten Hand) sein sollte.251 Das Modell der deutschen Gesamthand zeichnet sich demgemäß als „gute Theorie“ dadurch aus, „Problemlösungen“ zu „erhellen“, ja sie allein macht sie überhaupt erst möglich, hier die effektive Teilnahme der (Außen-) GbR 249
A. A. Röder, AcP 215 (2015), 450, 491.
250 BGHZ 146, 341, 343. 251 So z. B. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personen-
gesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 106, wonach allein aus der Einheit des Sondervermögens (als Objekt) die der Gesellschaft als einer Gesamthand (von Subjekten) folgen soll. Ähnlich Keßler, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1991, vor § 705 Rn. 62. Da für Tolani, „Teilrechtsfähigkeit“ von Personenvereinigungen, 2009, S. 44–46, 118–129, 275–276, Rechtsfähigkeit die Publizität des „Rechtssubjekts“ voraussetzt, diese aber bei der GbR fehlt, sind für sie selbst heute noch die Gesellschafter als eine „Vielheit“ die Rechtsträger (mit einem Sondervermögen).
E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht
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am Grundstücksverkehr, indem sie die Rechtsfigur der Gesamthand auf eine „widerspruchsfreie Formel“ bringt und so für Rechtssicherheit sorgt.252 Dass die h. M. (Gruppenlehre) dagegen als „schlechte Theorie“ „Problemlösungen“ nicht nur „vernebelt und den Zugang zu neuen Problemen“ lediglich „erschwert“, sondern sogar erst zu Verwerfungen im Recht führt und damit Probleme überhaupt erst erzeugt, belegt anschaulich die, wenn auch kurze, dogmengeschichtliche Entwicklung, die zu § 899a BGB und § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO geführt hat.253 Eine „begriffliche Ableitung“ von Problemlösungen, die die h. M. in Bezug auf die Grundbuchfähigkeit der (Außen-) GbR aus ihrem Gesamthandsmodell heraus versucht hat, kann erst dann gelingen, wenn das rechtsdogmatische Modell „die zutreffende Stellung der fraglichen Rechtsfigur im Rechtssystem“ auch wirklich in sich abbildet, ansonsten erweist sie sich wie die Gruppenlehre als „schlechte Theorie“.254 Nachdem der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH der (Außen-) GbR 2001 die Rechtssubjektivität zugebilligt hatte, wonach nicht mehr die vielen Gesellschafter, sondern die eine Gesellschaft selbst alleinige Eigentümerin der zum Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) gehörenden Grundstücke sein sollte, 255 schloss daraus folgerichtig 2008 der für das Grundbuchrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH, dass die BGB‑Gesellschaft selbst (unter ihrem Namen) als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen werden müsse und nicht mehr ihre Gesellschafter. 256 Für die GbR fehlt indes ein öffentliches Register, sodass für den Rechtsverkehr die Unsicherheit besteht, wer die BGB‑Gesellschaft wirksam vertritt, aus welchen Gesellschaftern sie besteht, ja sogar, ob sie überhaupt existiert. Nicht ohne Grund ist deswegen auch bei den Handelsgesellschaften (d. h. OHG und KG) die Fähigkeit, unter einem gemeinschaftlichen Namen („Firma“) im Rechtsverkehr aufzutreten (§ 124 Abs. 1 HGB), mit der Verpflichtung verknüpft, Gesellschafter, „Gesellschaft“ (d. h. die gemeinschaftliche Firma) und die Vertretungsmacht der Gesellschafter in das Handelsregister als öffentliches Register eintragen zu lassen (§ 106 Abs. 2 HGB).257 252 253
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197) (Zitate). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197) (Zitate). 254 Zitate aus: Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197). 255 BGHZ 146, 341, 343; BGH, NJW 2006, 3716, 3717. 256 BGHZ 179, 102 Rn. 19. 257 Wenn Röder, AcP 215 (2015), 450, 481–482, nicht nur ein öffentliches GbR‑Register fordert, sondern darüber hinaus die Rechtsfähigkeit der BGB‑Gesellschaft von ihrer insofern konstitutiven Eintragung in dieses Register abhängig machen will (S. 466–475, darin folgt ihm Westermann, NJW 2016, 2625, 2627), geht er damit zu weit. Selbst eine OHG (oder KG) ist schon von sich aus (ipso iure) „unter ihrer Firma“ (kollektiv) rechtsfähig und bloß als Folge davon verpflichtet, sich im Handelsregister anzumelden, die Eintragung ist auch bei ihr als Außengesellschaft demgemäß lediglich deklaratorisch. Nach Tolani, „Teilrechtsfähigkeit“ von Personenvereinigungen, 2009, S. 120–123, setzt Rechtsfähigkeit die Pu-
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Da es ein öffentliches Register für die GbR nicht gab (und auch heute immer noch nicht gibt), konnten die Gesellschafter gegenüber dem Grundbuchamt den nötigen Nachweis dafür, dass eine GbR überhaupt besteht, aus welchen Gesellschaftern sie sich zusammensetzt und wer sie vertritt, nicht mehr durch öffentliche Urkunden erbringen (vgl. § 29 Abs. 1 GBO). Die rechtsfähige GbR war dadurch, anders als noch zuvor nach der alten Rechtslage, d. h. bevor der BGH 2001 die BGB‑Gesellschaft als ein Rechtssubjekt anerkannt hatte, nunmehr von der effektiven Teilnahme am Immobiliarrechtsverkehr ausgeschlossen. Um diesen Systemfehler zu beheben, reagierte der Gesetzgeber schließlich mit der Änderung von § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO, wonach jetzt (wieder) auch die Gesellschafter neben der Gesellschaft im Grundbuch einzutragen sind, obgleich ja an sich ausschließlich die GbR Eigentümerin des Grundstücks sein soll. Dadurch stimmt jedoch das Grundbuch und daher die formelle Rechtslage nicht mehr mit der materiellen überein, obschon dies die zentrale Funktion des Grundbuchs ist oder zumindest sein sollte.258 Der Gesetzgeber knüpfte außerdem an die Regelung des § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO an und fügte § 899a BGB in das Grundstücksrecht ein, um auf diese Weise einen gutgläubigen Eigentumserwerb von einer BGB‑Gesellschaft selbst dann zu gewährleisten, wenn die GbR (an sich) nicht wirksam, weil nicht ordnungsgemäß, durch ihre im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter vertreten war. Da diese Regelung aber nur für das Sachenrecht und nicht auch für das Schuldrecht und damit für den Kaufvertrag gilt, der dem gutgläubigen Eigentumserwerb als Kausalgeschäft zugrunde liegt, ist der (gutgläubige) Erwerb, anders als es noch vor der Anerkennung der (Außen-) GbR als rechtsfähig der Fall war, nicht mehr kondiktionsfest. Es fehlt der Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB, d. h. die causa, da hier die Gesellschafter die GbR bei Abschluss des Kaufvertrags nicht wirksam vertreten haben. Diese „Hilfestellung“ des Gesetzgebers ist demgemäß alles andere „als gelungen“, ja „etwas verunglückt“, 259 und so beweist gerade die Entstehungsgeschichte des § 899a BGB, wie gefährlich eine „schlechte“ rechtsdogmatische Theorie für das Recht und dessen Anwendung sein kann, indem jene „Problemlösungen vernebeln und den Zugang blizität des „Rechtssubjekts“ voraus, weshalb die BGB‑Gesellschaft für sie nicht „rechtsfähig“ sein kann. Schon in der zweiten Kommission war eine Minderheit der Ansicht, „die gesamte Hand erfordere eigentlich eine Ergänzung (…) durch Eintragung in ein öffentliches Register“, damit die Gesellschaft überhaupt für Dritte erkennbar im Rechtsverkehr nach außen als eine „Gemeinschaft“ auftreten könne (Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 992). Westermann, NZG 2017, 921, 928, 930. 258 BGHZ 179, 102 Rn. 19. 259 Stürner, JZ 2012, 10, 16; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 55. Nach Weiss, JuS 2016, 494, 497, hätte sich der Gesetzgeber § 899a BGB „dann schlicht sparen können“, wenn der gutgläubige Erwerb nicht auch kondiktionsfest ist; „§ 899a darf nicht leerlaufen“.
E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht
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zu neuen Problemen erschweren kann“. 260 Das gilt in Bezug auf die Rechtsfigur der Gesamthand dann besonders für die heute ganz h. M., wenn sie in ihr (als einer Gruppe) fälschlicherweise ein Rechtssubjekt neben ihren Gesellschaftern sieht.
II. Aktualität und Nutzen dieser Arbeit de lege ferenda: der 71. Deutsche Juristentag Dass es für die vorliegende Arbeit noch nicht zu spät und ihr Gegenstand zudem höchst aktuell ist, beweist der 71. Deutsche Juristentag, der 2016 mit dem Anspruch angetreten war, „endlich“ dafür zu sorgen, dass das Gesetz das gelebte Recht der BGB‑Gesellschaft „wieder richtig“ abbildet.261 Damit griff der Deutsche Juristentag eine Forderung von K. Schmidt aus dem Jahr 2013 auf, sich auf die dem BGB innewohnende Kodifikationsidee zu besinnen und das geschriebene mit dem geltenden Recht zu versöhnen.262 Das geltende Recht zur GbR besteht dabei im Kern in der Ansicht der h. M. (Gruppenlehre), dass die Außengesellschaft als eine Gesamthand ein Rechtssubjekt ist. Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass „sie und nur sie“ Inhaberin des Gesellschaftsvermögens ist, nicht aber mehr ihre Gesellschafter.263 Dann ist das Gesellschaftsvermögen indes nicht mehr ein „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“, obgleich § 718 Abs. 1 BGB das für die BGB‑Gesellschaft (immer noch) explizit vorsieht. Wenn das Gesellschaftsvermögen aber allein der BGB‑Gesellschaft gehört, d. h. sie selbst die Vermögensträgerin ist, und die Gesellschafter demnach überhaupt keinen (dinglichen) Anteil daran haben, kann ein Gesellschafter schon von vornherein nicht über seinen (vermeintlichen) Anteil am Gesellschaftsvermögen oder an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen, ja selbst gemeinschaftlich können die Gesellschafter das nur in ihrer Eigenschaft als Vertreter (d. h. als Organ) der Gesellschaft. 264 Das Verfügungsverbot des § 719 Abs. 1 BGB als gesamthänderische Bindung ist demgemäß vollkommen überflüssig, sofern man, wie es die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) annimmt, 260
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197). Schäfer, Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts? Gutachten E zum 71. Deutschen Juristentag, 2016, S. 9–12. 262 So ausdrücklich K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 713. 263 K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 417; Wipplinger, Die rechtsfähige BGB‑Gesellschaft als Organ der Personenhandelsgesellschaften, 2010, S. 46–50, fordert die Aufgabe des Gesamthandsprinzips für die Personengesellschaft. Ausführlich dazu auch Wandt, Das Innenrecht der (teil-)rechtsfähigen BGB‑Gesellschaft, 2009, S. 65–69 (69), 81 (und öfter), für den die GbR (als Gesamthand) gegenüber ihren Gesellschaftern als ihren Mitgliedern und insofern auch nach innen rechtsfähig sei und daher nur ihr allein das Gesellschaftsvermögen zugeordnet sein soll. 264 Röder, AcP 215 (2015), 450, 491. 261
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in der Gesellschaft ein Rechtssubjekt sieht, das als solches daher allein „Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen ist“.265 „Für eine dinglich wirkende Anwachsung“ (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist in der Konsequenz davon dann ebenfalls „kein Raum mehr“.266 Die §§ 718, 719 Abs. 1, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB sind dementsprechend auf der Grundlage der heute ganz h. M. (Gruppenlehre) nur noch „Ausdruck einer überholten Gesamthandslehre“.267 Wenn nun das Gesetz wieder mit dem geltenden, aber ungeschriebenen Recht übereinstimmen soll, sind diese Vorschriften aus dem (geschriebenen) Recht der BGB‑Gesellschaft (§§ 705– 740 BGB) zu „beseitigen“.268 Dennoch sprach sich Carsten Schäfer, der selbst ein Anhänger der heute ganz h. M. (Gruppenlehre) ist, 269 mit Nachdruck (wie im Jahr 1984 auch schon sein akademischer Lehrer Peter Ulmer270) in seinem Gutachten für den 71. Deutschen Juristentag dafür aus, am Gesamthandsprinzip festzuhalten, so wie es in den §§ 718, 719 Abs. 1, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelt ist.271 Der Deutsche Juristentag nahm mit 28 zu 10 Stimmen bei 14 Enthaltungen diese Empfehlung schließlich an.272 An diesem Abstimmungsergebnis ist bemerkenswert, dass es in Rechtswissenschaft und -praxis mehrheitlich immer noch das Bewusstsein gibt, die Gesellschaft als eine Gesamthand zu begreifen, bei der irgendwie die Gesellschafter die wahren Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen sind, denn nur dann haben die §§ 718, 719 Abs. 1, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB überhaupt einen Sinn, nicht aber, wenn die Gesellschaft selbst und nur sie Rechtsträgerin (d. h. Rechtssubjekt) ist.
III. Ergebnis Der 71. Deutsche Juristentag dokumentiert selbst für die h. M. das Bewusstsein, dass ein Modell von einer Gesamthand, die als ein Rechtssubjekt der alleinige Rechtsträger ist, für das geltende Recht nicht tragfähig ist, um die in Zusammenhang mit der Figur der Gesamthand bestehenden, bisher aber un265 Wandt, Das Innenrecht der (teil-)rechtsfähigen BGB‑Gesellschaft, 2009, S. 69–81 (81); Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 497; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 93 (Zitat). 266 Röder, AcP 215 (2015), 450, 492; ihm darin folgend K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 417; so bereits Wandt, Das Innenrecht der (teil-)rechtsfähigen BGB‑Gesellschaft, 2009, S. 71–81 (81). 267 K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 727–728 (Hervorhebung nicht im Original). 268 K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 416–417. 269 Nach K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 416, zählt Schäfer „bekanntlich zu den frühen Befürwortern der Rechtsfähigkeit aller Außengesellschaften“. 270 Ulmer, ZGR 1984, 313, 328, 332–334; dazu K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 716. 271 Schäfer, Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts? Gutachten E zum 71. Deutschen Juristentag, 2016, S. 85–87. 272 Deutscher Juristentag e. V., Beschlüsse des 71. Deutschen Juristentages Essen 2016, S. 22.
E. Der praktische Nutzen eines neuen Gesamthandsmodells für das Recht
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geklärten oder umstrittenen Rechtsfragen einer in sich stimmigen Lösung zuzuführen. Die Gruppenlehre erweist sich insofern als eine „schlechte Theorie“, 273 als es ihr weder gelingt, das positive Recht in sich widerspruchsfrei abzubilden, noch in der Lage dazu ist, befriedigende Problemlösungen für die Rechtsanwendung zur Verfügung zu stellen. Demnach ist es aber für das in dieser Arbeit ins Auge gefasste Gesamthandsmodell keinesfalls schon zu spät und insofern die hohe Aktualität des Gegenstands dieser Schrift mit Nachdruck belegt. Allein die hier angestrebte Gesamthandslehre vermag zudem im Gegensatz zur ganz h. M. als Gruppenlehre, die Eigenschaft der BGB‑Gesellschaft als Verbraucher und Vermieter zu erklären, ja zu begründen und sicherzustellen, dass eine (Außen-) GbR durchaus effektiv am Grundstücksverkehr teilnehmen kann, obschon nicht nur sie selbst (so die h. M.) oder vielmehr ihre Gesellschafter nicht allein unter einem gemeinschaftlichen Namen als die Eigentümer der Grundstücke im Grundbuch eingetragen werden können, die zu ihrem Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) gehören. Die Gesellschafter nehmen nach der hier vertretenen Theorie der deutschen Gesamthand zwar einen gemeinsamen status ein und sind insofern eine Einheit (nicht aber ein Rechtssubjekt). Dennoch sind sie als Vielheit die Rechtsträger und demzufolge auch die Eigentümer der gemeinschaftlichen Grundstücke (§ 718 Abs. 1 BGB). Sie verfügen daher nicht bloß sachenrechtlich über die Grundstücke, sondern sind auch schuldrechtlich die Parteien des zugrunde liegenden Kaufvertrags. Sofern ein Grundstück, über das sie verfügen, nicht in ihrem Eigentum steht, ist ein gutgläubiger Erwerb deshalb nicht nur sachenrechtlich wirksam (§§ 899a Satz 2, 892 BGB), sondern auch kondiktionsfest, da mit dem Kaufvertrag, den sie als Verfügende abgeschlossen haben, eine causa i. S. des § 812 BGB dafür besteht. Die hier noch als These formulierte Theorie einer deutschen Gesamthand hat demnach für die Rechtsanwendung de lege lata einen immensen praktischen Nutzen. Sie im Lauf dieser Arbeit auszuarbeiten, hat aber nicht nur aus diesem Grund einen Sinn und damit ihre Berechtigung, sondern auch, weil sich erst aufbauend auf diese „besonnene Grundlagenarbeit“ eine Antwort darauf finden lässt, 274 ob sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts empfiehlt und, wenn ja, wie eine solche aussehen sollte.
273 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 274 K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 714.
2002, § 8 III 1 a) (S. 197) (Zitat).
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§ 2 Relevanz
F. Zur Bedeutung des europäischen Gesellschaftsrechts für die Gesamthandsfigur Auf den ersten Blick gibt es heute in den nationalen Rechtsordnungen der EU‑Mitgliedstaaten kein Rechtsgebiet mehr, auf das nicht die europäische Rechtsangleichung und Rechtsetzung eingewirkt hätte. Das europäische Recht definiert jedoch im Grundsatz lediglich die von ihm angestrebten Ziele, gibt dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten aber den Weg dorthin nicht vor, was ganz besonders auf das europäische Gesellschaftsrecht (im Gegensatz zum europäischen Kapitalmarktrecht) zutrifft.275 Das europäische Gesellschaftsrecht regelt demgemäß auch nicht die Dogmatik von Gesamthand und juristischer Person.276 Für die Gesamthand zeigt sich das daran, dass das europäische Gesellschaftsrecht nicht ein Recht der Personengesellschaften, sondern, wenn auch das überhaupt noch, ein Recht der Kapitalgesellschaften ist, sodass vor allem die Gesamthand kein Gegenstand der europäischen Rechtsetzung ist.277 Bei einer „echten Personengesellschaft“ haftet zumindest eine natürliche Person persönlich.278 Aus diesem Grund sehen die Gesellschafter hier eher davon ab, grenzüberschreitend tätig zu sein, sodass die persönliche Haftung insoweit gleichsam als „Bremse“ wirkt.279 Gleichzeitig schafft die persönliche Haftung für den Rechtsverkehr insofern Vertrauen, als derjenige, der für die Folgen seines Handelns persönlich und daher mit seinem gesamten Privatvermögen einzustehen hat, sich aus Eigeninteresse verstärkt verantwortungsvoll und redlich verhält.280 Anders als bei den Kapitalgesellschaften, bei denen 275 So ausdrücklich Kalss, EuZW 2015, 252–253; zum europäischen Kapitalmarktrecht Veil, ZGR 2014, 544, 545–549, und öfter („Europäische Kapitalmarktunion“). 276 Nägel, Einmanngesellschaften im deutschen und europäischen Gesellschaftsrecht, 2004, S. 291; Nach Fleischer, ZHR 174 (2010), 385, 416–417, hat man auch für die EWIV (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung) „eine elegante Lösung gefunden, um die deutsche Debatte um Gesamthand und juristische Person nicht in die Hallen des Gemeinschaftsrechts hineintragen zu müssen“, und es zudem vermieden, „die Dogmengeschichte der juristischen Person abermals aufzurollen“. 277 So Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 192; ihm folgend Kalss/Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, Rn. 12; Priester, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 120 Rn. 5, stellt ebenfalls fest, dass sich das europäische Gemeinschaftsrecht zwar der Kapitalgesellschaft, nicht aber der Personengesellschaft „vereinheitlichend angenommen“ hat. 278 Kalss/Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, Rn. 13; Kalss, EuZW 2015, 252, 253. 279 Roth, ZGR 2014, 168, 170; Kalss/Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, Rn. 13 (Zitat); so auch Kalss, EuZW 2015, 252, 253; Grundmann/Möslein, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 2: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 2007, Kap. 2 Rn. 90. 280 Kalss/Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, Rn. 13; Kalss, EuZW 2015, 252, 253; nach K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 14 II 2 e) (S. 413), sichert „das
F. Zur Bedeutung des europäischen Gesellschaftsrechts für die Gesamthandsfigur
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die persönliche Haftung als ein solches Korrektiv fehlt, besteht infolgedessen bei den Personengesellschaften schon von vornherein ein erheblich geringeres Bedürfnis für eine europäische Rechtsangleichung, um Vertrauen im Rechtsverkehr zu schaffen. Eine europäische Rechtsetzung bei den Personengesellschaften würde zudem einen erhöhten Aufwand an Rechtsvereinheitlichung erfordern. Die Mitgliedstaaten regeln bei den Personengesellschaften die Zwecke, die jene verfolgen können, ihre (mögliche) Eigenschaft als Rechtssubjekt und das Erfordernis, sich in ein öffentliches Register eintragen zu lassen, sowie ihre Vertretung derart unterschiedlich, dass es heutzutage in Europa immer noch eine große Diversität an (nationalen) Personengesellschaften gibt.281 Das unterscheidet die Personengesellschaften von den Kapitalgesellschaften, die in den Mitgliedstaaten zumindest ähnlich ausgestaltet sind und oftmals grenzüberschreitend agieren, sodass bei ihnen der Aufwand geringer und das Bedürfnis für eine Rechtsangleichung höher ist als bei den Personengesellschaften.282 Und selbst dort, wo die Personengesellschaft einmal Gegenstand einer europäischen Rechtsetzung ist, ist sie es nicht als Personengesellschaft, sondern zumeist als „Organisationsform“ auf dem europäischen Kapitalmarkt.283 Sogar bei der Kapitalgesellschaft löst das europäische Kapitalmarktrecht das Gesellschaftsrecht gleichsam ab, indem sich das europäische Gesellschaftsrecht heute zunehmend allein auf börsennotierte Aktiengesellschaften konzentriert.284 Der Aktionär steht jetzt nicht mehr als Verbandsmitglied innerhalb der Aktiengesellschaft im Zentrum, sondern nur noch als reiner Anleger auf dem europäischen Kapitalmarkt. Das „eigentliche Gesellschaftsrecht“ fällt damit zunehmend wieder „der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten anheim“.285 Das europäische Gesellschaftsrecht ist aus diesem Grund für den Begriff der Gesamthand und daher auch für die selbstgestellte Aufgabe in dieser Arbeit ohne Bedeutung. Das gilt ebenso für den methodischen Ansatz dieser Schrift, die Figur der Gesamthand durch eine historische Gesetzesauslegung allein des geltenden deutschen Rechts mithilfe einer dogmengeschichtlichen Zusammentreffen von Unternehmensleitung und unbeschränkter Haftung“ bei den Personengesellschaften auch und vor allem „den Rechtsverkehr gegen vermeidbare Fehlentscheidungen des Managements“. Grundmann/Möslein, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 2: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 2007, Kap. 2 Rn. 90. 281 Ausführlich Windbichler, ZGR 2014, 110, 116–132 (m. w. N.); ihr folgend Kalss/ Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, Rn. 14; Kalss, EuZW 2015, 252–253, bewertet dabei diese Vielfalt durchaus als sehr positiv. 282 Grundmann/Möslein, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 2: Grundsatzfragen des Aktienrechts, 2007, Kap. 2 Rn. 90. 283 Kalss/Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, Rn. 15; Kalss, EuZW 2015, 252, 253. 284 Fleischer, ZHR 174 (2010), 385, 405; Habersack, ZIP 2006, 445, 450; Kalss/Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, Rn. 19. 285 Habersack, ZIP 2006, 445, 450.
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§ 2 Relevanz
Betrachtung aus der deutsch-rechtlichen Gesamthandslehre im 19. Jahrhun dert in der Ausgestaltung wiederzuentdecken, die sie bei Gierke erfahren hat.
G. Fazit Die Grundthese dieser Arbeit und damit zugleich die beabsichtigte eigene Lösung, wonach die Gesamthand „ein Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt“ (Gierke)286 ist und die in Referenz zu ihrer dogemengeschichtlichen Herkunft aus der deutsch-rechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts in dieser Schrift als Theorie der deutschen Gesamthand bezeichnet werden soll, fügt sich ohne Weiteres in das positive Recht ein, ist mit diesem durchaus vereinbar. Die Gesellschaft als „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ (Flume)287 muss, anders als es die ganz h. M. in ihrer Gruppenlehre behauptet, weder als OHG noch als GbR ein Rechtssubjekt sein. Der Begriff der Gesamthand kann auch lediglich eine Abbreviatur für die Gesellschafter sein, die zusammen einen status einnehmen und deswegen, weil darüber vermittelt, ihre Rechte und Pflichten zur gesamten Hand (insofern in ihrer Verbundenheit) innehaben. Die Gesellschafter sind allein insofern als Gesellschaft (d. h. als Gesamthand) rechtsfähig, als sie und eben nicht die Gesellschaft als solche (d. h. als ein Rechtssubjekt) „mit der Fähigkeit ausgestattet“ sind, in Gemeinschaft „Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ (§ 14 Abs. 2 BGB). Für eine Theorie der deutschen Gesamthand als eigene Lösung besteht dabei nicht nur Raum und daher bloß die Möglichkeit, die Rechtsfigur der Gesamthand in ihrer Dogmengeschichte vor allem bei Gierke wiederzuentdecken, sondern vielmehr die Notwendigkeit hierzu. Die ganz h. M. (Gruppenlehre) ist nicht in der Lage, die Gesamthand des BGB als eine Gruppe, d. h. als ein Rechtssubjekt, zu erfassen. Sie verfehlt damit ihre „darstellende Aufgabe“ und insofern die „primäre Aufgabe guter Rechtsdogmatik“, die Rechtsfigur der Gesamthand zu einer für den Rechtsanwender „handhabbaren Kategorie“ zu machen.288 Während die Gruppenlehre zwar durchaus in ihrem Modell von der Gesamthand als einem Rechtssubjekt darzustellen vermag, dass die Gesamthand ihre Identität im Wechsel der Teile (d. h. der Gesellschafter) bewahrt und deshalb die mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse einen Gesellschafterwechsel unverändert überdauern, scheitert sie daran, die persönliche Gesellschafterhaftung (§ 128 Satz 1 HGB) in ihrem rechtsdogma286 287
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2. 288 Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197).
G. Fazit
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tischen Modell abzubilden. Als Rechtssubjekt schirmt die Gesamthand ihre Gesellschafter vor den gesamthänderischen Rechtsbeziehungen ab, auch den Schulden; sie enden bei der Gesamthand selbst und dringen daher nicht je bis zum einzelnen Gesellschafter durch. Der Bedarf für eine neue oder vielmehr lediglich wiederentdeckte Gesamthandslehre, so wie sie Gierke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Vorabend des BGB entworfen hat, ist auch umso mehr gegeben, als die Gesamthand nicht bloß ein Rechtsinstitut, sondern ein Rechtsprinzip ist, das demgemäß nicht nur allein der Gesellschaft, sondern einer Vielzahl von Rechtsinstituten zugrunde liegt. Dass dennoch die Gesellschaft im Fokus dieser Schrift steht, beruht allein darauf, dass das Gesamthandsprinzip bei der Gesellschaft im Gegensatz zu den anderen Rechtsinstituten nicht durch deren Besonderheiten überlagert ist. Die Gesellschaft ist allein insofern „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ und deswegen auch das „Recht der Gesellschaft als Gesamthand paradigmatisch für die Gesamthand an sich“, 289 als das Gesamthandsprinzip hier gewissermaßen unverfälscht zum Ausdruck kommt. Das Ziel, in Anknüpfung an die Gesamthandslehre Gierkes für das geltende Recht ein neues Gesamthandsmodell herauszuarbeiten, hat dabei nicht „nur“ einen rechtsdogmatischen Wert, sondern durchaus auch einen praktischen Nutzen. Das gilt zunächst einmal de lege lata für die Rechtsanwendung und wird besonders im Kontext mit der fehlenden Grundbuchfähigkeit der BGB‑Gesellschaft, aber auch darüber hinaus vielfältig, sichtbar. Allein auf der Grundlage der eigenen Lösung, dem Modell einer deutsch-rechtlichen Gesamthand (Gierke), kann ein Dritter von den vermeintlichen Gesellschaftern, die zu Unrecht im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sind und insofern bloß scheinbar verfügungsbefugt sind, nicht nur das Eigentum an einem Grundstück, das zum Gesellschaftsvermögen gehört (§ 718 Abs. 1 BGB), gutgläubig erwerben (§§ 899a Satz 2, 892 BGB), vielmehr ist dieser Erwerb auch kondiktionsfest. Da die Gesellschafter nicht bloß die Gesellschaft selbst als Rechtssubjekt und Vertragspartnerin des gutgläubigen Erwerbers vertreten (so aber die ganz h. M.), sondern selbst die Vertragspartner des Kausalgeschäfts, dabei in der Regel eines Kaufvertrags, sind, besteht durch jenes für den gutgläubigen Erwerb eine causa i. S. des § 812 BGB. Ebenso lässt sich auch erst mit der eigenen Lösung eine Antwort darauf geben, ob sich eine Reform des Personengesellschaftsrechts überhaupt empfiehlt, und wenn ja, wie eine solche aussehen sollte. Die Zielsetzung dieser Arbeit hat deshalb auch de lege ferenda einen Nutzen, sodass der selbstgesetzten Aufgabe, erneut dem Begriff der Gesamthand für das geltende Recht nachzugehen, sowohl rechtsdogmatische als auch praktische Relevanz zukommt. Da zudem das europäische Gesellschaftsrecht dem deutschem Personengesell289
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2.
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§ 2 Relevanz
schaftsrecht insofern keine Vorgaben macht, ist auch der methodische Ansatz dieser Schrift, vor allem in einer dogmengeschichtlichen Betrachtung aus der germanistischen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts ein Gesamthandsmodell für das geltende Recht zu entwickeln, angezeigt.
§ 3
Gang der Untersuchung Da es sich bei der „Gesamthandsgesellschaft des bürgerlichen Rechts“ um „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ handelt und daher „das Recht der Gesellschaft als Gesamthand paradigmatisch für die Gesamthand an sich“ im BGB steht,1 gilt es die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) der anerkannten juristischen Methodenlehre gemäß auszulegen. Wortlaut und Systematik besitzen allerdings nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Die Verfasser des BGB haben es ganz bewusst vermieden, sich für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auf das „Wesen der gesamten Hand“ festzulegen, zumindest war das ihre Absicht.2 Stattdessen übernahmen sie allein die Bestimmungen aus der deutsch-rechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts, die dafür sorgen sollten, dass das Gesellschaftsvermögen insofern in sich abgeschlossen ist, als der einzelne Gesellschafter und seine Privatgläubiger, gewissermaßen schon dinglich, völlig außerstande sind, darauf zuzugreifen. Das Gesellschaftsvermögen sollte, weil es ein „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ (§ 718 Abs. 1 BGB) ist, über das die Gesellschafter nur alle zusammen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB), ausschließlich dem „gemeinsamen Zweck“ der Gesellschafter dienen (§ 705 BGB). Auch wenn demnach in § 718 Abs. 1 BGB von einem „gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter“, und gerade nicht vom dem der Gesellschaft an sich, die Rede ist und die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) außerdem zum „Recht der Schuldverhältnisse“ gehören („Titel 16. Gesellschaft“), die Gesellschaft demnach ein Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern und nicht ein Rechtssubjekt zu sein scheint, folgt daraus allein noch nicht, worin denn nun das „Wesen zur gesamten Hand“ im geltenden Recht besteht. Sinn und Zweck (Ratio und Telos) der §§ 705–740 BGB helfen ebenfalls angesichts ihrer insoweit notwendigen Allgemeinheit an dieser Stelle nicht weiter, zumindest lässt sich daraus nicht ablesen, ob die „Gesellschaft“ als Gesamthand noch ein „Schuldverhältnis“ oder schon ein Rechtssubjekt ist, wie es die heute ganz h. M. als Gruppenlehre annimmt. Da demgemäß eine bloße Analyse des positiven Rechts, insofern eine objektive Auslegung, nicht ausreicht, um das Gesamthandsprinzip im BGB zu 1
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2 (Zitat). in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 2 Protokolle,
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§ 3 Gang der Untersuchung
erschließen, sind die §§ 705–740 BGB vor allem dogmengeschichtlich zu betrachten (1. Teil). Diese historische Auslegung hat dementsprechend an die Gesamthandslehre der Germanisten in der „begrifflichen Prägung“3 anzuknüpfen, die sie bei Gierke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefunden hat. Die Gesamthand ist bei Gierke indes lediglich eine Abgrenzungsfigur zu seiner germanistischen Verbandsperson. Sie, und nicht die Gesamthand, stand im Zentrum seines „Lebenswerks“,4 der „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“. Als der „wichtigste Einzelgegenstand“ hat ihn deshalb die Rechtsfigur der realen Verbandsperson (als Genossenschaft) „sein ganzes Leben lang“ intensiv beschäftigt.5 Aus diesem Grund ist zunächst einmal herauszuarbeiten, wie Gierke seine germanistischen Rechtsfiguren der Gesamthand und der Verbandsperson in ihrer Entgegensetzung aufgefasst hat (§ 4). Weil aber für ihn seine reale Verbandsperson der ganz gezielte Gegenentwurf zur juristischen Person Savignys war, sind im Anschluss daran Verbandsperson und juristische Person einander gegenüberzustellen (§ 5). Erst im Vergleich mit der juristischen Person lassen sich die Konturen der realen Verbandsperson und darüber, in Abgrenzung dazu, auch die der deutsch-rechtlichen Gesamthandsfigur schärfen, um so den dogmengeschichtlichen Hintergrund der Vorschriften über die „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ (§§ 705–740 BGB) zu erhellen und in einer „Ersten Zwischenbilanz“ darzustellen (§ 6). Aufbauend auf dieser dogmengeschichtlichen Grundlage gilt es, die Figur der Gesamthand im BGB von heute, im positiven Recht, herauszuarbeiten (2. Teil). Dafür ist in einem ersten Schritt der Weg nachzuverfolgen, den das Gesamthandsprinzip, ausgehend von der germanistischen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts (Gierke), in die §§ 705–740 BGB, gleichsam hinein, gefunden hat. Dabei ist aufzuzeigen, dass die Gesellschaft dort zunächst an sich lediglich eine modifizierte societas war und noch nicht eine „deutsche Gesellschaft“ (Außengesellschaft),6 weil noch keine Gesamthandsgesellschaft (§ 7). Daran anschließend ist die Entwicklung nachzuzeichnen, die die Gesamthand im BGB selbst genommen hat: von einer Gesamthand, die anfangs nur ein Sondervermögen der Gesellschafter war (so die individualistische oder auch traditionelle bzw. gesetzestreue Gesamthandslehre), dann als Gesamthandsvermögen selbst zum Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Schulden wurde (so die kollektive Gesamthandslehre) und an dessen Stelle schließlich die Gesellschaft als ein Rechtssubjekt getreten ist (Gruppen3
Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62. Dilcher, Genossenschaftstheorie und Sozialrecht: Ein „Juristensozialismus“ Otto v. Gierkes?, in: Quaderni Fiorentini 3/4 (1974/75), S. 319, 326. 5 Mertens, JuS 1971, 508, 509. 6 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 991 (Zitat); Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 832, 833–834. 4
§ 3 Gang der Untersuchung
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lehre). Als eigener Gegenentwurf dazu gilt es jedoch nachzuweisen, dass die Gesellschaft als eine zur gesamten Hand („deutsche Gesellschaft“) gerade nicht ein Rechtssubjekt ist, wo von ja die heute ganz h. M. als Gruppenlehre ausgeht, sondern „ein Rechtsverhältnis“, weshalb die Gesamthand des geltenden Rechts, vor allem des BGB, zumindest im Kern dieselbe ist,7 die Gierke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als seine germanistische Gesamthandsfigur ausgearbeitet hat (§ 8). Dass die Gesellschafter als Gesamthand, insofern als eine „deutsche Gesellschaft“, nicht nur in Gemeinschaft kollektiv rechtsfähig, sondern auch kollektiv handlungsfähig sind, sie also „mit der Fähigkeit ausgestattet“ sind, „Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ (so ausdrücklich § 14 Abs. 2 BGB für die Personengesellschaft), ist Aufgabe, ja Ziel der sich daran anschließenden Ausführungen zur Handlungsfähigkeit der Gesamthand im BGB (§ 9). Und da sich erst und allein aus der Entgegensetzung von Verbandsperson und juristischer Person mit der Gesamthandsfigur der Charakter der kollektiven Handlungsfähigkeit erfassen lässt, sind diese in die Darstellung einzubeziehen. Obgleich die Gesellschaft nicht ein Rechtssubjekt ist, kennt doch auch sie ein Außen und ein Innen, ja „löst sich“ die Gesamthand nach innen, „da ihr kein von den verbundenen Personen verschiedenes Rechtssubjekt entspricht“ (Gierke), unter den Gesellschaftern (als Gesamthändern) „in gegenseitige Rechte und Pflichten auf“.8 Daher ist außerdem das Innenverhältnis der Gesellschafter, innerhalb der Gesamthand also, eingehend zu betrachten und deren „Auflösung“ in gegenseitige Rechte und Pflichten en Detail auseinanderzulegen (§ 10). Das so gewonnene Gesamthandsprinzip im geltenden Recht (de lege lata) ist, gewissermaßen als Auslegungsergebnis der §§ 705–740 BGB, abschließend in einer „Zweiten Zwischenbilanz“ zusammenzufassen (§ 11). Auch wenn damit an sich das eigentliche Ziel dieser Schrift erreicht sein sollte, den Begriff der Gesamthand so herauszuarbeiten, wie er heute geltendes Recht ist (de lege lata), gilt es darüber hinaus aufzuzeigen, dass die Gesamthandsfigur für das positive Recht, und dabei vor allem für die Rechtsfigur der juristischen Person im BGB, unverzichtbar ist und an ihr deshalb auch in Zukunft festgehalten werden sollte (de lege ferenda). Die Aufgabe, die sich daraus ergibt, besteht infolgedessen darin, überzeugend nachzuweisen, dass es sich bei der Gesamthand keineswegs um eine „rechtsdogmatische Kategorie“ handelt, die heutzutage „funktionslos und überflüssig“ geworden ist,9 der Dualismus von Gesamthand und juristischer Person vielmehr auch für das gegenwärtige positive Recht von entscheidender Bedeutung ist (3. Teil). Dafür ist zunächst auf die juristische Person im BGB einzugehen und darzulegen, dass diese auf 7 8 9
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683. Raiser, in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 486 (Zitate).
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Savignys juristische Person zurückgeht, die jener, zumindest im Kern, als universitas aus dem klassischen römischen Recht rezipiert und zu seiner „juristischen Person“ als einer „fingierten persona“ fortentwickelt hat (§ 12). Obschon sich demzufolge Savignys romanistische Konzeption einer „fingierten Person“10 im aktuellen Recht durchgesetzt hat und damit gerade nicht Gierkes konkurrierende Rechtsfigur einer realen Verbandsperson, spielt doch jene („Genossenschaft“) als eine deutsch-rechtliche „Gedankenschablone“11 selbst im geltenden Recht für die „juristische Person des BGB“ eine maßgebliche Rolle. Denn obwohl die juristische Person des BGB erst mit ihrer Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit „da“ ist und „keinen Augenblick früher“,12 sieht das Gesetz für sie, als eine Körperschaft (als Verein, AG, GmbH und Genossenschaft), ein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“ vor, wie es an sich ausschließlich einer Verbandsperson zukommt.13 Da es eine Verbandsperson im BGB aber nicht gibt, ist demnach aufzuzeigen, dass die Gesamthand als Vorgesellschaft und insofern als eine „werdende juristische Person“14 das Vorleben einer germanistischen realen Verbandsperson simuliert und so der juristischen Person des BGB ein „Werdestadium“15 verschafft, über das sie eigentlich nicht verfügt und wozu sie an sich als eine universitas, als eine skeptische res incorporalis, nicht einmal in der Lage sein sollte (§ 13). Das Verständnis von der Gesamthand als einer Rechtsfigur, die für die juristische Person des BGB unentbehrlich ist, ist damit allerdings noch nicht voll und ganz dargetan. Um dieses Bild gewissermaßen abzurunden, ist mit Notwendigkeit der nichtrechtsfähige Verein (§ 54 BGB) in die Betrachtung des Verhältnisses von Gesamthand und juristischer Person einzubeziehen (§ 14). Denn, anders als es die heute ganz h. M. annimmt, muss der nichtrechtsfähige Verein zwingend eine BGB‑Gesellschaft zur gesamten Hand, eine „deutsche Gesellschaft“, sein. Das folgt nicht allein aus § 54 Satz 1 BGB, der für den nichtrechtsfähigen Verein ausdrücklich auf die „Vorschriften über die Gesellschaft“ (§§ 705–740 BGB) verweist. Vielmehr ist nur dadurch auch wirklich gewährleistet, dass die juristische Person des BGB (als „Verein“) erst und allein durch ihre Eintragung (§ 21 BGB) oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) entsteht und damit die juristische Person bleibt, auf die sich die Verfasser des BGB festgelegt haben: die juristische Person Savignys (universitas). Anderenfalls würde dann doch noch die juristische Person des BGB zu Gierkes germanistischer realer Verbandsperson. 10 11
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241 (Zitat). Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339 (Zitat). 12 Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100) (Zitat). 13 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486. 14 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 319–337. 15 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 105.
§ 3 Gang der Untersuchung
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Im Anschluss daran ist in einer „Dritten Zwischenbilanz“ das Zusammenspiel von Gesamthand und juristischer Person im BGB insgesamt darzustellen (§ 15). Den Abschluss der Arbeit bildet schließlich eine „Schlussbetrachtung“, die den „Begriff“ der Gesamthand und den Weg dorthin kurz zusammenfasst, ihn dabei nochmals aus einem etwas anderen Blickwinkel deutet, um so dem eiligen Leser einen möglichst schnellen Zugang zur Gesamthandsfigur des BGB und des geltenden Rechts überhaupt und damit einen komprimierten Überblick über den Inhalt dieser Schrift zu verschaffen.
Teil 1
Eine dogmengeschichtliche Betrachtung
§ 4
Gesamthand und Verbandsperson A. Eine Hinführung Um das Gesamthandsprinzip des geltenden Rechts aus seiner Dogmengeschichte heraus zu erschließen, ist es nötig, neben der Gesamthand, so wie Gierke sie Ende des 19. Jahrhunderts in der Zeit vor Inkrafttreten des BGB entworfen hat, auch die Figur der germanistischen Verbandsperson in die dogmengeschichtliche Betrachtung einzubeziehen. Gierke hat seine deutsche Gesamthand ganz bewusst in Abgrenzung zu seiner Verbandsperson entwickelt. Beide sind für ihn durch eine „unüberbrückbare begriffliche Kluft“ voneinander „getrennt“.1 Die „scharfe Innehaltung“ dieser „Grenzlinie“, zwischen Gesamthand und Verbandsperson, ist aus diesem Grund für Gierke „kategorisch geboten“.2 Und weil bei ihm „Begriff“ auch für „Wesen“ steht, sind Gesamthand und Verbandsperson gewissermaßen wesensverschieden.3 Gesamthand und Verbandsperson sind aber nicht allein deshalb gemeinsam zu betrachten, weil sich nur so verstehen lässt, was Gierke damit meint, wenn für ihn seine Gesamthand ein „Rechtsverhältnis“, im Gegensatz dazu die Verbandsperson ein „Rechtssubjekt“ ist,4 sondern auch, weil Flume und die ganz h. M. (Gruppenlehre) die Gesamthand des geltenden Rechts als Rechtssubjekt und damit als eine Verbandsperson im Sinn Gierkes fehldeuten. Dass die dogmengeschichtliche Betrachtung der Gesamthand die Verbandsperson umfassen muss, hat daher insofern eine doppelte, wenn auch miteinander verknüpfte Zielsetzung, als es nicht nur um die Dogmengeschichte der Gesamthand geht, sondern auch um die Widerlegung der heute ganz h. M. (Gruppenlehre). Zu diesem Zweck gilt es deshalb aufzuzeigen, dass die Gesamthand, die Flume als „Vater der Gruppenlehre“ meint,5 bei Gierke wiederentdeckt zu haben,6 in Wirklichkeit dessen ebenfalls deutsch-rechtliche Verbandsperson 1 2
Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339. 3 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 340. 4 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 5 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 35 (Zitat). 6 Diese Fehlvorstellung mag bei Flume auch, vielleicht sogar vor allem, durch die Auffassung der ganz h. M. befördert worden sein, das „Gesamthandsprinzip“ sei nicht nur dem „germanischen“, sondern „auch dem römischen Recht eigen“ gewesen (Flume, Die Personengesellschaft, S. 62 mit Fn. 56). Die Römer, so die h. M., sollen bei einem Personen-
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
und nicht dessen Gesamthand ist. Dabei beweist gerade dieser Grundirrtum der Gruppenlehre (Flume), dass sich Gesamthand und Verbandsperson als Rechtsfiguren der Germanistik ausschließlich zusammen erschließen lassen und nur der die Gesamthand bei Gierke und in der Folge davon auch die Gesamthand im geltenden Recht erst wirklich versteht, der zugleich um „Begriff und Wesen“ der Verbandsperson bei Gierke weiß. Den „scharfen begrifflichen Einschnitt“ zwischen Gesamthand und Verbandsperson (als einer Körperschaft, d. h. Genossenschaft)7 hat Gierke nun freilich nicht einfach im deutschen Recht vorgefunden, vielmehr hat er diesen erst selbst konstruiert.8 Demgemäß beginnt erst mit ihm die Dogmenverband, insofern bei einer Körperschaft (corpus), die „Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder selbst“ als Rechtsträger angesehen haben, und zwar „ähnlich der ‚Gesamthand‘ des deutschen Rechts“ (so Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1971, S. 303; ebenso Alexander, Anstalten und Stiftungen, 2003, S. 5; Schulz, Classical Roman Law, 1951, Rn. 121: „The classical lawyers rightly regarded corporations as ‚joint tenants‘ [Gesamthand] and not as persons distinct from their human members.“ Lübtow, Bemerkungen zum Problem der juristischen Person, in: Gesammelte Schriften, Abt. 1, Römisches Recht, Bd. 2, 1989 [= Studi in memoria di Paolo Koschaker, Bd. 2, 1954], S. 233, 243: „In Wirklichkeit bedeutet corpus im klassischen Recht nicht die juristische Persönlichkeit, sondern die Vereinigung zur gesamten Hand“; Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person, 1933, S. 203). Insofern besteht ein Desiderat, dem nachzugehen reizvoll wäre, an dieser Stelle aber offenbleiben muss, um nicht das eigentliche Ziel dieser Arbeit, die Gesamthand in der begrifflichen Prägung herauszuarbeiten, die sie bei Gierke gefunden hat, aus dem Blick zu verlieren. 7 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 474, umfasst der Begriff der „Verbandsperson“ nicht nur „Körperschaften“, sondern auch „Anstalten“. Den Gegenbegriff zur „Verbandsperson“ bildet für Gierke, aaO., S. 660–663, die „personenrechtliche Gemeinschaft“, die sich ihrerseits in „Gemeinschaften zur gesamten Hand“ (= Gesamthand) und in „Gemeinschaften kraft herrschaftlicher Gewalt“ unterteilt. Während die Gesamthand als „genossenschaftliches Gemeinschaftsverhältnis“ für Gierke das Pendant zur Körperschaft (= Genossenschaft) darstellt, stehen sich „herrschaftliches Gemeinschaftsverhältnis“ und Anstalt bei ihm gegenüber. Da es in dieser Arbeit allein um die Gesamthand bei Gierke geht, werden in dieser Schrift, wenn auch an sich ungenau, die Begriffe (reale) „Verbandsperson“ und „Körperschaft“ (= Genossenschaft) zumeist synonym verwandt. 8 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 481 (Zitat). Auch für Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62–63, erhielt die Rechtsfigur der Gesamthand erst im späten 19. Jahrhundert durch Georg Beseler und Otto Gierke ihre „begriffliche Prägung“, weshalb sie in der Gesamthand „eine juristische Konstruktionsleistung der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts“ sieht. Nach Schäfer, Juristische Germanistik, 2008, S. 703, verfolgte Gierke eine „am Gegenwartsrecht orientierte Germanistik“, legte deshalb „an die mittelalterliche Welt juristische Maßstäbe des 19. Jahrhunderts an“ und formulierte seine deutschen Rechtsfiguren „aus dem Horizont seiner Zeit“ aus (S. 499). Auch nach Scherner, ZRG GA 118 (2001), 346, 351, ergibt sich die deutsche Gesamthand als Institution nicht unmittelbar aus einem Rechtsbegriff oder ist mit diesem identisch, sondern ist schon ein „Konstrukt der Geschichtswissenschaft“. Dazu Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 488–509 (und öfter), der den „modernen Gesamthandbegriff“ zwar nicht auf die „Genossenschaftsidee Beselers und Gierkes“ zurückführen und daher auch nicht in Gierke dessen „Urheber“ sehen will, sondern in Johannes E. Kuntze (1863) und Otto Stobbe (1864). Erst in der Folge davon habe Beseler diesen „Gesamthandbegriff“ in seinem Lehrbuch rezipiert (Rn. 477–482) und sei dann zu Gier-
A. Eine Hinführung
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geschichte der Gesamthand im geltenden Recht, vor allem des BGB, sodass Flume und die ganz h. M., die ihm als Gruppenlehre darin folgt, durchaus zu Recht allein – wenn auch bloß vermeintlich – an Gierke anknüpfen, um das Gesamthandsprinzip im BGB zu verwirklichen.9 Die Figur der realen Verbandsperson, von einem Rechtssubjekt also, das als Substrat einen menschlichen Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt hat und deshalb wirklich ist, hat zwar nicht erst Gierke aufgezeigt, vielmehr greift Gierke auf Vorstellungen zurück, die schon Georg Beseler (1809–1888) in seiner (älteren) Genossenschaftstheorie entwickelt hatte.10 Sein Genossenschaftsbegriff beinhaltete indes noch Gebilde, die erst Gierke als Gemeinschaften zur gesamten Hand einordnet.11 Nur so kann Beseler die enorme Vielfalt von Vereinigungen (d. h. Korporationen) im deutschen Recht erfassen, bei denen in ke gelangt. Dennoch ist Gierke der erste, der die „Konstruktion der Gesamthand vertieft behandelt“ (Rn. 482) und dadurch die Rechtsfigur der deutschen Gesamthand als Rechtsprinzip ausarbeitet. Die moderne Gesamthand, so wie sie heute in den §§ 718, 719, 738 BGB für die BGB‑Gesellschaft als „Urfigur“ der „Gesamthand an sich“ (Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2) zum Ausdruck kommt, nimmt ihren Anfang insofern erst bei Gierke. 9 Flume, ZHR 136 (1972), 177, 184–193; ders., Die Personengesellschaft, 1977, S. 50–62 (und öfter); BGHZ 146, 341, 344; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 298; K. Schmidt, NJW 2001, 993, 994–995, wonach sich Flume mit „seinem folgenreichen ZHR‑Aufsatz“ aus dem Jahr 1972 ausdrücklich an die „verdienstvollen Arbeiten“ Gierkes angeschlossen hat. 10 Beseler; Volksrecht und Juristenrecht, 1843, S. 161. Eine „Mehrheit von Personen“ (als Korporation) bezeichnet schon Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1, 1873, S. 232, als eine „tatsächliche Grundlage“, welcher der Staat lediglich die Eigenschaft als juristische Person „beilegt“. Schröder, Zur älteren Genossenschaftstheorie. Die Begründung des modernen Körperschaftsbegriffs durch Georg Beseler, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 399–459. 11 Für Beseler, Volksrecht und Juristenrecht, 1843, S. 163–165, erfasst der Begriff der Genossenschaft im deutschen Recht auch solche Vereinigungen, bei denen „unter mannigfaltigsten Kombinationen das Recht der Gesamtheit mit dem der einzelnen Mitglieder durchwachsen ist“ (S. 164). Die Gesellschaft ist für ihn bloß eine modifizierte societas (des römischen Rechts), noch nicht eine deutsche Gesamthand (S. 167). Erst Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1, 3. Aufl. 1873, S. 249, stellt ebenso wie Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 923, die Genossenschaft als „Rechtssubjekt“ und die Gesamthand als „Rechtsverhältnis“ einander gegenüber. Das übersieht jedoch Seif, ZRG GA 118 (2001), 302, 307–308, die davon ausgeht, dass schon Beseler und nicht erst Gierke „den Gegensatz zwischen Gesamthand und Genossenschaft begründet“ habe. Denn anders als Seif, aaO., S. 307 mit Fn. 35, es annimmt, stimmt Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1, 1847, S. 377–382, insofern nicht mit der von ihr benutzten vierten Auflage aus dem Jahr 1885 überein, sodass Beseler noch nicht 1847, sondern erst 1873 und damit im selben Jahr wie Gierke von einem Gegensatz zwischen Genossenschaft und Gesamthand ausgegangen ist. Schon in der ersten Auflage von 1847 findet sich die „materielle Rechtsgemeinschaft“, die unter Mehreren stattfindet, dabei im Gegensatz zum Verein als einer juristischen Person aber kein „neues selbständiges Rechtssubjekt“ begründet (S. 358–359). Darin erkennt Schröder, Zur älteren Genossenschaftstheorie. Die Begründung des modernen Körperschaftsbegriffs durch Georg Beseler, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 399, 415, bereits die Rechtsfigur der (späteren) Gesamthand.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
unterschiedlichem Ausmaß körperschaftliche und gesellschaftliche Elemente und damit die Momente von Einheit und Vielheit miteinander vermischt sind. Dieser Rechtswirklichkeit ist es denn auch geschuldet, dass selbst Gierke, der „eine unüberbrückbare begriffliche Kluft“ zwischen Körperschaft und Gesamthand ausmacht, „eine Fülle von Zwischengebilden“ zulassen muss, die im deutschen Recht dann doch wieder diese Kluft ausfüllen.12 Gesamthand und Körperschaft sind deshalb zwar begrifflich scharf voneinander getrennt, nicht aber tatsächlich. Doch auch wenn sich eine Körperschaft selbst bei Gierke einer Gemeinschaft zur gesamten Hand „stark annähern“ kann und umgekehrt, sodass die eine wie die andere erscheint, bricht sich doch bei ihm erstmals der Begriff von einer Gesamthand Bahn, bei der mehrere Rechtssubjekte „in Gemeinschaft“ (d. h. als „Personeneinheit“) Rechte und Pflichten haben und in diesem Sinn „kollektiv rechtsfähig“ sind, ohne aber ein Rechtssubjekt zu sein.13 Die Dogmengeschichte der Gesamthand des BGB setzt demnach in der Tat erst wirklich mit der germanistischen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts ein, so wie sie ihre begriffliche Prägung in den Werken Gierkes gefunden hat.
B. Die h. M. und ihre Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson I. Die Fehldeutung der realen Verbandsperson als juristische Person Der BGH stützt seine Auffassung, die BGB‑Gesellschaft sei ein Rechtssubjekt, ausdrücklich „auf die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts“ und verweist dabei als Beleg allein auf Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682.14 Dort beschreibt Gierke die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft zur gesamten Hand: „Kraft der gesamten Hand ist die verbundene Personenmehrheit als solche rechtsfähig. Sie kann Rechte und Pflichten haben, die zwar keiner von den verbundenen Personen verschiedenen Verbandsperson, ebenso wenig aber den einzelnen Gemeinern für sich zustehen.“ Der BGH zitiert diese Textstelle zwar nicht im Wortlaut; dass er sich gleichwohl auf diese Aussage von Gierke bezieht, wird durch den unmittelbar daran anschließenden Verweis des BGH auf Flume, ZHR 136 (1972), 177, 186 (= Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 53) deutlich.15 Die Ansicht, die Gesellschaft selbst sei ein Rechtssubjekt, „wurde“, so der BGH, „maßgeblich 12 13
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 480. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682. 14 So ausdrücklich BGHZ 146, 341, 344. 15 BGHZ 146, 341, 344.
B. Die h. M. und ihre Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson
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durch Flume (aaO. S. 50 ff.; ZHR 136 [1972], 177 ff.) in die moderne Diskussion eingeführt und hat sich im neueren Schrifttum weitgehend durchgesetzt“.16 Die Auffassung, die Gesamthand sei als verbundene Personenmehrheit – „wir sagen: als Gruppe“ – rechtsfähig und daher „die Gruppe als solche Rechtssubjekt“,17 hat Flume in ausdrücklicher Anknüpfung an Gierke entwickelt und in diesem Kontext die Aussage von Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682, wortwörtlich zitiert.18 Aus der Sicht von Flume bildet daher jene das Fundament für den Begriff der Gesamthand als einem Rechtssubjekt. Zentral für Flume ist dabei die Aussage Gierkes, die Gesamthand sei nicht eine von den verbundenen Personen verschiedene Verbandsperson. Auf diese Weise grenzt Gierke, so Flume ausdrücklich, die Gesamthand als „verbundene Personenmehrheit“ von der juristischen Person als „Verbandsperson“ ab,19 wobei Flume explizit auf Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682, verweist.20 Auch insofern folgt ihm der BGH, wenn er betont, die Gesellschaft sei als Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder Träger der Rechte und Pflichten und nicht aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit als solcher wie bei der juristischen Person.21 Flume und ihm folgend der BGH gehen von dem Ausdruck der juristischen Person aus und übertragen dessen Bedeutungsinhalt auf den der Verbandsperson. Für Flume ist die juristische Person des BGB im Anschluss an Savigny ein Rechtssubjekt, das derart gegenüber seinen Mitgliedern verselbständigt ist, dass es selbst dann noch fortbesteht, wenn es keine Mitglieder (mehr) hat.22 Eine juristische Person, die ohne Mitglieder existiert, ist aber nichts anderes als eine Anstalt, und deshalb ist die Anstalt, im BGB also die Stiftung, „die juristische Person in Reinkultur“ (Rittner).23
16
17
56).
18 19
BGHZ 146, 341, 344. Flume, ZHR 136 (1972), 177, 188, 189 (= Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55,
Flume, ZHR 136 (1972), 177, 186 (= Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 53). Flume, ZHR 136 (1972), 177, 188 (= Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55). 20 Flume, ZHR 136 (1972), 177, 188, Fn. 47 (= Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55, Fn. 29). 21 So ausdrücklich BGHZ 146, 341, 347. 22 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 98 mit Fn. 37, dort verweist Flume auf Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 280. Davon geht auch Aderhold, Das Schuldmodell der BGB‑Gesellschaft, 1981, S. 121, aus, ohne sich dabei allerdings auf Flume oder Savigny zu beziehen, er führt seine Ansicht vielmehr (vermeintlich) auf Gierke selbst zurück. 23 Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850; auch nach BGHZ 99, 344, 349, ist die (selbständige) Stiftung „eine juristische Person ohne Mitglieder“.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
II. Die reale Verbandsperson des deutschen Rechts (Gierke) 1. Die reale Verbandsperson als Körperschaft Eine solche juristische Person ist für Gierke aber „ein durch Fiktion gewonnener künstlicher Rechtsträger“, oder eine „künstliche Schöpfung“ des Rechts, indem das Recht ein „Nichts zu Etwas“ umdichtet (creatio ex nihilo).24 Anders als die reale Verbandsperson des deutschen Rechts ist die juristische Person (des römischen Rechts) nicht an einen menschlichen Verband als sinnlich wahrnehmbare Entität in der Körperwelt rückgebunden. Sie setzt ihn nicht voraus und ist demgemäß nicht von ihm abhängig. Der menschliche Verband bildet hier also nicht die „tatsächliche Unterlage“ für seine rechtliche Eigenschaft als Rechtssubjekt.25 Und weil deshalb die juristische Person im eigentlichen Wortsinn keine Mitglieder hat, kann sie auch ohne solche existieren. Sie ist daher stets eine Anstalt. Weil das Substrat der Verbandsperson ein menschlicher Verband in der Körperwelt ist, ist die Verbandsperson für Gierke „eine wirkliche und volle Person gleich der Einzelperson, jedoch im Gegensatze zu dieser eine zusammengesetzte Person“.26 Denn die Menschen, die sie real formen, verbinden sich zu einem „Gebilde höherer Ordnung“, einem „sozialen Ganzen“, das mehr als die Summe ihrer Teile ist, gleichzeitig aber in den Menschen als ihren Teilen existiert und daher in ihnen sinnlich wahrnehmbar ist.27 Anders als die juristische Person erschafft das Recht die Verbandsperson nicht, sie besteht vielmehr aus und durch sich selbst und wird vom Recht dementsprechend bloß erkannt und anerkannt.28 Das Recht legt dem menschlichen Verband lediglich die Eigenschaft als Rechtssubjekt bei (impositio).29 Dieser Akt hat daher insofern allein deklaratorische (d. h. feststellende), oder allenfalls affirmative Wirkung.30 Die juristische Person im BGB erlangt demgegenüber erst durch die 24 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 40; ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 17. 25 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22 (Zitat). 26 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 27 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. 28 So ausdrücklich Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 40; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. 29 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 21: „Dem Rechte und ihm allein gebührt die Entscheidung, ob ein irgendwie beschaffenes Etwas die Eigenschaft eines Rechtssubjektes hat oder nicht. Wenn daher der Staat Rechtssubjektivität beilegt, so produziert er hierdurch niemals unmittelbar ein Rechtssubjekt, sondern er schafft entweder oder konstatiert einen Rechtssatz, welcher das Dasein eines Rechtssubjektes bejaht.“ (Hervorhebung nicht im Original). 30 Die Anerkennung des menschlichen Verbands als Verbandsperson (d. h. als Rechtssubjekt) ist indes insofern konstitutiv, als sich erst und ausschließlich durch einen Rechtssatz aus dem menschlichen Verband als Träger in der sinnlichen Welt die Verbandsperson in
B. Die h. M. und ihre Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson
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Eintragung in ein öffentliches Register (§ 21 BGB) oder durch die hoheitliche Verleihung (§ 22 BGB) ihr rechtliches Dasein; der staatliche Akt ist hier konstitutiv, so zumindest Flume, wenn er betont, dass die juristische Person derart von ihren Mitgliedern losgelöst ist, dass sie auch ohne Mitglieder fortbestehen kann.31 Denn wenn der menschliche Verband nicht die tatsächliche Grundlage (Substrat) für die juristische Person ist, kann im Umkehrschluss erst der staatliche Akt die juristische Person als eine rein rechtliche Entität und damit als ein ideales Gebilde ins Dasein rufen. Auch wenn Gierke die Verbandsperson vereinzelt als „juristische Person“ bezeichnet,32 legt er dann dem Begriff der juristischen Person sein Verständnis von der Verbandsperson zugrunde. Deshalb lehnt er den Ausdruck „juristische Person“ insofern als „irreführend“ ab, „wenn er der ‚natürlichen‘ oder ‚physischen‘ Person eine lediglich durch juristische Kunst oder für juristische Zwecke geschaffene Person entgegensetzen will“.33 Mit dieser Formulierung greift Gierke fast wortgleich auf die Definition der juristischen Person bei Savigny zurück, wonach die juristische Person als ein künstliches, durch bloße Fiktion angenommenes Subjekt „eine Person“ ist, „welche bloß zu juristischen Zwecken angenommen wird“.34 Aus diesem Grund bezeichnen der Begriff der deutsch-rechtlichen Verbandsperson (Gierke) und der der römisch-rechtlichen juristischen Person (Savigny) – römisch-rechtlich, weil Savigny seine juristische Person und damit die des heutigen BGB aus dem römischen Recht herleitet – unterschiedliche Rechtssubjekte, oder (Rechts-) Personen, und zwar hier die Anstalt und dort die Körperschaft.
2. Die reale Verbandsperson als Anstalt Unter die „Verbandsperson“ fasst Gierke jedoch nicht nur die Körperschaft, sondern auch die Anstalt.35 Die Anstalt, die Gierke hier vor Augen hat, ist eine des deutschen Rechts und steht daher im Gegensatz zu der des römischen Rechts. Während die römisch-rechtliche Anstalt unabhängig von ihren Mitgliedern existiert und infolgedessen selbst als Körperschaft im eigentlichen der Welt des Rechts ableitet und dort erst jetzt als Rechtssubjekt existiert (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 487). 31 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 98; BGHZ 146, 341, 347. 32 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469. 33 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469, Fn. 3. 34 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 236. 35 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 474. Der Vorwurf von Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 1, Gierke habe eine „verengte Körperschaftsperspektive unter Ausschluss der Anstalten und Stiftungen“ eingenommen, trifft deshalb nur dann zu, wenn Reuter hier den römisch-rechtlichen Anstaltsbegriff zugrunde legt. Auf demselben Missverständnis beruht es, wenn K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 7 II 1 a) (S. 173, Fn. 25), es ablehnt, mit Gierke die Stiftung und mit ihr die Anstalt als (reale) Verbandsperson zu bezeichnen („schwerlich haltbar“).
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
Wortsinn keine (Mit-) Glieder hat, hat die Anstalt im deutschen Recht ebenso wie die Körperschaft einen menschlichen Verband als „tatsächliche Unterlage“;36 auch sie ist daher eine „zusammengesetzte Person“.37 Und weil sie deshalb eine „reale Verbandspersönlichkeit“ hat, ist die Anstalt des deutschen Rechts eine „wirkliche und volle Person“ und nicht wie die Anstalt des römischen Rechts „eine bloß erdichtete Person“.38 Wenn Gierke die Verbandspersonen in Körperschaften und Anstalten untergliedert, beruht dies auf seiner Vorstellung von einem „uralten Dualismus von Genossenschaft und Herrschaft“ im deutschen Recht, hier Über- und Unterordnung, dort Gleichordnung.39 Der Körperschaft liegt das genossenschaftliche, der Anstalt das herrschaftliche Prinzip zugrunde. Wenn die Anstalt in diesem Sinn ein Herrschaftsverband ist, stehen sich ein „Herr“ und eine Vielheit von ihm „Unterworfenen“ gegenüber.40 Hinter der Rechtsfigur der deutsch-rechtlichen Anstalt steht für Gierke das Bild des Körpers mit Haupt und Gliedern und damit die Vorstellung von der Kirche als dem mystischen Leib Christi (corpus mysticum), bei dem Christus das Haupt ist und alle Gläubigen die Glieder, sodass Christus und seine Kirche „Eine Person“ sind, welche die gesamte Christenheit umfasst.41 Denn „unzweifelhaft“, stellt Gierke ausdrücklich fest, „war es das kanonische Recht, welches den Anstaltsbegriff zuerst und in voller Reinheit und Schärfe ausprägte“.42 Die Anstalt im deutschen Recht hat hiernach wie die Körperschaft (Mit-) Glieder und damit sinnlich erfahrbare Menschen, die sie real bilden, sie ist deshalb eine „zusammengesetzte Person“ und besitzt im Recht eine „reale Verbandspersönlichkeit“.43 Körperschaft und Anstalt unterscheiden sich für Gierke nur darin, dass die Persönlichkeit der Körperschaft aus ihren Mitgliedern, dem Verband, und daher aus ihr selbst „stammt“, während die Persön36 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22 (Zitat). 37 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 38 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 (Zitate). 39 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 959. 40 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 43. 41 So ausdrücklich Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 547 mit Fn. 62; hierauf verweist ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 458, Fn. 4. 42 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 959; ähnlich auch ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 459. 43 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 474, ist nicht nur die Körperschaft, sondern auch die Anstalt (und damit die Stiftung) eine Verbandsperson. Eine Verbandsperson ist ein als Rechtssubjekt (d. h. Person) anerkannter menschlicher Verband (S. 469). Bei der Stiftung verkörpert sich nun der Wille des Stifters im menschlichen Verband (als realen Willensträger) und lebt dort fort (S. 648). Die Stiftung hat dennoch insofern keine Mitglieder (S. 655), weil die Menschen, die den menschlichen Verband real bilden, sich allein in den Dienst des Stifterwillens stellen und nicht selbst einen Willen bilden und danach handeln (so aber die Körperschaft). Das unterscheidet die Stiftung (als Anstalt) bei Gierke maßgeblich von der bei Savigny.
B. Die h. M. und ihre Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson
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lichkeit der Anstalt ihr von außen „eingepflanzt“ ist.44 Wie Christus die Gläubigen zu seinem Volk Gottes vereint, indem er die Kirche ins Dasein ruft und erhält, er deshalb der Stifter seiner Kirche ist, empfängt die Anstalt als Verband ihre rechtliche Persönlichkeit nicht aus sich selbst heraus, sondern von außen durch den „schöpferischen Willen des Stifters“, der die Anstalt nicht bloß ins Leben ruft, sondern „auch fort und fort das belebende und bestimmende Prinzip derselben bildet“.45 Auch in diesem Kontext betont Gierke die „ganz besondere Wichtigkeit (…) des kanonischen Rechts“, durch dessen Vermittlung „auch dem Privatwillen die Möglichkeit“ gegeben wurde, „Anstalten mit Rechtspersönlichkeit“, d. h. Stiftungen, „ins Leben zu rufen“.46 Der Stifter trennt hier „Stücke der Persönlichkeit, einzelne Willenssplitter“, von sich ab, die sich von ihm als sinnlich erfahrbarem Menschen lösen und dadurch getrennt von ihm gleichsam ein unkörperliches Dasein im Recht führen.47 Um im Recht ein Subjekt oder eine Person zu sein, muss der Stifterwille aber in einem „Träger von freiem Willen“ wieder materielle Gestalt annehmen.48 Der Stifterwille muss sich in einem „lebendigen Willensträger“ verkörpern, soll er nicht „tot und machtlos“ bleiben.49 Und weil ausschließlich der Mensch als Einzelner oder als Verband ein zum Rechtssubjekt geeigneter Willensträger ist,50 bildet der menschliche Verband den „Körper“, in dem sich der fortwirkende Stifterwille als „Seele“ manifestiert.51 Der zu diesem Zweck „hergestellte Verband von Menschen“ stellt sich in den Dienst des Stifterwillens, indem er den Stifterwillen als Wollen und Handeln der Anstalt in die Tat umsetzt.52 Der menschliche Verband unterwirft sich hier dem Stifterwillen als seinem Herrn, sodass er das Haupt und die Menschen die Glieder sind. Damit wird auch der Unterschied zwischen Körperschaft und Anstalt im deutschen Recht deutlich: Der menschliche Verband erzeugt in der Körperschaft aus sich selbst heraus (autonom) einen einheitlichen Gemeinwillen und verwirklicht diesen eigenen Willen im Wollen und Handeln der Verbandsperson. In der Anstalt legt der Stifter dem menschlichen Verband seinen und daher fremden 44
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 474.
45 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 968. 46 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 962. 47 48
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265; siehe auch ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 12, Fn. 3, wonach es eine „zu spiritualistische Fassung“ eines richtigen Gedankens ist, wenn man den fortbestehenden Willen des Stifters ohne weiteren Zusatz als Subjekt des Stiftungsvermögens bezeichnet. Denn, so Gierke, „nur ein verkörperter Wille ist hier wie überall zum Rechtssubjekt geeignet“ (Hervorhebung im Original). 49 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 648, und ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 12, Fn. 3 (Zitate). 50 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265, 267. 51 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 647. 52 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 647.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
Alleinwillen von außen auf (heteronom), den dann der menschliche Verband im Leben der Verbandsperson auszuführen hat. Stiftung und Anstalt haben als Rechtssubjekt demnach im deutschen Recht immer einen menschlichen Verband als tatsächliche Unterlage und sind daher eine reale Verbandsperson. Die Anstalt im römischen Recht und mit ihr die Stiftung im BGB ist dagegen ausschließlich als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) ein Rechtssubjekt. Die Stiftung hat Menschen, die sich als „gesetzliche Vertreter“ (§§ 86 Satz 1, 26 Abs. 1 Satz 2 BGB) in den Dienst des fortwirkenden Stifterwillens stellen, nicht aber wirklich (Mit-) Glieder. Es fehlt hier demzufolge an einer Vielheit von Unterworfenen, über die der Stifterwille herrscht. Das Bild des Körpers mit Haupt und Gliedern passt daher nicht auf die römisch-rechtliche Anstalt und damit auch nicht auf die Stiftung des BGB. Der Anstaltsbegriff unterscheidet sich mithin im deutschen und römischen Recht darin, dass hier ein menschlicher Verband realer Träger des Rechtssubjekts Anstalt ist, dort ein solcher in der Körperwelt fehlt. Da die ganz h. M. in dieser Weise Körperschaft und Stiftung (Anstalt) voneinander abgrenzt, d. h. die Körperschaft einen Personenverband hat, der Stiftung ein solcher aber fehlt,53 ist inhaltlich der Gegensatz zwischen Verbandsperson und juristischer Person der zwischen Körperschaft und Anstalt (Stiftung).
III. Die daraus resultierende Fehldeutung der Gesamthand als reale Verbandsperson Wenn nun Flume die Verbandsperson mit der juristischen Person gleichsetzt, wird aus der Körperschaft eine Anstalt und so aus der Verbandsperson eine bloß gedachte Einheit und daher ein nomen iuris, ein reiner Rechtsbegriff, der losgelöst von seinem realen Träger in der Körperwelt, dem menschlichen Verband, ist. Die Verbandsperson verliert dadurch ihre reale Verbandspersönlichkeit und ist deshalb nicht mehr eine „wirkliche und volle Person“, sondern eine „bloß erdichtete Person“.54 Auf diese Weise beseitigt Flume also einerseits die Figur der Verbandsperson, belebt sie jedoch andererseits wieder, so hier noch als These, indem er das, was er als Gesamthand bezeichnet, als (reale) Verbandsperson und damit als Körperschaft missversteht, und zwar als Rechtssubjekt, das auf der einen Seite rechtlich gegenüber seinen Mitgliedern verselbständigt ist, auf der anderen Seite aber tatsächlich die Gesamtheit der Mitglieder, d. h. der menschliche Verband, ist. Diese Fehldeutung der Gesamthand übernimmt Flume dabei von der h. M. zum römischen Recht, die im cor53 Weitemeyer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 80 Rn. 1; so ausdrücklich BGHZ 99, 344, 349, wonach die selbständige Stiftung rechtlich „als eine juristische Person ohne Mitglieder“ konstruiert ist. 54 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 (Zitate).
C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand
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pus (ex distantibus) ebenfalls zu Unrecht eine Gesamthand sieht, obgleich es sich auch hier um eine Körperschaft und damit um eine reale Verbandsperson i. S. des deutschen Rechts handelt.55 Die Gesamthand ist eine juristische Konstruktion der Germanistik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.56 Deshalb greifen Flume und mit ihm der BGH durchaus zu Recht „auf die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts“ zurück, und hier namentlich auf Gierke, um das Gesamthandsprinzip für die Gesellschaft zu verwirklichen.57 Weil sie aber in diesem Kontext übersehen, dass für Gierke eine „personenrechtliche Gemeinschaft“, zu der auch die Gemeinschaft zur gesamten Hand gehört,58 „im Gegensatze zur Verbandsperson (…) ein Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt“ ist,59 deuten sie die Rechtsfigur der Gesamthand zu einer Verbandsperson und damit zu einer deutsch-rechtlichen Körperschaft um. Damit wird auch hier deutlich, dass sich die Begriffe der Gesamthand und der realen Verbandsperson zwingend gegenseitig erhellen, und nur der imstande ist, die Rechtsfigur der Gesamthand zu verstehen, der um den Begriff der Körperschaft (Genossenschaft), im deutschen Recht weiß, zumindest so, wie Gierke ihn mit seiner germanistischen Verbandsperson entworfen hat.
C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand im deutschen Recht (Gierke) I. Der alte Genossenschaftsbegriff Körperschaft und Gesamthand haben für Gierke in der Genossenschaft des älteren Rechts einen gemeinsamen Ursprung. Das menschliche Denken dieser Zeit und deshalb auch das Rechtsbewusstsein waren noch voll und ganz im sinnlich Wahrnehmbaren, der stofflichen und dinglichen Erscheinungswelt verhaftet. Wirkliche und rechtliche Welt waren gedanklich nicht voneinander getrennt. Was in der körperlichen, wirklichen Welt feststand, galt deshalb auch 55 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 62 mit Fn. 56, verweist ausdrücklich auf Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, 1971, § 72, der dort (S. 303) den römischen Verband als eine Gesamthand des deutschen Rechts fehldeutet. Dazu oben Fn. 6. 56 Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 63; Seif, ZRG GA 118 (2001), 302. 57 BGHZ 146, 341, 344. 58 So Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 663: „Die personenrechtlichen Gemeinschaften zerfallen auch heute vor allem in genossenschaftliche und herrschaftliche Gemeinschaftsverhältnisse. Wir bezeichnen jene unter Verwertung des noch nicht abgestorbenen deutschen Rechtsausdrucks als Gemeinschaften zur gesamten Hand, diese als Gemeinschaften kraft herrschaftlicher Gewalt.“ 59 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
in der Welt des Rechts. Alles war Tatsachen-, nicht Rechtsfrage.60 Die Momente von Einheit und Vielheit waren damit übereinstimmend ebenfalls in der dinghaften Vorstellung der damaligen Menschen tatsächlich noch ungeschieden, sodass, zumindest Gierke zufolge, das Ganze für die Menschen nicht mehr, nicht etwas anderes als die bloße Summe seiner Teile war. Ein Schiff (navis) bspw. war demnach nicht etwas anderes als die Planken oder Bretter (tabula), aus denen es bestand.61 Das menschliche Denken ging hier noch nicht über die Vielheit der Planken oder Bretter hinaus, die man unmittelbar sehen und anfassen kann, es erfasste aus ihnen noch nicht das Schiff als eine „unsinnliche Einheit“, als eine „Abstraktion“.62 Stattdessen war für die Menschen das Schiff tatsächlich das Eine, das aus Vielen besteht. Was für das dinghafte Denken galt, traf deswegen auch auf das Rechtsbewusstsein zu. Die sinnlich wahrnehmbaren, individuellen Menschen bildeten demgemäß nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich die Genossenschaft. Die Genossenschaft als Rechtssubjekt war nichts anderes als die reale Gesamtheit der Genossen, die daher Träger der Rechte und Pflichten waren. Und weil demzufolge der Begriff der Genossenschaft für die Gesamtheit der 60 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 38. 61 Auf das Bild des Schiffes greifen schon die römischen Juristen
zurück, um die Identität einer Sache als Ganzes im Wechsel ihrer Teile zu veranschaulichen (D. 41, 3, 30 pr. [Sabinus]; D. 5, 1, 76 [Alfenus] und öfter). Sie knüpfen damit an das „Schiff des Theseus“ aus der griechischen Antike an, welches dort den Philosophen als Beispiel für die Streitfrage diente, ob eine Sache (Schiff) selbst dann noch dieselbe ist, wenn ihre Teile (Planken, Bretter) ausgetauscht worden sind. Das „Schiff des Theseus“ geht auf den griechischen Helden Theseus, den Sohn des Königs von Athen, zurück. Die Athener mussten, so erzählt es die griechische Mythologie, zur Zeit des Theseus an Minos, den König von Kreta, per Schiff alle neun Jahre sieben Jungen und sieben Mädchen („zweimal sieben“) als Opfergabe für den Minotaurus (einem Wesen halb Mensch und halb Stier) schicken. Aus diesem Grund fuhr Theseus mit dem Schiff und den ausgelosten Opfern nach Kreta, tötete dort schließlich den Minotaurus im Labyrinth, rette dadurch seine Landsleute und auch sich selbst und kehrte mit ihnen wieder nach Athen zurück. Und weil sie vor ihrer Abreise dem Gott Apollon gelobt hatten, „wenn sie gerettet würden, ihm jedes Jahr einen Festzug“ (d. h. ein „bekränztes“ Schiff mit Opfern und Weihegeschenken) „nach Delos zu senden“ (denn auf der Insel Delos befand sich ein Heiligtum des Gottes Apollon), sandten sie „seitdem immer und auch jetzt noch jährlich an den Gott“ dasselbe Schiff, auf dem „einst Theseus fuhr“ (Platon, Phaidon 57a und b). Von diesem „Schiff des Theseus“ berichtet der griechische Schriftsteller Plutarch (45–125 n. Chr.) (Vitae parallelae, Theseus 23), dass die Athener dieses Schiff fast tausend Jahre sorgfältig aufbewahrten und versuchten, es dadurch zu erhalten, dass sie die alten Planken, die mit der Zeit verrotteten, durch neue ersetzten: „Das Schiff, auf dem Theseus mit den jungen Menschen ausfuhr und glücklich heimkehrte, den Dreißigruderer, haben die Athener bis zu den Zeiten des Demetrios von Phaleron aufbewahrt, indem sie immer das alte Holz entfernten und neues, festes einzogen und einbauten, derart, dass das Schiff den Philosophen als Beispiel für das vielumstrittene Problem des Wachstums diente, indem die einen sagten, es bleibe dasselbe, die anderen das verneinten.“ Dazu Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 37–39; Behrends, Index, 37 (2009), 397–452; VG Frankfurt am Main, ZUR 2010, 324, 325; Tiedemann, Das Schiff des Theseus – Philosophie in der juristischen Praxis, JA 2012, 8–13. 62 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471 (für die Verbandsperson).
C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand
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jeweiligen Mitglieder stand, waren sie (d. h. die Genossen als Teile) Zuordnungsendpunkte der Rechte und Pflichten und nicht die Genossenschaft als eine von ihnen verschiedene Einheit (d. h. als ein Ganzes).63 Kam es in dieser Situation zu einem Mitgliederwechsel, indem ein Genosse ausschied oder ein neuer hinzukam, war zu klären, ob die Genossenschaft (Einheit) noch dieselbe war, obwohl sich die Gesamtheit der Genossen (als Vielheit), geändert hatte. War das Ganze noch dasselbe, wenn ein Teil ausgetauscht worden war? War das Schiff (navis) auch dann immer noch das bisherige, das insofern alte Schiff, wenn eine oder mehrere seiner Planken, oder Bretter (tabula), ja allesamt ausgewechselt worden waren? Weil im sensualistischen Denken der Germanen die Genossenschaft als Ganzes nicht mehr als die Gesamtheit der Genossen und damit als die Summe seiner Teile war, entstand durch den Mitgliederwechsel zwangsläufig nicht bloß eine veränderte Gesamtheit (Summe von Teilen; Vielheit), sondern zugleich eine neue Genossenschaft als ein Ganzes (Einheit). Die bisherige Genossenschaft hörte auf, zu existieren, und gleichlaufend dazu bildete sich eine neue.64 Gierke zufolge sei man sich gleichwohl der Identität zwischen alter und neuer Genossenschaft durchaus bewusst gewesen.65 Anstatt aber nun die Veränderung der Vielheit der Genossen gleichsam in der sinnlich wahrnehmbaren Welt zu belassen und zugleich die Kontinuität der Einheit der Genossenschaft in die ideelle Welt des Rechts zu heben, d. h. die Genossenschaft als solche zum Rechtssubjekt (Rechtsträger) zu erklären, behalf man sich mit der Vorstellung, die neue Gesamtheit trete als „Erbin und Rechtsnachfolgerin“ an die Stelle der alten.66 Allein über diesen Umweg der Gesamtrechtsnachfolge gelang es dem „der Abstraktion ermangelnden Bewusstsein“, den Fortbestand der mit der alten Genossenschaft bestehenden Rechtsverhältnisse zu gewährleisten.67 Das Schiff (navis) blieb hier also nicht dasselbe, wenn Planken oder Bretter ausgetauscht worden waren; es bewahrte noch nicht seine Identität im Wechsel seiner Teile. Das bisherige Schiff hörte auf, zu existieren und gleichzeitig entstand ein neues, das dessen Platz in der sinnlich wahrnehmbaren Körperwelt und dadurch auch im menschlichen Bewusstsein einnahm. 63 Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 156–157, im Anschluss an Rehme, Deutsches Recht, 1931, S. 315, 395. 64 Nach Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 358, gab es diese Vorstellung auch im römischen Recht, und zwar bei der societas, die sich durch Tod oder Kündigung eines der socii rechtlich auflöste, durch die Vereinbarung der anderen socii aber als neue societas an die Stelle der bisherigen trat. Und weil für Wieacker die Gesamthand eine (modifizierte) societas ist (S. 354), ist auch sie an die Personen, die sie vereinbart haben, gebunden und kann deshalb an sich nicht als dieselbe fortbestehen, wenn einer oder alle der ursprünglichen Gesellschafter gewechselt haben (S. 357–358). 65 So ausdrücklich Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 53. 66 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 53. 67 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 47 (Zitat).
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
Da die Genossenschaft nichts anderes als die Gesamtheit der Mitglieder war, wurde nicht nur die Genossenschaft als Einheit berechtigt und verpflichtet, sondern auch immer zugleich die einzelnen Genossen als Vielheit.68 Für die heutige Rechtsvorstellung waren daher neben der Genossenschaft zusätzlich immer auch die einzelnen Genossen Schuldner und Gläubiger. Eine solche rechtliche Einordnung gab es im älteren deutschen Recht aber nicht. Berechtigtes oder verpflichtetes Rechtssubjekt waren stets ausschließlich die Genossen, und zwar, als Ganzes, oder Gesamtheit („insgemein“), und jeder für sich als unverbundene Einzelperson („sonderlich“).69 Allein in diesem Sinn hafteten die Mitglieder (Genossen) persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Schulden der Genossenschaft, eben, weil sie als Gesamtheit (d. h. als Ganzes) die Genossenschaft waren, aber das auch nur so lange, wie sie als Genossen Teil des Ganzen waren.70 Das Moment der Einheit trat aber auch hier, ähnlich wie schon beim Mitgliederwechsel, bei der Genossenschaft schrittweise dadurch in den Vordergrund, dass die Gläubiger zunächst die Genossenschaft, d. h. das gemeinschaftliche Vermögen, in Anspruch nehmen mussten und erst im Anschluss daran auf die einzelnen Genossen jeweils persönlich und damit auf deren Privatvermögen zurückgreifen konnten.71 Die Genossen und nicht die Genossenschaft als solche waren Zuordnungsendpunkte der die Genossenschaft treffenden Rechte und Pflichten. Berechtigtes und verpflichtetes Subjekt im konkreten Rechtsverhältnis waren die Genossen zwar nicht nur als Einzelne, d. h. jeder für sich („sonderlich“), der für die genossenschaftlichen Verbindlichkeiten „ratenweise“ auf seinen Anteil (Teilschuld) oder „solidarisch“ auf das Ganze (Gesamtschuld) haftete, vielmehr waren es in erster Linie die Genossen als Gesamtheit („insgemein“).72 Eigentum, dingliche Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten waren dementsprechend insofern gemeinsame Rechte und Pflichten einer Personenmehrheit und demgemäß die alte Genossenschaft scheinbar bloß eine Gemeinschaft zur gesamten Hand.
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Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 381–383. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 383–384. 70 Das hat auch Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 326, im Sinn, wenn für ihn die Gesellschafter deshalb für die Schulden der Gesellschaft persönlich („in eigener Sache“) einzustehen haben, weil „die Gesellschaft als Gruppe aus den Gesellschaftern besteht“ und daher „die Sache der Gesellschaft (…) auch die Sache eines jeden Gesellschafters“ ist. Dann müsste die persönliche Haftung jedoch ipso iure enden, sobald der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, da er jetzt nicht mehr zu der Gesellschaft als Gruppe dazugehört und darum die „Sache der Gesellschaft“ nicht mehr seine „eigene Sache“ ist. 71 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 383–384. 72 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 384. 69
C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand
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II. Der Unterschied der alten Genossenschaft zu Gesamthand und Körperschaft Anders als bei der Gemeinschaft zur gesamten Hand, zumindest so wie sie die germanistische Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts verstand, schob sich bei der alten Genossenschaft der Aspekt der Einheit verstärkt vor den der Vielheit. Denn für die gemeinschaftlichen Schulden Aller hafteten die individuellen Genossen als unverbundene Einzelpersonen, d. h. jeder für sich, nicht neben der Genossenschaft (so aber bei der deutschen Gesamthand), sondern bloß „dahinter“.73 Gläubiger der Genossenschaft mussten aus diesem Grund zunächst Befriedigung im gemeinschaftlichen Vermögen der Genossen suchen, bevor sie die einzelnen Genossen jeden für sich persönlich als Teiloder Gesamtschuldner in Anspruch nehmen und auf deren Privatvermögen zugreifen konnten. Da die Genossenschaft des älteren Rechts ferner Einheit und Vielheit zugleich und deshalb das Ganze dasselbe wie die Summe seiner Teile war, war ein Genosse anders als bei der (späteren) Gesamthand nur so lange Schuldner, wie er zu der Genossenschaft dazugehörte, er also Teil des Ganzen war. Seine Stellung als Schuldner war demgemäß insgesamt mit seiner Eigenschaft als Genosse untrennbar verknüpft. Sobald er aus der Genossenschaft ausschied und deshalb nicht mehr Teil des Ganzen war, hörte er nicht bloß auf, für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft insgemein einstehen zu müssen, sondern auch sonderlich (d. h. persönlich). Mit seinem Ausscheiden endete deswegen ipso iure sowohl seine gemeinschaftliche als auch seine persönliche Haftung (nicht aber so bei der Gesamthand). „Die Verbindlichkeit der Einzelnen“ wurde hier „durch die Mitgliedschaft in der Genossenschaft bedingt und bestimmt, sodass ihr Inhalt, ihr Umfang und ihre Dauer von dem Lebensgesetz des korporativen Organismus“ abhingen.74 Die Genossenschaft als die Gesamtheit ihrer Genossen war daher insofern das Subjekt in den konkreten Rechtsverhältnissen und damit Träger der Rechte und Pflichten und somit mehr Einheit als Vielheit. Trotzdem war die alte Genossenschaft noch nicht die Gesamtperson (d. h. die reale Verbandsperson), die sich später als Rechtssubjekt vor die einzelnen Genossen als ihre Mitglieder schieben oder zumindest neben sie treten sollte. Denn immer noch waren hier die Genossen und noch nicht eine von ihnen verschiedene Genossenschaft als selbständiges Rechtssubjekt die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Für Gierke vereinte der Genossenschaftsbegriff 73 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 384. 74 So ausdrücklich Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 920, zwar
zur neuen Genossenschaft (d. h. zur Körperschaft als realer Verbandsperson), doch lebt insoweit die alte bloß in der neuen Genossenschaft fort. Denn für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 458, ist das alte Genossenschaftsrecht nicht im neuen untergegangen, sondern hat sich darin vollendet.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
alter Art daher Körperschaft und Gesamthand in dem Sinn, dass „hier die selbständige Rechtspersönlichkeit der Einheit noch latent und dort die Nichtexistenz einer eigenen Gesamtpersönlichkeit noch unentschieden war“.75 „In dem Einen Begriff der Gesamtheit (d. h. in dem der Genossenschaft des älteren deutschen Rechts; Anm. d. Verf.) steckt ungetrennt und untrennbar noch das doppelte Merkmal, dass sie einheitliche Allgemeinheit und vielheitliche Summe von Individuen ist. Wird dieser Gesamtheit Recht zugeschrieben, so deckt sich dies weder mit unserem Begriff eines gemeinsamen Rechtes Aller (= Gemeinschaft zur gesamten Hand; Anm. d. Verf.) noch mit unserem Begriff des einheitlichen Gemeinwesens (= deutsch-rechtliche Körperschaft; Anm. d. Verf.): sondern es liegt eine Vorstellung vor, die noch keins von Beidem ist und doch den Keim von Beidem dergestalt in sich enthält, dass, wenn Beides dereinst geschieden werden sollte, eines oder das andere daraus hervorgehen kann. Die Gesamtheit ist Einheit und Vielheit zugleich und so ist auch ihr Recht zugleich einheitliches und vielheitliches Gesamtrecht: das ist die Vorstellung, mit der das unentwickelte Bewusstsein sich begnügt.“76
Nach Gierke ist die Genossenschaft des älteren deutschen Rechts weder eine Körperschaft noch eine Gemeinschaft zur gesamten Hand. Sie ist keine Körperschaft, weil sie noch nicht ein gegenüber der Gesamtheit ihrer Mitglieder rechtlich verselbständigtes Rechtssubjekt ist und daher nicht wie die Körperschaft einen Wechsel in ihrem Mitgliederbestand übersteht, d. h. ihre Identität nicht im Wechsel ihrer Teile bewahrt. Sie ist aber auch keine Gesamthand. Die Genossenschaft ist zwar, wie auch die Gesamthand, nichts anderes als die Gesamtheit ihrer aktuellen Mitglieder, die deshalb (als Vielheit) die Endpunkte der gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten sind. Die Gesamthand ist jedoch mehr Vielheit als Einheit. Die Mitglieder der Gesamthand werden (in der Regel) jeweils als ganze Person gebunden und sind daher als solche Schuldner. Sie haften deshalb mit ihrem gesamten Vermögen und daher selbst dann noch persönlich und unmittelbar mit ihrem Privatvermögen, nachdem sie aus der Gesamthand ausgeschieden sind. Anders als bei der alten Genossenschaft setzt ihre Stellung als persönliche Schuldner nicht ihre aktuelle Mitgliedschaft in der Gemeinschaft zur gesamten Hand voraus, sondern allein ihre Stellung als gemeinschaftliche Schuldner mit den anderen zusammen. Und demgemäß bleibt eine „Sonderhaftung“ des (ehemaligen) Gesamthänders für bereits entstandene gemeinschaftliche Schulden („Samtverbindlichkeiten“) selbst dann bestehen, wenn jener ipso iure durch seinen Austritt aufgehört hat, Mitträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten zu sein.77 Bei der alten Genossenschaft ist dagegen ein Genosse nur so lange gemeinschaftlicher, aber eben auch persönlicher Schuldner, wie er Mitglied der Ge75
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 383. S. 47–48.
76 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, 77 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691–692.
C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand
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nossenschaft ist. Sobald er aus der Genossenschaft ausscheidet, ist er weder gemeinschaftlicher noch persönlicher Schuldner. Seine „Teilhaberschaft“ an der Genossenschaft erlischt anders als bei der Gesamthand „ohne Rückstand“.78 Die alte Genossenschaft ist in diesem Sinn im Vergleich zur Gesamthand mehr Einheit als Vielheit, obschon bei beiden nicht sie selbst (als Einheit), sondern ihre Mitglieder (als Vielheit) die Endpunkte der (gemeinschaftlichen) Rechte, Forderungen und Schulden sind. Die alte Genossenschaft ist deswegen im deutschen Rechtsdenken „noch keins von Beidem“. Weil jedoch selbst Körperschaft und Gesamthand eine Gesamtheit von Menschen voraussetzen, die sie real (d. h. sinnlich erfahrbar) bilden, sind auch sie insofern die Gesamtheit ihrer Mitglieder, und enthält der Genossenschaftsbegriff des älteren deutschen Rechts schon „den Keim von Beidem“ in sich.
III. Der neue Genossenschaftsbegriff 1. Die deutsch-rechtliche Körperschaft als Genossenschaft Nun beginnt das deutsche Rechtsbewusstsein logisch zwischen tatsächlicher und rechtlicher Ebene zu differenzieren. Es erkennt im Recht eine von der wirklichen Welt abstrahierte, nur vorgestellte Welt.79 Und deshalb hebt Gierke für das Recht ausdrücklich hervor: „Denn das Recht ist seiner eigentlichen Substanz nach nicht ein Inbegriff von Tatsachen, sondern ein Inbegriff von Vorstellungen. Seine besondere Existenz ist lediglich das Werk menschlicher Bewusstseinsvorgänge, in deren Folge sich eine eigentümliche Vorstellungsreihe über einen damit ideell ausgesonderten Teilinhalt des sozialen Daseins bildet. Außerhalb des Rechtsbewusstseins gibt es kein Recht.“80
Schauplatz dieser rechtlichen Evolution ist Gierke zufolge die Stadt in der zweiten Hälfte des Mittelalters.81 Die Stadt ist für ihn der Prototyp, die „Ge78
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691 (Zitat). Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103. Diese gedankliche Trennung zwischen der Gesamtheit der verbundenen Personen (Genossenverband) als Teile von ihrer Einheit, d. h. von ihrem Ganzen, als einem Rechtssubjekt (Genossenschaft) hat nach Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 157, erst die vollständige gedankliche Beherrschung der „Abstraktion“ ermöglicht, „deren erst der entwickelte juristische Verstand fähig ist“ (Jhering, Der Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1, 6. Aufl. 1909, S. 202, Fn. 98, weshalb für ihn die „Korporation“ im römischen Recht erst später eine „juristische Person“, weil eine Abstraktion, sein konnte). 80 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103; ähnlich ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 308, Fn. 1, wonach das Recht „in der Tat eine Gedankenwelt“ ist, „welche sich mit der Welt des Wirklichen niemals vollkommen deckt“. 81 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 457 (für die deutsche Stadt). Auch für Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 246–247, hat sich die „ju79
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
burtsstätte“ der deutsch-rechtlichen Körperschaft und damit der Ursprung des modernen Genossenschaftsbegriffs.82 Zwar ist auch weiterhin die Bürgerschaft tatsächlich (real) die Stadt, rechtlich sind beide jedoch nicht mehr identisch.83 Die Stadt hat nun eine eigene Rechtspersönlichkeit („Stadtpersönlichkeit“), sie ist ein „Rechtswesen, d. h. Person“, und ist als solches Trägerin der Rechte und Pflichten.84 Die Stadt und mit ihr die Genossenschaft im Allgemeinen wird zum selbständigen Rechtssubjekt, das nunmehr der Gesamtheit seiner Glieder, dem Genossenverband, gegenübertritt.85 Die Genossenschaft ist jetzt alleiniger Zuordnungsendpunkt und damit (Rechts-) Subjekt der mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse und nicht mehr ihre Mitglieder. Auch wenn dadurch die Genossenschaft im Recht eine selbständige Person ist, setzt sie sich doch weiterhin real aus ihren Mitgliedern (als Menschen) zusammen. Sie ist aus diesem Grund für Gierke eine „zusammengesetzte Per-
ristische Person“, freilich des römischen Rechts, ausgehend von der Stadt (municipium) entwickelt. Für Savigny waren es zuerst die Städte, „die abhängigen Gemeinden“ als Munizipien (municipium) und Kolonien, „in welchen der Begriff der juristischen Personen zu bedeutender Anwendung, und so auch zu bestimmter Ausbildung kam; (…). Sobald aber um der abhängigen Städte willen der Begriff einer juristischen Person festgestellt worden war, kam derselbe allmählich auch in solchen Fällen zur Anwendung, für welche allein er ursprünglich nicht leicht erfunden worden wäre“. Das lat. Wort municipium kommt von municipes, das sich wiederum von munia (bzw. munera) capere, „Pflichten übernehmen“ ableitet. Pflichten in diesem Sinn waren Militärdienst und Steuerzahlung, die an sich allein die römischen Bürger trafen, aber auch von den municipes („Halbbürgern“) übernommen werden mussten, die als solche im eigentlichen Sinn keine römischen Bürger waren. Stand municipes zunächst für die Summe dieser Pflichten, ging die Bezeichnung auf die dadurch verpflichtete Menschengruppe (d. h. die Gemeinde) über. Die municipia (Plural von municipium) waren demgemäß im römischen Reich Städte der „Leistungspflichtigen ohne politische Rechte“ (municipes sine suffragio). Und selbst nachdem dieses „Halbbürgerecht“ verschwand, behielten die Gemeinden den Titel als municipium, der dann auch auf die ursprünglichen Bürgerstädte überging. Seit Augustus bezeichnet der Ausdruck des municipium schließlich sämtliche (meist städtisch geordnete) Gemeinden römischer oder lateinischer Bürger im Reich, die nicht Kolonien (coloniae) waren (so ausdrücklich Galsterer, in: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 8, 2000, Spalte 476). Nach Rehme, Deutsches Recht, 1931, S. 315, 395, trat in der zweiten Hälfte des Mittelalters das „sinnliche Element im Recht“ zurück. 82 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 573. 83 Das ist gemeint, wenn bei Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825, davon die Rede ist, die Stadt sei im Verhältnis zu der sie bildenden Gesamtheit zwar eine „selbständige, aber immanente Einheit“, sodass die Stadt als Ganzes nicht denkbar war ohne ihre Teile (S. 826). 84 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 820–824 (Zitat: S. 823). 85 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825; Rehme, Deutsches Recht, 1931, S. 315, 395, wonach nunmehr ein von der Summe der verbundenen Einzelpersonen „verschiedenes, sinnlich nicht wahrnehmbares selbständiges Ganzes als Rechtssubjekt anerkannt wurde“. Darin folgt ihm nahezu wortgleich Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 156–157.
C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand
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son“, oder eine „reale Gesamtperson“, und hat in diesem Sinn eine „Gesamtpersönlichkeit“.86 Auch wenn sich tatsächlich ihre Zusammensetzung durch einen Mitgliederwechsel ändert, bleibt sie rechtlich dieselbe.87 Demgemäß bestehen die Rechtsverhältnisse zu Dritten und zu ihren Mitgliedern unverändert fort, ohne dass es wie bei der alten Genossenschaft jetzt noch der Vorstellung bedarf, der neue Genossenverband trete als Rechtsnachfolger und Erbe an die Stelle des alten. Die Genossenschaft schiebt sich gleichwohl nicht voll und ganz vor ihre Mitglieder und schirmt sie deshalb nicht immer vor den Forderungen und Verbindlichkeiten außenstehender Dritter ab, vielmehr kann sie auch lediglich neben den Genossenverband treten, der deshalb auch weiterhin hinter ihr rechtlich sichtbar bleibt. So können durchaus die Genossen als Einzelpersonen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder neben der Genossenschaft mitberechtigt und mitverpflichtet werden.88 Sie haften dann persönlich mit ihrem gesamten Privatvermögen für die Schulden der Genossenschaft, und zwar unmittelbar gegenüber deren Gläubigern.89 Die Mitglieder (d. h. Genossen) haben in diesem Fall für ein ihnen gegenüber rechtlich verselbständigtes und in diesem Sinn fremdes Rechtssubjekt einzustehen. Für Gierke ist die Möglichkeit, dass die Genossen als Einzelne neben der Genossenschaft mitberechtigt und mitverpflichtet werden können, gerade Ausdruck der Eigenart der deutsch-rechtlichen Körperschaft. Im Gegensatz zur (römisch-rechtlichen) juristischen Person steht die (deutsch-rechtliche) Verbandsperson ihren Mitgliedern eben nicht „wie beliebigen Dritten“ gegenüber.90 Stets ist für ihn die reale Vielheit der Mitglieder auch rechtlich in der Einheit der Verbandsperson enthalten.91 Die Genossenschaft kann als selbständiges Rechtssubjekt daher durchaus bloß neben und nicht vor ihre Mitglieder treten. Das alte Genossenschaftsrecht, so Gierke, ist im Körperschaftsbegriff eben nicht untergegangen, sondern lediglich vollendet.92 Und wie dort 86 87
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 823, 825. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 822. 88 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 919–920; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 543–545. 89 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 920; ders., Deutsches Privatrecht, 1895, S. 544–545 mit Fn. 50, wonach sich eine genossenschaftliche Gesamtverbindlichkeit, d. h. eine Verbindlichkeit der Genossenschaft und ihrer Mitglieder, dadurch auszeichnet, dass „eine unmittelbare Verpflichtung der Mitglieder gegen die Gläubiger der Genossenschaft“ besteht (Hervorhebung nicht im Original). 90 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 40 (Zitat); ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 479. 91 Das erkennt im Ansatz auch Schikorski, Die Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff in der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts, 1978, S. 220, wobei bei ihm aber unklar bleibt, worin sich für Gierke die Körperschaft als eine reale Verbandsperson von der Gesamthand unterscheidet. 92 So ausdrücklich Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 458.
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die Mitglieder erst „hinter“ der Genossenschaft persönlich hafteten, müssen hier die Mitglieder als Einzelpersonen allenfalls subsidiär im Verhältnis zur Körperschaft mit ihrem Privatvermögen für deren Schulden aufkommen.93 Eine subsidiäre persönliche Haftung der Mitglieder für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft ist für Gierke also durchaus mit dem Körperschaftsbegriff im deutschen Recht vereinbar.94
2. Der Unterschied zwischen Körperschaft und Gesamthand im deutschen Recht Während sich so die Genossenschaft auf der einen Seite zur Körperschaft weiterentwickelt, indem sie sich rechtlich gegenüber den Genossen als ihren Mitgliedern verselbständigt, fällt nun auf der anderen Seite die Gemeinschaft zur gesamten Hand aus dem Begriff der Genossenschaft heraus.95 Beide sind jetzt logisch scharf voneinander zu trennen, zwischen ihnen besteht nunmehr eine „unüberbrückbare begriffliche Kluft“.96 Die Körperschaft ist als Verbandsperson Rechtssubjekt, die Gemeinschaft zur gesamten Hand demgegenüber nur ein Rechtsverhältnis.97 Das ist nicht bloß ein gradueller, sondern ein kategorialer Unterschied. Denn während bei der Körperschaft die Genossenschaft als solche Zuordnungsendpunkt der sie betreffenden Rechte und Pflichten ist, sind dies bei der Gesamthand die Gemeiner als Einzelpersonen. Körperschaft und Gesamthand schließen sich demgemäß gegenseitig aus. Es ist deshalb geradezu fatal, wenn Flume und ihm folgend der BGH zwar beabsichtigen, die Gesamthand im Anschluss an die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zu definieren, dann aber tatsächlich die Gesamthand zu einer Körperschaft des deutschen Rechts umdeuten, wenn sie die Gesamthand zum selbständigen Rechtssubjekt und dadurch zum (alleinigen) Zuordnungsendpunkt der Rechte und Pflichten erklären, obwohl dies bei der Gesamthand die vielen Gesellschafter sind.
IV. Die „reale Verbandspersönlichkeit“ (Gierke) Diese Fehldeutung der Gesamthand beruht auf der fehlenden Kenntnis der heute h. M. um den deutsch-rechtlichen Begriff der Körperschaft (Verbands93 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 919–920. 94 Für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 544–545 mit Fn. 49,
kann eine solche Haftung der Mitglieder für Körperschaftsschulden (als eine „vielheitliche Sonderhaft“) „zweifellos“ und „in beliebigem Umfange durch Satzungsrecht begründet werden“. 95 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 865. 96 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 481. 97 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 865.
C. Der gemeinsame Ursprung von Körperschaft und Gesamthand
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person) und hier vor allem um den der realen Verbandspersönlichkeit. Die reale Verbandspersönlichkeit zeichnet das Wesen der Körperschaft im deutschen Recht aus und unterscheidet sie diametral von der juristischen Person (im römischen Recht). Die Rechtsfigur der Gesamthand erschließt sich aus diesem Grund allein demjenigen, der um die Bedeutung der von Gierke postulierten realen Verbandspersönlichkeit weiß. Jeder, der wie Flume und die ihm folgende h. M. tatsächlich an die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre anknüpfen will, muss sich deswegen zuvor mit dem Begriff der realen Verbandspersönlichkeit auseinandersetzen.
1. Der Begriff der „Persönlichkeit“ Die Körperschaft hat nicht allein deshalb eine reale Verbandspersönlichkeit, weil sie auf tatsächlicher Ebene einen menschlichen Verband voraussetzt, vielmehr ist für Gierke der Begriff der realen Verbandspersönlichkeit ein solcher des Rechts: „Die Persönlichkeit ist ein Rechtsbegriff, der kraft einer vom Rechtsbewusstsein vollzogenen Abstraktion durch Heraushebung eines Teilinhalts der Wirklichkeit zustande kommt. Sie deckt sich nicht mit irgendeiner sinnlich wahrnehmbaren Totalität in der Erscheinungswelt; sie ist weder greifbar noch sichtbar. Man sieht dem einzelnen Menschen nicht an, ob er Person ist oder nicht (z. B. Sklave), und was man an ihm sieht, ist nicht seine Persönlichkeit. Nicht minder unsinnlich, aber auch nicht minder wirklich, ist die Verbandspersönlichkeit.“98
Hiernach ist der Mensch sinnlich wahrnehmbar, er gehört zur Erscheinungswelt. Aus dem Menschen abstrahiert nun das Rechtsbewusstsein dessen (Rechts-) Persönlichkeit, die als solche zwar anders als der Mensch nicht sichtbar oder greifbar (d. h. sinnlich erfahrbar), aber dennoch real ist, weil die Persönlichkeit als Rechtsbegriff an den sinnlich wahrnehmbaren Menschen rückgebunden ist. Das Rechtsbewusstsein schreibt dem Menschen zwar seine Persönlichkeit zu, gleichzeitig leitet sie sich aber aus dem Menschen ab, d. h. sie haftet dem Menschen an, sie wohnt ihm inne, ist ihm also inhärent. Die Persönlichkeit des Menschen im Recht ist in diesem Sinn wirklich. Der Mensch hat im Recht daher eine reale Persönlichkeit. Und das gilt nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern auch für den menschlichen Verband, sodass auch der menschliche Verband eine reale Verbandspersönlichkeit besitzt. Den Begriff der Persönlichkeit definiert Gierke als „die Fähigkeit, Rechtssubjekt zu sein“.99 Rechtssubjekt ist wiederum, wer „Subjekt von Rechten und Pflichten“ in einem konkreten Rechtsverhältnis und damit Zuordnungsendpunkt ist.100 Der Begriff der Persönlichkeit steht somit bei Gierke für die Fähigkeit, 98
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Hervorhebung im Original).
99 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265. 100 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265.
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Träger von Rechten und Pflichten (d. h. Rechtssubjekt) sein zu können, und ist deshalb gleichbedeutend mit dem der Rechtsfähigkeit. Menschliche Individuen und menschliche Verbände sind rechtsfähig. Diese Rechtsfähigkeit legt ihnen das Rechtsbewusstsein bei und gleichzeitig leitet sie sich aus ihnen selbst ab und ist in diesem Sinn dem einzelnen Menschen und dem menschlichen Verband inhärent. Die Persönlichkeit ist demnach eine rechtliche Eigenschaft, ein Attribut (modus), der Menschen, und zwar als Einzelne und als Verbände.
2. Die Begriffe der „Person“ und des „Rechts der Persönlichkeit“ Neben den Begriff der Persönlichkeit stellt Gierke den der Person, der gleichfalls ein solcher des Rechts ist: „Ein Wesen, dem das Recht der Persönlichkeit zusteht, ist im Rechtssinne Person“.101 Das „Recht der Persönlichkeit“ ist seinerseits, so Gierke, die vom objektiven Recht anerkannte Persönlichkeit, d. h. die Rechtsfähigkeit (jetzt aber vom objektiven Recht als solche auch anerkannt).102 Person ist hiernach, wer die vom objektiven Recht anerkannte Fähigkeit besitzt, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, und demgemäß (Rechts-) Subjekt in einem konkreten Rechtsverhältnis sein kann. Ist die Persönlichkeit eine rechtliche Eigenschaft des sinnlich wahrnehmbaren (insofern realen) Menschen, so ist das Recht der Persönlichkeit ein rechtliches Attribut der (Rechts-) Person. Gleichwohl sind beide, der Begriff der Persönlichkeit und der des Rechts der Persönlichkeit, solche des Rechts. Für Gierke teilt sich das Recht in zwei Ebenen: die des (materiellen) Rechtsbewusstseins und die des (formellen) objektiven (d. h. des staatlichen) Rechts. Das Recht existiert als geschichtliches Produkt zunächst allein im Rechtsbewusstsein der Menschen und ist in diesem Sinn nur materielles Recht. Erst wenn der Staat dieses anfangs bloß materielle Recht durch einen Rechtssatz des Gesetzes- oder Gewohnheitsrechts als objektives Recht anerkennt, wird es zu formell geltendem Recht. Objektives Recht ist für Gierke deshalb die „erklärte Überzeugung einer Gemeinschaft“,103 und deswegen besteht für ihn „jeder Rechtserzeugungsakt (…) aus einem inneren und äußeren Vorgang: der Bildung einer Rechtsüberzeugung und ihrer Erklärung“.104 Die Aufgabe, die Rechtsüberzeugung oder das Rechtsbewusstsein zu bilden, übernimmt die Gemeinschaft, in der Regel das Volk,105 die der Rechtserklärung der Staat.106 Als organisierte Macht stellt sich der Staat so in den Dienst der Rechtsgemeinschaft, des Volkes, und damit in den des Rechts selbst, indem er die Befolgung des Rechts befiehlt und, so101 102
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265 (Hervorhebung im Original). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265. 103 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 119 (Hervorhebung im Original). 104 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 126 (Hervorhebung im Original). 105 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 119, 126. 106 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 118.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
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weit ihm das möglich ist („soweit sein starker Arm reicht“), die Befolgung des Rechts auch durchsetzt.107 Der Rechtsbegriff der Persönlichkeit ist ein solcher der Rechtsüberzeugung und steht aus diesem Grund auf der ersten Stufe der Rechtsbildung, dem Rechtsbewusstsein. Die einzelnen Menschen und die menschlichen Verbände sind hier im Rechtsbewusstsein zunächst allein materiell rechtsfähig. Formell und damit tatsächlich (objektiv) rechtsfähig sind sie erst, wenn das objektive Recht, hier der Staat, dies formell auch anerkennt, d. h. als Recht erklärt, indem er ihnen das Recht der Persönlichkeit beilegt. Erst dann ist der Akt der Rechtserzeugung vollendet. Ein menschlicher Verband als soziales Gebilde hat dementsprechend zwar schon im materiellen Rechtsbewusstsein eine reale Verbandspersönlichkeit. Er ist aber erst dann auch im objektiven Recht eine (reale) Verbandsperson und kann dort Träger von Rechten und Pflichten, also ein Rechtssubjekt, sein, wenn ihn der Staat (ausdrücklich oder stillschweigend) kraft eines Rechtssatzes als eine Person anerkennt. Dies gilt dabei gleichermaßen für den einzelnen Menschen. Auch er ist nur und erst dann im objektiven Recht Einzelperson (d. h. Rechtssubjekt), wenn der Staat ihm eine solche Rechtssubjektivität beilegt.108
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke) Während die Körperschaft als (reale) Verbandsperson ein Rechtssubjekt und daher sie selbst und damit als solche (d. h. als Einheit) Eigentümerin und Inhaberin anderer dinglicher Rechte sowie Gläubigerin und Schuldnerin ist, sind es bei der Gesamthand mehrere Rechtssubjekte. Obwohl die Gesamthand eine Vielheit ist, ist sie doch zugleich auch eine Einheit, auch wenn sie es nicht als ein Rechtssubjekt ist. Die Gesamthand ist für Gierke dabei nicht nur deshalb eine Einheit (verbundene Personenmehrheit), weil die Gesamthänder, oder gleichbedeutend die Gemeiner, eine Personengemeinschaft (Personeneinheit) bilden, sondern auch, weil sie ein gemeinschaftliches Vermögen haben (vgl. § 718 Abs. 1 BGB). Durch diese Einheit, die für Gierke deswegen eine subjektive und eine objektive Seite hat, kann die Gesamthand „einen Wechsel der verbundenen Personen überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft fortbestehen“, sodass ein solcher Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf die mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse hat.109 Doch was sorgt nun dafür, dass die Gesamthand eine Einheit ist und als solche ihre Identität im Wechsel der Teile bewahrt? 107 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 118. 108 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471;
und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 21. 109 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691.
ders., Die Genossenschaftstheorie
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
Eine Antwort darauf gibt allein Pufendorfs Lehre von den entia moralia. Denn erst und vielleicht allein über diese erschließt sich, wie sich Gierke seine Gesamthand (aber auch seine Verbandsperson) vorgestellt hat. Gierke hat an Pufendorfs Lehre von den entia moralia aber nicht bloß angeknüpft, sondern geradezu auf sie aufgebaut, um seine germanistischen Rechtsfiguren der Verbandsperson und der Gesamthand zu konstruieren. Für das Verständnis der Rezeption von Pufendorfs Lehre der entia moralia durch Gierke ist es dabei unerlässlich, jene im Zusammenhang mit der „stoischen Philosophie“ (Gierke),110 dem Immanenzdenken in der Stoa, der Relation des Ganzen zu seinen Teilen, zu betrachten, da erst und ausschließlich in dieser Zusammenschau begreiflich wird, wie die Gesamthand als Ganzes ihre Identität im Wechsel der Teile zu bewahren vermag.
I. Die Personengemeinschaft als subjektive Seite der Gesamthand 1. Pufendorf und seine Lehre von den entia moralia – der Schlüssel zum Verständnis von Gierkes Gesamthandsbegriff Während nun der Mensch ausschließlich in der Erscheinungswelt existiert, hat die Person ihr Dasein allein in der Welt des Rechts. Die sinnlich erfahrbare, physische Welt und die davon abstrahierte, lediglich vorgestellte Welt des Rechts sind daher begrifflich und gedanklich scharf voneinander zu unterscheiden, gleichwohl stehen beide nicht unverbunden nebeneinander, sondern im Verhältnis von „Voraussetzung und Abhängigkeit“.111 Denn, obgleich das Recht „das Werk menschlicher Bewusstseinsvorgänge“ ist, hebt das menschliche Denken, Gierke zufolge, das Recht (als „vorgestellte Welt“) aus der „wirklichen Welt“, aus der Anschauung des „sozialen Daseins“ und insofern aus der sinnlich erfahrbaren Welt heraus.112 Einzelperson und Verbandsperson sind dementsprechend die Gegenstücke zum einzelnen Menschen und zum menschlichen Verband in der bloß „vorgestellten Welt“ des Rechts. Und weil das Recht auf der sichtbaren, in diesem Sinn auf der „wirklichen Welt“ fußt, sind Einzelperson und (reale) Verbandsperson als Rechtsfiguren zwar selbst nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbar, aber aufgrund ihrer Rückbindung an ihre Menschen gleichwohl wirklich (da vermittelt über sie als corpus sinnlich erfahrbar). Insofern trifft es zu, wenn es bei Gierke heißt: „Die Verbandsperson ist eine wirkliche und volle Person gleich der Einzelperson (…). Sie ist eine wirkliche, nicht bloß erdichtete Person. Als Rechtsbegriff beruht sie freilich auf einer Abstraktion, die aus der Wirklichkeit einen Teilinhalt heraushebt. Diese Abs110 111
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 416 (Zitat). 112 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103.
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D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
traktion aber ist von derselben Beschaffenheit, wie die Abstraktion, vermöge deren der Begriff der Einzelperson zustande kommt.“113
In diesem Zusammenhang verweist Gierke ausdrücklich auf den Naturrechtler und für ihn „genialen Denker“ Samuel Pufendorf (1632–1694) und dessen Lehre von den entia moralia: „Dies hat schon Pufendorf erkannt; vgl. Gierke, Althus. S. 192 ff. Es ist aber immer wieder vergessen worden.“114 Diese in einer Fußnote des ersten Bands seines Deutschen Privatrechts aus dem Jahr 1895 geradezu verborgene Aussage ist der Schlüssel (!), um erfassen zu können, was Gierke unter dem Begriff seiner deutsch-rechtlichen Körperschaft und dem der Gemeinschaft zur gesamten Hand versteht. Beide sind Rechtsfiguren und teilen deshalb den Charakter des Rechts, eine zwar an sich lediglich „vorgestellte Welt“ zu sein, die aber als ein „Teilinhalt“ aus dem „sozialen Dasein“ hervorgeht und insofern aus der „wirklichen Welt“, der sinnlich wahrnehmbaren Welt abstrahiert ist.115 Gierke konstruiert seine Welt des Rechts und mit ihr Körperschaft und Gesamthand in Parallele zu Pufendorfs Lehre von den entia moralia. Deutlich zeigt sich das in seinem Verweis auf „Gierke, Althus. S. 192 ff.“. Dort (d. h. in seinem Werk „Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien“ aus dem Jahr 1880) schreibt Gierke nämlich über Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia: „Dieser geniale Denker führte in der für sein naturrechtliches System grundlegenden Lehre von den ‚entia moralia‘ aus, dass der menschliche Geist die Sphäre der sittlichen Weltordnung nicht aus physischen, sondern aus geistigen Wesenheiten aufbaue; dass daher alle ‚entia‘ in diesem Gebiete Attribute (modi) seien, welche von uns behufs Regelung der Willensfreiheit den natürlichen Dingen und Bewegungen beigelegt werden; dass aber die so durch ‚impositio‘ (im Gegensatz zur ‚creatio‘) entstandenen, veränderten und aufgehobenen ‚entia moralia‘ von unserem stofflich befangenen Sinn nach Analogie der physischen Dinge (‚ad norman entium physicorum‘) begriffen und in ihrem Verhältnis zueinander, obwohl sie an sich sämtlich ‚modi‘ sind, zum Teil wiederum als subsistierende (= für sich und unabhängig von anderen bestehende, Anm. d. Verf.) ‚substantia‘ und zum anderen Teil als inhärierende (= anhaftende, Anm. d. Verf.) ‚modi‘ betrachtet werden. So erhob er sich denn auch zu der Erkenntnis, dass die Persönlichkeit im Recht eine von der natürlichen Existenz scharf zu unterscheidende begriffliche Attribution sei, welche im Verhältnis zu den übrigen Rechtsbegriffen von uns als Substanz konzipiert werde. Und in diesem Sinne taufte er sie, weil sie gleich allen entia moralia für die Sphäre der moralischen Welt bestehe, ‚persona moralis‘ und substituierte dem hergebrachten Unterschiede der physischen und fingierten Person den Unterschied der personae morales simplices und compositae.“116 113 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 (Hervorhebung 114 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, Fn. 8. 115
1103.
im Original).
Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097,
116 Gierke, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1880, S. 192–193.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
Die Lehre von den entia moralia greift Gierke dann noch weiteres Mal im vierten Band seines Genossenschaftsrechts aus dem Jahr 1913 auf, und zwar ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Begriff „Gesamtperson“. Pufendorf habe geglaubt, „eine Gesamtperson konstruieren zu können, welche unter denselben Gattungsbegriff wie die Einzelperson falle“.117 Dieser Ansatz musste bei Gierke auf besonderes Interesse stoßen, stimmten doch für ihn Einzelund Gesamtperson in ihrem Wesen überein: Beide sind zwar gleichermaßen als solche sinnlich nicht wahrnehmbar („weder greifbar noch sichtbar“), aber dennoch wirklich, weil sie sich vom menschlichen Individuum bzw. menschlichen Verband abstrahieren lassen und daher an den physischen („leiblich erscheinenden“) Menschen rückgebunden sind.118 Gierke führt nun in seinem Genossenschaftsrecht zu Pufendorf und dessen „Gattungsbegriff“ der Person aus: „Den Weg zu einem solchen Gattungsbegriff aber bahnte er sich dadurch, dass er von vornherein den rechtlichen Begriff der Person unter dem Namen der ‚persona moralis‘ von dem natürlichen Persönlichkeitsbegriff loslöste. Er ging davon aus, dass die Welt des Rechtes überhaupt sich nicht aus physischen, sondern aus geistigen Dingen und zwar, da es sich um die sittliche Seite des Geistigen handle, aus ‚entia moralia‘ aufbaue. Diese ‚entia moralia‘ sind seiner Ansicht nach an sich bloß Attribute, die von vernünftigen Wesen physischen Gegenständen und Bewegungen beigelegt werden, um auf die menschliche Willensfreiheit leitend und ermäßigend einzuwirken und so das menschliche Leben harmonisch zu ordnen. Sie stehen indes untereinander in Verhältnissen von Voraussetzung und Abhängigkeit, welche unser stofflich befangener Sinn am besten ‚ad normam entium physicorum‘ vorstellt; darum übertragen wir auf sie, obwohl sie an sich sämtlich ‚modi‘ sind, die Kategorien von ‚substantia‘ und ‚modus‘ und betrachten einige von ihnen als ‚substantiae‘, welche anderen ‚subsistieren‘, während diese jenen als modi ‚inhärieren‘. So ergeben sich als ‚entia moralia ad analogiam substantiariam conceptae‘ die von der Rechtsordnung den Menschen attribuierten ‚personae morales‘. Die ‚personae morales‘ aber sind, da den Menschen sowohl als Einzelnen wie als Verbänden die Eigenschaft von Rechtssubjekten beigelegt wird, entweder ‚simplices‘ oder ‚compositae‘. Als ‚persona moralis simplex‘ erscheint das Individuum, jedoch nicht in seiner sinnlichen Totalität, sondern insofern, als ihm ein bestimmter ‚status moralis‘ attribuiert wird. Deshalb kann auch Ein Individuum mehrere Personen darstellen. Eine ‚persona moralis composita‘ aber ist vorhanden, sobald einer gehörig geeinten Mehrheit von Individuen ein einziger Wille und demgemäß eine besondere Rechtssphäre zugeschrieben wird. Somit haben Einzelpersonen und Gesamtpersonen dieselbe Art von Dasein.“119
2. Pufendorf und seine Lehre von den entia moralia – Grundlagen Pufendorf trennt in seiner Lehre von den entia moralia gedanklich entschieden zwischen der physischen und der moralischen Welt, die Gierke Erschei117 118 119
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 416. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 (Zitate: S. 268, 471). Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 416–417.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
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nungs- oder Körperwelt und Welt des Rechts nennt.120 Die entia moralia (d. h. die moralischen Wesenheiten) sind Eigenschaften, oder synonym Attribute (modi), der entia physica (d. h. der körperlichen Wesenheiten).121 Die moralische Welt ist für ihn eine vom Menschen mithilfe seines freien Willens und Verstandes konstruierte und daher vorgestellte Welt.122 Der Mensch ist deshalb formell zunächst frei, welche entia moralia er den entia physica zuschreibt, ihnen gleichsam von außen auferlegt, gleichzeitig ist er aber in seiner Erkenntnismöglichkeit an die körperliche Welt gebunden, sodass er allein über die tatsächliche Natur (entia physica) zu Wissen gelangt.123 Er erzeugt demgemäß das Recht zwar durch seinen freien Willen, sodass es insofern eine menschliche Erfindung (inventio) ist.124 Weil aber das Recht auch bei Pufendorf über die Natur erkannt wird, ist es Naturrecht. Die vom Menschen derart konstruierte moralische Welt (ens morale) ist deshalb nicht Schöpfung (creatio), oder eine „Umdichtung von Nichts zu Etwas“, wie Gierke es nennt, sondern nur eine Beilegung (impositio).125 Die entia moralia sind demzufolge an die sinnlich wahrnehmbaren entia physica rückgebunden, sie haften ihnen als 120 Für Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 223, ist die Unterscheidung zwischen entia physica und entia moralia grundlegend für das Gesamtwerk Pufendorfs. Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 19, erkennt darin sogar „eine geniale Leistung“ Pufendorfs, und betont, dass stets die moralischen Personen logisch scharf von den Menschen als ihren physischen Trägern zu trennen sind (S. 29); Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/ Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 84–85. 121 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 2, 3 (S. 13– 14): „(…) Et ista attributa vocantur entia moralia (…). Exinde commodissime videmur entia moralia posse definire, qoud sint modo quidam, rebus aut motibus physicis superadditi ab entibus intellegentibus (…). Modo dicimus. Nam concinnius nobis videtur ens latissime dividere in substantiam & modum, quam in substantiam & accidens. Modus porro uit substantiae contradistinguitur; ita eo ipso satis patet, entia moralia non per se subsistere, sed in substantiis, earumque motibus fundari, ipsasque certa duntaxat ratione afficere“ (Hervorhebung im Original). 122 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 2, 3 (S. 13– 14); nach Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 21, ist die Freiheit des menschlichen Handelns die Grundvoraussetzung für das Dasein einer moralischen Welt (d. h. der entia moralia); ähnlich Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 67–68. 123 Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 228, Fn. 40. 124 Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 23. 125 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 4 (S. 14–15); Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 23; Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 86; siehe auch Kobusch, Pufendorfs Lehre vom moralischen Sein, in: Palladini/Hartung (Hrsg.), Samuel Pufendorf und die europäische Frühaufklärung, 1996, S. 63, 67, der von „göttlicher creatio ex nihilo“ spricht.
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modi an, wohnen ihnen insofern inne, sind ihnen inhärent.126 Die entia moralia haben darum ohne entia physica keine Existenz (Lipp).127 Für Gierke stehen die entia physica aus diesem Grund zu den entia moralia im Verhältnis von „Voraussetzung und Abhängigkeit“.128 Die entia moralia sind zwar als solche nicht sinnlich wahrnehmbar, weil sie aber den entia physica als ihren Trägern (in der sinnlich erfahrbaren Welt) anhaften, sind sie gleichwohl wirklich (d. h. real): „Als solche nimmt das ens morale an der Realität seines ‚Trägers‘ teil: die entia moralia sind keine irrealen Sinngebilde, sondern ebenso wirklich wie die entia physica, an denen sie sich befinden.“129 Die Menschen (homines), ihre Handlungen (actiones) und die Sachen (res) als Objekt dieser Handlungen bilden die entia physica.130 Existenzgrundlage der entia physica und damit auch des Menschen sind Raum und Zeit (spatium), in denen sich der Mensch körperlich bewegen kann. Pufendorf konstruiert nun in Analogie zum Menschen und dessen spatium die persona moralis (moralische Person) und ihren status (Stand):131 Der status bildet in der moralischen Welt die Existenzgrundlage der persona moralis, und zwar vergleichbar (analog) dem spatium für den Menschen in der dinglichen Welt.132 Obgleich die persona moralis und ihr status an sich gleichermaßen nur Attribute (modi) des sinnlich wahrnehmbaren Menschen sind, ist die persona moralis ähnlich dem Menschen quasi eine moralische Substanz (substantia) und der status ihre mo126 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 3 (S. 14): „(…) ita eo ipso patet, entia moralia non per se subsistere, sed in substantiis (…) fundari (…)“; Kobusch, Pufendorfs Lehre vom moralischen Sein, in: Palladini/Hartung (Hrsg.), Samuel Pufendorf und die europäische Frühaufklärung, 1996, S. 63, 67; Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 67, 68. 127 Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 228; Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 25; so auch Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 86. 128 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 416. 129 Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 26. 130 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 5 (S. 15); Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 23. 131 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 5, 6 (S. 15–16). Der Begriff „status“ hat bei Pufendorf eine doppelte Dimension, so Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 231. Demgemäß bezeichnet status zunächst „einen bestimmten sozialen Stand des einzelnen Menschen“, der dessen Rechte und Pflichten konkretisiert, gleichzeitig aber ist er auch in Parallele zu spatium und substantia „erkenntnistheoretischer Hintergrund für das ‚Objekt‘ ‚Mensch‘ als einer persona moralis“ (Hervorhebung im Original). Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 24–25. 132 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 5, 6 (S. 15–16); Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 27.
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ralische und damit gleichsam ihre rechtliche Eigenschaft (modus).133 Der von Pufendorf verwendete Begriff der persona moralis ist, so Gierke, nur ein anderer Ausdruck für den des Rechtssubjekts.134 Die persona moralis ist also Zuordnungsendpunkt der Rechte und Pflichten. Und wie Raum und Zeit (spatium) in der sinnlich erfahrbaren Körperwelt die reale Bewegungsfreiheit des Menschen begrenzen, umgibt der status als moralischer Raum die persona moralis und entscheidet damit über ihren rechtlichen Wirkungskreis.135 Der status bestimmt daher, welche Rechte und Pflichten die persona moralis (d. h. das Rechtssubjekt) haben kann, und steht demzufolge für den Begriff der Rechtsfähigkeit.136 Beim status unterscheidet Pufendorf zunächst zwischen dem vor und nach Einführung einer staatlichen Ordnung, d. h. zwischen dem status naturalis (Naturzustand) und dem status civilis (bürgerlichen Zustand).137 Wäh133 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 5, 6 (S. 15–16), § 12 (S. 19): „Entia moralia, quae ad analogiam substantiarum consipiuntur, dicuntur personae morales (…)“; Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 87; Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 23; Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 27; Kobusch, Pufendorfs Lehre vom moralischen Sein, in: Palladini/ Hartung (Hrsg.), Samuel Pufendorf und die europäische Frühaufklärung, 1996, S. 63, 68. 134 So ausdrücklich Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, Fn. 6. 135 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 6 (S. 15–16); Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 24–25; nach Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 231–232, ist der status „quasi der ‚Raum‘, in dem sich die moralischen ‚Kräfte‘ entwickeln und wirken“; in diesem Sinn auch Kobusch, Pufendorfs Lehre vom moralischen Sein, in: Palladini/Hartung (Hrsg.), Samuel Pufendorf und die europäische Frühaufklärung, 1996, S. 63, 69, wonach der status „der moralische Raum“ ist; für Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 111, ist der status „der Rahmen für das soziale Handeln“ des Menschen. 136 Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 231–233: „Der status (…) erfasst den Menschen als Person in einem bestimmten sozialen Stand. Erst dieser Stand vermittelt Rechte und Pflichten“ (Hervorhebung im Original). Dabei betont Lipp, aaO., S. 234, dass bei Pufendorf status (noch) nicht für die allgemeine Rechtsfähigkeit des Menschen steht. „Rechtsfähig ist der Mensch bei Pufendorf nicht seines Menschseins wegen, sondern nur als Inhaber verschiedener status“ (Hervorhebung im Original). Nach Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 112, ist der Stand (d. h. der status) „der Ort, wo es Recht und Verpflichtung geben kann“. 137 Hattenhauer, „Der Mensch als solcher rechtsfähig“, in: Klein/Menke (Hrsg.), Der Mensch als Person und Rechtsperson, 2011, S. 39, 50; Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 28; Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 89; Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 106; ebenso für das Naturrecht allgemein Klippel, Persönliche Freiheit und Vertrag im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Kervégan/Mohnhaupt (Hrsg.), Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung in Rechtsgeschichte und Philosophie, 1999, S. 121, 124. Erst durch den Gesellschaftsvertrag
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rend die Menschen im status naturalis gleichberechtigte und freie Individuen sind, denen die Eigenschaft (modus) zukommt, Träger natürlicher Rechte und Pflichten zu sein, und in diesem Sinn eine allgemeine Rechtsfähigkeit besitzen, relativiert das positive Recht diesen Zustand, indem es dem einzelnen Menschen entsprechend dem sozialen Stand, d. h. der sozialen Rolle, die er innehat, z. B. als Familienoberhaupt (pater familias), Ehefrau (uxor), Sohn (filius) oder Käufer (emptor), einen speziellen status zuweist, sodass die Menschen je nach ihrem sozialen Stand unterschiedliche Rechtsfähigkeiten haben.138 Und weil sich nicht alle sozialen Rollen gegenseitig ausschließen, kann ein Mensch zur gleichen Zeit mehrere soziale Rollen, bspw. als Familienoberhaupt und als Käufer, und damit mehrere status innehaben.139 Wie ein Mensch in der Körperwelt nicht zugleich an zwei verschiedenen Orten sein kann, so ist in Analogie dazu in der Welt des Rechts jedem status als rechtliche Eigenschaft (modus) des physischen Menschen eine separate persona moralis zugeordnet.140 Der einzelne Mensch hat demnach entsprechend seinen (unterschiedlichen) status, die ihm aufgrund seiner sozialen Rollen konkret zukommen, eine Vielzahl von personae morales in der Welt des Rechts.141 gehen die Menschen vom Naturzustand in den bürgerlichen Zustand (status civilis) über (Klippel, aaO., S. 125). 138 Hattenhauer, „Der Mensch als solcher rechtsfähig“, in: Klein/Menke (Hrsg.), Der Mensch als Person und Rechtsperson, 2011, S. 39, 50; Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 231; Coing, Der Rechtsbegriff der menschlichen Person und die Theorien der Menschenrechte, in: ders. (Hrsg.), Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962, S. 56, 66, 67. 139 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 14 (S. 20–21): „Id porro circa naturam personarum moralium simplicium observabimus, quemadmodum unus idemque homo in diversis statibus, sibi invicem non repugnantibus, esse potest (…). Nam uti ex naturali ratione idem non potest esse maritus & uxor, filius & filia; nec ex morali ratione simul dominus & servus, judex & reus, actor & testis: ita nil prohibet, quo minus idem simul esse queat v. g. domi paterfamilias, in curia senator, in foro advocatus, in aula consiliarius (…).“ 140 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 14 (S. 20–21): „(…) ita unus idemque simul plures velut personas gerere potest, modo munia, quae personas illas comitantur, ab eodem simul obiri queant (…)“. Mit der Formulierung „personas gerere“ knüpft Pufendorf bewusst an die stoische Rollentheorie des Cicero, De officiis I 107 und 115, an, wonach der Mensch in seinem Leben verschiedene Rollen zu spielen hat, denn hierauf beruft sich Pufendorf ausdrücklich an dieser Stelle (so auch Kobusch, Pufendorfs Lehre vom moralischen Sein, in: Palladini/Hartung [Hrsg.], Samuel Pufendorf und die europäische Frühaufklärung, 1996, S. 63, 68–69). Dass Pufendorfs Personenbegriff als „soziale Rolle“ (zusammen mit der Figur des status als dem Raum, in dem die persona moralis existiert) „dem ursprünglichen lateinischen und griechischen Wortsinn von persona und prosopon damit bemerkenswert nahekommt“ (so Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke [Hrsg.], Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 93, Fn. 37), ist deshalb nicht erstaunlich. 141 Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 232; Hattenhauer, „Der Mensch als solcher rechtsfähig“, in: Klein/Menke (Hrsg.), Der Mensch als Person und Rechtsperson, 2011, S. 39, 51; in diesem Sinn auch Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person
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3. Pufendorfs persona moralis composita und Gierkes Gesamtperson a) Die persona moralis composita – für Gierke eine Gesamthand Nun können für Pufendorf mehrere Menschen Träger eines gemeinsamen status sein, und da Pufendorf jedem status eine eigene persona moralis zuordnet, hat auch dieser gemeinsame status seine moralische Person. Weil jedoch diese persona moralis das rechtliche Attribut (modus) mehrerer physischer Menschen ist, ist sie nicht nur eine einfache moralische Person (persona moralis simplex), sondern eine zusammengesetzte (persona moralis composita).142 Als eine solche zusammengesetzte Person ist sie gleichwohl nicht eine Gesamtperson, so wie Gierke sie auffasst. Denn anders als die „Gesamtperson“ stützt sich die persona moralis composita Pufendorfs nicht auf ein „reales Ganzes“, oder ein „lebendiges Gemeinwesen“, ihre tatsächliche Unterlage, ihr Substrat, ist nicht ein menschlicher Verband, vielmehr sind es hier die vielen einzelnen Menschen.143 Diese treten als einfache moralische Personen (persona morales simplices) in die Welt des Rechts ein und einigen sich erst hier vertraglich darauf, sich gemeinsam einen status zu teilen und dabei dem einen Willen „Eines Menschen“ oder „Einer Versammlung“ zu unterwerfen.144 Weil erst im Recht aus der Vielheit eine Einheit wird – oder wie Lipp es ausdrückt: die persona moralis composita „die Summe der Vielen in der Identität eines status“ ist – ist nicht sie selbst Zuordnungsendpunkt der Rechte und Verbindlichkeiten und damit ein Rechtssubjekt, sondern die vielen einzelnen einfachen moralischen Personen (persona morales simplices), aus denen sie sich zusammensetzt.145 Für Gierke war die persona moralis composita aus diesem Grund nur „das künstliche Produkt von Verträgen, durch welche Individuen sich einander obligiert hatten. (…) Eine so mit den Mitteln des Individualrechts konstruierte und Rechtsperson, 2015, S. 81, 92; Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 29. 142 Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 12 (S. 19–20): „Entia moralia, quae ad analogiam substantiarum concipiuntur, dicuntur personae morales, quae sunt homines singuli, aut per vinculum morale in unum systema connexi, considerati cum statu suo aut munere, in quo in vita communi versantur. Sunt autem personae morales vel simplices vel compositae“ und aaO., § 13 (S. 20): „Persona moralis composita constituitur, quando plura individua humana ita inter se uniuntur, ut quae vi istius unionis volunt aut agunt, pro una voluntate, unaque actione, non pro pluribus censeantur.“ 143 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 418. 144 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 340; Gierke, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1880, S. 193 (Zitate). 145 Nach Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 237, steht auch bei der persona moralis composita der einzelne Mensch als Inhaber eines bestimmten status im Mittelpunkt. Die persona moralis composita ist aus diesem Grund lediglich die vertragliche Absprache verschiedener Individuen, einen solchen status zusammen zu teilen. Sie ist deshalb „die Summe der Vielen in der Identität eines status“. Das ist aber die (deutsche) Gesamthand.
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Einheit war zuletzt doch nur täuschender Schein: bei genauerer Prüfung fiel sie in Stücke und löste sich in Rechtsverhältnisse zwischen einzelnen Menschen auf“.146 Die einfachen moralischen Personen, die als einzelne Mitglieder (singuli membra) die persona moralis composita bilden, sind daher lediglich durch den status, den sie gemeinsam einnehmen, zu einer Personeneinheit verbunden.147 Hierüber werden Rechte und Verbindlichkeiten, die in den konkreten Rechtsverhältnissen gegenüber Dritten bestehen, bloß vermittelt.148 Und weil der Begriff des status für den der Rechtsfähigkeit steht, haben die Mitglieder eine gemeinsame (d. h. kollektive) Rechtsfähigkeit. Die persona moralis composita ist daher eine Gemeinschaft zur gesamten Hand und nicht eine Gesamtperson und insofern im eigentlichen Wortsinn keine persona (moralis).149
b) Der menschliche Verband als Gesamtperson (Gierke) Der menschliche Verband tritt für Gierke bereits als Gesamtperson in das positive Recht ein. Um dies zu erreichen, knüpft Gierke an die Differenzierung zwischen dem status naturalis und dem status civilis an, den Pufendorf in seiner Lehre von den entia moralia trifft.150 Denn auch Gierke steht vor dem grundsätzlichen Problem, dass ein menschlicher Verband seine reale 146 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 418–419. 147 Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“,
in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 237 („die Summe der Vielen in der Identität eines status“). 148 Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 233, wonach erst der status Rechte und Pflichten vermittelt. Demgemäß ist, anders als es Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 510, annimmt, die persona moralis composita nicht eine Gesamthand als ein Rechtssubjekt. Die Ansicht Flumes von der Gesamthand als Gruppe (d. h. als Rechtssubjekt) geht schon allein deshalb nicht vermittelt über Gierke auf die moralische Person des Naturrechts zurück (so aber Limbach, aaO., Rn. 510: „möglicherweise“). 149 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 668, Fn. 23, wonach die Figur der persona moralis composita des Naturrechts im Grunde nichts anderes als eine kollektive Personeneinheit und damit eine Gemeinschaft im Sinne der gesamten Hand war. Gierke spricht an dieser Stelle zwar lediglich von der „moralischen Person“, doch steht dieser Ausdruck hier allein für den der persona moralis composita und nicht mehr auch für den der persona moralis simplex (vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 mit Fn. 6 und 7). Während bei Pufendorf sowohl der einzelne Mensch (d. h. die Einzelperson) als auch eine Personenvereinigung persona moralis ist, steht bei seinen Nachfolgern im Naturrecht die moralische Person nur noch für die Vereinigung selbst und bezeichnet persona moralis „die ‚societas‘ schlechthin“, sie ist dadurch „zur dogmengeschichtlichen ‚Urfigur‘ der Personengesellschaft geworden“ und deshalb nicht die Vorläuferin der juristischen Person, Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 232, 249, 250. Aus diesem Grund sieht sich Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 29, Fn. 32, geradezu gezwungen festzustellen, persona moralis sei „bei Pufendorf also nicht etwa nur die Personenvereinigung, sondern auch der Einzelmensch in einer bestimmten sozialen Hinsicht (in einem status)!“. 150 Da Gierke das an keiner Stelle selbst ausdrücklich ausführt, handelt es sich hier um den „Versuch“, aus den wenigen Anhaltspunkten, die sich in seinen Werken finden lassen, seine Vorstellungen hierzu zu rekonstruieren.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
149
(d. h. sinnlich wahrnehmbare) Disjunktion nicht überwinden kann: Mehrere Menschen können tatsächlich nicht ein Mensch sein, d. h. sie können nicht zu einem Menschen verschmelzen. Ein menschlicher Verband bleibt sinnlich wahrnehmbar stets eine Vielzahl von Menschen. Nur im menschlichen Denken und damit gedanklich („imaginär“) kann sich diese „unverbundene Menge“ zu einem „Gebilde höherer Ordnung“, oder zu einem „sozialen Ganzen“, formieren.151 Damit der menschliche Verband dennoch als Gesamtperson in das positive Recht eintritt und er sich nicht erst dort aus den Einzelpersonen seiner Mitglieder zusammensetzt (dann wäre er lediglich eine Gesamthand), nutzt Gierke den status naturalis, den er mit dem (materiellen) Rechtsbewusstsein gleichsetzt, als Vorstufe zum (formellen) objektiven Recht (status civilis). Der Mensch ist im status naturalis noch nicht Person (persona moralis), sondern hat nur die vorgestellte, abstrahierte Eigenschaft (modus) der Persönlichkeit (d. h. der Rechtsfähigkeit). Träger der Persönlichkeit ist hier im Rechtsbewusstsein an sich zunächst allein immer noch nur der (einzelne) physische Mensch. Nach Gierke ist die Persönlichkeit im deutschen (germanischen) Rechtsbewusstsein „teilbar“.152 Der Mensch hat daher nicht nur wie bei den Römern eine Einzelpersönlichkeit, vielmehr kann er „Stücke der Persönlichkeit, einzelne Willenssplitter“ abspalten und mit denen anderer Menschen im materiellen Rechtsbewusstsein (d. h. status naturalis) zu einer „höheren Gesamtpersönlichkeit“ verbinden.153 Dabei vereinigen sich im Rechtsbewusstsein aber nicht nur die „einzelnen Willenssplitter“ zu einem allgemeinen Willen (volonté générale),154 sondern gleichzeitig formieren sich dort gedanklich die Menschen, die „Stücke ihrer Persönlichkeit“ von sich abgetrennt und zu der einen „höheren Gesamtpersönlichkeit“ verbunden haben, zu einem menschte).
151 152
Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zita-
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36. Auch hier deutet sich zumindest eine Parallele zum Geschichtsdenken von Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, 1821 (1970), S. 511, an, der im römischen Reich das sittliche Leben „in die Extreme persönlichen privaten Selbstbewusstseins und abstrakter Allgemeinheit“ unendlich weit zerrissen sieht, sodass im römischen Recht „alle Einzelnen zu Privatpersonen und zu Gleichen mit“ bloß „formellen Rechten herabsinken“. Die Aufgabe, beide wieder miteinander zu „versöhnen“, d. h. den Menschen als Individuum und als Teil der Gemeinschaft, zu der er gehört, ist dagegen „dem nordischen Prinzip der germanischen Völker“ übertragen (Hegel, aaO., S. 511). Dilcher, Genossenschaftstheorie und Sozialrecht: Ein „Juristensozialismus“ Otto v. Gierkes?, in: Quaderni Fiorentini 3/4 (1974/75), S. 332 mit Fn. 56: „offenkundiger Einfluss der Hegel’schen Dialektik auf Gierkes Geschichtsdenken“; Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. II/1, 1951, S. 156–157; Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. Aufl. 1995, S. 147–176, sieht im Denken Gierkes „das Erbe Hegels unverkennbar lebendig“ (ebenda, S. 155 mit Fn. 44). 154 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32) (Zitat). 153
150
§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
lichen Verband, in der Begrifflichkeit der „stoischen Philosophie“ zu einem corpus ex distantibus („Gesamtkörper“),155 der auf diese Weise im materiellen Rechtsbewusstsein (d. h. im status naturalis) zum Träger dieser Gesamtpersönlichkeit wird. Die Persönlichkeit ist als ens morale zwar lediglich vorgestellt (imaginär). Weil sie aber eine rechtliche Eigenschaft (modus) des (einzelnen) sinnlichen Menschen ist (ens physicum), lässt sie sich aus ihrem Menschen ableiten, ist ihm mit anderen Worten inhärent, und deshalb, obgleich sie selbst nicht sinnlich wahrnehmbar ist, doch „wirklich“.156 Das gilt entsprechend für den menschlichen Verband. Er ist zwar als solcher eine unsinnliche, weil gedachte Einheit. Da er indes vermittelt über die Menschen, aus den er sich real zusammensetzt, sinnlich erfahrbar ist, ist der menschliche Verband „unsinnlich“, aber dennoch „wirklich“ (d. h. real).157 Er hat daher in diesem Sinn eine reale Verbandspersönlichkeit. Indem das objektive (d. h. positive) Recht diese Gesamtpersönlichkeit nun auch noch (formell) anerkennt, wird der menschliche Verband zum Träger (d. h. Substrat) einer vom objektiven Recht anerkannten Rechtsfähigkeit. Es entsteht dadurch eine Gesamtperson, die in gleicher Weise wie eine Einzelperson zur Substanz (substantia) in der gedachten Welt des Rechts, hier im status civilis, und so zum Träger der vom objektiven Recht gleichsam formell anerkannten Gesamtpersönlichkeit (d. h. Rechtsfähigkeit) wird. Aus dem menschlichen Verband im status naturalis (d. h. im Rechtsbewusstsein) wird gewissermaßen im status civilis (= objektives oder positives Recht) eine Gesamtperson und die Rechtsfähigkeit (= Gesamtpersönlichkeit) des menschlichen Verbands dort zum rechtlichen Attribut (modus) der Gesamtperson und damit gleichbedeutend zu dem einer realen Verbandsperson.
c) Die Doppelnatur des Menschen als Einzelner und als Teil einer Gemeinschaft Die (deutsch-rechtliche) Fähigkeit des Menschen, „Stücke seiner Persönlichkeit“ abzutrennen und mit denen anderer Menschen zu einer „Gesamtpersönlichkeit“ zu vereinigen, beruht für Gierke auf der Doppelnatur des Menschen, überall und zu allen Zeiten nicht nur Individuum für sich, sondern stets auch Glied eines Gattungsverbands zu sein.158 Ihre reale Disjunktion können nun die (Mit-) Glieder eines menschlichen Verbands nicht überwinden und zu einem großen Menschen verschmelzen. Und selbst wenn eine Vielzahl 155 156
Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 157 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470–471. 158 Gierke, Die Grundbegriffe des Staatsrechts und die neuesten Staatsrechtstheorien, 1874, S. 93.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
151
von Menschen an einem Ort sinnlich wahrnehmbar handelt, können sie ein menschlicher Verband oder auch lediglich eine unverbundene Menge sein. Die Erkenntnis, dass sich die anfangs „unverbundene Menge“ zu einem „sozialen Ganzen“ als einem „Gebilde höherer Ordnung“ formiert hat, ist das Ergebnis einer vom menschlichen Bewusstsein vollzogenen (gedanklichen) Abstraktion, welche an den physischen Menschen (entia physica) anknüpft, gleichzeitig aber darüber hinausgeht, indem es der sinnlich erfahrbaren Vielheit der Menschen die Eigenschaft (modus) einer gedachten Einheit im Recht (persona moralis) zuschreibt.159 Diese Einheit ist gleichwohl wirklich, da sie sich als Abstraktion aus den „leiblich erscheinenden Menschen“ ableitet und deshalb an sie rückgebunden ist.160 Nun ist ausschließlich der einzelne Mensch der greifbare und sichtbare Ort, an dem sich das Leben als Individuum oder als Glied eines Gattungsverbands abspielen kann. Stets will und handelt der individuelle Mensch, sodass erst aus einer rechtlichen Bewertung folgt, ob der Mensch nur für sich allein oder aber als Glied eines Gattungsverbands gewollt und gehandelt hat und dadurch die unsichtbare Einheit des menschlichen Verbands gleichsam hat Realität werden lassen. In diesem Sinn ist es dann auch zu verstehen, wenn Gierke zum Wesen der Einzelperson und der Verbandsperson ausführt: „Sinnlich wahrnehmbar sind nur leiblich erscheinende Menschen, in denen sich Einzelleben und Gattungsleben gleichzeitig abspielt. Erst mit dem an der inneren Erfahrung geschulten Geistesauge erschauen wir individuelle und soziale Lebenszentren, von denen wirkende Kraft ausgeht. Indem wir diese unsinnlichen Einheiten gegeneinander abgrenzen und einerseits durch Isolierung die in jedem Menschen auf das eigene Sein bezogene Einheit, andererseits durch Konzentrierung die in vielen Menschen ein gemeinsames Sein wirkende Einheit verselbständigen, gelangen wir zum Begriffe der Wesenheiten, die im Rechtsgebiete als Einzelpersonen und Verbandspersonen auftreten.“161
4. Der gemeinsame status als das „Wesen“ der deutschen Gesamthand a) Der gemeinsame status und wie er entsteht Während bei der deutsch-rechtlichen Körperschaft die Menschen, die den menschlichen Verband als tatsächliche Unterlage formen, in das objektive Recht als eine Gesamtperson eintreten, sind die vielen Menschen, die real die Gemeinschaft zur gesamten Hand bilden, nicht zusammen, sondern jeder für sich im Recht eine Person. Bei der Gesamthand bildet deshalb in der gedachten Welt des Rechts eine Vielheit von Personen (personae morales) die Vielheit der
te).
159
Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zita-
160 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471 (Zitat). 161 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471.
152
§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
sinnlich erfahrbaren Menschen (entia physica) ab. Als Person hat jeder Mensch im Recht einen status und demgemäß einen Raum, in dem er sich gewissermaßen rechtlich bewegen kann. Diese Einzelrechtsfähigkeit (status) kann der Mensch oder besser gesagt, sein Pendant in der gedachten Welt des Rechts, seine Person (persona moralis) partiell mit denen anderer Menschen bzw. deren (Rechts-) Personen vereinigen. Die Personen nehmen in diesem Fall gemeinsam einen status ein, d. h. sie teilen sich einen Raum – oder wie Gierke es formuliert: eine „Sphäre“, sie bilden eine „Gemeinsphäre“ oder „Samtsphäre“ und haben dadurch eine „kollektive Rechtsfähigkeit“.162 Sie bleiben gleichwohl eine Personenmehrheit und sind nur deshalb eine Personeneinheit, weil sie als mehrere Personen (d. h. als Rechtssubjekte) gemeinsam einen status innehaben. Der Begriff der Personeneinheit steht demgemäß bei Gierke entgegen der Ansicht von Flume eben nicht für den des Rechtssubjekts, sondern für eine verbundene Personenmehrheit, die sich gemeinsam einen status teilt und darum nach außen als Einheit erscheint. In diesem Sinn ist es dann auch zu verstehen, wenn Gierke betont: „Im Bereiche der gesamten Hand bilden die Gemeiner eine Personeneinheit, sind daher nicht für sich, sondern in ihrer Verbundenheit, ‚insgesamt‘ oder ‚kollektiv‘, berechtigt oder verpflichtet.“163 Die Fähigkeit, gemeinsam einen status einzunehmen, beruht für Gierke auf der Eigenschaft der deutsch-rechtlichen Persönlichkeit, „nicht absolut“ zu sein und daher eine „relative Natur“ zu besitzen.164 Das Subjekt des Rechts (d. h. die Person) ist, so Gierke, „von vornherein nur in der Beziehung zu anderen Subjekten Subjekt“.165 Die Gemeinschaft zur gesamten Hand ist somit „eine Gemeinschaft, zu der mehrere Personen durch eine die Persönlichkeit als solche (= Rechtsfähigkeit, Anm. d. Verf.) ergreifendes Rechtsverhältnis verbunden sind“.166 Sie stellt daher „nicht bloß äußere Beziehungen zwischen Rechtssubjekten“ her, sondern versetzt „die Rechtssubjektivität selbst (= Rechtsfähigkeit, Anm. d. Verf.) in einen besonderen Zustand“ (status), indem der einzelne Gesamthänder seine Rechtsfähigkeit erweitert und beschränkt.167 Er erweitert zum einen seine eigene Rechtsfähigkeit, d. h. seinen Rechtsraum (status), weil er in der Gemeinschaft zur gesamten Hand 162 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 661, 664, 682, 683; Beuthien, JZ 2003, 715, 721 mit Fn. 73, ersetzt die „kollektive Rechtsfähigkeit“ durch den Ausdruck der „Gesamtrechtsfähigkeit“. 163 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 676 (Hervorhebung im Original). 164 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36. 165 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36. Das sieht auch Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 1, so, wenn er zunächst vom Rechtsverhältnis ausgeht und erst von da aus zur Person (als Rechtssubjekt) gelangt, weil für ihn jedes Rechtsverhältnis „in der Beziehung einer Person zu einer anderen Person“ besteht. 166 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 167 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
153
partiell Rechtsraum von den anderen Gemeinern hinzubekommt und beschränkt sie zum anderen gleichzeitig, weil er mit ihnen ein Stück seines Rechtsraums teilt und insofern an sie abgibt. Die Gesamthänder bilden auf diese Weise eine „Gemeinsphäre“, nehmen einen gemeinsamen status ein und haben darüber eine „kollektive Rechtsfähigkeit“.168 Rechte und Pflichten tragen die Gesamthänder nicht mehr für sich allein, sondern zusammen mit den anderen insgesamt oder kollektiv. Auch an dieser Stelle wird demnach deutlich, dass Flume die von ihm zitierte Aussage Gierkes missversteht:169 „Kraft der gesamten Hand ist die verbundene Personenmehrheit als solche rechtsfähig. Sie kann Rechte und Pflichten haben, die zwar keiner von den verbundenen Personen verschiedenen Verbandsperson, ebenso wenig aber den einzelnen Gemeinern für sich zustehen.“170 Für Gierke sind die einzelnen Gemeiner Zuordnungsendpunkte der sie als Gemeinschaft (d. h. als „verbundene Personenmehrheit“) treffenden Rechte und Pflichten. Die Gesamthand ist, anders als Flume das irrtümlich annimmt, nicht selbst das Rechtssubjekt (d. h. Zuordnungsendpunkt der Rechte und Verbindlichkeiten), das sich gleichsam vor die einzelnen Gesamthänder schiebt. Da die Gesamthänder gemeinsam einen status innehaben, stehen ihnen aber gleichzeitig die Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten auch nicht jeder für sich über ihren individuellen status (d. h. über ihre Einzelrechtsfähigkeit), sondern allein als „verbundene Personenmehrheit“ zu. Das Wesen der Gesamthand beruht für Gierke daher „auf der rechtlichen Ordnung eines Zusammenhangs, der das Fürsichsein der einzelnen Menschen in einem bestimmten Bereich aufhebt und durch Verbundenheit ersetzt. Von den verbundenen Personen löst sich kein selbständiges soziales Lebewesen mit eigener Persönlichkeit (d. h. eine Verbandsperson, Anm. d. Verf.) ab“.171 Vielmehr ergibt sich für die Gesamthand „eine von den Sondersphären der Beteiligten (= von den individuellen Rechtsfähigkeiten, Anm. d. Verf.) rechtlich unterschiedene Gemeinsphäre (= kollektive Rechtsfähigkeit, Anm. d. Verf.), als deren Träger die verbundenen Personen eine Personeneinheit darstellen“.172
168
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 664, 682. Flume, ZHR 136 (1972), 177, 186. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682. 171 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660–661; ähnlich formuliert das auch schon Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1, 3. Aufl. 1873, S. 249, wonach „unter Mehreren eine materielle Rechtsgemeinschaft“ stattfindet, „welche für bestimmte Beziehungen die Grenzen ihrer Persönlichkeit aufhebt, und dieselbe gleichmäßig über die ihnen gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne dass jedoch ein neues, selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird“. Ein solches Rechtsverhältnis bezeichnet Beseler, aaO., S. 249, als „die gesamte Hand, Gesamthand“. 172 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 661. 169 170
154
§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
b) Der gemeinsame status als Zuordnungsmittler der kollektiven Rechtbeziehungen Ein Rechtsverhältnis besteht aber nicht unmittelbar zwischen den Rechtssubjekten, d. h. den Personen, sondern nur vermittelt über deren status und damit über ihre Rechtsfähigkeiten. Die Personen sind infolgedessen nicht als solche Zuordnungsendpunkt der aus dem konkreten Rechtsverhältnis resultierenden Rechte und Verbindlichkeiten, sondern in ihrer Eigenschaft als Träger eines status. Die Rechte und Pflichten knüpfen also zunächst an den status an, der sie dann an die in ihm befindliche Person (persona moralis) weiterleitet. Der status selbst ist demgemäß nicht der Zuordnungsendpunkt, vielmehr ist er nur Zuordnungsmittler. Auch das folgt für Gierke aus der Lehre von den entia moralia: Pufendorf konstruiert seine moralische Welt (entia moralia) in Analogie zur physischen Welt (entia physica). Er entwirft dabei zunächst in Parallele zum spatium der physischen Welt den status der moralischen Welt als Raum und Zeit, in die er anschließend die persona moralis als Rechtssubjekt setzt. Der status ist darum im Recht die „Existenzgrundlage“ der moralischen Person.173 Mit anderen Worten ist die Person nur deshalb im Rechtsinne Person, weil sie einen status einnimmt, also rechtsfähig ist.174 Während in der Körperwelt Raum und Zeit (spatium) selbst ohne die entia physica und damit auch ohne die Menschen fortbestehen können, endet das rechtliche Dasein des status mit dem Wegfall der in ihm befindlichen persona moralis.175 Ein Rechtssubjekt als Zuordnungsendpunkt von Rechten und Pflichten kann demnach allein die persona moralis sein, nicht aber der status, den sie einnimmt. Das bedeutet übertragen auf die Gemeinschaft zur gesamten Hand: Der gemeinsame status vermittelt (lediglich) die Rechte und Pflichten an die einzelnen Gesamthänder als Zuordnungsendpunkte, die deshalb in diesem Sinn insgesamt oder kollektiv berechtigt oder verpflichtet sind, ist aber nicht selbst ein Zurechnungsendpunkt (d. h. ein Rechtssubjekt).
c) Der gemeinsame status bleibt auch bei veränderter Trägerschaft derselbe Wenn ein Gesamthänder die Gemeinschaft verlässt, tritt er gleichsam aus dem gemeinsamen Rechtsraum (status) heraus. Da die gemeinsamen Rechte und Verbindlichkeiten über diesen status vermittelt werden, ist er in den Rechtsverhältnissen der Gesamthand dann nicht mehr Rechtssubjekt und daher Zuordnungsendpunkt der die Gesamthand betreffenden Rechte und Pflichten, insbesondere hört er dadurch auf, gemeinschaftlicher Gläubiger und Schuld173 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 174 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265.
1913, S. 417, Fn. 136 (Zitat).
175 So ausdrücklich Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 417, Fn. 136.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
155
ner zu sein (insgesamt oder kollektiv). Kommt ein neuer Gesamthänder zur Gemeinschaft hinzu, tritt er umgekehrt in den gemeinsamen Rechtsraum (status) ein, der die Rechte und Pflichten der Gesamthand jetzt auch an ihn als Endpunkt (d. h. Rechtsträger) weiterleitet. Er nimmt zusammen mit den übrigen Gesamthändern demgemäß nicht nur in den neuen, sondern auch in den bereits bestehenden Rechtsverhältnissen der Gesamthand die gemeinsame Stellung des (Rechts-) Subjekts ein. Dasselbe gilt auch, wenn der neue Gesamthänder nicht zusätzlich, sondern anstelle eines bisherigen Gemeiners der Gemeinschaft zur gesamten Hand beitritt. Die Personeneinheit bleibt hier stets dieselbe, da ja auch der gemeinsame status derselbe bleibt. Allein die innerhalb des status befindlichen Personen, d. h. dessen Träger – Träger deswegen, weil der status nichts anderes als die gemeinsame rechtliche Eigenschaft (modus) der in ihm befindlichen Personen (personae morales) ist – ändern sich. Dahingehend ist es daher zu verstehen, wenn Gierke hierzu ausführt: „Eine Veränderung der Gemeinschaft zur gesamten Hand unter Fortbestand ihrer Personeneinheit ist auf mannigfache Weise möglich. Insbesondere gehört es zu ihren Eigentümlichkeiten, dass sie einen Wechsel der verbundenen Personen überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft fortbestehen kann. Die gesamte Hand kann sich durch Einfügung eines neuen Gemeiners erweitern oder durch Ausscheiden eines bisherigen Gemeiners verengen oder den Ersatz eines Gemeiners durch einen kraft Erbganges oder Sondernachfolge an seine Stelle rückenden Gemeiner zulassen. Von einer solchen Veränderung bleiben alle Rechtsverhältnisse der Personeneinheit als solcher unberührt. Die veränderte Gemeinschaft kann daher ihren Namen oder ihre Firma fortführen und behält die sonst ihr zustehenden Personenrechte; sie setzt die bisherigen Vermögensrechte und Vermögenspflichten unmittelbar und ohne jeden Dazwischentritt einer Sukzession fort (…). Die Trägerschaft der Personeneinheit aber wird dergestalt verändert, dass der neu verbundene Gemeiner ohne Weiteres Mitträger aller Rechte und Pflichten der Gemeinschaft wird und der ausscheidende Gemeiner ohne Weiteres aufhört, Mitträger dieser Rechte und Pflichten zu sein.“176
Dass stets die jeweiligen Gemeiner Zuordnungsendpunkte der Rechte und Pflichten sind, ist allein deshalb möglich, weil die Stellung als Subjekt im konkreten Rechtsverhältnis über den gemeinsamen status vermittelt wird. Die Gesamthänder sind eben nicht als solche, d. h. als abstrakte Personen, sondern bloß in ihrer Eigenschaft als (Mit-) Träger des gemeinsamen status gebunden. Die gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen der Gesamthänder zu Dritten haften demgemäß nicht fest an ihnen als Personen. Diese Eigenschaft der Gemeinschaft zur gesamten Hand beruht für Gierke darauf, dass die „Persönlichkeit“ im deutschen Recht im Gegensatz zum römischen Recht „über-
176 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 690–691 mit Fn. 133 (Hervorhebung im Original).
156
§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
tragbar“ ist.177 Deshalb sind auch bereits bestehende Rechtsbeziehungen „auf beiden Seiten löslich und übertragbar“, vor allem können Schuld und Forderung von ihrem jeweiligen Rechtssubjekt getrennt werden.178 Eine Person kann aus diesem Grund ihren status ablegen und ihn auf eine andere Person übertragen. Rechte und Pflichten, die mit dem status verbunden sind, gehen so auf den neuen Träger über.
d) Das Gemeinschaftsverhältnis als Grundlage des gemeinsamen status Die Fähigkeit der Gemeinschaft zur gesamten Hand, dass ihre Rechtsverhältnisse mit Dritten selbst bei einem Wechsel der verbundenen Personen unverändert fortbestehen, ist daher Ausdruck ihrer Eigenschaft als Personeneinheit, d. h. dafür, dass die Gesamthänder einen gemeinsamen status einnehmen, über den die (gemeinschaftlichen) Rechtsbeziehungen an sie als Zuordnungsendpunkte der Rechtsverhältnisse (d. h. als Rechtssubjekte) bloß vermittelt werden. Aus diesem Grund ist die Kontinuität der Rechtsverhältnisse auch im Fall eines Wechsels im Mitgliederbestand charakteristisch für die Gemeinschaft zur gesamten Hand. Doch auch wenn die Personeneinheit eine veränderte Trägerschaft überdauern kann, lässt ein solcher Wechsel der Gesamthänder nicht stets und nicht jede Gemeinschaft zur gesamten Hand unberührt.179 Die Gemeinschaft zur gesamten Hand erschöpft sich nicht darin, dass die Gesamthänder einen gemeinsamen status innehaben und deshalb kollektiv rechtsfähig sind. Beide Begriffe sind nicht identisch. Vielmehr stehen Gesamthand und gemeinsamer status im Verhältnis von „Voraussetzung und Abhängigkeit“, sodass der gemeinsame status auf dem Gemeinschaftsverhältnis zur gesamten Hand als seiner Basis fußt.180 Das Gemeinschaftsverhältnis kann nun aber dermaßen an die konkrete Personenmehrheit gebunden sein, dass der Eintritt eines neuen Gemeiners von vornherein ausgeschlossen ist oder der Wegfall eines Gesamthänders zur Auflösung der Gemeinschaft zur gesamten Hand führt. Bei der ehelichen Gütergemeinschaft kann wegen der Natur der Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau ein neuer Gemeiner definitionsgemäß an sich nicht hinzukommen, es sei denn, die Gütergemeinschaft wird nach dem Tod des einen Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt (vgl. § 1483 Abs. 1 S. 1 BGB). Die BGB‑Gesellschaft löst sich auf, wenn ein Gesellschafter stirbt (§ 727 Abs. 1 BGB) oder kündigt (§§ 723, 724, 725 BGB), sofern im Gesellschaftsvertrag nicht das Fortbestehen unter den übrigen Gesellschaftern vereinbart ist (§ 736 Abs. 1 BGB). 177 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 37. 178 So ausdrücklich Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 179 180
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 692. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 676.
1873, S. 37.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
157
Ähnlich ist dies bei OHG und KG, wo jedoch umgekehrt Tod oder Kündigung eines Gesellschafters im Grundsatz lediglich dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft zur Folge haben (§§ 131 Abs. 3 Nr. 1, 3, 4, 161 Abs. 2 HGB), wenn nicht auch hier die Gesellschafter etwas Abweichendes im Gesellschaftsvertrag vereinbart haben (§§ 131 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB).
II. Die Vermögensgemeinschaft als objektive Seite der Gesamthand Die Eigenschaft der Gesamthand als Personengemeinschaft kombiniert Gierke nun mit der „bedingten und relativen Natur“ der deutsch-rechtlichen Persönlichkeit, die nicht nur durch die Beziehung zu anderen Subjekten beeinflusst, sondern auch „durch das in ihre Sphäre fallende Objekt bedingt und bestimmt, gebunden und erweitert“ wird.181 Die Gesamthand ist zwar in erster Linie Personengemeinschaft, diese hat aber stets eine Vermögensgemeinschaft zur Folge.182 Die Gemeinschaft zur gesamten Hand hat aus diesem Grund sowohl eine subjektive als auch eine objektive Seite. Während die verbundene Personenmehrheit und ihr Wille zur gemeinsamen Zweckverfolgung gleichsam das Subjekt der Gesamthand (als Gemeinschaft) bilden, ist das Vermögen als Ganzes („Gesamtsache“) ihr Objekt.183
1. Das Rechtssubjekt in der Eigenschaft als Träger seines Vermögens Das Vermögen ist nach Gierke im deutschen Recht eine „objektive Einheit“ und deswegen gegenüber seinem Träger (d. h. seinem Rechtssubjekt) verselbständigt, weil es zum einen selbst dann dasselbe bleibt, wenn sein Träger und damit das Rechtssubjekt wechselt, und sich zum anderen auch in dem Fall nicht in seine Bestandteile auflöst, wenn „mehrere Subjekte zusammen“, d. h. als eine verbundene Personenmehrheit im Sinn einer Gemeinschaft zur gesamten Hand, Träger des Vermögens sind.184 Bestandteile des Vermögens sind dabei im deutschen Recht neben den Aktiva auch die Passiva. Das Vermögen setzt sich deshalb nicht allein aus dem Eigentum an Sachen, aus anderen dinglichen Rechten und schuldrechtlichen Rechten (Forderungen) zusammen, 181 182
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 675 mit Fn. 57, wonach die gesamte Hand stets eine personenrechtliche Verbundenheit bewirkt, sie fehlt aber nirgends und bildet auch da, wo sie nur als sekundäres und dienendes Stück einer Vermögensgemeinschaft erscheint, den konstruktiven Mittelpunkt des Rechtsverhältnisses der gesamten Hand; so auch ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 436 und S. 353: „Das eigentliche Wesen der gesamten Hand beruht (…) in dem allgemeinen Gedanken der vermögensrechtlichen Wirksamkeit einer personenrechtlichen Gemeinschaft.“ (Hervorhebung im Original). 183 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 928–936; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 676. 184 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 70.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
sondern auch aus dinglichen Lasten und obligatorischen Verbindlichkeiten (Schulden).185 Indem nun das Vermögen als eine solche objektive Einheit an sein Subjekt herantritt, das eine Einzelperson, aber auch eine Gesamtperson oder Personenmehrheit sein kann,186 wirkt es auf dessen Rechtsfähigkeit („Persönlichkeit“) ein, die dadurch „dinglich erweitert und gebunden“ und in diesem Sinn modifiziert wird.187 Das Rechtsubjekt nimmt nicht als solches, sondern in seiner Eigenschaft als Inhaber ihres Vermögens in den konkreten Rechtsverhältnissen die Stellung des Subjekts ein und ist daher nicht als Person, vielmehr nur vermittelt über das Vermögen berechtigt und verpflichtet. Das Vermögen, so Gierke, bedingt und bestimmt sein Subjekt, das deshalb von ihm abhängig ist und daher in einer Reihe von Rechtsbeziehungen nicht als Subjekt schlechthin, sondern als Träger des Vermögens auftritt.188 Obgleich nach Gierke auf diese Weise das deutsche Recht, hier wiederum im diametralen Gegensatz zum römischen Recht, das Vermögen „als Endpunkt und als Ausgangspunkt“ der auf ihn gerichteten Rechtsverhältnisse neben die Personen stellt,189 ist es aber nicht selbst Adressat der Rechte und Verbindlichkeiten. Vielmehr vermittelt es die Rechte und Pflichten lediglich zwischen den Subjekten in der jeweiligen Rechtsbeziehung. Das Vermögen benötigt daher stets eine Einzel- oder Gesamtperson oder eine Personenmehrheit als seinen Träger, die darum stets den Zuordnungsendpunkt der Rechte und Pflichten bilden.190 Für die deutsch-rechtliche Figur der Gemeinschaft zur gesamten Hand bedeutet dies: Die Gesamthänder sind in ihrer Eigenschaft (Rolle) als (Mit-) Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens berechtigt und verpflichtet und deswegen stets auch bloß mittelbar über das Vermögen Eigentümer der gemeinschaftlichen Sachen, Inhaber der gemeinschaftlichen Sachenrechte sowie Gläubiger und Schuldner in den mit Dritten bestehenden Rechtsverhältnissen. Der gemeinsame status der Gesamthänder, d. h. ihre kollektive Rechtsfähigkeit, wird demgemäß nicht nur durch den Charakter der Gesamthand als Personengemeinschaft, sondern stets auch, eben weil die Personengemeinschaft auch immer eine Vermögensgemeinschaft nach sich zieht, durch den als 185 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 275 mit Fn. 24; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 66; und ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 495, 512–513, 521. 186 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 72–73. 187 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 67. 188 So ausdrücklich Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 72. 189 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 65, 66. 190 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 71, wonach die Selbständigkeit und Geschlossenheit der objektiven Rechtssphäre (d. h. des Vermögens) immer nur relativ, niemals absolut sein kann. „Denn wäre sie absolut, so wäre das betreffende Sachganze entweder subjektlos oder sich selbst Subjekt“, was Gierke aber im Anschluss daran strikt ablehnt; und S. 72: „In Wirklichkeit hat daher unter allen Umständen jede noch so selbständige Sachsphäre ihr lebendiges Subjekt.“
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Vermögensgemeinschaft bestimmt. Der gemeinsame status hat deshalb eine subjektive und eine objektive Seite, ist als solcher End- bzw. Ausgangspunkt der Rechtsverhältnisse zu außenstehenden Dritten und leitet dergestalt die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten an die Gesamthänder als deren Zuordnungsendpunkte (d. h. Rechtssubjekte) weiter.191
2. Das eine Vermögen als Ursache für die Kontinuität der Rechtsverhältnisse Tritt ein Gesamthänder aus der Gemeinschaft aus, verliert er seinen gemeinsamen status. Rechte und Pflichten der Gesamthand werden nicht mehr an ihn als Zuordnungsendpunkt weitergeleitet. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass er jetzt nicht mehr (Mit-) Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens ist und deshalb auch aufhört, gemeinschaftlicher Gläubiger und Schuldner zu sein. Umgekehrt nimmt ein neuer Gemeiner an dem gemeinsamen status der Gesamthand teil, wird dessen Mitträger und über den status Zuordnungsendpunkt der schon vor seinem Beitritt entstandenen Rechte und Verbindlichkeiten. Weil die Gemeinschaft zur gesamten Hand als eine Personengemeinschaft stets eine Vermögensgemeinschaft zur Folge hat, beinhaltet dies, dass er (Mit-)Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens wird und in dieser Eigenschaft zusammen mit den bisherigen Gesamthändern die Stellung des Subjekts in den bestehenden Rechtsverhältnissen der Gesamthand einnimmt und ab diesem Zeitpunkt gemeinschaftlicher Gläubiger und Schuldner ist. In diesen Kontext ist es deshalb einzuordnen, wenn Gierke zum Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer BGB‑Gesellschaft ausführt: „Scheidet ein Gesellschafter aus, so büßt er seine personenrechtliche Stellung als Gesellschafter (d. h. den gemeinsamen status, Anm. d. Verf.) und damit zugleich seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ein. Sein Anteil wächst von Rechts wegen den übrigen Gesellschaftern an, sodass kraft Gesamtnachfolge alle zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechte (…) ohne besonderen Übertragungs- oder Abtretungsakt auf die übrigen Gesellschafter in ihrer fortbestehenden personenrechtlichen Verbundenheit übergehen. (…) Mit dem Anteil am Gesellschaftsvermögen wächst zugleich der Anteil an den Gesellschaftsschulden den in der Gemeinschaft verbleibenden Gesellschaftern zu.“192
Da ein neuer Gesellschafter umgekehrt „in die personenrechtliche Stellung eines Mitträgers der Gesamthandsgemeinschaft“ eintritt, wächst ihm nach Gierke seinerseits „von Rechts wegen ein Anteil am Gesellschaftsvermögen zu, der den übrigen Gesellschaftern abwächst. Der ihm zuwachsende Anteil schließt notwendig in Ansehung 191 Dass im deutschen Recht End- und Ausgangspunkt eines Rechtsverhältnisses nicht nur Personen (d. h. Rechtssubjekte) sein müssen, sondern auch etwas Anderes sein kann, indem es zwischen den Personen Rechtsverhältnisse bloß vermittelt, hebt Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 65, 66, ausdrücklich für Sachen hervor. 192 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 855–856.
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der Gesellschaftsschulden, die das Gesellschaftsvermögen belasten, die Mitschuldnerschaft zur gesamten Hand und folgeweise auch den Gläubigern gegenüber die Mithaftung mit dem Gesellschaftsvermögen ein“.193
Das Prinzip der Anwachsung (Konsolidation), aber auch das der Abwachsung gehört demgemäß für Gierke zum Wesen der Gesamthand als Vermögensgemeinschaft.194
III. Der gemeinsame Name als sichtbares Zeichen für die Einheit der Gesamthand 1. Die subjektive Seite Die personenrechtliche Verbundenheit der Gesamthänder (d. h. ihre Personeneinheit) „findet in der Namenseinheit ihren sichtbaren Ausdruck“.195 Treten die Gemeiner im Rechtsverkehr unter einem gemeinschaftlichen Namen auf, wird für Dritte deren Personeneinheit besonders sichtbar und greifbar. Gleichwohl ist ein gemeinschaftlicher Name nicht erforderlich, damit überhaupt eine Personeneinheit besteht. Deshalb betont Gierke auch mit Blick auf die GbR: „Der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts fehlt freilich ein ihre ständige Personeneinheit kraft gesetzlicher Anerkennung bezeichnender Name, unter dem sie, wie die Handelsgesellschaft unter ihrer Firma, Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen und vor Gericht klagen und verklagt werden könnte; führt sie einen besonderen Namen, so hat dessen Gebrauch, ob die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit oder als Einzelne gehandelt haben, nur tatsächliche Bedeutung. Allein eine Dritten gegenüber wirksame Personeneinheit eignet auch ihr.“196
Paradigmatisch für eine derartige Namenseinheit einer Gemeinschaft zur gesamten Hand ist die Handelsgesellschaft. Das Gesetz definiert OHG und KG als Gesellschaften, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist (§ 105 Abs. 1; § 161 Abs. 1 HGB). Das objektive Recht erkennt hier die Personeneinheit besonders an, indem es die Namenseinheit zum Wesensmerkmal der Handelsgesellschaft erklärt. Die Handelsgesellschaft kann deshalb nicht nur, sondern muss unter einer gemeinschaftlichen Firma im Rechtsverkehr auftreten und auf diese Weise Rechte er193
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 857–858. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 680; vgl. auch Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1260: „Mit der Gestaltung des Gesellschaftsverhältnisses auf der Grundlage der gesamten Hand steht auch der § 725 Satz 1 (= § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB; Anm. d. Verf.) im Zusammenhang, wonach, wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet oder ausgeschlossen wird, sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern unmittelbar, ohne dass es eines Übertragungsaktes bedarf, zuwächst.“ 195 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 675 mit Fn. 57. 196 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 841. 194
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werben, Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 124 Abs. 1 HGB). Daher setzt auch die Zwangsvollstreckung in das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter einen gegen die „Gesellschaft“ gerichteten vollstreckbaren Schuldtitel voraus (§ 124 Abs. 2 HGB). Da so die verbundenen Personen gleichsam von dem gemeinsamen status, den sie miteinander teilen, verdeckt werden, erscheint die Personeneinheit selbst das Rechtssubjekt und dadurch eine (juristische) Person zu sein. Wenn die heute h. M. als Gruppenlehre die Handelsgesellschaft (als OHG und KG) und jetzt auch die BGB‑Gesellschaft als Rechtssubjekt und als Gesamthand versteht,197 verwischt sie die Grenze zwischen Körperschaft (d. h. realer Verbandsperson) und Gesamthand (d. h. Personeneinheit), sieht ähnlich wie schon das Naturrecht gleichermaßen in beiden Rechtsfiguren „zusammengesetzte Personen“ (personae morales compositae) und fällt auf diese Weise „in eine Vorstellungsweise zurück, für die es zwischen Verbandsperson und Personeneinheit einen begrifflichen Unterschied nicht gab“.198 Nun sind für Gierke die Handelsgesellschaften als OHG und KG nicht Verbandspersonen, sondern Gemeinschaften zur gesamten Hand „in vollkommenster Durchbildung“.199 Wenn die h. M. daher die angebliche Rechtssubjektivität der OHG auf die GbR erstreckt, gesteht sie in Wahrheit der GbR lediglich die Fähigkeit zu, im Rechtsverkehr ebenso wie die OHG (und KG) unter einem gemeinschaftlichen Namen aufzutreten, beide sind – wie Beu thien es ausdrückt – „nur gesamtnamensfähig“.200 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann sich so einer des Handelsrechts (d. h. einer OHG oder KG) derart stark annähern, dass „ihre Personeneinheit“, anders als Gierke annahm, nicht mehr „stets hinter der durch die gemeinschaftliche Firma ausgedrückten handelsgesellschaftlichen Personeneinheit zurückbleiben muss“. 201
2. Die objektive Seite Die Personeneinheit kommt gleichzeitig auf ihrer objektiven Seite in dem ihr gegenüber verselbständigten und daher in sich geschlossenen Sondervermögen 197 BGHZ 146, 341, 343, 346; BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 24; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 24; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 49; Hadding/ Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 21. 198 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 662. Diesem Vorwurf setzt sich freilich auch Gierke selbst aus, wenn für ihn Körperschaft und Gesamthand zwar begrifflich getrennt sind, zwischen beiden aber eine „innere Verwandtschaft“ besteht, sodass sie einander derart nahe berühren können, dass die eine als die andere erscheinen kann und umgekehrt (aaO., S. 479–482). Allein dadurch ist Gierke jedoch imstande, sämtliche deutschen Genossenschaften entweder unter den Begriff der Körperschaft oder den der Gesamthand zu fassen. 199 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. 200 Beuthien, JZ 2003, 715, 720. 201 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 834.
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der Gemeinschaft zur gesamten Hand zum Ausdruck. Auch hier kann sich die Personeneinheit unterschiedlich stark im Gesamthandsvermögen manifestieren. Bei den Handelsgesellschaften (als OHG und KG) ist das gemeinschaftliche Vermögen für die Gesellschaftsgläubiger reserviert, was sich vor allem darin offenbart, dass für eine Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein Schuldtitel gegen die „Gesellschaft“ erforderlich ist (vgl. § 124 Abs. 2 HGB). Die Verbindlichkeit muss also über den gemeinsamen status der Gesellschafter begründet worden und in diesem Sinn eine Gesellschaftsschuld sein. Im Gegensatz dazu können bei der BGB‑Gesellschaft neben den Gesellschaftsgläubigern auch die Privatgläubiger der einzelnen Gesellschafter auf das gemeinschaftliche Vermögen, das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) zugreifen, sofern für diese gesellschaftsfremde Forderung alle Gesellschafter als Gesamtschuldner i. S. des § 421 BGB haften: „Denn wegen jeder Gesellschaftsschuld kann der Gläubiger sich an das Gesellschaftsvermögen halten. Doch ist im Gegensatz zum Handelsgesellschaftsrecht die Verknüpfung der Gesellschaftsschulden mit dem Gesellschaftsvermögen unvollkommen durchgeführt, indem auch ein Gläubiger, dem die Gesellschafter aus einem außergesellschaftlichen Grunde als Gesamtschuldner haften, den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen hat.“202
In diesem Zusammenhang verweist Gierke ausdrücklich auf § 736 ZPO, wonach für eine Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer GbR ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist.203 Demgemäß können für ihn aufgrund eines solchen Titels selbst die Gläubiger auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen, die eine gesellschaftsfremde Forderung haben, sofern hierfür alle Gesellschafter solidarisch (d. h. als Gesamtschuldner) haften. Damit steht Gierke im Einklang mit dem historischen Gesetzgeber, für den der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen aufgrund eines Schuldtitels i. S. des § 736 ZPO nicht auf die Zwangsvollstreckung wegen Gesellschaftsschulden beschränkt ist, „sondern auch wegen anderer Verbindlichkeiten, für die alle Gesellschafter haften“, stattfinden kann.204 Auch wenn der BGH im Anschluss an Flume die GbR als Rechtssubjekt anerkennt und ihr damit auch die formelle Parteifähigkeit i. S. des § 50 ZPO zugesteht, hält er doch an § 736 ZPO fest.205 Das Erfordernis des Schuldtitels gegen „alle Gesellschafter“ ist aber auch dann erfüllt, so die Auffassung der h. M., wenn die Gesellschaft als Rechtssubjekt verurteilt worden ist.206 Weil 202
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 846.
203 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 846, Fn. 71. 204 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum
Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1260. 205 BGHZ 146, 341, 356. 206 BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 11; Seibel, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 736 Rn. 1, 2; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 736 Rn. 4; Münzberg, in: Stein/Jonas,
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aber entgegen der h. M. der Begriff der Gesellschaft lediglich eine Abkürzung für „alle Gesellschafter“ ist, liegt in diesem Fall zwar durchaus ein Titel i. S. des § 736 ZPO gegen „alle Gesellschafter“ vor, doch lautet hier der Titel eben nicht auf den Namen des Rechtssubjekts Gesellschaft (weil es ein solches bei der Gesellschaft als Gesamthand ja nicht gibt), sondern ebenso wie bei den Handelsgesellschaften auf den gemeinsamen Namen der Gesellschafter. Die Handelsgesellschaft kann „unter ihrer Firma“ verklagt werden (§ 124 Abs. 1 HGB), sodass ein Schuldtitel gegen sie auch auf diesen Namen lauten muss (§ 124 Abs. 2 HGB).207 Aber selbst die Firma der Handelsgesellschaft ist nichts anderes als der gemeinschaftliche Name der Gesellschafter (vgl. § 105 Abs. 1 HGB).208 Der Ausdruck „alle Gesellschafter“ bildet aus diesem Grund bloß den Oberbegriff für die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als verbundene Personenmehrheit (insgesamt) – und allein in diesem Sinn als Gesellschaft – und als unverbundene Einzelpersonen (jeder für sich), die solidarisch, d. h. als Gesamtschuldner, für eine Verbindlichkeit einzustehen haben. Trotz der Anerkennung der Rechtssubjektivität der GbR durch den BGH unterfällt nach h. L. auch weiterhin jede und infolgedessen auch eine gesellschaftsfremde Verbindlichkeit dem Anwendungsbereich des § 736 ZPO, sofern die Gesellschafter hierfür als Gesamtschuldner und damit persönlich mit ihrem Privatvermögen haften.209 Das Tatbestandsmerkmal des § 736 ZPO „alle Gesellschafter“ ist hiernach auch bei einer derartigen gemeinsamen Schuld der Gesellschafter erfüllt. Der BGH legt im Gegensatz dazu den Begriff „alle Gesellschafter“ jetzt restriktiv aus, sodass neben den echten Gesellschaftsschulden nur noch die solidarischen Verbindlichkeiten von § 736 ZPO erfasst sind, die auf einer „persönlichen Mithaftung“ der einzelnen Gesellschafter, und zwar für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, beruhen. 210 Hiernach werden also Gesamtschulden, die nicht mit der Zugehörigkeit der Gesellschafter zur GbR zusammenhängen, nicht mehr von § 736 ZPO erfasst. Die persönliche Mithaftung der Gesellschafter für eine Gesellschaftsschuld (vgl. § 128 Satz 1 HGB analog) erlaubt dem Gläubiger an sich ausschließlich den Zugriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter. Der Gläubiger bleibt in diesem Sinn immer noch bloß ein Privatgläubiger, er wird nicht zu einem ZPO, 22. Aufl. 2002, § 736 Rn. 1; Ulrici, in: BeckOK, ZPO, 31. Ed. 2018, § 736 Rn. 8, wonach die Gesellschaft als Schuldnerin sogar durch Benennung aller ihrer Gesellschafter bezeichnet werden kann. 207 Darin besteht auch für den BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 11, ein Unterschied zwischen OHG und GbR. 208 Dazu Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 286. 209 Heßler, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 736 Rn. 27; Seibel, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 736 Rn. 3; a. A. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 736 Rn. 4; Ulrici, in: BeckOK, ZPO, 31. Ed. 2018, § 736 Rn. 12.2; zweifelnd Münzberg, in: Stein/ Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 736 Rn. 7; Kindl, in: Saenger, ZPO, 7. Aufl. 2017, § 736 Rn. 3. 210 BGH, NJW 2008, 1378 Rn. 10; BGHZ 146, 341, 356; BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 11.
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Gesellschaftsgläubiger. Dennoch kann er nach Ansicht des BGH seine Forderung gegen die einzelnen Gesellschafter auch in das Vermögen der BGB‑Gesellschaft (§ 718 Abs. 1 BGB) vollstrecken lassen. Bei der GbR ist demzufolge das gemeinschaftliche Sondervermögen der Gesellschafter nicht in demselben Maße in sich geschlossen, wie es bei OHG und KG als Handelsgesellschaften der Fall ist. Insofern bleibt die Personeneinheit der GbR auf ihrer objektiven und damit korrespondierend aber auch auf ihrer subjektiven Seite weiterhin hinter derjenigen der Handelsgesellschaften (OHG; KG) zurück. Dort erfordert die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen zwingend einen Schuldtitel, der auf die gemeinschaftliche Firma der Gesellschafter lautet (§ 124 Abs. 2 HGB).211
IV. Die persönliche Haftung der Gesamthänder 1. Die persönliche Haftung – Ausdruck der Personengemeinschaft Bei der Gemeinschaft zur gesamten Hand nehmen mehrere Personen gemeinsam einen status ein und bilden in diesem Sinn eine Personeneinheit. Träger der Personeneinheit ist deshalb stets eine Personenmehrheit. Da der gemeinsame status die Rechte und Pflichten an die in ihr befindlichen Personen weiterleitet, ist nicht die Personeneinheit selbst, sondern sind die vielen, einzelnen Personen (personae morales) jeder für sich Zuordnungsendpunkte der Rechtsverhältnisse. Die Eigenschaft der Gesamthand als eine solche Personenmehrheit findet daher ihren sichtbaren Ausdruck darin, dass die Gesamthänder für ihre gemeinschaftlichen Schulden persönlich einzustehen haben. Die Gesamthand nimmt nicht den ganzen Menschen oder vielmehr sein Gegenstück in der Welt des Rechts, seine Person, in Anspruch, stattdessen beschränkt sie sich auf die gemeinsame Verfolgung ganz bestimmter Zwecke. Der einzelne Gemeiner hat infolgedessen stets neben dem gemeinsamen status, den er zusammen mit den anderen Gesamthändern einnimmt, auch weiterhin seinen individuellen status inne. Dies gilt dabei nicht bloß außerhalb, sondern auch innerhalb der Gemeinschaft zur gesamten Hand. Die Gesamthand ist stets Personeneinheit und Personenmehrheit oder wie es Gierke formuliert, „sind in der Gesamtheit, da ihre Personeneinheit nur die Zusammenfassung von Personen in einer bestimmten Verbundenheit bedeutet, die Einzelnen irgendwie enthalten“.212 Und deshalb betont Gierke ausdrücklich: „Im Bereich der gesamten Hand bilden die Gemeiner eine Personeneinheit, sind daher nicht für sich, sondern in ihrer Verbundenheit, ‚insgesamt‘ oder ‚kollektiv‘, berechtigt oder verpflichtet. (…) Allein diese Personeneinheit gilt nur im Bereich der gesamten Hand und lässt für eine Sonderung der verbundenen Personen innerhalb des 211 BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 11; BGHZ 146, 341, 356. 212 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682 (Hervorhebung nicht im Original).
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Gemeinschaftsverhältnisses Raum. Denn die Gemeinschaft zur gesamten Hand erschöpft sich nicht in der gesamten Hand, sondern begründet zugleich für die einzelnen Gemeiner Sondersphären, durch die in irgend einem Maße die ungetrennte Samtsphäre eingeschränkt und ergänzt wird. Wie die deutsche Genossenschaft körperschaftsrechtliche, so schließt die deutsche Gemeinschaft gemeinschaftsrechtliche Sonderrechtsverhältnisse ein. Hieraus ergeben sich eigenartige Sonderrechte und Sonderpflichten, die zwar im Gegensatz zu außergemeinschaftlichen Rechten und Pflichten der Teilhaber durch die gesamte Hand gebunden bleiben, jedoch im Gegensatz zu den Samtrechten und Samtpflichten den einzelnen Teilhabern für sich zustehen. An ihnen findet also das Kollektivprinzip seine Schranke.“213
Die Gemeinschaft zur gesamten Hand beinhaltet hiernach eine „ungetrennte Samtsphäre“, an anderer Stelle bezeichnet Gierke diese auch als „Gemeinschaftssphäre“ oder auch nur als „Gemeinsphäre“, und zugleich für jeden einzelnen Gesamthänder eine „Sondersphäre“. Der Begriff der Sphäre ist lediglich ein anderes Wort für Raum und demgemäß stehen, weil die Gemeinschaft zur gesamten Hand eine Figur des Rechts ist, der Ausdruck der „Samtsphäre“ für den gemeinsamen status und der der „Sondersphäre“ für den Teil des individuellen status, den der einzelne Gesamthänder in seiner Eigenschaft als Teilhaber der Gemeinschaft zur gesamten Hand innehat, und zwar im Gegensatz zum gemeinsamen status nicht zusammen mit den übrigen Gemeinern, sondern für sich allein. Die Gesamthänder sind demnach nicht bloß insgesamt oder kollektiv berechtigt und verpflichtet oder haben gemeinschaftliche Rechte und Pflichten (Samtrechte und Samtpflichten), vielmehr stehen jedem Einzelnen von ihnen in seiner Eigenschaft als Gemeiner auch jeweils individuelle Rechte und Pflichten für sich allein zu, hat er also Sonderrechte und Sonderpflichten innerhalb der Gesamthand. Der gemeinsame und der individuelle status sind derart in der Gemeinschaft zur gesamten Hand miteinander „verknüpft“, dass die individuellen Sonderrechte oder Sonderpflichten der Gesamthänder „hinter, neben oder vor ihrer kollektiven Berechtigung oder Verpflichtung bestehen“ können.214 Eine Gemeinschaftshandlung, d. h. eine „Handlung, die als Handlung der Personeneinheit gilt“, berechtigt und verpflichtet deswegen zwar zunächst unmittelbar nur die verbundenen Personen im Bereich der gesamten Hand. 215 Mit anderen Worten werden die Gemeiner über den gemeinsamen status als verbundene Personen Zuordnungsendpunkte der (gemeinschaftlichen) Rechtsbeziehungen mit außenstehenden Dritten. Die Gemeinschaft zur gesamten Hand beinhaltet aber neben dem gemeinsamen status für alle Gemeiner zusammen zusätzlich für jeden von ihnen auch einen individuellen status. Das Gemeinschafts213 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 676–677 (Hervorhebungen im Original). 214 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682, 681 (Zitate). 215 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 690.
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verhältnis erstreckt die Wirkung der Gemeinschaftshandlung demgemäß über den gemeinsamen status hinaus auf den individuellen status des jeweiligen Gesamthänders. Der gemeinsame status als End- und Ausgangspunkt der Rechtsverhältnisse leitet die Rechte und Pflichten an die Gemeiner als verbundene Einzelpersonen (insgesamt oder kollektiv) und gleichzeitig über den jeweiligen individuellen status als unverbundene Einzelpersonen (jeder für sich) weiter. Die Gesamthänder treten sozusagen mit ihrem individuellen status (= Einzelrechtsfähigkeit) in den gemeinsamen status als den umfassenderen Rechtsraum (= kollektive Rechtsfähigkeit) hinein. Die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen (Rechte, Forderungen und Schulden) passieren daher auf ihrem Weg zu den Gesamthändern als den Zuordnungsendpunkten (d. h. als den Rechtsträgern) zunächst den einen gemeinsamen status (der Gesamthand) und (erst) anschließend die vielen individuellen status der Gesellschafter. Der individuelle status ist nun der Raum, der die Person (persona moralis) in der Welt des Rechts stets umgibt. Wie der Mensch in der physischen Welt nur in Raum und Zeit (spatium) existieren kann, braucht auch die persona moralis in der Welt des Rechts einen status als Grundlage für ihr (rechtliches) Dasein. Während deshalb eine Person imstande ist, zusätzlich zu ihrem individuellen status zusammen mit anderen Personen einen gemeinsamen status anzunehmen und wieder abzulegen, kann sie ihren individuellen status nicht aufgeben. Der individuelle status ist somit essentielles Attribut (modus) für die Person. Person im Rechtsinne, so Gierke, ist nur das „Wesen, dem das Recht der Persönlichkeit zusteht“, und weil der Begriff Persönlichkeit die Fähigkeit bedeutet, ein Rechtssubjekt zu sein, 216 d. h. rechtsfähig zu sein, ist das Wesen (ens morale) nur deshalb im Rechtsinne Person, weil es rechtsfähig ist. Durch eine Handlung, die als Handlung der Personeneinheit gilt, werden die Gesamthänder demgemäß über ihren gemeinsamen status Subjekt in den Rechtsverhältnissen mit Dritten und dadurch gemeinschaftlich (insgesamt oder kollektiv) berechtigt und verpflichtet. Diese Gemeinschaftshandlung begründet gleichzeitig für jeden einzelnen der Gemeiner über dessen individuellen status eine „Sonderhaftung“.217 Deshalb haben auch die Gesellschafter einer Handelsgesellschaft, die für Gierke „den Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ aufweist, nicht nur alle zusammen für die gemeinschaftlichen Schulden einzustehen, sondern auch jeder für sich persönlich mit seinem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB).218 216
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 681 mit Fn. 90, ist zwischen der „solidarischen Sonderhaftung“ der einzelnen Gesamthänder und der „Gesamthaftung zu unterscheiden, die sie nur in ihrer Verbundenheit trifft“ (d. h. als Gesamthand). 218 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. 217 Nach
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Kommt ein neuer Gesellschafter zu einer Handelsgesellschaft (OHG oder KG) hinzu, teilt er mit den übrigen Gesellschaftern den gemeinsamen status, und weil der gemeinsame status End- und Ausgangspunkt der mit Dritten bereits bestehenden Rechtsverhältnisse ist, wird er hierdurch ipso iure zusammen mit ihnen gemeinschaftlicher Gläubiger und Schuldner. Da er mit seinem individuellen status in den gemeinsamen status eintritt, leitet der gemeinsame status die kollektiv bereits bestehenden Forderungen und Schulden über den individuellen status an den neuen Gesellschafter auch als unverbundene Einzelperson weiter, der deshalb gleich den anderen, bisherigen Gesellschaftern persönlich mit seinem Privatvermögen für die vor seinem Eintritt begründeten gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten, sog. Altschulden, einstehen muss (vgl. § 130 Abs. 1 HGB). Da der individuelle status (d. h. die Einzelrechtsfähigkeit) End- und Ausgangspunkt für die persönliche Haftung des Gesellschafters ist, dieser aber den individuellen status nicht ablegen kann, bleibt seine persönliche Haftung für die Gesellschaftsschulden selbst dann bestehen, wenn er aus der Handelsgesellschaft (d. h. aus der OHG oder KG) ausscheidet und damit den gemeinsamen status abstreift (vgl. § 160 Abs. 1 HGB). Der ausscheidende Gesamthänder, so Gierke, hört zwar ohne Weiteres auf, „Mitträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten zu sein“, 219 weil er nicht mehr zusammen mit den übrigen Gesellschaftern den gemeinsamen status einnimmt. „Nur erlischt insoweit, als das Gemeinschaftsverhältnis Sonderrechte oder Sonderpflichten erzeugt, die Teilhaberschaft nicht ohne Rückstand. Insbesondere (…) bleibt (…) auch eine etwaige Sonderhaftung für die bereits entstandenen Samtverbindlichkeiten bestehen.“220
2. Die persönliche Haftung – auch Ausdruck der Vermögensgemeinschaft Diese Sonderhaftung folgt für Gierke nicht nur aus der „Beschaffenheit der Gemeinschaft“, sondern auch aus der „ihres Sondervermögens“.221 In der Gemeinschaft zur gesamten Hand nehmen die Gesamthänder einen gemeinsamen status ein, der zusätzlich neben den bereits bestehenden individuellen status des einzelnen Gemeiners tritt. Infolgedessen spaltet sich der vermögensrechtliche Aspekt seiner Rechtsfähigkeit (d. h. seine Persönlichkeit) auf und damit das Vermögen als Objekt selbst. Nunmehr existieren ein gemeinschaftliches Sondervermögen und ein Privatvermögen. Der Gesamthänder hat deshalb eine „doppelte Personenrolle“: Er ist zum einen Mitinhaber des gemeinschaft-
219
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691.
220 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691–692. 221 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 690, Fn. 129
(Zitate).
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lichen Sondervermögens (vgl. § 718 Abs. 1 BGB) und zum anderen Alleininhaber seines Privatvermögens.222
a) Die Handelsgesellschaft Nach Gierke sind „in der handelsgesellschaftlichen Personeneinheit die persönlich haftenden Gesellschafter mit ihrer ganzen vermögensrechtlichen Persönlichkeit“ enthalten.223 Daher ist der persönlich haftende Gesellschafter einer OHG oder KG mit beiden Personenrollen Teil der Gemeinschaft zur gesamten Hand, und zwar, indem er gleichsam als „Beitrag“ (§ 705 BGB) seine vermögensrechtliche Persönlichkeit als (Allein-) Inhaber seines Privatvermögens in das gemeinschaftliche Sondervermögen einbringt.224 Hierüber wird dann zunächst, so Gierke, ein Haftungsverhältnis zwischen dem einzelnen Gesellschafter und dem Gesellschaftsgläubiger und als dessen Folge ein individuelles Schuldverhältnis zwischen beiden begründet. 225 Für Gierke ist begrifflich scharf zwischen Schuld und Haftung zu differenzieren. Während die Schuld lediglich ein rechtliches Sollen beinhalte, 226 gewähre erst die Haftung dem Gläubiger ein Zugriffsrecht auf das Vermögen, 227 in der Regel das Vermögen des Schuldners, was aber nicht zwingend so sein müsse. Schuld- und Haftungsverhältnis könnten durchaus auseinanderfallen, sodass jemand auch für eine fremde Verbindlichkeit hafte, ohne selbst Schuldner zu sein.228 Da nun die Gesellschaftsschulden Bestandteil des gemeinschaftlichen Vermögens sind, haftet zunächst jenes für sie; der Gesellschaftsgläubiger kann deshalb auf das Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB als Haftungsobjekt zugreifen.229 222 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 61, Fn. 63; ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 459, wonach ein Subjekt mehrfache Personenrollen spielen kann; siehe dort auch Fn. 1. Nach Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 244–245, kommt es auch heute noch beim Einzelkaufmann zu einer „Subjektspaltung“, indem dort in ein und demselben Menschen zwischen Privatmann und Unternehmer unterschieden wird. Nicht als Mensch, d. h. als die eine natürliche Person, sondern als der Unternehmer, als Inhaber des konkreten Unternehmens, ist er ohne Weiteres für die Forderungen und Schulden zuständig, die deshalb ipso iure auf einen neuen Inhaber des Unternehmens übergehen, indem der neue Inhaber nicht Nachfolger des alten wird, sondern sich in ihn verwandelt, da jetzt er der Unternehmer ist (vgl. § 25 HGB). 223 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682, Fn. 96 (Hervorhebung nicht im Original); ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 444, 453. 224 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 444 mit Fn. 1. 225 Dazu sogleich. 226 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 9. 227 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 13. 228 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 42–52, insb. S. 48. 229 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 42; siehe dens., Die Genossenschafts-
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Der Gesellschafter ist aber zugleich auch mit seiner Personenrolle als (Allein-) Inhaber seines Privatvermögens Teil des Sondervermögens (§ 718 Abs. 1 BGB). Er haftet daher in dieser Eigenschaft „persönlich“, und weil „persönliche Haftung“ Haftung mit dem Gesamtvermögen bedeutet, 230 hat er mit seinem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Schulden und damit insofern für fremde Verbindlichkeiten einzustehen. Da eine eigene Haftung im heutigen Recht eine eigene Schuld voraussetze, folge aber aus der persönlichen Haftung des Gesellschafters zugleich dessen persönliche (d. h. individuelle) „Sonderschuld“. Die persönliche Haftung des Gesellschafters begründet demgemäß nach Gierke ein neues Schuldverhältnis zwischen dem Gesellschaftsgläubiger und dem jeweiligen Gesellschafter als unverbundene Einzelperson (für sich), sodass über die gemeinschaftliche Verpflichtung (Gesellschaftsschuld) hinaus daneben jeweils noch eine individuelle Verbindlichkeit des einzelnen Gesellschafters tritt.231
b) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Nun kennt Gierke aber neben dieser Form einer Gemeinschaft zur gesamten Hand, bei der individueller und gemeinsamer status gleichsam eine Einheit bilden, auch den Typus einer Gesamthand, bei der beide innerhalb des Gemeinschaftsverhältnisses voneinander getrennt sind. Während dort die Handelsgesellschaft das Grundmodell einer solchen Gesamthand darstellt, ist es hier die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Auch bei ihr erschöpft sich das Gemeinschaftsverhältnis nicht darin, dass die Gesellschafter gemeinsam einen status innehaben, vielmehr sind sie selbst bei der GbR auch als Einzelne irgendwie in der Gesamtheit (d. h. in der Gemeinschaft zur gesamten Hand) enthalten.232 Die Personenrollen als Mitinhaber des gemeinschaftlichen Sondervermögens (§ 718 Abs. 1 BGB), aber auch als Alleininhaber ihres jeweiligen Privatvermögens sind bei der BGB‑Gesellschaft anders als bei OHG und KG als Handelsgesellschaften nicht miteinander verschmolzen.233 Der Gesellschafter einer GbR ist in diesem Sinn nicht mit seiner gesamten vermögensrechtlichen Rechtsfähigkeit (d. h. mit seiner ganzen Persönlichkeit) in die Pertheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 443, wonach das eine Gesellschaftsvermögen ein der einheitlichen Kollektivhaftung entsprechendes besonderes Haftungsobjekt bildet. 230 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 34. Nach BGHZ 142, 315, 319 handelt es sich dabei um einen „allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts“. 231 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 49. 232 Auch wenn Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682 mit Fn. 96, dies beispielhaft bloß für die Handelsgesellschaften betont, gilt das ebenso für die GbR, da auch sie eine Gesamthand ist (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 831). 233 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 847.
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soneneinheit (d. h. in den gemeinsamen status) einbezogen.234 Aus diesem Grund tritt seine individuelle Rechtsfähigkeit als Gesellschafter bloß neben seine kollektive als Teilhaber der Gesellschaft.
c) Der Unterschied zwischen Handelsgesellschaft und BGB‑Gesellschaft Der Unterschied zwischen beiden Typen der Gemeinschaft zur gesamten Hand offenbart sich besonders deutlich bei der rechtlichen Wirkung einer Gemeinschaftshandlung. Bei der OHG ist eine reale Handlung in der physischen Welt auch rechtlich nur eine Handlung, die sich aber automatisch sowohl auf den gemeinsamen als auch auf den individuellen status auswirkt und dementsprechend die Gesellschafter als Personeneinheit (insgesamt oder kollektiv) und als unverbundene Personenmehrheit (jeder für sich) ipso iure berechtigt und verpflichtet. Die Gemeinschaftshandlung hat hier also per se stets eine Doppelwirkung. Demgegenüber ist die tatsächliche Handlung (ens physicum) bei der GbR rechtlich zwei Handlungen (entia moralia), und zwar einerseits eine der Personeneinheit (gemeinsamer status) und andererseits eine der unverbundenen Personenmehrheit (individueller status). Während daher eine reale Handlung bei der OHG die Gesellschafter immer sowohl als Mitträger des gemeinsamen status als auch als Inhaber ihres individuellen status berechtigt und verpflichtet, sodass die Gesellschafter für die gemeinschaftlichen Schulden (Gesellschaftsschulden) immer auch persönlich mit ihrem Privatvermögen haften, muss das bei der GbR nicht zwingend der Fall sein. Gemeinschaftliche und individuelle Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zu Gläubigern und Schuldnern können hier auseinanderfallen, vor allem ist es möglich, dass ein oder auch alle Gesellschafter nicht persönlich für eine gemeinschaftliche Verbindlichkeit aller und damit der Gesellschaft haften. Hierzu kann es kommen, weil die Gesellschafter nicht nur alle zusammen, sondern auch durch einen oder mehrere befugte Vertreter aus ihrem Kreis als Gesamthand, hier als eine GbR, im Rechtsverkehr gegenüber Dritten auftreten können. 235 Da die eine tatsächliche Handlung eines Vertreters hier rechtlich zwei Handlungen sind, erfordert sein Handeln eine zweifache Vertretungsmacht: zum einen für die Personeneinheit (insgesamt) und zum anderen für die unverbundene Personenmehrheit (jeder für sich). Seine Vertretungsmacht ist dabei von unterschiedlicher rechtlicher Qualität, je nachdem, ob er für die Personeneinheit oder für die Personenmehrheit handelt. In dem einen Fall vertritt er ausschließlich die von ihm als Träger dargestellte Personeneinheit, d. h. die Gesamthand oder die Gesellschaft, im anderen teilweise sich selbst und 234 Das folgt im Umkehrschluss aus Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682 mit Fn. 96. 235 Dazu § 9.
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
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teilweise jeden Einzelnen seiner Mitgesellschafter.236 Eine Gemeinschaftshandlung des befugten Vertreters berechtigt und verpflichtet zwar stets die Personeneinheit, die unverbundene Personenmehrheit, d. h. die einzelnen Gesellschafter, aber nur, wenn er zusätzlich dazu (extra) berechtigt ist. Über die persönliche Haftung des einzelnen Gesellschafters entscheiden in diesem Sinn „lediglich die allgemeinen Grundsätze“, sie richtet sich „nach den Regeln des Obligationenrechts“.237 Bei der BGB‑Gesellschaft ist der geschäftsführende Gesellschafter im Zweifel befugt, die anderen Gesellschafter gegenüber Dritten zu vertreten (§ 714 BGB), sodass sein Handeln ein „gemeinschaftliches“ i. S. des § 427 BGB ist und daher die Gesellschafter (jeder für sich) als Gesamtschuldner persönlich für die Gesellschaftsschulden haften. Diese Einstandspflicht umfasst nicht nur die rechtsgeschäftliche Gesellschaftsschuld, sondern auch „deren deliktisches Element“, sodass ein Gesellschafter für das deliktische Verhalten eines seiner Mitgesellschafter durchaus auch persönlich haftet, sofern dieser innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses als dessen befugter Vertreter, d. h. als sein Erfüllungsgehilfe, auftritt (vgl. § 278 BGB).238 Begeht der vertretungsbefugte Gesellschafter indes ein „außergeschäftliches Delikt“, sind die Gesellschafter weder als Gemeinschaft noch als Einzelne verantwortlich, da „eine Vertretung bei unerlaubten Handlungen“ nicht erfolgt.239 Jeder haftet hier ausschließlich für sein eigenes Verschulden. Es müssen demnach sämtliche Gesellschafter gemeinsam ein Delikt als eine Gesellschaftshandlung verüben, damit sie nicht nur insgesamt und kollektiv (d. h. als Gemeinschaft zur gesamten Hand), sondern auch jeder für sich (d. h. persönlich) für die daraus erwachsene Schadensersatzverbindlichkeit einzustehen haben.240 Der einzelne Gesellschafter kann aber nun in der GbR die Befugnis des geschäftsführenden Mitgesellschafters, ihn als unverbundene Einzelperson (für sich) zu vertreten, beschränken oder auch ganz ausschließen. Auf diese Weise bedingt er seine persönliche Mithaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten ab und haftet in diesem Sinn nur noch mit seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen für die gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten.241 Gierke zieht hieraus den Schluss: „Es kann also Gesellschaftsschulden geben, die als 236
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 847, und ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 690, Fn. 129 (Zitate). 238 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 560, Fn. 1. 239 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 580, Fn. 2. 240 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 580, Fn. 2. 241 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 847, 848. 237
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reine Gesamthandsschulden überhaupt nur die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit verhaften.“242
3. Bei Gierke lebt der alte Genossenschaftsgedanke zwar zunächst noch fort Die Gesamthand kann demgemäß nach außen hin auch bloß eine Personeneinheit sein und sich dadurch, gewissermaßen von ihrer Seite aus, einer Körperschaft „auf das Äußerste“ annähern.243 Die unverbundene Personenmehrheit „verschwindet“ hier scheinbar hinter der Personeneinheit, sodass die Gemeinschaft zur gesamten Hand „in erheblichem Umfang (…) als juristische Person funktioniert“ (d. h. als eine Verbandsperson), ohne aber eine solche zu sein.244 Die Gesamthand ist selbst hier nicht eine Verbandsperson (d. h. Körperschaft), da die Gemeiner weiterhin die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten und somit als Vielheit die Rechtsträger sind und nicht wie bei einer Verbandsperson ein von ihnen verschiedenes Rechtssubjekt. Nur weil sie einen gemeinsamen status einnehmen, sind sie eine (kollektive) Einheit, und nicht, weil sie ein Rechtssubjekt sind. Es fehlt lediglich wie bei der Körperschaft die persönliche Haftung der Mitglieder, hier also der Gesellschafter, sodass die Gesamthand in diesem Fall bloß körperschaftsähnlich ist. Weil aber für Gierke selbst bei der Körperschaft neben die Einheitsrechte und Einheitspflichten Sonderrechte und Sonderpflichten der Mitglieder (als Vielheit) treten können, schiebt sich die Körperschaft nicht immer vor ihre Mitglieder und schirmt sie daher auch nicht stets vor den Rechtsverhältnissen gegenüber Dritten ab. 245 Auch wenn die Körperschaft ein selbständiges Rechtssubjekt ist, kann sie also durchaus nur neben und nicht vor ihre Mitglieder treten, mit der Folge, dass ihre Mitglieder subsidiär, gewissermaßen hinter ihr, dann doch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Körperschaft haften müssen. Damit kann sich aber auch die Körperschaft des deutschen Rechts von ihrer Seite aus einer Gesamthand annähern, sodass es so aussieht, als seien auch bei ihr ebenso wie bei der Gesamthand die Mitglieder als Vielheit die Rechtssubjekte. 246 Obschon für Gierke zwischen der Körperschaft als einer Verbandsperson und der Gesamthand deswegen eine 242
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 848.
243 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 669. 244 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 834. 245 246
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 479, 482. Die Haftung der Mitglieder für Körperschaftsschulden ist allerdings durch ihre Mitgliedschaft in der Körperschaft „bedingt und bestimmt“. Die persönliche Haftung des Einzelnen endet deshalb hier, sobald er nicht mehr Mitglied in der Körperschaft ist (Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 920). Das unterscheidet die persönliche Mithaftung in der Körperschaft von der in der Gesamthand. Denn, selbst wenn ein Gesellschafter der Gesamthand nicht mehr angehört, haftet er dort weiterhin für die schon entstandenen Gesamthandsschulden den Gläubigern gegenüber mit seinem Privatvermögen (d. h. persönlich und unmittelbar).
D. Die Gesamthand des deutschen Rechts (Gierke)
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„unüberbrückbare begriffliche Kluft“ besteht, 247 weil die Körperschaft ein Rechtssubjekt ist, die Gesamthand jedoch nur ein Rechtsverhältnis, 248 können sich beide doch derart nahe berühren, dass die Kluft zwischen ihnen „durch eine Fülle von Zwischengebilden ausgefüllt“ ist. 249 Wenn sich demzufolge Körperschaft und Gesamthand noch nicht voll und ganz voneinander getrennt haben, lebt der alte Genossenschaftsgedanke auch weiterhin fort. Die Körperschaft ist nicht wirklich ein Rechtssubjekt, d. h. eine Einheit im Recht, wenn nicht sie allein, sondern auch ihre Mitglieder Mitträger der körperschaftlichen Rechte und Pflichten sind, und deshalb auch ihre Mitglieder für die Körperschaftsschulden persönlich haften. Genauso wenig ist die Gesamthand ein bloßes Rechtsverhältnis zwischen mehreren Rechtssubjekten, wenn jene nur als Einheit und nicht zugleich auch als Vielheit Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind und demgemäß nur in Gemeinschaft mit dem gemeinschaftlichen Vermögen (so § 718 Abs. 1 BGB) für die Gesamthandsschulden einzustehen haben und nicht auch jeder für sich persönlich mit seinem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Aus diesem Grund widerspricht einerseits eine persönliche Mitgliederhaftung dem Wesen der Körperschaft als einer Einheit und andererseits ihr Fehlen dem der Gesamthand als einer Vielheit.
4. Dennoch ist der alte Genossenschaftsgedanke im heute geltenden Recht schließlich doch abgestorben Nur um ähnlich wie schon Beseler die Vielfalt der Assoziationen im deutschen Recht, bei denen die Momente von Einheit und Vielheit, von körperschaftlichen und gesellschaftlichen Elementen, in unterschiedlichem Ausmaß miteinander vermischt sind, in sein System des deutschen Rechts einordnen zu können, d. h. entweder als eine Gemeinschaft zur gesamten Hand oder als eine reale Verbandsperson (Körperschaft), kann eine Vereinigung selbst dann als ein Zwischengebilde eine Gesamthand sein, wenn deren Mitglieder nicht persönlich (mit ihrem Privatvermögen) für die gemeinschaftlichen Schulden einzustehen haben. Obwohl für Gierke insofern die persönliche Haftung der Gesamthänder (noch) nicht zwingend zum Wesen der Gesamthand als Rechtsprinzip dazugehörte, war für ihn die persönliche Haftung dennoch charakteristisch für die idealtypische Gesamthand, besonders für die Handelsgesellschaft als dem „Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“.250 Demgemäß war selbst für Gierke eine Gesamthand im Grundsatz mit einer persönlichen Haftung der Gesamt247 248
Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 249 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 481–482 (Zitat: S. 480). 250 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670.
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händer verbunden und ist daher die Vorschrift des § 128 Satz 1 HGB bloß eine Kodifikation einer im Wesen der OHG bereits angelegten Eigenschaft. Die persönliche Haftung ist also schon deshalb essentieller Bestandteil der OHG, weil jene eine Gesamthand ist. Wenn daher der BGH die Regelung des § 128 Satz 1 HGB von der OHG auf die (Außen-) GbR erstreckt, verwirklicht er am Ende nur die wahre Rechtsnatur der GbR als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand.251 Die Gesamthand beinhaltet demnach sowohl den Aspekt der Personeneinheit als auch den der Personenmehrheit, sodass für Dritte selbst durch den gemeinsamen status hindurch die in ihm befindlichen Personen als Zuordnungsendpunkte (d. h. als Rechtssubjekte) sichtbar bleiben. Allein in diesem Sinn trifft es daher zu, wenn Fabricius bei der Gemeinschaft zur gesamten Hand die kollektive Rechtsfähigkeit daraus ableitet, dass die Gemeinschaft nicht als individuelle Einheit am allgemeinen Rechtsverkehr teilnimmt, „sondern nach außen die Mitglieder der Gemeinschaft als Verkehrsteilnehmer sichtbar bleiben“.252 Individuelle und kollektive Rechtsfähigkeit sind infolgedessen in der Gesamthand vereint253 und damit gehört die persönliche Haftung der Gemeiner heute, so hier noch als These formuliert, anders als Gierke zu seiner Zeit annahm, zwingend zum Wesen der deutschen Gesamthand dazu. Für die eheliche Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft kommt dies in § 1459 Abs. 2 Satz 1 BGB bzw. § 2058 BGB explizit zum Ausdruck. Die Ehegatten haften dort auch mit ihrem Privatvermögen persönlich als Gesamtschuldner für die Gesamtgutsverbindlichkeiten bzw. die Miterben für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten. Das gilt aber nicht nur für sie, sondern in gleicher Weise auch für die GbR, sofern sie eine Gesellschaft deutschen Rechts, weil eine Gemeinschaft zur gesamten Hand, ist.254
E. Resümee Die Rechtsfiguren der Gesamthand und der Körperschaft waren im älteren deutschen Recht noch ungetrennt. Die Bezeichnung als Genossenschaft war daher für beide der Oberbegriff. Als sich jedoch die Körperschaft zum 251
BGHZ 146, 341, 344, 346, 358. Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 236, will aber „die Rechte und Pflichten der Gemeinschaft als solcher und nicht den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft“ zuordnen und versteht daher die Gesamthand als Rechtssubjekt (so Flume, ZHR 136 [1972], 177, 188). 253 So zumindest für die OHG Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 237, der aber hier die persönliche Haftung der Gesellschafter unzutreffend daraus ableiten will, dass „eine ausschließliche Haftung des Firmenvermögens dem Rechtsverkehr nicht genügend Sicherung“ biete. 254 Dazu sogleich. 252
E. Resümee
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Rechtssubjekt und damit zur Verbandsperson erhob, die rechtlich selbständig neben die Gesamtheit der Genossen trat, schied die Gemeinschaft zur gesamten Hand aus dem Begriff der Genossenschaft aus, da sie (d. h. die Gesamthand) bloß „ein Rechtsverhältnis, kein Rechtssubjekt“ ist. 255 Daher besteht – wie Gierke es ausdrückt – eine „unüberbrückbare begriffliche Kluft“ zwischen Körperschaft und Gesamthand.256 Beide berührten sich aber auch weiterhin rein tatsächlich, indem sich Körperschaft und Gesamthand einander stark annähern konnten. So konnte der Begriff der deutschen Körperschaft durchaus den Aspekt einer persönlichen Mithaftung in sich aufnehmen, der Gemeinschaftsbegriff diesen abstreifen. Eine Körperschaft konnte daher in erheblichem Umfang als eine Gesamthand (d. h. als eine Vielheit) und diese ihrerseits als eine Körperschaft (d. h. als eine Einheit) funktionieren. Gesamthand und Körperschaft haben sich nunmehr nicht nur begrifflich, sondern gleichsam auch tatsächlich voneinander getrennt. Ihr Wesen hat sich damit im heutigen deutschen Recht durchgesetzt. Das „alte Genossenschaftsrecht“ ist „untergangen“, nicht mehr, wovon Gierke noch ausging, bloß „vollendet“.257 Denn obschon die Verbandsperson (d. h. die Körperschaft) die Momente von Einheit und Vielheit in sich vereint, ist sie in dem Sinn ausschließlich eine Einheit im Recht, als sie dort allein der Zuordnungsendpunkt der Rechte und Pflichten und daher auch nur sie das Rechtssubjekt ist. Sie ist zwar auch eine Vielheit, doch erschöpft sich diese Vielheit darin, dass sie als reale Verbandsperson auf der sinnlich erfahrbaren Welt fußt. Dort muss sie einen menschlichen Verband (ens physicum) haben, der ihr zugrunde liegt und deshalb im eigentlichen Wortsinne ihr Substrat ist. Da sie demnach ohne diese tatsächliche Unterlage in der idealen, weil gedachten Welt des Rechts kein Dasein hat, muss sie zwei oder mehr Mitglieder (d. h. Menschen) haben, die real den menschlichen Verband als ihren Träger in der sinnlichen Welt bilden. Im Recht schiebt sich die Körperschaft indes als Einheit (d. h. als ein Rechtssubjekt, eine persona moralis) vor ihre Mitglieder (als Vielheit) und schirmt sie auf diese Weise vor den Forderungen und Verbindlichkeiten der außenstehenden Dritten ab. Die Rechtsverhältnisse enden bei der Verbandsperson und dringen nicht bis zu ihren Mitgliedern durch. Weil sie infolgedessen als Rechtssubjekt allein und insofern als solche Gläubigerin und Schuldnerin ist und nicht auch ihre Mitglieder, scheidet von vornherein eine persönliche Mitgliederhaftung für die Körperschaftsschulden aus. Demgegenüber gehört die persönliche Haftung der Gesellschafter zwingend zum Begriff der Gesamthand. Hier ist es nicht ein Rechtssubjekt, vielmehr sind es mehrere. Die Gemeiner sind in der sinnlich erfahrbaren Welt 255 256
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660 (Zitat). Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339
(Zitat). 257 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 458.
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eine unverbundene Menge, nicht ein menschlicher Verband, sodass sie auch in der gedachten Welt des Rechts mehrere Personen (personae morales) sind, die infolgedessen erst und ausschließlich hier deswegen eine Einheit sind, weil sie sich in der vorgestellten Welt des Rechts einen gemeinsamen status teilen (insofern eine persona moralis composita sind), der ihnen als Zuordnungsendpunkte die Rechte und Pflichten in den Rechtsbeziehungen zu außenstehenden Dritten vermittelt. Da sie aber als eine solche Einheit trotzdem eine Vielheit von Rechtssubjekten bleiben, wird jeder von ihnen als solcher, d. h. als ganze Person, gebunden und haftet deswegen mit seinem gesamten Vermögen. 258 Sie sind daher nicht nur alle zusammen in Gemeinschaft Schuldner, sondern auch jeder für sich, sodass die Gesellschafter auch persönlich mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner den Gläubigern für die Gesamthandsschulden haften (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Die Entwicklung des Begriffs der Genossenschaft und damit auch der der Gemeinschaft zur gesamten Hand ist insofern erst jetzt abgeschlossen.259 Das bedeutet aber zugleich, dass das Gesamthandsprinzip, das noch Gierke vor Augen hatte, nicht in allem das von heute ist. Gierke und seine Rechtsfigur der germanistischen Gesamthand wird dabei in dieser Arbeit aber bloß konsequent zu Ende gedacht, vor allem, wenn die persönliche Haftung der Gesellschafter nunmehr zu den Charakteristika des Gesamthandsprinzips an sich im geltenden Recht gezählt wird. Denn, dass die Gesellschafter für die gemeinschaftlichen Schulden, insofern für die der Gesamthand, persönlich und unmittelbar einzustehen haben, war schon für Gierke bereits im Begriff seiner Gesamthand angelegt. Zwar sollten die Gesellschafter einer „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“, 260 Gierke zufolge, für die gemeinschaftlichen Verpflichtungen noch nicht stets auch persönlich mit ihrem Privatvermögen haften, so 258 Das steht dahinter, wenn der BGH, von einem „allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts“ spricht, „dass derjenige, der (…) in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet“ (BGHZ 142, 315, 319); auch bei Flume, Die juristische Person, 1983, S. 164, ist von dem allgemeinen Haftungsgrundsatz die Rede, „dass, wer Geschäfte betreibt – sei es eine Einzelperson oder eine Gemeinschaft mehrerer Personen –, für die Verpflichtungen unbeschränkt haftet“. 259 Selbst heute noch bildet aber die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) eine Ausnahme. Sie ist „eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit“, d. h. eine juristische Person, „bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt“ für die Verbindlichkeiten der KGaA und daher „persönlich“ haftet (§ 278 Abs. 1 AktG). Damit ist die KGaA inhaltlich eine Personengesellschaft, d. h. eine Gesamthand, und nicht eine juristische Person (so auch Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 671). Sie unterscheidet sich demgemäß im Kern nur dadurch von einer KG i. S. des § 161 HGB, dass die „Anteile“ an der Gesamthand als Aktien „verbrieft“ und deshalb fungibel sind. 260 Der Ausdruck der „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ steht bei Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 671–672, nicht erst und daher auch nicht allein für die des BGB, sondern ist eine Art Gegenbegriff zu dem der „Handelsgesellschaften“ (ebenda, S. 670–671).
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aber die einer Handelsgesellschaft. Die Handelsgesellschaft, in erster Linie die OHG, weist aber nach Ansicht Gierkes „den Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ auf.261 Dass die Gesellschafter einer Handelsgesellschaft (OHG, KG) persönlich haften, nicht aber, zumindest nicht notwendig, die einer des bürgerlichen Rechts, ist deshalb allein darauf zurückzuführen, dass sich die Handelsgesellschaften gegenüber der des bürgerlichen Rechts durch ein „Plus an gesamter Hand“ auszeichnen.262 Wenn daher im geltenden Recht nicht nur die Gesellschafter einer Handelsgesellschaft, sondern auch die einer des BGB persönlich und unmittelbar für die gemeinschaftlichen Schulden einzustehen haben, setzten sich auch bei ihr bloß Begriff und Wesen der Gesamthand, die schon Gierke im Sinn hatte, vollkommen durch. Dass Gierke das Gesamthandsprinzip noch sehr weit fasst, bei ihm ist von der „Elastizität des Prinzips der gesamten Hand“ die Rede, ist seiner Zielsetzung geschuldet, der Gesamthand für das Privatrecht seiner Zeit „eine sehr vielseitige Bedeutung zuschreiben“ zu können, 263 um so damals überhaupt erst eine Vielzahl von Rechtsgebilden, eine „Fülle von Zwischengebilden“ zwischen „Gemeinheit und Gemeinschaft“, unter seine Gesamthand als Rechtsprinzip fassen zu können.264 Die Gesamthand ist demnach im Recht stets Einheit und Vielheit zugleich. Sie ist eine Vielheit, weil die Gesellschafter als Personenmehrheit Zuordnungsendpunkte der Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten sind und damit im Gegensatz zur Verbandsperson nicht ein von ihnen verschiedenes Rechtssubjekt. Gleichzeitig sind die Gesamthänder aber in Gemeinschaft die Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Sie sind eine kollektive Einheit, weil der eine gemeinsame status, den sie zusammen im Recht einnehmen, ihnen als Vielheit diese Rechte und Pflichten vermittelt, indem er als „kollektive Rechtsfähigkeit“ die aus diesem Grund gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten nach innen verteilt (nicht aber aufteilt) und zugleich nach außen zusammenfasst (bündelt), sodass nach außen eine Rechtsbeziehung, insofern eine „Obligation“ (Gierke), 265 besteht, die nach innen von mehreren Rechtssubjekten getragen wird (daher als „Mitträger“). 266 Weil die Gemeinschaft zur gesamten Hand eine solche (kollektive) Einheit ist, hat, wie es der BGH ausdrückt, „ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse“, 267 oder, um es mit Gierke zu sagen, kann die Gesamthand „einen 261
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 119. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 669. 264 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 480. 265 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682. 266 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691 (und öfter). 267 BGHZ 146, 341, 345. 262 263
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Wechsel der verbundenen Personen überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft fortbestehen“ mit der Folge, dass „von einer solchen Veränderung alle Rechtsverhältnisse der Personeneinheit als solcher (d. h. der Gesamthand; Anm. d. Verf.) unberührt bleiben“. 268 Dafür muss die Gesamthand jedoch ihre Identität im Wechsel der Teile bewahren. Dass die Gesamthand dazu durchaus imstande ist, folgt daraus, dass sie als Ganzes zwar insofern nicht etwas anderes als die Summe ihrer Teile ist, als die Gesellschafter die Zuordnungsendpunkte (personae morales), die Mitträger, der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind. Da die Gesamthand als Ganzes insofern in der stoischen Terminologie aus ihren Gesellschaftern als ihrer (eigenschaftslosen) Materie (ὓλη) besteht, liegen jene ihr zugrunde (ὑποκείμενον) und sind insofern ihre Substanz (οὐσία), das also, was die Gesamthand ausmacht. Da die Gesellschafter aber nur vermittelt über den gemeinsamen status, den sie zusammen im Recht einnehmen (vorgestellt als eine Hülle, die sie umschließt), die Rechtsträger sind, ist die Gesamthand als Ganzes doch auch mehr als die bloße Summe ihrer Teile (ὑποκείμενον). Das, was die Gesellschafter (personae morales) erst zu der einen Gesamthand (als Ganzes) macht, ist demzufolge der gemeinsame status, und zwar, indem er den Gesellschaftern eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) verleiht, die jenen selbst in ihrer bloßen Summe (insofern als eine societas) nicht zukommt, sondern allein als einer Gesamthand. Denn nur aufgrund des gemeinsamen status sind die Gesellschafter (personae morales) überhaupt erst in der Lage, ein „gemeinschaftliches Vermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) zu haben, über das sie deshalb auch nur gemeinsam verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB). Solange daher der gemeinsame status derselbe bleibt, ist es auch die Gesamthand (als ein Ganzes), und zwar selbst dann, wenn die Gesellschafter, aus denen die Gesamthand besteht (ὑποκείμενον), zum Teil oder insgesamt ausgewechselt worden sind. Auch wenn die Gesamthand durch den einen gemeinsamen status, den die Gesellschafter zusammen innehaben, eine Einheit ist, sind doch die Gesellschafter und nicht die Gesamthand selbst die Rechtsträger (personae morales), ist die Gesamthand eine Einheit in der Vielheit. Da jeder Gesellschafter mit seinem eigenen status in den gemeinsamen status eintritt, ist jeder von ihnen nicht bloß, vermittelt über den gemeinsamen status, zusammen mit den anderen Mitträger der gemeinschaftlichen Schulden, sondern, vermittelt über den eignen status, auch jeder für sich allein Schuldner (insofern persönlich). Die Gesellschafter haften deshalb sowohl zusammen mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen als auch jeder für sich persönlich und unmittelbar mit seinem Privatvermögen, und zwar als Gesamtschuldner. Das unterscheidet die Gesamthand von der Verbandsperson, die sich als Rechtssubjekt (persona mora268
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E. Resümee
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lis) vor ihre Mitglieder schiebt und sie so vor den Rechtsbeziehungen zu den Gläubigern abschirmt. Die Gesellschafter haften demgemäß den Gläubigern gegenüber nur dann für die Schulden der Gesellschaft, wenn diese eine Gesamthand ist. Handelte es sich bei ihr dagegen, wie es Flume und die ihm folgende h. M. (Gruppenlehre) indes vertreten, um ein Rechtssubjekt, das selbst Trägerin der Rechte und Pflichten ist, wäre eine unmittelbare persönliche Haftung von vornherein ausgeschlossen. Die Gesellschaft wäre dann eine reale Verbandsperson, eine Körperschaft, die sich, wie gesagt, als Rechtssubjekt (als Einheit) vor ihre Mitglieder (als Vielheit) stellt. Die Rechtsverhältnisse endeten dann aber bei der Gesellschaft als Rechtssubjekt und würden nicht, wie bei einer Gesamthand, bis je zu dem einzelnen Mitglied, dem Gesellschafter, durchdringen.269 Die Gruppenlehre ist demnach nicht in der Lage, die persönliche Gesellschafterhaftung, die auch sie nicht leugnet, in ihrem Gesamthandsmodell abzubilden. Das gilt auch selbst, wenn man, wie noch Gierke, davon ausgeht, dass es selbst bei einer realen Verbandsperson (Körperschaft oder auch Genossenschaft) und insofern dann auch bei der vermeintlichen Gesamthand Flumes („wir sagen: als Gruppe“)270 denkbar ist, dass die Mitglieder (Genossen) durchaus für die Schulden der Genossenschaft einzustehen haben. Die Mitglieder haften Gierke zufolge in diesem Fall jedoch ausschließlich „dahinter“ und nicht unmittelbar persönlich mit ihrem Privatvermögen (insofern „daneben“), 271 wie es das positive Recht aber für die Gesellschaft als eine Gemeinschaft zur gesamten Hand vorsieht (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Denn eine unmittelbare persönliche Haftung der Gesellschafter, eine, wie Gierke es ausdrückt: „Prinzipalhaft“, ist mit der Annahme, die Gesellschaft sei ein eigenes und daher selbständiges Rechtssubjekt, besitze eine „eigene Persönlichkeit“ (= Rechtsfähigkeit), „kaum vereinbar“, scheidet mithin von vorherein aus.272 Selbst wenn man also mit Flume und der ganz h. M. von heute in der Gesamt269 Das erkennt selbst Flume, ZHR 132 (1972), 177, 190–191, 192, 198, dennoch soll das gerade nicht für die Schuldenhaftung gelten. Die Erklärung, die Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 326, dafür liefert, überzeugt aber nicht: Weil die Gesellschaft als Gruppe aus den Gesellschaftern bestehe, sei die Sache der Gesellschaft grundsätzlich auch die Sache eines jeden von ihnen und deswegen soll den Gesellschafter auch die Haftung für die Verpflichtungen der Gesellschaft als Verpflichtungen in eigener Sache treffen. Flume führt jedoch nicht aus, warum das nur für die Schulden, nicht aber auch für Rechte und Forderungen und damit für das gemeinschaftliche Vermögen gelten soll. Dessen ist sich Röder, AcP 215 (2015), 450, 511, bewusst, wenn sich für ihn die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft nicht „schlicht mit der Natur der GbR als Personengesellschaft“, als eine Gesamthand im Sinn der Gruppenlehre, begründen lässt und er deshalb diesbezüglich für die BGB‑Gesellschaft de lege ferenda eine gesetzliche Anordnung fordert. 270 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55. 271 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 384. 272 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 956, Fn. 56.
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§ 4 Gesamthand und Verbandsperson
hand als einer Gruppe ein Rechtssubjekt sehen wollte, erfasste diese Gruppenlehre nicht das Gesamthandsprinzip des geltenden Rechts. Und deshalb gilt: Gerade, weil die Gesellschaft als Gruppe aus den Gesellschaftern besteht, darf sie nicht ein Rechtssubjekt sein. Nur dann ist die „Sache“ der Gesellschaft auch die der Gesellschafter, die deshalb auch „in eigener Sache“ für die gemeinschaftlichen Verpflichtungen, allein insofern für die der Gesamthand („Gesellschaft“), einzustehen haben.273 Das vermag freilich nur der zu erkennen, der um die Vorstellungswelt weiß, die den Rahmen für Gierkes germanistische Rechtsfiguren der Verbandsperson und der Gesamthand bildet. Grundlegend, ja unerlässlich, dafür ist Pufendorfs Lehre von den entia moralia, in der jener und im Anschluss daran auch Gierke zwischen einer „wirklichen Welt“, den entia physica, und einer daraus „abstrahierten vorgestellten Welt“ des Rechts, den entia moralia, differenziert.274 Der Mensch, „Träger eines freien Willens“, gehört in die sinnlich wahrnehmbare Welt.275 Er ist als Einzelner und als Verband eine „wirklich existierende Wesenheit“, ein ens physicum, und hat dementsprechend in der idealen, weil gedachten Welt des Rechts als einzelner Mensch eine Einzelperson oder aber als ein menschlicher Verband eine reale Verbandsperson (entia moralia), er ist insofern jeweils eine persona moralis (= ein Rechtssubjekt).276 Das menschliche Denken, das Rechtsbewusstsein, erfasst den menschlichen Verband bloß als eine Verbandsperson (persona moralis), erschafft sie aber nicht, und zwar, indem es den menschlichen Verband lediglich noch als rechtsfähig anerkennt und ihm dadurch das Attribut (modus) einer persona moralis zuschreibt. Der menschliche Verband, der als Träger der realen Verbandsperson (persona moralis), als dessen Substrat in der sinnlich wahrnehmbaren Welt fungiert, entsteht dadurch, dass sich mehrere einzelne Menschen (entia physica), die anfangs noch eine unverbundene Menge sind, zu dem menschlichen Verband als einem ens physicum zusammenschließen. Als corpus ex distantibus existiert der menschliche Verband in und mit den einzelnen Menschen, geht aber als Ganzes über sie als seine Teile, auch in ihrer Summe, hinaus, ist insofern „eine zwar selbständige, aber immanente Einheit“ im Sinn der „stoischen Philosophie“ (denn darin, in dem Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen, drückt sich das stoische Immanenzdenken aus).277 Und weil der menschliche Verband (ens physicum) zudem über einen „einheitlichen Gemeinwillen“
273
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 326 (Zitate). Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103 (Zitate). 275 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265 (Zitat). 276 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 267 (Zitat: S. 466). 277 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825, Bd. 3, 1881, S. 32 (Zitate). 274
E. Resümee
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verfügt, 278 ist er, Gierke zufolge, in der „vorgestellten Welt“ des Rechts eine Verbandsperson (persona moralis), zumindest ist er dazu geeignet. Die Gesamthand (ens morale) stützt sich im Unterschied dazu nicht auf einen menschlichen Verband in der „wirklichen Welt“, ein ens physicum, sondern auf mehrere einzelne Menschen (entia physica). Diese gehen jeder für sich in die „vorgestellte Welt“ des Rechts ein und sind dort mehrere personae morales (Rechtssubjekte). Erst hier im Recht einigen sie sich darauf, einen gemeinsamen status anzunehmen, der ihnen als mehrere Rechtssubjekte (personae morales) in der Folge davon die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten lediglich vermittelt, selbst aber nicht ein Rechtssubjekt, eine persona moralis, ist. Während die Gesamthand also mehrere personae morales sind und bleiben, die einen gemeinsamen status innehaben und sich ausschließlich in diesem Sinn zu einer persona moralis composita zusammenfügen, ist die Verbandsperson eine persona moralis, die einen eigenen status für sich allein einnimmt. Aber nicht nur für das Verständnis von Gierkes germanistischer Verbandsperson und seiner ja ebenfalls deutsch-rechtlichen Gesamthandsfigur ist Pufendorfs Lehre von den entia moralia zumindest hilfreich, sondern auch für das von Savignys romanistischer juristischer Person. Insofern ist Pufendorfs Lehre von den entia moralia sogar unverzichtbar, als es auch in diesem Zusammenhang vor allem darum geht, wie Gierke die juristische Person aufgefasst hat, stellt doch für ihn seine reale Verbandsperson einen bewussten Gegenentwurf der Germanistik zur juristischen Person der Romanisten, zu Savigny, dar. Erst über Pufendorfs Lehre von den entia moralia wird begreiflich, warum Gierke in seiner realen Verbandsperson eine „wirkliche“, in der juristischen Person Savignys dagegen eine „bloß erdichtete Person“ sehen und jene als einen „wesenlosen Schemen“ bewerten, ja geradezu verunglimpfen konnte.279
278 279
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 463–468, 470.
§ 5
Verbandsperson und juristische Person A. Eine Hinführung „Begriff und Wesen“ der Gesamthand hat Gierke, wie bereits ausgeführt, in einem bewussten Akt der Unterscheidung zu seiner Rechtsfigur der realen Verbandsperson ausgestaltet. Da es sich bei der Verbandsperson um den germanistischen Gegenentwurf (Gierke) zur juristischen Person der Romanisten (Savigny), insofern zur universitas, handelt, erschließen sich „Begriff und Wesen“ der Verbandsperson, so wie Gierke sie sich vorgestellt hat, allerdings nur dem, der auch um die Rechtsnatur der juristischen Person (Savigny) weiß.1 Wenn demnach die Gesamthand nur in Abgrenzung zur Verbandsperson zu verstehen ist, die Verbandsperson wiederum allein aus ihrer Entgegensetzung zur juristischen Person, ist mit Notwendigkeit auch die juristische Person (universitas) in die dogmengeschichtliche Betrachtung der Gesamthand einzubeziehen. Allein auf diese Weise lässt sich das Bild, das Gierke bei Schaffung des BGB von seiner Gesamthand vor Augen hatte und insofern den dogmengeschichtlichen Hintergrund für die Gesamthand im geltenden Recht bildet, zu einem Ganzen vervollständigen. Eine Dogmengeschichte der Gesamthand hat auch deswegen mit Notwendigkeit Begriff und Wesen der juristischen Person zu umfassen, weil Flume und die ganz h. M., die ihm heute als Gruppenlehre darin folgt, die Gesamthand des BGB als ein Rechtssubjekt begreifen will. Obschon die vermeintliche Gesamthand der h. M. als Rechtssubjekt die alleinige Trägerin der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen ist, soll sie aber nicht eine juristische Person sein.2 Denn während für die ganz h. M. ihre Gesamthand „in ihren Gesellschaftern existiert“, sei die juristische Person „in ihrer Existenz gegen1 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 463–464 (zu Savigny und dessen juristischer Person als „streng romanistischer Auffassung“), S. 466–468 („Germanisten“), S. 479– 482 (und öfter). Auch für Laufs, JuS 1968, 311, hat Gierke seine Auffassung von der Verbandsperson als reale Gesamtperson im Gegenüber zum „Phantom der persona ficta“ und damit zur „römischrechtlichen universitas“ (d. h. zur juristischen Person Savignys) entwickelt. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 261 (universitas). 2 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 56, 89–94; BGHZ 146, 341, 343, 347; BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 24; BGH, NJW 2017, 547 Rn. 17–19; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 302, 307–309; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 13; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 1 Rn. 108; Saenger, Gesellschaftsrecht,
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
über den Mitgliedern verselbständigt“.3 Wenn nun aber die Gesamthand der h. M. weder eine wirkliche Gesamthand noch eine juristische Person ist, ist die Vorstellung von einem bloßen Dualismus von Gesamthand und juristischer Person aufzugeben und durch die Einsicht zu ersetzen, dass es zwischen Gesamthand und juristischer Person noch eine weitere Assoziationsform gibt: die reale Verbandsperson des deutschen Rechts (Gierke), in der die ganz h. M. von heute (Gruppenlehre) vermeintlich die deutsch-rechtliche Gesamthand Gierkes wiederzuerkennen glaubt. Wenn die Gesamthand der h. M. aber als ein Rechtssubjekt in der Tat die deutsch-rechtliche Verbandsperson ist (und nicht die deutsche Gesamthand), hat Flume mit seiner Gesamthand („wir sagen: als Gruppe“)4 die Kontroverse um die Rechtsnatur, um Begriff und Wesen der juristischen Person, den Germanisten und Romanisten im 19. Jahrhundert heftig ausgetragen haben, wiederbelebt. Dieser Streit gilt indes heutzutage nahezu schon allgemein als „unlösbar“ und demzufolge als „hoffnungslos“.5 Auch wenn es sich bei der Auseinandersetzung zwischen Germanisten und Romanisten in dem Sinn um eine „Scheindebatte“ gehandelt hat, als beide in der Sache durchaus darin einig waren, dass die juristische Person über einen menschlichen Verband als ihre soziale Realität verfügt, und zwar unabhängig davon, ob man in ihr wie die Romanisten eine universitas und insofern eine juristische Person des römischen Rechts sieht oder sie wie die Germanisten als eine Verbandsperson des deutschen Rechts begreift.6 Der Disput zwischen beiden drehte sich vielmehr ausschließlich darum, und das ist entscheidend, um die Kontroverse überhaupt im Ansatz verstehen zu können, ob die juristische Person aus dieser sozialen Realität, ihrem menschlichen Verband, hervorgeht und fortwährend auf ihm beruht (so Gierke) oder aber davon völlig losgelöst existiert (so Savigny). Um das wiederum erfassen zu können, gilt es, sich bewusst zu machen, dass die „Person“ ein Rechtsbegriff ist und damit etwas, das man weder sehen noch anfassen kann,7 und zwar, weil er ausschließlich im menschlichen Denken existiert. Das Recht beschreibt die Wirklichkeit, die sinnlich wahrnehmbare Welt, nicht so, wie sie ist, sondern wie sie sein soll und ist in diesem Sinn eine ideale, weil ausgedachte Welt. Dadurch tritt aber neben die sinnlich erfahrbare, die phänomenale Welt („Erscheinungswelt“) die gedachte, die noumenale des Rechts.8 Während für Gierke das menschliche Bewusstsein die 4. Aufl. 2018, Rn. 49; Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 123–124; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 24. 3 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 94; BGHZ 146, 341, 347. 4 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 55. 5 Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff. Rn. 4; Raiser, AcP 199 (1999), 104, 105. 6 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 57. 7 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470–471. 8 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268.
A. Eine Hinführung
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Verbandsperson als Rechtssubjekt (d. h. als Person) aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt, aus dem menschlichen Verband als sozialer Realität, abstrahiert, sie bloß erfasst und nicht erschafft, erzeugt umgekehrt bei Savigny erst und allein das menschliche Denken die juristische Person als Rechtssubjekt (d. h. als Person) und ordnet jene als Rechtsbegriff (nomen iuris) erst im Anschluss daran einem menschlichen Verband als ihrer sozialen Realität zu. Da die Verbandsperson ihrem menschlichen Verband „entstammt“ und fortwährend in ihm „lebt“,9 insofern aus der sozialen Realität hervorgeht und in ihr existiert, ist sie zwar als „Rechtsbegriff“ (= Rechtssubjekt) „unsinnlich“ und dennoch eine „wirkliche Person“.10 Die juristische Person ist dagegen in dem Sinn eine „fingierte Person“,11 oder auch „bloß erdichtete Person“,12 als sie als Rechtsbegriff (= Rechtssubjekt) in der idealen, weil gedachten Welt des Rechts vollkommen losgelöst von ihrem menschlichen Verband als ihrer sozialen Realität existiert und deshalb anders als die reale Verbandsperson selbst ohne ihn im Recht (d. h. als Rechtssubjekt) fortbestehen kann und in diesem Sinn „bloß zu juristischen Zwecken“ ein „Dasein als Person hat“.13 Die Vorstellung, dass zwischen sinnlich wahrnehmbarer Welt (entia physica) und idealer Welt des Rechts (entia moralia) als zwei Welten gedanklich strikt zu differenzieren ist,14 hat Gierke bei dem für ihn „genialen Denker“ Pufendorf entdeckt und anhand dessen Lehre von den entia moralia seine deutschen Rechtsfiguren ausgearbeitet.15 Demgemäß ist Pufendorfs Lehre von den entia moralia nicht nur der Schlüssel zum Verständnis von Gierkes Gesamthand, sondern auch für das seiner Verbandsperson. Und weil die Verbandsperson Gierkes germanistischer Gegenentwurf zur romanistischen juristischen Person bei Savigny ist, erschließt sich auch ihr Begriff und Wesen (vielleicht) erst durch Pufendorfs Lehre der entia moralia. Für das Verständnis, wie Gierke seine Verbandsperson und Savigny seine juristische Person aufgefasst haben, ist es außerdem hilfreich, wenn nicht sogar unabdingbar, sich bewusst zu machen, dass hier im Hintergrund der Schulenstreit zwischen Stoa und skeptischer Akademie steht. So hat Gierke seine Rechtsfigur der Verbandsperson zumindest in Übereinstimmung mit 9
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241. 12 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 13 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 236, 240. 14 Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 29, wonach in der Lehre Pufendorfs von den entia moralia die moralischen Personen (entia moralia) stets logisch scharf von den Menschen als ihre physischen Träger (entia physica) zu trennen sind. 15 Gierke, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1880, S. 192. Auch Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 19, fasst die Unterscheidung zwischen entia physica und entia moralia als „eine geniale Leistung“ Pufendorfs auf. 10 11
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
der „stoischen Philosophie“ entwickelt.16 Für ihn ist der menschliche Verband eine „wirklich existierende Wesenheit“ und damit in der Begrifflichkeit der Stoa ein corpus ex distantibus.17 Gierke versteht in der Folge davon seine Verbandsperson, die ja für ihn auf diesem „wirklichen“ menschlichen Verband als ihrer „tatsächlichen Unterlage“ basiert, als „eine zwar selbständige, aber immanente Einheit“.18 Wenn für Gierke die insofern reale Verbandsperson als Ganzes in der Summe ihrer Teile existiert, sie der Gesamtheit ihrer Mitglieder also „immanent“ ist, kommt darin unverkennbar das stoische Immanenzdenken in Bezug auf das Verhältnis des Ganzen zu seinen Teilen zum Ausdruck.19 Das Ganze ist für die Stoiker zwar nicht dasselbe wie seine Teile, auch nicht in ihrer Summe, es ist aber auch nicht von ihnen verschieden (= im Sinn von getrennt), da das Ganze aus und in ihnen existiert und insofern auch nicht etwas anderes als die Summe seiner Teile ist.20 Savigny hat „bekanntlich“ seine Rechtslehre und dementsprechend auch seine Rechtsfigur der juristischen Person anhand des klassischen römischen Rechts entwickelt.21 Die römischen Juristen übernahmen zwar zunächst die 16 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34. Dem menschlichen Verband als einem corpus ex distantibus im Sinn der stoischen Philosophie fehlt Gierke zufolge freilich noch „eine subjektive Einheit“. Er ist nicht aus sich heraus ein Rechtssubjekt, da er, anders als die Verbandsperson, noch nicht über einen „rechtlich relevanten Willen“, einen „Gemeinwillen“ verfügt. 17 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 18 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825, 829–830 (und öfter). 19 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 20 Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, IX 336 (= XI 24) (= SVF III 75; LS 60G); Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 123–130; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 83, 281. Stobaeus, Anthologii libri duo priores/posteriores, I 177, 21–179, 17 (= LS 28D): „Der individuelle, weil eigenschaftsmäßig bestimmte Gegenstand ist weder dasselbe wie die Substanz (oder die Materie), aus der er besteht, noch etwas davon Verschiedenes: beide sind nicht dasselbe, weil die Substanz sowohl ein Teil von ihm (als Ganzes) ist als auch denselben Ort einnimmt, während das, was als von etwas verschieden bezeichnet wird, sowohl dem Ort nach von ihm getrennt sein muss als auch noch nicht einmal als Teil von ihm betrachtet werden kann.“; Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 93, 5 (= SVF III 307): „Nur dann wird etwas für sich gezählt werden, wenn es für sich besteht: wenn es aber ein Glied von etwas anderem ist, so wird es nicht als etwas anderes angesehen werden können.“ (Armato, aaO., S. 127); Barnes, Bits and Pieces, in: Barnes/Mignucci (Hrsg.), Matter and Metaphysics, 1988, S. 224, 262–268; Lewis, The Stoics on Identity and Individuation, Phronesis 40 (1995), 89, 101–108. Dazu auch Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person, 1933, S. 190: „Wir sehen also, dass die Stoa in den corpora ex distantibus (d. h. in den menschlichen Verbänden; Anm. d. Verf.) Einheiten, ja Ganzheiten erblickte, die jedenfalls nicht gleich der Summe der sie bildenden Teile sind, sondern ein Ganzes bilden, das aber nicht unabhängig von diesen seinen Teilen besteht.“ 21 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 142, 173. Die juristische Person ist als universitas des klassischen römischen Rechts jedoch Abbild des römischen Staates (populus romanus, res publica) und nimmt deshalb allein öffentliche und kultische Aufgaben wahr (D. 3, 4, 1, 1 [Gaius], wonach es für einen Verband „kennzeichnend“ ist, „dass sie nach dem Vorbild
A. Eine Hinführung
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stoische corpus-Lehre, doch veränderten sie diese in der klassischen Epoche, wie Stephan Meder aufbauend auf die Arbeiten von Okko Behrends überzeugend nachgewiesen hat, unter dem Einfluss der skeptischen Akademie entscheidend, indem der menschliche Verband für sie jetzt nicht mehr ein corpus ex distantibus, ein wirklicher Körper, sondern als universitas bloß noch eine „unkörperliche Einheit“, eine res incorporalis, war.22 Denn während der menschliche Verband als solcher in der stoischen Philosophie, wenn auch vermittelt über die einzelnen Menschen, aus denen er besteht, auf die Sinne einwirkt und deshalb ein wirklicher Körper (corpus ex distantibus) ist, 23 sieht eines staatlichen Gemeinwesens ein gemeinschaftliches Vermögen, eine gemeinschaftliche Kasse sowie einen Actor oder Syndicus haben, durch den, ebenso wie in einem Gemeinwesen, das getan und bewirkt wird, was gemeinschaftlich getan und bewirkt werden muss. – proprium est ad exemplum rei publicae habere res communes, arcram communem et actorem sive syndicum, per quem tamquam in re publica, qoud communitur agi fierique oporteat, agatur fiat.“). Auch nach Mommsen, ZRG RA 25 (1904), 33, 45–47, verfolgen die Verbände im römischen Recht „publizistische Zwecke“, weshalb für ihn die juristische Person „mehr dem Staatsrecht angehört als dem Privatrecht“ (ebenda, S. 34). Schulz, Classical Roman Law, 1951, Rn. 165: „(…) they were created and worked in the public interest, a sort of appendix to the administration of the State.“; Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 36, 281, wonach die Verbände „nach dem Modell des Staatswesens konstruiert“ und deshalb einen „öffentlichen oder halböffentlichen Charakter“ haben. Behrends, Die Rechtsformen des römischen Handwerks (1981), in: Okko Behrends. Institut und Prinzip, Bd. 2, 2004, S. 654, 691: „Träger mittelbarer Staatsverwaltung“. Auch Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 17 Rn. 9, erkennen in den römischen Vereinen „sämtlich einen Einschlag öffentlichen oder sakralen Rechts, weil sie ganz oder teilweise öffentliche oder kultische Aufgaben“ wahrnehmen. Insofern auch Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 34–106: „Der römische Verbandsbegriff ist daher ausschließlich im jus publicum heimisch und muss in ihm aufgesucht werden.“ (ebenda S. 43). Savigny verändert die universitas-Lehre des klassischen römischen Rechts in einem entscheidenden Punkt, wenn seine „juristische Person“ nunmehr auch private Verbände erfasst (Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242–243, und öfter). 22 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 36–42 (41), 54 mit Fn. 28 (und öfter); Behrends, Index 41 (2013), 145–146 mit Fn. 4, 150; ders., Index 37 (2009), 397, 424–426; ders., ZRG RA 125 (2008), 25, 44–54; ders., Labeo 44 (1998), 26, 42 mit Fn. 25; a. A. die immer noch h. M., die allein eine Rezeption der stoischen corpus-Lehre durch die römischen Juristen annimmt (so ganz besonders in D. 41, 3, 30 pr. [Sabinus], aber auch in D. 5, 1, 76 [Alfenus]; Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1, 1988, S. 648–649; Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 2013, S. 51; Alexander, Anstalten und Stiftungen, 2003, S. 5; Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person, 1933, S. 177, 179; Philipsborn, ZRG RA 71 [1954], 41, 42; Erhardt, ZRG RA 70 [1953], 299, 309–310; so auch schon Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34). Dass D. 5, 1, 76 (Alfenus) zwar auf der stoischen Lehre basiert, die römischen Juristen der Klassik diese aber unter dem Einfluss der skeptischen Akademie insofern fortentwickelt haben, als sie jetzt nicht wie die Stoa zwischen dem Ganzen (Einheit) und der Summe der Teile (Vielheit) nur differenzieren, sondern zwischen beiden vollkommen trennen, sodass aus dem corpus eine res und in der Folge davon aus dem menschlichen Verband (corpus ex distantibus) eine universitas als eine res incorporalis wird, übersieht die h. M. jedoch (Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 36– 42) (siehe dazu unten Fn. 27). 23 Diogenes Laertios, Vitae philosophorum, VII 56: „Denn alles, was tätig wirkt, ist Körper.“ (= SVF III 18; LS 33H); VII 50 (= SVF II 52; LS 39A); Cicero, Academica, I 39
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die skeptische Akademie allein in den einzelnen Menschen wirkliche Körper, da ausschließlich sie, nicht aber der menschliche Verband selbst als Einheit (= Ganzes) gesehen und angefasst werden kann.24 Der menschliche Verband ist in der akademischen Skepsis statt eines wirklichen Körpers (wie noch in der Stoa) nur noch ein reines Gedankenbild (ἐννόημα), ein Bild im Geiste, oder ein Begriff (nomen), den erst das menschliche Denken der Gesamtheit der einzelnen Menschen, der Summe der Teile als Einheit, als ein Ganzes, in einem Willensakt zuschreibt.25 Als bloße „gedankliche Konstruktion“ ist der menschliche Verband deshalb eine „res incorporalis“, ein „ideales Ganzes“ (Savigny), 26 und existiert als solches daher nicht mehr (wie noch in der Stoa) mit und in den einzelnen Menschen, die sich zu ihm formiert haben, sondern von ihnen völlig losgelöst und getrennt. 27 Und (= SVF I 90; LS 45A); Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3. Stoa, Epikureismus und Skepsis, 2. Aufl. 1995, S. 69–70; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 14; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 75–81; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 50. Für den menschlichen Verband Marcus Aurelius, Ad se ipsum, VII 13: „Was in geeinten Körpern die Glieder des Körpers sind, ein solches Verhältnis haben in getrennten Körpern die Vernunftwesen, die auf Zusammenwirken angelegt sind.“ (= die Menschen in der Weltgemeinschaft); Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 129–130; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 110–112: „Jeder menschliche Verband ist ein kleines Abbild der Weltgemeinschaft“ (Marcus Aurelius, Ad se ipsum, III 11, 2; VI 44, 6; Epiktet, Dissertationes ab Arriano digestae, II 5, 26); Bees, Die Oikeiosislehre der Stoa, 2004, S. 195–196 („Stadt“); Behrends, Index 37 (2009), 397, 424. 24 Groten, corpus und universitas, 2015, S. 139–146 (144–146), 167–175, und S. 337–338, wonach im Denken der skeptischen Akademie aus dem menschlichen Verband ein unkörperlicher Gegenstand (res incorporalis), ein rein begriffliches Gebilde der Konvention wird. Behrends, Labeo 44 (1998), 26, 42, Fn. 25, charakterisiert die universitas, die als nur gedachter Begriff an die Stelle des wirklichen corpus tritt, als „ein reines, unmittelbar substratloses und daher von den Mitgliedern unabhängiges nomen iuris“, dem der Gedanke der Körperlichkeit vollständig fehlt. Sextus Empiricus, Pyrrhoniae Hypotyposeis III 98–99, wonach für die skeptische Akademie „das Ganze bloß ein Begriff“ ist und daher keine eigene Grundlage in der Realität besitzt (Groten, aaO., S. 144–145). Cicero, Topica V 26–27 (Groten, aaO., S. 170; Behrends, Labeo 44 [1998], 26, 39–40); Behrends, Index 41 (2013), 145, 150, Fn. 13, 153–155. 25 Siehe oben Fn. 24. 26 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 39; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243. 27 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 41–42, 54, Fn. 28. So schon Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243–244, 279, wonach die „juristische Person selbst“ von dem Dasein ihrer Mitglieder „unabhängig“ ist, sowie S. 283, wonach „die Totalität der Mitglieder von der Corporation selbst ganz verschieden“ und die juristische Person deshalb ein „ideales Wesen“ ist. Die Diskrepanz zwischen stoischem und skeptischem Denken wird im römischen Recht an dem Schiff (navis) sichtbar, das vollständig zerlegt und wieder zusammengesetzt wird. Während für die Stoa jetzt ein neues Schiff (alia navis) entstanden ist, da es durch den Wegfall seiner Planken, seiner Materie, aufgehört hat, zu existieren, bleibt das Schiff für die skeptische Akademie dasselbe (eadem navis), da es den Augenblick überdauert, in dem es vollständig zerlegt und insofern ohne Materie ist, und zwar weil es als ein Begriff (nomen), als ein Bild im Geiste, in der Vorstellung des Eigentümers fortbesteht (D. 7, 4, 10, 7 [Ulpian]; Behrends, Index, 37 [2009], 397, 422–442 [423–426];
A. Eine Hinführung
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weil im klassischen römischen Recht allein ein einzelner Mensch im Recht eine Person (persona) ist, der menschliche Verband kann es von vorherein als ein Begriff (nomen) ja nicht (mehr) sein, 28 vertritt die universitas lediglich die Stelle einer Person („personae vice fungitur“) und ist ausschließlich in diesem Sinn eine „fingierte Person“ (weil insofern ein Rechtssubjekt, ohne eine wirkliche Person zu sein).29 Hinter der Auseinandersetzung um das Wesen der juristischen Person, den Germanisten und Romanisten im 19. Jahrhundert erbittert geführt haben, verbirgt sich demnach, zumindest im Kern, eine Kontroverse zwischen den Schulen der Stoa und der skeptischen Akademie und demzufolge innerhalb der griechischen Philosophie der Antike. Wenn Gierke seine deutsche Rechtsfigur der Verbandsperson (und damit indirekt auch die der Gesamthand) daher stoders., ZRG RA 112 [1995], 195, 220). Da schon für die Stoa das Ganze seine Identität im Wechsel der Teile bewahrt, ist das Schiff selbst in der stoischen corpus-Lehre dasselbe, wenn es „nach und nach in Teilen erneuert wird, auch wenn das am Ende zu einem vollständigen Materialaustausch führt“ (so Behrends, Index, 37 [2009], 397, 423, 426). Fehlt die Absicht, die Planken wieder zu dem Schiff zusammenzufügen, erlischt auch im skeptischen Denken das Schiff, da „dieses Schiff“ jetzt auch nicht mehr als Begriff, als „Bild im Geiste“ vorhanden ist (Behrends, ZRG RA 112 [1995], 195, 220). Indem die römischen Juristen das Bild des Schiffes verwenden, um die Identität einer Sache als Ganzes im Wechsel ihrer Teile zu veranschaulichen, knüpfen sie an das „Schiff des Theseus“ aus der griechischen Antike an, mit dem, der griechischen Mythologie zufolge, Theseus, der Sohn des Königs von Athen, nach Kreta zum König Minos fuhr, dort den Minotaurus (ein Wesen halb Mensch, halb Stier) tötete und so sich und seine Landsleute, die dem Minotaurus geopfert werden sollten, rettete und mit ihnen nach Athen zurückkehrte. Die Athener versuchten über tausend Jahre, das Schiff durch Austausch der Planken, die nach und nach verrotteten, zu erhalten (Meder, aaO., S. 38). Das diente den antiken griechischen Philosophen als Beispiel für die Streitfrage, ob eine Sache (Schiff) selbst dann noch dieselbe ist, wenn ihre Teile (Planken, Bretter) ausgetauscht worden sind. 28 Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 229, 232, 238; in diesem Sinn für das klassische römische Recht Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 261–262, wonach die juristische Person als universitas dem einzelnen Menschen als persona gegenübersteht. 29 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241 mit Fn. (h), der den Begriff der „fingierten persona“ für seine „juristische Person“ zwar nicht aus „heriditas personae vice fungitur (…)“ (D. 46, 1, 22) schlussfolgert, sondern aus „heredis loco constituuntur … heredes esse finguntur“ (D. 37, 1, 2; D. 50, 17, 117), insofern aber beides, „fungi“ und „fingere“ gleichsetzt (Hervorhebung im Original). Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 238–239, wonach Savigny in „personae vice fungi (…) mit Recht eine Fiktion gefunden hat“. Nach Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, 4. Aufl. 1987, S. 77, Fn. 2, ist dagegen „die gelegentlich dem römischen Recht zugeschriebene sog. Fiktionstheorie (…) unrömisch und aus den Quellen nicht zu belegen“, „so vor allem nicht aus Flor. D. 46, 1, 22“. So auch Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1971, S. 303 mit Fn. 2: „fungi ist nicht fingi; gemeint ist nur: … steht an Stelle einer Person“; Lübtow, in: FS Wolf, 1985, S. 421, 447. Schulz, Classical Roman Law, 1951, Rn. 121: „The term persona is used by classical lawyers as an equivalent to homo and in no other sense.“ Alexander, Anstalten und Stiftungen, 2003, S. 3–7 mit Fn. 17.
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isch und insofern griechisch gedacht hat, bestätigt sich nochmals, und zwar unmissverständlich, die Einsicht, dass es sich bei den angeblich so deutschen Rechtsfiguren der Germanisten im 19. Jahrhundert lediglich um „juristische Konstruktionsleistungen“30 handelt und gerade nicht um den Ausdruck einer spezifisch deutschen oder germanischen Rechtsanschauung, von der wir, sofern es sie überhaupt einmal gegeben hat, bis heute nicht wirklich wissen, wie sie ausgesehen hat.31 Diese Erkenntnis ist auch oder vielleicht sogar ganz besonders vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte wertvoll, da sie zum einen davor bewahren kann (und sollte), im Rechtsdenken wieder in eine Art Deutschtum zu verfallen, zum anderen aber auch ermöglicht, die Arbeiten der Germanisten des 19. Jahrhunderts und dementsprechend eben auch die Gierkes für das geltende Recht von heute fruchtbar zu machen.
B. Der einzelne Mensch und seine Person im Recht I. Wirklichkeit und Recht als zwei voneinander zu unterscheidende Welten Der Unterschied zwischen juristischer Person (Savigny) und realer Verbandsperson (Gierke) erschließt sich allein dem, der sich vor Augen führt, dass das Recht die Wirklichkeit nicht so beschreibt, wie sie ist, sondern wie sie sein soll.32 Da aber „niemand leugnen kann, dass die Aussage: etwas ist (…) wesentlich verschieden ist von der Aussage: dass etwas sein soll“,33 liegt „das Recht (…) auf einer anderen Ebene (…) als die von ihm geregelten Sachverhal30 Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 63 (so ausdrücklich für die Gesamthand); Seif, ZRG GA 118 (2001), 302. 31 Scherner, ZRG GA 118 (2001), 346, 347. 32 So auch Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 235. 33 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 5. Da für ihn der Inhalt von Rechten und Pflichten stets ein menschliches Verhalten ist, ist selbst im Recht nicht die Person, sondern der Mensch als Individuum oder aber als eine Mehrheit (d. h. als Gemeinschaft) Träger dieser Rechte und Pflichten. Der Begriff der Person ist Kelsen zufolge lediglich eine Konstruktion, nur ein „Hilfsbegriff der Rechtswissenschaft“, um „figürlich“ die Gesamtheit der Rechte und Pflichten zu beschreiben, die einem oder mehreren Menschen zukommen. Die (juristische oder natürliche) Person hat daher nicht Rechte und Pflichten als deren Träger, vielmehr ist sie diese Rechte und Pflichten und insofern ein „Komplex von Rechtsnormen“. Damit ähnelt die „juristische Person“, die Kelsen, aaO., S. 172–195, beschreibt, insofern der Rechtsfigur der Gesamthand, als auch bei ihm eine Mehrheit von Menschen (d. h. Vielheit) Träger der Rechte und Pflichten sein soll. Ähnlich auch Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 1, 1933, S. 184–207, wenn für ihn die „juristische Person“ eine „rechtstechnische“ gedankliche „Einheit“ ist, welche die sie treffenden Rechte und Pflichten an die Menschen „hinter“ ihr „weiterleitet“: an ihre „Mitglieder“ (als „Rechtssubjekte und Rechtsträger“) und an die sie verwaltenden Menschen (als „Pflichtsubjekte und Rechtswalter“, S. 194). Denn auch für Wolff hat ausschließlich der (einzelne) Mensch einen (freien) Willen und Interessen, kann sich der Mensch „verhalten“, was Voraussetzung dafür ist, „Rechtssubjekt und Rechtsträger“ sowie „Pflichtsubjekt und Rechtswalter“ zu sein (S. 88–128).
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te“.34 Das Recht steht deshalb als „Reich des Sollens“ der Realität als „Tatsachenwelt“ (d. h. dem Sein) gegenüber.35 Als ein „Reich des Sollens“ ist das Recht die Norm (von lateinisch norma für Winkelmaß, Richtschnur, Maßstab, Regel) und damit im ursprünglichen Wortsinn der Maßstab, der an die Wirklichkeit angelegt wird. Das Recht ist insofern der gedankliche Entwurf einer idealen, weil ja bloß gedachten Welt und kann demgemäß von vornherein nicht mit der wirklichen Welt, die dem Menschen seine Sinne vermitteln, übereinstimmen. Wenn aber das Recht ausschließlich im menschlichen Denken existiert und daher anders als die Wirklichkeit „weder greifbar noch sichtbar“ ist und es in diesem Sinn (!) so etwas wie Realität im Recht überhaupt nicht gibt, ist zwischen Recht und Realität begrifflich und gedanklich stets strikt zu differenzieren.36 Wenn zunächst einmal allein das wirklich ist, was gesehen und angefasst werden kann, was insofern aus sich selbst heraus erscheint, weil es auf die menschlichen Sinne einwirkt, und der Mensch als Körper über die Sinne für sich und die anderen Menschen erfahrbar ist, gehört der Mensch zweifelsohne zur Realität. Als eine körperliche oder gleichbedeutend physische oder auch natürliche Entität ist er daher Teil der Wirklichkeit, die eine Körperwelt oder auch „Erscheinungswelt“ ist, umgekehrt aber nicht ein Teil der Welt des Rechts.37 Als reales Wesen kann es den Menschen als solchen in der gedachten Welt des Rechts per se nicht geben. Soll der Mensch gleichwohl rechtsfähig (§ 1 BGB) und damit eine Entität in der bloß vorgestellten Welt des Rechts sein, der Träger von Rechten und Pflichten und insofern Rechtssubjekt ist, muss es also etwas in der Welt des Rechts geben, das diese Aufgabe, oder auch „Rolle“ (lat. persona),38 für den realen Menschen stellvertretend übernimmt: und das ist der Rechtsbegriff der Person. Mensch und Person sind nicht dasselbe. Anders als der Mensch ist die Person „weder greifbar noch sichtbar. Man sieht dem einzelnen Menschen nicht an, ob er Person ist oder nicht (z. B. Sklave), und was man an ihm sieht, ist nicht seine Persönlichkeit“,39 d. h., dass er rechtsfähig und damit Person ist.40 Die Person gehört demnach nicht zur „Erscheinungswelt“ als der Welt, die der Mensch über seine Sinne erfährt. Der Mensch ist im Recht nicht eine Person, sondern hat dort lediglich eine Person. Der reale, da sinnlich erfahrbare Mensch und seine Person als Rechtsbegriff (nomen iuris) sind aus diesem 34 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 68. 35 Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl.
2011, § 10 Rn. 8. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat); Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 57; Klingbeil, AcP 217 (2017), 848, 851–857 („Künstlichkeit der Welt des Rechts“). 37 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 38 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 56. 39 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 40 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265. 36
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Grund streng voneinander abzugrenzen. Schon allein der Begriff der Person, den das Recht seit dem klassischen römischen Recht verwendet, um den rechtsfähigen Menschen oder genauer den Menschen als ein Subjekt von Rechten und Pflichten und damit als eine rechtliche Entität zu bezeichnen, offenbart diese notwendige, aber auch heute immer wieder vergessene Unterscheidung zwischen dem Menschen in der sinnlich erfahrbaren Welt (Wirklichkeit) und seiner Person in der Welt des Rechts.
II. Die Person als artifizieller juristischer Begriff Das deutsche Wort „Person“ geht auf das lateinische persona zurück, das seinen Ursprung wiederum im griechischen Begriff prosopon (πρόσωπον) hat.41 Das griechische πρόσωπον stammt (wie auch das lateinische persona) aus der Sprache des antiken Theaters und steht dort für die Maske als plastisches Gebilde, hinter der der Schauspieler sein wahres Gesicht verbirgt.42 Weil die Maske lediglich die Figur sichtbar und greifbar macht, die der Schauspieler auf der Theaterbühne verkörpern soll, steht persona auch für die Rolle, die der Schauspieler in dem Theaterstück darzustellen hat. Macht der Schauspieler seine Sache gut, sehen die Zuschauer in ihm nicht mehr den Menschen, sondern allein noch die an sich sinnlich ja nicht wahrnehmbare Rolle, die Figur, die er in dem Theaterstück spielt. Das Theaterstück zeichnet demnach eine fiktive und in diesem Sinn ausgedachte Welt. Die Figuren, d. h. die Personen, die in dieser Welt leben, sind daher nicht wirklich, sondern fingiert (gemacht). Wenn man wie beim Theaterstück die Körperwelt, oder gleichbedeutend die (soziale) Realität, auch für das Recht als Bezugspunkt nimmt, ist die Person stets eine fingierte und damit ein künstliches Gebilde, „weil sie nicht in der Realität existiert, sondern Werk des menschlichen Geistes ist“.43 Die Person ist demgemäß nicht schon ein natürlicher, sondern erst ein von Menschenhand gemachter, weil vom menschlichen Bewusstsein geschaffener 41 Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 229. 42 Meder, Der Stifterwille im Spannungsfeld von privatautonomer Gestaltungsfreiheit und staatlicher Kontrolle, in: Jakob/Orelli (Hrsg.), Der Stifterwille: Ein Phänomen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Ewigkeit, 2014, S. 81, 86. Der Ausdruck persona steht nach Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, für „Gesicht, Miene, äußere Gestalt, Oberfläche, Maske, soziale Rolle“ und weist damit „auf äußerliche Rollenzuschreibungen des Menschen“ hin. Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 56. 43 Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 235 (Zitat); wenn Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 2013, S. 179, Lehmann dahin kritisiert, er verwechsle hier „Realität mit Körperlichkeit“, verfängt das an dieser Stelle nicht, weil hier in der Tat die Körperwelt mit der Wirklichkeit gleichgesetzt wird. Körperwelt und deshalb Realität bilden den Bezugspunkt für die Fiktion und in diesem Sinn den „Fiktionsgegenstand“. Aus dieser Perspektive sind dann durchaus sämtliche normativen Begriffe Fiktionen, d. h. gedankliche Konstrukte.
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und in diesem Sinn artifizieller Begriff. Und weil er als solcher in die ideale, weil bloß gedachte Welt des Rechts gehört, ist die Person selbst als eine „natürliche Person“ ausschließlich ein Rechtsbegriff (nomen iuris), sodass genaugenommen nicht der Mensch, sondern nur seine „natürliche Person“ rechtsfähig ist (so auch schon Gierke).44 Für das klassische römische Recht erkennt das Stephan Meder, wenn er den „im Grunde tautologischen Charakter“ des Terminus „juristische Person“ hervorhebt und dabei auf Max Weber (1864–1920) verweist, der das bereits „scharf sinnig erkannt“ habe:45 „Denn der Rechtsbegriff der Person ist stets ein juristischer. Wenn ein Embryo ebenso wie ein Vollbürger als Träger subjektiver Rechte und Pflichten behandelt wird, ein Sklave aber nicht, so ist beides ein rechtstechnisches Mittel zur Erzielung bestimmter Effekte. In diesem Sinne ist die Rechtspersönlichkeit ebenso künstlich, wie die Frage, was im Rechtssinne ‚Sachen‘ sein können, ausschließlich nach zweckvoll gewählten juristischen Merkmalen bestimmt wird.“46
Auch für Gustav Radbruch (1878–1949) sind dann in Übereinstimmung damit „alle Personen, die physischen wie die juristischen Personen, (…) Geschöpfe der Rechtsordnung. Auch die physischen Personen sind im strengsten Sinne ‚juristische Personen‘. Über die ‚fiktive‘, d. h. künstliche Natur aller, der physischen wie der juristischen Personen ist also ein Streit nicht möglich“.47 Dem schließt sich in der Sache auch Hans Kelsen (1881–1973) an, wenn er in der physischen Person ebenfalls nicht eine natürliche Realität sieht, sondern eine juristische, von der Rechtswissenschaft künstlich geschaffene Konstruktion, weshalb für ihn „in diesem Sinne die sogenannte physische Person eine juristische Person“ ist.48 Und schließlich stellt Fritz Brecher für die Person des BGB die „schockierende Wahrheit“ fest, dass sie „eigentlich schlechthin und immer ‚juristische Person‘ (ist). Sie besteht kraft Befehls des Gesetzgebers, weil und wenn sie dem Rechtsbegriff ‚Person‘ unterfällt, dem Be44
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469, Fn. 3. Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 56. Rechtssoziologie, in: Winckelmann (Hrsg.), Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Bd. 2, 5. Aufl. 1976, S. 387, 424. 47 Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Aufl. 1973, S. 227. Klingbeil, AcP 217 (2017), 848, 851–852, wonach die „natürlichen Personen aus Sicht der Jurisprudenz ebenso wie juristische Personen ‚Rechtsgebilde‘ sind“. Klingbeil verweist in diesem Zusammenhang auf Schönfeld, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, Bd. 39 (1925), 333, 346; Kirste, Die beiden Seiten der Maske – Rechtstheorie und Rechtsethik der Rechtsperson, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 345, 352. 48 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 176–178 (Zitat: S. 178); ihm folgend Beck/ Zabel, Person, Persönlichkeit, Autonomie, in: Friedrich/Zichy (Hrsg.), Persönlichkeit, 2014, S. 49, 69, Fn. 82, wonach „letztlich (…) jede natürliche Person im rechtlichen Kontext auch juristische Person ist“. 45 Meder, 46 Weber,
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griff, dessen Merkmale eben jener Gesetzgeber bestimmen und deren formales Gegebensein er herbeiführen kann. Ob dahinter eine Existenz mit materialen Personenqualitäten steht, ist nicht rechtserheblich, für Subsumtion und Definition gleichgültig; es mag bei rechtsethischen oder rechtspolitischen Vorüberlegungen eine Rolle spielen, in den Rechtssatz gehen diese nicht ein. So wird die Person – auch die sog. ‚natürliche‘ – im strengen Befund zur Normkonstruktion, ja zur Fiktion, eine bloße ‚Figur‘, eine Gebilde aus Juristenhand“.49
Als abstrakte Person wird daher das Rechtssubjekt „schlechthin ‚absolut‘ gedacht, begrifflich gelöst von allen inhaltlichen Bestimmungen, die über das bloße Subjektsein hinausgehen, in sich unabhängig nicht nur vom menschlichen, sondern auch vom sachlichen Substrat“.50
III. Die „natürliche Person“ im BGB Die „natürliche Person“ ist demnach als ein artifizieller juristischer Begriff (nomen iuris) etwas anderes als der reale Mensch in der sinnlich erfahrbaren Welt. Der Mensch und seine Person gehören zwei verschiedenen Welten an. Der Mensch kann indes nur über seine Person in der Welt des Rechts Träger von Rechten und Pflichten, d. h. rechtsfähig, sein (§ 1 BGB). Insofern ist die Person für ihren Menschen da. Diese Verknüpfung von Mensch und Person „erscheint aus heutiger Sicht zwingend und notwendig“.51 Da aber der reale Mensch und seine nur gedachte Person in zwei Welten, in der Wirklichkeit und im Denken, existieren, muss das aber nicht „zwingend und notwendig“ so sein. Daher kann es eine Person zumindest zeitweise im BGB auch ohne ihren Menschen geben, ist also die Verknüpfung von beiden gelöst, wenn die Person als „Schutzform für den Menschen ausnahmsweise in die Zeit vor seiner Zeugung oder nach seinem Tode fällt“.52
1. Die „natürliche Person“ vor der Geburt ihres Menschen Auch wenn nach § 1 BGB die Rechtsfähigkeit des Menschen mit der Vollendung der Geburt beginnt, differenziert das BGB doch zwischen der „natürlichen Person“ als Rechtssubjekt und dem realen Menschen als ihrem Träger oder Substrat in der sinnlich erfahrbaren Welt. Eine natürliche Person kann nun gelegentlich schon vor der Geburt ihres Menschen, ja sogar vor dessen Zeugung 49 Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 238. 50 Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 239.
51 Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 242. 52 Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 242, sieht deshalb in der „Verknüpfung von Mensch und rechtlicher Person“ eine „geschichtliche Leistung der Rechtsordnung“, die er als zivilisatorischen Akt dem (klassischen) römischen Recht zuschreibt.
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Träger von Rechten (und Pflichten) und damit ein Rechtssubjekt sein. Nach § 1923 Abs. 2 BGB kann der bereits Gezeugte, aber noch nicht Geborene (nasciturus), Erbe, auch Nacherbe (§ 2108 BGB) oder Vermächtnisnehmer (§ 2178 BGB) sein, er kann bei der Tötung eines ihm gegenüber Unterhaltspflichtigen Ersatzansprüche erlangen (§ 844 Abs. 2 Satz 2 BGB) und als Dritter einen eigenen Anspruch gegen den Versprechenden erwerben (§§ 328, 331 Abs. 2 BGB).53 Selbst der noch nicht Erzeugte (nondum conceptus) kann als Nacherbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt werden (§§ 2101, 2106 Abs. 2, 2162, 2178 BGB) und als Dritter unmittelbar das Recht erwerben, die versprochene Leistung zu fordern (§§ 328, 331 Abs. 2 BGB).54 Nach h. M. kommt demnach bereits dem nasciturus und auch schon dem nondum conceptus eine „beschränkte Rechtsfähigkeit“ oder gleichbedeutend eine „Teilrechtsfähigkeit“ zu.55 Weil der Begriff „Rechtsfähigkeit“ für die grundsätzliche Fähigkeit steht, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können,56 und sei es auch nur von einem Recht oder von nur einer Pflicht, kann es eine „beschränkte Rechtsfähigkeit“ oder eine „Teilrechtsfähigkeit“ aber nicht geben.57 „Entweder man ist fähig, Rechte zu haben, oder man ist es nicht“, ein „Dazwischen“ kann es nicht geben.58 Und weil derjenige, der rechtsfähig ist, per definitionem Person (Rechtssubjekt) ist,59 kann eine natürliche Person auch schon vor der Geburt oder Zeugung ihres Menschen in der Welt des Rechts existieren. Auch wenn diese „zukünftigen Rechte“ (vgl. § 1912 BGB) in ihrer Wirksamkeit unter der Bedingung der späteren Lebendgeburt stehen,60 gesteht das BGB bereits der Leibesfrucht und selbst dem noch nicht erzeugten Menschen schutzfähige und schutzbedürftige Rechtsbeziehungen zu, indem es die Eltern oder einen Pfle53 Fahse, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 1 Rn. 17; Spickhoff, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 1 Rn. 29. 54 Spickhoff, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 1 Rn. 47; BGHZ 129, 297, 305. 55 Schmitt, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 1 Rn. 31, 45 und 46 („den übrigen Rechtssubjekten insoweit gleichgestellt“); RGZ 65, 277, 281 („fingierte Rechtspersönlichkeit“ für den „noch unerzeugten Nachkommen“); Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012, § 11 Rn. 11, 20; Leipold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 1923 Rn. 29, 32; Avenarius, JR 1994, 267, 270 (für den nondum conceptus); beschränkt auf den nasciturus Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1 Rn. 7; Kannowski, in: Staudinger, BGB, 2018, § 1 Rn. 15; a. A. Prütting, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 21. 56 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 1 Rn. 1; Kannowski, in: Staudinger, BGB, 2018, vor § 1 Rn. 1; Bamberger, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 1 Rn. 2; Behme, in: BeckOGK, BGB, 2019, § 1 Rn. 3. 57 Prütting, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 21; Behme, in: BeckOGK, BGB, 2019, § 1 Rn. 4; a. A. jedoch Kannowski, in: Staudinger, BGB, 2018, vor § 1 Rn. 3; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 1 Rn. 1, wonach „es als Zwischenform die Teilrechtsfähigkeit gibt“. 58 Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 235; Behme, in: BeckOGK, BGB, 2019, § 1 Rn. 3. 59 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 1 Rn. 1. 60 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 1 Rn. 7; Bamberger, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 1 Rn. 17, 40, spricht von einer „Vorwirkung der Rechtsfähigkeit“.
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ger schon in der Zeit vor der Geburt oder Zeugung mit der rechtlichen Fürsorge betraut (§§ 1912, 1913 BGB).61 Die Wahrnehmung fremder Rechte setzt jedoch ein fremdes und damit ein vom Vertreter verschiedenes Rechtssubjekt („Vertretenen“, vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB) voraus,62 sodass in manchen Fällen eine natürliche Person als Rechtssubjekt bereits vor der Geburt, ja sogar vor der Zeugung ihres Menschen bestehen kann.
2. Die „natürliche Person“ nach dem Tod ihres Menschen Die „natürliche Person“ kann zudem ihren Menschen überleben. Mit dem Tod des Menschen geht zwar sein Vermögen als Ganzes auf einen oder mehrere Erben über (§ 1922 BGB), die ideellen Bestandteile seines Persönlichkeitsrechts sind jedoch nicht vererblich, weil sie als höchstpersönliche Rechte unauflöslich an den Menschen als ihren Träger gebunden sind.63 Sie gehen anders als das Vermögen daher nicht auf die Erben über, erlöschen aber auch nicht automatisch mit dem Tod ihres Trägers. Die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts können ihren Menschen durchaus überdauern. Mit dem Tod des Menschen endet demgemäß zunächst nur seine Vermögensfähigkeit, nicht aber seine Rechtsfähigkeit insgesamt, sodass dem Verstorbenen im Ergebnis eine „postmortale Teilrechtsfähigkeit“ zukommt.64 Da es eine „Teilrechtsfähigkeit“ nicht geben kann, man entweder fähig ist, Rechte zu haben, oder nicht,65 kann eine natürliche Person auch nach dem Tod ihres Menschen in der Welt des Rechts, wenn auch nur für eine gewisse Zeit, noch fortbestehen.66 Da der Verstorbene seine Rechte nicht mehr selbst 61
Leipold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 1923 Rn. 29, 32. bereits auch RGZ 65, 277, 281; vgl. Leipold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 1923 Rn. 29, der an dieser Stelle zutreffend betont, dass ausschließlich ein Rechtssubjekt Rechtsbeziehungen haben und es deshalb „subjektlose Rechte“ schon von vornherein nicht geben kann. Auch ein Satz hat nur dann eine Satzaussage, wenn er zumindest ein Subjekt (und ein Prädikat) hat. 63 BGHZ 143, 214, 220. 64 So Spickhoff, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 1 Rn. 61; a. A. Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012, § 11 Rn. 23; für Bamberger, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 1 Rn. 42, endet mit dem Tod des Menschen „die Person und auch ihre Rechtsfähigkeit“, dennoch soll „der Verstorbene als (früherer) Träger des Persönlichkeitsrechts das Zuordnungssubjekt auch über den Tod hinaus“ bleiben. Dann endet aber gerade nicht mit dem Tod des Menschen seine Person, da nur eine Person rechtsfähig und damit Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten (d. h. Rechtssubjekt) sein kann. 65 Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 235. 66 BGHZ 107, 384, 392, wonach sich die Dauer des postmortalen Persönlichkeitsschutzes nicht generell festlegen lässt, vielmehr schwindet das Schutzbedürfnis in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst und deshalb im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes des Verstorbenen abnimmt. Nach BGHZ 169, 193 Rn. 15 endet jedoch der Schutz der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts mit dem Ablauf von zehn Jahren nach dem Tod des Menschen. Das gilt indes nicht für den postmortalen Schutz der ideellen Bestandteile des post62 So
B. Der einzelne Mensch und seine Person im Recht
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wahrnehmen kann, obliegt diese Aufgabe den Menschen, die er zu seinen Lebzeiten damit betraut hat, oder (in der Regel) seinen Angehörigen.67 Auch hier setzt die Wahrnehmung fremder Rechte (des Verstorbenen) ein von der Person des Vertreters verschiedenes Rechtssubjekt voraus und daher muss die natürliche Person des Verstorbenen (als Rechtssubjekt) dessen Tod überdauern, um auf diese Weise weiterhin Träger der noch fortwirkenden Rechte und damit Rechtssubjekt sein zu können.
IV. Der einzelne Mensch und seine Person bei Savigny und Gierke 1. Die „natürliche Person“ bei Savigny Auch wenn es demgemäß durchaus mal eine Person in der Welt des Rechts schon vor oder auch noch nach ihrem Menschen und insofern ohne ihn in der sinnlich erfahrbaren Welt geben kann, hat umgekehrt ein Mensch doch stets eine Person in der Welt des Rechts, er ist per se rechtsfähig (§ 1 BGB). Daher fällt für Savigny, aber keineswegs nur für ihn, der „ursprüngliche Begriff der Person oder des Rechtssubjekts zusammen (…) mit dem Begriff des Menschen“.68 Wenn das Recht dem einzelnen Menschen gleichwohl die Rechtsfähigkeit ganz oder teilweise versagen kann, so Savigny,69 ist er sich durchaus bewusst, dass die „natürliche Person“ als Rechtsbegriff ein künstliches Gebilde und in diesem Sinn ebenso wie die „juristische Person“ im Verhältnis zur Wirklichkeit (d. h. an dieser Stelle zur physischen Welt) eine Fiktion ist.70 Denn wenn jeder Mensch automatisch, gewissermaßen von Natur aus, stets im Recht Person wäre, könnte das Recht dem einzelnen Menschen nicht einmal theoretisch die Rechtsfähigkeit und damit sein Dasein im Recht als Person ganz oder teilweise vorenthalten. Demgemäß trennt Savigny hier durchaus gedanklich, nicht aber begrifflich, zwischen der phänomenalen Welt und der noumenalen des Rechts.
mortalen Persönlichkeitsrechts. Diese postmortalen Rechte können auch noch nach Ablauf von zehn Jahren fortbestehen (so ausdrücklich BGHZ 169, 193 Rn. 18). 67 Klass, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Anh § 12 Rn. 76; Spickhoff, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2018, § 1 Rn. 61. 68 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 2, 240; bereits Pufendorf verwendet mehrfach für die persona moralis simplex den Ausdruck persona physica, weil mit dem lebendigen Menschen das reale Substrat hinter der persona moralis simplex immer wieder auftaucht und sich so als persona physica in den Vordergrund drängt (Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 418 mit Fn. 143; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, Fn. 7). 69 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 2. 70 Meder, in: Jakob/Orelli (Hrsg.), Der Stifterwille: Ein Phänomen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Ewigkeit, 2014, S. 81, 86; siehe auch Palm, Person im Ertragsteuerrecht, 2013, S. 210–211.
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Obschon der Mensch bloß eine Person hat, sie aber nicht ist, nimmt der an sich ja lediglich artifizielle Rechtsbegriff (nomen iuris) der Person jetzt den realen Menschen in sich auf, wenn Savigny und in der Folge davon auch das BGB die Person (nomen iuris), die als Substrat in der sinnlich erfahrbaren Welt einen einzelnen Menschen hat, als „natürliche Person“ und daher als eine „persona physica“ bezeichnet. Damit verwischt aber die Grenze zwischen Mensch und Person und auf diese Weise die zwischen Wirklichkeit und Recht, sodass jetzt scheinbar der einzelne Mensch rechtsfähig ist (§ 1 BGB).71
2. Die „Einzelperson“ bei Gierke Anders als Savigny differenziert Gierke sowohl gedanklich als auch begrifflich scharf zwischen der sinnlich erfahrbaren Welt, für ihn die „Erscheinungswelt“, und der Welt des Rechts.72 Als „Rechtsbegriff“ ist die Person daher „weder greifbar noch sichtbar“ und insofern „unsinnlich“.73 Da die Bezeichnung als physische oder gleichbedeutend natürliche Person die Assoziation der Sinnlichkeit geradezu mit Notwendigkeit hervorruft, ist für Gierke „der übliche Ausdruck ‚physische Person‘ (…) schief und besser zu vermeiden“.74 Stattdessen nennt er die Person, deren Träger in der sinnlich erfahrbaren Welt ein einzelner Mensch ist, eine „Einzelperson“.75 Obschon die „Einzelperson“ als „Rechtsbegriff“ weder angefasst noch gesehen werden kann und demzufolge „unsinnlich“ ist, ist die „Einzelperson“ für Gierke dennoch „wirklich“.76 Sie ist „wirklich“, weil sie an dem sinnlich wahrnehmbaren, weil körperlichen einzelnen Menschen Anteil hat. Für Gierke erschöpft sich die Wirklichkeit nicht im sinnlich Wahrnehmbaren, in dem, was die Sinne dem Menschen unmittelbar dadurch vermitteln, dass man es als Körper sehen und anfassen kann. Wirklichkeit und Körperlichkeit sind für Gierke nicht gleichzusetzen. Das Wirkliche fußt zwar auf dem Körperlichen und doch übersteigt das Wirkliche das Körperliche, ist die Realität mehr als das Sinnliche. Anteil an dem einzelnen sinnlichen Menschen hat die Einzelperson als bloß gedachter Rechtsbegriff, indem die Einzelperson einen und insofern ihren einzelnen Menschen zwingend und notwendig voraussetzt. Die Einzelperson kann in der Welt des Rechts nicht ohne ihren einzelnen Menschen in der realen, weil sinnlichen Welt existieren. Mensch und Person stehen daher bei Gierke im Verhältnis von „Voraussetzung und Abhängigkeit“.77 71
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 2 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 74 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 mit Fn. 17. 75 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 267–268. 76 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 77 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 416 (Zitat). 72 73
B. Der einzelne Mensch und seine Person im Recht
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Anders als im BGB gibt es deshalb für Gierke eine Einzelperson nicht vor der Geburt des Menschen und auch nicht nach dessen Tod. Allein die Rechtsfähigkeit („Persönlichkeit“) wirkt hier in der Zeit vor der Geburt vor und nach dem Tod des Menschen nach.78 Rechte und Pflichten gibt es zwar auch schon vor der Geburt des Menschen, doch knüpfen sie im Voraus an das „künftige Subjekt“ (d. h. die Einzelperson) an, und umgekehrt überdauern Rechte und Pflichten durchaus den Tod des Menschen und daher den dadurch ausgelösten „Wegfall des Subjekts“ (d. h. der Einzelperson); „allein hier fehlt es keineswegs an einem Subjekt, vielmehr wird nur eine Nachwirkung oder eine Vorwirkung der Persönlichkeit anerkannt“.79 Damit also Rechte und Pflichten, die für Gierke notwendig an ein „Subjekt“ anknüpfen,80 existieren, reicht es aus, wenn ein „Subjekt“ (d. h. eine Einzelperson) in der Zukunft einmal da sein wird oder es in der Vergangenheit war, und zwar, weil sein Mensch in der Zukunft geboren wird oder in der Vergangenheit einmal gelebt hat. Mensch und Einzelperson sind zunächst gedanklich und begrifflich auf zwei Welten aufgeteilt: der einzelne Mensch gehört in die sinnlich erfahrbare, weil körperliche Welt, die Einzelperson in die ideale, da bloß gedachte Welt des Rechts. Trotzdem stehen beide nicht beziehungslos nebeneinander. Der einzelne Mensch liegt seiner Einzelperson zugrunde, sodass der Mensch im ursprünglichen Wortsinn das Substrat der Einzelperson ist (von lateinisch substratum oder subiectum, griechisch hypokeimenon, ὑποκείμενον, für das Zugrundeliegende, der Träger, die Unterlage). Die Einzelperson leitet sich insofern von ihrem einzelnen Menschen ab, sie wohnt ihm inne, ist ihm inhärent und hat demgemäß vermittelt über den einzelnen Menschen, der greifbar und sichtbar ist, mittelbar Anteil an dessen unmittelbarer sinnlichen Wirklichkeit. Da für Gierke das Wirkliche über das sinnlich Wahrnehmbare hinausgeht, ist die Einzelperson zwar im Gegensatz zu dem einzelnen Menschen, der ihr zugrunde liegt, „unsinnlich“, da sie als ein gedachter Rechtsbegriff anders als der sinnliche Mensch nicht angefasst und gesehen werden kann, gleichwohl ist sie „wirklich“, indem sie vermittelt über ihren Menschen Anteil an dessen sinnlicher Realität hat.81 Die „Einzelperson“ ist in diesem Sinn zwar „eine wirkliche, nicht bloß erdichtete Person“, aber dennoch weiterhin „unsinnlich“, da sie als Rechtsbegriff (nomen iuris) nur im menschlichen Bewusstsein existiert.82 78 79
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, Fn. 19 und S. 257, Fn. 1. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 257, Fn. 1. 80 Für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 257, ist „die Annahme subjektloser Rechte (…) ein Widerspruch in sich selbst“. 81 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268; ders., Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 16–18, wonach „sich das Wirkliche nicht mit dem sinnlich Wahrnehmbaren“ deckt. Erst aus der sinnlich erfahrbaren Vielheit (Teilen) erschließt sich die unsichtbare, aber reale Einheit (als Ganzes). 82 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, 268.
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
3. Zwischenergebnis Darin, dass die Einzelperson, oder wie Savigny sie nennt: die natürliche Person, insofern eine „wirkliche Person“ ist, stimmt Gierke durchaus mit Savigny überein. Auch Savigny trennt, wenn auch nicht im Begriff, so doch gedanklich zwischen dem einzelnen Menschen und der „natürlichen Person“ als Rechtssubjekt, wenn für ihn zwar der Begriff der (natürlichen) Person oder des Rechtssubjekts mit dem Begriff des Einzelnen zusammenfallen muss, zugleich aber das positive Recht dem einzelnen Menschen die Rechtsfähigkeit und daher seine Eigenschaft als Person (d. h. als Rechtssubjekt) ganz oder teilweise versagen kann (z. B. einem Sklave).83 Demnach ist sich Savigny durchaus bewusst, dass man, wie es Gierke für seine Einzelperson ausdrückt: dem einzelnen Menschen nicht ansieht, „ob er Person ist oder nicht (z. B. Sklave)“.84 Die natürliche Person ist deshalb bei Savigny ebenso „unsinnlich“, aber doch „wirklich“ wie die Einzelperson bei Gierke.85 Da die natürliche Person als Rechtsbegriff an ihren einzelnen sinnlich erfahrbaren Menschen in der Erscheinungswelt rückgebunden ist, hat sie auch bei Savigny vermittelt über diesen natürlichen Menschen Anteil an dessen Wirklichkeit und ist in der Folge davon in der Welt des Rechts eine natürliche, oder gleichbedeutend: eine wirkliche, wenn auch unsinnliche Person (d. h. Rechtssubjekt).
C. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 1) I. Pufendorf und seine Lehre von den entia moralia Nach Gierke kann nun das objektive Recht nicht nur einen einzelnen Menschen, sondern auch einen menschlichen Verband als Person (d. h. als Rechtssubjekt) anerkennen.86 Der einzelne Mensch hat dadurch in der Welt des Rechts eine „Einzelperson“, der menschliche Verband eine „Verbandsperson“.87 Auch die „Verbandsperson“ ist für Gierke „eine wirkliche und volle Person gleich der Einzelperson (…). Sie ist eine wirkliche, nicht bloß erdichtete Person“, da sie als „Rechtsbegriff“ genauso wie „der Begriff der Einzelperson zustande kommt“.88 Dabei betont Gierke ausdrücklich: „Dies hat schon Pufendorf erkannt. (…) Es ist aber immer wieder vergessen worden“89 und 83
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 2. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitate). 86 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 471. 87 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 267–268, 470. 88 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 89 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, Fn. 8. 84 85
C. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 1)
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weist darauf hin, dass bereits Pufendorf das Rechtssubjekt persona moralis nennt und Einzelpersonen und Verbandspersonen als personae morales simplices und personae morales compositae, d. h. als einfache und als zusammengesetzte Personen, voneinander unterscheidet.90 Demnach knüpft Gierke offensichtlich gezielt an die Rechtsfigur der persona moralis an, so wie er sie bei dem Naturrechtler Samuel Pufendorf (1632–1694) vorfindet oder zumindest wie er sie auffasst, um sein Rechtssubjekt als Einzelperson und als Verbandsperson auszuarbeiten. Die Denkfigur der persona moralis ist bei Pufendorf Teil seiner Lehre von den entia moralia. Pufendorf trennt hier gedanklich und begrifflich scharf zwischen der physischen Welt, den entia physica, auf der einen und der moralischen Welt, den entia moralia, auf der anderen Seite. Die persona moralis gehört als ens morale zur moralischen Welt, zur Welt des Rechts. Obschon der Mensch das Recht durch seinen freien Willen in seinem Denken erschafft und es insofern eine menschliche Erfindung (inventio) ist,91 sind dennoch bei Pufendorf die entia moralia und darum auch die persona moralis als Rechtsbegriffe an die sinnlich erfahrbaren Wesenheiten, die entia physica in der „Erscheinungswelt“ (Gierke), rückgebunden: Als Eigenschaften oder Attribute (modi) haften die entia moralia ihren entia physica an, wohnen ihnen insofern inne, sind ihnen inhärent.92 Sie haben infolgedessen ohne ihre entia physica keine Existenz (Lipp).93 Die entia moralia sind als gedachte Rechtsbegriffe zwar „weder greifbar noch sichtbar“.94 Da sie als modi aber den entia physica als ihren Trägern in der sinnlich erfahrbaren Welt (d. h. ihrem Substrat) mit Notwendigkeit anhaften und jene dort in der „Erscheinungswelt“ sinnlich wahrnehmbar sind, haben die entia moralia vermittelt über ihre entia physica Anteil an deren Wirklichkeit, sind auch sie „unsinnlich“, aber gleichwohl 90
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, Fn. 6. Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 2, 3 (S. 13–14); Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 23. Nach Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 21, ist daher die Freiheit des menschlichen Handelns die Grundvoraussetzung für das Dasein einer moralischen Welt (= entia moralia); ähnlich auch Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 67–68. 92 Pufendorf, De jure naturae et gentium 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 3 (S. 14): „(…) ita eo ipso patet, entia moralia non per se subsistere, sed in substantiis (…) fundari (…)“; Kobusch, Pufendorfs Lehre vom moralischen Sein, in: Palladini/Hartung (Hrsg.), Samuel Pufendorf und die europäische Frühaufklärung, 1996, S. 63, 67; Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, 1972, S. 67, 68. 93 Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 228; Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 25; so auch Auer, Die Substanz der Freiheit, in: Gröschner/Kirste/Lembcke (Hrsg.), Person und Rechtsperson, 2015, S. 81, 86. 94 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat). 91
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
„wirklich“.95 „Als solche nimmt das ens morale an der Realität seines ‚Trägers‘ teil: die entia moralia sind keine irrealen Sinngebilde, sondern ebenso wirklich wie die entia physica, an denen sie sich befinden“ (Welzel).96
II. Daher: Die Verbandsperson ist bei Gierke eine „wirkliche Person“ Anknüpfend an Pufendorf setzt daher auch für Gierke die persona moralis als „Einzelperson“ einen einzelnen Menschen und als Verbandsperson einen menschlichen Verband zwingend und notwendig voraus (Für Pufendorf ist der menschliche Verband nicht ein ens physicum, da sich die einzelnen Menschen erst in der Welt des Rechts zu einer persona moralis composita vereinigen können).97 Wie die Einzelperson (persona moralis) an dem einzelnen Menschen (ens physicum) als dessen Attribut (modi) anhaftet, so befindet sich auch die Verbandsperson (ens morale) an ihrem menschlichen Verband (ens physicum) und nimmt auf diese Weise an dessen Realität teil. Die Verbandsperson als Rechtsbegriff endet demzufolge automatisch (ipso iure), sobald ihr menschlicher Verband als Träger in der Erscheinungswelt deshalb nicht mehr besteht, weil „alle Mitglieder“ des menschlichen Verbands (d. h. alle Menschen) „bis auf Eines“ weggefallen sind.98 Der menschliche Verband ist allerdings nicht in derselben Weise greifbar und sichtbar, wie es der einzelne, leiblich erscheinende Mensch ist. Denn im Gegensatz zu jenem kann ein menschlicher Verband als solcher nicht unmittelbar gesehen und angefasst werden, bei ihm handelt es sich insofern um eine „unsinnliche Einheit“, die als solche allein im menschlichen Bewusstsein vorhanden ist.99
95
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitate).
96 Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 26. 97 Eine persona moralis composita zeichnet sich bei Pufendorf, De
jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 12–15 (S. 19–22) (§ 12), dadurch aus, dass mehrere einzelne Menschen („homines singuli“) durch ein moralisches Band („per vinculum morale“) und insofern erst als personae morales zu einer Gemeinschaft verbunden werden („in unum systema connexi“); Gierke, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien, 1880, S. 193 mit Fn. 196, wonach die „Einigung“, durch die die persona moralis composita zustande kommt, „nicht naturaliter, sondern nur moraliter durch einen Vertrag möglich“ ist. Nach Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 232, 237, steht auch bei der persona moralis composita der einzelne Mensch als Inhaber eines bestimmten status im Mittelpunkt. Die persona moralis composita ist aus diesem Grund lediglich die vertragliche Absprache verschiedener Individuen, sich einen solchen status zu teilen. Sie ist deshalb „die Summe der Vielen in der Identität eines status“. Das ist aber die Gesamthand. Koschorke/Lüdemann/ Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 340, denen zufolge sich bei der persona moralis composita die Mitglieder (als personae morales) vertraglich einigen, „gemeinsam einen status anzunehmen“. 98 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 558. 99 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471.
C. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 1)
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Ein menschlicher Verband entsteht, indem Menschen, die anfangs noch eine unverbundene Menge bilden, sich „zu einem Gebilde höherer Ordnung“,100 zu einem menschlichen Verband, formieren. Dabei „überwinden“ die einzelnen Menschen gleichwohl nicht tatsächlich „ihre reale Disjunktion und Unkoordiniertheit und verschmelzen“ aus diesem Grund auch nur gedanklich im menschlichen Bewusstsein „in dem großen imaginären“, da nur vorgestellten „Subjekt, als das sich der Kollektivkörper“, alias der menschliche Verband, „seinen Teilhabern verspricht“.101 Insofern, als sich der „Akt der Konversion der vorsozialen Einzelnen zu Gliedern des sozialen Ganzen“ erst im menschlichen Denken vollzieht, ist der menschliche Verband demgemäß ein bloß „unsichtbares Gebilde“, das „als Körper veranschaulicht“ lediglich „den Charakter einer imaginären Einheit und Ganzheit“ gewinnt.102 Auch Gierke sieht deshalb im Bild des Körpers, in der Körpermetapher, „ein bloßes Hilfsmittel der Erkenntnis“ und warnt sogar davor, „das Bild für die Sache“ zu nehmen.103 Denn auch für ihn ist nur der „leiblich erscheinende“, der einzelne Mensch, nicht aber der menschliche Verband selbst unmittelbar, „sinnlich wahrnehmbar“.104 Der Begriff des Körpers steht insofern allein für den einzelnen Menschen, für den Menschen als Körper, und ist deshalb, wenn er auf den menschlichen Verband angewendet wird, insoweit ein Bild, das nicht mit der Sache, dem menschlichen Verband, gleichgesetzt werden kann und darf. Solange also der einzelne Mensch, sein Körper, den Bezugspunkt bildet, ist der Begriff des sozialen oder auch gesellschaftlichen Körpers eine bloße Metapher. Da das menschliche Denken aber erst durch die einzelnen Menschen, die gesehen und angefasst werden können, veranlasst wird, diese als Einheit, als menschlichen Verband, aufzufassen, das menschliche Bewusstsein insofern den menschlichen Verband vermittelt über die einzelnen Menschen als eine Einheit, als ein Ganzes, bloß erfasst und nicht erst und allein erschafft, ist der menschliche Verband für Gierke eine „wirklich existierende Wesenheit“ und in der „stoischen Philosophie“ als ein „corpus ex distantibus“ somatisch verfasst.105 Er ist dementsprechend (allein) insofern ein wirklicher Körper, ein „Gesamtkörper“, 100 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat). 101 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat).
102 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 2 und 6 (Zitate). 103 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 13, 16. Demgemäß betont Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 419, Fn. 148, zu Pufendorf und dessen Lehre von den entia moralia: „(…) nach der ‚consideratio physica‘ (können) weder mehrere Menschen Einer noch Ein Mensch Mehrere sein, während nach der ‚consideratio moralis‘ mehrere Menschen zusammen als Eine Person und Ein Mensch als mehrere Personen gelten können.“ 104 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471. 105 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33.
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
als er, wenn auch erst vermittelt über die einzelnen Menschen, auf die menschlichen Sinne einwirkt, nicht jedoch ein menschlicher Körper, der in der stoischen corpus-Lehre zu den geeinten Körpern (σῶματα ήνωμένα, lat. corpora continua) gehört.106 Denn alles, was die Sinne affiziert, ist für die Stoiker notwendig ein Körper.107 Und weil ein menschlicher Verband vermittelt über die einzelnen Menschen, aus denen er sich (als seinen Teilen) zusammensetzt, als ein „Ganzes“, als eine Einheit, sinnlich wahrnehmbar ist, er also auf die Sinne einwirkt, ist er in der Stoa und im Anschluss daran auch für Gierke eine „körperliche Einheit“, die zu denen seiner „Glieder“, zu den einzelnen Menschen als „räumlich getrennte Körper“, hinzutritt (corpus ex distantibus).108 106 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. Dazu vor allem D. 41, 3, 30 pr., wo der römische Jurist Pomponius die stoische corpus-Lehre wiedergibt, und zwar in der Gestalt, die sie beim Stoiker Chrysipp (3. Jahrhundert v. Chr.) gefunden hat und dann vermittelt über den römischen Juristen Sabinus in das römische Recht eingegangen ist (so Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 33–34): „(…) Es gibt aber drei Arten von Körpern, eine erste Art, bei der der Körper durch einen Geist zusammengehalten und im Griechischen ήνωμένον (geeint) genannt wird, wie ein Sklave, ein Balken, ein Stein und dergleichen mehr; zweitens eine, bei der der Körper aus zusammengesetzten, d. h. aus mehreren untereinander zusammenhängenden Körpern besteht, und im Griechischen als συνημμέον (zusammengesetzt) bezeichnet wird, wie ein Haus, ein Schiff, ein Schrank; drittens eine, bei der der Körper aus getrennten Körpern besteht, wie mehrere Körper, die nicht voneinander losgelöst sind, sondern einem Begriff untergeordnet sind, z. B. ein Volk, eine Legion, eine Herde (…). – tria autem genera sunt corporum, unum, quod continetur uno spiritu et Graece ήνωμένον vocatur, ut homo tignum lapis et similia: alterum, quod ex contingentibus, hoc est pluribus inter se cohaerentibus constat, quod συνημμέον vocatur, ut aedificium navis armarium: tertium, quod ex distantibus constat, ut corpora plura non soluta, sed uni nomini subiecta, veluti populus legio grex.“; Philipsborn, ZRG RA 71 (1954), 41, 42, wonach D. 41, 3, 30 pr. „aus der Lehre der Stoiker fast wörtlich übernommen“ sei; Erhardt, ZRG RA 70 (1953), 299, 309–310; Schnorr von Carolsfeld, Geschichte der juristischen Person, 1933, S. 177–179, der aus der Übereinstimmung mit Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 102, 6, schlussfolgert, „dass wir es hier“ (in D. 41, 3, 30 pr.) „mit stoischem Gute zu tun haben“. Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 102, 6: „(…) Einige Körper sind einheitlich wie ein Mensch, andere sind zusammengesetzt wie ein Schiff, ein Haus und überhaupt alle Gegenstände, deren verschiedene Teile durch Verbindung zu einer Einheit zusammengefügt worden sind. Einige, deren Glieder noch getrennt sind, bestehen aus voneinander unabhängigen Körpern wie ein Heer, ein Volk und der Senat. Jene nämlich, durch die diese Körper gebildet werden, hängen durch Recht und Pflicht zusammen, von Natur aus aber sind sie getrennt und einzeln. – quaedam continua corpora esse, ut hominem; quaedam esse composita, ut navem, domum, omnia denique quorum diversae partes iunctura in unum coactae sunt; quaedam ex distantibus, quorum adhuc membra separata sunt, tamquam exercitus, populus, senatus. Illi enim per quos ista corpora efficiuntur iure aut officio cohaerent, natura diducti et singuli sunt.“ 107 Diogenes Laertios, Vitae philosophorum, VII 56: „Denn alles, was tätig wirkt, ist Körper.“ (= SVF III 18; LS 33H); VII 50 (= SVF II 52; LS 39A); Cicero, Academica, I 39 (= SVF I 90; LS 45A); Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3. Stoa, Epikureismus und Skepsis, 2. Aufl. 1995, S. 69–70; Wildberger, Seneca und die Stoa, Bd. 1, 2006, S. 14; Dienstbeck, Die Theologie der Stoa, 2015, S. 75–81; Armato, Der stoische Immanenzbegriff, 2005, S. 50. 108 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33 mit Fn. 76.
C. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 1)
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Weil der menschliche Verband demnach zwar nicht unmittelbar, aber vermittelt über die einzelnen Menschen, die ihn real bilden, sinnlich wahrnehmbar und insofern ein corpus ex distantibus ist, hat er Anteil an der Wirklichkeit seiner Mitglieder (d. h. Menschen). Er ist deshalb zwar als solcher „unsinnlich“, aber trotzdem „wirklich“ und insofern ein ens physicum. An den menschlichen Verband knüpft nun seinerseits der Rechtsbegriff der Verbandsperson als einer „zusammengesetzten Person“ an.109 Auch die reale Verbandsperson hat, obschon sie als ein lediglich gedachter Rechtsbegriff (ens morale) ja ebenfalls „unsinnlich“ ist, vermittelt über den menschlichen Verband teil an der Wirklichkeit der Menschen (entia physica), die real in der sinnlich wahrnehmbaren Welt („Erscheinungswelt“) den menschlichen Verband ausmachen. Auf diese Weise ist auch die Verbandsperson über die Zwischenstufe ihres menschlichen Verbands (sozialen Körpers) „wirklich“ und insofern „nicht minder unsinnlich, aber auch nicht minder wirklich“, wie es die Einzelperson ist, die ja ebenfalls als Rechtsbegriff nur über ihren „leiblich erscheinenden“, einzelnen Menschen als ihr sinnliches Substrat „wirklich“ ist.110 Der menschliche Verband hat in diesem Sinn durchaus eine „reale Verbandspersönlichkeit“ und ist mithin in der Welt des Rechts eine „reale Verbandsperson“.111 Demgemäß trifft Gierke der Vorwurf einer übersteigerten „anthropomorphen Sicht“ nicht in der Sache112 und darauf kommt es in diesem Kontext allein an, mag er es auch seinen Kritikern durch den zuweilen extensiven Gebrauch der Körpermetapher, des „Menschenbilds“,113 vielleicht „besonders leicht gemacht“ und „seiner eigenen Lehre“ insofern „einen schlechten Dienst erwiesen“ haben.114 109
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470, 473. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471. Selbst für Lübtow, in: FS Wolf, 1983, S. 421, 450, ist das, was man „juristische Person nennt“, als eine „Kollektiveinheit“ ein „abstrakter Begriff, aber trotzdem keine Fiktion, da stets die reale konkrete Vielheit mitgedacht wird. Der Einheitsbegriff ruht also auf dem festen Boden der Wirklichkeit“. Obschon Lübtow damit die Figur der realen Verbandsperson beschreibt, verwirft er Gierkes Theorie der realen Verbandspersönlichkeit als „nicht erkannte Fiktion“. Auch für Rhode, Juristische Person und Treuhand, 1932, S. 35, erweist sich die „reale“ Theorie Gierkes „als offene Fiktion, sobald man an die Stelle des Wortes ‚Person‘ das (…) Synonym ‚Mensch‘ setzt“. 111 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470–471 (Zitat: S. 466). 112 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 18; Lübtow, in: FS Wolf, 1985, S. 450. Für Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 369, ist Gierkes Theorie der realen Verbandspersönlichkeit „unannehmbar“, und zwar mit Verweis auf Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 15. Aufl. 1959, S. 206, Fn. 7, für die die „Vorstellung“ von einer realen Verbandspersönlichkeit „das Gebiet des menschlichen Erkennens“ überschreitet und „deshalb von der Rechtswissenschaft abzulehnen“ sei. 113 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 18, der in der Wirklichkeit des menschlichen Verbands bei Gierke und der seiner realen Verbandsperson eine „Fiktion“ zu erkennen meint; so auch Lübtow, in: FS Wolf, 1983, S. 412, 453 („nicht erkannte Fiktion“). 114 K. Schmidt, Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987, S. 10, 18. 110
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny I. Der menschliche Verband im Verständnis Savignys 1. Eine bloß „gedankliche Einheit“ (universitas) Auch für Savigny erkennt das Recht den einzelnen Menschen (!) lediglich als rechtsfähig an, indem es ihm (ens physicum) die Rechtsfähigkeit (ens morale) als Attribut (modus) beilegt (impositio) und insofern den einzelnen Menschen im Recht zur Person macht, es erschafft die Person aber nicht künstlich, gleichsam aus dem Nichts (creatio). Diese Person (ens morale) ist wirklich, oder wie Savigny es ausdrückt: natürlich, weil der einzelne Mensch als ihr Substrat (ens physicum) aufgrund seiner „leiblichen Erscheinung“ unmittelbar sinnlich wahrnehmbar ist, er als „leibliche Erscheinung“ (d. h. als menschlicher Körper) angefasst und gesehen werden kann. „Der einzelne Mensch trägt“ nach Savigny „seinen Anspruch auf Rechtsfähigkeit schon in seiner leiblichen Erscheinung mit sich“ (…). Durch diese Erscheinung weiß jeder Andere, dass er in ihm eigene Rechte zu ehren, jeder Richter, dass er in ihm solche Rechte zu schützen hat“.115 Eine „leibliche Erscheinung“ wie der einzelne Mensch hat nun aber ein menschlicher Verband nicht; ihm „fehlt jene natürliche Beglaubigung gänzlich“.116 Der menschliche Verband entzieht sich der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung. Für Savigny ist insofern allein das wirklich, was man sehen und anfassen kann, das also, was unmittelbar sinnlich wahrnehmbar ist. Die einzelnen Menschen, die sich zu einem menschlichen Verband zusammengetan haben, sich daher selbst als eine solche Einheit begreifen und in diesem Sinn eine gesellschaftliche oder gleichbedeutend soziale Realität bilden, überwinden nicht wirklich ihre reale Disjunktion und verschmelzen bloß imaginär zu einem großen Subjekt: dem menschlichen Verband. Man sieht den einzelnen real getrennten Menschen daher nicht unmittelbar an, ob sie tatsächlich ein menschlicher Verband sind. Für Savigny erfasst das Denken den menschlichen Verband nicht, abstrahiert ihn nicht aus den unmittelbar sinnlich erfahrbaren einzelnen Menschen, aus denen sich der menschliche Verband zusammensetzt (so aber bei Gierke), sondern erschafft ihn erst als ein Gedankenbild (ἐννόημα), ein Bild im Geiste, und legt diese Vorstellung, den Begriff (nomen), über die einzelnen Menschen, die allein vorgestellt einen menschlichen Verband als Einheit bilden, unmittelbar sinnlich erfahrbar aber weiterhin unverbunden eine Vielheit bleiben. Wenn Savigny im menschlichen Verband eine „gedankliche Konstruktion“ und insofern eine unsichtbare Einheit, ein „ideales Ganzes“, sieht, ist der menschliche Verband für ihn nicht (wie für 115 116
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 277–278. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 278.
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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die Stoa) somatisch verfasst ein corpus ex distantibus, sondern eine universitas, ein Begriff, der an den einzelnen Menschen (als singuli) das zusammenfasst, worin sie übereinstimmen; der menschliche Verband ist demgemäß für Savigny als gedankliche Einheit eine „skeptische res incorporalis“.117 Während bei Gierke der menschliche Verband ein ens physicum ist, weil er vermittelt über die einzelnen Menschen, die ihn formen, sinnlich wahrnehmbar und deshalb wirklich (und insofern in der „stoischen Philosophie“ ein corpus ex distantibus) ist,118 wechselt bei Savigny gleichsam der menschliche Verband von der physischen Welt in die des Denkens, da er bei ihm allein im menschlichen Bewusstsein losgelöst von den einzelnen, sinnlich wahrnehmbaren Menschen existiert. Wenn ein menschlicher Verband aber bloß eine gedankliche Einheit ist, die man nicht sehen und anfassen kann und dem infolgedessen die „natürliche Beglaubigung“ des einzelnen Menschen in Gestalt einer leiblichen Erscheinung gänzlich fehlt, wie es bei Savigny heißt, dann kann das Recht den menschlichen Verband nicht wie einen einzelnen Menschen einfach als rechtsfähig anerkennen. Nur einem ens physicum kann das Recht die Eigenschaft der Rechtsfähigkeit und damit das Dasein als Person (= Rechtssubjekt) in der Welt des Rechts (ens morale) beilegen (impositio). Beim einzelnen Menschen steht aufgrund seiner „leiblichen Erscheinung“ für das Recht zweifelsfrei fest, dass ein ens physicum in der sinnlich erfahrbaren Welt vorhanden ist, nicht aber beim menschlichen Verband; er ist für Savigny ausschließlich eine gedankliche Einheit: ein „ideales Wesen“.119 Beim menschlichen Verband weiß deswegen nicht „jeder Andere, dass er in ihm“ (= menschlicher Verband) „eigene Rechte zu ehren, jeder Richter, dass er in ihm“ (= menschlicher Verband) „solche Rechte zu schützen hat“.120 Die begriffsjuristische Sichtweise Savignys, in einem menschlichen Verband nur ein „ideales Wesen“ zu sehen, das nicht eine „natürliche Person“ sein kann, weil es nicht einen einzelnen und daher sinnlich erfahrbaren Menschen (ens physicum) als Substrat in der Körperwelt hat, verbindet sich mit dem Aspekt der Rechtssicherheit.121 Das Recht ist nicht in der Lage, mit der erforderlichen Sicherheit zu erkennen, ob sich die einzelnen Menschen, die sinnlich erfahrbar stets eine unverbundene Menge bleiben, zu einem menschlichen 117 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243 („ideales Ganzes), 261–262 („universitas“); Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 39 mit Fn. 5; Behrends, ZRG RA 125 (2008), 25, 44–54; ders., Index 37 (2009), 397, 424–425; zur universitas als gedankliche Einheit der singuli auch schon ders., Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/ Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 238 (und öfter). 118 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 119 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283, 291 Fn. (t): „ideale Einheit“. 120 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 277–278. 121 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 168.
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
Verband als einem „idealen Wesen“ zusammengeschlossen haben. Den Entschluss, sich zu einem menschlichen Verband zu formieren und sich als eine Einheit zu begreifen, die „Privatwillkür“ der einzelnen Menschen, kann man weder sehen noch anfassen, sodass diese Privatwillkür „unvermeidlich die höchste Ungewissheit des Rechtszustandes“ dahingehend hervorriefe, ob ein menschlicher Verband tatsächlich als soziale Realität entstanden ist.122
2. Eine „soziale Realität“ Dass Savigny den menschlichen Verband als eine soziale Realität trotzdem keineswegs in Abrede stellt, zeigt sich, wenn er von den „wirklich vorhandenen juristischen Personen“ (d. h. den menschlichen Verbänden) oder auch von den „juristischen Personen, wie sie in unserem Rechtszustand wirklich vorkommen“, spricht, die für ihn als „Gemeinden, Städte und Dörfer“ ein „natürliches oder auch notwendiges Dasein“ und als „Stiftungen und Gesellschaften“ ein „künstliches oder willkürliches“ Dasein haben.123 Auch Savigny geht davon aus, dass nicht nur die Gemeinden als Städte und Dörfer ebenso wie auch der Staat, dessen „Hauptbestandteile“ sie bilden,124 eine soziale Realität sind und in diesem Sinn ein „Dasein“ haben, sondern auch Stiftungen und Gesellschaften. Weil aber die Gemeinden (Städte und Dörfer) meist sogar älter sind als der Staat und schon beim Staat kein Zweifel besteht, dass er wirklich vorhanden und insofern eine soziale Realität ist, in die die Menschen hineingeboren werden, haben sie (wie eben schon der Staat) ein „natürliches oder auch notwendiges Dasein“.125 Dass der Staat und seine Gemeinden nicht nur als soziale Realität, sondern auch als juristische Personen ohne Zweifel ein Dasein haben, folgt für Savigny nicht nur aus ihrem Alter, sondern auch daraus, dass der Staat und die Gemeinden (Städte und Dörfer) geografische Einheiten sind, die der Mensch deshalb auch als entia physica sinnlich wahrnehmen kann.126 Auch „Stiftungen und Gesellschaften“ haben Savigny zufolge durchaus ein „Dasein“, d. h. sie sind als menschliche Verbände eine soziale Realität. Anders als der Staat und seine Gemeinden (Städte und Dörfer) ist ihr Dasein jedoch nicht „natürlich oder auch notwendig“, da sie durch den „willkürlichen Entschluss eines Einzelnen oder Mehrerer“ entstehen und insofern nicht wie der Staat und seine Gemeinden gleichsam schon immer (unvordenklich) von Natur aus da sind und der Mensch sie im Gegensatz zum Staat und den Gemeinden nicht als geografische Einheiten sinnlich erfassen kann.127 „Stiftungen und Gesellschaften“ sind aus diesem Grund für Savigny bloß „künstlich 122 123
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 278. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 240, 242. 124 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242. 125 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242. 126 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242. 127 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242–243.
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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und willkürlich“ und deswegen stellt sich für ihn auch lediglich bei ihnen die Frage nach ihrer Eigenschaft als juristische Personen (nicht aber nach ihrer als sozialer Realität), nicht jedoch beim Staat (als „Fiskus“)128 und seinen Gemeinden; denn „das juristische Dasein derselben ist fast nie zweifelhaft“.129 Doch selbst als soziale Realität bleibt der menschliche Verband Savigny zufolge eine „gedankliche Einheit“, eine universitas, und damit eine „skeptische res incorporalis“.130 Denn ausschließlich die einzelnen Menschen, nicht aber der menschliche Verband selbst sind unmittelbar sinnlich wahrnehmbar und insofern wirkliche Körper. Der menschliche Verband kann demnach nicht (wie in der Stoa und daher für Gierke) ein corpus ex distantibus, sondern als „gedankliche Konstruktion“ nur eine unsichtbare Einheit (universitas) sein,131 die das menschliche Bewusstsein den einzelnen Menschen erst zuweist und insofern, weil nicht allein über die Sinne vermittelt, die soziale Realität des menschlichen Verbands (als eine Einheit) gewissermaßen erst erschafft, indem es die einzelnen Menschen als eine soziale Einheit willentlich auffasst.
II. Vom menschlichen Verband zur juristischen Person 1. Die Aufgabe: ein gemeinsames Vermögen für den menschlichen Verband Die einzelnen Menschen, die sich in einem menschlichen Verband zusammengetan haben, verfolgen einen gemeinsamen „selbständigen Zweck“.132 Um allerdings diesen selbständigen Zweck als menschlicher Verband zu erreichen, ihn zu „fördern“, wie es Savigny ausdrückt,133 sind sie auf ein „gemeinsames Vermögen“ angewiesen, das getrennt von den jeweils eigenen, privaten Vermögen der einzelnen Menschen ist.134 Der menschliche Verband muss deshalb nach Savigny „vermögensfähig“ sein, um dadurch den selbständigen, gemeinsamen Zweck, dessen Erreichung sich die einzelnen Menschen zusammen als Ziel gesetzt haben, zu „fördern“.135 Die Aufgabe, den einzelnen Menschen, die sich in dem menschlichen Verband als einem „sozialen Ganzen“ vereinigt haben,136 ein gemeinsames Vermögen zu verschaffen, übernimmt bei Savigny daher die Rechtsfigur der juristischen Person, indem sie „Inhaber eines gemeinsamen Vermögens“ der einzelnen Menschen wird.137 Für Savigny besteht 128
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 245. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242. Behrends, Index 27 (2009), 397, 424–425; ders., ZRG RA 125 (2008), 25, 44–54. 131 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 39. 132 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 240. 133 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 240. 134 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 238. 135 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 240. 136 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat). 137 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 238. 129 130
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
das „Wesen der juristischen Person“ darum ausschließlich in der „Vermögensfähigkeit“ (des menschlichen Verbands).138 Und weil die juristische Person im Gegensatz zur natürlichen nicht einen Träger, oder ein Substrat, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt hat (ens physicum) und sie insofern nicht eine wirkliche Person ist (so aber die natürliche Person), ist die juristische Person für ihn bloß „ein des Vermögens fähiges künstlich angenommenes Subjekt“.139
2. Die Lösung: die juristische Person als eine „fingierte Person“ Savigny zufolge muss demnach der menschliche Verband im Recht eine Person sein, damit die einzelnen Menschen, die sich zu ihm als soziale Realität zusammengeschlossen haben, ein „gemeinsames Vermögen“ haben können. Der menschliche Verband kann aber zugleich und im Gegensatz dazu für Savigny im Recht nicht eine Person sein. Mögen sich die einzelnen Menschen auch als ein „soziales Ganzes“ begreifen und der menschliche Verband insofern durchaus eine soziale Realität sein, so ist er doch für das Recht weder greifbar noch sichtbar, da er lediglich eine gedankliche Einheit und daher nicht ein ens physicum ist. Eine Person (ens morale) und damit ein Rechtssubjekt kann es im Recht jedoch für Savigny (ebenso wie für Gierke) nicht ohne ein ens physicum in der sinnlich erfahrbaren Welt geben, anderenfalls fehlte ihr die „natürliche Beglaubigung“ (Savigny).140 Das Recht ist eine bloß gedachte und daher nicht sinnlich wahrnehmbare Welt. Der Mensch als ens physicum lebt jedoch allein in der sinnlichen Welt und muss deshalb das, in dem er „eigene Rechte zu ehren“ hat und insofern im Recht eine gedachte Person ist, sinnlich als ens physicum erfahren können. Die Person als unsinnlicher Begriff muss deshalb vermittelt über ein ens physicum als seinem Träger in der sinnlich erfahrbaren Welt greifbar und sichtbar sein. Eine Person muss demgemäß nicht bloß bei Gierke, sondern an sich zunächst einmal selbst bei Savigny eine „wirkliche und volle Person“ sein.141 Den Widerspruch, dass der menschliche Verband eine Person sein muss, es aber nicht sein kann, löst Savigny nun dadurch auf, dass das Recht, und zwar allein in seiner Welt (zu mehr ist das Recht als gedachte Welt nicht in der Lage), ein künstliches Rechtssubjekt erschafft und den einzelnen Menschen, die sich in dem menschlichen Verband als einem sozialen Ganzen vereinigt haben, zuordnet, sodass jene ein „gemeinsames Vermögen“ haben können, insofern also „vermögensfähig“ sind. Auch wenn das Recht den einzelnen Menschen in ihrer Summe (d. h. als eine Gesamtheit) die Eigenschaft als Rechtssubjekt (= Person) zuordnet, bleibt das Rechtssubjekt (als juristische Person) doch wei138 139
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 237. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 239. 140 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 278. 141 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 (Zitat).
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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terhin Savigny zufolge ausschließlich ein „ideales Wesen“.142 Als künstliches Rechtssubjekt leitet es sich anders als die natürliche Person nicht aus der sinnlich erfahrbaren Welt ab, es wohnt dort nicht einem ens physicum inne und ist dementsprechend nicht eine „wirkliche und volle Person“, sondern insofern eine bloß fingierte, als das Rechtssubjekt lediglich die „Stelle einer Person vertritt“ (personae vice fungitur).143
3. Die juristischen Person als gedankliche Schöpfung des Rechts (Savigny) Da für Savigny die Begriffe „Rechtssubjekt“ und „Person“ dasselbe sind, denkt sich das Recht nicht nur ein künstliches Rechtssubjekt, sondern damit zugleich eine Person aus, sie fingiert eine (juristische) Person, die anders als die natürliche Person nicht ein Substrat in der sinnlich erfahrbaren Welt hat. Dadurch fehlt der juristischen Person jedoch noch immer die an sich so dringend erforderliche „natürliche Beglaubigung“ durch ein ens physicum, da der menschliche Verband bei Savigny ja ausschließlich eine bloß gedankliche Einheit und daher als universitas eine skeptische res incorporalis ist.144 Für das 142 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283, 291, Fn. (t): „ideale Einheit“. 143 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241 mit Fn. (h). Dazu oben Fn. 29. 144 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 291, Fn. (t): „ideale Einheit“, S. 278 (Zitat); Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 39 mit Fn. 35. Was Savigny unter seiner juristischen Person als einem „idealen Ganzen“ versteht (aaO., S. 243, 276, 280), worin dessen „Wesen“ besteht, erschließt sich deshalb nicht aus D. 46, 1, 22 (personae vice fungitur), sondern aus D. 3, 4, 7, 1–2 (Ulpian): „1. Wenn etwas einer universitas geschuldet wird, wird es nicht den einzelnen Mitgliedern (singuli) geschuldet. Und auch was eine universitas schuldet, schulden nicht die einzelnen Mitglieder (singuli). – Si quid universitati debetur, singulis non debetur: nec quod debet universitas singuli debent. – 2. Bei Ratskollegien und anderen universitates macht es keinen Unterschied, ob die Mitglieder allesamt dieselben bleiben, ob nur ein Teil von ihnen bleibt oder alle ausgewechselt sind. – In decurionibus vel aliis universitatibus nihil refert, utrum omnes idem maneant an pars maneat vel omnes immutati sint. – Wenn aber die universitas auf einen einzelnen Menschen geschrumpft ist, spricht mehr dafür zuzulassen, dass dieser [im Namen der universitas] klagen und verklagt werden kann, weil das Recht Aller [des menschlichen Verbands] an einen einzigen [den einzelnen Menschen] gefallen ist und der Begriff der universitas fortbesteht. – sed si universitas ad unum redit, magis admittitur posse eum convenire et conveniri, cum ius omnium in unum recciderit et stet nomen universitatis.“ Das klassische römische Recht unterscheidet demnach zwischen der universitas, die als „gedankliche Einheit“ eine skeptische res incorporalis ist und insofern als juristische Person zur Welt des Rechts gehört (entia moralia), und dem menschlichen Verband („omnes“) als einem ens physicum (soziale Realität). Wenn nun die universitas nur noch einen einzelnen Menschen als Mitglied hat („ad unum redit“ und nicht „ad singulum“), besteht die universitas fort („stet nomen universitatis“). Das „Recht Aller“ („ius omnium“), des menschlichen Verbands, fällt nur insofern an den einzelnen Menschen („in unum“), als „Träger“ der universitas jetzt nicht mehr der menschliche Verband („omnes“), sondern der einzelne Mensch ist (D. 3, 4, 7, 2b). Das Recht („ius“) gehört aber weiterhin der universitas, nicht dem einzelnen Mitglied (singulus) (D. 3, 4, 7, 1). Die juristische Person dauert also
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
Recht ersetzt diese Beglaubigung nun der Staat, „der Wille der höchsten Gewalt“, durch seine „Genehmigung“.145 Sie erzeugt nicht nur im Recht die juristische Person als ein insofern künstliches Rechtssubjekt (ens morale), sondern erkennt zugleich auch die einzelnen Menschen, die sich in der sinnlich wahrnehmbaren Welt zu einem menschlichen Verband formiert haben, als soziale Realität an (erschafft sie freilich nicht). Die staatliche „Genehmigung“ ist demnach in dem Sinn in der Welt des Rechts konstitutiv, als sie die juristische Person als ein Rechtssubjekt (ens morale) hervorbringt, für die sinnlich erfahrbare Welt jedoch lediglich konfirmativ, als sie als ein Publizitätsakt den menschlichen Verband als soziale Realität bloß greifbar und sichtbar macht, ihn insofern nur „beglaubigt“. Als erklärter Wille der höchsten Gewalt tritt die staatliche Genehmigung nach außen und stellt dadurch für das Dasein des menschlichen Verbands Öffentlichkeit her, sodass nunmehr jeder Andere weiß, dass ein menschlicher Verband als soziale Realität und als Rechtssubjekt da ist und er deshalb „in ihm eigene Rechte zu ehren“ und der „Richter, dass er in ihm solche Rechte zu schützen hat“.146 Der Staat, oder bei Savigny der Regent als die „höchste Gewalt im Staate“, kann allerdings die Genehmigung „nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend, durch wissentliche Duldung und tatsächliche Anerkennung“ erteilen.147 Auch bei einer konkludenten Genehmigung durch den Staat muss sein Wille derart erkennbar nach außen treten, dass für „jeden Anderen“ (= den Rechtsverkehr) zweifelsfrei feststeht, dass der menschliche Verband als soziale Realität und als Rechtssubjekt („juristische Person“) tatsächlich existiert, sodass auch bei ihm ebenso wie schon beim Staat (als „Fiskus“) und den Gemeinden, „welche meist älter sind als der Staat selbst (…) und fort und ihr Vermögen wird nicht ein Vermögen des einzigen übrigen Mitglieds (Savigny, aaO., S. 276, Fn. [b]). Die universitas (als eine „juristische Person“) erwächst demnach als Rechtsbegriff (ens morale) nicht ihrem menschlichen Verband (ens physicum) und existiert daher auch nicht in ihm, sondern als gedankliche Einheit davon losgelöst. Wenn Savigny, aaO., S. 280 (mit Bezug auf D. 3, 4, 7, 2), die juristische Person auch nach Wegfall aller Mitglieder (entia physica) fortbestehen lässt, sie sich nicht „notwendig auflösen“ muss, vollendet er nur noch das, was in der universitas als einer bloß gedanklichen Einheit schon im klassischen römischen Recht angelegt ist: die völlige Trennung der juristischen Person vom menschlichen Verband, der ja auch schon bei einem einzelnen Menschen nicht mehr vorhanden ist. Dazu Behrends, Der römische Weg zur Subjektivität, in: Fetz/Hagenbüchle/Schulz (Hrsg.), Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Bd. 1, 1998, S. 204, 238–239; ders., Index 41 (2013), 145, 147–161; a. A. indes Platschek, Index 40 (2012), 617, 621, für den zu Unrecht „universitas und omnes ein und dasselbe meinen“. Er missversteht deshalb die universitas als eine deutsche Gesamthand (ders., ZHR 181 [2017], 153, 157). So bereits Lübtow, Bemerkungen zum Problem der juristischen Person, in: Gesammelte Schriften, Abt. 1, Römisches Recht, Bd. 2, 1989 (Studi in memoria di Paolo Koschaker, Bd. 2, 1954), S. 233, 247, 260. 145 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 277–278. 146 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 277–278. 147 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 275.
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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welche die Hauptbestandteile des Staates bilden“, „niemand nach der Art seiner Entstehung“ fragt.148 Die staatliche Genehmigung, die in aller Regel schriftlich abgefasst sein wird, ersetzt allein in dem Sinn die „natürliche Beglaubigung“, über die der einzelne Mensch (ens physicum) und daher seine natürliche Person (ens morale) schon durch seine „leibliche Erscheinung“ verfügt, als sie selbst greifbar und sichtbar (sie insofern ein ens physicum) ist, sodass vermittelt über sie der menschliche Verband als eine soziale Realität gleichsam sinnlich wahrnehmbar ist, die vom Recht als solche und damit als juristische Person anerkannt ist. Das Recht fingiert daher bei Savigny in der sichtbaren Welt („Erscheinungswelt“) weder einen menschlichen Verband als soziales Gebilde noch einen einzelnen wirklichen Menschen, was indes selbst heute immer wieder Savigny unterstellt wird, wenn die Begriffe der Person und des (einzelnen) Menschen in eins gesetzt werden: „Die juristische Person (ist) nur eine vorgestellte Person (ein gedachter Mensch).“149 Das Recht ist eine Welt des Denkens. Das, was man sich im Denken vorstellt, dort als Begriff erschafft, ist nicht real und erschafft in der sinnlich erfahrbaren Welt nicht ein ens physicum. Dazu ist das menschliche Denken, die Kraft der Gedanken, gar nicht fähig. Eine Fiktion in der sinnlich wahrnehmbaren Welt allein wäre außerdem vollkommen sinnlos. Einen einzelnen lediglich gedachten Menschen oder einen menschlichen Verband als gedankliche Einheit kann man nicht sehen und nicht anfassen. Die „Beglaubigung“ der juristischen Person (d. h. des menschlichen Verbands) durch ein ens physicum, die für die Rechtssicherheit zwingend erforderlich ist, kann ein bloß gedachter Mensch oder ein menschlicher Verband als eine unsichtbare Einheit nicht ersetzen. Alles, was als solches nicht sinnlich wahrnehmbar ist, kann für Savigny den „Anspruch auf Rechtsfähigkeit“ schon von vornherein nicht „mit sich“ tragen, da ihm die „leibliche Erscheinung“ und darüber die „natürliche Beglaubigung“, in der Welt des Rechts eine Person (ens morale) zu sein (oder genauer: zu haben), „gänzlich“ fehlt.150
148
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242, 275. Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, vor § 21 Rn. 2; so auch schon Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 15. Aufl. 1959, § 103, Fn. 2 (S. 608): „Sie ist eine nur vorgestellte Person (ein gedachter Mensch)“; bereits Rhode, Juristische Person und Treuhand, 1932, S. 35, ist der Auffassung: „Bis Gierke war nur der Mensch Rechtssubjekt und die ‚juristische Person‘ nur deshalb rechtsfähig, weil man sich in ihr einen Menschen dachte“; ihm folgt Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977, S. 64; nach Flume, Die juristische Person, 1983, S. 4, Fn. 20, hat Savigny „diesen Unsinn“ nicht „gedacht“. 150 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 277, 278. 149
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
4. Die Anerkennung des menschlichen Verbands als Verbandsperson (Gierke) Darin unterscheidet sich die juristische Person bei Savigny fundamental von der realen Verbandsperson bei Gierke. Anders als für Savigny trägt für Gierke der menschliche Verband ebenso wie der einzelne Mensch seinen Anspruch auf Rechtsfähigkeit mit sich, denn auch er ist vermittelt über die einzelnen Menschen (entia physica), aus denen er sich zusammensetzt, sinnlich erfahrbar und insofern ein ens physicum, aus dem dann die reale Verbandsperson in der Welt des Rechts (ens morale) als „wirkliche und volle Person“ hervorgehen kann. Nicht so bei Savigny, für ihn ist der menschliche Verband eine ausschließlich gedankliche und darum unsichtbare Einheit. Bei Gierke muss, kann aber auch das objektive Recht den menschlichen Verband „kraft Rechtssatzes“ anerkennen, indem es ihm die Rechtsfähigkeit ebenso wie dem einzelnen Menschen lediglich noch beilegt (impositio).151 Der „Rechtssatz“, der den menschlichen Verband als eine reale Verbandsperson und damit als ein Rechtssubjekt anerkennt, ist insofern lediglich „deklarativ“.152 Die staatliche Mitwirkung ist zwar ein notwendiger, aber nur formaler Akt, der den Anspruch auf Rechtsfähigkeit bloß noch umsetzt. Die staatliche Genehmigung als „Beglaubigung“ hat dagegen bei Savigny einen konstitutiven Charakter, weil es an einem menschlichen Verband in der sinnlichen Welt (ens physicum) fehlt, den das Recht einfach als Rechtssubjekt (juristische Person) anerkennen könnte. Stattdessen muss hier das Recht (durch den Staat) zunächst ein Rechtssubjekt erschaffen (creatio) und kann dieses erst im Anschluss daran den einzelnen Menschen, die sich zu einem menschlichen Verband zusammengeschlossen haben, zuordnen. Wenn Gierke daher feststellt, seine Verbandsperson sei im Gegensatz zur juristischen Person (bei Savigny) nicht „eine Schöpfung des objektiven Rechts“, trifft das durchaus den Aspekt, in dem sich die reale Verbandsperson grundlegend von der juristischen Person unterscheidet.153 Die reale Verbandsperson ist demzufolge ebenso wie die Einzelperson eine „wirkliche, nicht bloß erdichtete Person“ (Gierke),154 die juristische Person im Gegensatz dazu jedoch ein 151
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 96–97; a. A. aber Flume, Die juristische Person, 1983, S. 12; Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 168; zur Stiftung ders., in: Jakob/Orelli (Hrsg.), Der Stifterwille: Ein Phänomen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Ewigkeit, 2014, S. 81, 94. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471: „Die Verbandsperson ist nur kraft Rechtssatzes Person. Sie ist so wenig wie die Einzelperson eine Schöpfung des objektiven Rechts, aber sie besteht so gut wie die Einzelperson nur insoweit, als das objektive Recht sie anerkennt.“ Anders als bei Savigny ist für Gierke (S. 268) nicht nur der einzelne Mensch geeignet, „als Person anerkannt“ zu werden, sondern auch „menschliche Verbände“, sie tragen ihren „Anspruch“ auf Rechtsfähigkeit in sich (S. 471). 153 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. 154 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 152
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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„bloß zu juristischen Zwecken“ und daher „künstlich angenommenes Subjekt“, sodass Savigny zu Recht die „juristische Person“ begrifflich scharf von der „natürlichen Person“ abgrenzt, die im einzelnen Menschen in der sinnlich wahrnehmbaren Welt ein reales Substrat (Träger) hat, aus dem sie als „natürliche Person“ (ens morale) und insofern als „wirkliche Person“ hervorgehen kann.155 Da der „juristischen Person“ ein solcher Träger (ens physicum) fehlt, der menschliche Verband ist für Savigny ja nur eine gedankliche Einheit, kann sie nicht eine (wirkliche) „Person“ sein und deshalb lediglich „die Stelle einer Person vertreten“ (personae vice fungitur), insofern eine „fingierte Person“ sein,156 oder wie Gierke es formuliert: eine „bloß erdichtete Person“.157 Die juristische Person ist folglich nicht wie die Verbandsperson im eigentlichen Sinn ein ens morale (persona moralis), da sie sich nicht aus einem menschlichen Verband als ens physicum ableitet, diesem als Attribut (modus) also nicht innewohnt, stattdessen ist sie ein reiner, da nur gedachter Rechtsbegriff (nomen iuris).
III. Die juristische Person als ein „ideales Wesen“ (Savigny) Selbst nachdem die juristische Person als Rechtsbegriff den einzelnen Menschen, die sich zu dem menschlichen Verband in der sinnlich erfahrbaren Welt vereinigt haben und die sich daher als ein „soziales Ganzes“ verstehen, zugeordnet worden ist, existiert die juristische Person in der Welt des Recht trotzdem immer noch völlig losgelöst vom menschlichen Verband, da jener, obschon eine soziale Realität und als solche vom Recht „beglaubigt“, weiterhin eine lediglich gedankliche Einheit ist. Auch die einzelnen Menschen, die den menschlichen Verband bilden, werden nicht zum Substrat (Träger) der juristischen Person (nomen iuris). Während bei Gierke die Verbandsperson über ihren menschlichen Verband als ens physicum auf die einzelnen Menschen, die ihn real bilden, zurückgeht und deshalb die Verbandsperson an der Realität der einzelnen Menschen teilhat, fehlt der juristischen Person dieses Bindeglied, da bei Savigny der menschliche Verband ausschließlich ein unsichtbare, da allein gedankliche Einheit ist. Die Verbindung zwischen den einzelnen Menschen (entia physica) und der juristischen Person als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) ist und bleibt dauerhaft getrennt. Die juristische Person ist daher zwar ein „ideales Wesen“, nicht aber ein „ideales Ganzes“.158 Ganzes und Teile sind Relationsbegriffe, sie beziehen sich mit Notwendigkeit aufeinander. Damit etwas ein Ganzes sein kann, muss es 155 156
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 236, 239, 240. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 241 mit Fn. (h). 157 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 158 So aber Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 243.
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
auch Teile geben, aus denen sich dieses Ganze zusammensetzt.159 Das Recht erschafft zunächst die juristische Person lediglich als künstliches Rechtssubjekt (nomen iuris) und ordnet sie erst anschließend den einzelnen Menschen (entia physica) zu, die sich zu dem menschlichen Verband als sozialer Realität vereinigt haben. Der Rechtsbegriff der juristischen Person geht demnach nicht wie der der natürlichen Person aus der sinnlich erfahrbaren Welt hervor und hat deshalb dort auch nicht ein ens physicum als sein Substrat (Träger). Die juristische Person nimmt insofern die einzelnen Menschen nicht mit in sich auf und ist deswegen auch nicht eine „zusammengesetzte Person“ (Gierke).160 Sie ist aus diesem Grund selbst als eine Körperschaft („Corporation“) in sich abgeschlossen und kann deshalb selbst dann noch fortbestehen, wenn alle ihre Mitglieder weggefallen sind,161 nicht aber so die reale Verbandsperson, die ipso iure „schon durch den Wegfall aller Mitglieder bis auf Eines“ endet, da ihr jetzt ein menschlicher Verband als ihr Träger (ens physicum) fehlt.162 Die juristische Person ist deshalb allenfalls insofern ein „ideales Ganzes“, wenn dadurch zum Ausdruck kommen soll, dass sie nur gedacht (= „ideal“) ein „Ganzes“ ist, ohne sich aber aus Teilen zusammenzusetzen, und daher nur scheinbar ein „Ganzes“ ist. Die „Corporation“ ist damit für Savigny nicht wirklich eine Körperschaft, sondern, so ist man versucht zu sagen, eine „Stiftung“ (Wieacker), und damit eine Anstalt.163 Denn für eine Anstalt (Stiftung) als juristische Person ist es kennzeichnend, ohne Mitglieder auszukommen, d. h. eine mitgliederlose juristische Person zu sein.164 Das Bild des sozialen Körpers jedoch, der hinter dem (Rechts-) Begriff der Körperschaft („Corporation“ von lateinisch corpus für Körper) steht, drückt dagegen anschaulich aus, dass sich eine Körperschaft als Ganzes aus ihren Mitgliedern als ihren Teilen zusammensetzt. Als ein „ideales Wesen“ existiert die juristische Person aber völlig losgelöst und daher unabhängig von den einzelnen Menschen, die als soziales Gebilde den menschlichen Verband und insofern die juristische Person in der sinnlich erfahrbaren Welt bilden. In diesem Sinn ist es durchaus zutreffend, wenn Wieacker anmerkt, Savigny habe die „soziale Realität der Körperschaft aus dem Rechtsbegriff der juristischen Person“ verdrängt.165 Mit seiner realen Verbandsperson hat Gierke zwar diese soziale Realität des menschlichen Verbands gleichsam wieder in den Rechtsbegriff der Person aufgenommen, dennoch ist „das Verständnis des (menschlichen) Verbands als soziale Realität“ nicht erst 159
Taylor, Hegel, 1978, S. 362.
160 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 473 (Zitat). 161 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840,
162 163
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 558. Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 363. 164 BGHZ 99, 344, 349. 165 Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 363.
S. 280.
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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durch Gierke (oder Beseler) „zurückgewonnen“ worden (so aber Wieacker),166 vielmehr war sich bereits Savigny der sozialen Realität des menschlichen Verbands sehr wohl bewusst, nur gehörte sie für ihn „nicht zum Rechtsbegriff der juristischen Person“ (Flume).167 Dass sich Körperschaft („Corporation“) und Stiftung durchaus unterscheiden, stellt Savigny keineswegs in Abrede. Während die Körperschaft auch für ihn „eine sichtbare Erscheinung in einer Anzahl einzelner Mitglieder (hat), die, als ein Ganzes zusammengefasst, die juristische Person bilden“, hat die Stiftung „ein solches sichtbares Substrat nicht, sondern eine mehr ideale Existenz“.168 Auch wenn Savigny davon spricht, die Gesamtheit der Mitglieder („als ein Ganzes zusammengefasst“) bilde bei der Körperschaft die juristische Person, stellt er doch an anderer Stelle klar, dass für ihn „die Totalität der Mitglieder“, d. h. ihre Gesamtheit, „von der Corporation selbst ganz verschieden“ ist.169 Demnach bildet für Savigny die Gesamtheit der Mitglieder, d. h. der einzelnen Menschen (entia physica), ausschließlich den menschlichen Verband als soziale Realität, nicht aber die juristische Person als Rechtsbegriff und „ideales Wesen“. Wenn also die „Corporation“ ein „sichtbares Substrat“, d. h. einen menschlichen Verband, hat, die Stiftung aber nicht, geht es für Savigny einzig und allein um die soziale Realität der juristischen Person, die bei der „Corporation“ im menschlichen Verband besteht, bei der Stiftung dagegen fehlt. Auch hier differenziert Savigny demnach zwar gedanklich zwischen der juristischen Person als nomen iuris und dem menschlichen Verband als sozialer Realität, nicht aber begrifflich, wenn er beide als „juristische Person“ bezeichnet.
IV. Das Trennungsprinzip bei der juristischen Person (Savigny) Schon der menschliche Verband ist für Savigny eine unsichtbare Einheit, die das Denken nicht bloß aus den sinnlich wahrnehmbaren einzelnen Menschen abstrahiert, sondern erst erschafft. Als eine solche unsinnliche, da nur vorgestellte Einheit (res incorporalis) geht der menschliche Verband in die Welt des Rechts ein und wird dort gewissermaßen zur juristischen Person. Sie kann deshalb von vornherein wie Savigny es ausdrückt, lediglich ein „ideales Wesen“ sein.170 Als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) hat die juristische Person daher im Recht ein Dasein, das völlig losgelöst und unabhängig von den einzelnen Menschen (entia physica) ist, denen sie in der sinnlich erfahrbaren Welt zugeordnet ist, damit jene ein „gemeinsames Vermögen“ haben können.171 Und 166 Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 367 167 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 4.
(Hervorhebung im Original).
168 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243. 169 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283. 170 171
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 238.
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weil sie als gedankliche Einheit die einzelnen Menschen nicht mit und in sich als Rechtssubjekte (entia moralia) aufnimmt, ist sie in sich vollkommen abgeschlossen und deswegen ausschließlich Einheit, nicht auch Vielheit. Die einzelnen Menschen sind zwar im Recht durchaus Person und damit Rechtssubjekte, jedoch nur jeder für sich. Sie stehen deshalb als Rechtssubjekte außerhalb der juristischen Person und dieser deshalb wie Dritte gegenüber. Als res incorporalis ist daher weder der menschliche Verband noch die juristische Person ein (sozialer) Körper und haben beide im eigentlichen Wortsinn auch keine Mitglieder. Obwohl das Vermögen real ein gemeinsames der einzelnen Menschen (entia physica) ist, gehört es im Rechtssinne doch allein der juristischen Person, beziehen sich die „Vermögensrechte (…) nur ganz und ungeteilt auf die juristische Person als Einheit, mithin (wo von Corporationen die Rede ist) keineswegs teilweise auf die einzelnen Mitglieder derselben“.172 Das „Eigentum bezieht sich“ daher, „so wie jedes ihrer Rechte, ungeteilt auf die juristische Person als Einheit, und die einzelnen Mitglieder haben daran keinen Anteil“.173 Dort, wo ein Recht einzelnen Menschen als Mitgliedern der „Corporation“ (= der juristischen Person) zukommt, ist für Savigny „lediglich Miteigentum vorhanden, und gar nicht mehr Eigentum der Corporation“.174 Weil demgemäß ausschließlich die juristische Person Trägerin der Rechte und Pflichten ist, „betreffen“ ihre Forderungen und Schulden (Obligationen) „lediglich sie selbst als künstliche Einheit: die einzelnen Mitglieder werden davon gar nicht berührt“.175 Aus der völligen Trennung der juristischen Person von ihren Mitgliedern folgt also für Savigny (aber nicht allein für ihn) zwingend, dass die Mitglieder nicht für die Schulden der juristischen Person haften.176 Wenn Savigny betont, die juristische Person („Corporation“) könne trotzdem ihre Mitglieder nötigen, zur Bezahlung der Verbindlichkeiten („Corporationsschulden“) beizutragen, geht es ihm hier ausschließlich um das „innere Verhältnis der Corporation zu ihren Mitgliedern“ und nicht um das „nach außen gerichtete Schuldverhältnis“ zum Dritten (als Gläubiger).177 Die juristische Person schirmt ihre Mitglieder vollständig vor ihren Rechtsbeziehungen zu außenstehenden Dritten (den „Obligationen“) ab, sodass Schulden nicht vom Dritten (als Gläubiger) durch die juristische Person hindurch bis zu den Mitgliedern durchdringen können. Dieses Bild ist freilich insofern unge172 173
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 284. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 285. 174 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 289. 175 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 295. 176 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 36–41, 169–170, 173 (Trennungsprinzip); Schikorski, Die Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff in der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts, 1978, S. 91; Tolani, „Teilrechtsfähigkeit“ von Personenvereinigungen, 2009, S. 39 mit Fn. 73. 177 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 295.
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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nau, als die Mitglieder sich nicht innerhalb, sondern außerhalb der juristischen Person als bloß „idealem Wesen“ befinden. Forderungen und Schulden können deswegen von vornherein gar nicht erst bei den Mitgliedern ankommen. Die Rechtsbeziehungen zu Dritten gehen vielmehr an ihnen vorbei und treffen ausschließlich die juristische Person als die alleinige Rechtsträgerin.
V. Die künstliche Handlungsfähigkeit der juristischen Person 1. Das Problem: ohne eigenen Willen keine Handlungsfähigkeit Die juristische Person ist demnach für Savigny als solche rechtsfähig, jedoch nicht, zumindest nicht von vornherein, handlungsfähig und damit noch nicht in der Lage, Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen zu können (§ 14 Abs. 2 BGB). Handlungen setzen „ein denkendes und wollendes Wesen“ voraus, und das ist nach Savigny ausschließlich der einzelne Mensch, nicht aber ein menschlicher Verband.178 Ein menschlicher Verband ist eine „ideale Einheit“, die als solche nicht wollen und daher auch nicht handeln kann. Das Denken erfasst ihn nicht bloß aus den einzelnen sinnlich wahrnehmbaren Menschen, die ihn als soziale Realität bilden, sondern erschafft ihn erst als eine unsichtbare Einheit, die demgemäß allein im menschlichen Bewusstsein existiert. „Die Totalität der Mitglieder“ (d. h. der einzelnen Menschen) ist daher für Savigny „von der Corporation“ (d. h. von dem menschlichen Verband) „ganz verschieden, und selbst wenn alle Einzelne, ohne Ausnahme, gemeinschaftlich handeln, so ist dieses nicht so anzusehen, als ob das ideale Wesen, welches wir die juristische Person nennen, gehandelt hätte“.179 Selbst wenn alle einzelnen Menschen („Mitglieder“) in ihrem Willen übereinstimmten („consentirten“) und insofern einen gemeinsamen Willen bildeten, wäre das in den Augen Savignys nicht der eine Wille des menschlichen Verbands („Corporation“) als „ideale Einheit“.180 Da der menschliche Verband demzufolge niemals einen eigenen Willen hervorbringen kann, eine Handlung aber einen Willen lediglich nach außen gleichsam in die Tat umsetzt und diesen deswegen zwingend und notwendig voraussetzt, kann ein menschlicher Verband und durch ihn dann auch nicht die juristische Person selbst wollen und danach handeln (agere per se). Eine Person kann jedoch Rechte nur durch Handlungen erwerben. Damit ist die juristische Person zwar fähig, an sich Rechte (und Pflichten) haben zu können, doch kann sie jene durch ihren menschlichen Verband, weil dieser „bloße Fik178 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. Nach Flume, in: FS Wieacker, 1978, S. 340, 351–352, ist für Savigny die natürliche Handlungsunfähigkeit der juristischen Person eine „Selbstverständlichkeit“. 179 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. 180 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 291, Fn. (t).
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
tion“ ist, nicht erwerben.181 Die Annahme einer juristischen Person als einem künstlichen Rechtssubjekt wäre dann jedoch völlig sinnlos. Das erkennt auch Savigny.182 Um diesen Widerspruch aufzulösen, verschafft Savigny deshalb dem menschlichen Verband und über ihn der juristischen Person „in der Person von Vertretern einen künstlichen Willen“.183 Auf diese Weise kann die juristische Person zwar immer noch nicht durch sich selbst (agere per se), dafür aber durch Andere (alii) wollen und handeln (agere per alios) und durch sie schließlich doch Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen.
2. Die Lösung: die künstliche Zurechnung eines fremden Willens Den Ansatzpunkt, der juristischen Person „durch eine Vertretung, als künstliche Anstalt“ einen „künstlichen Willen“ verschaffen zu können, sieht Savigny in einer Parallele zu „Unmündigen und Wahnsinnigen“.184 Als natürliche Personen (entia moralia) sind sie im Gegensatz zu einer juristischen Person im Recht nicht ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris), sondern wirklich, da sie in einem einzelnen Menschen sinnlich erfahrbar sind (entia physica). Obschon sie insofern ipso iure rechtsfähig sind, sind doch auch sie von Natur aus handlungsunfähig: geschäfts- und deliktsunfähig (§§ 104, 105 Abs. 1 BGB; §§ 827, 828 Abs. 1 BGB; § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ausschließlich in diesem Sinn, rechtsfähig und doch zugleich handlungsunfähig zu sein, sind Savigny zufolge juristische Person und Geschäftsunfähige einander „ähnlich“.185 Die „Vertretung“, durch die der Wille eines anderen als der Wille des Geschäftsunfähigen oder der juristischen Person gilt (als ob), verleiht beiden eine Handlungsorganisation, die sie von Natur aus nicht haben. Allein aus diesem Grund ist die Vertretung für Savigny eine „künstliche Anstalt“.186 Bei Geschäftsunfähigen, den „handlungsunfähigen natürlichen Person“, geschieht dies über die Vormundschaft, bei den juristischen Personen über die Verfassung, indem jene bestimmt, wessen Wollen und Handeln „an die Stelle der juristischen Person“ tritt, sodass die „juristischen Handlungen ihrer Vertreter als ihre eigenen Handlungen angerechnet“ werden; darin besteht in den Augen Savignys eben das „Wesen“ der juristischen Person.187 181
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 316. 184 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283, 316. 185 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. Auch John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 72, differenziert bei seiner Figur der organisierten Rechtsperson zwischen dem „erwachsenen Menschen, der sich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindet“ und daher „in eigener Sache auftritt“, indem er für sich selbst handelt, und den „Unmündigen, Geisteskranken und juristischen Personen“, die allein durch andere rechtserheblich wollen und handeln können (und aus diesem Grund organisierte Rechtspersonen sind). 186 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283. 187 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 292. 182 183
D. Der menschliche Verband und seine juristische Person bei Savigny
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Das Wollen und Handeln einer fremden Person, eines Vertreters (alius), wird demnach der juristischen Person allein in der Welt des Rechts und insofern „künstlich“ zugerechnet. Und weil die juristische Person als gedankliche Einheit („ideales Wesen“) Zuordnungsendpunkt der Rechte und Pflichten ist, sie das Rechtssubjekt ist, nicht aber ihre Mitglieder, vertreten die alii die einzelnen Mitglieder weder jeden für sich noch in ihrer Summe (d. h. Gesamtheit), sondern ausschließlich die juristische Person als „ideale Einheit“.188 Der Vertreter tritt insofern „an die Stelle der juristischen Person“, als sein Wollen und Handeln unmittelbar für und gegen die juristische Person „wirkt“ (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), ihr das fremde Verhalten des Dritten (alius) über eine Rechtsfiktion (fictio iuris) lediglich „wie eigenes“ zugerechnet wird (vgl. § 278 Satz 1 BGB), aber nicht ihr eigenes ist (agere per alios). Auch darin stimmen für Savigny juristische Person und Geschäftsunfähige überein: Der Vormund gibt deshalb für den Geschäftsunfähigen eine Willenserklärung ab und erwirbt stellvertretend für ihn Besitz.189 Und weil die juristische Person einem Geschäftsunfähigen insofern „ähnelt“, als auch er rechtsfähig ist, ohne aber handlungsfähig zu sein, wirkt die Willenserklärung ihrer Vertreter (alii) unmittelbar für und gegen sie und kann sie über jene auch Besitz erwerben.190
3. Die fehlende Deliktsfähigkeit der juristischen Person Umgekehrt hat der Geschäftsunfähige für das Verschulden („Delikt“) seines Vormunds und daher auch die juristische Person für jenes ihrer Vertreter „wie eigenes“ einzustehen, sofern bereits vor dem „Delikt“ des Vormunds bzw. Vertreters ein (vor-) vertragliches Schuldverhältnis („Contractsverhältnis“) zwischen dem Geschäftsunfähigen bzw. der juristischen Person und dem Dritten bestand.191 Denn selbst bei einer „physischen Person“, die handlungsfähig ist, sich aber rechtsgeschäftlich durch einen „Bevollmächtigten“ vertreten lässt, kommt es stets allein auf den Stellvertreter an, also auf sein Verschulden („Dolus oder Culpa“), nicht auf die „physische Person“ als Vertretene.192 Sie haftet in einem (vor-) vertraglichen Schuldverhältnis („Contractsverhältnis“) demzufolge unabhängig von einem eigenen Verschulden allein für das ihres Stellvertreters. Wenn demnach aber die (natürliche) Handlungsfähigkeit 188 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 296 (Zitat: S. 283); Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 214–215. Die juristische Person ist daher, wie Henkel, Zur Theorie der Juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1972, S. 85, zu Recht bemerkt, streng von den sie bildenden Mitgliedern zu trennen; zweifelnd Diesselhorst, Zur Theorie der juristischen Person bei Carl Friedrich von Savigny, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 312, 325, Fn. 17. 189 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 293. 190 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 292. 191 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 317. 192 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 317.
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
selbst bei einer „physischen Person“ keine Rolle spielt, muss sich auch der Geschäftsunfähige in einem (vor-) vertraglichen Schuldverhältnis das „Delikt“ seines Vormunds und ebenso die juristische Person jenes ihres Vertreters „wie eigenes“ anrechnen lassen und dafür einstehen (vgl. § 278 Satz 1 BGB). Außerhalb eines solchen (vor-) vertraglichen Schuldverhältnisses haftet indes nur derjenige für ein Delikt, dem ein eigenes Verschulden zur Last fällt: „Denn jedes wahre Delikt setz dolus oder culpa voraus, mithin Gesinnung und Zurechnung.“193 Der Geschäftsunfähige ist nun aber nicht imstande, einen für Dolus oder Culpa notwendigen Willen zu bilden und ist demzufolge von vornherein deliktsunfähig (vgl. §§ 827, 828, 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Und das gilt eben auch für die juristische Person, der als einer „bloßen Fiktion“ die natürliche Handlungsfähigkeit fehlt.194 Da ein Geschäftsunfähiger aber nicht für ein Delikt seines Vormunds „bestraft“ wird, selbst wenn der Vormund „es in seiner Eigenschaft als Vormund begeht, indem er etwa zum Vorteil des Pupillen“ (d. h. des geschäftsunfähigen Kindes) „stiehlt oder betrügt“, hier also eine „Vertretung“ nicht stattfindet, hat auch die juristische Person nicht für ein Delikt ihrer Vertreter einzustehen.195
E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2) I. Das Wesen der Verbandsperson als eine „zusammengesetzte Person“ 1. Menschlicher Verband und Verbandsperson als Einheit in der Vielheit Für Savigny ist ein menschlicher Verband eine bloß gedankliche Einheit (res incorporalis), die das menschliche Denken erst erschafft, sodass der menschliche Verband als „ideales Wesen“ in die Welt des Rechts eingeht und dort eine juristische Person als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) ist.196 Auch für Gierke ist der menschliche Verband zwar eine unsinnliche Einheit, da er nicht unmittelbar angefasst und gesehen werden kann, dennoch erschafft ihn nicht erst das menschliche Bewusstsein, sondern erfasst ihn lediglich aus den einzelnen 193
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 317. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 315–316 (Zitat: S. 282). Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 316–317. Diesselhorst, Zur Theorie der juristischen Person bei Carl Friedrich von Savigny, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 312, 332, verkennt deshalb das Wesen der juristischen Person als einen reinen Rechtsbegriff (nomen iuris), wenn er der juristischen Person (als Vermögen) lediglich aus „Billigkeit“ das deliktische Handeln ihrer Vertreter zurechnen will: „Denn die Billigkeit verlangt, dass eine Vermögensmasse, die die Vorteile einer bestimmten Verwaltung genießt, auch den durch die Verwaltung angerichteten Schaden tragen muss.“ 196 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283 (Zitat). 194 195
E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2)
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Menschen, die sich zu ihm formiert haben.197 Der menschliche Verband ist aus diesem Grund in Gierkes Augen deswegen wirklich (ens physicum), weil er zumindest mittelbar über die einzelnen Menschen, die ihn real bilden, sinnlich wahrnehmbar ist. Als eine solche unsinnliche, aber doch reale Einheit geht der menschliche Verband in die Welt des Rechts ein und ist dann dort eine reale Verbandsperson (ens morale), die deshalb ebenfalls unsinnlich, aber trotzdem eine „wirkliche und volle Person gleich der Einzelperson“ und nicht wie die juristische Person bei Savigny lediglich ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris), oder wie Gierke es ausdrückt: eine „bloß erdichtete Person“, ist.198 Da bei Gierke der menschliche Verband als sozialer Körper die einzelnen Menschen, aus denen er sich sinnlich erfahrbar zusammensetzt, in sich als Mitglieder (entia physica) enthält, nimmt auch die reale Verbandsperson die einzelnen Menschen, oder, da es jetzt um die Welt des Rechts geht, vielmehr ihre Einzelpersonen, als ihre Mitglieder (entia moralia) in sich auf. Obschon die reale Verbandsperson als ein Rechtssubjekt (ens morale) neben die Gesamtheit ihrer Mitglieder (entia moralia) tritt und sie deshalb die Trägerin der Rechte und Pflichten ist, können für Gierke durchaus auch die Mitglieder neben und hinter der realen Verbandsperson als dem (eigentlichen) Rechtssubjekt, sozusagen durch sie hindurch, Mitinhaber der Rechte, Forderungen und Schulden sein.199 Für Savigny folgt demgegenüber „schon aus dem Begriff der juristischen Person“, dass Forderungen und Schulden ausschließlich „lediglich sie selbst als künstliche Einheit“ betreffen und die einzelnen Mitglieder davon unberührt werden.200 Denn als „ideales Wesen“ („Begriff“ = nomen iuris) wohnt sie den einzelnen Menschen, die sich in der sinnlich erfahrbaren Welt zu dem menschlichen Verband zusammengetan haben, anders als die reale Verbandsperson nicht inne, hat dort also keinen Träger oder Substrat (ens physicum).201 Sie ist insofern allein Einheit, nicht Vielheit und in diesem Sinn, wie es Gierke formuliert: „ein in sich abgeschlossenes künstliches Individuum“, das die einzelnen Menschen demzufolge nicht als Mitglieder in sich aufnimmt.202 197 198
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 199 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 905–923. Das folgt für Gierke aus dem „Wesen der deutschen Genossenschaft“ (d. h. dem der Körperschaft des deutschen Rechts), „Einheit in einer Vielheit zu sein“ (S. 906). Auch hier offenbart sich, dass die heute h. M. (Gruppenlehre) mit dem, was sie als Gesamthand bezeichnet, nicht die Gesamthand, sondern die Körperschaft des deutschen Rechts vor Augen hat, wenn sie Gesamthand und Gesamthänder „zugleich“ als Rechtsinhaber ansieht (so Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 339; Wilhelm, Sachenrecht, 5. Aufl. 2016, Rn. 180–181). Beuthien, NJW 2005, 855, 856, Fn. 14, lehnt eine „derartige Doppelzuständigkeit“ ab, da sich eine solche „allenfalls dialektisch“ (d. h. durch Denken in Widersprüchen) „erklären“ ließe. 200 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282, 295. 201 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243, 283. 202 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 464.
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2. Die Identität des menschlichen Verbands und seiner Verbandsperson (Gierke) im Wechsel ihrer Teile Darin, dass bei der realen Verbandsperson die Mitglieder Mitinhaber der Rechte, Forderungen und Schulden sind, kommt für Gierke „das Wesen der deutschen Genossenschaft“ (d. h. der realen Verbandsperson) zum Ausdruck, eine „Einheit in einer Vielheit zu sein“.203 Die reale Verbandsperson ist freilich mehr Einheit als Vielheit, als sich die Einheit (des menschlichen Verbands) in der realen Verbandsperson als einem Rechtssubjekt manifestiert (im Unterschied zur Gesamthand).204 Das Ganze (als menschlicher Verband und als reale Verbandsperson) ist insofern die Summe seiner Teile (d. h. die Gesamtheit der Mitglieder als einzelne Menschen und als Einzelpersonen), aber zugleich auch mehr, da die Verbandsperson als Rechtssubjekt (ens morale) ein „einheitliches Ganzes“ ist, das von der Summe der Mitglieder unterschieden wird und als solches neben die Gesamtheit ihrer Mitglieder (entia moralia) tritt.205 Vielheit ist die Verbandsperson insofern, als sie überhaupt einen menschlichen Verband als Träger oder ihr Substrat (ens physicum) in der sinnlich wahrnehmbaren Welt hat, der seinerseits in zwei oder mehr einzelnen Menschen als Mitgliedern (entia physica) greifbar und sichtbar ist. Der menschliche Verband und damit auch seine reale Verbandsperson sind demgemäß von dem einzelnen ganz konkreten Menschen unabhängig. Auf ihn als Individuum kommt es daher für das Dasein von menschlichem Verband und realer Verbandsperson nicht an. Beide bewahren infolgedessen als ein Ganzes auch im Wechsel ihrer Teile (= Mitglieder) ihre Identität, sodass die Rechtsverhältnisse der Verbandsperson selbst dann noch unverändert fortbestehen, wenn ein Mitglied ausscheidet oder neu hinzukommt. Das Rechtssubjekt, auf das es ankommt, ist insofern auch für Gierke allein die reale Verbandsperson, denn auch er differenziert ja durchaus zwischen der realen Verbandsperson als Einheit und ihren Mitgliedern als Vielheit, 206 ohne sie aber, wie demgegenüber Savigny bei seiner juristischen Person, vollkommen voneinander zu trennen. Für Savigny ist die juristische Person ausschließlich ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) und in diesem Sinn ein „ideales Wesen“, das als solches von den einzelnen Menschen, die sich zu dem menschlichen Verband zusammengeschlossen haben, vollkommen losgelöst ist und deshalb auch ohne sie als seine Mitglieder zu existieren vermag.207 Die juristische Person ist infolgedessen bei Savigny im auffallenden Gegensatz zu der realen Verbandsperson bei Gierke stets und nur eine Einheit und nicht zugleich auch eine Vielheit, insofern ein „ideales Ganzes“, sodass 203
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 906. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469, 660. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469. 206 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469. 207 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 280 (Zitat: S. 283). 204 205
E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2)
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„das Wesen und die Einheit“ der juristischen Person (selbst als „Corporation“) „durch den Wechsel einzelner, ja selbst aller, individuellen Mitglieder (…) nicht affiziert wird“, von vornherein davon gar nicht beeinflusst sein kann.208 Da die juristische Person nicht wirklich ein Ganzes ist, hat sie auch keine Teile (da Ganzes und Teile Relationsbegriffe sind). Sie bewahrt deswegen schon a priori ihre Identität als „ideales Ganzes“ im Wechsel ihrer bloß vermeintlichen Teile, wenn Mitglieder aus ihr ausscheiden oder neu zu ihr hinzukommen.
3. Zwischenergebnis Der menschliche Verband und in der Folge davon auch die reale Verbandsperson sind zwar auch für Gierke jeder für sich eine „unsichtbare Einheit“.209 Da aber der menschliche Verband, vermittelt über die einzelnen sichtbaren Menschen, die sich real zu ihm formiert haben, Anteil an deren sinnlichen Wirklichkeit hat, ist auch die reale Verbandsperson (ens morale) in der Welt des Rechts über die Zwischenstufe des menschlichen Verbands (ens physicum) als ihrem Träger in der sinnlichen Welt, ihrem Substrat, eine „wirkliche und volle Person gleich der Einzelperson“.210 Dadurch besteht gewissermaßen nicht nur der menschliche Verband (ens physicum), sondern auch seine reale Verbandsperson aus den einzelnen Menschen, die den menschlichen Verband real bilden, und ist in diesem Sinn die reale Verbandsperson, wie Gierke es ausdrückt: eine „zusammengesetzte Person“ und damit ihr „Wesen“.211
II. Die natürliche Handlungsfähigkeit der Verbandsperson 1. Der menschliche Verband als Träger eines eigenen „Gemeinwillens“ Die Einzelperson ist nun deshalb eine „wirkliche Person“, weil sie das Attribut (modus) eines einzelnen Menschen ist, ihm also innewohnt und er insofern ihr Träger (als ens physicum) ist. Das Wollen und Handeln des einzelnen Menschen in der sinnlich wahrnehmbaren Welt ist aus diesem Grund automatisch (ipso iure) ein Wollen und Handeln der Einzelperson in der Welt des Rechts. Die Einzelperson (Gierke), oder gleichbedeutend die natürliche Person (Savigny), verfügt in diesem Sinn über eine natürliche Handlungsfähigkeit. Wenn für Gierke die reale Verbandsperson gleichfalls deswegen eine „wirkliche Person“ ist, weil sie vermittelt über ihren menschlichen Verband Anteil an der sinnlichen Wirklichkeit der einzelnen Menschen (entia physica) hat, aus denen sich der menschliche Verband real zusammensetzt, ist auch sie als reale Verbandsperson von Anfang an handlungsfähig, indem die einzelnen Menschen 208 209
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243–244. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17. 210 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 211 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470.
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
als ein menschlicher Verband einen „allgemeinen Willen“ (volonté générale), oder gleichbedeutend einen „Gemeinwillen“ (Gierke), bilden und danach als ein menschlicher Verband handeln.212 Auch Gierke ist sich dabei durchaus bewusst, dass eine Handlung, durch die eine Person (als ein Rechtssubjekt) Rechte erwirbt und Verbindlichkeiten eingeht (vgl. § 14 Abs. 2 BGB), „ein denkendes und wollendes Wesen, einen einzelnen Menschen“, voraussetzt.213 Denn sinnlich wahrnehmbar ist auch für Gierke nur der einzelne, „leiblich erscheinende“ Mensch, sodass allein seine menschlichen Handlungen in der physischen Welt greifbar und sichtbar sind.214 Der einzelne Mensch ist indes nicht nur ein Individuum, „eine sich selbst zugekehrte Einheit“, sondern auch ein „Gesellschaftswesen“. Als solches ist er Teil oder Glied von menschlichen Verbänden, die Gierke als „gesellschaftliche Ganze (Gemeinwesen)“ versteht.215 Aus diesem Grund hat jeder einzelne Mensch in sich sowohl eine auf sein eigenes Sein bezogene Einheit, ein „individuelles Lebenszentrum“, als auch eine Einheit, ein „soziales Lebenszentrum“, das darauf abzielt, zusammen mit den vielen anderen Menschen, mit denen er als „Teile“ bzw. „Glieder“ gemeinsam den menschlichen Verband als ein „gesellschaftliches Ganzes“ bzw. als einen „gesellschaftlichen Körper“ bildet, ein gemeinsames Sein zu verwirklichen.216 Der einzelne Mensch hat demzufolge einen „Sonderwillen“ (volonté particulière) für sich allein und gleichzeitig auch mit den anderen zusammen einen „allgemeinen Willen“ (volonté générale), einen „Gemeinwillen“ (Gierke).217 Während der einzelne Mensch, der allein dazu imstande ist, zu denken, zu wollen und danach zu handeln, bezogen auf sein eigenes Sein, ausschließlich danach fragt, was für ihn vorteilhaft und in diesem Sinn gut ist, insofern seinen „Sonderwillen“ (volonté particulière) zu erforschen und umzusetzen sucht, strebt er dagegen immer dann nach dem „allgemeinen Willen“ (volonté générale), wenn er versucht, in sich eine Antwort darauf zu finden, was für alle, für den menschlichen Verband insgesamt, von Vorteil und daher gut ist (Gemeinwohl), um so das gemeinsame Sein des menschlichen Verbands zu verwirklichen.218 212 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 472, 268, ist der menschliche Verband (ens physicum) als Träger eines „einheitlichen Gemeinwillens“ dazu geeignet, im Recht als Person (ens morale) anerkannt zu werden. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1 Kap. 6 (S. 18), Buch 2 Kap. 3 (S. 31–32). Siehe dazu die Darstellung in § 2. 213 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. 214 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. 215 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 26. 216 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471; ders., Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17. 217 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2 Kap. 3 (S. 32). 218 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2 Kap. 3 (S. 32), Buch 4 Kap. 1 (S. 117).
E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2)
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2. Die Gesamtwirkung der einzelnen Menschen als ein menschlicher Verband Einzelleben und Gattungsleben spielen sich insofern im einzelnen Menschen stets gleichzeitig ab.219 Da der einzelne Mensch demzufolge zugleich imstande ist, für sich allein oder als Teil oder Glied für den menschlichen Verband als ein soziales Ganzes (gesellschaftlicher Körper) zu wollen und zu handeln, ist im einzelnen Menschen das soziale Lebenszentrum vom individuellen abzugrenzen.220 Beide sind jedoch „unsinnliche Einheiten“. 221 Das, was sinnlich wahrnehmbar ist, ist allein die „wirkende Kraft“, die von beiden ausgeht.222 Den menschlichen Verband als solchen, seine „Lebenseinheit“, „sehen wir nicht“.223 Erst und allein vermittelt über diese wirkende Kraft wird der menschliche Verband als „Lebenseinheit“ sinnfällig. Dass aber eine wirkende Kraft vom sozialen Lebenszentrum des einzelnen Menschen ausgeht und sich zu einem gemeinsamen Sein, zu einer „Lebenseinheit“, in den vielen Menschen verbindet, die den menschlichen Verband als unsichtbare Einheit bilden, tritt im gemeinsamen Handeln der real stets unverbundenen einzelnen Menschen „in die äußere Erscheinung“ und wird so für Andere sinnlich erfahrbar.224 Ein Regiment, das „mit klingendem Spiel marschiert“ (Gierke), setzt sich aus vielen einzelnen Menschen (= Soldaten) zusammen, die sich als eine Einheit zusammen bewegen und dabei miteinander Musik spielen.225 Die aufeinander abgestimmte Bewegung und das gemeinsame Musizieren machen das Regiment, den menschlichen Verband und seine Lebenseinheit, die „wir nicht sehen“, sinnlich wahrnehmbar.226 Der einzelne Mensch (Soldat) wird auf diese Weise ein Teil des Ganzen und tritt als Teil hinter das Ganze des Regiments (als Einheit) zurück, er geht gleichsam in seiner Funktion für das Regiment und damit im Ganzen auf. Die sinnliche Wahrnehmung wandert so weg vom Teil hin zum Ganzen, sodass der menschliche Verband, der als solcher ja nicht gesehen und angefasst werden kann, über die wirkende Kraft, die von den einzelnen Menschen ausgeht und sich mit denen der anderen zu einem gemeinsamen Sein verbindet, sinnfällig wird: Nicht mehr der einzelne Soldat für sich, sondern das Regiment als Einheit marschiert jetzt „mit klingendem Spiel“, indem „wir“ die „Körperbewegungen“, die allein „uns die Sinne zutragen“, „als Wirkungen einer Lebenseinheit“ deuten und dadurch „aus dem 219
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471.
220 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. 221 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. 222 223
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17. 224 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17. 225 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17. 226 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17.
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
Sichtbaren auf ein Unsichtbares“, den menschlichen Verband, auf sein reales Dasein als „gesellschaftlichen Körper“, schließen.227 Wenn für Gierke demzufolge die einzelnen Menschen (hier: Soldaten) durch ihr aufeinander abgestimmtes Verhalten (die Soldaten marschieren sichtbar als eine Einheit und spielen dabei hörbar zusammen ein Musikstück) die sinnlich erfahrbare Gesamtwirkung eines menschlichen Verbands (= Regiments) erzeugen, fasst er den menschlichen Verband als eine „körperliche Einheit“, als einen Gesamtkörper (corpus ex distantibus) im Sinn der „stoischen Philosophie“ auf.228 Die einzelnen Menschen (Soldaten) können allein deswegen für einen Betrachter und Zuhörer als ein menschlicher Verband (Regiment) erscheinen, weil ihnen, ausgedrückt in der stoischen Begrifflichkeit, eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) zukommt, die die Sinne affiziert, sodass für die Stoiker und damit auch für Gierke der menschliche Verband somatisch verfasst ist.229 Mag es in diesem Zusammenhang vielleicht auch ein bloßer Zufall sein, so ist es doch bemerkenswert, dass Gierke als Beleg für die Realität des menschlichen Verbands auf das „Regiment“ verweist, das „mit klingendem Spiel marschiert“.230 Gierke stellt damit auf einen menschlichen Verband ab, der gewissermaßen zugleich Heer (στρατιά) und Chor (χορός) ist, den beiden menschlichen Verbänden, anhand derer die Stoiker beispielhaft die Eigenschaft der menschlichen Verbände, ein Gesamtkörper (corpus ex distantibus) zu sein, der als Ganzes in „doppelter körperlicher Einheit“ zu seinen Gliedern hinzutritt, illustriert haben.231
3. Das Eigenhandeln des menschlichen Verbands (agere per se) Die reale Verbandsperson will und handelt demnach im Gegensatz zur juristischen Person, die ja bei Savigny ausschließlich ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) ist, nicht durch Andere (agere per alios), sondern durch sich selbst (agere per se). Da die einzelnen Menschen, die sich zu dem einen menschlichen Verband formiert haben, als „unsinnliche Einheit“ die reale Verbandsperson gleichsam sind, wird ihr Wollen und Handeln (als Einheit) von selbst (ipso iure) genauso wie im Verhältnis des einzelnen Menschen zu seiner Einzelperson in die Welt des Rechts hinein übersetzt. Während bei der juristischen Person als „bloßer Fiktion“ dazu eine „Vertretung als künstliche Anstalt“, eine Rechtsfik227 228
Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 229 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17–18. 230 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 17. 231 Groten, corpus und universitas, 2015, S. 104, 122–123; Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 84, 9–10; Witt, Plotinus and Posidonius, The Classical Quarterly 24 (1930), 198, 200, für den Chor als übliches Beispiel im griechischen Kulturraum; Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32, Fn. 75: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, VII 102 und IX 78 (= SVF II 1013), und S. 33, Fn. 76 (Zitat).
E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2)
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tion (als ob), erforderlich ist, damit die „juristischen Handlungen ihrer Vertreter als ihre eigenen Handlungen angerechnet werden“ können, sind die Handlungen des menschlichen Verbands bereits von vornherein und insofern ipso iure „eigene Handlungen“ der realen Verbandsperson, sodass ihr die Handlungen in der sichtbaren Welt nicht erst künstlich über eine Rechtsfiktion (fictio iuris) in der Welt des Rechts besonders „angerechnet“ werden müssen. 232 Anders aber als die Einzelperson (ens morale), die einem einzelnen Menschen (ens physicum) innewohnt, erwächst die Verbandsperson nicht allein aus der Summe der vielen einzelnen Menschen, die den menschlichen Verband tatsächlich bilden, sondern aus dem menschlichen Verband selbst (ens physicum). Er allein ist ihr Träger und nicht die Gesamtheit der Mitglieder (entia physica). Der menschliche Verband ist ein (soziales) Ganzes, das sich zwar aus seinen Teilen (d. h. aus den einzelnen Menschen als seinen Mitgliedern) zusammensetzt, gleichzeitig aber auch mehr ist als diese Summe dieser Teile.233 Die einzelnen Menschen haben sich zu einem „sozialen Ganzen“, oder: „zu einem Gebilde höherer Ordnung“ verbunden, das über sie als bloße Teile hinausreicht.234 Diese „Übersummativität“ drückt sich im Recht sinnfällig darin aus, dass die Verbandsperson nicht nur eine „zusammengesetzte Person“ ist, sondern als ein selbständiges Rechtssubjekt (d. h. als Ganzes) neben die Gesamtheit ihrer Mitglieder (d. h. die Summe ihrer Teile) tritt.235
4. Die Verfassung als das, was den menschlichen Verband zusammenhält Das, was die „anfangs unverbundene Menge“, die vielen einzelnen Menschen (Vielheit), zu dem einen menschlichen Verband (als einer Einheit) macht, der „als Träger eines einheitlichen Gemeinwillens“ (volonté générale) dazu geeignet ist, im Recht als Verbandsperson (d. h. als Rechtssubjekt) anerkannt zu werden, ist die Verfassung des menschlichen Verbands.236 Sie ist das Mehr, das die tatsächlich unverbundenen einzelnen Menschen als Vielheit (= Teile) zu der Einheit des einen menschlichen Verbands (als einem „sozialen Ganzen“) formt, der für die reale Verbandsperson in der Welt des Rechts (ens morale) Träger oder Substrat in der sinnlich wahrnehmbaren Welt sein kann (ens physicum).237 Als „Inbegriff der Rechtssätze über die Organisation“ des menschlichen Verbands erschafft die Verfassung dessen Einheit (und auf diese Weise auch die der realen Verbandsperson), indem sie den einzelnen Menschen (als 232 233
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282–283, 292. Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. 234 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. 235 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469–470, 473; Koschorke/Lüdemann/ Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat). 236 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 473, 496–497. 237 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat).
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
Organe) die Aufgaben zuweist (Kompetenzen), die sie für den menschlichen Verband als ein soziales Ganzes und darüber für die reale Verbandsperson wahrzunehmen haben.238 Die einzelnen Menschen werden demgemäß durch die Verfassung und insofern „durch Recht und Pflicht zusammengehalten“, als sie dadurch eine gemeinsame Gesamtwirkung (ποιόν) als ein menschlicher Verband (corpus ex distantibus) erzeugen.239
III. Das Differenzprinzip bei Gierke im Unterschied zum Trennungsprinzip bei Savigny Auch Gierke differenziert durchaus zwischen der realen Verbandsperson (als dem Ganzen) und ihren Mitgliedern (als dessen Teilen), sodass auch für ihn die Verbandsperson und nicht die Gesamtheit der Mitglieder das „wahre Subjekt“ sowohl der „Corporationsrechte“ als auch der „Corporationshandlungen“ ist.240 Im Gegensatz zu Savigny und dessen juristischer Person (selbst als „Corporation“) ist die Verbandsperson allerdings nicht „ganz verschieden“ von der „Totalität der Mitglieder“.241 Die juristische Person ist für Savigny ein „ideales Wesen“, das als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) völlig getrennt und losgelöst von der Gesamtheit seiner Mitglieder existiert, und insofern, wie Gierke es ausdrückt, ein „totes Begriffsding“ ist.242 Da sie deshalb nicht wirklich ein „ideales Ganzes“ ist, hat sie auch keine Teile, durch die sie wollen und handeln könnte, stattdessen ist sie notwendig auf Dritte (alii) angewiesen, die das für sie als ihre Vertreter („als künstliche Anstalt“) übernehmen (agere per alios).243
IV. Zwischenfazit Obschon nun die reale Verbandsperson mehr als die Summe ihrer Teile und ausschließlich in diesem Sinn von ihnen verschieden ist, besteht jene doch immer noch aus ihren Teilen, d. h. aus den einzelnen Menschen, aus denen sich der menschliche Verband als Träger der realen Verbandsperson zusammensetzt. Durch sie ist die Verbandsperson ein „lebendiges Wesen, das als sol238 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 496–497. 239 Nach Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, 102, 6,
werden die Mitglieder eines menschlichen Verbands als Einzelkörper („corpora“) eines Gesamtkörpers („corpus ex distantibus“) „durch Recht und Verpflichtung“ zusammengehalten („iure aut officio cohaerent“). Hierzu Gierke, aaO., S. 22, Fn. 47, sowie S. 33, Fn. 79; Groten, corpus und universitas, 2015, S. 113–126; Behrends, Index 37 (2009), 397, 425. 240 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 332 (Zitate). 241 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283 (Zitate). 242 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243; 280, 283; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 472 (Zitat). 243 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282–283 (Zitat: S. 243).
E. Der menschliche Verband und seine Verbandsperson bei Gierke (Teil 2)
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ches will und handelt“, und als solches von vornherein handlungsfähig ist.244 Als Teile stellen die einzelnen Menschen das Ganze, zunächst den menschlichen Verband und darüber die Verbandsperson, dar, sodass die reale Verbandsperson (als Ganzes) durch sich selbst will und handelt (agere per se), wenn die einzelnen Menschen (als ihre Teile) innerhalb des Aufgabenkreises (= „Kompetenz“), der ihnen durch die Verfassung übertragen ist, als Teile für das Ganze wollen und handeln.245 Der menschliche Verband als solcher, seine „Lebenseinheit“, ist für Gierke nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbar, sondern erst und allein durch die wirkende Kraft, die von den sozialen Lebenszentren in den vielen Menschen ausgeht, aus denen sich der menschliche Verband als zwar unsinnliche, trotzdem wirkliche Einheit (corpus ex distantibus) zusammensetzt.246 Da nun erst die Verfassung diese wirkenden Kräfte zu einem gemeinsamen Sein verbindet, wird allein im „verfassungsgemäßen, gemeinschaftsbezogenen Handeln“ der einzelnen Menschen (d. h. der Mitglieder) der menschliche Verband und darüber die Verbandsperson „als eine von ihnen abstrahierte Einheit sinnfällig“.247 Der menschliche Verband zeigt sich für Gierke dadurch als „Träger eines einheitlichen Gemeinwillens“, eines allgemeinen Willens (volonté générale), und ist daher für ihn als corpus ex distantibus dazu geeignet, „als Person anerkannt“ zu werden.248 Die einzelnen Menschen erzeugen in der Begrifflichkeit der Stoa eine Gesamtwirkung. Der menschliche Verband weist damit eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) auf, die nur ihm allein als Einheit, als ein Ganzes und nicht den einzelnen Menschen als seinen Teilen, selbst in ihrer Summe, zukommt. Und weil die einzelnen Menschen als eine Einheit die Sinne affizieren, ist der menschliche Verband ein corpus ex distantibus, eine „wirklich existierende Wesenheit“ (Gierke) und in der Folge davon die reale Verbandsperson eine „wirkliche und volle Person“, die nicht nur als solche rechtsfähig ist, sondern als „ein lebendiges Wesen“ durch sich selbst „will und handelt“ (agere per se).249 Auch insoweit offenbart sich Gierkes stoisches Denken in Bezug auf seine germanistischen Rechtsfiguren.
244 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 472. 245 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 472, 496–498. 246 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471. 247 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 147 (Hervorhebung
nicht im Original). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34. 249 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466, 470, 472. 248
232
§ 5 Verbandsperson und juristische Person
F. Resümee Als Rechtsbegriff kommt weder der Verbandsperson (Gierke) noch der juristischen Person (Savigny) aus sich selbst heraus Realität zu. Beide gehören zur Welt des Rechts, und weil das Recht die Wirklichkeit nicht so beschreibt, wie sie ist, sondern wie sie sein soll, ist das Recht eine ideale, weil lediglich vorgestellte Welt. Obgleich Verbandsperson und juristische Person als gedankliche Konstruktionen nicht gesehen und angefasst werden können, haben sie doch trotzdem mit den einzelnen realen Menschen, die sich in der sinnlich wahrnehmbaren Welt zu einem menschlichen Verband zusammengetan haben, eine soziale Realität. Darin stimmen Germanisten und Romanisten vollkommen überein. Das gilt auch insofern, als sich Gierke und Savigny darüber einig sind, dass allein Menschen Träger von freiem Willen und deshalb auch nur sie Rechtssubjekte (d. h. Person im Recht) sein können. Doch während Savigny ausschließlich dem einzelnen Menschen einen eigenen Willen zugesteht und deswegen auch nur jener für ihn eine Person sein kann, verfügen für Gierke neben dem einzelnen Menschen auch menschliche Verbände über einen eigenen Willen, sodass auch sie für Gierke anders als für Savigny dazu geeignet sind, im Recht Person zu sein. Diese Divergenz, die allein den Streit um „Begriff und Wesen“ der juristischen Person zwischen Germanisten und Romanisten ausmacht, resultiert aus ihrer gegensätzlichen Sichtweise auf den menschlichen Verband. Während für Gierke der menschliche Verband ein corpus ex distantibus („körperliche Einheit“) ist, fasst Savigny ihn als eine universitas (gedankliche Einheit), eine res incorporalis, auf. Für Gierke stehen der menschliche Verband (als soziale Realität) und die Verbandsperson im Verhältnis von „Voraussetzung und Abhängigkeit“.250 Der menschliche Verband liegt als ens physicum dem Rechtsbegriff der Verbandsperson (ens morale) zugrunde, er ist ihr Substrat und damit ihr Träger, umgekehrt haftet die Verbandsperson ihrem menschlichen Verband als dessen Attribut (modus) an, ist ihm immanent. Sie erwächst insofern als ens morale aus dem menschlichen Verband (ens physicum) und existiert fortan mit und in ihm. Im Gegensatz dazu ist die juristische Person ein Rechtsbegriff (ens morale), der völlig losgelöst und getrennt von seinem menschlichen Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, der „Erscheinungswelt“, existiert.251 Das Recht erschafft die juristische Person zunächst als Rechtsbegriff (nomen iuris) und ordnet diesen erst im Anschluss daran einem menschlichen Verband zu, bleibt aber selbst dann weiterhin unabhängig von ihm. Bei Savigny stehen menschlicher Verband und juristische Person daher zu keiner Zeit in einem Verhältnis von „Voraussetzung und Abhängigkeit“. 250 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 416 251 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat).
(Zitat).
233
F. Resümee
Dieser Unterschied zwischen Verbandsperson und juristischer Person hat seine Ursache im divergierenden Verständnis, das Gierke und Savigny in Bezug auf den menschlichen Verband haben. Für Gierke ist der menschliche Verband eine „wirklich existierende Wesenheit“, da er vermittelt über die einzelnen Menschen, die ihn bilden, sinnlich wahrnehmbar ist.252 Das reicht für die stoische Philosophie und deswegen auch für Gierke aus, um im menschlichen Verband selbst eine „körperliche Einheit“, ja eine „eigene Wesenheit“, zu erblicken, die als ein „Ganzes“ zu den einzelnen Menschen als den „Gliedern“ hinzutritt.253 Der menschliche Verband ist als ein solcher corpus ex distantibus ein ens physicum, dem nach Gierke zudem ein eigener Wille, ein „einheitlicher Gemeinwille“, zukommt, sodass er dazu geeignet ist, „als Person anerkannt“ zu werden.254 Der menschliche Verband trägt insofern seinen „Anspruch auf Persönlichkeit“, auf Rechtsfähigkeit, damit schon in sich (weil als corpus ex distantibus ein wirklicher Körper und außerdem Träger eines eigenen Willens).255 Das „objektive Recht“ erkennt den menschlichen Verband infolgedessen lediglich als Person (= Rechtssubjekt) an, erschafft sie also nicht. Die Anerkennung ist daher bloß deklarativ, nicht konstitutiv (so aber bei der romanistischen juristischen Person). Und weil die Verbandsperson für Gierke aus dem menschlichen Verband hervorgeht, der menschliche Verband zwar selbst nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbar ist, dafür aber vermittelt über die einzelnen Menschen, aus denen er sich real zusammensetzt, partizipiert die Verbandsperson, obschon ja an sich ein unsinnlicher Rechtsbegriff, an der Realität des menschlichen Verbands und ist aus diesem Grund Gierke zufolge „eine wirkliche und volle Person“.256 Für Savigny ist seine juristische Person dagegen eine „fingierte Person“, da sie als Begriff nur zu juristischen Zwecken „als Person“ ein Dasein in der Welt des Rechts hat.257 Denn indem er seine juristische Person aus dem klassischen römischen Jurisprudenz schöpft, übernimmt er auch deren Sicht auf den menschlichen Verband, die insoweit durch Anschauungen der skeptischen Akademie beeinflusst ist. Der menschliche Verband ist für jene anders als noch in der stoischen Philosophie nicht mehr ein wirklicher Körper, ein corpus ex distantibus, sondern als eine gedankliche Einheit (universitas) eine res incorporalis, ein „ideales Ganzes“ (Savigny).258 Für die skeptische Akademie ist nur das wirklich (und daher ein corpus oder stattdessen jetzt eine res corporalis), 252
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466 (Zitat).
253 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33 254 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat). 255 256
mit Fn. 76 (Zitate).
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 (Zitat). 257 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 240, 241 (Zitat). 258 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243 (Zitat).
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§ 5 Verbandsperson und juristische Person
was man sehen und anfassen kann. Das, was dem Menschen seine Sinne unmittelbar vermitteln, sind aber einzig und allein die einzelnen Menschen, aus denen sich der menschliche Verband zusammensetzt, nicht aber der menschliche Verband selbst, den das menschliche Denken den einzelnen Menschen daher erst noch bewusst als eine gedankliche Einheit (universitas) zuschreiben muss. Und wie bei Gierke die reale Verbandsperson an der Realität ihres menschlichen Verbands als corpus ex distantibus Anteil hat, so teilt auch die juristische Person die Eigenschaft ihres menschlichen Verbands, als eine gedankliche Einheit (universitas) eine „skeptische res incorporalis“ zu sein.259 Besonders sichtbar wird dieser Gegensatz in der Auffassung des menschlichen Verbands als der Grundlage von Verbandsperson und juristischer Person darin, dass die Verbandsperson zwei oder mehr einzelne Menschen voraussetzt, die in der sinnlich wahrnehmbaren Welt als ein menschlicher Verband (ens physicum) den Träger, das Substrat, für die Verbandsperson in der Welt des Rechts (ens morale) bilden. Die juristische Person als universitas, als „ideales Ganzes“ (Savigny), existiert demgegenüber als eine gedankliche Einheit, als ein Gedankenbild und Begriff (nomen), völlig losgelöst und gänzlich unabhängig von den einzelnen Menschen (entia physica), die sich als eine Einheit, als ein menschlicher Verband begreifen. Und weil die juristische Person ihrer nicht bedarf, kann sie auch ohne sie fortbestehen und sogar von Anfang an ohne jedes Mitglied (= einen einzelnen Menschen) auskommen, weshalb der Rechtsbegriff der juristischen Person selbst die Stiftung als eine mitgliederlose Anstalt zu umfassen vermag, die definitionsgemäß nicht über einen menschlichen Verband als ihren Träger, ihr Substrat, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt verfügt. Der Unterschied in der Betrachtung des menschlichen Verbands äußert sich bei Gierke und Savigny außerdem darin, dass die reale Verbandsperson durch ihren menschlichen Verband, auf dem sie beruht und in dem sie existiert, durch sich selbst wollen und handeln kann (agere per se), insofern also ipso iure handlungsfähig ist. Da der juristischen Person ein menschlicher Verband als corpus ex distantibus, als „einer wirklich existierenden Wesenheit“ fehlt, sie wie ihr menschlicher Verband als gedankliche Einheit (universitas) eine res incorporalis ist, vermag sie nicht durch ihren menschlichen Verband und daher nicht durch sich selbst zu wollen und zu handeln, ist sie also zunächst einmal „gänzlich handlungsunfähig“.260 Sie kann deshalb nur durch Andere wollen und handeln (agere per alios), indem ihr das Wollen und Handeln dieser alii „durch eine Vertretung als künstliche Anstalt“, demnach über eine fictio iuris, „wie eigenes“ zugerechnet wird.261 Damit zeigt sich, dass die 259
Behrends, Index 27 (2009), 397, 424–425 (Zitat).
260 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282 (Zitat). 261 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282–283 (Zitat).
F. Resümee
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divergierenden Ansichten zum menschlichen Verband als einem corpus oder als einer universitas und in der Folge davon auch die Sicht auf die Verbandsperson und die juristische Person nicht nur rechtsdogmatische, sondern vor allem auch handfeste Auswirkung für die Rechtsanwendung haben. Der Streit um das „Wesen“ der juristischen Person zwischen Germanisten und Romanisten im 19. Jahrhundert hat sich somit weder als „unlösbar“ noch als „hoffnungslos“ erwiesen, sondern ist, richtig verstanden, selbst heute noch für das geltende Recht von Bedeutung. Das gilt ganz besonders für die Rechtsfigur der Gesamthand im BGB, erhellt doch erst das zutreffende Verständnis dieser Kontroverse um die Rechtsnatur der juristischen Person den dogmengeschichtlichen Hintergrund, vor dem das Gesamthandsprinzip im späten 19. Jahrhundert Aufnahme in das BGB gefunden hat. Allein in der Gegenüberstellung zur juristischen Person ergeben sich „Begriff und Wesen“ der realen Verbandsperson, fasst Gierke sie doch als den bewussten germanistischen Gegenentwurf zur romanistischen juristischen Person Savignys auf. Und weil Gierke die Gesamthand in gezielter Abgrenzung zur Verbandsperson aufgebaut hat, folgen „Begriff und Wesen“ der Gesamthand erst aus einem Vergleich mit der Verbandsperson.
§ 6
Erste Zwischenbilanz A. Der dogmengeschichtliche Ansatz: Gierke und seine Gesamthand Die Verfasser des BGB wollten sich zwar nicht auf das „Wesen der gesamten Hand“ festlegen, sondern nur die Bestimmungen in das BGB aufnehmen, die „sachlich den Vorzug verdienen“,1 dennoch sahen sie über diese „Bestimmungen“ (§§ 718 Abs. 1, 719, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) durchaus das Gesamthandsprinzip im BGB verwirklicht.2 Insofern wurde im zweiten Entwurf zum BGB über die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die als societas im ersten Entwurf noch als ein reines Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern, den socii, ausgestaltet war, das Gesamthandsprinzip in unvollständiger Weise „darüber gestülpt“.3 Diese Unvollständigkeit des positiven Rechts eröffnete in dieser Schrift nicht nur den Raum dafür, die Vorschriften über die Gesellschaft im BGB historisch auszulegen, vielmehr schaffte sie auch die Notwendigkeit zu diesem Vorgehen. Um die Gesetzesmaterialien erforschen und verstehen, die eigentliche Genese der gesetzlichen Regelungen im BGB in Bezug auf die Gesellschaft also überhaupt erst eruieren zu können, galt es deshalb zunächst einmal, den Boden dafür zu bereiten. Zu diesem Zweck war es unabdingbar, das dogmengeschichtliche Umfeld, in dem das BGB zum Ende des 19. Jahrhunderts hin ausgearbeitet und verabschiedet worden war, einer vertieften Betrachtung zu unterziehen. Die Gesamthand ist eine „juristische Konstruktionsleistung“ der Germanistik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also der Zeit, in dem das BGB entstanden ist.4 Seine „begriffliche Prägung“ erhielt diese „deutschrechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts“ durch Otto von Gierke (1841–1921), sodass sein Verständnis, seine Sichtweise, auf die Rechtsfigur der 1 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 2 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1259–1260, wonach der „Grundsatz der gesamten Hand“ im „Entwurf“ (= BGB) zwar „nicht unmittelbar zum Ausdruck“ kommt, der „Entwurf“ aber vor allem in den §§ 719, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB „die leitenden Rechtssätze“ zusammenfasst. 3 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 3–4. 4 Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 63; Seif, ZRG GA 118 (2001), 302: „Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik“.
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§ 6 Erste Zwischenbilanz
Gesamthand den dogmengeschichtlichen Hintergrund für das Gesamthandsprinzip bildet, wie es dann schließlich in das BGB eingegangen ist.5 „Begriff und Wesen“ der Gesamthand sind bei Gierke jedoch allein aus der Entgegensetzung zu seiner ebenfalls germanistischen Verbandsperson (als eine Körperschaft; Genossenschaft) zu verstehen. Verbandsperson und Gesamthand sind für Gierke „durch eine unüberbrückbare begriffliche Kluft getrennt“.6 Denn während die Verbandsperson ein „Rechtssubjekt“ ist, handelt es sich Gierke zufolge bei der Gemeinschaft zur gesamten Hand bloß um ein „Rechtsverhältnis“.7 Rechtsträger ist das eine Mal die Verbandsperson selbst (als eine Einheit), das andere Mal sind es die Gesamthänder (als eine Vielheit). Die Verbandsperson des deutschen Rechts ist indes ihrerseits ein bewusster Gegenentwurf Gierkes zu der juristischen Person des Romanisten Friedrich Carl von Savigny (1779–1861). Demgemäß wurde in dieser Arbeit erst aus der Gegenüberstellung von Verbandsperson und juristischer Person begreiflich, wie Gierke seine von ihm konstruierte reale Verbandsperson auffasste und darüber wiederum erst und allein wirklich verständlich, was sich für ihn hinter dem Gesamthandsprinzip verbarg, welches der historische Gesetzgeber vor allem über die §§ 718 Abs. 1, 719, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB in das positive Recht übernahm, und das deshalb auch heute noch Inhalt des geltenden Rechts ist. Damit bestätigte sich auch die Annahme, dass sich Gesamthand, Verbandsperson und juristische Person bei Gierke allein gegenseitig erhellen und insofern, als es sich bei der „Verbandsperson“ um die „juristische Person“ des deutschen Rechts handelt,8 der „gegenwärtige Disput um die Rechtsnatur der Gesamthand“ in der Tat „der Sache nach auch ein Disput um die Rechtsnatur der juristischen Person“ ist.9 Der Schlüssel zum Verständnis von Gierkes Sicht auf das Recht und damit auch für das seiner germanistischen Rechtsfiguren der Gesamthand und der Verbandsperson ist der Naturrechtler Samuel von Pufendorf (1632–1694) und dessen Lehre von den entia moralia. Im Anschluss an Pufendorf unterscheidet auch Gierke, obschon er das zumeist leider nur andeutet, in seinem Rechtsdenken zwischen der sinnlich wahrnehmbaren Welt, den entia physica, und der idealen, weil lediglich gedachten Welt des Recht, den entia moralia. Angesichts dessen war es dann auch möglich, „Begriff und Wesen“ von Gesamthand, Verbandsperson und juristischer Person, so wie Gierke sie sich am Vorabend des BGB im späten 19. Jahrhundert vorstellte, zu erfassen.
5 Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62; BGHZ 146, 341, 344 (Zitat). 6 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339. 7 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 8 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469. 9 Raiser, AcP 199 (1999), 104, 107 (Zitat).
B. Das dogmengeschichtliche Umfeld der Gesamthandsfigur im BGB
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B. Das dogmengeschichtliche Umfeld der Gesamthandsfigur im BGB I. Die juristische Person (Savigny) Der Begriff der Person ist einer des Rechts. Und weil das Recht eine Welt ist, die allein im menschlichen Bewusstsein existiert, ist die Person insofern nicht wirklich, als sie als Begriff nicht gesehen und angefasst werden kann. Die juristische Person ist aber für Savigny nicht erst aus diesem Grund eine „fingierte Person“10 oder Gierke zufolge eine „bloß erdichtete Person“,11 sondern weil sie (im Gegensatz zur Verbandsperson) nicht über einen Träger, ein Substrat, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, über ein ens physicum, verfügt. Die juristische Person besitzt zwar durchaus in den einzelnen Menschen, die sich in der sinnlich erfahrbaren Welt zu einem menschlichen Verband formiert haben, eine „soziale Realität“, doch nimmt sie diese „soziale Realität“ nicht in sich, in den Rechtsbegriff, mit auf.12 Denn, weil für Savigny der menschliche Verband als solches nicht sinnlich wahrnehmbar ist, ist er ein „ideales Ganzes“, eine skeptische res incorporalis.13 Als ausschließlich gedankliche Einheit (universitas) ist der menschliche Verband von vornherein außerstande, einen eigenen, freien Willen zu haben. Als eine res incorporalis kann er deshalb nicht wie der einzelne Mensch schon ipso iure im Recht eine „natürliche“ und insofern „volle und wirkliche Person“ sein, vielmehr können die einzelnen Menschen („soziale Realität“) allein über eine „Fiktion“ Person und deswegen auch lediglich als „fingierte Person“ eine „juristische Person“ sein.14 Da der menschliche Verband als Begriff (nomen), als ein Gedankenbild (ἐννόημα), nicht über einen eigenen, freien Willen verfügt, Handlungen aber ein „denkendes und wollendes Wesen“ voraussetzen, ist er und mit ihm dann auch die „juristische Person“ gleichsam von Natur aus zunächst einmal „gänzlich handlungsunfähig“.15 Die juristische Person kann deshalb nur durch Andere wollen und handeln (agere per alios), indem ihr über eine fictio iuris deren Willen und deren Handlungen stellvertretend als eigene (als ob) zugerechnet werden. Da die juristische Person nicht aus den einzelnen Menschen, die sich als ein menschlicher Verband begreifen, erwächst, sie nicht ihr Träger, ihr Substrat, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt sind, vermag die juristische Person als Rechtsbegriff auch nach dem Wegfall sämtlicher Mitglieder (d. h. der einzelnen Menschen) fortzubestehen, ja sogar schon von vornherein ohne irgend10
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241 mit Fn. (t). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 12 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 4; Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 57. 13 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 39 mit Fn. 35; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243. 14 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 236–237. 15 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. 11
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ein Mitglied auszukommen. Die Stiftung und damit die Anstalt an sich sind daher die „juristische Person reinster Form“.16
II. Die reale Verbandsperson (Gierke) Auch für Gierke ist seine Verbandsperson eine „unsinnliche Einheit“, die als „Rechtsbegriff“ ebenso wie die romanistische „juristische Person“ (Savigny) „weder greifbar noch sichtbar“ ist.17 Im Unterschied zur juristischen Person wohnt sie als ens morale ihrem menschlichen Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt (ens physicum) jedoch inne: er ist ihr Träger, sie sein Attribut (modus). Der menschliche Verband ist als solcher (Einheit) zwar nicht unmittelbar sinnlich erfahrbar, dafür aber zumindest vermittelt über die einzelnen Menschen, aus denen er sich zusammensetzt. Indem sie ihr Verhalten aufeinander abstimmen, funktionieren sie als eine Einheit, als ein menschlicher Verband. Das genügt Gierke bereits, um in ihm eine „wirklich existierende Wesenheit“,18 einen „corpus ex distantibus“ im Sinn der Stoa zu sehen.19 Durch dieses Zusammenwirken machen sie den menschlichen Verband aber nicht nur als ein corpus ex distantibus („Gesamtkörper“) greifbar und sichtbar, sondern verleihen ihm auch noch einen „Gemeinwillen“, 20 einen allgemeinen Willen (volonté générale), 21 zu dem sich ihre Einzelwillen, ihre „einzelnen Willenssplitter“, 22 dadurch verbunden haben, dass die „vorsozialen Einzelnen“ durch den Akt des Zusammenschlusses zu Gliedern, Teilen, des sozialen Ganzen geworden sind.23 Die einzelnen Menschen fragen als Mitglieder jetzt nicht mehr, was für jeden von ihnen allein, auch nicht in ihrer Summe, von Vorteil und insofern subjektiv gut ist, sondern, was für den menschlichen Verband als solches objektiv gut und insofern der Vernunft gemäß ist, denn der „Gemeinwille“ (volonté générale) „sieht nur auf das Gemeininteresse“, das Gemeinwohl des menschlichen Verbands, dem sie angehören. 24 Der „Gemeinwille“ setzt sich zwar insofern als Ganzes aus den Einzelwillen als seinen Teilen zusammen, existiert deswegen mit und in den einzelnen Menschen (= Mitgliedern), ist ihnen immanent, und deshalb nicht etwas anderes als die Summe der Einzelwillen, gleich16 Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 242; für Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850, ist die Stiftung die juristische Person „in Reinkultur“. 17 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–473 (Zitat: S. 268). 18 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466. 19 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 20 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 21 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32). 22 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36. 23 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, S. 66 (auch S. 58); Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18). 24 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32).
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zeitig ist er aber auch nicht einfach dasselbe wie die Summe seiner Teile, da er als „Gemeinwille“ darauf abzielt, das Gemeinwohl zu verwirklichen und demgemäß als Ganzes über die Summe seiner Teile, über den „Willen aller“ (volonté de tous), hinausgeht („Übersummativität“).25 Da der menschliche Verband als ein corpus ex distantibus den einzelnen Menschen, die ihn real bilden, „entstammt“ und in ihnen „lebt“26 und die Verbandsperson aus dem menschlichen Verband hervorgeht, jener sein Träger in der sinnlich wahrnehmbaren Welt (ens physicum) ist, seine „tatsächliche Unterlage“ in der „Erscheinungswelt“, 27 erlischt die reale Verbandsperson (als ens morale) von selbst (ipso iure), sobald ihr menschlicher Verband (als ens physicum) deswegen aufgehört hat, zu existieren, weil alle einzelnen Menschen, aus denen er besteht, seine Mitglieder, „bis auf Eines“ weggefallen sind.28 Der menschliche Verband ist zudem nicht bloß die soziale Realität seiner Verbandsperson, sondern auch dessen Substrat, er ist das, was der Verbandsperson als Rechtsbegriff zugrunde liegt. Da der menschliche Verband Gierke zufolge mit dem „Gemeinwillen“ über einen eigenen, freien Willen verfügt, vermag er durch sich selbst zu wollen und zu handeln (agere per se), sodass in der Folge davon auch die Verbandsperson ipso iure handlungsfähig ist. Wenn jedoch der menschliche Verband selbst „unsinnlich“ ist, er aber zugleich vermittelt über die einzelnen Menschen, aus denen er sich zusammensetzt, die menschlichen Sinne affiziert, ist er als ein corpus ex distantibus („Gesamtkörper“) für die „stoische Philosophie“ und im Anschluss daran daher auch für Gierke insoweit ein wirklicher Körper (nicht aber ein menschlicher Körper; der einzelne Mensch ist ein geeinter Körper, ein corpus continua).29 Und weil die Verbandsperson (ens morale) auf ihrem menschlichen Verband (ens physicum) fußt, hat sie Anteil an seiner Wirklichkeit und ist insofern eine „wirkliche und volle Person gleich der Einzelperson, jedoch im Gegensatz zu dieser eine zusammengesetzte Person“.30 Sie ist eine „zusammengesetzte Person“, da sich die einzelnen Menschen zu dem menschlichen Verband „zusammengesetzt“ haben, der menschliche Verband aber das Substrat der Verbandsperson ist, sodass vermittelt über ihn insofern auch sie aus ihnen besteht und in diesem Sinn jene auch ihre Mitglieder sind. Gierkes germanistische Verbandsperson ist daher von seinem Standpunkt aus im Gegensatz zu Savignys romanistischer juristischer Person nicht ein rei25 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32), Buch 4, Kap. 1 (S. 117); Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, S. 111–112 (Zitat: S. 66). 26 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106 (Zitate). 27 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 28 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 558. 29 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–34. 30 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470.
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ner Rechtsbegriff (nomen iuris), der völlig losgelöst, getrennt und unabhängig von seiner sozialen Realität existiert, sondern statt einer „fingierten“, einer „bloß erdichteten Person“, eine „wirkliche Person“.31 Die Diskrepanz in Begriff und Wesen zwischen Verbandsperson und juristischer Person lässt sich demnach auf eine unterschiedliche Sicht auf den menschlichen Verband als deren Substrat zurückführen: Während Gierke im menschlichen Verband einen stoischen corpus ex distantibus sieht, der einen eigenen, freien Willen besitzt, begreift Savigny ihn umgekehrt als eine skeptische res incorporalis, die als ein „ideales Ganzes“, als eine gedankliche Einheit (universitas), über einen freien Willen von vornherein nicht verfügen kann, was dann in der Folge davon entsprechend jeweils für Verbandsperson und juristische Person als „Rechtsbegriffe“ (entia moralia) gilt.
III. Die Gesamthand (Gierke) Die Verbandsperson ist für Gierke deshalb ein Rechtssubjekt (persona moralis), weil sie auf einem menschlichen Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt basiert (ens physicum). Die einzelnen Menschen, die zunächst für sich stehen, eine anfangs unverbundene Menge sind, vereinigen sich bereits in der sinnlich erfahrbaren Welt zu einem menschlichen Verband und gehen als ein solcher corpus ex distantibus in die Welt des Rechts ein. Bei der Rechtsfigur der Gesamthand verbinden sich dagegen die einzelnen Menschen, aus denen die Gesamthand besteht, noch nicht in der sinnlich wahrnehmbaren Welt zu einer Einheit, bilden also noch nicht einen menschlichen Verband (ens physicum), sondern gehen sozusagen jeder für sich in das Recht ein und sind dort jeder für sich ein eigenes Rechtssubjekt (persona moralis). Erst und deswegen auch allein dort schließen sie sich zu einer Gesamthand zusammen, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt bleiben sie auch weiterhin unverbunden, werden dort nicht zu einem menschlichen Verband und sind deshalb in der Welt des Rechts nicht ein Rechtssubjekt, eine Person, sondern lediglich eine Personenmehrheit, eine Vielheit. Sie bilden allein insofern eine persona moralis composita (Pufendorf), als sie einen gemeinsamen status, vorgestellt in einer Analogie einen Raum in der Welt des Rechts, eine Hülle, die sie als Rechtssubjekte (personae morales) umgibt, einnehmen. Durch den gemeinsamen status („kraft der gesamten Hand“) sind die Gesellschafter als eine „verbundene Personenmehrheit“, als eine „kollektive Einheit“, rechtsfähig.32 Und weil sie, auch während sie den gemeinsamen status miteinander innehaben, nicht zu einem Rechtssubjekt verschmelzen, sondern weiterhin mehrere Rechtssubjekte bleiben, verfügen sie in Gestalt des 31 32
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682.
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gemeinsamen status über eine „kollektive Rechtsfähigkeit“.33 Da der gemeinsame status aus den Gesellschaftern nicht ein Rechtssubjekt, eine Verbandsperson, formt, sondern sie nur zu einer „Personeneinheit“ macht, fasst Gierke seine germanistische Gesamthand insofern als ein bloßes „Rechtsverhältnis“ auf.34 Die Gesellschafter sind die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten und daher als Vielheit die Rechtsträger. Rechtsträger sind sie aber nur vermittelt über den gemeinsamen status, indem er eine gesamthänderische Rechtsbeziehung, die von außen gleichsam auf ihn trifft, nach innen an die Gesellschafter als die eigentlichen Rechtssubjekte (personae morales) weiterleitet, insofern auf sie als „Mitträger“ verteilt, und umgekehrt von innen nach außen zu einer gemeinschaftlichen Rechtsbeziehung verbindet.35 Dass der gemeinsame status die gesamthänderische Rechtsbeziehung auf die Gesellschafter als Rechtsträger verteilt, dabei aber nicht auf sie aufteilt, die Gesamthand auf der einen Seite also keine societas ist, und durch ihn die Gesellschafter auch nicht zu einem Rechtssubjekt werden, die Gesamthand auf der anderen Seite demgemäß auch keine Verbandsperson ist, lässt sich „symbolisch“ mit dem Bild von zwei Menschen hypostasieren,36 die zusammen einen Baumstamm tragen.37 Die beiden Menschen und nicht „a mysterious third person“ tragen den Baumstamm, sie sind die Rechtsträger und nicht ein von ihnen verschiedenes Rechtssubjekt, das lediglich aus ihnen besteht (= Verbandsperson). Sie tragen Rechte und Pflichten (= den Baumstamm) „with joint hands“ (zu gesamter Hand) und deshalb auch nicht jeder für sich. Denn keiner von beiden ist in der Lage, das Recht oder die Pflicht (= den Baumstamm) allein zu tragen, auch trägt nicht jeder jeweils bloß für sich allein einen Teil davon (das wäre dann eine societas), vielmehr tragen sie zusammen und in diesem Sinn als eine Gemeinschaft (zur gesamten Hand) das ganze Recht oder die ganze Pflicht (= den ganzen Baumstamm). Dieses Gesamthandsprinzip 33 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682 (Zitat). 34 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660, 682 (Zitate). 35 36
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691 (Zitat). Kant, Kritik der Urteilskraft, 2. Aufl. 1793 (1977), B 255–257 (S. 295–296). 37 Schulz, Classical Roman Law, 1951, Rn. 146: „Suppose that two men are carrying a beam of timber which one of them alone would not be able to carry. Both are carrying the whole beam and the share of the burden borne by each of them cannot be fixed. Nevertheless, it is true that the two men ‚with joint hands‘ (zu gesamter Hand) are carrying the beam and not a mysterious third person.“ (Hervorhebung im Original). Obschon Schulz die Körperschaft im römischen Recht („corporation“) als eine Gesamthand missversteht, beschreibt er doch treffend das Gesamthandsprinzip. Für Unger, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen und römischen und deutschen Privatrechts, Bd. 22 (1884), 207, 218, lässt sich die Gesamthand („kollektive Einheit“) mit einem Gespann vergleichen, das aus zwei Pferden besteht. Sie sind nicht „ein Pferd“, sondern „zwei Pferde“, die zusammen eine Kutsche ziehen, indem sie „Ein Gespann ausmachen“. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 343 mit Fn. 1.
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kommt auch im „Sinnbilde“ der ineinander verschlungenen Hände zum Ausdruck, die eine gesamte Hand, Gesamthand, formen.38 Eine gesamte Hand sind zwei Hände, zwei „Subjekte“, und nicht eine Hand, ein „Subjekt“. Die beiden Hände ergreifen das gemeinschaftliche Objekt aber nicht jede für sich allein und deshalb auch nicht jede bloß einen Teil davon. Weil sie sich zu einer gesamten Hand vereinigt haben, sind sie von vornherein nur imstande, das gemeinschaftliche Objekt zusammen, zur gesamten Hand, als „verbundene Subjekte“, zu umfassen. Auch ihr Vermögen besitzen die Gesellschafter demgemäß ausschließlich vermittelt über den gemeinsamen status, den sie zusammen einnehmen. Das Gesellschaftsvermögen ist deshalb mit Notwendigkeit ein „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ (vgl. § 718 Abs. 1 BGB). Und weil die Gesellschafter das Vermögen gemeinschaftlich innehaben und keiner von ihnen im eigentlichen Wortsinn einen „Anteil“ für sich daran hat, können sie auch nur alle zusammen sowohl über das „Gesellschaftsvermögen“ als solches als auch über die „einzelnen dazu gehörenden Gegenstände verfügen“ (§ 719 Abs. 1 BGB). „Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus“, verlässt er den gemeinsamen status. Da der gemeinsame status aber den Gesellschaftern ihr gemeinschaftliches Vermögen vermittelt, hört der Gesellschafter ipso iure automatisch auf, „Mitträger“ des gemeinsamen status und deshalb auch Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) zu sein. Als „Mitträger“ sind das jetzt nur noch allein die „übrigen Gesellschafter“, denen „sein Anteil am Gesellschaftsvermögen“ allein insofern „zuwächst“, als er als „Mitträger“ weggefallen ist (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bleibt nur noch ein Gesellschafter übrig, endet der gemeinsame status von selbst, sodass sich in der Folge davon die vormals gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten (und damit auch das Gesellschaftsvermögen) in ihm „zusammenziehen“.39 Denn um ein gemeinsamer status, eine persona moralis composita, zu sein, muss er von zwei oder mehr Gesellschaftern (personae morales) ausgefüllt werden. Und weil der letzte noch verbliebene Gesellschafter schon zuvor über den gemeinsamen status „Mitträger“ der Rechte und Pflichten war, gehen diese mit dem Ende des gemeinsamen status nicht erst auf ihn über, sondern hat er diese jetzt nur noch für sich allein und nicht mehr wie bisher zusammen mit den übrigen Gesellschaftern, da diese als „Mitträger“ nicht mehr vorhanden sind. Da die Gesellschafter zwar die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind, jedoch nur vermittelt über den gemeinsamen status, sind sie auch nur so lange die Rechtsträger, wie sie sich innerhalb des gemeinsamen status (vorgestellt als Hülle, welche die Gesellschafter umschließt) 38 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 664; Lepsius, „Gesamthand, gesamte Hand“, in: HRG (Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte), Bd. 2, 2. Aufl. 2012, Spalte 264–265. Dazu auch Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 929. 39 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 695.
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befinden und in diesem Sinn zur Gesamthand gehören. Verlässt ein Gesellschafter den gemeinsamen status, hört er daher ipso iure auf, Mitträger der Rechte und Pflichten der Gemeinschaft zu sein. Kommt umgekehrt ein Gesellschafter zur Gesamthand neu hinzu, wird er ebenfalls von selbst Mitträger des gemeinsamen status, sodass dieser nunmehr auch an ihn die gesamthänderischen Rechtsbeziehungen weiterleitet, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um neue oder bereits bestehende handelt. Die Gesellschafter sind zwar die Rechtssubjekte und nicht der gemeinsame status. Sie sind das, aus dem die Gesamthand besteht, und insofern deren (eigenschaftslose) Materie (ὓλη) und daher das, was ihr zugrunde liegt (ὑποκείμενον). Doch erst und allein der gemeinsame status sorgt dafür, dass die Gesellschafter Rechte und Pflichten überhaupt in Gemeinschaft, eben zur gesamten Hand, innehaben können. Er erzeugt insofern eine Gesamtwirkung der Gesellschafter, verleiht ihnen eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) und formt dadurch aus der Gesamtheit der Gesellschafter, aus der Summe der Teile, das Ganze der Gesamthand. Die Gesellschafter sind demnach nicht schon von sich aus die Rechtsträger, sondern nur vermittelt über den gemeinsamen status. Und deshalb kommt es nicht darauf an, wer als Gesellschafter Mitträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten ist, sondern allein, dass es überhaupt zwei oder mehr Gesellschafter als Mitträger gibt, die den gemeinsamen status einnehmen. Die Gesamthand kann deswegen „einen Wechsel der verbundenen Personen überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft fortbestehen“,40 solange der gemeinsame status derselbe geblieben ist. Die Gesamthand ist dann dieselbe, auch wenn sie es gewissermaßen stofflich nicht mehr ist. Da sie demnach ihre Identität im Wechsel der Teile bewahrt, hat selbst ein Gesellschafterwechsel keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit ihr bestehenden Rechtsbeziehungen und haftet infolgedessen selbst ein „neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden“.41 Die Gesellschafter nehmen indes nicht nur alle zusammen einen gemeinsamen status ein, vielmehr bekleidet jeder von ihnen stets auch für sich allein einen einzelnen status. Denn erst über einen status ist eine persona moralis und insofern der einzelne Mensch rechtsfähig (§ 1 BGB). Die Gesellschafter gehen nun mit ihrem individuellen status in den kollektiven ein. Eine gesamthänderische Rechtsbeziehung, die von außen auf den gemeinsamen status gleichsam trifft und von dort dann zum einzelnen Gesellschafter (persona moralis) weitergeleitet wird, durchquert deshalb auf ihrem Weg zu ihm als ihrem Zuordnungsendpunkt (= Rechtsträger) auch noch dessen einzelnen status. Da eine Verbindlichkeit dementsprechend nicht nur den gemeinsamen, sondern 40 Gierke, Deutsches Privatrecht, 41 BGHZ 146, 341, 345 (Zitat).
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§ 6 Erste Zwischenbilanz
auch den individuellen status des einzelnen Gesellschafters passiert, entsteht ipso iure neben der gemeinschaftlichen Schuld, der Gesellschaftsschuld, und davon abgeleitet (daher akzessorisch) eine individuelle Verbindlichkeit, die Gesellschafterschuld. Der Gesellschafter haftet insofern nicht nur zusammen mit seinen Mitgesellschaftern und deshalb mit dem gemeinschaftlichen Vermögen, sondern auch jeder von ihnen persönlich mit seinem Privatvermögen und damit alle gemeinsam als Gesamtschuldner. Das gilt Gierke zufolge jedoch mit Notwendigkeit nur für die Handelsgesellschaft, für OHG und KG (vgl. § 128 Satz 1 HGB), nicht aber für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Denn nur die Gesellschafter einer OHG, nicht aber auch die einer BGB‑Gesellschaft bringen zwingend ihre „gesamte vermögensrechtliche Persönlichkeit“,42 ihre Eigenschaft, (Allein-) Inhaber eines Privatvermögens zu sein, in den gemeinsamen status mit ein. Für Gierke haben deshalb allein die Gesellschafter einer OHG unabdingbar von selbst (d. h. ipso iure, insofern „kraft Gesetzes“) auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Schulden einzustehen. Bei einer GbR löst dagegen erst und allein der Wille des je einzelnen Gesellschafters seine persönliche Haftung aus, anderenfalls haftet er ausschließlich mit den anderen und insofern mit seinem „Anteil an dem Gesellschaftsvermögen“ (so die Formulierung in § 719 Abs. 1 BGB). Die Handelsgesellschaft, und hier „in erster Linie die offene Handelsgesellschaft“ (OHG), weist jedoch Gierke zufolge „den Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung auf“.43 Bei ihr ist deswegen das „Rechtsprinzip der gesamten Hand“ lediglich „umfassender und kräftiger verwirklicht“ als bei der BGB‑Gesellschaft, sodass sich „alle wesentlichen Unterschiede“ zwischen beiden „auf ein Plus von gesamter Hand“ bei der OHG zurückführen lassen.44 Wenn aber die persönliche Gesellschafterhaftung zwingend zur OHG gehört und jene „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ an sich ist, zumindest in Bezug auf die „vertragsmäßigen Gesellschaften“ (= Personengesellschaften), ist die persönliche Haftung mit dem Privatvermögen auch schon für Gierke typisch für die Gesamthand. Dazu passt es, wenn die Verfasser des BGB eine persönliche Haftung der Gesellschafter bereits im ersten Entwurf zum BGB vorsahen, obgleich dort die Gesellschaft noch eine reine societas war, und über sie erst im zweiten Entwurf das Gesamthandsprinzip „darüber gestülpt“ wurde, indem das Gesellschaftsvermögen jetzt nicht mehr als eine römisch-rechtliche communio, eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, sondern als ein Gesamthandsvermögen ausgestaltet war.45 42 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 444 mit Fn. 1. 43 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. 44 Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 119. 45 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 3–4.
C. Ausblick auf das weitere Vorgehen
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C. Ausblick auf das weitere Vorgehen Damit deutet sich an, dass sich die Vorstellung, die Gierke von seiner Gesamthand hat, und die den dogmengeschichtlichen Hintergrund für das Gesamthandsprinzip des BGB bildet, erst vollends erschließen lässt, wenn in die Betrachtung außerdem noch societas und communio als Figuren, „Gedankenschablonen“, des römischen Rechts einbezogen werden.46 Gierke grenzt seine Gesamthand nicht nur auf der einen Seite zur Verbandsperson (corpus) und diese wiederum zur juristischen Person (universitas) ab, sondern auf der anderen Seite auch zur societas, die ausschließlich eine Vielheit ist, sodass Rechte und Pflichten jedem einzelnen Gesellschaftern „für sich zustehen“.47 Da aber die Gesellschaft im ersten Entwurf des BGB noch eine societas war, ist es sinnvoll, erst im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte als der eigentlichen Genese des Gesamthandsprinzips im BGB auf diesen Aspekt einzugehen. Das dogmengeschichtliche Umfeld, in dem die Beratungen zum BGB und in der Folge dann auch dessen Verabschiedung stattgefunden haben, ist damit aufgezeigt, sodass sich daran nunmehr die Darstellung der Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) anschließen kann, ist doch die Gesellschaft „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ und deshalb das „Recht der Gesellschaft als Gesamthand paradigmatisch für die Gesamthand an sich“.48
46 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339 (Zitat). 47 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 479, 682. 48 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2.
Teil 2
Die Gesamthand im BGB
§ 7
Die Genese der Gesellschaft im BGB Die Rechtsfigur der Gesamthand ist eine Konstruktion der Germanistik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die ihre „begriffliche Prägung“ durch Beseler und vor allem dann darauf aufbauend durch Gierke erhalten hat.1 Nach dieser „deutsch-rechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts“ nehmen die Gesellschafter im Recht zusammen einen gemeinsamen status ein, der an sie als Zuordnungsendpunkte die gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Schulden vermittelt.2 Anders als es die h. M., die als Gruppenlehre auf Flume zurückgeht, für das heute geltende Recht annimmt, waren Gesamthand und mit ihr die Gesellschaft in der Zeit vor dem BGB nicht die alleinigen Träger der gesamthänderischen Rechte und Pflichten, stattdessen waren die vielen Gesellschafter die Rechtssubjekte, die über ihren gemeinsamen status als Raum im Recht die Rechte, Forderungen und Schulden jedoch in Gemeinschaft und insofern als eine Einheit zu gesamter Hand innehatten. Diese Gestalt der deutschen Gesamthand bildet die dogmengeschichtliche Ausgangslage für die Vorschriften über die Gesellschaft im BGB (§§ 705–740 BGB). Daher gilt es nunmehr zu untersuchen, ob, und wenn ja, wie und in welchem Umfang diese Rechtsfigur der deutschen Gesamthand in das Recht der BGB‑Gesellschaft Eingang gefunden hat, sodass „das Recht der Gesellschaft paradigmatisch für die Gesamthand an sich“ stehen und die Gesellschaft zu Recht damals und heute als „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ gelten kann.3
A. Die Gesetzgebungsgeschichte I. Die „Gesellschaft“ im ersten Entwurf zum BGB – eine societas Die Gesellschaft war zunächst im ersten Entwurf zum BGB noch keine deutsche Gesamthand, sondern im Anschluss an das gemeine Recht weiterhin eine societas des römischen Rechts („Sozietät“).4 Der Gesellschaftsvertrag sollte 1 Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62–63; Seif, ZRG GA 118 (2001), 302; Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 488–509 (und öfter). 2 BGHZ 146, 341, 344 (Zitat). 3 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2 (Zitat). 4 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für
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§ 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB
hiernach allein zwischen den Gesellschaftern (als socii) ein Schuldverhältnis („obligatorisches Rechtsverhältnis“) erzeugen, sodass es Rechte und Pflichten ausschließlich unter den Gesellschaftern gab, nicht aber nach außen gegenüber Dritten.5 Eine Gesellschaft, die nach außen („im Verkehr mit Dritten“) eine Einheit war, gab es im ersten Entwurf demgemäß noch nicht.6 Die Gesellschafter waren Vielheit und nicht Einheit und infolgedessen der Ausdruck „Gesellschaft“ lediglich eine Abkürzung für die Vielheit der Gesellschafter (socii). Und selbst wenn sämtliche Gesellschafter gemeinsam und insofern als „Gesellschaft“ gegenüber einem Dritten auftraten, wurde daher jeder Gesellschafter für sich auf seinen Anteil hin berechtigt und verpflichtet und nicht die Gesellschaft selbst, auch nicht alle in Gemeinschaft (vgl. § 642 E I).7 Ein Gesellschafter, der „zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft“ befugt war, handelte für sich und für jeden seiner Mitgesellschafter als Beauftragter (vgl. § 639 E I).8 Da er „im Zweifel“ als von jedem seiner Mitgesellschafter als „bevollmächtigt“ galt (§ 640 Abs. 1 E I),9 konnte er als rechtsgeschäftlicher Stellvertreter für jeden einzelnen von ihnen gegenüber einem Dritten eine Willenserklärung abgeben und dadurch zum einen sich selbst und zum anderen jeden einzelnen der Mitgesellschafter für sich allein auf dessen Anteil hin unmittelbar gegenüber dem Dritten berechtigten und verpflichten (§ 642 E I).10 Nur weil die Anteile der einzelnen Gesellschafter an den Sachen, Rechten und Forderungen, die „zur Erreichung des vereinbarten gemeinsamen Zwecks“ (§ 629 Abs. 1 E I) gedacht waren, das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter bildeten, die „Gegenstände“ also insofern „gemeinschaftlich“ waren (§ 631 E I),11 wurde dasjenige, das der geschäftsführungsbefugte und „zur Vertretung bevollmächtigte Gesellschafter“ für sich und für die andas Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 330. Nach Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002, S. 115, konnte sich im ersten Entwurf zum BGB bei der Gesellschaft „das ‚reine‘ römische Recht völlig ungehindert Platz schaffen“; zur Gesetzgebungsgeschichte siehe auch Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, S. 207–215. 5 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 330. 6 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 330. 7 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVI; Motive, in: Mugdan, aaO., S. 341–342. 8 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVI. 9 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVI; Motive, in: Mugdan, aaO., S. 340. 10 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 341. 11 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CIV–CV.
A. Die Gesetzgebungsgeschichte
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deren Gesellschafter erwarb, allen Gesellschaftern „nach Maßgabe des § 631 gemeinschaftlich“ (§ 640 Abs. 1 E I).12 Trat der geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dagegen ausschließlich im eigenen Namen gegenüber Dritten auf, erwarb er „aus der Geschäftsführung“ zunächst einmal allein für sich selbst Sachen, Rechte und Forderungen. Er war dann aber im Anschluss daran aus dem Gesellschaftsvertrag und demgemäß lediglich schuldrechtlich verpflichtet, den übrigen Gesellschaftern Anteile daran zu verschaffen, sodass am Ende auch diese von ihm zunächst für sich als Beauftragten erworbenen Sachen, Rechte und Forderungen „allen Gesellschaftern gemeinschaftlich“ wurden (§ 640 Abs. 2 E I) und so ebenfalls der Erreichung des vereinbarten gemeinsamen Zwecks dienen konnten.13 Obschon das „gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen) (so dann § 718 Abs. 1 BGB) auch schon im ersten Entwurf dazu bestimmt war, den vereinbarten gemeinsamen Gesellschaftszweck zu erreichen, hatte doch jeder der Gesellschafter für sich einen Anteil an jedem einzelnen der „gemeinschaftlichen“ Gegenständen, aus dem sich das Gesellschaftsvermögen zusammensetzte (§ 631 E I). Es gab daher weder ein „Eigentum der Gesellschaft im Gegensatze zu den Gesellschaftern“, da die Gesellschaft (societas) ja nur als ein Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern (socii) vorhanden war, noch eine „Einheit oder Geschlossenheit des Gesellschaftsvermögens im Sinne“ einer Gesamthand wie im HGB.14 Die Gesellschaft (societas) war demnach vermögensrechtlich eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (communio), eine „Gemeinschaft zu bestimmten Anteilen“.15 Ein Gesellschafter konnte daher seine Anteile an den gemeinschaftlichen Gegenständen jederzeit und deshalb auch schon vor der Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens wirksam an Dritte veräußern und war ein Gläubiger des einzelnen Gesellschafters imstande, im Wege der Zwangsvollstreckung auf dessen Anteile an den gemeinschaftlichen Sachen, Rechten und Forderungen zuzugreifen.16 Allein aus dem Gesellschaftsvertrag war der Gesellschafter schuldrechtlich gegenüber seinen Mitgesellschaftern verpflichtet, sich Verfügungen über seine Anteile an den einzelnen Sachen, Rechten und Forderungen, die zum 12 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 341. 13 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 341. 14 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 335. 15 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 335. 16 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 335, 344, wonach dem Entwurf „eine dingliche Unterbindung des Verfügungsrechts der Gesellschafter fremd“ sei.
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§ 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB
Gesellschaftsvermögen gehörten, „zu enthalten“ (§ 645 Abs. 1 E I) und es ihm untersagt, „vor der Auseinandersetzung die Teilung solcher“ (d. h. der gemeinschaftlichen) „Gegenstände“ und auf diesem Weg die Aufhebung der Gemeinschaft (nach Bruchteilen) zu fordern (§ 645 Abs. 2 E I).17 Der Gesellschafter durfte demgemäß zwar nicht über seine Anteile an den gemeinschaftlichen Gegenständen verfügen, konnte es jedoch, sodass ein „geschlossenes Gesellschaftsvermögen“ im ersten Entwurf zum BGB überhaupt noch nicht vorhanden war.18
II. Die Ansicht Gierkes zur societas als Schuldvertrag und worin sie sich von der Gesamthand unterscheidet Anders als die deutsche Gesamthand ist die römische Gesellschaft (d. h. societas) nach Gierke eine „rein individualistische Gemeinschaft“, eine „Summe für sich stehender Individuen“ und allein in diesem Sinn eine „Mehrheit schlechthin“.19 Für Rechtsverhältnisse mit Dritten ist es daher „vollkommen gleichgültig (…), ob diese Individuen sonst noch verbunden sind oder sich soeben zufällig zusammenfanden“; so bleibt auch das „engste Gesellschaftsverhältnis (…) nach innen ein rein individualistisches Obligationsband und ist nach außen überhaupt nicht vorhanden“, weil die socii im Recht eben nicht wie bei einer Gesamthand einen gemeinsamen status einnehmen, der sie nach außen zu einer kollektiven Einheit machen könnte.20 Insofern ist der Gesellschaftsvertrag bei einer societas ein „reiner Schuldvertrag“, der deshalb „lediglich schuldrechtliche Beziehungen zwischen den Gesellschaftern“ erzeugt. 21 Auch bei der Gesamthand nehmen die Teilhaber zwar zunächst einmal wie bei einer societas in der Gemeinschaft jeder für sich einen individuellen status ein, das Gemeinschaftsverhältnis erschöpft sich hier jedoch anders als bei einer societas niemals darin. Stets teilen sich die Gesamthänder einen gemeinsamen status, über den sie insgesamt oder kollektiv berechtigt und verpflichtet werden. Bei der societas fehlt ein derartiger gemeinsamer status (kollektive Rechtsfähigkeit). Ausschließlich als unverbundene Einzelpersonen (Subjekte) bilden hier die Gesellschafter (socii) die Gemeinschaft und werden demgemäß bloß über ihren jeweiligen individuellen status berechtigt und verpflichtet (jeder für sich). Sie sind daher immer einzig und allein eine Personenmehrheit (d. h. eine 17 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVII; Motive, in: Mugdan, aaO., S. 344. 18 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 330. 19 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 669; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 928. 20 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 928. 21 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 831–832.
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Vielheit) und niemals eine Personeneinheit. Die societas ist darum im Gegensatz zur „deutschen Gesellschaft“ (weil Gesamthand) keine Personengemeinschaft und weil eine Vermögensgemeinschaft eine Personengemeinschaft voraussetzt, ist sie auch keine Vermögensgemeinschaft.22 Ihr fehlt das gemeinschaftliche (d. h. das gesamthänderisch gebundene) Vermögen, sie hat insofern kein „Gesellschaftsvermögen“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB.23 Die societas ist aber insofern eine Gemeinschaft, als sie eine Eigentumsgemeinschaft nach Bruchteilen (communio) hervorbringt, d. h. die Gesellschafter sind Miteigentümer der Sachen, die zum Gesellschaftsvermögen gehören.24 Beim Miteigentum steht das Eigentumsrecht an der Sache nicht allen zusammen zu, stattdessen hat jeder lediglich einen ideellen Anteil daran. Die socii sind ausschließlich über die realkörperliche Sache als Objekt zu einer communio verbunden. Die societas ist daher nur eine „objektive Gemeinschaft“, während die Subjekte, hier die Gesellschafter, getrennt bleiben.25 Die allein in diesem Sinn gemeinsamen Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschafter sind daher unter ihnen geteilt. Jeder ist entweder zu einem Anteil oder aber auf das Ganze berechtigt oder verpflichtet, sodass hier neben dem Anteilsprinzip auch das Solidarprinzip gilt.26 Aber auch bei „einfacher Solidarität“ verwirklicht sich das „Fürsichsein“ der socii, indem sie nach außen gegenüber Dritten jeder für sich (Gesamt-) Schuldner (§ 421 Satz 1 BGB) oder (Gesamt-) Gläubiger (§ 428 Satz 1 BGB) sind, da sie hier jeweils für sich allein auf das Ganze verpflichtet oder berechtigt sind.27 Das Anteilsprinzip kommt aber auch in diesem Fall – wenn auch erst im Innenverhältnis der Gesellschafter – über die schuldrechtliche Ausgleichspflicht der socii zum Tragen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 430 BGB). Die societas ist deshalb anders als die „deutsche Gesellschaft“ im eigentlichen Sinn keine Gemeinschaft, da sie nicht eine zur gesamten Hand ist und daher die Gesellschafter nicht über einen gemeinsamen status nach außen eine Einheit (in Vielheit) bilden, sondern sich in der Vielheit ihrer socii erschöpft. 22 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 991 (Zitat). 23 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 834; so ausdrücklich auch Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002, S. 128, für das gemeinschaftliche Vermögen bei der Gesellschaft im ersten Entwurf zum BGB. 24 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 9 und 14; Honsell, Römisches Recht, 8. Aufl. 2015, S. 148; Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 24; Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, S. 35– 39. Nach Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 244, steht der Ausdruck „gemeinschaftliches Eigentum“ (§ 706 Abs. 2 Satz 1 BGB) synonym für „Miteigentum“. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 831–832. 25 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268. 26 Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 117. 27 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 681 (Zitat).
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III. Die „Gesellschaft“ im zweiten Entwurf zum BGB – eine modifizierte societas Die Gesellschaft im ersten Entwurf zum BGB war demnach als societas ein ausschließlich obligatorisches Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern, das Dritten gegenüber keinerlei Bedeutung zukam, und dem es noch an einem geschlossenen Gesellschaftsvermögen fehlte. Allein um dem abzuhelfen, d. h. ein in sich geschlossenes Gesellschaftsvermögen zu schaffen, das der Disposition des einzelnen Gesellschafters und dessen Gläubigern entzogen ist, wurde der societas im zweiten Entwurf zum BGB das Prinzip der gesamten Hand, wie Flume es ausdrückt, „darüber gestülpt“.28 Die Gesellschaft des BGB wurde auf diese Weise jedoch nicht voll und ganz zu einer echten Gesamthand des deutschen Rechts, sondern lediglich zu einer modifizierten societas, zu einer Gesellschaft, bei der die socii jeder für sich „einen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen“ haben, darüber aber nicht verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB).29 Die Gesellschaft im zweiten Entwurf zum BGB und damit die Gesellschaft des BGB (von 1900) war demnach sowohl immer noch eine societas als auch schon eine deutsche Gesamthand. So stellte die zweite Kommission in den Protokollen zunächst nochmals die Gesellschaft des ersten Entwurfs zum BGB dar, um sodann auf dieser Grundlage die „Einführung des Prinzips der gesamten Hand“ als eine bloße Modifikation der Gesellschaft des ersten Entwurfs und damit als einer societas zu deuten: „Nach dem Entwurf ist die Gesellschaft prinzipiell ein rein obligatorisches Verhältnis. Die gemeinsamen Zwecke werden nur dadurch verfolgt, dass sich die Gesellschafter untereinander obligatorisch zu bestimmten Leistungen verpflichten. Ein Gesellschaftsvermögen im eigentlichen Sinn gibt es nicht. Was man Gesellschaftsvermögen nennt, sind zusammengefasste Bestandteile des Vermögens der einzelnen Gesellschafter. Formell ist jeder Gesellschafter berechtigt, über diese Bestandteile seines Vermögens zu verfügen, seine Gläubiger sind befugt, die Zwangsvollstreckung auch in diese Vermögensstücke zu betreiben. Der Gesellschafter ist lediglich obligatorisch den anderen Gesellschaftern gegenüber verpflichtet, die vertragsmäßig zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Sachen in der Gemeinschaft zu belassen (…). (…) Für die Einführung des Prinzips der gesamten Hand wurde nun geltend gemacht: Der Zweck der Gesellschaft und die regelmäßige Absicht der Parteien führe darauf hin, ein gemeinschaftliches Gesellschaftsvermögen anzunehmen, welches der einzelne Gesellschafter nicht beliebig dadurch zerstören könne, dass er über seine Anteile an den einzelnen Vermögensstücken verfüge. Schaffe man in dieser Beziehung nicht eine reale Sicherheit, so könne die Erreichung der gemeinschaftlichen Zwecke jeder-
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Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 3–4; ihm folgend BGHZ 146, 341, 343. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, S. 214–215. 29 Dazu
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zeit durch einen einzelnen Gesellschafter oder dessen Gläubiger unmöglich gemacht werden.“30
Die zweite Kommission sah demnach die „Einführung des Prinzips der gesamten Hand“ bloß als eine konsequente Fortentwicklung der BGB‑Gesellschaft des ersten Entwurfs und damit der societas an. Dort habe bereits das Verhältnis der Gesellschafter zueinander (nach innen) dem der gesamten Hand entsprochen, da es den Gesellschafter schuldrechtlich und deshalb intern untersagt war, frei über ihren Anteil an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen zu verfügen.31 War das Gesellschaftsvermögen insofern bei der societas im Verhältnis der Gesellschafter untereinander ein gemeinschaftliches, sollte es im zweiten Entwurf zum BGB nunmehr auch gegenüber Dritten ein solches sein und insofern „dingliche Wirkungen“ entfalten.32 Dem einzelnen Gesellschafter war es jetzt nicht mehr bloß schuldrechtlich verwehrt, über seinen Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen zu verfügen, er war dazu auch rechtlich nicht mehr imstande. Das Gesellschaftsvermögen war auf diese Weise sowohl vor dem direkten Zugriff des einzelnen Gesellschafters als auch vor dem seiner Gläubiger geschützt und konnte sich so nach Auffassung der zweiten Kommission als ein „selbständiges Gesellschaftsvermögen“ voll und ganz in den Dienst der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung (d. h. der Gesellschaft) stellen.33 An diesen Ausführungen in den Protokollen wird offenbar, dass die zweite Kommission die Gesamthand ausschließlich als eine Vermögensgemeinschaft verstand, wobei das Vermögen allein Rechte und Forderungen als Aktiva umfasste und nicht auch Schulden (vgl. §§ 718, 719 BGB). Und weil die zweite Kommission es zudem bewusst vermied, die „wissenschaftliche Frage nach dem Wesen der gesamten Hand“ zu entscheiden, beschränkte sie sich darauf, „das Prinzip selbst möglichst deutlich und verständlich hinzustellen“, indem es „die leitenden Rechtssätze“ in den §§ 718, 719, 738 BGB und § 736 ZPO zusammenfasste.34 30 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989, 990. 31 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 991. 32 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990 (Zitat). 33 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 34 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 992; Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1260. Nach Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung, 2000, S. 34–39, sollen sich die Verfasser des BGB schließlich doch auf das Wesen der Gesamthand als einer Personengemeinschaft festgelegt haben, indem sie sich für eine „deutschrechtliche Gestaltung“ der GbR im Anschluss an die der OHG entschie-
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§ 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB
Ausdruck des Gesamthandsprinzips waren demgemäß nach Ansicht der zweiten Kommission (1) das dingliche Verfügungsverbot des einzelnen Gesellschafters über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen (§ 719 Abs. 1 BGB), (2) der Umstand, dass der Schuldner eines einzelnen Gesellschafters nicht gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen gehört, aufrechnen kann (§ 718 Abs. 2 BGB), und (3) das Anwachsungsprinzip (§ 738 Abs. 1 S. 1 BGB), wonach im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters dessen Anteil automatisch, also ohne rechtsgeschäftlichen Übertragungsakt, auf die übrigen Gesellschafter übergeht, sowie (4) dass für die Zwangsvollstreckung in das gemeinschaftliche Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB ein Urteil gegen alle Gesellschafter erforderlich ist (§ 736 ZPO).35 Im zweiten Entwurf und damit im BGB selbst wurde demzufolge das Prinzip der gesamten Hand bei der BGB‑Gesellschaft bloß formal verankert. Es fanden, so die zweite Kommission, allein die Eigenschaften der Gesamthand in den §§ 705–740 BGB Niederschlag, die „sachlich den Vorzug verdienten“, um ein in sich geschlossenes und insofern „gemeinschaftliches Gesellschaftsvermögen“ zu konstruieren.36
IV. Bewertung: Die „Gesellschaft“ als Vermögens- und Schuldengemeinschaft Eine „Gesellschaft“ ist nun jedoch notwendigerweise Vermögens- und Schuldengemeinschaft. Gesamthandseigentum als gemeinschaftliches Eigentum sowie gemeinschaftliche Rechte an Sachen und Forderungen bilden das Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB. Als selbständiges Vermögen dient es der gemeinsamen Zweckverfolgung der Gesellschafter und damit in erster Linie der Befriedigung der Gesellschaftsschulden (d. h. der gemeinschaftlichen Schulden der Gesellschafter). Nun gibt es bei der GbR jedoch in den Augen des historischen Gesetzgebers keine gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten, vielmehr sind es hier – wie bei der societas – Schulden der einzelnen Gesellschafter. Als Gesamtschuldner ist aber jeder für sich allein gegenden hätten (Denkschrift, in: Mugdan, aaO., S. 1259–1260). Dass dort die Rechtsnatur der BGB‑Gesellschaft und der OHG als Personengemeinschaft „in einer unmissverständlichen Art und Weise“ dargelegt ist (Wertenbruch, aaO., S. 35), trifft zumindest insofern nicht zu, als dort ausschließlich vom Gesellschaftsvermögen die Rede ist. Da die Gesamthand als eine Vermögensgemeinschaft aber mit Notwendigkeit eine Personengemeinschaft voraussetzt, haben die Verfasser des BGB, wenn auch unbewusst, indirekt für OHG und GbR das Gesamthandsprinzip des deutschen Rechts insgesamt (d. h. auch als eine Personengemeinschaft) als „ungeschriebenes geltendes Recht“ (als ius) anerkannt (Zitat: BGHZ 146, 341, 347). 35 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1260. 36 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990 (Zitate).
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über den Gesellschaftsgläubigern auf das Ganze verpflichtet (vgl. §§ 421, 427, 431 BGB). Nach § 642 des ersten Entwurfs des BGB sollten die Gesellschafter unabhängig davon, ob sie alle zusammen „in Person“ oder aber „durch Vertreter“ mit einem Dritten ein Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, „gegenüber dem Dritten im Zweifel zu gleichen Anteilen berechtigt und verpflichtet“ werden, also Teilgläubiger und Teilschuldner sein.37 Die erste Kommission führt zu § 642 E I in den Motiven aus: „Die Vorschrift bestimmt darüber, in welcher Weise und in welchem Umfang die einzelnen Gesellschafter aus einem mit einem Dritten für alle Gesellschafter wirksam abgeschlossenen Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet werden. (…) Es versteht sich, dass die Gesellschafter, soweit sie dem Dritten verpflichtet sind, ihm mit ihrem ganzen Vermögen haften.“38
Der einzelne Gesellschafter wird demnach immer als solcher (jeder für sich) berechtigt und verpflichtet, wenn das Rechtsgeschäft „für alle Gesellschafter wirksam“ ist. Er haftet in diesem Fall persönlich mit seinem Privatvermögen, zu dem auch sein Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen gehört (und damit mit seinem „ganzen Vermögen“). Das ist an sich nicht erstaunlich, ist doch die Gesellschaft im ersten Entwurf zum BGB eine societas und daher im eigentlichen Sinn gerade nicht eine Gemeinschaft. Die Regelung des § 642 E I fand nun aber in den zweiten Entwurf zum BGB keinen Eingang. Das beruhte indes einzig und allein hinsichtlich der „Berechtigung der Gesellschafter“ auf der Einführung des Gesamthandsprinzips.39 Die Forderungen waren ab jetzt nicht mehr auf die Gesellschafter als Einzelne aufgeteilt, sondern waren Bestandteile des „gemeinschaftlichen Vermögens“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB. Rechte und Forderungen waren nunmehr solche zur gesamten Hand und in diesem Sinn gemeinschaftlich. Bezogen auf die „Verpflichtung der Gesellschafter“ wurde die Regelung des § 642 E I nicht wegen der Einführung des Prinzips zur gesamten Hand gestrichen, sondern allein deshalb, weil die Gesellschafter nicht mehr wie im ersten Entwurf „im Zweifel“ Teilschuldner (§ 420 BGB), sondern jetzt Gesamtschuldner i. S. des § 421 37 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVI. 38 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 341, 342 (Hervorhebung nicht im Original). Auch BGHZ 142, 315, 319 spricht von einem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als eine Einzelperson oder aber in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet und dementsprechend dafür auch persönlich mit seinem Privatvermögen einzustehen hat. 39 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 987.
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BGB sein sollten.40 Die Gesellschafter sollten nunmehr als Gesamtschuldner haften, und zwar „im Zweifel“, sofern sie sich „durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung“ verpflichtet hatten (vgl. § 427 BGB), oder sogar stets, wenn sie als „mehrere“ eine „unteilbare Leistung“ schuldeten (vgl. § 431 BGB).41 Da dies bereits als allgemeiner Grundsatz im allgemeinen Schuldrecht formuliert war, bedurfte es für die GbR nicht mehr einer speziellen Vorschrift. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass auch für die zweite Kommission die Gesellschafter selbst dann als Gesamtschuldner und damit jeder für sich auf das Ganze verpflichtet werden sollten, wenn das Rechtsgeschäft für alle Gesellschafter wirksam ist, sodass hier gerade nicht eine Verbindlichkeit zur gesamten Hand, d. h. eine „gemeinschaftliche Schuld“ (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), entsteht. Nach der Intention des historischen Gesetzgebers war die BGB‑Gesellschaft also an sich ausschließlich als Vermögensgemeinschaft eine solche zur gesamten Hand und insofern „eine deutsche Gesellschaft“.42 Als Schuldengemeinschaft blieb sie indes weiterhin eine römische societas, bei der jeder der Gesellschafter für sich allein für seine individuelle Verbindlichkeit einstehen musste. Vermögens- und Schuldengemeinschaft fielen bei der Gesellschaft des zweiten Entwurfs zum BGB und damit auch bei der Gesellschaft zu Beginn des BGB zunächst noch auseinander. Die Gesellschaft war demgemäß, als das BGB im Jahr 1900 in Kraft trat, gewissermaßen eine Chimäre aus „deutscher Gesellschaft“ (als einer Gesamthand) und römischer societas. Das eigentliche Ziel des historischen Gesetzgebers, warum er bei der BGB‑Gesellschaft das Prinzip der gesamten Hand einführte, war es, durch ein selbständiges Gesellschaftsvermögen „eine ungestörte Verfolgung des Gesellschaftszwecks sicherzustellen“.43 Das kann aber nur erreicht werden, wenn die Gesellschaft nicht allein bezogen auf das Gesellschaftsvermögen eine Gesamthandsgemeinschaft ist (§§ 718, 719 BGB), sondern auch hinsichtlich der Schulden (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn wenn das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) dazu dienen soll, die Gesellschaftsschulden (d. h. die gemeinschaftlichen Schulden) zu tilgen (§ 362 Abs. 1 BGB), dürfen die Gesellschafter nicht lediglich jeder für sich, vielmehr müssen sie insgesamt oder kollektiv zur Leistung verpflichtet sein. 40 Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002, S. 247, wonach das Gesamthandsprinzip im zweiten Entwurf zum BGB nur die Vermögensgegenstände der Gesellschaft, nicht aber deren Verbindlichkeiten erfasste. 41 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 987. 42 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 991 (Zitat). 43 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1260 (Zitat).
A. Die Gesetzgebungsgeschichte
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Da die Gesellschafter aber jeweils für sich allein als Einzelne den Gesellschaftsgläubigern gegenüber verpflichtet sind, gibt es im eigentlichen Sinn bei der Gesellschaft des zweiten Entwurfs überhaupt keine Gesellschaftsschulden (d. h. gemeinschaftliche Schulden), sondern nur individuelle Verbindlichkeiten der einzelnen Gesellschafter. Das hat aber zur Folge, dass ein Gesellschafter – ja selbst alle zusammen – mit dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) eine Schuld der Gesellschaft nicht erfüllen können. Was jeder für sich, sei es auch auf das Ganze, schuldet, können rechtlich nicht alle zusammen als Gemeinschaft und damit insgesamt (als eine Gesamthand) leisten. Eine gemeinschaftliche Erfüllung (d. h. als eine der Gesamthand) setzt eine gemeinschaftliche Verbindlichkeit (der Gesamthand) voraus. Das erkennt selbst der BGH, wenn er gegen die traditionelle Auffassung und frühere h. M., die individualistische Gesamthandslehre, die in der Gesellschaft und damit in der „Gesamthand an sich“ bloß ein Sondervermögen der Gesellschafter sah, zu Recht anführt: „Betrachtet man die Gesellschaftsverbindlichkeiten lediglich als gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter gemäß § 427 BGB (d. h. als eine Gesamtschuld; Anm. d. Verf.), widerspricht dies dem Gesamthandsprinzip. Der einzelne Gesellschafter kann, wenn sich der geschuldete Gegenstand im Gesellschaftsvermögen befindet, die Leistung wegen § 719 BGB nicht als Gesamtschuldner allein erbringen.“44
Obgleich die Verfasser des BGB in der Gesellschaft noch ausschließlich eine modifizierte societas sahen, konnte sie nicht eine Vermögensgemeinschaft bleiben, vielmehr musste aus ihr schließlich doch noch eine Schuldengemeinschaft und damit eine Personengemeinschaft werden. Die Gesellschaft konnte als Gesamthand nicht nur ein Sondervermögen sein, sollte das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) dazu bestimmt sein, deren gemeinschaftliche Schulden zu tilgen. Diese Aufgabe kann das Gesellschaftsvermögen aber nur dann wirklich übernehmen, wenn es auch echte, weil gemeinschaftliche Schulden der Gesellschafter und insofern solche zur gesamten Hand gibt (Gesellschaftsschulden). Die Gesellschaft des BGB als eine Vermögensgemeinschaft zur gesamten Hand setzt demnach eine Personengemeinschaft zur gesamten Hand mit Notwendigkeit voraus. Dafür muss, ja darf aus der Gesellschaft des BGB (aber auch des HGB als OHG und KG) nicht ein Rechtssubjekt werden, das dann der alleinige Träger des Gesellschaftsvermögens, Eigentümer der Sachen und Inhaber der Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten ist, wie es aber die Gruppenlehre als heute ganz h. M. annimmt. Stattdessen muss die Gesellschaft eine deutsche Gesamthand sein, damit das Gesellschaftsvermögen wirklich ein „gemeinschaftliches“ der Gesellschafter ist (§ 718 Abs. 1 BGB) und ebenso die Schulden „gemeinschaftliche“ der Gesellschafter sind (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gesellschafter 44
BGHZ 146, 341, 344–345; a. A. Meier, Gesamtschulden, 2010, S. 139–178.
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§ 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB
selbst, wenn auch in Gemeinschaft, und nicht eine von ihnen getrennte Gesellschaft (als ein Rechtssubjekt) müssen die Träger und damit die Zuordnungsendpunkte der Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft sein, da nur so die Gesellschaft des BGB (aber auch des HGB als OHG und KG) tatsächlich eine deutsche Gesamthand ist. Das, was an dieser Stelle noch als These und gleichsam als Ausblick formuliert ist, ist nunmehr in sich schlüssig darzutun. Bevor das jedoch sogleich geschieht, ist noch auf das Nebeneinander von „deutscher Gesellschaft“ (als einer Gesamthand) und römischer Gesellschaft (societas) in den Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705–740 BGB) aufmerksam zu machen, der hinter dem Dualismus von Außen- und Innengesellschaft steht.
B. Die Unterscheidung zwischen Außen- und Innengesellschaft Bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (aber auch des Handelsrechts) wird allgemein zwischen Außen- und Innengesellschaften differenziert. Während die Außen-GbR rechtsfähig (d. h. ein Rechtssubjekt) ist, fehlt es hieran bei der Innen-GbR.45 Außen- und Innengesellschaft grenzt die ganz h. M. danach voneinander ab, ob die Gesellschaft selbst oder zumindest alle Gesellschafter zusammen nach außen in Erscheinung treten und in diesem Sinn als solche am Rechtsverkehr teilnehmen (sollen).46 Entgegen der ganz h. M. besteht tatsächlich jedoch nicht ein Dualismus zwischen Außen- und Innengesellschaft, sondern zwischen deutscher und römischer Gesellschaft. Die deutsche Gesellschaft muss als Gesamthandsgemeinschaft nicht nach außen auftreten, tut es aber in der Regel. Umgekehrt nimmt die römische Gesellschaft (societas) zwar zumeist nicht selbst am Rechtsverkehr teil, dennoch ist sie hierzu durchaus (im Rechtssinne) imstande. Auf das gemeinsame Auftreten nach außen kommt es deswegen nicht an, sondern darauf, ob die BGB‑Gesellschaft ausschließlich ein Schuldvertrag ist, dann ist sie eine societas, oder ob sie eine Gemeinschaft zur gesamten Hand ist, dann ist sie eine „deutsche Gesellschaft“.
I. Das Nebeneinander von societas und „deutscher Gesellschaft“ selbst im BGB von heute Die römische Gesellschaft (societas) und die deutsche Gesellschaft als Gesamthand werden selbst heute noch von den Vorschriften über die Gesell45 Westermann, WM 2013, 441, 444, wonach die Innengesellschaft „auch nicht ‚teilrechtsfähig‘ ist“. 46 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 28; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 705 Rn. 66; von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 705 Rn. 33–34.
B. Die Unterscheidung zwischen Außen- und Innengesellschaft
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schaft (§§ 705–740 BGB) erfasst, weil die zweite Kommission das Prinzip der gesamten Hand über die reine societas des ersten Entwurfs zum BGB lediglich „darüber gestülpt“ hat. Denn darunter ist selbst noch im heutigen BGB die römische Gesellschaft (societas) als rein obligatorisches Rechtsverhältnis sichtbar. Auf die societas finden deshalb nur die Vorschriften der §§ 705–740 BGB keine Anwendung, die ausschließlich Ausdruck des Gesamthandsprinzips sind. Das gilt insbesondere für die gesamthänderische Bindung (§ 719 Abs. 1 BGB) und das Anwachsungsprinzip (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gesellschafter einer societas können dementsprechend frei über ihren Anteil an den einzelnen Gegenständen, die zum „Gesellschaftsvermögen“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB gehören, verfügen. Es besteht für sie nur eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber ihren Mitgesellschaftern (socii), solche Verfügungen zu unterlassen (§ 645 Abs. 1 E I),47 und, sofern sie aus der societas ausscheiden, ihren Anteil „an den gemeinschaftlichen Gegenständen den übrigen Gesellschaftern zu übertragen“ (§ 658 Abs. 4 E I).48 Eine Vielzahl der Vorschriften in den §§ 705–740 BGB findet dagegen sowohl auf die deutsche Gesellschaft (als Gesamthand) als auch auf die societas Anwendung. Dies gilt selbst für § 718 BGB. Das Tatbestandsmerkmal „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ steht hier bei der BGB‑Gesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand für Eigentum, (Sach-) Rechte und Forderungen, die allen Gesellschaftern zusammen (d. h. als Einheit) insgesamt oder kollektiv zustehen. Bei der römischen societas meint „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ demgegenüber Miteigentum sowie (Sach-) Rechte und Forderungen, die unter den Gesellschaftern (ideell) geteilt sind und die deshalb jeder für sich hat. Und während bei der deutschen Gesellschaft die „gemeinschaftlichen Schulden“ i. S. des § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB Verbindlichkeiten aller Gesellschafter als Einheit sind, sind sie bei der societas solche jedes einzelnen Gesellschafters (für sich) auf einen Anteil (§ 420 BGB) oder auf das Ganze (§ 421 BGB). Wenn in § 714 BGB zudem die Rede davon ist, dass der geschäftsführende Gesellschafter im Zweifel auch berechtigt ist, „die anderen Gesellschafter gegenüber Dritten zu vertreten“, bringt dies für die societas zum Ausdruck, dass jener teilweise sich selbst und teilweise die anderen vertritt. Für die „deutsche Gesellschaft“ hatte § 714 BGB im Gegensatz dazu zunächst eine zweifache Bedeutung (so Gierke).49 Wie bei der societas sollte auch hier bei der Gesamthand der geschäftsführende Gesellschafter seine Mitgesellschafter und auch sich selbst jeweils als unverbundene Einzelpersonen (d. h. als Personenmehr47 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVII. 48 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CXI. 49 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 841–842, 847–848.
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§ 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB
heit) vertreten. Jeder von ihnen sollte über seinen individuellen status (d. h. seine Einzelrechtsfähigkeit) berechtigt und verpflichtet werden. Daneben sprach § 714 BGB dem geschäftsführenden Gesellschafter „im Zweifel“ das Recht zu, zusätzlich „die von ihm als Träger dargestellte Personeneinheit“ zu vertreten.50 Dem Wesen der deutschen Gesellschaft entspricht es nunmehr aber, dass auch bei ihr wie schon zuvor bei der Handelsgesellschaft die Gesellschafter sowohl über ihren gemeinsamen als auch über ihren individuellen status und daher stets zugleich insgesamt und jeder für sich berechtigt und verpflichtet werden. Es besteht hier nur noch eine Vertretungsmacht, aber mit doppelter Wirkung. Aus diesem Grund enthält § 714 BGB für die deutsche Gesellschaft jetzt bloß noch die einheitliche Regelung, dass der geschäftsführende Gesellschafter „die von ihm als Träger dargestellte Personeneinheit“ (d. h. die Gesamthand) vertritt und dadurch zugleich mittelbar und automatisch auch die einzelnen Gesellschafter individuell verpflichtet, sodass die Gesellschafter ipso iure nicht allein in Gemeinschaft mit dem Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB, sondern auch jeder für sich persönlich mit ihrem Privatvermögen den Gesellschaftsgläubigern gegenüber für die Verbindlichkeiten der Gesamthand (d. h. für die der Gesellschafter) haften (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Die Vorschriften über die „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ in den §§ 705–740 BGB erfassen demgemäß zum einen die deutsche Gesellschaft als eine Gemeinschaft zur gesamten Hand und zum anderen die römische, rein schuldrechtliche societas. Der dualistische Charakter des Begriffs „Gesellschaft“ kommt heutzutage (im Ansatz) in der Gegenüberstellung von Außenund Innengesellschaft zum Ausdruck.51 Die societas ist eine bloß schuldrechtliche Beziehung zwischen den Gesellschaftern und hat darum im Verhältnis zu Dritten keine Wirkung. Sie erzeugt ausschließlich unter den Gesellschaftern Rechte und Pflichten und ist insofern eine Innengesellschaft, sodass der einzelne Gesellschafter nur für sich berechtigt und verpflichtet wird.52 50
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687 (Zitat). K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 717, stellt zu Recht ausdrücklich klar, dass jede Außengesellschaft eine „Gesamthandsgesellschaft“, umgekehrt aber eine Innengesellschaft niemals eine solche (d. h. eine „Gesamthandsgesellschaft“) ist. Das sieht bereits Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 6, ebenso, wenn er die Unterscheidung zwischen Innen- und Außengesellschaft danach vornehmen will, ob das Gesellschaftsverhältnis ausschließlich ein Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander ist (dann ist sie eine Innengesellschaft) oder ob die Gesellschaft als Gesamthand, d. h. als Gruppe, Träger von Rechtsbeziehungen ist (dann ist sie eine Außengesellschaft). K. Schmidt, AcP 209 (2009), 181, 193. 52 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 6, betont demgemäß zutreffend, dass es bei der reinen Innengesellschaft „eine Gesellschaft, die als solche, als Gruppe, Träger von Rechtsbeziehungen wäre, nicht gibt“. Auch bei Röder, AcP 215 (2015), 450, 494–506, steht hinter der „rein schuldrechtlichen GbR“ die societas des römischen Rechts, lehnt er es doch für diese „nicht rechtsfähige GbR“ ausdrücklich ab, die „gesamthänderische Vermögensbindung“ wiederzubeleben. 51
B. Die Unterscheidung zwischen Außen- und Innengesellschaft
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Die deutsche Gesellschaft als eine Gesamthand wirkt im Gegensatz dazu nicht allein im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander, und zwar, weil die Gesellschafter nicht bloß schuldrechtlich miteinander verbunden sind, sondern im Recht einen gemeinsamen status innehaben, der sie nach außen zu einer Einheit formt und ihnen dadurch eine kollektive Rechtsfähigkeit verleiht. Über diese kollektive Rechtsfähigkeit werden die Gesellschafter als viele Rechtsträger gemeinschaftlich berechtigt und verpflichtet. Die deutsche Gesellschaft ist demgemäß in ihrer Eigenschaft als eine Gesamthandsgemeinschaft eine Außengesellschaft. Dies erkennt auch der BGH, wenn bei ihm von der „(Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ die Rede ist und er diese „als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter“ versteht.53
II. Die Ansicht der h. M. und die Kritik daran 1. Das fehlende Auftreten der „Gesellschaft“ selbst nach außen Auch wenn die societas insofern lediglich Innen- und nicht Außengesellschaft ist, bedeutet das nicht, dass sie im Rechtsverkehr mit Dritten und damit nach außen nicht als Gesellschaft auftreten könnte. Handeln alle Gesellschafter zusammen oder vertritt einer (oder mehrere) von ihnen teilweise sich und teilweise die anderen, ist auch für außenstehende Dritte die societas als innere Einheit der Gesellschafter sichtbar. Bei diesem Außenhandeln der Gesellschaft fehlt es lediglich an der gemeinschaftlichen Berechtigung oder Verpflichtung zur gesamten Hand, da die Gesellschafter bei der societas nach außen in den Rechtsverhältnissen zu Dritten jeder für sich stehen. Es ist dementsprechend „entweder missverständlich oder regelrecht falsch“, wenn die ganz h. M. den Begriff der Innengesellschaft dahin bestimmen will, dass „die Innengesellschaft im Gegensatz zur Außengesellschaft nicht nach außen hervortritt oder (…) es am gemeinsamen Auftreten nach außen fehlt“.54 Eine Innengesellschaft zeichnet sich nach h. M. also dadurch aus, dass sie nach dem erklärten Willen ihrer Gesellschafter Dritten gegenüber nicht selbst auftreten und demzufolge nicht am Rechtsverkehr teilnehmen soll.55 Darin sind sich zunächst zwar alle innerhalb der h. M. einig. Für die einen bedeutet das aber zugleich, dass eine Innengesellschaft von vornherein nicht eine Gesamthand sein kann und ihr deswegen auch stets ein Gesamthandsvermögen 53
BGHZ 146, 341, 341 und 343 (Zitate). Das betont zu Recht K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 43 II 3 a) (S. 1288); ders., AcP 209 (2009), 181, 193: „Wir Älteren haben einmal gelernt, eine Gesellschaft, die nach außen erkennbar sei, sei eine Außengesellschaft, jede andere eine Innengesellschaft. Das mag ein hübscher Spruch für den Hörsaal sein. Anfangen kann man damit nichts.“ 55 Westermann, NJW 2016, 2625, 2626; Hadding, ZGR 2001, 712, 714; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 28; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 279. 54
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fehlen muss.56 Für die anderen kann eine Innengesellschaft durchaus eine Gesamthand sein.57 Die Gesellschaft sei dann zwar nicht nach außen rechtsfähig (d. h. ein Rechtssubjekt), sondern bloß nach innen (und damit kein Rechtssubjekt), indem sie ausschließlich im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander „Rechtsträger“ des Gesellschaftsvermögens (§§ 718 Abs. 1, 719 Abs. 1 BGB) ist.58 Eine Innengesellschaft kann demzufolge ein Gesamthandsvermögen haben, ohne jedoch ein Rechtssubjekt (d. h. eine Außengesellschaft) zu sein, vorausgesetzt, sie tritt nicht selbst im Rechtsverkehr auf. Allein weil die h. M. verkennt, dass hinter dem Gegensatz von Innen- und Außengesellschaft der von societas und Gesamthand steht, kann sie die Innengesellschaft als eine Gesamthand fehldeuten. Und da es zudem für die Unterscheidung zwischen der societas und der deutschen Gesellschaft (als einer Gesamthand) auch nicht auf das Auftreten nach außen ankommt (so aber die h. M.), sollte es vermieden werden, beide einander als Innen- und Außengesellschaft gegenüberzustellen. Richtiger Kern der zumindest missverständlichen Beschreibung der Innengesellschaft durch die h. M. ist jedoch, dass die societas als Innengesellschaft nicht nach außen auftreten muss. Sie kann vielmehr auch bloß eine „stille Gesellschaft“ sein, sodass die Vorschriften über die stille Gesellschaft des Handelsrechts (§§ 230–236 HGB) subsidiär auf eine BGB‑Gesellschaft als eine societas Anwendung finden können.59 Der geschäftsführende Gesellschafter kann deshalb zwar auch nach außen allein im eigenen Namen und nicht auch 56 BGHZ 126, 226, 234 („Innengesellschaft ohne Bildung von Gesamthandsvermögen“); RGZ 166, 160, 163; Habermeier, in: Staudinger, BGB, 2003, § 705 Rn. 58–59; Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 280. 57 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 28; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 27; Beuthien, NZG 2011, 161, 163, 165, für den sich die Innengesellschaft allein dadurch auszeichnet, dass sie nicht darauf angelegt ist, Rechtsgeschäfte mit Dritten abzuschließen; Hadding, ZGR 2001, 712, 715; Westermann, NJW 2016, 2625, 2628. 58 So ausdrücklich leider nur Beuthien, NZG 2011, 161, 164; ihm folgend Hadding/ Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 28. Wenn nach Hadding, ZGR 2001, 712, 715, ein vorhandenes Gesamthandsvermögen eine Innen-GbR nicht zu einer rechtsfähigen GbR macht, steht „rechtsfähig“ für die Außengesellschaft als Rechtssubjekt, sodass die Innen-GbR durchaus nach innen „Rechtsträger“ für das Gesamthandsvermögen sein kann. Für Decker, ZGR 2013, 392, 408, hat eine reine Innen-GbR „keine eigene Rechtspersönlichkeit“, weil sie „als solche nicht am Rechtsverkehr teilnimmt“. Das erfasst allein die „Rechtsträgerschaft“ nach außen, nicht die nach innen. 59 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 834, Fn. 23. Nach Habermeier, in: Staudinger, BGB, 2003, § 705 Rn. 60, sollen die Regelungen des HGB zur stillen Ge sellschaft sogar weitgehend an die Stelle derjenigen zur GbR treten; so auch Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 287, wonach „im Wege der teleologischen Reduktion“ die §§ 705–740 BGB insoweit zurücktreten sollen, als die analog anwendbaren Vorschriften über die stille Gesellschaft des Handelsrechts (§§ 230–236 HGB) Spezialnormen enthalten.
B. Die Unterscheidung zwischen Außen- und Innengesellschaft
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in dem der übrigen Gesellschafter auftreten, dabei nach innen aber auf deren Rechnung handeln.60 Das muss jedoch bei der Innengesellschaft, anders als es die h. M. behauptet, nicht stets der Fall sein.61 Der geschäftsführende Gesellschafter kann, und das bildet bei der GbR als einer societas den gesetzlichen Regelfall (vgl. § 714 BGB), durchaus die anderen Gesellschafter nach außen im Rechtsverkehr mit Dritten vertreten (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB).62 Hierdurch wird die societas aber nicht zu einer Außengesellschaft, sondern bleibt ein rein schuldrechtliches und damit internes Verhältnis der socii und dementsprechend eine Innengesellschaft. Dies folgt bereits aus der Regelung des § 714 BGB, die inhaltlich der Vorschrift des § 640 Abs. 1 E I entspricht. Dem ersten Entwurf zum BGB lag zwar noch ausschließlich die römische societas als ein bloß obligatorisches Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern zugrunde, dem im Rechtsverkehr mit Dritten keine Bedeutung zukommt.63 Die Gesellschaft des ersten Entwurfs zum BGB war demgemäß eine reine Innengesellschaft, gleichwohl war bereits bei ihr als einer römischen societas der geschäftsführende Gesellschafter „im Zweifel auch als bevollmächtigt zur Vertretung der übrigen Gesellschafter anzusehen“ (§ 640 Abs. 1 E I).64
2. Das fehlende Gesamthandsvermögen Der Dualismus von Innen- und Außengesellschaft ist im Gegensatz zur h. M. in Wahrheit der Gegensatz von römischer und deutscher Gesellschaft und dementsprechend zwischen einer rein schuldrechtlichen Beziehung der Gesellschafter untereinander und einer Gemeinschaft zur gesamten Hand.65 Und weil eine Vermögensgemeinschaft zur gesamten Hand notwendig eine Personengemeinschaft als Gesamthand voraussetzt, ist es bei einer Innengesellschaft als einer societas schon von vornherein ausgeschlossen, dass sie ein Gesellschaftsvermögen zur gesamten Hand besitzt.66 Gleichwohl kann selbst eine 60 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 25, im Anschluss an RGZ 166, 160, 163; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 45; Westermann, NJW 2016, 2625, 2626. 61 So aber Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 279; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, vor § 705 Rn. 28; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 25. 62 Anders ausdrücklich Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 33; ebenso von Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 705 Rn. 33. 63 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 330. 64 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVI. 65 So auch Flume, ZHR 136 (1972), 177, 181 (= Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 6); anders BGHZ 12, 308, 314 im Anschluss an RGZ 166, 160, 163; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, vor § 705 Rn. 28; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 279–280. 66 Ebenfalls K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 717; Flume, ZHR 136 (1972), 177, 181
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Innengesellschaft (d. h. eine societas) über ein „gemeinschaftliches Vermögen“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB verfügen. Anders als bei der Außengesellschaft ist das Gesellschaftsvermögen nur ein solches nach Bruchteilen und nicht zur gesamten Hand. Gemäß § 631 Abs. 4 E I sollte im Zweifel anzunehmen sein, „dass den Gesellschaftern an den gemeinschaftlich gewordenen Gegenständen gleiche Anteile zustehen“.67 Die socii bilden hiernach also eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (communio). In den Motiven heißt es dazu: „Durch die Einbringung von Gegenständen dem Rechte nach entsteht kein Eigentum der Gesellschaft im Gegensatz zu den Gesellschaftern, auch keine Einheit oder Geschlossenheit des Gesellschaftsvermögens im Sinne des (…) HGB (d. h. zur gesamten Hand, Anm. d. Verf.). Vielmehr steht an den einzelnen Gegenständen jedem Gesellschaftern ein bestimmter, und zwar nach der Interpretationsregel des 4. Abs. (des § 631 E I, Anm. d. Verf.) im Zweifel ein gleicher Anteil zu; es entsteht also an den gemeinschaftlich gewordenen Sachen Miteigentum der Gesellschafter nach bestimmten Quoten, gemeinschaftlich gewordene Forderungen sind unter die Gesellschafter nach bestimmten Maßstab geteilt.“68
In diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn nach dem ersten Entwurf zum BGB bei der societas „dasjenige, was ein zur Vertretung bevollmächtigter Gesellschafter aus der Führung der Geschäfte der Gesellschaft erwirbt, (…) den Gesellschaftern nach Maßgabe des § 631 gemeinschaftlich“ werden sollte (so explizit § 641 Satz 1 E I).69 Trat der geschäftsführende Gesellschafter als befugter Vertreter der übrigen Gesellschafter auf (§ 714 BGB), sollten alle ipso iure an den einzelnen Gegenständen Anteile erwerben und so eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (d. h. eine communio) bilden. Selbst wenn der geschäftsführende Gesellschafter Sachen, Rechte oder Forderungen ausschließlich im eigenen Namen und damit ausschließlich in seiner Person erwarb, war er verpflichtet, diese Gegenstände „den übrigen Gesellschaftern dergestalt zu übertragen, dass es allen Gesellschaftern gemeinschaftlich wird“ (§ 641 Satz 2 E I).70 Bei der societas, die im ersten Entwurf zum BGB noch allein den Typus einer Gesellschaft bildete, entstand demnach stets ein gemeinschaftliches Ver(= Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 6); Habermaier, in: Staudinger, BGB, 2003, vor § 705 Rn. 63; anders Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 28; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 200–211. 67 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CV. 68 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 335. 69 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVI. 70 Abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. CVI.
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mögen der Gesellschafter i. S. einer Bruchteilsgemeinschaft.71 Auch wenn die Vorschriften des BGB über die Gesellschaft § 641 des ersten Entwurfs zum BGB nicht seinem Wortlaut nach übernommen haben, ist sein Regelungsinhalt dennoch im BGB durchaus enthalten, der deshalb selbst heute noch für die Innengesellschaft als societas gilt. Die zweite Kommission hat Satz 1 des § 641 E I nämlich nur deswegen gestrichen, weil sich dessen Inhalt „ohne Weiteres aus den Grundsätzen über die direkte Stellvertretung und die Vollmacht“ (d. h. aus den §§ 164–181 BGB) ergibt.72 Für Satz 2 des § 641 E I trifft ähnliches zu. Denn auch die Verpflichtung des geschäftsführenden Gesellschafters, die aus seiner Geschäftsführung im eigenen Namen erworbenen Sachen, Rechte und Forderungen zu vergemeinschaften („allen Gesellschaftern gemeinschaftlich“), folgt bereits aus §§ 713, 667 BGB (= §§ 639, 592 E I).73 Der geschäftsführende Gesellschafter wird bei der societas als Beauftragter (mandatum) für die anderen Gesellschafter tätig und ist ihnen gegenüber als seinen Auftraggebern aus diesem Grund verpflichtet, alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben (§ 667 BGB). Er ist deshalb bereits aus dem Auftragsrecht verpflichtet, Sachen, Rechte und Forderungen als „dasjenige, was er aus der Geschäftsführung im eigenen Namen erwirbt, (…) den übrigen Gesellschaftern dergestalt zu übertragen, dass es allen Gesellschaftern gemeinschaftlich wird“ (§ 641 Satz 2 E I).
III. Bewertung Es ist deshalb „entweder missverständlich oder regelrecht falsch“, wenn die h. M. die Existenz eines Gesellschaftsvermögens bei der Innengesellschaft verneint und die Sachen, Rechte und Forderungen, die dem gemeinsamen Zweck i. S. des § 705 BGB dienen sollen und in diesem Sinn solche der Gesellschaft sind, ausschließlich einem bestimmten Gesellschafter, d. h. seinem Privatvermögen, zuordnen will.74 Dies ist nur der Fall, wenn die Innengesellschaft eine stille Gesellschaft ist, vergleichbar mit der des Handelsrechts (§ 230 HGB); vergleichbar, da es bei der BGB‑Gesellschaft an dem Betrieb eines Handelsgewerbes fehlt (vgl. § 1 Abs. 2 HGB) und demgemäß die Vorschriften über die stille Gesellschaft nicht direkt anwendbar sein können. Umgekehrt ist die Außengesellschaft selbst dann eine solche, wenn sie tatsächlich nicht im Rechtsverkehr mit Dritten und damit nicht nach außen auf71 Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002, S. 118–119. 72 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 987. 73 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 987. 74 So aber Habermeier, in: Staudinger, BGB, 2003, vor § 705 Rn. 63.
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tritt. Sie ist bereits deswegen eine Außengesellschaft, weil die Gesellschafter einen gemeinsamen status einnehmen und daher die Fähigkeit besitzen, gemeinschaftlich Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen zu können. Es kommt für die kollektive Rechtsfähigkeit und demgemäß für die Eigenschaft als Außengesellschaft nicht darauf an, dass die Gesellschafter als Gesamthand auch tatsächlich Rechte und Pflichten haben. Es ist daher zumindest ungenau, wenn der BGH formuliert, dass die (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit besitze, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründe.75 Der BGH vermischt an dieser Stelle Rechts- und Handlungsfähigkeit, obgleich beide strikt voneinander zu trennen sind (so aber auch § 14 Abs. 2 BGB).76 Rechtsfähig ist auch derjenige, der nicht handlungsfähig ist, und dies gilt auch für die kollektive Rechtsfähigkeit, d. h. den gemeinsamen status (als Raum im Recht), den die Teilhaber einer Gemeinschaft zur gesamten Hand, hier also die Gesellschafter, zusammen innehaben. Auch aus diesem Grund ist die Gegenüberstellung von Außen- und Innengesellschaft durch die von deutscher Gesellschaft (als einer Gesamthand) und römischer societas zu ersetzen. Selbst Gierke, für den die deutsche Gesellschaft den Grundtypus der BGB‑Gesellschaft bildet und die GbR deshalb in der Regel eine Gemeinschaft zur gesamten Hand ist, betont schon 1917, dass die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705–740 BGB) nicht allein die deutsche, sondern auch die römische Gesellschaft (societas) erfassen, sodass die BGB‑Gesellschaft auch bloß ein reines Schuldverhältnis sein kann: „Es ist also auch heute ein Gesellschaftsvertrag möglich, der gleich der römischen societas lediglich Schuldvertrag ist, (…) sodass keine gesamte Hand und kein Gesellschaftsvermögen entsteht.“77 Auch an dieser Stelle offenbart sich erneut, dass sich das heute geltende Recht, hier der Gesellschaft des BGB, aber dadurch auch das der Gesellschaften des HGB (OHG und KG) erst durch einen Rekurs auf Gierke und seine Rechtsfigur der deutschen Gesamthand wirklich in seiner Tiefe verstehen lässt.
C. Resümee Die Gesellschaft des BGB war im ersten Entwurf noch eine römische Gesellschaft (societas). Der Gesellschaftsvertrag erzeugte als reiner Schuldvertrag daher ausschließlich Rechte und Pflichten zwischen den Gesellschaftern (socii). Rechtshandlungen eines Gesellschafters, die er gegenüber Dritten vornahm, wirkten demgemäß nur für und gegen ihn und umgekehrt, nicht jedoch 75
BGHZ 146, 341, 341.
76 Dazu § 9. 77 Gierke, Deutsches
Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 834–835.
C. Resümee
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ipso iure für die übrigen Gesellschafter und erst recht nicht für die Gesellschaft selbst, da jene als societas nach außen keine Einheit bildete. Der Gesellschafter, der für die societas auftrat, musste deshalb für sich selbst im eigenen Namen und für die anderen Gesellschafter jeweils als Stellvertreter im fremden Namen handeln und so sich selbst und jeden einzelnen seiner Mitgesellschafter für sich auf einen Anteil berechtigen oder verpflichten oder das, was er im eigenen Namen aus der Geschäftsführung für die „Gesellschaft“ erworben hatte, gemeinschaftlich machen, indem er Anteile daran an seine Mitgesellschafter übertrug. Aber auch in Bezug auf ihr Gesellschaftsvermögen waren die Gesellschafter eine Vielheit und nicht eine Einheit. Ein Gesellschaftsvermögen im eigentlichen Sinn gab es hier noch nicht.78 Denn jeder Gesellschafter besaß für sich allein jeweils einen Anteil an den einzelnen Sachen, Rechten und Forderungen, die das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter bildeten. Das, was als Gesellschaftsvermögen galt, waren die „zusammengefassten Bestandteile des Vermögens der einzelnen Gesellschafter“.79 Den Gesellschaftern war es zwar schuldrechtlich untersagt, über ihre Anteile an den einzelnen Gegenständen, die zum Gesellschaftsvermögen gehörten, zu verfügen, gleichwohl waren sie dazu in der Lage. Ein Gesellschafter oder dessen Gläubiger konnten dadurch das Gesellschaftsvermögen jederzeit zerschlagen und auf diese Weise die Erreichung des Gesellschaftszwecks, weswegen sich die Gesellschafter ja erst zu der societas zusammengeschlossen und wofür sie das gemeinschaftliche Vermögen gebildet hatten, vereiteln. Damit nun das Gesellschaftsvermögen der gemeinsamen Zweckverfolgung der Gesellschafter uneingeschränkt dienen konnte, verlieh der zweite Entwurf zum BGB dem schuldrechtlichen Verfügungsverbot dingliche Wirkung. Ein Gesellschafter war jetzt schon von vorherein nicht mehr dazu imstande, über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen zu verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB). Trat ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, wuchs zudem sein Anteil den übrigen Gesellschaftern automatisch (ipso iure) zu, ohne das hierfür noch ein Übertragungsakt erforderlich war (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gesellschaft erhielt so ein in sich geschlossenes Gesellschaftsvermögen, das ein gemeinschaftliches Sondervermögen der Gesellschafter war (§ 718 Abs. 1 BGB). Auch wenn die Verfasser des BGB darin eine Ausgestaltung der Gesellschaft „nach den Grundsätzen der gesamten Hand“ sahen,80 war die Gesellschaft keine deutsche Gesamthand, 78 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989. 79 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989. 80 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989.
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§ 7 Die Genese der Gesellschaft im BGB
sondern zunächst einmal bloß eine modifizierte societas, als das BGB im Jahr 1900 geltendes Recht wurde. Die Gesellschaft des BGB war zwar eine Vermögensgemeinschaft und insofern im Ansatz eine Gesamthand, als das Gesellschaftsvermögen ein gemeinschaftliches der Gesellschafter war. Dennoch blieb sie weiterhin ein Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern und war insoweit immer noch eine societas. Das, was die Gesellschafter für die Gesellschaft erwarben, wurde als Sache, Recht oder Forderung Teil des gemeinschaftlichen Vermögens der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB), sodass die Gesellschafter eine Vermögensgemeinschaft im Sinn einer Gesamthand bildeten. Schuldner waren jedoch weiterhin die Gesellschafter jeder für sich als Gesamtschuldner (§§ 421, 427, 431 BGB). Sie hafteten dementsprechend jeder für sich mit ihrem gesamten Vermögen und daher mit ihrem Privatvermögen sowie mit ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen, über den sie aber nicht mehr allein, sondern nur noch zusammen mit den übrigen Gesellschaftern verfügen konnten (§ 719 Abs. 1 BGB). Das „ganze Gesellschaftsvermögen“ sollte nun aber nach dem Willen der Verfasser des BGB „zur Deckung der Lasten und Schulden der Gesellschaft gebunden“ sein.81 Es sollte also dazu dienen, die „gemeinschaftlichen Schulden“ (Gesellschaftsschulden) zu tilgen (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Solche „gemeinschaftlichen Schulden“ gab es jedoch bei der BGB‑Gesellschaft an sich nicht, hafteten doch die Gesellschafter als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§§ 421, 427, 431 BGB), sodass jeder von ihnen für sich allein verpflichtet war, an den Gläubiger „die ganze Leistung zu bewirken“ (§ 421 Satz 1 BGB). Das, was jeder für sich allein als Ganzes zu leisten hat, können weder alle zusammen als Ganzes noch jeder lediglich zu einem Teil als „die geschuldete Leistung an den Gläubiger“ bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB). Und da nur alle zusammen über das Gesellschaftsvermögen und die dazu gehörenden Gegenstände verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB), kann der einzelne Gesellschafter auch nicht allein als Gesamtschuldner die geschuldete Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen an den Gläubiger erbringen.82 Durch eine Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen konnten die Gesellschafter dementsprechend ihre gemeinschaftlichen Schulden im eigentlichen Sinn gar nicht tilgen (§ 362 Abs. 1 BGB) und so konnte das Gesellschaftsvermögen seinem Zweck, die „Schulden der Gesellschaft“ zu decken, im Rechtssinne nicht dienen. Die BGB‑Gesellschaft konnte sich daher nicht darin erschöpfen, als modifizierte societas eine Vermögensgemeinschaft und damit bloß ein Sonder81 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 82 BGHZ 146, 341, 344.
C. Resümee
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vermögen der Gesellschafter zu sein. Die Gesellschafter mussten, so hier schon einmal als These und Ausblick auf den Fortgang der Dogmengeschichte im BGB formuliert, schließlich mit Notwendigkeit auch gemeinschaftliche Schuldner i. S. einer Gesamthand sein. Den Keim für diese Entwicklung der Gesellschaft von einer modifizierten societas hin zu einer deutschen Gesamthand haben die Verfasser des BGB dadurch gelegt, dass sie das „Wesen der gesamten Hand“, auf das sie sich ja eigentlich gar nicht festlegen wollten,83 in § 719 Abs. 1 BGB (gesamthänderische Bindung) und § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB (Anwachsungsprinzip) als geltendes Recht verankert haben. Sie haben auf diese Weise aus der Gesellschaft des BGB „die ‚Urfigur der Gesamthand“ gemacht, sodass in der Folge „das Recht der Gesellschaft als Gesamthand paradigmatisch für die Gesamthand an sich ist“.84 Dass der Gesellschaft, die im ersten Entwurf zum BGB noch als reine societas ausgestaltet war, im zweiten Entwurf lediglich „in unvollständiger Weise das Gesamthandsprinzip ‚darüber gestülpt‘ wurde“, hat für das heute geltende Recht den Vorzug, dass die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) nicht nur die deutsche Gesellschaft als Gesamthand erfassen, sondern auch weiterhin die societas des römischen Rechts als reines Schuldverhältnis.85 Der Dualismus von deutscher und römischer Gesellschaft ist für das geltende Recht dabei auch keineswegs überkommen, vielmehr lebt er in der Unterscheidung der h. M. zwischen Außen- und Innengesellschaft fort. Wenn die h. M. jedoch Außen- und Innengesellschaft danach unterscheidet, dass bei einer Außengesellschaft die Gesellschafter gemeinsam nach außen und in diesem Sinn offen als eine Gesellschaft auftreten (daher auch offene Handelsgesellschaft, weil die Gesellschafter hier unter einer gemeinschaftlichen Firma offen nach außen in Erscheinung treten, § 105 Abs. 1 HGB), bei einer Innengesellschaft es daran aber fehlt, ist das „missverständlich oder“ sogar „regelrecht falsch“ (K. Schmidt).86 Die societas ist nur deswegen eine Innengesellschaft, weil der Gesellschaftsvertrag allein unter den Gesellschaftern schuldrechtliche Rechte und Pflichten erzeugt. Die Gesellschafter sind gleichwohl imstande, gemeinsam als societas am Rechtsverkehr teilzunehmen, indem sie alle zusammen handeln oder ein Gesellschafter für die anderen als Stellvertreter fungiert. Dann wird freilich nicht die societas selbst berechtigt oder verpflichtet. Aus ihr wird dadurch, dass sie nach außen (offen) hervortritt, also nicht eine Außengesellschaft, das ist ausschließlich die deutsche Gesellschaft als eine Gesamthand.87 Die Gesellschafter werden jeder für sich 83 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 84 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2. 85 BGHZ 146, 341, 343 (Zitat). 86 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 43 II 3 a) (S. 1288). 87 K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 717.
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Gläubiger und Schuldner. Auch kann die societas als Innengesellschaft durchaus ein gemeinschaftliches Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) haben. Nur ist das Vermögen dann nicht eines zur gesamten Hand, sondern eines nach Bruchteilen (§ 741 BGB).88 Die Gegenüberstellung von Außen- und Innengesellschaft ist daher durch die Unterscheidung zwischen deutscher Gesellschaft als Gesamthand und societas als reinem Schuldverhältnis zu ersetzen.89 Beide differieren darin, dass die Gesellschafter bei einer deutschen Gesellschaft im Gegensatz zu denen einer societas im Recht einen gemeinsamen status einnehmen und fähig sind, in Gemeinschaft Rechte und Pflichten haben zu können. Allein in dem Sinn, dass die Gesellschafter insofern nach außen als Gesamthand eine Einheit sind, ist die deutsche Gesellschaft eine Außengesellschaft, die societas aber bloß eine Innengesellschaft, da ihr diese Einheit fehlt und die Gesellschafter auch im Verkehr mit Dritten eine Vielheit bleiben. Die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) sind demgemäß jeweils entweder bezogen auf die societas oder aber auf die deutsche Gesellschaft zu lesen und dabei durch die Rechtsnatur von societas oder Gesamthand zu ergänzen. Bei der societas sind subsidiär die Bestimmungen aus dem ersten Entwurf zum BGB anzuwenden, da dort die Gesellschaft noch ausschließlich eine societas war, sodass hier ihr Wesen als reines Schuldverhältnis gewissermaßen noch voll und ganz und damit unverfälscht zum Ausdruck kommt. Für die deutsche Gesellschaft als eine zur gesamten Hand sind dagegen die Bestimmungen über die Handelsgesellschaften, in erster Linie die der OHG, maßgeblich, da hier – um es mit Gierkes Worten zu sagen – der „Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ verwirklicht ist.90 Damit ist zunächst einmal die Dogmengeschichte der BGB‑Gesellschaft bis zu dem Zeitpunkt nachgezeichnet, als sie zunächst noch nicht als deutsche Gesamthand, sondern ursprünglich bloß als modifizierte societas in das BGB eingegangen ist. Darauf aufbauend gilt es nunmehr, die Entwicklung der Gesellschaft im BGB zu einer deutschen Gesamthand zu rekonstruieren, sodass „das Recht der Gesellschaft als Gesamthand“ tatsächlich als „paradigmatisch für die Gesamthand an sich“ und insofern die Gesellschaft als „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ gelten kann.91
88
Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 33. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 6. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670 (Zitat); siehe dazu auch Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 991, wonach die offene Handelsgesellschaft ein „typisches Beispiel der gesamten Hand“ sei. 91 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2 (Zitat). 89 90
§ 8
Die Rechtsfähigkeit Die Zielsetzung dieses Werks besteht darin, überzeugend darzulegen, dass die Gesellschafter die Träger der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen sind, indem sie im Recht zusammen einen status einnehmen, der ihnen in Gemeinschaft die Fähigkeit verleiht, zusammen Rechte und Forderungen (§§ 718, 719 BGB), aber auch Schulden (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) haben zu können. Die Gesellschafter sind insofern kollektiv rechtsfähig. Somit steht die Grundthese der Arbeit im Widerspruch zur heute h. M. (Gruppenlehre), die in der Gesellschaft als eine Gesamthand das Rechtssubjekt sieht. Die Gesellschaft selbst (als eine Gesamthand) soll die alleinige Trägerin der Rechte, Forderungen und Schulden sein, die Gesellschafter dagegen sollen hieran keinen Anteil haben. Dass diese Vorstellung der heute h. M. (Gruppenlehre) nicht mit der deutschrechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts übereinstimmt, die Gierke im Anschluss an Beseler entwickelt hat und deshalb die dogmengeschichtliche Grundlage für die Vorschriften über die Gesellschaft im BGB (§§ 705–740 BGB) bildet, konnte schon aufgezeigt werden. Damit ist zwar ein Zwischenziel erreicht, jedoch gilt es nun, aufbauend auf die zuvor erfolgte Darstellung der Gesetzgebungsgeschichte (§ 7), die dogmengeschichtliche Entwicklung innerhalb des BGB weiterzuverfolgen. Denn nur auf diese Weise kann es gelingen, den Nachweis dafür zu führen, dass dem BGB als dem heute geltenden Recht in Wirklichkeit die Theorie der deutschen Gesamthand und nicht die Gruppenlehre als momentan ganz h. M. zugrunde liegt.
A. Eine Hinführung I. Die individualistische Gesamthandslehre Als das BGB im Jahr 1900 in Kraft trat und damit die dogmengeschichtliche Entwicklung der Gesellschaft im BGB begann, war jene, wie die Gesetzgebungsgeschichte gezeigt hat,1 noch nicht wirklich eine deutsche Gesamthand, sondern bloß eine modifizierte römische societas. Daran knüpfte die traditionelle Ansicht und bis in die 1970er-Jahre fast unangefochtene frühe1
Dazu § 7.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
re h. M. als „individualistische Gesamthandslehre“ an, indem auch sie in der BGB‑Gesellschaft und daher in der Gesamthand an sich ein Sondervermögen der Gesellschafter und dadurch eine lediglich in Bezug auf das gemeinschaftliche Vermögen abgewandelte societas (§§ 718 Abs. 1, 719 Abs. 1 BGB) sah.2 Als eine solche societas bestanden in der Gesellschaft allein zwischen den einzelnen Gesellschaftern (socii) gegenseitige Rechte und Pflichten. Traten die Gesellschafter als socii nach außen alle zusammen auf, verpflichtete sich jeder ausschließlich für sich selbst (vgl. §§ 421, 427, 431 BGB). Das galt auch, wenn nur einer von ihnen für die Gesellschaft (societas) handelte. Er trat dann als Beauftragter seiner Mitgesellschafter auf (vgl. § 713 BGB) und gab „im Zweifel“ nicht bloß für sich selbst, sondern daneben auch für jeden einzelnen von ihnen als Stellvertreter eine Willenserklärung ab (vgl. § 714 BGB). Weil stets die Gesellschafter für sich die Schuldner dieser Gesellschaftsverbindlichkeiten waren, hafteten sie wie auch sonst persönlich mit ihrem gesamten Vermögen (§§ 421, 427, 431 BGB). Die societas war nur insofern modifiziert, als die Gesellschafter nicht mehr wie sonst bei einer communio (Gemeinschaft nach Bruchteilen) frei über ihren Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen konnten (so § 719 Abs. 1 BGB). Für die traditionelle Auffassung war aus diesem Grund die Gesamthand bloß ein Sondervermögen. Weil aber die Forderungen Teil dieses Sondervermögens (vgl. § 719 Abs. 2 BGB) waren und ein Gesellschafter, der aus der societas ausschied, automatisch (ipso iure) aufhörte, Inhaber des „Gesellschaftsvermögens“ und damit Gläubiger der gemeinschaftlichen Forderungen zu sein, und umgekehrt ein Gesellschafter, der zur societas hinzukam, ipso iure Gläubiger dieser Forderungen wurde (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), hatte ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der Gesellschaftsforderungen.
2 Zöllner, in: FS Gernhuber, 1993, S. 563–578; ders., in: FS Claussen, 1997, S. 423, 429; ders., in: FS Kraft, 1998, S. 701–718; Hueck, in: FS Zöllner, 1998, S. 275–294 (S. 294: „Vorzug“ der „Gesetzesnähe“); Cordes, JZ 1998, 545, 551; Berndt/Boin, NJW 1998, 2854, 2861; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2000, C I 1 d) (S. 102–106), wonach die Gesellschafter als Gesamthänder „Rechtsträger eines Sondervermögens“ sind und nicht die Gesellschaft selbst ein Rechtssubjekt (S. 106); Keßler, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1991, vor § 705 Rn. 62; Schultze-v. Lasaulx, Soergel, BGB, 10. Aufl. 1969, vor § 705 Rn. 37: „Die ‚Gesellschaft‘ sind die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit (‚zur gesamten Hand‘). Diese Art der Zuordnung bewirkt, dass Rechte der ‚Gesellschaft‘ Rechte der Gesellschafter, Pflichten der ‚Gesellschaft‘ Pflichten der Gesellschafter sind.“ Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 348–366, wonach das „Vermögen zur gesamten Hand (…) allen zusammen“ gehört (S. 348). „Mehrere Personen“ sind hier „als Mitsubjekte des Vermögens verbunden“ (S. 356); Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 342, 351–352.
A. Eine Hinführung
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II. Die kollektive Gesamthandslehre Wenn das für Forderungen (und Rechte) gilt, so die „kollektive Gesamthandslehre“, die sich als eine Weiterentwicklung der „individualistischen Gesamthandslehre“ verstand, muss das auch für die Gesellschaftsschulden zutreffen. Indem dadurch Forderungen und Schulden zum gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) gehörten, erreichte die kollektive Gesamthandslehre zwar eine vollständige Kontinuität der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse selbst für den Fall, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausschied oder ihr beitrat, auf diese Weise verwischte aber zugleich die Grenze zwischen Schuld und Haftung. Denn nicht mehr die Gesellschafter, sondern das Vermögen war jetzt der Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, sodass es den Anschein hatte, dass das Gesellschaftsvermögen als solches der Rechtsträger sei und nicht mehr die Gesellschafter.3
III. Die Gruppenlehre und h. M. Weil jedoch eine Schuld nach Ansicht der h. M. (Gruppenlehre) immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen kann, ersetzte sie einfach das Gesellschaftsvermögen durch die Gesellschaft als Rechtssubjekt.4 Als Rechtssubjekt schiebt sich die Gesellschaft indes vor ihre Gesellschafter, sodass die Rechtsverhältnisse zu Dritten bei ihr enden und nicht mehr bis zu den Gesellschaftern durchdringen.5 Dadurch hat zwar ein Gesellschafterwechsel keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse. Weil aber die Gesellschafter nicht mehr die Subjekte der Rechtsbeziehungen sind, können sie (an sich) nicht mehr persönlich mit ihren Privatvermögen für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, sondern allein die Gesellschaft mit ihrem Gesellschaftsvermögen, das jetzt allein ihr gehören soll (anders freilich § 718 Abs. 1 BGB).
3 Nach Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 106, soll „auf dem einheitlichen Sondervermögen der Gesellschafter“ (§ 718 Abs. 1 BGB) „die Einheitlichkeit der Gesellschaft“ beruhen. Das Gesamthandsprinzip sei zwar darin zu sehen, „die Gesellschafter in ihrem Zusammenwirken zu einer Einheit zusammenzuschließen“, doch setze die juristische Konstruktion anders als bei der juristischen Person eben nicht auf der Subjektseite, sondern allein auf der Objektseite, d. h. beim einheitlichen Sondervermögen, an. 4 BGHZ 146, 341, 345. 5 Flume, ZHR 136 (1972), 177, 192.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
IV. Die Theorie der deutschen Gesamthand Die Gesellschaft ist als Gesamthand weder ein Sondervermögen noch ein Rechtssubjekt. Nur weil die Gesellschafter einen gemeinsamen status einnehmen, der ihnen als Rechtssubjekte (d. h. als Zuordnungsendpunkte) die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten vermittelt, sodass sie kollektiv rechtsfähig sind, gibt es ein „gemeinschaftliches Vermögen“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB. Erst aus der Personengemeinschaft folgt also eine Vermögensgemeinschaft und nicht umgekehrt. Die Gesellschafter sind die Rechtsträger der Gesellschaftsschulden i. S. des § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB und haften deshalb mit ihrem gesamten Vermögen dafür. Und weil der gemeinsame status die Gesellschafter zur Einheit formt, lässt ein Gesellschafterwechsel die mit der Gesellschaftergesamtheit bestehenden Rechtsverhältnisse unberührt, sofern nur der gemeinsame status derselbe bleibt. Die h. M. (Gruppenlehre) ist deswegen, so hier noch als These formuliert, durch die Theorie der deutschen Gesamthand zu ersetzen, um das von der h. M. selbst gesetzte Ziel zu erreichen: die „Verwirklichung des Gesamthandsprinzips“ im BGB.6 Zu diesem Zweck ist die Entwicklung nachzuzeichnen, die von der (Fehl-) Vorstellung, die Gesamthand sei bloß ein Sondervermögen der Gesellschafter, zu der von der Gesamthand (Gesellschaft) als einer Vermögensgemeinschaft geführt hat. Für die eigene Lösung (Theorie der deutschen Gesamthand) ist dieser Verlauf deshalb von besonderer Bedeutung, weil diese Vorstellungen von der Gesamthand als Vermögen durchaus etwas Richtiges getroffen haben: Die Gesellschafter sind zwar als Vielheit Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, doch sind sie es nicht unmittelbar. Vielmehr bildet etwas Anderes den Bezugspunkt für ihre Rechtsbeziehungen zu Dritten. Dieses Andere ist dabei nicht selbst ein Rechtsträger – und hier liegt denn auch der entscheidende Denkfehler der h. M. (Gruppenlehre), die meint, in der Gesellschaft selbst ein Rechtssubjekt erkennen zu müssen – sondern vermittelt lediglich die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten an die Gesellschafter als Rechtssubjekte. Weil es dabei stets auch um die Auseinandersetzung mit der h. M. (Gruppenlehre) geht, ist diese, aber auch die eigene Lösung („Theorie der deutschen Gesamthand“), in die Darstellung der dogmengeschichtlichen Entwicklung der Gesellschaft im BGB von einer zunächst einmal bloß modifizierten societas hin zu einer deutschen Gesamthand von heute miteinzubeziehen.
6
BGHZ 146, 341, 344 (Zitat).
B. Die Gesamthand als modifizierte societas
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B. Die Gesamthand als modifizierte societas (individualistische Gesamthandslehre) I. Die römische societas Die traditionelle Ansicht wird deshalb als „gesetzestreu“ bezeichnet, weil sie sich strikt an den Wortlaut der Vorschriften über die Gesellschaft hält (§§ 705– 740 BGB).7 Die Gesellschaft des BGB ist im Ausgangspunkt jedoch gerade nicht eine deutsche Gesamthand, sondern eine römische societas.8 Die societas ist ein reines Schuldverhältnis zwischen den Gesellschaftern und erzeugt ausschließlich unter ihnen Rechte und Pflichten.9 Weil sie als Innengesellschaft nach außen keine Einheit ist, wirken die Rechtshandlungen des einzelnen Gesellschafters gegenüber Dritten (und umgekehrt) ausschließlich für und gegen ihn und deshalb weder für und gegen die übrigen Gesellschafter noch für und gegen die Gesamtheit der socii, da es eine solche Gesamtheit bei der societas nicht gibt.10 Die Mitgesellschafter haben aus diesem Grund gegen den jeweils geschäftsführenden Gesellschafter lediglich aus Auftragsrecht (mandatum) einen schuldrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten (§§ 713, 667 BGB) und sind ihm als Beauftragtem ihrerseits zum Ersatz seiner Aufwendungen verpflichtet (§§ 713, 670 BGB).11 Selbst wenn der geschäftsführende Gesellschafter seine socii rechtsgeschäftlich vertritt (vgl. § 714 BGB), gibt er nicht eine Willenserklärung für die societas als Gesamtheit der socii ab, sondern für sich und für jeden einzelnen seiner Mitgesellschafter.12 Die römische societas ist deshalb im Gegensatz zur Gesamthand des deutschen Rechts nicht Einheit, sondern nur eine Vielheit der socii.13 Jeder der Gesellschafter ist folglich für sich allein Zuordnungsendpunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten.
7 8
Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 1, 7. Dazu § 7. 9 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 7; Honsell, Römisches Recht, 8. Aufl. 2015, S. 148. 10 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 7, sowie Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 9. Aufl. 2001, S. 254. 11 Dazu Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 9. Aufl. 2001, S. 254. 12 Eine (direkte) Stellvertretung gab es im römischen Recht nicht und daher auch nicht bei der societas (Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 9. Aufl. 2001, S. 254, 320; vgl. Meder, Rechtsgeschichte, 6. Aufl. 2017, S. 77). Erst durch den Einfluss des kanonischen Rechts, dort war eine Eheschließung durch einen Stellvertreter trotz ihres höchstpersönlichen Charakters erlaubt, setzte sich der Gedanke einer Stellvertretung allmählich auch im weltlichen Recht durch (so Meder, aaO., S. 165). 13 Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1971, S. 574, der hier aber die deutsche Gesamthand als Körperschaft missversteht; K. Schmidt, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 741 Rn. 2, wonach die Bruchteilsgemeinschaft „subjektive Vielheit, nicht Einheit“ ist.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
II. Die römische communio Bei der societas steht das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) demgemäß nach Bruchteilen im Miteigentum der socii (communio).14 Jeder der Gesellschafter ist für sich zu einem ideellen Anteil (Bruchteil), der nur ihm gehört, Inhaber („Eigentümer“) des gemeinschaftlichen Vermögens. Den Ausgangspunkt für dieses Miteigentum nach Bruchteilen (communio) bildet die Ansicht des römischen Juristen Celsus, die Ulpian in D. 13, 6, 5, 15 Ulpianus libro vicensiomo octavo ad edictum überliefert: „Und er sagt, dass von zwei Personen nicht jede die ganze Sache im Eigentum (in solidum dominium) haben oder besitzen könne und dass auch keiner von ihnen Eigentümer eines (realen) körperlichen Teils der Sache sein könne; vielmehr habe jede zu gleichen (ideellen) Teilen (Mit-) Eigentum an der ganzen (real ungeteilten) Sache.– et ait duorum quidem in solidum dominium vel possessionem esse non posse: nec quemquam partis corporis pro indiviso pro parte dominium habere.“15
Da die Sache tatsächlich ungeteilt ist, kann keine der zwei Personen jeweils für sich (Allein-) Eigentum an einem realkörperlichen Teil der Sache haben. Dass die beiden jeder für sich (Allein-) Eigentümer der ganzen (real ungeteilten) Sache sind (dominium plurium in solidum) und damit gleichsam jeder zu 100 % Eigentümer ist, lehnt Celsus hier ebenfalls ab. Dahinter steht der in § 903 BGB formulierte römische Eigentumsbegriff, wonach ein Eigentümer mit seiner Sache frei nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann.16 Wenn aber mehreren Personen (Allein-) Eigentum zugeschrieben wird, kommt es zu einem (scheinbar) „ungelösten Eigentumskonflikt“, denn jeder von ihnen kann eben gerade nicht frei nach Belieben mit der gemeinsamen Sache verfahren, insbesondere kann er nicht wie ein Alleineigentümer über das Eigentum an der ganzen Sache verfügen – auch ein An14 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 9 und 14; Honsell, Römisches Recht, 8. Aufl. 2015, S. 148; Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 24; Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, S. 35–39. Dazu Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 244, wonach der Ausdruck „gemeinschaftliches Eigentum“ (vgl. § 706 Abs. 2 Satz 1 BGB) dasselbe bedeutet wie „Miteigentum“. 15 Übersetzung hier frei nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis, Bd. 3, 1999, S. 168. 16 Honsell, Römisches Recht, 8. Aufl. 2015, S. 56. Einen Überblick zur Lehre des dominium plurium in solidum und des Gesamteigentums im deutschen Recht gibt Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 295–311; ausführlich Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, S. 95–105, 111–130; dazu auch Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 375–393, für den das deutsche Gesamteigentum und das dominium plurium in solidum des Naturrechts aber nicht ein und dasselbe sind (S. 377–378). Das Gesamteigentum ist für ihn vielmehr das Eigentum, das sowohl der Verbandsperson (als Körperschaft) als auch ihren Mitgliedern gemeinschaftlich zusteht (S. 382), sodass das Gesamteigentum auch nicht ein solches zur gesamten Hand ist (S. 387–393).
B. Die Gesamthand als modifizierte societas
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teil, über den er verfügen könnte, existiert hier nicht – oder die Sache ohne Rücksicht auf das Eigentum der anderen Person gebrauchen, auch die Früchte der Sache müssten an sich jedem zu 100 % zustehen, was indes der Logik zu widersprechen scheint.17 Ein Eigentum, das wie beim dominium plurium in solidum mehr als 100 % ausmacht, kann es eigentlich nicht geben. Deshalb teilt Celsus die körperliche Sache zwar nicht real, sondern lediglich gedacht auf die zwei Personen auf. Jede von ihnen erhält (Mit-) Eigentum an einem ideellen (Bruch-) Teil der ganzen (ungeteilten) Sache. Es kann daher so getan werden, als ob jeder für sich Alleineigentum an seinem ideellen Bruchteil der ganzen, körperlich ungeteilten und in diesem Sinn gemeinschaftlichen Sache hätte.18 Das Miteigentum ist insofern vollwertiges (Allein-) Eigentum, beide sind wesensgleich.19 Die zwei Personen sind jeder für sich Eigentümer ihres ideellen Anteils an der ganzen Sache. Bei der communio (Gemeinschaft nach Bruchteilen) im römischen Recht kann deshalb jeder Gemeinschafter (socius) über seinen ideellen Anteil, der sich rechnerisch in einer Bruchzahl (pars pro indiviso) ausdrücken lässt, unabhängig von den anderen socii frei verfügen, als ob er Alleineigentümer wäre, 20 und weil in der Gemeinschaft jeder für sich steht, kann jeder der socii auch jederzeit deren Aufhebung verlangen.21
17 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 244; vgl. auch Maurenbrecher, Lehrbuch des gesammten heutigen gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1840, S. 452: „Dass schon durch den Begriff zwei Eigentume an einer und derselben ganzen Sache ausgeschlossen sind, ist klar. Denn da jeder Eigentümer, als solcher, mit der ganzen Sache tun kann, was er will, so müssen zwei Eigentume notwendig gegenseitig sich aufheben. Das sog. deutsche Gesamteigentum, das ein Eigentum Mehrerer (dominium plurium in solidum) sein soll, von denen Jeder für Eigentümer des Ganzen erklärt wird, steht daher im Widerspruche mit der Logik.“ 18 Vgl. Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 244, wonach der Ausdruck „gemeinschaftlich“ für (real) „ungeteilt“ steht. 19 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 245, 247: „Man wird von dem Satze auszugehen haben, dass Miteigentum Eigentum ist.“; von Proff, in: Staudinger, BGB, 2015, vor § 741 Rn. 12; K. Schmidt, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 741 Rn. 2; BGHZ 172, 209 Rn. 11: „Miteigentum nach Bruchteilen ist seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig; es ist Eigentum und ein selbständiges Recht wie das ganze Recht.“ 20 So ausdrücklich Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1971, S. 590; für die Gemeinschaft des BGB gilt das in gleicher Weise (Aderhold, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 741 Rn. 1). 21 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 15, mit Verweis auf D. 12, 6, 26, 4 (Ulpian): „(…) niemand wird nämlich gegen seinen Willen in eine Bruchteilsgemeinschaft, in eine Gemeinschaft von Miteigentümern, gezwungen. – nemo enim invitus compellitur ad communionem.“
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III. Die „Gemeinschaft des BGB“ Auch die „Gemeinschaft“ des BGB ist eine communio und daher eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (vgl. § 741 BGB). Die gemeinschaftliche „Sache“22 ist auch hier nicht real, sondern allein gedanklich auf die Teilhaber (socii) aufgeteilt (vgl. § 742 BGB).23 Jeder Teilhaber hat einen ideellen Anteil, der nur ihm gehört und über den er selbständig verfügen kann (§ 747 Satz 1 BGB). Wirft die Sache Erträge ab („Früchte“; § 99 BGB), kann er davon den Bruchteil für sich beanspruchen, der seinem (ideellen) Anteil an der ganzen Sache entspricht (§ 743 Abs. 1 BGB). Weil die gemeinschaftliche Sache real ungeteilt ist, sind die Teilhaber (Subjekte) in der communio zwar ausschließlich über die Sache als Objekt miteinander verbunden, sodass sie als Subjekte getrennt bleiben und demgemäß nur eine „objektive Gemeinschaft“ unter ihnen besteht.24 Auch wenn ein Teilhaber mit seinem Anteil tun kann, was er will, muss er, weil die Sache ja real ungeteilt ist, auf die anderen socii Rücksicht nehmen. Er darf die Sache nur in dem Maß allein für sich nutzen, wie das den Mitgebrauch der übrigen Teilhaber (socii) nicht beeinträchtigt (§ 743 Abs. 2 BGB). Die socii können zudem nur gemeinschaftlich die ungeteilte Sache verwalten (§ 744 Abs. 1 BGB) und im Ganzen über sie verfügen (§ 747 Satz 2 BGB). Weil das aber der Natur der communio widerspricht, in der jeder Teilhaber für sich und daher gleichsam als Alleineigentümer steht, kann ein socius jederzeit die Auflösung („Aufhebung“) der Gemeinschaft verlangen (§ 749 Abs. 1 BGB). Die Aufhebung erfolgt durch eine Teilung in Natur. Die ganze Sache wird, soweit dies ohne Wertminderung möglich ist, real in gleichartige, den ideellen 22 Eine Gemeinschaft nach Bruchteilen kann zwar nicht nur in Bezug auf eine Sache, sondern auch in Bezug auf ein Recht (z. B. Forderung, vgl. § 754 BGB) bestehen, weshalb das BGB hier den allgemeinen Begriff des „gemeinschaftlichen Gegenstands“ gebraucht, aus Gründen der Anschaulichkeit und des Ursprungs der communio im Miteigentum an einer Sache, wird hier der Ausdruck „Sache“ verwendet. Obschon in dem Wort „Sache“ (ebenso auch in „Gegenstand“) der Aspekt der Körperlichkeit mitschwingt, ist das sprachlich nicht notwendig, so auch § 90 BGB, wonach Sachen nur (!) körperliche Gegenstände sind. Da für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 270, „Sache“ ein Rechtsbegriff ist, gibt es für ihn sowohl „körperliche“ als auch „unkörperliche“ Sachen (S. 271), daher sind für ihn selbst Forderungen unkörperliche Sachen (S. 273). 23 Für die h. M. (Einheitslösung) ist der gemeinschaftliche Gegenstand allein deshalb selbst ideell nicht geteilt (K. Schmidt, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 741 Rn. 2), weil sie – im Ergebnis zu Recht – verhindern will, dass jeder Teilhaber einen bestimmten (festen) körperlichen Teil der real ungeteilten Sache für sich allein beanspruchen kann. Das ist an dieser Stelle aber auch nicht gemeint, wenn hier von einer ideellen Teilung der gemeinschaftlichen Sache die Rede ist. Der Begriff „Rechtszuständigkeit“ (h. M.) steht daher für die Mitberechtigung („Teilrecht“) jedes Teilhabers an dem ganzen Gegenstand, und nur, weil der Gegenstand auch ein Recht sein kann, der gemeinschaftliche Gegenstand aber nach h. M. selbst ideell nicht geteilt sein soll, ist nicht das Recht, sondern die Rechtszuständigkeit geteilt (dort, Rn. 2). Das Miteigentum ist deshalb nicht nur Rechtszuständigkeit, sondern ein Recht an der Sache. 24 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268–269.
B. Die Gesamthand als modifizierte societas
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Anteilen der socii entsprechende Teile zerlegt und dementsprechend unter ihnen verteilt (§ 752 BGB). Die ideelle Teilung der gemeinschaftlichen Sache wird hier letztlich nur noch tatsächlich vollzogen, gleichsam in die Tat umgesetzt, sodass jeder Teilhaber nicht mehr nur gedacht, sondern jetzt auch wirklich für sich Alleineigentümer seines Anteils ist. Wenn eine Teilung in Natur ausgeschlossen ist, wird die gemeinschaftliche Sache verkauft, auf diese Weise in Geld umgewandelt – denn Geld ist stets teilbar – und der Erlös anschließend an die Teilhaber entsprechend ihrer ideellen Anteile ausgezahlt (§ 753 Abs. 1 Satz 1 BGB).25 Auch hier wird über den Umweg des Geldes die ideelle Teilung der Sache nun auch in der Realität vollzogen. Nach § 752 BGB kann eine communio auch an mehreren Gegenständen (Sachen, Rechten) und damit an einem Vermögen bestehen („falls mehrere Gegenstände gemeinschaftlich sind“). Das Vermögen ist nun aber bei der communio im römischen Recht und daher auch bei der Gemeinschaft des BGB nicht wie im deutschen Recht ein selbständiges Rechtsobjekt neben den Gegenständen, aus denen es besteht, vielmehr deckt es sich mit der Summe der Sachen und Rechte, die es erst bilden.26 Das Ganze ist hier nicht mehr als die Summe seiner Teile. Der (ideelle) Anteil des jeweiligen Gesellschafters am gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) ist hier deshalb noch nichts anderes als die Summe seiner (ideellen) Anteile an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Wenn demgemäß ein socius über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen verfügt, verfügt er tatsächlich nur über sämtliche seiner (ideellen) Anteile an den Gegenständen (Sachen, Rechten), aus denen sich das gemeinschaftliche Vermögen zusammensetzt.27 Der
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Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 752 Rn. 2–3. aber Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 53, über die „körperliche Gesamtsache“ im deutschen Recht, die als einheitliches Ganzes ein selbständiges Rechtsobjekt ist, das sich als solches nicht mit der Summe seiner jeweiligen Bestandteile deckt und daher selbst dann dasselbe bleibt, wenn die in ihm enthaltenen Einzelsachen ausgetauscht werden. Das gilt erst recht für das Vermögen, das Gierke ebenfalls als „einheitliches Rechtsobjekt“, und zwar als „unkörperliche Gesamtsache“, versteht, dem nicht nur körperliche (so bei der körperlichen Gesamtsache), sondern auch unkörperliche Sachen (damit auch Rechte) angehören können (S. 56). 27 Ähnlich Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 86, 92, wobei er aber unter „Anteil“ nicht einen ideellen Anteil versteht, sondern eine Rechtsmacht („subjektives Recht“) an den gemeinschaftlichen Gegenständen, die das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) bilden (S. 83). Diese Rechtsmacht kann der einzelne Gesellschafter („Teilhaber“) stets nur zusammen mit den anderen ausüben (S. 32–65). Das gilt gleichermaßen für Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthand. Sie unterscheiden sich allein darin, dass der Teilhaber in der Bruchteilsgemeinschaft über seine Stellung in der Rechtsgemeinschaft („Rechtsposition“) frei verfügen, vor allem auf einen Erwerber übertragen kann (§ 747 Satz 1 BGB), nicht aber in der Gesamthand (§ 719 Abs. 1 BGB), hier müssen deshalb die übrigen Gesellschafter zustimmen (S. 91–92). 26 So
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
jeweilige Gesellschafter ist allein in diesem Sinn Miteigentümer des gemeinschaftlichen Vermögens.28 Da das Vermögen bei einer communio nicht mehr ist als die Summe der gemeinschaftlichen Gegenstände und infolgedessen jeder Gegenstand ideell (rechnerisch nach Bruchteilen) unter den socii geteilt ist, erfolgt an sich auch für jeden einzelnen gemeinschaftlichen Gegenstand die Teilung in Natur, und zwar, indem jede einzelne Sache (oder das Recht) entsprechend den ideellen Anteilen der Teilhaber real zerstückelt und unter ihnen verteilt wird (vgl. § 752 BGB). Soweit die gemeinschaftlichen Gegenstände jedoch gleichartig sind, ist das gemeinschaftliche Vermögen als solches teilbar. 29 Sachen und Rechte werden in diesem Fall nicht einzeln, gleichsam jedes für sich zerlegt, vielmehr wird jedes als Ganzes auf die socii entsprechend dem jeweiligen Anteil aufgeteilt, den der Gesellschafter wertmäßig am Gesellschaftsvermögen hat.30 Bereits hier beginnt der Anteil des Gesellschafters am gemeinschaftlichen Vermögen die Summe seiner Anteile an den einzelnen dazugehörenden Gegenständen zu verdrängen; insofern ist deshalb schon bei der Gemeinschaft des BGB das gemeinschaftliche Vermögen als Ganzes (als solches) mehr als die Summe seiner Bestandteile.31
IV. Die gesamthänderische Bindung der Gesellschafter (§ 719 BGB) oder das „Gesellschaftsvermögen“ als ein dominium plurium in solidum Bei einer BGB‑Gesellschaft kann der einzelne Gesellschafter nun weder über seinen Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen noch über seine verschiedenen Anteile an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen; auch ist er nicht berechtigt, Teilung und damit die Aufhebung der Vermögensgemeinschaft zu verlangen (§ 719 Abs. 1 BGB). Die GbR scheint auf diese Weise lediglich eine modifizierte communio zu sein, indem der einzelne Teilhaber nicht – wie sonst üblich – jederzeit über seinen Anteil verfügen (§ 747 Satz 1 BGB) und die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen kann (§ 749 Abs. 1 BGB).32 28 In dieser Weise ist dann bspw. auch Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 9, zu verstehen, wenn an dieser Stelle von einem „Gesellschaftsvermögen“ die Rede ist, „das im Miteigentum der socii nach Bruchteilen steht“. 29 K. Schmidt, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 752 Rn. 8, 14. 30 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 752 Rn. 4. 31 BGHZ 140, 63, 67, wonach eine Bruchteilsgemeinschaft auch an einer „Sachgesamtheit“ bestehen kann; Madaus, ZHR 178 (2014), 98, 99. 32 Für Weber-Grellet, AcP 182 (1982), 316, 325–326, besteht deshalb das Charakteristikum nicht bloß der Gesellschaft, sondern der Gesamthand an sich im Ausschluss der Sonderverfügung über den Anteil an den einzelnen Gegenständen, aus denen sich das gemeinschaftliche Vermögen zusammensetzt. Das gelte selbst für die OHG. Auch hier seien daher die Gesellschafter (als Vielheit) die Rechtsträger. Obwohl die OHG selbst nicht rechtsfähig sei, könne sie für ihre Gesellschafter handeln, insbesondere für sie Rechte und Pflichten erwerben. Damit wäre sie dann jedoch ein handlungsfähiges, aber gerade nicht rechtsfähiges
B. Die Gesamthand als modifizierte societas
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Trotz dieser gesamthänderischen Bindung i. S. des § 719 Abs. 1 BGB sind die Gesellschafter „gemeinschaftliche Schuldner“ (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Und weil „gemeinschaftlich“ hier noch für die „Gesamtschuld“ steht (vgl. § 427 BGB: „gemeinschaftlich“), sind die socii nicht bloß Teilschuldner, sondern jeder für sich verpflichtet, die ganze Leistung zu bewirken (§ 421 Satz 1 BGB), sie haften daher „in solidum“.33 Jeder ist Schuldner der ganzen Verbindlichkeit (zu 100 %), indem die Schuld gleichsam vervielfältigt und jedem Gesellschafter eine ganze Verbindlichkeit zugeordnet wird. Weil aber die „gemeinschaftlichen Schulden“ das Gegenstück zum gemeinschaftlichen Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB bilden, sind die socii nicht mehr jeder für sich zu einem ideellen Anteil, der sich in einer Bruchzahl ausdrücken lässt, Inhaber des Gesellschaftsvermögens, sondern jeder Gesellschafter ist in Parallele zur Gesamtschuld Inhaber des gesamten Vermögens (d. h. in solidum), er ist Eigentümer der ganzen Sache und Inhaber der ganzen Forderung.34 Dadurch ist jedoch jeder der socii zu 100 % „Eigentümer“ des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) und damit auch der einzelnen dazu gehörenden Gegenstände.35 Es treffen hier infolgedessen mehrere inhaltsgleiRechtssubjekt (S. 329). Das allein vermag indes nicht zu überzeugen. Nach Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 72, 131–132, 278–279, unterscheiden sich bei der Gesamthand die „Anteile“ an den (gemeinschaftlichen) Gegenständen „nicht wesensmäßig“ von denen bei der Bruchteilsgemeinschaft, beide stimmen „in ihrer Struktur“ überein. Für Schulze-Osterloh, aaO., S. 83, ist ein „Anteil“ die Rechtsmacht des Teilhabers, d. h. das subjektive Recht, auf den gemeinschaftlichen Gegenstand „einzuwirken“. Das kann er aber nur zusammen mit den anderen („in Verbundenheit“), sodass für ihn, obgleich er das so nicht sagt, bereits die Gemeinschaft nach Bruchteilen eine Gesamthand ist (S. 80–81); insofern verzichtet er gerade nicht „praktisch auf das Kriterium der Verbundenheit“ bei der Gesamthand (a. A. Weber-Grellet, aaO., S. 319). Die Gesamthand unterscheidet sich für Schulze-Osterloh, aaO., S. 278, von der Bruchteilsgemeinschaft deshalb lediglich darin, dass sich die Rechtsmacht der „Teilhaber“ bei der Gesamthand auf mehrere und nicht bloß auf einen gemeinschaftlichen Gegenstand bezieht und ein Gesellschafter über seinen „Anteil“, d. h. seine Rechtsstellung in der Gesamthand, nicht frei verfügen kann (S. 83–84), sodass er dafür der Zustimmung seiner Mitgesellschafter bedarf (S. 91). 33 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 242 (Zitat). Allein insofern lässt sich die eine vermeintliche Gesamthandschuld in viele Gesamtschulden auflösen. Anders als es Meier, Gesamtschulden, 2010, S. 139–178, annimmt, ist die (echte) Gesamthandsschuld nicht „überflüssig“ (S. 177), da die Gesamthänder nicht jeder für sich (wie bei der Gesamtschuld), sondern in Gemeinschaft Schuldner sind (BGHZ 146, 341, 344–345). 34 Zu dieser „tradierten Auffassung“ siehe Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 7 und § 9 Rn. 14; selbst heute noch, zumindest im Allgemeinen, für die Gesamthand Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, Rn. 194. Auch wenn für Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 44, nicht das Recht, sondern die Zuständigkeit „vervielfacht“ ist, sind über die vervielfachte Zuständigkeit die Gesamthänder gleichfalls jeder (für sich) Eigentümer der ganzen Sache und Inhaber der ganzen Forderung, aus denen sich das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) zusammensetzt. 35 Für eine derartige „Vervielfältigung des Vollrechts“ bereits bei der Bruchteilsgemeinschaft Madaus, AcP 212 (2012), 251, 262–265.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
che und gleichrangige Rechte an ein und derselben Sache zusammen,36 sodass ein dominium plurium in solidum der Gesellschafter besteht.37 Das Eigentum jedes Gesellschafters an der ganzen Sache wird durch das inhaltsgleiche und gleichrangige Eigentum der übrigen socii beschränkt, sodass jetzt nur noch alle zusammen über das gemeinschaftliche Vermögen als Ganzes und über jeden einzelnen dazu gehörenden Gegenstand verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB).38
V. Der Standpunkt des historischen Gesetzgebers War die Gesellschaft im ersten Entwurf des BGB schuldrechtlich noch eine societas und sachenrechtlich das Gesellschaftsvermögen eine communio, wurde im zweiten Entwurf das Gesamthandsprinzip in unvollständiger Weise „darüber gestülpt“.39 Die socii konnten nun nicht mehr jederzeit frei (als Miteigentümer) über ihren ideellen Anteil am Gesellschaftsvermögen und den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB). Auch wenn die zweite Kommission ausdrücklich der Ansicht war, zum „Wesen der gesamten Hand“ nicht Stellung nehmen zu müssen, sah sie doch in dieser Beschränkung der Verfügungsfreiheit des Gesellschafters „das charakteristische Merkmal der gesamten Hand“.40 Im Ausgangspunkt war das Gesellschaftsvermögen deshalb selbst in den Augen der zweiten Kommission immer noch eine – wenn auch jetzt modifizierte – communio (Miteigentum nach Bruchteilen). Die Meinungen, wie diese „Rechtsgemeinschaft der gesamten Hand“ als eine modifizierte communio „theoretisch zu konstruieren sei“, gingen zwar in der Kommission auseinander.41 Dass ihre Mitglieder gleichwohl die Vorstellung hatten, bei der Gesellschaft sei jeder socius für sich (obschon nicht allein, so doch zusammen mit den übrigen Mitgesellschaftern und damit gleichsam nebeneinander) Inhaber des gesamten Gesellschaftsvermögens, Eigentümer der ganzen Sache und Inhaber der ganzen Forderung, zeigt sich an der Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen, für die ein Titel gegen alle Ge36 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 242 („Kollisionsfall“). 37 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 244, worin die Verfasser des BGB „einen ungelösten Eigentumskonflikt“ sehen. 38 Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen, 1992, S. 128, sieht darin das Wesen des Gesamthandseigentums, das sich aus dem dominium plurium in solidum entwickelt habe. 39 So Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 3–4; ihm folgend BGHZ 146, 341, 343. 40 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 41 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990.
B. Die Gesamthand als modifizierte societas
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sellschafter erforderlich ist (§ 736 ZPO). Denn nur wenn jeder Gesellschafter zu 100 % Eigentümer der geschuldeten Sache ist, können sie zusammen als Gesamtschuldner (solidarisch) und damit jeder für sich die ganze Leistung an den Gläubiger bewirken.42 Gedanklich erfüllt jeder Gesellschafter seine jeweilige Schuld allein, indem alle Gesellschafter nebeneinander und daher gleichsam simultan jeder für sich die geschuldete Leistung bewirken.43 Das ist eben nur dann möglich, wenn jeder socius (ideell) Eigentümer der ganzen geschuldeten Sache ist, die Sache hier also gedacht vervielfältigt wird, sodass jeder (Gesamt-) Schuld des einzelnen Gesellschafters gedanklich eine Leistung gegenübersteht.44 Damit aber alle Gesellschafter ihre jeweilige Gesamtschuld ideell jeder für sich gleichsam simultan tilgen können, müssen sie eben real alle zusammen die eine geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirken. Und aus diesem Grund ist jeder Gesellschafter durch die Mitberechtigung der anderen socii in seiner Verfügung über das real ungeteilte gemeinschaftliche Vermögen und die einzelnen dazu gehörenden Gegenstände beschränkt (§ 719 Abs. 1 BGB). Auch das Anwachsungsprinzip bei der Gesamthand, wonach der Anteil eines Gesellschafters am gemeinschaftlichen Vermögen den übrigen socii automatisch (ipso iure) zuwächst, wenn der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), spricht dafür, dass die Verfasser des BGB in der Gesamthand ein dominium plurium in solidum sahen. Der Gesetzgeber verstand das Anwachsungsprinzip bei der Gesellschaft zwar als wesentlich für die Rechtsfigur der Gesamthand,45 stellte hier jedoch keine ausdrückliche Beziehung zum dominium plurium in solidum her. Ein Zusammenhang zwischen beiden lässt sich gleichwohl mittelbar aus seinen Ausführungen zum Miteigentum ableiten. Das Anwachsungsprinzip oder die „Akkreszenz“ lehnt der historische Gesetzgeber an dieser Stelle explizit ab, weil hiernach „eigentlich jeder Teilhaber von vornherein Eigentümer der ganzen Sache und nur durch 42 Vgl. zum Zusammenhang zwischen der „solidarischen“ Haftung der socii, d. h. als Gesamtschuldner, und der „Zwangsvollstreckung in die zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Gegenstände“ Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, S. 993. 43 Die Kritik des BGH an der traditionellen Ansicht, der einzelne Gesellschafter könne, wenn sich der geschuldete Gegenstand im Gesellschaftsvermögen befinde, die Leistung wegen § 719 BGB nicht als Gesamtschuldner allein erbringen (BGHZ 146, 341, 344–345), geht zumindest insofern fehl. 44 Haften die socii nur als Teilschuldner (§ 420 BGB), findet eine Zwangsvollstreckung nach § 736 ZPO nicht statt (BGH, NJW 2007, 1813, 1815; Ulrici, in: BeckOK, ZPO, 31. Ed. 2018, § 736 Rn. 10; Heßler, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 736 Rn. 27, 28), da jeder Gesellschafter nicht bloß zu einem (Bruch-) Teil, sondern zu 100 % „Eigentümer“ des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) ist. 45 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1001 („notwendige Konsequenz“), und Denkschrift, in: Mugdan, aaO., S. 1260.
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das Recht der Genossen beschränkt (sei). Eine solche Anschauung steht aber mit dem Begriff des Eigentums in einem gewissen Widerspruch und macht aus dem Miteigentum einen Kollisionsfall (…)“.46 Ein solcher Kollisionsfall liegt beim dominium plurium in solidum vor, weil hier inhaltsgleiche und gleichrangige Rechte an derselben Sache zusammentreffen.47 Dies führt jedoch in den Augen der ersten Kommission zu einem „ungelösten Eigentumskonflikt“, sodass ein dominium plurium in solidum bei der Gemeinschaft des BGB, die ja eine römisch-rechtliche communio (Miteigentum nach Bruchteilen) ist, für den historischen Gesetzgeber (noch) „unmöglich“ war.48
VI. Das Vermögen der „deutschen Gesamthand“ oder ein Vermögen, das mehreren Rechtssubjekten in Gemeinschaft gehört Auch wenn bei der communio (Miteigentum nach Bruchteilen) jedem Gesellschafter nur ein ideeller Anteil der gemeinschaftlichen Sache gehört, beim dominium plurium in solidum aber jeder von ihnen Eigentümer der ganzen Sache ist, haben die socii doch in beiden Fällen jeder für sich (Allein-) Eigentum an der gemeinschaftlichen Sache. Beiden liegt die Vorstellung zugrunde, die Anzahl der Rechtssubjekte (socii) müsse der Anzahl der Rechtsobjekte (Sachen) entsprechen: Ein Rechtsobjekt kann immer bloß einem Rechtssubjekt zugeordnet werden.49 Nun stehen aber bei der Gesellschaft zwei oder mehr socii und demgemäß mehrere Rechtssubjekte einem Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), einem Rechtsobjekt, gegenüber. Während bei der communio die Anzahl der Rechtsobjekte auf die Anzahl der Rechtssubjekte erhöht wird, indem die gemeinschaftliche Sache ideell geteilt wird, wird dasselbe beim dominium plurium in solidum dadurch erreicht, dass die Sache gedanklich vervielfältigt wird, ohne sie (real und) ideell zu teilen. Jedes Rechtssubjekt hat dadurch ein Rechtsobjekt, das nur ihm gehört. Wenn die h. M. (Gruppenlehre) die Vielheit der Gesellschafter auf die Gesellschaft und damit auf ein Rechtssubjekt reduziert, steht dem einen gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) bloß noch ein Eigentümer gegen46 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 247. 47 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 242. 48 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 244. 49 Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 147, für den daher die Gesamthand ein Rechtssubjekt sein muss. Auch für Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 134, ist die Gesamthand ein Rechtssubjekt, weil ein Rechtsobjekt „logisch“ immer nur mit einer Einheit, d. h. einem Rechtssubjekt, in Beziehung stehen könne („Einheitszuständigkeit“) (aaO., S. 119).
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über. Auch hier gilt dann, dass ein Rechtssubjekt ein Rechtsobjekt hat. Weil aber für die h. M. (Gruppenlehre) deshalb die Gesellschaft und nicht (mehr) die Gesellschafter Eigentümerin des „Gesellschaftsvermögens“ (§ 718 Abs. 1 BGB) ist, fehlt es hier jetzt an einem „gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter“ (so aber § 718 Abs. 1 BGB).50 Die Gesellschaft ist dann jedoch nicht mehr ein Rechtsverhältnis und daher auch keine deutsche Gesamthand, sondern bereits ein Rechtssubjekt und dementsprechend eine Körperschaft des deutschen Rechts (= „reale Verbandsperson“). Bei der deutschen Gesamthand sind es stattdessen mehrere Rechtssubjekte (als Vielheit), denen ein „gemeinschaftliches Vermögen“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB zugeordnet ist. Weil die Gesellschafter die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind, sind sie auch Inhaber (Eigentümer) des „Gesellschaftsvermögens“ (§ 718 Abs. 1 BGB) und der einzelnen dazu gehörenden Gegenstände (Sachen, Rechte). Sie sind gemeinschaftlich Inhaber des Vermögens, weil hier gerade nicht jeder für sich Rechtsträger des gesamten Vermögens, Eigentümer der ganzen Sache und Inhaber der ganzen Forderung ist (so aber beim dominium plurium in solidum der traditionellen Ansicht), vielmehr sind sie vermittelt durch den einen gemeinsamen status, den sie im Recht zusammen innehaben und der ihnen eine kollektive Rechtsfähigkeit verleiht, Eigentümer des Gesellschaftsvermögens i. S. des § 718 Abs. 1 BGB. Bei der deutschen Gesamthand besteht nicht ein Nebeneinander, sondern ein Miteinander. Die Gesellschafter sind eine Vielheit, weil sie Zuordnungsendpunkte (Plural) der Rechte und Pflichten sind (so auch die traditionelle Ansicht), gleichzeitig sind sie eine Einheit, da sie vermittelt über die eine kollektive Rechtsfähigkeit (Singular) Träger der (gemeinsamen) Rechte und Pflichten sind und deshalb in den Rechtsverhältnissen zu außenstehenden Dritten (nur scheinbar) „die Stellung eines Rechtssubjekts“ (nicht aber einer Person) einnehmen (so aber die heute ganz h. M.).51 50 Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 718 Rn. 1 („hM“); Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 9 Rn. 3, 15, wonach sich § 718 Abs. 1 BGB „nur schwer mit dem neuen Verständnis“ der GbR als Rechtssubjekt „in Einklang bringen lässt“; aber bereits für Flume, ZHR 136 (1972), 177, 198, ist der Gesamthänder nur Mitglied in der Gesamthand als Gruppe. Der Bezugspunkt aller Rechtsbeziehungen ist die Gesamthand, sodass der Gesamthänder unmittelbar keinen Anteil am Gesamthandsvermögen hat, sondern nur mittelbar über seine Mitgliedschaft. Deshalb will Wilhelm, Sachenrecht, 5. Aufl. 2016, Rn. 180, das Vermögen sowohl der Gesellschaft als auch den Gesellschaftern zuordnen („weil die Gesellschaft aus den Gesellschaftern besteht“); so auch Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 718 Rn. 6. Auch das ist aber nicht die „Eigentumsgemeinschaft zur gesamten Hand“, sondern das „Gesamteigentum“, bei dem das Eigentum am Vermögen sowohl der deutschrechtlichen Körperschaft (Verbandsperson) als auch ihren Mitgliedern gemeinschaftlich zusteht (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 380–393, insb. S. 381, 382, 383). Deshalb ist jedenfalls für Gierke die Gesamthand nicht eine Untergruppe des Gesamteigentums (so allerdings Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 311 mit Fn. 109). 51 Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 117 (Zitat).
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Die einzelnen Gesellschafter treten vermittelt über die eine kollektive Rechtsfähigkeit an das Gesellschaftsvermögen heran, sodass ein (gemeinschaftliches) Eigentum daran besteht. Aus diesem Grund kann es aber weder dingliche Anteile am Gesellschaftsvermögen noch an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen geben. Weil die Gesellschafter gemeinschaftlich ein Eigentum an ihrem Gesellschaftsvermögen haben, ist es ihr Vermögen. Da sie als Vielheit Rechtsträger des Vermögens und daher (Mit-)Inhaber des Vermögens als Ganzes sind, hat der einzelne Gesellschafter nicht einen Anteil für sich am Gesellschaftsvermögen, es gehört allen zusammen. Der einzelne Gesellschafter kann deswegen nicht allein, sondern stets nur mit den übrigen Gesellschaftern zusammen über das gemeinschaftliche Vermögen und die einzelnen dazu gehörenden Gegenstände verfügen, auch ist er nicht berechtigt, die Teilung zu verlangen (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Da es im Gegensatz zur Gemeinschaft nach Bruchteilen (communio) bei der Gesamthand schon keine (sachenrechtlichen) Anteile am Vermögen gibt, gehört das dingliche Verfügungsverbot und der Ausschluss der jederzeitigen Aufhebung der Gemeinschaft bereits zur Rechtsnatur der Gesamthand, sodass communio (Bruchteil) und Gesamthand „ihrer Art nach wesensverschieden“ sind und die deutsche Gesamthand daher nicht bloß eine modifizierte Gemeinschaft nach Bruchteilen ist.52 Wenn in § 719 Abs. 1 BGB gleichwohl von einem „Anteil“ des einzelnen Gesellschafters am Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB sowie von „Anteilen“ an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen die Rede ist, geht es nicht um einen Anteil im dinglichen Sinn, sondern um einen Wertanteil.53 Das Vermögen ist ein Inbegriff von diversen Gegenständen (Sachen und Rechten). Es fasst sie zu einer Einheit zusammen, was allein deshalb möglich ist, weil jeder einzelne von ihnen und damit das Vermögen als Ganzes (Summe) sowohl vorgestellt als auch real in Geld umgewandelt werden kann. Mit anderen Worten bildet ihr wirtschaftlicher Wert den „gemeinsamen Nenner“ oder die „Wesenheit“ des Vermögens.54 Dieser Wertanteil des einzelnen Gesamthänders ge52 Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 43 (Zitat). Ein Verbot und einen Ausschluss gibt es aus diesem Grund im eigentlichen Wortsinn nicht einmal; a. A. Weber-Grellet, AcP 182 (1982), 316, 327, weshalb ein Gesellschafter A sein Alleineigentum dadurch „gemeinschaftlich“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB macht, dass er Anteile auf seine Mitgesellschafter B und C überträgt und einen Anteil für sich zurückbehält, nicht aber seine Sache an A, B und C in Gemeinschaft übereignet (aaO., S. 330). Nach Beuthien, NZG 2019, 41, 45, ist jede BGB‑Gesellschaft eine Bruchteilsgemeinschaft. Das Gesellschaftsvermögen der GbR (§ 718 Abs. 1 BGB) sei demgemäß „kein anteilsloses Gesamthandsvermögen, sondern stets ein gemeinschaftliches Bruchteilsvermögen“. 53 Ähnlich Arnold, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, vor § 1008 Rn. 13a. Nach Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 122–123, hat bereits der Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft bloß einen Wertanteil an der gemeinschaftlichen Sache, der Gesamthänder dagegen nicht, sondern allein am gemeinschaftlichen Vermögen. 54 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 277; ders., Das deutsche Genossen-
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währt ihm einen Anspruch („Anwartschaft“) für den Fall, das die Gesellschaft aufgelöst wird oder er aus der Gesellschaft ausscheidet.55 Der Anspruch „ruht“ („schlummert“, ist „stillgelegt“) deshalb, solange die Gemeinschaft zur gesamten Hand besteht und der Gesellschafter (noch) zu ihr gehört.56 Sobald die Gesellschaft aufgelöst worden ist, realisiert sich dieser „latente Anteil“,57 indem die Gesellschafter zunächst die Gegenstände zurückerhalten, die sie der Gesellschaft (d. h. der Gesamtheit der Gesellschafter) bloß zur Benutzung überlassen haben (quoad usum) (§ 732 BGB).58 Anschließend werden die Verbindlichkeiten, für die das gemeinschaftliche Vermögen haftet, getilgt (§ 733 Abs. 1 BGB) und die Einlagen der Gesellschafter zurückerstattet (§ 733 Abs. 2 BGB). Reicht das Gesellschaftsvermögen hierfür nicht aus, muss jeder Gesellschafter den Verlust entsprechend seinem „Anteil“ tragen, indem er zumindest gedanklich den auf ihn entfallenden Fehlbetrag in das Vermögen einzahlt, sodass das Vermögen gleichsam auf Null gebracht wird (§ 735 BGB). Verbleibt ein Überschuss, wird der Gewinn entsprechend des jeweiligen (Wert-) Anteils an die einzelnen Gesellschafter verteilt (§ 734 BGB), wobei die Teilung vorrangig in Natur (§§ 731 Satz 2, 752 BGB) erfolgt und soweit das nicht möglich ist, indem das gemeinschaftliche Vermögen „in Geld umgesetzt“ wird (vgl. § 733 Abs. 3; §§ 731 Satz 2, 753 BGB). Der einzelne Gesellschafter kann demnach bei Auflösung der Gesellschaft zunächst eine Realteilung („in Natur“) beanspruchen und erst, wenn das nicht möglich ist, eine Teilung durch Verkauf („in Geld“). Scheidet er jedoch lediglich aus der Gesellschaft aus, kann er bloß eine Abfindung in Geld (und die Rückgabe der Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat) verlangen (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB), da hier von vornherein eine Teilung in Natur ausgeschlossen ist (vgl. § 719 Abs. 1 BGB).59 Weil die Gesellschaft eine Gütergemeinschaft ist, haben die Gesamthänder alles gemeinsam; es gibt nur ein gemeinschaftliches Eigentum am Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB).60 Während die Gemeinschaft (zur schaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 70, wonach „die bunte Realität der zu einem Ganzen verbundenen Rechte und Pflichten in ihrem abstrakten Wert“ aufgeht, sodass man heute zuerst fragt, so Gierke, „wie viel, und höchstens in zweiter Reihe, was jemand besitzt“ (S. 69). 55 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 390. 56 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 678. 57 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 678. 58 Ein Gesellschafter kann eine Sache, die er als Beitrag an die „Gesellschaft“ zu leisten hat, nicht nur zu gemeinschaftlichem Eigentum (quoad dominium), sondern der Gemeinschaft zur gesamten Hand auch lediglich zur Benutzung (quoad usum) überlassen (Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 732 Rn. 1). Nach § 706 Abs. 2 Satz 1 BGB ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gesellschafter eine vertretbare oder verbrauchbare Sache nicht nur zur gemeinschaftlichen Nutzung in die Gesellschaft einbringt, sondern zu gemeinschaftlichem Eigentum. 59 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 390. 60 So auch § 1416 Abs. 1 Satz 1 BGB für die eheliche Gütergemeinschaft: „Das Ver-
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gesamten Hand) besteht, ist keiner der Gesellschafter für sich, sodass von vornherein reale oder auch nur ideelle Anteile der einzelnen Gesellschafter am gemeinschaftlichen Vermögen nicht existieren können. Die Anteile sind nicht in Wirklichkeit (ἐνέργεια) vorhanden, sondern nur der Möglichkeit nach (δύναμις).61 Selbst Gewinn und Verlust werden grundsätzlich erst dann auf die einzelnen Gesellschafter aufgeteilt, wenn die Gemeinschaft zur gesamten Hand aufgelöst ist (§ 721 Abs. 1 BGB). Nur wenn die Gesellschaft „von längerer Dauer“ ist, erfolgt ausnahmsweise die Gewinnverteilung bereits vorher (§ 721 Abs. 2 BGB),62 sodass allein insofern die Gesellschafter in der Gemeinschaft zur gesamten Hand bereits vor deren Auflösung jeder für sich stehen. Der Privatgläubiger eines einzelnen Gesellschafters kann aus diesem Grund auch nur insoweit den Anspruch auf den Gewinnanteil des Gesellschafters pfänden und diesen schon während des Bestehens der Gesellschaft geltend machen (§ 725 Abs. 2 BGB). Denn weil ein Anteil des einzelnen Gesellschafters nur der Möglichkeit („latent“) existiert, solange die Gesellschaft noch besteht, kann der Privatgläubiger ausschließlich diese Möglichkeit („Anwartschaft“) pfänden lassen, nicht jedoch den „Anteil des Gesellschafters“ (so aber § 725 Abs. 1 BGB), da es einen solchen in Wirklichkeit (noch) nicht gibt. Damit dieser „Anteil des Gesellschafters“ entsteht, muss er zunächst die Gesellschaft kündigen (vgl. § 725 Abs. 1 BGB) und auf diese Weise die Gemeinschaft zur gesamten Hand auflösen. Erst wenn die Gesellschaft nicht mehr besteht, ist wieder jeder der (ehemaligen) Gesellschafter für sich und entstehen die (Wert-) Anteile der einzelnen Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen, sodass die Regeln der communio über die Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) von jetzt an anwendbar sind (vgl. § 731 Satz 2 BGB).
mögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden durch die Gütergemeinschaft gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (Gesamtgut).“ 61 Auch bei der ehelichen Gütergemeinschaft gibt es im eigentlichen Wortsinn erst bei Auflösung der Gütergemeinschaft einen Anteil; so ist auch § 1419 Abs. 1 BGB zu verstehen, der fast wortgleich mit § 719 Abs. 1 BGB ist. Bei der Erbengemeinschaft gibt es im Gegensatz dazu auch schon während die Gesamthand besteht, (Wert-) Anteile am gemeinschaftlichen Vermögen (§ 2032 Abs. 1 BGB) und kann jeder Miterbe über seinen Anteil frei verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil hier die Gemeinschaft von vornherein (ihrem Wesen nach) auf Auseinandersetzung ausgerichtet ist (§ 2042 Abs. 1 BGB). Daher finden die Vorschriften über die communio auf die Erbengemeinschaft weitgehende Anwendung. 62 Die Verluste werden erst nach Auflösung der Gesellschaft verteilt (§ 735 BGB), da die Gesellschafter nach § 707 BGB nicht „zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage“ verpflichtet sind, solange die Gesellschaft besteht (Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 721 Rn. 2).
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VII. Das Anwachsungsprinzip 1. Die traditionelle Ansicht Der Anteil eines ausgeschiedenen Gesellschafters wächst gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB den verbliebenen Gesellschaftern zu. Weil die traditionelle oder gesetzestreue Auffassung (individualistische Gesamthandslehre) in der Gesamthand ein dominium plurium in solidum sieht (d. h. ein Sondervermögen), ist für sie jeder Gesellschafter Eigentümer des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) und deshalb allein durch das inhaltsgleiche und gleichrangige Eigentum der übrigen socii beschränkt. Scheidet hier ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, wächst ihnen sein „Anteil“ nur in dem Sinn zu, als seine Mitberechtigung wegfällt. Die übrigen socii waren und bleiben (Voll-) Eigentümer des ganzen Vermögens und können deshalb durch das Ausscheiden ihres (jetzt ehemaligen) Mitgesellschafters nicht ein rechtliches Mehr am gemeinschaftlichen Vermögen und den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen erlangen. Ebenso wenig verringert sich das Eigentum der bisherigen Gesellschafter am Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB, wenn sie einen Gesellschafter neu in ihre Gesamthandsgemeinschaft aufnehmen. Durch seinen Beitritt wird auch der neue Gesellschafter bloß im selben Umfang (Voll-) Eigentümer des gesamten gemeinschaftlichen Vermögens, wie es auch schon zuvor die bisherigen Gesellschafter waren und sie es nach dem Beitritt des neuen Gesellschafters immer noch sind. Sein „Anteil“ daran und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen wächst den anderen Gesellschaftern dementsprechend allein in der Weise ab, als der neue Gesellschafter nunmehr ebenfalls am Gesellschaftsvermögen mitberechtigt ist. Durch Ausscheiden und Beitritt eines Gesellschafters ändert sich also allein die Zahl der Mitberechtigten.63 Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus der Gesamthand (Gesellschaft) aus, fällt seine Mitberechtigung am gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) weg. Der letzte (ehemalige) Gesellschafter wird hierdurch für sich Alleineigentümer, gleichwohl war er auch schon zuvor, d. h. während die Gemeinschaft zur gesamten Hand bestand, in gleicher Weise Volleigentümer des gesamten Vermögens.
2. Die h. M. (Gruppenlehre) Weil für die h. M. die Gesamthand selbst ein Rechtssubjekt ist, ist die Gesellschaft als solche Inhaberin des Gesellschaftsvermögens. Ein gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) und damit Anteile der
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einzelnen Gesellschafter daran gibt es für die h. M. deshalb nicht.64 Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, kann den übrigen Gesellschaftern demzufolge „sein Anteil am Gesellschaftsvermögen“ (so § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) von vornherein nicht zuwachsen, weil ein solcher dinglicher Anteil am Vermögen der Gesellschaft (als Rechtssubjekt) gerade nicht existiert.65 Tritt ein neuer Gesellschafter der Gesellschaft bei, kann umgekehrt den bisherigen Gesellschaftern der dingliche Anteil des neuen Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht abwachsen. Die Gesellschafter sind ausschließlich Mitglieder in der Gesamthand und allenfalls bloß vermittelt über diese Mitgliedschaft an dem Vermögen der Gesellschaft (als Rechtssubjekt) berechtigt.66 Wenn daher alle Gesellschafter bis auf einen aus der Gesellschaft ausscheiden und damit die Gemeinschaft zur gesamten Hand ipso iure endet, ist der letzte verbliebene Gesellschafter nicht automatisch Eigentümer des Gesellschaftsvermögens. Denn er und seine socii waren vorher eben (noch) nicht Inhaber des Vermögens, sodass sich durch das Ausscheiden der übrigen Gesellschafter die Zahl der Mitberechtigten nicht lediglich auf einen reduzieren kann. Die Gesellschaft ist zwar rechtlich gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigt, nicht aber tatsächlich (so die h. M.). Die Gemeinschaft zur gesamten Hand (Gesellschaft) muss deshalb aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen. Fallen alle Mitglieder bis auf einen weg, löst sich die Gesellschaft auf (sie „stirbt“ gleichsam). Weil jedoch die Gesellschaft als Rechtssubjekt Alleininhaberin ihres Vermögens ist und nicht ein gemeinschaftliches der Gesellschafter, soll (und muss) das Gesellschaftsvermögen „kraft Gesetzes im Wege der Universalsukzession auf den verbleibenden (ehemaligen) Gesellschafter“ übergehen.67 Der letzte Gesellschafter tritt gewissermaßen als Erbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) an die Stelle der Gesellschaft.68 64 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 73; K. Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 417; Röder, AcP 215 (2015), 450, 486–493. 65 Nach K. Schmidt, in: FS Huber, 2006, S. 969, 980, ist die Anwachsungsregel deshalb „in ‚dinglicher‘ Hinsicht überholt und überflüssig“, bloß der Wert der Mitgliedschaft erhöhe sich. Denn auf der Ebene der Gesellschaft verändere sich nichts, weil ihr allein das Gesellschaftsvermögen gehöre, sodass es ausschließlich auf der Ebene der Gesellschafter zu einer bloßen Wertverschiebung komme (S. 984). Der „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) sei daher nunmehr nur noch ein auf das Gesellschaftsvermögen bezogenes „Wertrecht“ des Gesellschafters (S. 994). Auch für Röder, AcP 215 (2015), 450, 492, soll für eine dinglich wirkende Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) kein Raum mehr sein, seitdem die GbR selbst rechtsfähig ist und ihr allein das Gesellschaftsvermögen gehört; so auch schon Wandt, Das Innenrecht der (teil-)rechtsfähigen BGB‑Gesellschaft, 2009, S. 71–81 (81). 66 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 72–73. 67 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 9 Rn. 27 (Hervorhebung nicht im Original). 68 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 9 Rn. 27, wonach man sich „diesen im Ge-
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Für die h. M. folgt der Übergang des Gesellschaftsvermögens von der Gesamthand auf den verbliebenen (ehemaligen) Gesellschafter demgemäß nicht schon aus der Rechtsnatur der Gesamthand, vielmehr soll hierfür ein Gesetz erforderlich sein („kraft Gesetzes“), das hier aber gerade fehlt. Konsequenterweise dürfte an sich das Gesellschaftsvermögen daher nicht von der (aufgelösten) Gesellschaft auf den letzten noch verbliebenen Gesellschafter übergehen. Dass das Vermögen aber von der Gesamthand auf den letzten Gesellschafter übergeht, wenn die Gesellschaft durch das Ausscheiden aller Gesellschafter bis auf einen endet, ist selbst für die h. M. eine charakteristische (wesentliche) Eigenschaft der Gesamthand,69 die sie aber in ihrem Modell von der Gesamthand als einem Rechtssubjekt (Gruppe) gerade nicht abbilden kann, sodass sie sich stattdessen mit der bloßen Behauptung einer Gesamtrechtsnachfolge behelfen muss.70
3. Die Theorie der deutschen Gesamthand Bei der Rechtsfigur der deutschen Gesamthand ist dagegen jeder Gesellschafter zusammen mit den anderen Gesellschaftern Inhaber des einen gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB). Die Gesellschafter sind als Vielheit Mitträger des einen Gesellschaftsvermögens, jedoch vermittelt über die eine kollektive Rechtsfähigkeit, weshalb es ein gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter als Einheit ist. Es sind also mehrere Rechtssubjekte, aber eine kollektive Rechtsfähigkeit und deshalb ein real und ideell ungeteiltes Gesellschaftsvermögen (d. h. ein Rechtsobjekt) und nicht ein dominium plurium in solidum, wie es noch die traditionelle Ansicht (individualistische Gesamthandslehre) annahm. Scheidet nun ein Gesellschafter aus der deutschen Gesamthand aus, hört er auf, Mitträger der einen kollektiven Rechtsfähigkeit zu sein.71 Er verlässt setz nicht geregelten Vorgang wie eine Universalsukzession nach dem Tode einer natürlichen Person (s. § 1922 BGB) vorstellen“ könne. Wie aber das Gesellschaftsvermögen „kraft Gesetzes“ auf den verbleibenden Gesellschafter übergehen soll, wenn doch dieser Vorgang im Gesetz nicht geregelt ist, bleibt rätselhaft. Das gilt auch für Röder, AcP 215 (2015), 450, 492, wonach das Vermögen der Gesellschaft, sobald sie erlischt, „schlicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter“ übergeht. 69 Auch bei K. Schmidt, in: FS Huber, 2006, S. 969, 993, ist lediglich von einem „dinglichen Effekt der Gesamtrechtsnachfolge“ die Rede, die auf dem Erlöschen der Gesellschaft als Rechtsträgerin beruht. Eine Antwort, warum das Gesellschaftsvermögen von selbst auf den letztverbleibenden Gesellschafter übergeht, sobald die Gesellschaft als Rechtsträgerin ihres Vermögens erloschen ist, findet sich freilich auch bei ihm nicht. 70 Siehe auch die Kritik des BGH an der „traditionellen Auffassung“, nach der ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen (oder vielmehr mit seinem Anteil daran) für Altschulden haften soll, weil er in „einer Art Gesamtrechtsnachfolge in alle bestehenden Rechts- und Vertragspositionen hineinwachse“ (BGHZ 146, 341, 345). 71 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691: Die Gesamthand ist dieselbe Per-
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den gemeinsamen status, den die Gesellschafter zusammen als Raum im Recht miteinander teilen. Weil aber die Gesellschafter einen gemeinsamen status (Raum) im Recht einnehmen, haben sie auch nicht jeder für sich Anteile am gemeinschaftlichen Vermögen. Solche (dinglichen) „Anteile“ gibt es deswegen hier so lange nicht, wie die Gemeinschaft zur gesamten Hand (Gesellschaft) besteht. Wenn ein Mitglied aus der Gesellschaft (d. h. der Gesamthand) ausscheidet, wächst demzufolge „sein Anteil am Gesellschaftsvermögen“ (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) den übrigen Gesellschaftern nicht zu. Stattdessen verändert sich lediglich der „latente Anteil“ des einzelnen Gesellschafters am gemeinschaftlichen Vermögen, der erst mit der Auflösung der Gemeinschaft zur gesamten Hand entsteht (§ 158 Abs. 1 BGB). Es erhöht sich durch den Wegfall des ausgeschiedenen Gesellschafters also allein für die Zukunft der Wertanteil der verbliebenen Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen, indem gedanklich „sein Anteil“ auf die übrigen Gesellschafter verteilt wird. Allein in diesem Sinn wächst ihnen „sein Anteil am Gesellschaftsvermögen“ zu (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), der jedoch erst nach der Auflösung der Gemeinschaft zur gesamten Hand bei der realen Teilung des Gesellschaftsvermögens („Auseinandersetzung“) wirklich wird, d. h. sich im eigentlichen Wortsinne realisiert. Kommt ein Gesellschafter neu zur Gesamthand hinzu, tritt er in den gemeinsamen status ein, den er ab jetzt zusammen mit seinen Mitgesellschaftern einnimmt. Er wird zum Mitträger der schon zuvor bestehenden kollektiven Rechtsfähigkeit.72 Da die Gesamthand dieselbe ist und bleibt, es hat sich nur die Trägerschaft verändert,73 ist der neue Gesellschafter zusammen mit den übrigen Gesellschaftern Eigentümer des einen gemeinschaftlichen Vermögens. Anteile existieren in der Gemeinschaft deshalb (noch) nicht, sodass den bisherigen Gesellschaftern auch nicht etwas von ihren Anteilen zugunsten des neuen Gesellschafters abwächst. Nur für den Fall der Auflösung der Gemeinschaft verringert sich der jeweilige latente (Wert-) Anteil der bisherigen Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen durch den Beitritt des neuen, und nur in diesem Sinn wächst ihnen daher der Anteil des neuen Gesellschafters am gemeinschaftlichen Vermögen für die Zukunft ab (Rechtsgedanke des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB).74 soneneinheit, nur mit einer veränderten Trägerschaft (Vielheit). Weil von dieser Veränderung die mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse unberührt bleiben, kann die veränderte Gemeinschaft ihren Namen oder ihre Firma fortführen und behält die ihr sonst zustehenden Personenrechte; sie setzt daher die bisherigen Vermögensrechte und Vermögenspflichten unmittelbar und ohne jeden Dazwischentritt einer Sukzession fort (so ausdrücklich Gierke, aaO., S. 691 mit Fn. 133). 72 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 695. 73 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 695; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 854. 74 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 858.
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4. Die KG und die persönliche Haftung des Kommanditisten als einziger noch verbliebener „Gesellschafter“ Dass zwar die Theorie der deutschen-rechtlichen Gesamthand und selbst die traditionelle Ansicht (individualistische Gesamthandslehre) in der Lage sind, das Anwachsungsprinzip in ihr Modell von der Gesellschaft als einer Gesamthand zu integrieren, nicht jedoch die h. M. (Gruppenlehre), und zwar deshalb, weil sie in der Gesamthand ein Rechtssubjekt sieht, dem das Gesellschaftsvermögen allein gehören soll, offenbart anschaulich das Ausscheiden des letzten persönlich haftenden Gesellschafters (Komplementär) aus der Kommanditgesellschaft (KG), sodass nur noch der Kommanditist als Rechtsträger zurückbleibt.
a) Die h. M. (Gruppenlehre) Die Vorstellung der h. M. (Gruppenlehre), der letzte noch verbliebene Gesellschafter werde gewissermaßen durch den „Tod“ der Gesellschaft deren „Erbe“, führt nicht nur dazu, dass das Vermögen gemäß § 1922 BGB als Ganzes von der Gesellschaft („Erblasser“) auf ihn übergeht, sondern auch dazu, dass er für die Altschulden der Gesellschaft („Nachlassverbindlichkeiten“) gemäß § 1967 Abs. 1 BGB haftet, und zwar unbeschränkt (vgl. § 1975 BGB). Das stellt jedoch bei einer zweigliedrigen KG, aus der der persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) ausscheidet und infolgedessen das Gesellschaftsvermögen auf den nur beschränkt haftenden Kommanditisten übergeht, ein „echtes Problem“ dar (so die h. M.).75 Denn hiernach müsste der an sich bloß beschränkt haftende Kommanditist eigentlich gemäß § 1967 Abs. 1 BGB nunmehr unbeschränkt für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft (d. h. der KG) haften, sodass ihm nur die Möglichkeit bliebe, seine Haftung entsprechend den §§ 1975–1992 BGB und § 27 HGB auf das ehemalige Gesellschaftsvermögen („Nachlass“) zu beschränken.76 Diese Lösung widerspricht jedoch der Haftungsordnung der KG, wonach der Kommanditist nur bis zur Höhe seiner Einlage (Haftungssumme) unmittelbar gegenüber den Gläubigern der KG einzustehen hat und seine Haftung ausgeschlossen ist, soweit er seine Einlage geleistet hat (vgl. § 171 Abs. 1 HGB). Der BGH lehnt deshalb im Ergebnis zu Recht eine unbeschränkte persönliche Haftung des ehemaligen Kommanditisten für Altverbindlichkeiten der KG ab. Er hat ausschließlich mit dem Gesellschaftsvermögen für die bisherigen Schulden einzustehen, es sei denn, er führt das Handelsgeschäft
75 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 9 Rn. 27. 76 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 2 m. w. N.
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der KG unter der bisherigen Firma weiter, dann haftet er unbeschränkt und persönlich (§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB).77
b) Die Theorie der deutschen Gesamthand Nach der Theorie der deutschen Gesamthand ist auch bei einer KG jeder Gesellschafter, selbst der Kommanditist, vermittelt über die eine kollektive Rechtsfähigkeit „Eigentümer“ des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB). Scheiden hier alle Gesellschafter bis auf den (letzten) Kommanditisten aus, fehlt es an einer Gemeinschaft (zur gesamten Hand) und die kollektive Rechtsfähigkeit endet ipso iure. Stattdessen wird der (ehemalige) Kommanditist über seine individuelle Rechtsfähigkeit (status) Inhaber des vormals gemeinschaftlichen Vermögens, Eigentümer der einzelnen dazu gehörenden Sachen und Rechte sowie Schuldner der zuvor noch gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten.78 Den Gläubigern der Gesellschaft, hier der KG, haftet ausschließlich das Gesellschaftsvermögen (neben den persönlich haftenden Gesellschaftern, §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1 HGB), nicht aber der Kommanditist, sofern er seine Einlage geleistet hat (§ 171 Abs. 1 HGB), anderenfalls unmittelbar nur bis zur Höhe des im Handelsregister eingetragenen Betrags (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB). Obgleich der (ehemalige) Kommanditist durch das Ausscheiden seiner Mitgesellschafter nun alleiniger Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) und Schuldner ist, ist er auch weiterhin in seiner persönlichen Haftung gegenüber den Gläubigern der vormaligen KG (d. h. der Gesellschaftergesamtheit) beschränkt. Die Gesellschaftsgläubiger sind hier durch die Auflösung der KG auch nicht schlechter gestellt, denn schon zuvor stand ihnen neben den persönlich haftenden Gesellschaftern nur das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung. Darauf, dass der Kommanditist nach Auflösung der Gesellschaft unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden der KG einzustehen hat, konnten sie angesichts der Eintragung im Handelsregister gerade nicht vertrauen (vgl. § 172 Abs. 1, § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB). Der (ehemalige) Kommanditist muss daher gegenüber den (bisherigen) Gesellschaftsgläubigern erst einen neuen Vertrauenstatbestand setzen, um ihnen gegenüber für die Altschulden der KG haften zu müssen, z. B. indem er das 77 BGH, ZIP 2004, 1047, 1048; so auch schon BGHZ 113, 132, 138, wobei hier der Kommanditist zum Alleininhaber des Gesellschaftsvermögens geworden war, weil er den Gesellschaftsanteil des einzigen, persönlich haftenden Mitgesellschafters geerbt hatte. Allein deshalb kam es an dieser Stelle auf die erbrechtlichen Vorschriften, vor allem auf die §§ 1975–1992 BGB und § 27 HGB, an. 78 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 695, wonach es auch möglich ist, dass sich die vorher gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten „zu alleinigem Rechte oder alleiniger Pflicht eines einzigen verbleibenden Gemeiners zusammenziehen“, so bei der „Konsolidation“, d. h. Anwachsung (S. 680), „in der Hand des letzten Gemeiners“ (S. 695, Fn. 157).
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Handelsgeschäft der KG unter der bisherigen Firma fortführt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB). Wenn nicht ein Kommanditist, sondern ein persönlich haftender Gesellschafter übrigbleibt, muss er im Gegensatz dazu selbstverständlich auch für die Altschulden unmittelbar mit seinem Privatvermögen einstehen; das folgt bereits aus der Rechtsnatur der Gesamthand. Schon als Gesellschafter musste er über seine individuelle Rechtsfähigkeit persönlich und unbeschränkt (für sich) für die gemeinschaftlichen Schulden haften, das muss dann aber auch nach der Auflösung der Gesellschaft gelten.79 Sowohl bei der beschränkten unmittelbaren Haftung des Kommanditisten in der KG als auch allgemein bei der unbeschränkten des persönlich haftenden Gesellschafters geht es nicht um die Stellung des Gesellschafters als Mitträger der kollektiven Rechtsfähigkeit, sondern um die als unverbundene Einzelperson (für sich), d. h. als Träger seiner individuellen Rechtsfähigkeit. Weil er insofern nicht erst nach Auflösung der Gemeinschaft zur gesamten Hand für sich ist, sondern es auch schon zu der Zeit war, als die Gesellschaft (noch) bestand, bleiben seine individuellen Rechte und Pflichten vom Ende der Gesamthand selbstverständlich unberührt. Hat der Kommanditist seine Einlage geleistet (§ 171 Abs. 1 HGB) und wurde die Einlage auch zwischenzeitlich nicht wieder an ihn zurückbezahlt (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB), sodass sich die von ihm zugesagte Einlage immer noch im gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) befindet, ist er von seiner persönlichen Haftung (mit seinem Privatvermögen) frei. Wenn nun die Gesellschaft durch den Austritt seiner Mitgesellschafter von selbst endet und als Folge davon das gemeinschaftliche Vermögen (Forderungen und Rechte) sowie die Schulden auf ihn als den letzten noch verbliebenen Gesellschafter der KG ipso iure übergehen, haftet er jetzt weiterhin ausschließlich mit dem (ehemaligen) Gesellschaftsvermögen, nicht jedoch für sich persönlich mit seinem Privatvermögen (wie ja auch schon zuvor, als die Gesellschaft, d. h. die KG, noch existierte).
c) Die traditionelle Ansicht Nach der traditionellen Ansicht ist auch der Kommanditist als Gesamthänder Eigentümer des gesamten gemeinschaftlichen Vermögens und der einzelnen dazu gehörenden Sachen und Rechte (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 718 Abs. 1 BGB). Aus diesem Grund fällt lediglich die Mitberechtigung der übrigen Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen weg, wenn sie bis auf den Kommanditisten aus der KG ausscheiden. Der (ehemalige) Kommanditist war und 79 So ist es dann auch zu verstehen, wenn Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 694–695, davon spricht, dass „die von dem Dasein der Personeneinheit unabhängigen Rechte und Pflichten der Gemeinschaft als Rechte und Pflichten der nunmehr ihrer bisherigen Verbundenheit entledigten Gemeiner oder ihrer Erben und sonstigen Rechtsnachfolger“ fortbestehen.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
ist Eigentümer des Vermögens, seine unmittelbare Haftung bleibt auf seine im Handelsregister eingetragene Haftungssumme („Einlage“) beschränkt (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB) oder ist sogar ausgeschlossen, soweit er seine Einlage bereits geleistet hat (§ 171 Abs. 1 HGB). Für die Altverbindlichkeiten der KG hat er daher schon ipso iure im Grundsatz nicht persönlich mit seinem Privatvermögen einzustehen.
VIII. Bereits auf dem Weg zu einer kollektiven Gesamthandslehre 1. Die „Gesellschaft“ als Vielheit oder die Gesellschafter als Rechtsträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten Nach traditioneller Ansicht ist die Gesellschaft als Gesamthand eine modifizierte societas.80 Die Gesellschafter sind ausschließlich schuldrechtlich miteinander verbunden, sodass Rechte und Pflichten nur zwischen ihnen bestehen. Weil sie dementsprechend nach außen jeder für sich stehen, sind sie Vielheit und nicht Einheit und deswegen jeder für sich als Person unmittelbar (persönlich) Zuordnungsendpunkt (d. h. Rechtssubjekt) der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Jeder ist Gläubiger und Schuldner der ganzen Leistung (vgl. §§ 427, 421 BGB). Da aber das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) der Verfügungsgewalt des einzelnen Gesellschafters entzogen ist (§ 719 Abs. 1 BGB) und selbst dessen (Privat-) Gläubiger nicht darauf zugreifen können (vgl. § 736 ZPO; § 725 Abs. 2 BGB), handelt es sich dabei um ein Sondervermögen.81 Die Gesellschafter sind deshalb nicht bloß Inhaber ihres jeweiligen Privatvermögens, sondern auch Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens i. S. des § 718 Abs. 1 BGB. Die socii sind jeder für sich gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft Gesamtschuldner ihrer Verbindlichkeiten (§ 421 BGB).82 Jeder Gesellschafter hat 80 Auch Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 354, sieht in der Gesamthand eine societas und stellt sie der Körperschaft (d. h. der juristischen Person) als universitas gegenüber, was beide freilich nicht sind. 81 Für Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 353, ist das gemeinschaftliche Vermögen immer noch mehreren natürlichen Personen (d. h. den Gesellschaftern) zugeordnet, nur könne nicht jeder für sich über seinen Anteil daran verfügen. Das folge aus dem gemeinsamen Zweck, den die Gesellschafter in der Gesamthand verfolgen. Daher sei das Sondervermögen für diesen Zweck gebunden und insoweit ähnlich dem einer juristischen Person ein Zweckvermögen. Demnach unterscheiden sich Gesamthand und „rechtsfähige Körperschaft“ (d. h. juristische Person) allein darin, dass der gemeinsame Zweck bei der Gesamthand ein individueller der Gesellschafter und bei der Körperschaft ein überindividueller ist, weshalb das Vermögen im Fall der rechtsfähigen Körperschaft anders als bei einer Gesamthand nicht mehr den einzelnen natürlichen Personen, sondern einem „selbständigen Vermögensträger“, eben der juristischen Person, zugewiesen ist und damit die Zuständigkeit der Einzelnen nicht bloß zurückgedrängt (bei der Gesamthand), sondern ganz aufgehoben wird (aaO., S. 351). 82 Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, 9. Aufl. 1906, S. 791.
B. Die Gesamthand als modifizierte societas
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eine Schuld, für die er sowohl mit seinem Privatvermögen als auch mit seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) einzustehen hat („eine Schuld des Gesellschafters mit zwei Haftungsobjekten“).83 Allein in diesem Sinn haftet jeder der Gesellschafter persönlich mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, da es nach der traditionellen Ansicht weder eine von den socii verschiedene Gesellschaft (als Rechtssubjekt, so aber die h. M.) noch eine von ihnen zu unterscheidende Gesamtheit der Gesellschafter (als deutsche Gesamthand) gibt. Diese persönliche Haftung des einzelnen Gesellschafters ist dabei auf rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten beschränkt. Denn selbst als Gesellschaft können sich die socii („mehrere“) grundsätzlich nur „durch Vertrag gemeinschaftlich“ verpflichten (§ 427 BGB), wobei sie auch dann „gemeinschaftlich“ handeln, wenn ein oder mehrere socii als Stellvertreter für die übrigen auftreten (§ 164 BGB). Sofern ein Schuldverhältnis bereits besteht, haben die Gesellschafter zudem ein Verschulden ihres Mitgesellschafters „wie eigenes“ zu vertreten (§ 278 BGB). Da die Gesellschafter selbst in der societas jeder für sich stehen, eine deliktische Haftung aber stets ein eigenes Verschulden des Ersatzpflichtigen voraussetzt, haben sie für eine unerlaubte Handlung eines Mitgesellschafters nicht einzustehen;84 jener ist auch nicht Verrichtungsgehilfe der anderen (§ 831 BGB).85 Nur wenn sie eine unerlaubte Handlung gemeinschaftlich begehen (§ 830 BGB), haften sie dafür als Gesellschaft, und zwar, weil sie in der societas jeder für sich sind, „gemeinschaftlich“ als Gesamtschuldner (§ 840 BGB).
2. Die „Gesellschaft“ als Einheit oder die Gesamthand als bloßes Sondervermögen Weil die societas nur Vielheit und nicht Einheit ist, können Rechtsverhältnisse, die mit der Gesellschaft bestehen, nicht unverändert fortbestehen, wenn ihre Mitglieder wechseln. Die Gesellschafter selbst sind Gläubiger und Schuldner. Scheidet ein Gesellschafter aus, bleibt er trotzdem Schuldner. Kommt ein Ge83 Dazu Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 42, Fn. 15 (Zitat); BGHZ 146, 341, 345: „einheitliche Verpflichtung mit doppelter Wirkung“. Die Gesellschaftsschuld ist deshalb nach Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 88, „eine persönliche Schuld des Gesellschafters“, es handelte sich „nicht eigentlich um zwei getrennte Schulden, sondern um zwei getrennte Haftungen“, und zwar mit dem Gesellschaftsvermögen und dem Privatvermögen. Hueck, in: FS Zöllner, 1998, S. 275, 293; Zöllner, in: FS Gernhuber, 1993, S. 563, 572. 84 Nach Canaris ZGR 2004, 69, 109, handelt es sich hier „um eine Fundamentalwertung des geltenden Rechts, dass eine Deliktshaftung grundsätzlich eigene personale Verantwortung voraussetzt“. 85 BGHZ 45, 311, 313. Die Vorschrift des § 31 BGB ist auf die Gesellschaft als (modifizierte) societas nicht anwendbar, da sie „zu wenig körperschaftlich organisiert (ist), als dass man die für sie handelnden Gesellschafter als ihre ‚Organe‘ bezeichnen könnte“ (S. 312).
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
sellschafter neu hinzu, wird er nicht automatisch Schuldner gegenüber den Gläubigern der bisherigen socii (Gesellschaft).86 Die societas erzeugt allein zwischen den Gesellschaftern Rechte und Pflichten. Der neue Gesellschafter muss daher die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zusätzlich durch Vertrag mitübernehmen (Rechtsgedanke der §§ 414, 415 BGB) und so neben die bisherigen socii als Gesamtschuldner treten (§ 421 BGB).87 Tut er das nicht, haftet er für Altschulden weder mit seinem Privatvermögen noch mit seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen.88 Weil ein Gläubiger der Gesellschaft allein dann in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann, wenn er einen Titel gegen alle Gesellschafter und demgemäß auch gegen den neuen Gesellschafter hat (§ 736 ZPO), verliert der Gläubiger (an sich) das Gesellschaftsvermögen als Haftungsobjekt.89 Er wird vom Gesellschaftsgläubiger zum Privatgläubiger der bisherigen Gesellschafter; er kann dann zwar deren „Anteile“ pfänden lassen und im Anschluss daran die Gesellschaft kündigen (§ 725 Abs. 1 BGB), sie dadurch auflösen und seine Forderung nach der Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens aus diesen Anteilen befriedigen. Auf den Anteil des neuen Gesellschafters hat er aber selbst hierdurch keinen Zugriff, sodass ihm durch dessen Aufnahme insoweit das Gesellschaftsvermögen entzogen wird.90 An sich bleibt ein Gesellschafter, der aus der societas austritt, auch nach seinem Ausscheiden Gläubiger in den Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu Dritten. Nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB wächst sein „Anteil“ am Gesellschaftsvermögen jedoch den übrigen Gesellschaftern zu, sodass er nicht mehr Eigentümer der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Sachen und Rechte (auch Forderungen) ist. Weil selbst Forderungen zum Gesellschaftsvermögen gehören (vgl. §§ 719 Abs. 2, 720 BGB), verliert der ausgeschiedene Gesellschafter demzufolge ipso iure seine Stellung als Gläubiger, und das, obgleich er ursprünglich neben den anderen socii Rechtssubjekt im Schuldverhältnis mit 86 87
BGHZ 74, 240, 241, 242. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 414 Rn. 2, 7. 88 So die Kritik des BGH an der traditionellen Auffassung, die keine befriedigende Erklärung dafür liefere, warum auch ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte (BGHZ 146, 341, 345). 89 Nach Heßler, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 736 Rn. 16, erhält der neue Gesellschafter durch seinen Eintritt in diese Innengesellschaft dagegen einen Anteil am Gesellschaftsvermögen als einem Gesamthandsvermögen und haftet dementsprechend, nicht aber persönlich als Gesamtschuldner. 90 A. A. Heßler, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 736 Rn. 16, wonach der neue Gesellschafter zwar nicht persönlich, aber mit seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen haften soll, weil ihm dieser durch seine Aufnahme in die (Innen-) Gesellschaft von selbst (ipso iure) zugewachsen und den bisherigen Gesellschaftern gleichzeitig abgewachsen ist. Das setzt aber voraus, dass auch die Schulden Teil des Gesellschaftsvermögens sind und darüber automatisch auf den neuen Gesellschafter mit übergehen (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 857–858; Zöllner, in: FS Gernhuber, 1993, S. 563, 576).
B. Die Gesamthand als modifizierte societas
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dem Schuldner war. Gläubiger ist demnach nicht, wer Beteiligter eines Schuldverhältnisses ist und infolgedessen das Recht hat, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB). Stattdessen ist allein derjenige Gläubiger, der auch Inhaber (d. h. „Eigentümer“) der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Forderung ist. Erst und nur weil er auf diese Weise vermittelt über die Forderung Gläubiger ist, kann er vom Schuldner ein Tun oder Unterlassen verlangen, hat er also einen Anspruch.91 Die Forderung wird hier gleichsam als unkörperliche Sache gedacht. Sie wird so zu einem „Ding“, das sich vom Gläubiger gelöst und sich dadurch ihm gegenüber verselbständigt hat.92 Die Vorstellung, die Forderung sei eine unkörperliche Sache, steht bereits hinter der Regelung des § 398 BGB (Abtretung). Hiernach wird die Forderung (oder das Recht daran) ähnlich dem Eigentum an Sachen durch ein Verfügungsgeschäft vom bisherigen Gläubiger (Veräußerer) auf den neuen Gläubiger (Erwerber) übertragen. Nur weil die Forderung unkörperlich ist, reicht die dingliche Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber aus. Eine Übergabe (§ 929 Satz 1 BGB) oder eine Eintragung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) als Publizitätsakt ist bei der Abtretung einer Forderung ausgeschlossen.93 Es sei denn, die Forderung ist wie im Fall der Hypothek in einem Brief oder in Gestalt der Eintragung im Grundbuch verkörpert (vgl. § 1154 BGB), auch hier wird die Forderung jedoch immer noch durch Abtretung übertragen (§ 398 BGB). Beim Inhaberpapier ist die Forderung (das Recht) im Gegensatz dazu in einer Urkunde versachlicht; dem (wahren) Eigentümer des Inhaberpapiers steht die Forderung zu, sodass das Eigentum am Papier sachenrechtlich übertragen werden kann (§§ 929–935 BGB) und daher die Forderung nicht (mehr) abgetreten werden muss, um sie vom bisherigen Gläubiger auf den neuen zu übertragen; die Forderung folgt hier automatisch dem Recht am Papier.94 Hier im Sachenrecht ist die „Verdinglichung“ der Forderung zwar erst vollendet, angelegt ist das aber schon in der Abtretung und damit im Wesen der Forderung selbst als unkörperlicher Sache. Die Forderung wird hier sozusagen vollständig in eine körperliche Sache transformiert. Ein Gesellschafter, der neu zur societas hinzukommt, wird umgekehrt an sich ebenfalls nicht automatisch Gläubiger der Gesellschaftsschuldner. Weil 91 92
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 273. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 272, 273. 93 Der bisherige Gläubiger ist zwar verpflichtet, dem neuen Gläubiger eine Urkunde, die über die Schuld ausgestellt ist, auszuhändigen (§ 402 BGB), unabhängig davon ist die Abtretung der Forderung jedoch wirksam (BGH WM 2013, 1264 Rn. 18). 94 Siehe dazu BGH, WM 2013, 1264 Rn. 14, 17; Wilhelmi, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, vor § 793 Rn. 2; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 15. Aufl. 1959, S. 447, bezeichnen das als „eine indirekte Verknüpfung des Rechts mit der Person“, d. h. hier der Forderung mit dem Eigentümer des Papiers.
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ihm aber durch seine Aufnahme in die societas ein Anteil am Gesellschaftsvermögen zuwächst (und seinen Mitgesellschaftern entsprechend abwächst), wird er Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens und dadurch Eigentümer der dazu gehörenden Forderungen. Als Eigentümer der Forderung rückt der neue Gesellschafter ipso iure in die Gläubigerstellung gegenüber den Gesellschaftsschuldnern ein. Die Forderung, als unkörperliche Sache gedacht, vermittelt das Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, sie „ruht“ gewissermaßen auf dem Gesellschaftsvermögen, das seinerseits eine „unkörperliche Gesamtsache“ ist, sodass die Forderung zusammen mit dem Vermögen von selbst auf den neuen Gesellschafter übergeht (und er so Gläubiger wird).95 Die Gesellschafter sind zwar immer noch die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, jedoch in den Rechtsverhältnissen der Gesellschaft zu Dritten nur deshalb Gläubiger, weil sie Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) sind. Es kommt hier nicht darauf an, wer etwas fordern kann, sondern was gefordert werden kann (und daher als Forderung zum gemeinschaftlichen Vermögen gehört). Der Blick wandert auf diese Weise vom Subjekt zum Objekt. Das Gesellschaftsvermögen als Sondervermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) ist daher für die traditionelle Ansicht charakteristisch für die Gesellschaft als einer Gesamthand (§ 719 BGB) und die Gesamthand deshalb für sie lediglich ein Sondervermögen.96 Dadurch erreicht auch schon die traditionelle Auffassung (d. h. die individualistische Gesamthandslehre), zumindest bezogen auf die gemeinschaftlichen Rechte und Forderungen, dass ein Gesellschafterwechsel keinen Einfluss auf den Fortbestand der Rechtsverhältnisse zu Dritten hat, die bereits zuvor mit der Gesellschaft als modifizierter societas bestanden haben. Selbst nach der traditionellen Ansicht gab es demnach schon eine, wenn auch eingeschränkte, Kontinuität der Rechtsverhältnisse.
95 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 66, 69; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 858. 96 Die h. M. versteht auch heute noch das Gesamtgut der Ehegatten nach § 1416 Abs. 1 BGB und den Nachlass der Miterben nach § 2032 Abs. 1 BGB als Sondervermögen (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 3 a) [S. 201]). Nach Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 106, folgt die Einheit der Gesellschaft aus der Einheit des Sondervermögens und beruht insofern im Gegensatz zur juristischen Person nicht auf der „Subjektseite, sondern auf der Objektseite“. Dazu auch Keßler, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1991, vor § 705 Rn. 62.
C. Die Gesamthand als Vermögensgemeinschaft
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C. Die Gesamthand als Vermögensgemeinschaft (kollektive Gesamthandslehre) I. Die Schuld als Teil des Vermögens oder von der Gesamthand als einem Sondervermögen zur Gesamthand als einer Vermögensgemeinschaft Forderung und Schuld sind nun bloß zwei Perspektiven auf dasselbe „Tun oder Unterlassen“ (vgl. § 194 Abs. 1 BGB). Aus Sicht des Berechtigten (Gläubiger) handelt es sich um ein Recht (Forderung), aus Sicht des Verpflichteten (Schuldner) um eine Pflicht (Schuld).97 Wenn aber die Forderungen Teil des gemeinschaftlichen Vermögens sind und in diesem Sinn auf dem Gesellschaftsvermögen ruhen, ist es nur noch ein kleiner Schritt, auch die Schulden als Teil des Gesellschaftsvermögens zu begreifen, sodass auch sie auf diesem gemeinschaftlichen Vermögen lasten.98 Die Gesellschafter sind Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, aber eben nur vermittelt über das Gesellschaftsvermögen. Sie sind nur deshalb (und auch nur solange) Gläubiger und Schuldner, weil (und wie) sie Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens sind (§ 718 Abs. 1 BGB) und deshalb über dieses Vermögen (mit-) verfügen können (§ 736 ZPO).99 Das eine Vermögen (Rechtsobjekt) macht hier die vielen Gesellschafter (Rechtssubjekte) zu der einen Gemeinschaft (zur gesamten Hand) oder zu einer kollektiven Einheit (daher auch kollektive Gesamthandslehre). Die Gesamthand wird so von einem Sondervermögen zu einer Vermögensgemeinschaft.
II. Schuld und Haftung 1. Von der Schuld zur Haftung Auf diese Weise ist aber gewissermaßen das Gesellschaftsvermögen selbst Gläubiger und Schuldner. Die Gesellschafter sind an sich nur (noch) deshalb erforderlich, weil Gegenstand von Forderung und Schuld ein Tun oder Unterlassen, d. h. ein menschliches Verhalten, ist. Im römischen Recht und daher an sich auch im BGB besteht infolgedessen ein Schuldverhältnis unmittelbar zwischen Gläubiger und Schuldner als Personen (vgl. § 241 Abs. 1 BGB), beide sind 97 98
Honsell, Römisches Recht, 8. Aufl. 2015, S. 81. Zöllner, in: FS Gernhuber, 1993, S. 563, 576, wonach das Vermögen aus Aktiva und Passiva besteht, sodass ein Gesellschafter nicht nur gesamthänderischer Mitinhaber des Aktivvermögens ist, sondern auch Mitschuldner der Verbindlichkeiten; so bereits Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 275 mit Fn. 24: „Für die deutsche und moderne Auffassung bedeutet ‚Vermögen‘ regelmäßig die Einheit der Aktiva und Passiva“; nach BGHZ 79, 374, 379, besteht das Gesamthandsvermögen aus „allen Rechten und Pflichten“ der Gesellschafter. 99 BGHZ 79, 374, 378, 379; BGHZ 74, 240, 241.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
aneinander gebunden („gefesselt“).100 Forderung und Schuld können aus diesem Grund eigentlich per se nicht von der Person des Gläubigers und der des Schuldners unterschieden und als „unkörperliche Sache“ objektiviert und „sachenrechtlich“ übertragen werden.101 Weil der Schuldner durch das Schuldverhältnis derart an den Gläubiger gebunden ist, ist er als Person oder vielmehr in der Regel stattdessen sein Vermögen dem zwangsweisen Zugriff des Gläubigers unterworfen; er haftet in diesem Sinn mit seinem Vermögen.102 Der Begriff der Haftung verlagert den Blick vom Subjekt, dem Schuldner, auf das Objekt, den Gegenstand der Verbindlichkeit: Nicht wer etwas schuldet, sondern was geschuldet wird, steht hier im Fokus.
2. Das Vermögen als Bezugspunkt der Schulden Die Haftung des Vermögens wird über die Person des Schuldners vermittelt. Verbindlichkeit und Vermögen sind einander nur mittelbar zugeordnet. Der Gläubiger hat dementsprechend nur ein mittelbares Recht am Vermögen des Schuldners.103 Aus Sicht des Gläubigers ist die Schuld daher ein personenbezogenes und damit relatives Recht am Vermögen. Wenn nun die 100 Nach Bachmann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 11, ist das Schuldverhältnis „ein Band zwischen zwei Personen“; bereits das römische Recht spricht von einem „Band“, einer „Fesselung“ oder „Verbindung“ (vinculum) in Inst. 3, 13 pr.: „obligatio est iuris vinculum, quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae civitatis iura. – Das Schuldverhältnis ist ein rechtliches Band, durch das uns nach dem Recht unseres Gemeinwesens der Zwang auferlegt wird, irgendeine Leistung zu erbringen“. Zum nexum (= Fesselung) als einer Selbstverpfändung des Schuldners im altrömischen Recht siehe Meder, Rechtsgeschichte, 6. Aufl. 2017, S. 37. Nach § 275 BGB a. F. wurde der Schuldner von seiner Pflicht zur Leistung „frei“ (!), wenn die Leistung unmöglich wurde und er den Umstand, der zur Unmöglichkeit geführt hat, auch nicht zu vertreten hatte. Das Verschulden löst das „Band“ zwischen Gläubiger und Schuldner also nicht, sondern modifiziert lediglich das Schuldverhältnis (obligatio). Nach Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 55 Rn. 1, waren Forderungen (Rechte) in Rom an die Person von Gläubiger und Schuldner gebunden und daher nicht übertragbar. 101 So jedoch für das deutsche Recht Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 272; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 37, wonach anders als im römischen Recht Schuld und Forderung vom Individuum, d. h. von Schuldner und Gläubiger, „löslich“ sind. Selbst das römische Recht kannte mit der Noxalhaftung den Übergang einer Schuld vom Veräußerer auf den Erwerber. Hatte ein Sklave ein Delikt begangen, haftete nicht er selbst, sondern sein Herr. Diese Schadenshaftung des Herrn bestand jedoch nur, solange der Sklave sein Eigentum war. Veräußerte er den Sklaven, bevor er die Schadenshaftung erfüllt hatte, ging zusammen mit dem Sklaven die Schadenshaftung auf den Erwerber über (noxa caput sequitur). Damit war nunmehr allein dieser als der neue Herr des Sklaven verpflichtet, den Verletzten zu entschädigen (so Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 50 Rn. 12, 13). Ansonsten waren Rechte, jedenfalls Forderungen, an die Person von Gläubiger und Schuldner als ihre Träger gebunden (ebenda, § 55 Rn. 1). 102 Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 42. Aufl. 2018, § 2 Rn. 19, 20, 23; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 241 Rn. 18. 103 Zur schuldrechtlichen (und insofern mittelbaren oder relativen) Zuordnung einer
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Schuld Bestandteil des Vermögens ist und es demzufolge unmittelbar belastet, wird die Schuld aus Sicht des Gläubigers zu einem absoluten, von der Person des Schuldners unabhängigen Recht. Die Schuld geht dann vergleichbar einem dinglichen Recht auf den jeweiligen Inhaber des Vermögens über. Weil die Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner auf diese Weise über das Vermögen vermittelt wird, besteht das Schuldverhältnis nicht mehr direkt zwischen beiden, es wird gleichsam mediatisiert und so zu einer sachenrechtlichen Beziehung, bei der lediglich das Vermögen an die Stelle der Sache getreten ist. So ist dann auch die Kritik des BGH an der kollektiven Gesamthandslehre (dort als „traditionelle Auffassung“ bezeichnet) zu verstehen: „Dies verwischt aber die Grenze zwischen Schuld und Haftung, denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen.“104
3. Die subjektiv dinglichen Rechte Nun gibt es im BGB durchaus Schuldverhältnisse zwischen Gläubiger und Schuldner, die über eine Sache vermittelt werden, gleichsam die Sache selbst Schuldnerin ist, und der Eigentümer allein deshalb nötig ist, weil die Sache als solche nicht handeln („Tun oder Unterlassen“) kann. Bei den subjektiv dinglichen Rechten wird nicht der Eigentümer, sondern nach dem Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich das Grundstück oder die bewegliche Sache mit einer Schuld (dem Recht einer anderen Person) „belastet“ (§ 1018; § 1030 Abs. 1; § 1090 Abs. 1; § 1094 Abs. 1; § 1105 Abs. 1 Satz 1; § 1113 Abs. 1; § 1191 Abs. 1; § 1204 Abs. 1 BGB). Die Schuld wird hier wesentlicher Bestandteil des belasteten Grundstücks (§§ 96, 93 BGB), sodass sie bei der Veräußerung des Grundstücks auf den Erwerber mit übergeht.105 Schuldner ist demgemäß stets der gegenwärtige Eigentümer des Grundstücks. Das BGB stellt deshalb hier allein auf die Sache und damit auf den Gegenstand (Objekt) der Schuld ab, weil ausschließlich der jeweilige Eigentümer die Forderung (Recht) des Gläubigers erfüllen kann.106 Die Schuld ist in gewisser Weise auf die Sache als Objekt beschränkt. Weil es nicht auf die Person des Schuldners ankommt, kann ein Gläubiger selbst dann sein Recht an Sache zu einer Person (Gläubiger) über eine andere Person (Schuldner) siehe vor allem Wilhelm, Sachenrecht, 5. Aufl. 2016, Rn. 75–78, insb. Rn. 77. 104 BGHZ 146, 341, 345, im Anschluss an Aderhold, Das Schuldmodell der BGB‑Gesellschaft, 1981, S. 110–111. 105 Stresemann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 96 Rn. 1–2; Marly, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 96 Rn. 1. 106 Auch die Noxalhaftung im römischen Recht ging nur deshalb vom Veräußerer auf den Erwerber des Sklaven über, weil sich der jeweilige Herr des Sklaven von seiner Schadenshaftung dadurch befreien konnte, dass er entweder die Deliktsbuße bezahlte, als hätte er selbst das Delikt begangen, oder den Sklaven dem Verletzten auslieferte (noxa deditio) (Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 50 Rn. 12).
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
dem Grundstück im Wege der Klage geltend machen und zwangsweise durchsetzen, wenn der bisherige Eigentümer nach § 928 Abs. 1 BGB sein Eigentum daran aufgegeben hat und es deshalb an einem Schuldner fehlt (§§ 58, 787 ZPO). Die Rechte Dritter (Gläubiger) an dem Grundstück bleiben also bestehen, obwohl ein verpflichtetes Rechtssubjekt (Schuldner) nicht mehr und noch nicht da ist. Der bisherige Eigentümer hört durch die Eigentumsaufgabe auf, Schuldner der dinglichen Rechte zu sein,107 sodass das Grundstück bis zur Aneignung durch den Fiskus des Landes herrenlos ist (§ 928 Abs. 2 BGB). Das Gericht hat dennoch auf Antrag des Gläubigers einen Vertreter zu bestellen (§§ 58, 787 ZPO), der dann gewissermaßen für das Grundstück die geschuldete Handlung vornimmt.108
4. Fortbestand der mit der „Gesellschaft“ bestehenden Rechtsverhältnisse trotz Gesellschafterwechsels Auch bei der gemeinschaftlichen Schuld der Gesellschafter (Gesellschaftsschuld) haften die socii zunächst nur mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB). Die Schuld ist hier auf das Vermögen als unkörperliche Sache beschränkt, sodass es dem Gläubiger ebenfalls nicht darauf ankommt, wer Gesellschafter und damit Schuldner ist, sondern womit die socii haften. Statt der Schuld steht für den Gläubiger deshalb die Haftung im Mittelpunkt; für ihn ist nicht das Subjekt, sondern das Objekt entscheidend. Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, wächst den übrigen socii sein Anteil am Gesellschaftsvermögen zu (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Weil er dadurch nicht mehr Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens ist, endet seine Beziehung zum Gesellschaftsvermögen. Das gemeinschaftliche Vermögen, vorgestellt als unkörperliche Gesamtsache, vermittelt dem ausgeschiedenen Gesellschafter infolgedessen nicht mehr die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Er hört automatisch (ipso iure) auf, Gläubiger der Forderungen und Schuldner der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu sein. Kommt umgekehrt ein Gesellschafter neu zur Gesellschaft hinzu, wird er Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens. Auf diese Weise wird er, vermittelt über das Gesellschaftsvermögen, ipso iure Gläubiger und Schuldner in den Schuldverhältnissen der Gesellschaft.109 Der Wechsel im Mitgliederbestand hat dem107 Herrler, in: Palandt, 108 Nach h. M. soll der
BGB, 78. Aufl. 2019, § 928 Rn. 3. Prozesspfleger („Vertreter“) gesetzlicher Vertreter des künftigen Eigentümers sein (Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 58 Rn. 4; Hübsch, in: BeckOK, ZPO, 31. Ed. 2018, § 58 Rn. 2). Einen solchen künftigen Eigentümer muss es aber nicht geben, der Landesfiskus hat das Recht und nicht die Pflicht zur Aneignung (§ 928 Abs. 2 BGB). Dazu Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 1, 1933, S. 226–228. 109 So in der Sache auch Zöllner, in: FS Kraft, 1998, S. 701, 715, wonach ein neuer Gesellschafter als Mitträger des Gesellschaftsvermögens in einer Art „Gesamtrechtsnachfolge“ in alle Rechtspositionen hineinwachse, die für die bisherigen Inhaber des Gesellschafts-
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nach auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse keinen Einfluss. Die jeweiligen socii sind gemeinschaftliche Gläubiger und Schuldner und haften als solche mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB). Aus dieser Perspektive kommt die h. M. (Gruppenlehre), die in der Gesellschaft als einer Gesamthand ein Rechtssubjekt sieht, zum selben Ergebnis, lediglich über den Umweg, dass sie für das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter i. S. des § 718 Abs. 1 BGB einen Rechtsträger (als „lebendiges Subjekt“) erschafft.110 Zwar sind nicht die Gesellschafter und auch nicht das Gesellschaftsvermögen Gläubiger und Schuldner, sondern die Gesellschaft als Rechtssubjekt, und obgleich die Gesellschaft deshalb selbst Gläubigerin und Schuldnerin ist, haftet sie doch wieder nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen, das ihr allein gehört. Statt des gemeinschaftlichen Vermögens der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) ist hier die Gesellschaft als Rechtssubjekt in den Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zu außenstehenden Dritten dazwischengeschaltet. Doch während das Gesellschaftsvermögen gleichsam als Sache Rechte und Pflichten an die Gesellschafter lediglich vermittelt und sie aus diesem Grund Gläubiger und Schuldner sind, enden die Rechtsbeziehungen bei der Gesellschaft als Rechtssubjekt und dringen daher nicht bis zu den Gesellschaftern durch. Sieht man im Gesellschaftsvermögen den Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten (kollektive Gesamthandslehre), lässt ein Wechsel der Gesellschafter den Fortbestand der bestehenden Rechtsverhältnisse deshalb unberührt, weil das Gesellschaftsvermögen auch dann dasselbe bleibt, wenn ein socius hinzukommt oder ausscheidet.111 Die Gesellschafter sind hier zwar Rechtsträger, aber nur in ihrer Eigenschaft als (Mit-) Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB). Dass die bereits mit vermögens bestanden haben, was nicht nur für Rechte und Schulden, sondern selbst für die Vertragsstellungen gelte; ders., in: FS Claussen, 1997, S. 423, 431; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 858, BGHZ 79, 374, 378–379; a. A. Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 143 mit Fn. 115, ihm darin folgend BGHZ 146, 341, 345. Da für Aderhold, Das Schuldmodell der BGB‑Gesellschaft, 1981, S. 82, strikt zwischen Schuld und Haftung und damit zwischen dem Schuldner (als Haftungssubjekt) und dem Vermögen (als Haftungsobjekt) zu trennen und Haftung die Folge der Schuld ist, nicht aber umgekehrt, scheidet es für ihn aus, das Aktivvermögen „als Übertragungsmittel“ für die gemeinschaftlichen Schulden der Gesellschafter zu verwenden. 110 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 72; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 62; Aderhold, Das Schuldmodell der BGB‑Gesellschaft, 1981, S. 109–110. 111 So auch BGHZ 79, 374, 379, wenn der neu eingetretene Gesellschafter einen Vertrag, der bereits vor seinem Beitritt durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossen worden ist, mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft deshalb genehmigen kann, weil ein Mitgliederwechsel in der Gesellschaft den Bestand des Gesamthandvermögens mit allen Rechten und Pflichten nicht berührt.
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der Gesellschaft bestehenden Rechtsbeziehungen unverändert fortdauern, resultiert für die h. M. (Gruppenlehre) im Gegensatz dazu aus ihrer Annahme, die Gesellschaft selbst sei ein Rechtssubjekt und infolgedessen sie und nicht ihre Gesellschafter Zuordnungsendpunkt der Rechte und Pflichten.
III. Die persönliche Haftung der Gesellschafter 1. Die Theorie der rechtsgeschäftlichen Doppelverpflichtung Wird das Gesellschaftsvermögen derart zum Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, sind die einzelnen socii an sich ausschließlich in ihrer Eigenschaft („Personenrolle“) als Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (Gläubiger und) Schuldner. Der einzelne Gesellschafter wird hier (scheinbar) nicht als ganze Person (als solcher) gebunden und haftet deshalb nicht mit seinem Privatvermögen.112 So sieht es denn auch die h. M. (Gruppenlehre), wenn sie die Gesellschaft als ein Rechtssubjekt versteht, bei dem die Rechtsbeziehungen zu außenstehenden Dritten enden und daher nicht bis zu den Gesellschaftern durchdringen. Der einzelne Gesellschafter haftet daher nur dann persönlich mit seinem Privatvermögen, wenn er zusätzlich als Person (für sich) Schuldner ist (Theorie der Doppelverpflichtung).113 Hiernach tritt der geschäftsführende Gesellschafter nicht allein für die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) auf, sondern auch für jeden einzelnen von ihnen persönlich. Er muss dabei nicht ausdrücklich im Namen der einzelnen Gesellschafter (und im Namen der Gesellschaft) handeln, vielmehr ergibt sich dies aus den Umständen, wenn er im Namen der Gesellschaft rechtsgeschäftlich gegenüber Dritten auftritt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB).114 Die Befugnis, seine Mitgesellschafter auch jeden für sich (persönlich) zu vertreten, folgt dabei aus § 714 BGB.115 Weil der geschäftsführende Gesellschafter hiernach aber nur „im Zweifel“ ermächtigt ist, „die anderen Gesellschafter“ auch persönlich gegenüber Dritten zu vertreten (§ 714 BGB), kann ein socius seine Haftung auf 112 Bereits in den Anfängen der Gesamthand (Mittelalter) gab es sowohl die Position, eine Verpflichtung gegenüber Dritten zur gesamten Hand begründe eine unbegrenzte persönliche Haftung, als auch die, dass die Haftung auf das gemeinsam verwaltete Vermögen beschränkt sei (Lepsius, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, 2. Aufl. 2012, Spalte 264). 113 BGHZ 136, 254, 258–259; anders jetzt BGHZ 146, 341, 358 (akzessorische Gesellschafterhaftung); für eine Doppelverpflichtung auch heute noch bloß Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 29. 114 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 9. 115 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 9, 29, wobei der zur Geschäftsführung befugte Gesellschafter die einzelnen Gesellschafter ausschließlich verpflichten (und nicht berechtigen) kann, und zwar nur, soweit gleichzeitig Gesamthandsschulden der GbR entstehen.
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das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) beschränken, indem er die Befugnis des geschäftsführenden Gesellschafters (d. h. die Vollmacht), für ihn persönlich als Stellvertreter aufzutreten, ausschließt.116 Tritt der handelnde Gesellschafter für die Gesellschaft und damit nach den Umständen (vermeintlich) auch im Namen des einzelnen Gesellschafters auf (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB), tut er dies jetzt ohne die dafür erforderliche Vertretungsmacht.117 Der Gesellschafter haftet dann nicht (mehr) persönlich mit seinem Privatvermögen. Weil es aber nach den Umständen grundsätzlich so aussieht, als ob der geschäftsführende Gesellschafter sowohl im Namen der Gesellschaft als auch für seine Mitgesellschafter persönlich die Willenserklärungen abgibt, kommt eine persönliche Haftung der socii kraft Rechtsscheins in Betracht (Duldungs- oder Anscheinsvollmacht).118 Weist der handelnde Gesellschafter jedoch auf die fehlende Einzelvollmacht hin, kann ein solcher Rechtsschein nicht entstehen, sodass eine persönliche Mitverpflichtung der einzelnen Gesellschafter ausscheidet.119 Das gilt auch, wenn der einzelne Gesellschafter Dritten die fehlende Bevollmächtigung mitteilt oder öffentlich bekanntmacht (vgl. § 171 Abs. 2 BGB).120 Der Vertragspartner muss in diesem Fall die mangelnde Vertretungsmacht kennen und kann sich deshalb nicht auf den Rechtsschein einer persönlichen Mitverpflichtung des einzelnen Gesellschafters berufen (vgl. § 173 BGB).
2. Der allgemeine Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts: Der Schuldner haftet stets mit seinem gesamten Vermögen a) Die Ansicht des BGH vor und nach Anerkennung der BGB‑Gesellschaft als rechtsfähig Die Annahme, die socii könnten ihre Haftung auf ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) beschränken, indem sie den handelnden Gesellschafter bevollmächtigen, ausschließlich solche Geschäfte abschließen 116 So noch BGHZ 136, 254, 259; BGH, WM 1990, 1035, 1037; anders jetzt BGHZ 142, 315, 319; nach Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 32a, ist die in § 714 BGB enthaltene Vermutung nunmehr „unwiderleglich“. Die Gesellschafter haften deshalb stets auch persönlich mit ihrem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 2 HGB). 117 BGHZ 74, 240, 241. 118 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 34; Lindacher, JuS 1981, 818, 822; siehe auch § 169 BGB, wonach eine Vollmacht des geschäftsführenden Gesellschafters, die erloschen ist, nach § 729 BGB aber als fortbestehend gilt, nicht zugunsten eines Dritten wirkt, der bei Vornahme eines Rechtsgeschäfts das Erlöschen kennt oder kennen muss. Das BGB geht auch hier im Fall einer Gesellschaft von einer Vollmacht kraft Rechtsscheins aus. 119 Lindacher, JuS 1981, 818, 822; so auch BGHZ 136, 254, 259, wonach eine persönliche Haftung der Gesellschafter ausscheidet, wenn sie „ihre Haftung mit Außenwirkung auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt haben“ (Hervorhebung nicht im Original). 120 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 34.
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zu dürfen, bei denen eine persönliche Haftung der Gesellschafter ausgeschlossen ist, widerspricht, so der BGH, „dem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet“.121 Wer Schuldner ist, haftet also stets mit seinem gesamten Vermögen. Obgleich die Gesellschafter nur deshalb (gemeinschaftliche) Schuldner sind, weil die Rechtsbeziehungen zu Dritten über das Gesellschaftsvermögen gleichsam als Sache vermittelt werden, sind sie doch als solche Schuldner. Die Gesellschafter werden deshalb als ganze Person gebunden und daher nicht nur in ihrer Eigenschaft (Personenrolle) als Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB), sondern eben auch in der als Alleininhaber ihres Privatvermögens. Sie haften aus diesem Grund zusätzlich immer auch persönlich mit ihrem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Der Grundsatz, den der BGH hier scheinbar aus dem Nichts formuliert,122 ist keineswegs neu, sondern aus dem römischen Recht bekannt.123 Dort und deswegen auch im BGB erfasst das Schuldverhältnis (obligatio) als rechtliches Band (iuris vinculum) zwischen Schuldner und Gläubiger die ganze Person.124 Die Person ist als solche Rechtsträger (Rechtssubjekt), und weil der Schuldner deshalb als solcher gebunden ist, haftet er stets als Person und deswegen persönlich mit seinem gesamten Vermögen für die Verpflichtungen, die da121
BGHZ 142, 315, 319. Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 5, spricht in diesem Kontext sogar von einem „(angeblichen) allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts“ und verweist dabei auf Ulmer, ZGR 2000, 339, 346–347; Canaris, ZGR 2004, 69, 91–92; Westermann, in: FS Konzen, 2006, S. 957, 962. Nach Canaris, aaO., S. 91, gibt es „jedenfalls“ einen solchen Rechtssatz „nicht, als es um das (…) Handeln ‚in Gemeinschaft mit anderen‘ geht“. Auch für Ulmer, aaO., S. 346–347, geht dieser „Obersatz (…) über das geltende Recht hinaus“. Demgegenüber stellen aber bereits Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, 9. Aufl. 1906, S. 788, für die BGB‑Gesellschaft ausdrücklich fest, dass für die dort „in Gesellschaftsangelegenheiten erwachsenden Verbindlichkeiten“ die Gesellschafter haften, „sämtliche und einzelne, und daher, wie für andere Verbindlichkeiten, mit ihrem ganzen Vermögen“, mit der Folge, dass sie „nicht etwa die Gläubiger auf das Gesellschaftsvermögen beschränken“ können. 123 Das römische Recht spricht in Inst. 3, 13 pr. von einem Band, einer Fesselung oder einer Verbindung (vinculum): „obligatio est iuris vinculum, quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae civitatis iura. – Das Schuldverhältnis ist ein rechtliches Band, durch das uns nach dem Recht unseres Gemeinwesens der Zwang auferlegt wird, irgendeine Leistung zu erbringen“. Bachmann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 11, knüpft daran an, wenn er das Schuldverhältnis im BGB als „ein Band zwischen zwei Personen“ beschreibt. Siehe dazu auch Aderhold, Das Schuldmodell der BGB‑Gesellschaft, 1981, S. 85. 124 Bereits die Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 342, heben für die BGB‑Gesellschaft ausdrücklich hervor: „Es versteht sich, dass die Gesellschafter, soweit sie dem Dritten verpflichtet sind, ihm mit ihrem ganzen Vermögen haften“ (Hervorhebung nicht im Original). 122
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raus entstehen, dass er als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt. Das heißt im Umkehrschluss, dass für eine Schuld nur derjenige mit seinem gesamten Vermögen haftet, der selbst Schuldner dieser Verbindlichkeit ist. Die eigene Haftung setzt also die eigene Schuld voraus.125 Wenn nun der einzelne Gesellschafter auch persönlich für die gemeinschaftliche Schuld der socii (Gesellschaftsschuld) einstehen soll, muss er demzufolge in eigener Person Schuldner dieser gemeinschaftlichen Verbindlichkeit sein. Allein wenn er Schuldner ist, haftet er für die Gesellschaftsschuld auch persönlich mit seinem Privatvermögen. Selbst für den BGH muss der einzelne Gesellschafter also allein deshalb für die Gesellschaftsschuld persönlich (mit seinem Privatvermögen) einstehen, weil er Schuldner der gemeinschaftlichen Verbindlichkeit der Gesellschafter ist. Dass der BGH die Gesellschaftsschuld als eine gemeinschaftliche Schuld der socii versteht, folgt daraus, dass für ihn „derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet“.126 Als Gesellschaft betreiben die Gesellschafter aber ihre Geschäfte nicht als unverbundene Einzelpersonen, sondern zusammen in Gemeinschaft. Die Verbindlichkeit der Gesellschaft ist deshalb eine Verpflichtung, die daraus entsteht, dass die Gesellschafter in Gemeinschaft miteinander Geschäfte betreiben, und dementsprechend eine gemeinschaftliche Schuld (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die persönliche Haftung des einzelnen Gesellschafters setzt demzufolge auch für den BGH voraus, dass der Gesellschafter in Gemeinschaft mit den übrigen Gesellschaftern Schuldner ist. Und weil das nicht nur ein allgemeiner Grundsatz des bürgerlichen Rechts, sondern auch des Handelsrechts ist, so der BGH ausdrücklich, gilt das sowohl für die GbR als auch für die Handelsgesellschaften. Auch bei der OHG und der KG hat der einzelne Gesellschafter nur deswegen persönlich mit seinem Privatvermögen für die Gesellschaftsschuld einzustehen, weil er in eigener Person Mitschuldner der Gesellschaftsschuld als der gemeinschaftlichen Verbindlichkeit aller Gesellschafter ist. Für den BGH kodifiziert die Vorschrift des § 128 Satz 1 HGB daher lediglich den bereits allgemein im Handelsrecht geltenden Grundsatz, dass ein Schuldner stets mit seinem gesamten Vermögen für die Verpflichtungen haftet, die daraus entstehen, dass er in Gemeinschaft mit seinen Mitgesellschaftern (insofern mit anderen) Geschäfte betreibt, und infolgedessen eben auch persönlich mit seinem Privatvermögen dafür einzustehen hat. Damit begründet § 128 Satz 1 HGB aber nicht erst die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der OHG, sondern setzt diese bereits voraus, sodass § 128 125 Auch nach BGHZ 163, 154, 173, „kommt eine persönliche Haftung nur für eine persönliche Schuld in Betracht“ (Hervorhebung nicht im Original). 126 BGHZ 142, 315, 319 (Hervorhebung nicht im Original).
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Satz 1 HGB insofern nicht normativen, sondern deskriptiven, allenfalls affirmativen Charakter hat. Auch für den BGH gehört demgemäß die persönliche Haftung des einzelnen Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bereits zum Wesen der Handelsgesellschaft (vgl. § 128 Satz 2 HGB), und zwar nicht nur in dem Sinn, dass er überhaupt persönlich mit seinem Privatvermögen für die Schulden der Gesellschaft einzustehen hat, sondern auch, dass er nur deshalb persönlich (mit seinem Privatvermögen) haftet, weil er selbst Schuldner dieser gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten ist. Denn nur wer Schuldner einer Verbindlichkeit ist, hat dafür als Person mit seinem gesamten Vermögen einzustehen. Und weil dieser allgemeine Grundsatz für das Handelsrecht und das bürgerliche Recht gilt, ist der einzelne Gesellschafter auch bei der BGB‑Gesellschaft Schuldner der Verbindlichkeiten der Gesellschaft und hat aus diesem Grund für diese Gesellschaftsschulden auch persönlich mit seinem Privatvermögen einzustehen. Selbst nachdem der BGH schließlich die BGB‑Gesellschaft als rechtsfähig anerkannt hat,127 gilt für ihn weiterhin, dass die Gesellschafter nur deshalb persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen haften, weil sie in eigener Person Schuldner dieser Verbindlichkeiten sind. Denn in BGHZ 146, 341, 358 hatte sich der BGH lediglich für eine akzessorische Gesellschafterhaftung entsprechend derjenigen bei der OHG (§§ 128, 129 HGB) entschieden. Es ging hier nur noch um das „Wie“ und nicht mehr um das „Ob“ einer persönlichen Haftung. Dass der einzelne Gesellschafter überhaupt persönlich mit seinem Privatvermögen für die Schulden der Gesellschaft einzustehen hat, stand für den BGH hier bereits fest, wenn es in BGHZ 146, 341, 358 ausdrücklich heißt: „Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haftet (BGHZ 142, 315, 318), ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld also auch für die persönliche Haftung maßgebend.“ Der BGH knüpfte demnach hier an seine Aussage in BGHZ 142, 315, 318 an, wonach die Gesellschafter einer GbR „kraft Gesetzes“ für die Schulden der Gesellschaft auch persönlich mit ihrem Privatvermögen haften. Diese persönliche Haftung stützt der BGH aber im Kern allein auf den „allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet“.128 Nur weil er dieses Prinzip als „Grundgedanken der geltenden Rechtsordnung“ versteht,129 das als solches der Privatautonomie der Gesellschafter 127
128 129
BGHZ 146, 341, 343. BGHZ 142, 315, 319. BGHZ 142, 315, 319.
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entzogen und deshalb zwingend und nicht dispositiv ist, handelt es sich bei der persönlichen Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft um eine „kraft Gesetzes“ und nicht, wie vom BGH vor seiner Entscheidung in BGHZ 142, 315, 318 noch vertreten, um eine aus Vertrag (Theorie der rechtsgeschäftlichen Doppelverpflichtung).130 Demzufolge steht der Ausdruck „kraft Gesetzes“ in den Augen des BGH nicht allein für geschriebene, sondern auch für ungeschriebene Normen.131 Er erfasst daher auch die Grundgedanken der geltenden Rechtsordnung, hier den ungeschriebenen und in diesem Sinn allgemeinen Grundsatz, dass ein Schuldner stets (!) mit seinem gesamten Vermögen für seine Verbindlichkeiten einzustehen hat (und deswegen auch persönlich mit seinem Privatvermögen haftet).132 Dieser „allgemeine Grundsatz“ ist demzufolge in § 128 HGB für die Gesellschaften des Handelsrechts (d. h. für OHG und KG) lediglich schriftlich fixiert und insofern bloß kodifiziert, gilt gleichsam als ius aber auch zuvor und unabhängig davon (ipso iure) für die BGB‑Gesellschaft als eine Gemeinschaft zur gesamten Hand.
b) Die h. M. (Gruppenlehre) Wenn nun aber die GbR selbst rechtsfähig ist, wie es die h. M. (Gruppenlehre) behauptet, ist die BGB‑Gesellschaft allein Schuldnerin und nicht ihre Gesellschafter. Weil aber nur derjenige mit seinem gesamten Vermögen haftet, der Schuldner ist (so der BGH),133 die Gesellschafter aber nicht (mehr) Schuldner der Verbindlichkeiten der Gesellschaft sind, haften sie nach dem „allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts“ nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen, sondern allein die Gesellschaft mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter gehört auf diese Weise nicht mehr zur Natur der Gesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand (so aber § 128 HGB). Die h. M. kann demnach in ihrem Modell von der Gesellschaft als Rechtssubjekt die persönliche Haftung der Gesellschafter nicht mehr abbilden.134 Die persönliche Haftung der 130 BGHZ 74, 240, 241: „Eine persönliche Gesellschafterhaftung mit dem Privatvermögen kann in der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts – wenn man von der Möglichkeit eines Schuldbeitritts absieht – nur durch Mitwirkung des Gesellschafters am Vertragsschluss oder dadurch begründet werden, dass der geschäftsführende Gesellschafter bei Vertragsschluss für ihn handelt und dazu eine entsprechende Vertretungsmacht besitzt“; siehe auch BGHZ 136, 254, 258–259. 131 Nach Lindacher, JuS 1981, 431, 434, beruht die akzessorische Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft darauf, dass die „Gesamthandshaftung auf die Gesellschafter ex lege durch eine – geschriebene oder ungeschriebene – Erstreckungsnorm“ ausgedehnt wird (Theorie der gesetzlichen Akzessorietät). 132 Da die persönliche Haftung hier auf einer ungeschriebenen Norm (ius) und nicht auf Gesetz (lex) beruht, ist der Ausdruck „kraft Gesetzes“ (ex lege) nicht ganz passend, stattdessen ist die Bezeichnung „ipso iure“ an dieser Stelle vorzuziehen. 133 BGHZ 142, 315, 319. 134 Für den BGH ist nun aber gerade die Fähigkeit, die Eigenschaften der Gesellschaft
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Gesellschafter steht und fällt jedoch mit ihrer Eigenschaft als Schuldner der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten (Gesellschaftsschulden). Sie und nicht die Gesellschaft als solche (d. h. als Rechtssubjekt) müssen Zuordnungsendpunkte der Rechte und Pflichten sein, damit die Gesellschafter auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Gesellschaftsschulden (i. S. des § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) einzustehen haben. Der BGH qualifiziert deshalb die persönliche Haftung als den „Preis“, den die Gesellschafter dafür zu zahlen haben, dass sie ein Mindestkapital weder in die Gesellschaft einbringen noch dort als Haftungsfonds aufrechterhalten müssen.135 Auf diese Weise argumentiert der BGH aber nicht nur neben dem Wesen der Gesellschaft als Gesamthand, sondern vertauscht auch noch Ursache und Wirkung. Denn es gilt nicht: Weil den Gläubigern an sich ausschließlich das ungesicherte Gesellschaftsvermögen haften würde, haben die Gesellschafter zusätzlich mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen (so die h. M.),136 stattdessen folgt umgekehrt aus der persönlichen Haftung der Gesellschafter, dass sie nicht gehindert sind, „die Gesellschaft mit nur minimalem oder gar ganz fehlendem Haftungsfonds zu betreiben“.137 Die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter kann die h. M. demgemäß auch damit nicht rechtfertigen. Sie bleibt ein Fremdkörper im Modell von der rechtsfähigen Gesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand, was nicht bloß für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, sondern auch für die des Handelsrechts gilt.
c) Die kollektive Gesamthandslehre Gibt der geschäftsführende Gesellschafter für die übrigen socii eine Willenserklärung ab, so wirkt diese Willenserklärung unmittelbar für und gegen den Vertretenen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Vertretene ist hier der Gesellschafter als Person (d. h. als ein Rechtssubjekt). Er ist der Zuordnungsendpunkt der als Gesamthand widerspruchsfrei „erklären“ zu können, der Maßstab für die „Richtigkeit“ seines Modells (so BGHZ 146, 341, 344, 345, 346). 135 So BGHZ 142, 315, 322, 323; dazu ausführlich Schulze, Die akzessorische Haftungsverfassung der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, 2006, S. 110–128, 146–147; für Rappen, Die Haftung für Delikte der Mitgesellschafter bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2010, S. 47–70, gilt umgekehrt, dass „die Mitglieder eines Verbands für die Verbandsverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt persönlich haften“ und damit für ein fremdes Rechtssubjekt, sofern das Gesetz nicht Kapitalerhaltungsvorschriften vorsieht (S. 59–60). Eine persönliche Haftung setzt aber stets eine persönliche, d. h. eine eigene, Schuld voraus, da „der Verband Träger der Rechte und Pflichten ist und nicht seine Mitglieder“ (so BGHZ 163, 154, 174). Die Ansicht ist daher abzulehnen (dazu auch sogleich). 136 Auch Röder, AcP 215 (2015), 450, 511, der die persönliche Haftung der BGB‑Gesellschafter de lege ferenda auf ein Gesetz stützen will, sieht das zentrale Argument dafür in der fehlenden Kapitalsicherung der GbR. 137 BGHZ 142, 315, 322, 323 (Zitat).
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(Rechte und) Pflichten und daher als solcher Schuldner (wenn auch nach der kollektiven Gesamthandslehre lediglich vermittelt über das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter, § 718 Abs. 1 BGB). Sobald ein Schuldverhältnis zu einem außenstehenden Dritten entsteht, wird demgemäß jeder Gesellschafter als solcher (d. h. als ganze Person) davon erfasst, sodass die Gesellschafter ihrer persönlichen Haftung nicht einfach dadurch entgehen können, dass sie die Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters darauf beschränken, sie ausschließlich in ihrer Eigenschaft als Inhaber des gemeinschaftlichen Vermögens verpflichten zu dürfen. In der Gesellschaft sind die socii immer sowohl (Mit-) Inhaber des Gesellschaftsvermögens als auch (Allein-) Inhaber ihres Privatvermögens. Sie können demzufolge die Eigenschaft als Inhaber ihres Privatvermögens in der Gesellschaft nicht einfach ablegen, vielmehr sind sie stets „mit ihrer ganzen vermögensrechtlichen Persönlichkeit“ in der Gesellschaft (und nicht nur in der Handelsgesellschaft) enthalten.138 Denn wenn die persönliche Haftung zur Rechtsnatur („Wesen“) der OHG gehört (vgl. § 128 Satz 2 HGB), GbR und OHG aber als Gemeinschaften zur gesamten Hand wesensgleich sind,139 sind die Gesellschafter zwingend auch in der GbR als solche Schuldner und haften daher mit ihrem gesamten Vermögen und demgemäß auch persönlich mit ihrem Privatvermögen.
3. Die akzessorische Gesellschafterhaftung Weil die GbR rechtsfähig ist, haften die Gesellschafter nach Ansicht des BGH akzessorisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, d. h. der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld ist auch für die persönliche Haftung der Gesellschafter maßgebend.140 „Insoweit entspricht“, so der BGH weiter, „das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung damit der Rechtslage in den Fällen der akzessorischen Gesellschafterhaftung gemäß §§ 128 f. HGB bei der OHG“.141 Erst später überträgt der BGH ausdrücklich das Regelungsmodell der §§ 128, 129 HGB (analog) auf die BGB‑Gesellschaft.142 Die entsprechende Anwendung der §§ 128, 129 HGB folgt für den BGH daraus, dass eine GbR ipso iure eine OHG ist, sobald sie ein Handelsgewerbe betreibt (§§ 105 Abs. 1, 1 Abs. 2 HGB), und umgekehrt, falls das nicht (mehr) der Fall ist, die 138 Gierke, Deutsches Privatrecht, 139 So der BGH, wenn er aus der
Bd. 1, 1895, S. 682, Fn. 96. Rechtssubjektivität der OHG die der GbR ableitet, und zwar, weil eine GbR automatisch eine OHG ist, sobald sie ein Handelsgewerbe betreibt (§§ 105 Abs. 1, 1 Abs. 2 HGB), und umgekehrt eine OHG eine GbR ist, wenn die Gesellschaft ein Unternehmen betreibt, das nach Art und Umfang einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht mehr erfordert (BGHZ 146, 341, 346). 140 So ausdrücklich BGHZ 146, 341, 358. 141 BGHZ 146, 341, 358. 142 Eingehend BGHZ 172, 169 Rn. 23–26; BGH, NJW 2006, 3716 Rn. 19.
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OHG (wieder) eine GbR ist.143 Beide sind wesensgleich, wobei der BGH die OHG als Grundmodell der Gesellschaft (Gesamthand) versteht, daher in der GbR gleichsam die „kleine Schwester der oHG“ (K. Schmidt) sieht und deshalb das Regelungsmodell der OHG auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts überträgt.144 Damit verlagert der BGH die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterschuld letztlich nur von der GbR auf die OHG. Selbst bei der OHG bleibt im Modell der h. M. (Gruppenlehre) allerdings offen, warum die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (nur) akzessorisch (mit ihrem Privatvermögen) einzustehen haben, sodass sich Inhalt und Umfang der persönlichen Haftung nach dem jeweiligen Bestand der Gesellschaftsschuld richtet. Für die kollektive Gesamthandslehre entsteht, und zwar vermittelt über das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), zuerst allein eine gemeinschaftliche Schuld der Gesellschafter (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zuordnungsendpunkt dieser Gesellschaftsverbindlichkeit sind die einzelnen socii. Weil aber der einzelne Gesellschafter ein Rechtssubjekt ist, erfasst ihn das (gemeinschaftliche) Schuldverhältnis als ganze Person (als solchen). Er wird deshalb nicht nur in seiner Eigenschaft (Personenrolle) als Mitinhaber des Vermögens i. S. des § 718 Abs. 1 BGB (in Gemeinschaft mit seinen Mitgesellschaftern) gebunden, sondern auch persönlich (für sich) mit seinem Privatvermögen, sodass neben der gemeinschaftlichen Verbindlichkeit der Gesellschafter davon abgeleitet ipso iure eine inhaltsgleiche, individuelle Verpflichtung jedes einzelnen Gesellschafters als Gesellschafterschuld entsteht.145 Gesellschafts- und Gesellschafterschuld sind dabei akzessorisch miteinander verknüpft. Beide sind inhaltsgleich, weil sich die persönliche Verbindlichkeit des einzelnen Gesellschafters aus der Gesellschaftsschuld ableitet, dort ihren Ursprung hat. Ohne Gesellschaftsschuld entsteht auch keine individuelle Verbindlichkeit des jeweiligen Gesellschafters. Beide Verbindlichkeiten stehen indes nicht gleichrangig nebeneinander, es fehlt daher an der Gleichstufigkeit, die für ein Gesamtschuldverhältnis i. S. des § 421 BGB erforderlich ist.146 Die persönliche Schuld des einzelnen Gesellschafters hängt vielmehr einseitig von der Gesellschaftsverbindlichkeit ab, sie ist unmittelbar und darum akzessorisch mit der Gesellschaftsschuld als Hauptverbindlichkeit verbunden.147 Denn zum einen leitet sich ja die individuelle Verbindlichkeit des Gesellschafters von der der Gesellschaft ab und zum anderen können die socii des143 BGHZ 146, 341, 346; so auch BGHZ 154, 88, 95, für die Geltung des § 31 BGB sowohl bei der OHG als auch bei der BGB‑Gesellschaft. 144 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 60 III 2 e) (S. 1799). 145 Es ist daher nicht ganz passend, wenn Hueck, in: FS Zöllner, 1998, S. 275, 293, und Zöllner, in: FS Gernhuber, 1993, S. 563, 572, von einer „einheitlichen Verpflichtung mit doppelter Wirkung“ sprechen; siehe auch BGHZ 146, 341, 345. 146 Habersack, JuS 1993, 1, 5; BGHZ 146, 341, 358. 147 Habersack, JZ 1997, 857, 862.
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wegen nicht über ihren „Anteil“ am Gesellschaftsvermögen verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), damit jenes zur Deckung der Lasten und Schulden der Gesellschaft gebunden ist.148 Die Gesellschafter sollen (und wollen) ihre gemeinschaftlichen Schulden vorrangig aus ihrem gemeinschaftlichen Vermögen erfüllen (vgl. §§ 733 Abs. 1 Satz 1, 735 Satz 1 BGB). Auch wenn die Gesellschafter unmittelbar persönlich gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften (vgl. § 128 Satz 1 HGB), soll im Innenverhältnis von Gesellschaft und Gesellschaftern doch allein die Gesellschaft zur Erfüllung verpflichtet sein.149 Deshalb kann der Gesellschafter, der seine individuelle Verpflichtung gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger erfüllt, Ausgleich aus dem Gesellschaftsvermögen verlangen (§§ 713, 670 BGB; § 110 HGB).150
4. Der Gesellschafterwechsel Scheidet ein Gesellschafter aus der GbR aus, wächst sein „Anteil“ am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er ist nicht mehr Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens. Weil er „deshalb über dieses Vermögen nicht mehr (mit-) verfügen kann (§ 736 ZPO)“,151 ist es für ihn unmöglich, die geschuldete Leistung (zusammen mit seinen ehemaligen Mitgesellschaftern) an den Gläubiger zu bewirken, er ist insoweit von der gemeinschaftlichen Schuld (Gesellschaftsschuld) frei geworden (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Gesellschafter wird aber zudem vermittelt über das Gesellschaftsvermögen als solcher Schuldner und haftet deswegen auch persönlich mit seinem Privatvermögen. Es entsteht auf diese Weise eine persönliche Verbindlichkeit des Gesellschafters, die akzessorisch mit der Gesellschaftsschuld verknüpft ist, weil sie in dieser gemeinschaftlichen Verbindlichkeit der socii ihren Ursprung hat. Während nun ein Gesellschafter seine Personenrolle als Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) gleichsam ablegt, wenn er aus dem Kreis der Gesellschafter ausscheidet, bleibt er selbst danach (d. h. nach seinem Austritt aus der Gesellschaft) immer noch Inhaber seines Privatvermögens. Die Gesellschafterschuld besteht infolgedessen fort, sodass 148 So ausdrücklich Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 149 Habersack, JuS 1993, 1, 5, der hier jedoch von einer rechtsgeschäftlich begründeten Akzessorietät ausgeht und deshalb zusätzlich darauf abstellen muss, dass auch dem Gesellschaftsgläubiger bewusst ist, dass es im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern allein Sache der Gesellschaft ist, den Gläubiger zu befriedigen. Daher sei ihm bekannt, dass die Gesellschafter auch nicht strenger als die Gesellschaft haften wollten (so Habersack, AcP 198 [1998], 152, 155). 150 Habersack, JuS 1993, 1, 5. 151 BGHZ 74, 240, 241.
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der jetzt ausgeschiedene Gesellschafter auch weiterhin für die Gesellschaftsschuld persönlich mit seinem Privatvermögen einzustehen hat (vgl. § 736 Abs. 2 BGB; § 160 Abs. 1 HGB). Wird ein Gesellschafter neu in den Kreis der Gesellschafter aufgenommen, wird er ipso iure Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens der Gesellschafter (Rechtsgedanke des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), das nunmehr auch ihm die bereits bestehenden Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu außenstehenden Dritten vermittelt. Er wird automatisch gemeinschaftlicher Gläubiger und Schuldner und haftet mit seinem „Anteil“ am Gesellschaftsvermögen auch für die Altschulden der Gesellschaft. Da er aber vermittelt über das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) als solcher Schuldner ist und demgemäß als ganze Person (d. h. als ein Rechtssubjekt) gebunden wird, erfasst ihn das Schuldverhältnis auch in seiner Eigenschaft als (Allein-) Inhaber seines Privatvermögens. Er haftet infolgedessen auch persönlich (mit seinem Privatvermögen) für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft (vgl. § 130 HGB). Denn wer Schuldner ist, haftet stets mit seinem gesamten Vermögen.152 Demgemäß ist die Vorstellung, die gemeinschaftlichen Schulden der Gesellschafter (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) seien Teil des Gesellschaftsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) und vermittelt über dieses Vermögen seien die Gesellschafter die Endpunkte (d. h. die Rechtsträger) der gesamthänderischen Rechtsbeziehungen, durchaus mit einer persönlichen und unmittelbaren (akzessorischen) Gesellschafterhaftung vereinbar (kollektive Gesamthandslehre).
IV. Die Kontinuität der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse 1. Die Gesellschafter – jetzt nur noch vermittelt über das Gesellschaftsvermögen Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Schulden Die Gesellschafter sind die Zuordnungsendpunkte der Rechte und Pflichten, sie und nicht die Gesellschaft sind Rechtsträger und daher Gläubiger und Schuldner. Auch wenn Forderungen und Verbindlichkeiten erst über das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) an sie vermittelt werden (so die kollektive Gesamthandslehre), werden sie doch als ganze Person gebunden und haften aus diesem Grund auch persönlich (mit ihrem Privatvermögen) für die gemeinschaftlichen Schulden. Die kollektive Gesamthandslehre kann dadurch im Einklang mit dem römischen Recht und dem BGB die persönliche Haftung der Gesellschafter erklären. Denn auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und ihrem Vorbild, der römischen societas, sind die Ge152
BGHZ 142, 315, 319.
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sellschafter und nicht die Gesellschaft Rechtsträger und haften deswegen nach außen persönlich als Gesamtschuldner (§ 427 BGB).153 Dass die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft mit außenstehenden Dritten auch bei einem Wechsel im Mitgliederbestand unverändert fortbestehen, folgt im Ergebnis zwingend aus § 736 ZPO.154 Hiernach ist ein Urteil gegen alle gegenwärtigen Gesellschafter erforderlich, damit ein Gesellschaftsgläubiger in das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter i. S. des § 718 Abs. 1 BGB vollstrecken kann. Haftung setzt nicht nur Schuld voraus, vielmehr sind beide gleichsam zwei Seiten ein und derselben Medaille und so muss ein Gesellschafter, der aus der Gesellschaft ausscheidet, automatisch aufhören, gemeinschaftlicher Schuldner zu sein. Da er nicht mehr Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens ist (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), kann er auch nicht länger über dieses Vermögen (mit-) verfügen.155 Er haftet darum nicht mehr mit seinem „Anteil“ am Gesellschaftsvermögen, sodass die gemeinschaftlichen Schulden der Gesellschafter (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) für ihn ipso iure enden. Sobald ein Gesellschafter neu zum Kreis der Gesellschafter hinzukommt, kann er über das gemeinschaftliche Vermögen (mit-) verfügen (Rechtsgedanke des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Gesellschaftsvermögen ist das gemeinschaftliche Vermögen der jeweils gegenwärtigen Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB)156 und daher können die bisherigen Gesellschafter nicht mehr allein, sondern jetzt nur noch zusammen mit dem neu in die Gesellschaft eingetretenen Gesellschafter über ihr gemeinschaftliches Vermögen verfügen. Damit ein Gläubiger, der bereits vor dem Beitritt des neuen Gesellschafters eine Forderung gegen die Gesellschaft hatte, weiterhin auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen kann, benötigt er einen Titel gegen alle socii und deshalb auch gegen den neu eingetretenen Gesellschafter (§ 736 ZPO). Durch den Beitritt darf dem Gesellschaftsgläubiger nicht gegen und auch nicht ohne seinen Willen der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen entzogen werden.157 Die bisherigen Gesellschafter sind in Gemeinschaft Schuldner und müssen deswegen mit ihrem gesamten Vermögen dafür haften.158 Sie haften jedoch nur dann mit dem Gesellschaftsvermögen, wenn auch der neue Gesellschafter für die Altschulden einzustehen hat. Weil aber Haftung Schuld voraussetzt, muss er durch seinen Beitritt ipso iure in Gemeinschaft mit den übrigen socii Schuldner der Altver153 BGHZ 142, 315, 320; vgl. dazu auch Tolani, „Teilrechtsfähigkeit“ von Personenvereinigungen, 2009, S. 98–100, 117, 273. 154 BGHZ 79, 374, 378; BGHZ 74, 240, 241. 155 BGHZ 74, 240, 241. 156 Huber, in: FS Lutter, 2000, S. 107, 139, stellt insofern zutreffend fest, dass sich die Gesamthand darin von der juristischen Person unterscheidet, „dass die Gesamthandsgesellschaft jederzeit mit der Gesamtheit der ihr gerade angehörenden Mitglieder identisch ist“ (Hervorhebung nicht im Original). 157 So auch Zöllner, in: FS Kraft, 1998, S. 701, 714; ders., in: FS Claussen, 1997, S. 423, 431. 158 BGHZ 142, 315, 319.
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bindlichkeiten werden; er wächst gleichsam in einer Art „Gesamtrechtsnachfolge“ in alle bereits bestehenden Rechte, Forderungen und Schulden sowie Vertragsstellungen hinein.159 Diese Kontinuität der Rechtsverhältnisse erreicht die kollektive Gesamthandslehre, indem für sie das „gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter“ Forderungen und Schulden an die jeweiligen socii vermittelt. Die Gesellschafter werden im Gegensatz zum römischen Recht und anders als sonst im BGB nicht unmittelbar Gläubiger und Schuldner, sondern nur indirekt über ihre „sachenrechtliche“ Beziehung zum Gesellschaftsvermögen. Damit die Gesellschafter aber auf diese Weise Gläubiger und Schuldner sind, müssen nicht nur die Forderungen (vgl. § 719 Abs. 2 BGB), sondern auch die gemeinschaftlichen Schulden (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) Teil des Gesellschaftsvermögens sein. Für einen solchen deutsch-rechtlichen Gedanken bei der Gesamthand spricht ihre Eigenschaft, eine Figur des deutschen Rechts zu sein, dagegen jedoch, dass das BGB eine Synthese aus deutschem und römischem Recht ist.
2. Das Vermögen als Bezugspunkt der Schulden auch im BGB? Das BGB kennt an sich nur die rechtsgeschäftliche Schuldübernahme (§§ 414, 415 BGB). Der Übernehmer („Dritte“) tritt an die Stelle des bisherigen „Schuldners“ (§ 414 BGB), der dadurch frei wird.160 Die Schuld bleibt dieselbe, es wechselt lediglich die Person des Schuldners.161 Hierfür ist die Zustimmung des Gläubigers und des Übernehmers erforderlich (vgl. §§ 414, 415 BGB). Eine Schuld wird demgemäß im BGB grundsätzlich durch Vertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) und nicht ipso iure übertragen. Eine Ausnahme machte das BGB jedoch für denjenigen, der durch Vertrag das Vermögen eines anderen übernommen hatte (§ 419 BGB a. F.).162 Mit der Vermögensübernahme als Rechtsgeschäft unter Lebenden wurde der „Übernehmer“ in einer „Art von Universalsukzession“ automatisch Schuldner der Verbindlichkeiten des Übergebers („bisheriger Schuldner“) und haftete deshalb den Gläubigern des bisherigen Schuldners direkt und persönlich.163 Die Schulden lasteten auf dem Vermögen und gingen mit dem Vermögen gleichsam als dessen wesentliche Bestandteile ipso iure 159 Zöllner, in: FS Kraft, 1998, S. 701, 715; siehe auch BGHZ 79, 374, 378–379; bereits Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, 9. Aufl. 1906, S. 791, folgern „(sofern es dieser Stütze bedarf) aus § 419“ (dazu ausführlich sogleich), dass ein Gesellschafter, der in eine bestehende Gesellschaft neu aufgenommen wird, einen Anteil am Gesamthandsvermögen übernimmt und darüber und damit für die bisherigen Gesellschaftsschulden haftet. 160 Röthel, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 414 Rn. 1. 161 Grüneberg, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 414 Rn. 1. 162 Die Vorschrift des § 419 BGB (Haftung bei Vermögensübernahme) ist zum 1.1.1999 durch Art. 33 Nr. 16 EGInsO außer Kraft getreten (Bydlinski, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 419 Rn. 1). 163 So Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 83.
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vom bisherigen Schuldner auf den Übernehmer über.164 Der Vorschrift des § 419 BGB a. F. lag demgemäß ein deutsch-rechtlicher Vermögensbegriff zugrunde.165 Die „Haftung des bisherigen Schuldners“ dauerte gleichwohl fort (so § 419 Abs. 1 BGB a. F.). Der Übergeber blieb auch weiterhin persönlich Schuldner, er war wie im römischen Recht als ganze Person (als solcher) gebunden. Ebenso haftet auch der Gesellschafter, der aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, nach wie vor persönlich mit seinem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten. Die Regelung des § 419 BGB a. F. war demnach eine Mischung aus deutschem und römischem Recht. Ziel des § 419 BGB a. F. war es, den Gläubigern das Vermögen des bisherigen Schuldners als Zugriffsobjekt zu erhalten.166 Dahinter stand der Gedanke, das Schuldnervermögen und nicht (allein) die Person des Schuldners sei natürliche Grundlage des dem Schuldner gewährten Kredits.167 Die Gläubiger sollten deshalb selbst dann ihre Forderungen aus dem Vermögen des Schuldners befriedigen können, wenn er dieses auf einen Dritten übertragen hatte.168 Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass der bisherige Schuldner die Zwangsvollstreckung seiner Gläubiger gegen ihn vereitelt, indem er sein Vermögen auf einen Dritten überträgt und so ihrem Zugriff gegen ihren Willen auf Dauer entzieht.169 Aus diesem Grund war nicht nur der Schuldner als Person, sondern auch sein Vermögen Bezugspunkt der Verbindlichkeiten, die daher auch auf dem Schuldnervermögen lasteten und deshalb zusammen mit dem Vermögen auf den Übernehmer übergingen. Weil aber nach Ansicht des Gesetzgebers in der heutigen Wirklichkeit der Kredit, der dem Schuldner von seinen Gläubigern gewährt wird, nicht mehr auf dessen gegenständlichem Vermögen, sondern auf dessen Arbeitskraft und Erwerbsfähigkeit beruht und demzufolge allein die Person des Schuldners Bezugspunkt der Verbindlichkeiten ist, hob er 1998 die Vorschrift des § 419 BGB a. F. ersatzlos auf.170 Nur wenn aus164
Schroeder, JuS 1990, 793, 796. der Bundesregierung zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO), BT‑Drucks. 12/3803, S. 76: „Es gilt als deutsch-rechtlicher Gedanke, dass die Schulden eine Last des Vermögens seien und bei dessen Übertragung mit übergehen müssten.“; so auch Schroeder, JuS, 1990, 793, 794, 795; Arens/Lüke, JuS 1984, 263, 265; RGZ 69, 283, 285–286; BGHZ 62, 100, 101; a. A aber Eisemann, AcP 176 (1976), 487, 507–508, für den der deutsch-rechtliche Vermögensbegriff „jedenfalls zum Verständnis des § 419 BGB nichts“ beiträgt. 166 Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO), BT‑Drucks. 12/3803, S. 76; BGHZ 62, 100, 101; BGHZ 108, 320, 323. 167 Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO), BT‑Drucks. 12/3803, S. 76; BGHZ 108, 320, 323; RGZ 69, 283, 288. 168 RGZ 96, 283, 288. 169 BGHZ 108, 320, 323; Schroeder, JuS 1990, 793, 794. 170 Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO), BT‑Drucks. 12/3803, S. 77. 165 Begründung
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schließlich das Vermögen (und nicht allein die Person des Schuldners) für den Rechtsverkehr (Dritte) der Bezugspunkt für die Verbindlichkeiten ist, können demnach die Schulden Bestandteil des Vermögens sein bzw. auf ihm lasten.
3. Das „Handelsgeschäft“ als Bezugspunkt für die Schulden des Kaufmanns Insbesondere im Handelsrecht wird der Schuldner zunächst nicht als solcher (persönlich) gebunden, vielmehr in seiner Eigenschaft als Kaufmann. Neben seine Rolle als Privatperson tritt hier die als Kaufmann. Dass der Schuldner im Handelsrecht zwei Personenrollen innehat, dokumentiert anschaulich die Verpflichtung des Einzelkaufmanns, neben seinem bürgerlichen Namen zusätzlich eine Firma und damit einen Namen zu führen, unter dem er seine Geschäfte (im Handel) betreibt (§ 17 Abs. 1 HGB).171 Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 1 HGB). Außer von „Handelsgewerbe“ spricht das HGB gleichbedeutend auch von einem kaufmännischen „Unternehmen“ (§ 1 Abs. 2 HGB) sowie von „Handelsgeschäft“ oder abgekürzt von „Geschäft“ (§ 22 HGB). Ein Kaufmann ist daher nichts anderes als der Inhaber eines Handelsgeschäfts, sodass die Geschäftsverbindlichkeiten über das Handelsgeschäft an den Kaufmann (als Schuldner) vermittelt werden; sie knüpfen deshalb an dieses an, lasten gleichsam auf diesem und sind insofern Bestandteil des (kaufmännischen) Unternehmens.
a) Die Haftung des Erwerbers eines „Handelsgeschäfts“ bei Firmenfortführung (§ 25 HGB) Veräußert der Kaufmann sein Handelsgeschäft, gehen deshalb zusammen mit diesem die Geschäftsschulden ipso iure auf den Erwerber über (§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB).172 Hierfür muss aber das Handelsgeschäft als Bezugspunkt der Geschäftsverbindlichkeiten erhalten bleiben. Der Erwerber muss deshalb das Handelsgeschäft fortführen, und zwar unter der bisherigen Firma (§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB). Obgleich die Firma lediglich der Name des Kaufmanns ist, unter dem er seine Geschäfte betreibt (§ 17 Abs. 1 HGB) und er klagen und verklagt werden kann (§ 17 Abs. 2 HGB) und demgemäß für den Kaufmann steht, setzt der Rechtsverkehr die Firma mit dem Unternehmen gleich; er identifiziert 171 Auch Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 244–245, sieht beim Einzelkaufmann „eine merkwürdige teilweise Subjektspaltung“, indem dort „nämlich bis zu gewissem Grade in ein und demselben Menschen zwischen Privatmann und Unternehmer unterschieden wird“. Obschon es „nicht zur vollen Ausformung eines zweiten Subjekts kommt“, hat doch, wer zwei Namen führt, dazu den ersten Schritt schon getan. 172 Ähnlich Thiessen, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 25 Rn. 22, 26, 81, wonach der Erwerber als Schuldner (und Gläubiger) in die Stellung des Veräußerers eintritt („Vertragsüberleitung“); nach h. M. handelt es sich hier lediglich um einen gesetzlichen Schuldbeitritt des Erwerbers, sodass der eigentliche Schuldner der Veräußerer bleibt (Burgard, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 25 Rn. 75–77).
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über die Firma nicht den (Einzel-) Kaufmann als Person (Mensch), sondern dessen Unternehmen.173 Das Handelsgeschäft wird auf diese Weise gleichsam selbst zum Rechtsträger, hier zum Schuldner.174 Indem der Erwerber die bisherige Firma beibehält, bekundet er nach außen die Kontinuität des Unternehmens,175 das so als Bezugspunkt der Geschäftsverbindlichkeiten für den Rechtsverkehr sichtbar fortbesteht. Auch wenn der Kaufmann zunächst nur vermittelt über sein Handelsgeschäft Schuldner wird, erfasst das Schuldverhältnis ihn doch als ganze Person, d. h. als ein Rechtssubjekt, sodass er auch persönlich mit seinem Privatvermögen für die Geschäftsverbindlichkeiten einzustehen hat. Auch im Handelsrecht haftet ein Schuldner also mit seinem gesamten Vermögen.176 Mit dem Handelsgeschäft gehen die kaufmännischen Verbindlichkeiten zwar automatisch auf den Erwerber über. Auch wenn der bisherige Geschäftsinhaber daher insofern frei wird, haftet er doch weiterhin persönlich (und akzessorisch) für die vor dem Übergang begründeten Schulden (Altverbindlichkeiten), weil er nicht nur in seiner Eigenschaft als Kaufmann, sondern als ganze Person (als solcher) gebunden war und ist (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 HGB).177
b) Eintritt in das „Handelsgeschäft“ eines Einzelkaufmanns (§ 28 HGB) Gründet ein Einzelkaufmann zusammen mit einem Dritten eine OHG oder KG und führen beide gemeinschaftlich (als Gesellschaft) das Handelsgeschäft fort, das zuvor der Einzelkaufmann allein betrieben hat, gehen die Geschäftsverbindlichkeiten ipso iure vom Einzelkaufmann auf die (neue) Gesellschaft als neue Unternehmensträgerin über (§ 28 Abs. 1 Satz 1 HGB).178 Die Kon173 Nach Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 245, ist deshalb der neue Inhaber „nicht ‚Nachfolger‘ des alten, sondern ‚verwandelt‘ sich in ihn, indem er mit organisiertem Vermögen und Aufgabe“ (d. h. dem Unternehmen) „ein Stück seines Personenwirkens und -Seins in sich aufnimmt“, und „ein kleiner Schritt weiter und das Unternehmen selbst wird zum Subjekt, der Unternehmer nur noch dessen Organ“ (so Brecher, aaO., S. 246); K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 7 Rn. 36. 174 Ähnlich K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 7 Rn. 1, 32, 37. 175 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 25 Rn. 1. Auch nach K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 7 Rn. 36, beruht das Gesetz auf dem Kontinuitätsgedanken, d. h. die zum Unternehmen gehörenden Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse sollen beim Wechsel des Unternehmensträgers insgesamt auf diesen mit übergehen, da er im „Unternehmen“ eine Funktionseinheit sieht, mit der dann die „unternehmensbezogenen Rechte, Rechtsverhältnisse und Verbindlichkeiten verbunden sind“ (aaO., § 7 Rn. 37). 176 BGHZ 142, 315, 319. 177 Ebenso geht Thiessen, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 25 Rn. 22, 26, von einer persönlichen und akzessorischen Haftung des Veräußerers aus. Weil die h. M. demgegenüber einen gesetzlichen Schuldbeitritt des Erwerbers annimmt, sind für sie Veräußerer und Erwerber Gesamtschuldner i. S. des § 421 BGB (Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl. 2015, § 25 Rn. 7). 178 K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 7 Rn. 90. Ähnlich auch Thiessen, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 28 Rn. 27, der annimmt, dass die Schulden auf die Ge-
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tinuität des Unternehmens manifestiert sich auch hier nach außen in der Fortführung des Geschäfts,179 jedoch nicht in der der „früheren Firma“ (§ 28 Abs. 1 Satz 1 HGB). Vielmehr reicht es aus, dass der frühere Alleininhaber jetzt zusammen mit seinem Mitgesellschafter das Handelsgeschäft weiterbetreibt. Der Mitgesellschafter kommt aus Sicht des Rechtsverkehrs lediglich hinzu. Deshalb spricht auch § 28 Abs. 1 Satz 1 HGB in Parallele zu § 130 Abs. 1 HGB davon, dass jemand in das Geschäft eines Einzelkaufmanns eintritt. Das ist im Gegensatz zum Eintritt in eine bestehende Gesellschaft aber rechtlich nicht möglich, stattdessen wird bei § 28 HGB eine OHG oder KG erst gebildet, in die der Einzelkaufmann dann sein Handelsgeschäft einbringt.180 In den Augen des Rechtsverkehrs hat der Geschäftsinhaber hier gleichwohl nicht gewechselt,181 er ist im Kern ebenso derselbe, wie eine OHG oder KG ihre Identität selbst dann bewahrt, wenn ein neuer Gesellschafter ihr beitritt (vgl. § 130 Abs. 1 HGB). Weil das Handelsgeschäft „alle im Betrieb des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers“ (so § 28 Abs. 1 Satz 1 HGB) jetzt auch an den Mitgesellschafter vermittelt, wird aus der individuellen eine gemeinschaftliche Schuld der Gesellschafter. Die Gesellschafter werden auch hier jeweils als ganze Person (als solche) und deshalb nicht nur in ihrer „Personenrolle“ als (Mit-) Inhaber des Unternehmens, d. h. als Kaufmann, sondern auch in ihrer Eigenschaft als Privatpersonen gebunden und haften daher zudem persönlich und akzessorisch mit ihrem Privatvermögen für die Altverbindlichkeiten (§ 128 Satz 1, § 171 Abs. 1 HGB).182 Auch wenn der Einzelkaufmann nach dem „Eintritt“ seines Mitgesellschafters nicht mehr individueller, sondern nur noch gemeinschaftlicher Schuldner der Altverbindlichkeiten ist, besteht doch seine bisherige persönliche Haftung als eine akzessorische fort, und zwar neben der als Gesellschafter (vgl. § 28 Abs. 3 HGB, der auf § 26 HGB verweist).183 Denn schon vor dem „Eintritt“ des Mitgesellschafters erfasste ihn das Schuldverhältnis als ganze Person, sodass er auch persönlich gebunden war und ist; er haftet deswegen weiterhin mit seinem Privatvermögen für alle sellschaft übergeleitet werden und daher sie „der eigentliche Schuldner“ sei. Nach h. M. tritt im Gegensatz dazu die Gesellschaft den Altverbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers (Einzelkaufmanns) lediglich „kraft Gesetzes“ bei, sodass jetzt beide als Gesamtschuldner haften (Vossler, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 28 Rn. 18; Burgard, in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2009, § 28 Rn. 38). 179 Wamser, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 28 HGB Rn. 4. 180 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 28 Rn. 1. 181 Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl. 2015, § 28 Rn. 1, spricht in diesem Kontext von einer „Inhaberkontinuität“. Ähnlich Vossler, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 28 Rn. 5, der annimmt, dem Rechtsverkehr werde allein schon dadurch „Haftungskontinuität signalisiert“, dass der bisherige Inhaber des Unternehmens (d. h. der Einzelkaufmann) an der neuen Gesellschaft beteiligt ist. 182 Roth, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl. 2015, § 28 Rn. 11. 183 Thiessen, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 28 Rn. 27, 32.
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Verbindlichkeiten, die bereits im Betrieb seines (ehemaligen) Handelsgeschäfts entstanden sind. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 27 Abs. 1 HGB kann ein Handelsgeschäft auch zu einem Nachlass gehören. Weil „Nachlass“ gleichbedeutend mit „Erbschaft“ ist,184 die Erbschaft aber das Vermögen des Erblassers ist (so § 1922 Abs. 1 BGB), ist das Handelsgeschäft Teil des Vermögens des Erblassers, das auf den Erben übergeht (§ 1922 Abs. 1 BGB). Das heißt aber, dass das Handelsgeschäft nichts anderes als ein kaufmännisches Sondervermögen ist.185 Die Rechtsverhältnisse des Kaufmanns knüpfen demzufolge im Handelsrecht an das Vermögen („Handelsgeschäft“) an und gehen als dessen Bestandteile automatisch (ipso iure) auf den jeweiligen Vermögensinhaber („Eigentümer“) über.186 Weil selbst hier das (Handels-) Vermögen der Bezugspunkt der Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten und damit der Rechtsbeziehungen des Kaufmanns insgesamt ist, gilt im Handelsrecht ein deutschrechtlicher Vermögensbegriff.187 Die Geschäftsschulden des Kaufmanns sind aber nur deshalb Teil des Handelsvermögens, weil der Rechtsverkehr im Handelsgeschäft und nicht allein in der Person des Kaufmanns den Bezugspunkt der Rechtsverhältnisse sieht.
D. Die Gesamthand als Personengemeinschaft I. Von der Vermögensgemeinschaft zur Personengemeinschaft Bei der Gesamthand (Gesellschaft) ist nun aber im Gegensatz zum Handelsrecht für Dritte nicht das Vermögen, d. h. das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB), ihr Bezugspunkt, sondern die Gesellschafter selbst. Die Gesamthand als Gesellschaft ist aus diesem Grund immer zuerst Personengemeinschaft und erst dann als dessen Folge eine Vermögensgemeinschaft.188 Das macht bereits der Begriff der „Gesamthand“, oder der 184 Kunz, in: Staudinger, BGB, 2017, § 1922 Rn. 104; Leipold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 1922 Rn. 18. 185 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 57, Fn. 44 betont, dass das Geschäftsvermögen des Einzelkaufmanns in den §§ 25–28 HGB rechtlich als einheitliches Ganzes behandelt werde, obschon dort tatsächlich ja nur vom „Handelsgeschäft“ die Rede sei. 186 Für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 66 mit Fn. 79, sind die Geschäftsverbindlichkeiten Passivbestandteile des Sondervermögens des Kaufmanns. 187 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 57, spricht vom „Geschäftsvermögen des Kaufmanns“ als einem „deutschrechtlichen Sondervermögen“. Das erkennt, zumindest mittelbar, selbst K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 7 Rn. 37, wenn sich für ihn das Unternehmen als „Funktionseinheit“ aus den unternehmensbezogenen Rechten, Rechtsverhältnissen und Verbindlichkeiten zusammensetzt. 188 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 675 mit Fn. 57; ders., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 353, 356, 467; ders., Das deutsche
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„zur gesamten Hand“, deutlich. Mit ihm wird der rechtlich relevante Gestus der gefalteten und ineinander verschränkten Hände (Vielheit) ausgedrückt, die zusammen eine gesamte Hand (Einheit) bilden.189 Das Sinnbild der gesamten Hand macht die Verbundenheit der Subjekte anschaulich.190 Es sind hier die Menschen (Subjekte), die mit ihren Händen die Sache (Objekt) ergreifen und sie auf diese Weise gemeinsam haben und halten und dementsprechend für die Rechtsfigur der Gesamthand stehen. Nicht das Objekt als solches (d. h. die Sache), sondern die verbundenen Subjekte (d. h. die Menschen) sind nach der Auffassung des Rechtsverkehrs der Bezugspunkt für die gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zu Dritten. Hierfür spricht auch der Ursprung der Gesamthand im Familienrecht. Sowohl im deutschen als auch im römischen Recht konnten die Hauserben (sui heredes) nach dem Tod des Hausvaters (paterfamilias) die Hausgemeinschaft als gleichberechtigte Miterben (coheredes, Ganerben) „unter Brüdern“ fortsetzen, wodurch das Vermögen des verstorbenen Hausvaters als Ganzes auf die Miterben überging und ihnen deshalb als ungeteiltes Gesamtgut „zur gesamten Hand“ gehörte.191 Die Personengemeinschaft bildete demnach die Grundlage für das gemeinsame Haben und Halten des Gesamtguts (gemeinschaftliches Vermögen). Durch Rechtsakt konnte nun ein solcher genossenschaftlicher Verband von Miterben (consortium) auch unter Fremden künstlich nachgeformt werden,192 die so die gleiche personenrechtliche Stellung erhielten, als wenn sie tatsächlich Miterben (sui heredes) eines gemeinsamen paterfamilias wären.193 Erst als Folge dieser familienrechtlichen Verbrüderung entGenossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 944–945; ihm folgend Flume, ZHR 136 (1972), 177, 185, 191, auch wenn das, was er als Gesamthand bezeichnet, in Wirklichkeit die deutsch-rechtliche Körperschaft (d. h. Verbandsperson) ist; a. A. wiederum Beuthien, NJW 2005, 855, 857, der umgekehrt vom Gesamthandsvermögen auf das Vorhandensein der Gesamthand als Personengruppe schließen will. 189 Lepsius, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, 2. Aufl. 2012, Spalte 264. 190 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 664. 191 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 664; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 2, 3; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 9. Aufl. 2001, S. 354. Dazu Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 4–6, 470–473, der die Gesellschaft als ‚Gesamthand‘ nicht auf die sog. altdeutsche Gesamthand, sondern auf das Recht der Handelsgesellschaften in den mittelalterlichen und neuzeitlichen Stadtstaaten Italiens zurückführen will (Rn. 488–509, und öfter). 192 So Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 2. Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 665, löste sich auch im deutschen Recht diese Gemeinschaftsform von ihrer familienrechtlichen Grundlage, sodass jetzt als Rechtsgrundlage für eine Gemeinschaft zur gesamten Hand „auch unter Fremden“ ein „Vereinigungsvertrag“ möglich war. 193 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 2. Darin, und deswegen auch in der fortgesetzten Hausgemeinschaft, erkennt Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 666 mit Fn. 13, den Ursprung der offenen Handelsgesellschaft; siehe
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stand ein gemeinschaftliches Vermögen der Gesamthänder („Genossen“).194 Die Gesamthand als personenrechtliche Gemeinschaft bestand hier deshalb (noch) ausschließlich um ihrer selbst willen und erzeugte erst aus sich heraus vermögensrechtliche Wirkungen.195 Bei der Gesamthand als Gesellschaft sind deshalb die Gesellschafter als verbundene Subjekte Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter ist lediglich sichtbares Zeichen für diese Personengemeinschaft, ebenso wie das auch ein gemeinschaftlicher Name ist, unter dem die Gesellschafter als Gesellschaft im Rechtsverkehr nach außen als „kollektive Einheit“ auftreten (vgl. § 105 Abs. 1 HGB: „unter gemeinschaftlicher Firma“; und § 124 Abs. 1 HGB: „unter ihrer Firma“).196 Weil Rechte und Pflichten aus diesem Grund nicht über das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) an die jeweiligen Gesellschafter vermittelt werden, müssen die gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten auch nicht Bestandteile des Vermögens sein oder auf ihm lasten, damit sie ipso iure auf den neuen Gesellschafter übergehen. Die gemeinschaftlichen Schulden der Gesellschafter (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1; § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB) stehen deshalb wie auch sonst im BGB (und wie auch schon im römischen Recht) dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) lediglich gegenüber. Allein Rechte und Forderungen (vgl. § 718 Abs. 2; § 719 Abs. 2 BGB) als Aktiva bilden auch bei der Gesamthand als Gesellschaft das Vermögen der Gesellschafter; es gilt hier insofern nicht der Vermögensbegriff des deutschen, sondern des römischen Rechts. Der deutsch-rechtliche Vermögensbegriff ist demnach für die Rechtsfigur der Gesamthand im BGB nicht erforderlich, um sowohl eine persönliche Haftung der Gesellschafter zu erreichen als auch die Kontinuität der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse bei einem Gesellschafterwechsel sicherzustellen. Die kollektive Gesamthandslehre kann zwar anders als die h. M. (Gruppenlehre) die Eigenschaften der (deutschen) Gesamthand in ihrem Modell durchaus abbilden. Dafür muss sie aber von einem Vermögensbegriff ausgehen, der dem BGB zumindest im Schuldrecht fremd ist, da hier allein ein römischer Vermögensbegriff gilt, sodass sich das Vermögen allein aus Rechten und Forderungen zusammensetzt, nicht aber auch aus den Verbindlichdazu auch Lepsius, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, 2. Aufl. 2012, Spalte 265. 194 Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. 2017, § 43 Rn. 2; vgl. dazu auch Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 932–933. 195 So ausdrücklich Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 667–668. 196 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 942. Nach Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 286, waren mit dem Ausdruck „unter ihrer Firma“ im ADHGB nicht die OHG als solche, sondern die „zusammengefassten Gesellschafter gemeint“.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
keiten.197 Die Person ist als solche Gläubiger und Schuldner und nicht erst in ihrer Eigenschaft als (Mit-) Inhaber eines (gemeinschaftlichen) Vermögens. Da die Theorie der deutschen Gesamthand nicht auf den deutschen Vermögensbegriff angewiesen ist, um die persönliche Haftung der Gesellschafter und den Fortbestand der bereits mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse bei einem Gesellschafterwechsel widerspruchsfrei und in sich stimmig zu erklären und sich demzufolge nahtlos in das System des BGB einfügt, ist die „deutsche Gesamthand“ der kollektiven Gesamthandslehre vorzuziehen. Denn anders als es die kollektive Gesamthandslehre annimmt, vermittelt nicht das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) den Gesellschaftern die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, sondern der gemeinsame status, den sie als einen Raum im Recht zusammen einnehmen und der aus der Vielheit der Gesellschafter die Einheit der Gesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand ausbildet.
II. Der gemeinsame status als das, was die Gesamthand ausmacht Eine Person ist nur deshalb Person, weil sie rechtsfähig ist. Sie ist rechtsfähig, weil sie in der Welt des Rechts einen status (Raum) hat. Denn ebenso wie der Mensch als realkörperliches Wesen naturgemäß in der Körperwelt einen Raum (spatium) einnimmt, hat auch eine Person im Recht einen status inne. Eine Person hat deswegen im Recht zwingend einen einzelnen status und besitzt infolgedessen eine individuelle Rechtsfähigkeit. Menschen können zudem in der Körperwelt einen Raum miteinander teilen und so kann auch in der Welt des Rechts eine Person zusammen mit anderen Personen einen gemeinsamen status einnehmen.198 Wie nun in der Körperwelt die Beziehungen des Menschen zu seinen Mitmenschen über den Raum vermittelt werden, den er ausfüllt, so werden die Rechtsbeziehungen einer Person zu anderen Personen über ihren status vermittelt. Eine Person wird im Recht darum niemals unmittelbar gebunden. Während eine Person ihren gemeinsamen status verlassen kann und dadurch ihre kollektive Rechtsfähigkeit verliert, kann sie ihren individuellen status und damit ihre individuelle Rechtsfähigkeit niemals ablegen. Eine Person ohne Rechtsfähigkeit ist nicht mehr Person, sie hat nicht mehr die Möglichkeit, Rechtssubjekt zu sein und hört deshalb auf, in der Welt des Rechts 197 So auch Aderhold, Das Schuldmodell der BGB‑Gesellschaft, 1981, S. 82, der zumindest insofern zu Recht feststellt, dass aus der Haftung des Gesellschaftsvermögens nicht eine Gesamthandsschuld aller Gesellschafter folgt (S. 90–92): Haftung ist Folge der Schuld, nicht aber umgekehrt. 198 Ähnlich Beuthien, JZ 2003, 715, 721, wonach die Gesellschafter ihre einzelnen Rechtsfähigkeiten zu einer „Gesamtrechtsfähigkeit“, d. h. zu einer „kollektiven Rechtsfähigkeit“, bündeln (dort, Fn. 73); so auch ders., NZG 2011, 481, 484, wobei er hier die Gesamthand mit der „Gesamtperson“ und dadurch mit der deutsch-rechtlichen Körperschaft gleichsetzt, was die Gesamthand aber gerade nicht ist.
D. Die Gesamthand als Personengemeinschaft
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zu existieren. Eine Person hat im Recht stets ihren individuellen status und verfügt aus diesem Grund immer (zumindest auch) über eine nur ihr eigene Rechtsfähigkeit. Nicht das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter, sondern der gemeinsame status, den sie im Recht als Gesamthand (Gesellschaft) einnehmen, vermittelt den Gesellschaftern Rechte und Pflichten. Die Gesellschafter sind Zuordnungsendpunkte der Rechte und Pflichten und nicht ein von ihnen verschiedenes Rechtssubjekt namens „Gesellschaft“, wie es aber die h. M. als Gruppenlehre annimmt. Der gemeinsame status schirmt die Gesellschafter deshalb nicht vor den Rechtsbeziehungen zu außenstehenden Dritten ab, sondern lässt sie bis zu ihnen durch. Sie selbst sind die Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten und daher Gläubiger und Schuldner; sie tragen zusammen den Baumstamm („beam of timber“) und nicht die Gesellschaft als ein von ihnen verschiedenes Rechtssubjekt („a mysterious third person“). Da sie einen gemeinsamen status innehaben und deshalb nach außen eine Einheit sind, besteht zu den Gläubigern und Schuldnern der Gesellschaft jeweils nur ein Rechtsverhältnis, sodass es nur eine gemeinschaftliche Forderung oder eine gemeinschaftliche Verbindlichkeit der Gesellschafter gibt. Sie tragen Rechte und Pflichten (= den Baumstamm) „with joint hands“ („zur gesamten Hand“) und daher nicht jeder für sich, und zwar weder jeder allein den ganzen Baumstamm noch einen Teil davon. Nur weil es ein Recht und eine Pflicht ist, sieht es so aus, als ob die Gesamthand ein Rechtssubjekt sei, was sie tatsächlich jedoch nicht ist (so aber die heute ganz h. M.). Der gemeinsame status ist selbst nicht Rechtsträger, vielmehr leitet er Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten an die Personen (Gesellschafter), die ihn im Recht einnehmen, lediglich weiter. Zuordnungsendpunkte (Rechtssubjekte) der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind die Gesellschafter als Vielheit. Der gemeinsame status ist das „personenrechtliche Band“, in der stoischen Terminologie die individuelle Gesamteigenschaft (ἰδία ποιότης), die die vielen Gesellschafter, als gewissermaßen eigenschaftslose Materie (ὓλη), zu der einen Gesellschaft als einer kollektiven Personeneinheit formt, sie zu verbundenen Subjekten macht, indem sie den Gesellschaftern eine Gesamtbeschaffenheit (ἰδίως ποιόν) verleiht, die ihnen, auch in ihrer Summe, nicht zukommt: die Fähigkeit, Rechte und Pflichten gemeinsam haben (§ 718 Abs. 1 BGB) und deswegen auch nur zusammen über sie verfügen zu können (§ 719 Abs. 1 BGB).199 Die Gesamthand ist solchermaßen Vielheit und Einheit zugleich. 199 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 675, 676, wonach durch die gesamte Hand stets eine personenrechtliche Verbundenheit bewirkt wird. Aufgrund dieses personenrechtlichen Bands bilden die Gesamthänder eine Personeneinheit und sind daher nicht mehr für sich, sondern in ihrer Verbundenheit „insgesamt“ oder „kollektiv“ berechtigt und verpflichtet.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
Weil die Gesellschafter einen gemeinsamen status nach außen innehaben und deshalb in den Rechtsbeziehungen zu Dritten die Stellung eines Rechtssubjekts einnehmen, sieht es so aus, als ob die Gesamthand (Gesellschaft) selbst, und zwar nur sie und nicht die Gesellschafter, der Rechtsträger (Zuordnungsendpunkt) sei. Die Gesellschaft erscheint demgemäß nur als ein Rechtssubjekt, ist es freilich in Wirklichkeit nicht (so aber die h. M.).200 Die Gesellschaft ist nichts anderes als die Gesellschafter, die einen gemeinsamen status im Recht haben, und daher insgesamt oder kollektiv rechtsfähig sind. Der Begriff „Gesellschaft“ steht aus diesem Grund für den der Gesellschafter als verbundene Subjekte und ist insofern bloß eine Kurzform für die Gesellschafter als eine kollektive Einheit.201 Das gilt auch und besonders für § 124 Abs. 1 HGB, aus dem die h. M., jedoch zu Unrecht, die Rechtssubjektivität der OHG und darüber die der BGB‑Gesellschaft ableiten will.202 Hiernach kann die offene Handelsgesellschaft unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Auch hier ist der Ausdruck „offene Handelsgesellschaft“ (OHG) jedoch nur eine Abbreviatur für die Gesellschafter, die im Recht einen gemeinsamen status einnehmen und als solche im Rechtsverkehr „unter ihrer Firma“ auftreten. Die Formulierung „unter ihrer Firma“ in § 124 Abs. 1 HGB ist nur eine Kurzformel für „unter gemeinschaftlicher Firma“ (§ 105 Abs. 1 HGB). Die Firma ist demgemäß nur der gemeinschaftliche Name, unter dem die Gesellschafter als Kaufleute in Gemeinschaft ihre Geschäfte betreiben (vgl. § 17 Abs. 1 HGB). Damit stellt § 124 Abs. 1 HGB für sie lediglich klar, was § 17 HGB bereits für den Einzelkaufmann feststellt: Ein Kaufmann kann unter seiner Firma seine Geschäfte betreiben, d. h. im Rechtsverkehr auftreten und auf diese Weise Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (vgl. § 17 Abs. 1 HGB) sowie unter seiner Firma klagen und verklagt werden (§ 17 Abs. 2 HGB). Während der Einzelkaufmann aber individuell (für sich) rechtsfähig ist, sind es die Gesellschafter in Gemeinschaft (insgesamt oder kollektiv). Dass das Wort „Gesellschaft“ für „Gesellschafter“ steht, belegt die amtliche Überschrift des Titels, zu dem § 124 Abs. 1 HGB gehört: „Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu Dritten“. Nicht die Gesellschaft als solche, sondern die Gesellschafter treten in den Rechtsverhältnissen zu Dritten als Rechtssubjekte auf. Wenn das Gesetz von Gesellschaft spricht, bezeichnet es die Gesellschafter als verbundene Subjekte (d. h. als Einheit), die einen gemeinsamen status einnehmen und deshalb kollektiv rechtsfähig sind; stets geht es dann um die Gesellschafter als Einheit, so bei § 123 HGB, wenn dort bestimmt ist, wann 200 BGHZ 146, 341, 343. 201 So letztlich auch Beuthien,
233.
202
BGHZ 146, 341, 346.
JZ 2003, 715, 721; Beuthien/Ernst, ZHR 156 (1992), 227,
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diese Einheit gegenüber Dritten wirksam wird. Denn ab diesem Zeitpunkt stehen die Gesellschafter nicht mehr jeder für sich, sie sind jetzt durch den gemeinsamen status verbundene Subjekte und können als solche unter ihrer Firma gemeinschaftliche Rechte und Pflichten haben, sie besitzen eine kollektive Rechtsfähigkeit (§ 124 Abs. 1 HGB). Damit sie als kollektive Einheit aber nicht nur rechtsfähig, sondern auch handlungsfähig sind, muss zudem feststehen, wer und in welchem Umfang die Gesellschafter als verbundene Subjekte und daher als Gesellschaft vertreten darf (§§ 125–127 HGB). Die Gesellschafter sind als Gesamthand Einheit und Vielheit zugleich, und allein deswegen ist im HGB nur dort von den „Gesellschaftern“ die Rede, wo es um deren Stellung als Vielheit geht; so steht jeder für sich, wenn er persönlich mit seinem Privatvermögen den Gesellschaftsgläubigern für die gemeinschaftlichen Schulden haften soll (§§ 128–130 HGB).203
III. Die persönliche Haftung der Gesellschafter Auch wenn die Gesellschafter die Zuordnungsendpunkte (Subjekte) der gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten sind, werden sie im Bereich der gesamten Hand (Gesellschaft) doch nicht unmittelbar berechtigt und verpflichtet, vielmehr vermittelt ihnen der gemeinsame status, den sie im Recht einnehmen, die Rechtsbeziehungen zu Dritten. Da eine Person stets ihren individuellen status bekleidet, bringen auch die Gesellschafter diesen mit in den gemeinsamen status hinein. Sie werden deshalb zuerst über den gemeinsamen status insgesamt und kollektiv und dann anschließend über ihren individuellen status jeder für sich verpflichtet. Die Gesellschafter sind dementsprechend als verbundene Subjekte (Einheit) und als unverbundene Subjekte (Vielheit) Schuldner und haben demgemäß auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten einzustehen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Sie haften demnach mit ihrem gesamten Vermögen für die Verpflichtungen, die daraus entstehen, dass sie in Gemeinschaft (als Gesellschaft) Geschäfte betreiben.204 Und weil die persönliche Verbindlichkeit über den gemeinsamen status vermittelt und deshalb von der gemeinschaftlichen Schuld (zur gesamten Hand) abgeleitet ist, dort ihren Ursprung hat, ist sie akzessorisch mit der Gesellschaftsschuld verknüpft (vgl. § 129 HGB) und hat daher (im Grundsatz) denselben Inhalt wie diese als Hauptverbindlichkeit (Erfüllungstheorie).205 203 Wenn das BGB nur das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter als Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) und damit (scheinbar) als Gesamthand definiert, resultiert dies aus der Auffassung des historischen Gesetzgebers, allein im Vermögen die Gesamthand und daher die kollektive Einheit der Gesellschafter zu sehen. 204 BGHZ 142, 315, 319. 205 Dazu Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, § 14 Rn. 17–19; Schäfer, Gesell-
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Die Gesellschafter müssten eigentlich zudem über ihren individuellen status, den sie auch in der Gesamthand innehaben, nicht nur jeder für sich verpflichtet, sondern auch berechtigt sein. Dann könnte aber neben der Gesellschaft auch jeder Gesellschafter die ganze Leistung an sich persönlich vom gemeinschaftlichen Schuldner einfordern. Leistete der Schuldner jetzt an einen Gesellschafter, wirkte das für die übrigen Gesellschafter (§§ 429, 422 Abs. 1 BGB) und die Gesellschaft. Denn der Schuldner der Gesellschaft muss nur einmal leisten, wie ja auch der Gläubiger der Gesellschaft nur einmal die Leistung fordern kann (vgl. § 421 Satz 1 BGB). Wenn nun ein Gesellschaftsschuldner (d. h. ein Schuldner der Gesellschaftergesamtheit) an einen der Gesellschafter persönlich (für sich) leistete und nicht an die Gesellschaft, würde demgemäß nicht bloß die Forderung des einzelnen Gesellschafters erlöschen, sondern auch die gemeinschaftliche Forderung der Gesellschaft. Ein Gesellschafter kann aber nicht über einen einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstand verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), das zeichnet die Gesamthand aus, gehört zu ihrem Wesen.206 Auch Forderungen sind Teil des gemeinschaftlichen Vermögens der Gesellschafter (§ 719 Abs. 2 BGB). Deshalb kann auch ein Schuldner der Gesellschaft nicht mit einer Forderung, die ihm lediglich gegen einen einzelnen Gesellschafter zusteht, gegen eine Forderung der Gesellschaft aufrechnen (§ 719 Abs. 2 BGB). Bewirkt demnach ein Schuldner der Gesellschaft die Leistung nicht an die Gesellschaft, sondern an einen der Gesellschafter persönlich (für sich), darf dadurch nicht die gemeinschaftliche Forderung der Gesellschaft erlöschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Gesellschafter dürfen deshalb nicht neben der Gesellschaft auch noch jeder für sich eine Forderung gegen den Gesellschaftsschuldner haben. Aus diesem Grund können die Gesellschafter schon von vornherein nicht zusätzlich neben der Gesellschaft persönlich Gesamtgläubiger sein (§ 428 Satz 1 BGB). Sie sind daher auch nur insgesamt und kollektiv (als Einheit), nicht aber auch jeder für sich (als Vielheit) berechtigt, vom gemeinschaftlichen Schuldner die ganze Leistung an sich als Gesellschaft zu fordern. Weil die Gesellschafter also nicht bloß Gesamtgläubiger sind (§ 428 BGB), kann der einzelne Gesellschafter nicht allein (auch nicht im Namen aller) die gemeinschaftliche Forderung gegen den Gesellschaftsschuldner geltend machen und auf Leistung an alle klagen (§ 432 Abs. 1 Satz 1 BGB), vielmehr müssen sämtliche Gesellschafter zusammen (d. h. als Gesamthand) vom gemeinschaftlichen Schuldner (d. h. der Gesellschaft) Leistung an alle als Gesamthand (in Gemeinschaft) verlangen.207 schaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rn. 9; BGHZ 73, 217, 220–222; BGH, NJW 1987, 2367, 2369. 206 Lepsius, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, 2. Aufl. 2012, Spalte 264, 264, 267; Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1260 („leitender Rechtssatz“). 207 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 844, Fn. 66.
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IV. Die Kontinuität der Rechtsverhältnisse Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, verlässt er den gemeinsamen status und hört deshalb auf, Mitträger der kollektiven Rechtsfähigkeit zu sein. Weil der gemeinsame status an ihn jetzt nicht mehr Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten weiterleiten kann, ist er ipso iure nicht mehr gemeinschaftlicher Gläubiger und Schuldner. Kommt ein Gesellschafter hinzu, tritt er in den gemeinsamen status ein und wird so automatisch gemeinschaftlicher Gläubiger und Schuldner. Denn nun vermittelt der gemeinsame status nicht mehr nur den bisherigen Gesellschaftern die bereits bestehenden Rechtsbeziehungen, sondern auch ihm. Er wächst demgemäß in alle bereits bestehenden Rechte, Forderungen und Schulden sowie Vertragsstellungen der Gesellschaft hinein 208 und haftet deshalb auch für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 736 ZPO). Ein Gesellschafter, der aus der Gesamthand ausscheidet, legt zwar seinen gemeinsamen status ab, nicht aber seinen individuellen, anderenfalls hörte er ipso iure auf, im Recht eine Person zu sein. Er haftet infolgedessen selbst nach seinem Ausscheiden weiterhin wie bisher persönlich und akzessorisch mit seinem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Schulden (vgl. § 736 Abs. 2 BGB; § 160 Abs. 1 HGB). Weil der Gesellschafter, der einer Gesellschaft beitritt, seine individuelle Rechtsfähigkeit mit in den gemeinsamen status einbringt, leitet der gemeinsame status (kollektive Rechtsfähigkeit) nicht bloß zuerst alle bereits bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft an den eintretenden Gesellschafter weiter, sodass er zusammen mit den anderen Gesellschaftern insgesamt und kollektiv verpflichtet ist, vielmehr wird er anschließend ipso iure auch über seine individuelle Rechtsfähigkeit gebunden und haftet deshalb selbst für Altschulden der Gesellschaft, zu der er ja jetzt als gegenwärtiger Gesellschafter gehört, auch persönlich mit seinem Privatvermögen (vgl. § 130 HGB).209 Auch wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet oder ihr beitritt, bestehen die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter als einer kollektiven Einheit zu Dritten unverändert fort. Die Gesellschaft bleibt ein und dieselbe, weil der gemeinsame status und dadurch verursacht die Gesamtbeschaffenheit (ποιόν), die allein die Gesamthand aufweist, dieselbe ist. Lediglich die Gesamtheit der Gesellschafter als ihre eigenschaftslose Materie (ὓλη) und damit als das, was der Gesellschaft zugrunde liegt (ὑποκείμενον), nimmt zu oder ab, befindet sich im Fluss, ist der Veränderung unterworfen. Die Fähigkeit der Ge208
Zöllner, in: FS Kraft, 1998, S. 701, 715. Huber, in: FS Lutter, 2000, S. 107, 139, betont, „dass die Gesamthandsgesellschaft jederzeit mit der Gesamtheit der ihr gerade angehörenden Mitglieder identisch ist“. Wenn das so ist, muss aber auch der neue Gesellschafter für die Altschulden der Gesellschaft (d. h. der Gesamthand) haften. 209 Auch
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sellschafter (wer auch immer sie sein mögen), gemeinsam Rechte und Pflichten haben (§ 718 Abs. 1 BGB) und über jene auch nur zusammen verfügen zu können (§ 719 Abs. 1 BGB), bleibt aufgrund des gemeinsamen status indes unvermindert erhalten. Denn auch in ihrer veränderten Zusammensetzung erzeugen die Gesellschafter weiterhin dieselbe Gesamtwirkung, erscheinen insofern aus sich heraus immer noch als ein und dieselbe Gesamthand (Gesellschaft). Allein der gemeinsame status als die individuelle Gesamteigenschaft (ἰδία ποιότης) der Gesamthand verleiht jener die ihr je eigene Individualität und damit ihre Identität, nicht aber ihre Gesellschafter, auch wenn jene, und nicht der gemeinsame status, die Rechtsträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind. Die Gesamthand bewahrt also als Ganzes selbst dann ihre Identität, wenn die Gesellschafter zum Teil oder sogar insgesamt ausgetauscht worden sind, sofern nur der gemeinsame status derselbe geblieben ist. Die Gesamthand kann demgemäß „einen Wechsel der verbundenen Personen überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft fortbestehen“, 210 sodass in der Folge davon dieser Wechsel in ihrem Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse hat.211
V. Strukturmerkmale der „Gesellschaft“ als einer Gesamthandsgemeinschaft 1. Die Gesamthand besteht aus mindestens zwei Gesellschaftern Der gemeinsame status verleiht den Gesellschaftern eine Gesamtfähigkeit (ποιόν), die weder dem einzelnen Gesellschafter für sich allein noch allen Gesellschaftern zusammen in ihrer bloßen Summe (dann wären sie eine societas) zukommt, sondern nur als eine Gesamthand, als eine Gemeinschaft. Die Gesellschaft (Gesamthand) hört daher von selbst ipso iure auf zu bestehen, wenn sie nicht über mindestens zwei Gesellschafter verfügt, die den gemeinsamen status ausfüllen. Das Modell der germanistischen Gesamthand kann somit im Gegensatz zur Gruppenlehre als ganz h. M. und der kollektiven Gesamthandslehre erklären, warum eine Gesellschaft nicht auch mit nur einem oder sogar ohne jedes Mitglied fortbestehen kann. Die Gesellschaft ist als Rechtssubjekt (so die ganz h. M.) selbst Träger der Rechte und Pflichten, ähnliches gilt für die Gesamthand als ein Vermögen (so die kollektive Gesamthandslehre). Als solche ist die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern rechtlich verselbständigt und kann infolgedessen gedanklich durchaus auch ohne sie im Recht existieren. Anders im Modell der „deutschen Gesamthand“. Der gemeinsame status ist danach nicht selbst der Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, sondern leitet diese lediglich an die Gesellschafter als 210 211
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691 (Hervorhebung nicht im Original). BGHZ 146, 341, 345.
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deren Zuordnungsendpunkte weiter. Der gemeinsame status und in der Folge davon auch die Gesellschaft (Gesamthand) kann deswegen im Recht nicht ohne mehrere Gesellschafter als ihre gleichsam eigenschaftslose Materie (ὓλη) existieren. Scheiden die letzten beiden Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, löst sich diese von selbst auf, und es findet in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens der Gesellschafter die Auseinandersetzung statt (vgl. § 730 Abs. 1 BGB). Tritt von zwei Gesellschaftern lediglich einer aus der Gesellschaft aus, endet zwar auch in diesem Fall die Gesamthand von selbst, da jetzt nicht mehr mindestens zwei Gesellschafter den gemeinsamen status einnehmen. Und weil es nunmehr an einem gemeinsamen status fehlt, ist der letzte „Gesellschafter“ nicht mehr kollektiv, sondern nur noch individuell für sich allein über seinen eigenen status rechtsfähig. Gleichwohl erlöschen die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten nicht einfach, sie gehen auf den verbliebenen „Gesellschafter“ über, ziehen sich gleichsam in ihm zusammen, 212 indem anstelle des gemeinsamen jetzt der einzelne, der eigene status die zuvor gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen (nunmehr nur noch) an den letzten „Gesellschafter“ weiterleitet.
2. Die Einheitlichkeit der „Mitgliedschaft“ Die Gesellschafter sind in Gemeinschaft die Gesellschaft, ihnen gehört zur gesamten Hand das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB). In dieser Gütergemeinschaft gibt es daher nicht ein „Mein“ und „Dein“, sondern nur ein „Unser“. Und weil die Gesellschafter deshalb nicht jeder für sich einen Anteil am Gesellschaftsvermögen haben (so jedoch § 719 Abs. 1 BGB), ein solcher dinglicher Anteil existiert ja nicht, solange die Gesellschaft besteht, kann ein Gesellschafter per se auch nicht mehrere Anteile daran besitzen. Jeder Gesellschafter hat aus diesem Grund stets ausschließlich eine „Mitgliedschaft“ in der Gesellschaft. Es gilt insofern hier der „Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft“.213 Der Begriff der „Mitgliedschaft“ ist indes nicht ganz passend. Die Gesellschafter sind die Gesellschaft und deswegen ist die Gesellschaft nicht selbst ein Rechtssubjekt (so aber die heute h. M.). Die Gesellschaft ist eine Gemeinschaft zur gesamten Hand und nicht eine (deutsch-rechtliche) Körperschaft, sodass die Gesellschafter im eigentlichen Wortsinne nicht „Mitglieder“ der Gesellschaft sein können; denn Mitglieder kann nur eine Körperschaft haben.
212 So Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 695. 213 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 9 Rn. 1.
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3. Die „Selbstorganschaft“ Die Gesellschafter sind als verbundene Einzelpersonen (Subjekte) die Gesellschaft. Wie eine Einzelperson ipso iure für sich selbst rechtlich handeln kann (und muss), so können auch die Gesellschafter als verbundene Subjekte (in Gemeinschaft) für sich selbst auftreten.214 In diesem Sinn sind allein die Gesellschafter als Mitglieder befugt, die Gesellschaft, die sie ja selbst sind, zu „vertreten“ (vgl. §§ 125, 126 HGB; §§ 709 Abs. 1, 714 BGB).215 Weil hier die Vertretungsbefugnis („Organfunktion“) an die Mitgliedschaft gebunden ist, gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft.216 Auch hier sind die Gesellschafter, die für die Gesellschaft handeln, sie vertreten, 217 im eigentlichen Wortsinn nicht „Organ“, die Gesellschaft ist eine Gesamthand und eben nicht eine (deutsch-rechtliche) Körperschaft.218 So aber die h. M., wenn sie in der Gesellschaft ein Rechtssubjekt sieht. Als solches Rechtssubjekt ist sie eine Körperschaft, und weil sie deshalb nicht selbst handeln kann, muss sie Organe haben, die diese Aufgabe für sie wahrnehmen.219 Weil die Gesellschafter persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen haben, sei es „sinnvoll“, dass allein ihnen die organschaftliche Vertretungsmacht zusteht. 220 Das setzt allerdings voraus, dass die Gesellschafter auch tatsächlich persönlich haften, was die h. M. jedoch in ihrem Modell von der Gesellschaft als Rechtssubjekt, das die Gesellschafter (Mitglieder) vor den Rechtsbeziehungen zu außenstehenden Dritten abschirmt, nicht erklären kann. Auch hier gilt: Weil die Gesellschafter die Gesellschaft sind, haften sie zum einen persönlich und treten zum anderen für sich selbst als verbundene Subjekte (Gesellschaft) auf und nicht umgekehrt. Die Gesellschaft hat demgemäß keine „Organe“, da sie eine Gesamthand und nicht eine Körperschaft ist.
214 So auch Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 240; anders K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 14 II 2 e) (S. 413). 215 Dazu sogleich. 216 So Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11. 217 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687, betont zu Recht, dass ein Gesamthänder, der die Gesamthand (Gesellschaft) vertritt, nicht teilweise sich selbst und teilweise seine Mitgesellschafter vertritt, sondern ausschließlich die von ihm als Mitträger der Gesamthand dargestellte Personeneinheit. 218 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687 mit Fn. 121. 219 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 7 Rn. 1; dazu grundlegend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 11–14. 220 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11; a. A. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 244, der „diese angebliche Korrelation von Herrschaft und Haftung“ ausdrücklich ablehnt, da bei einer juristischen Person die natürlichen Personen, die für sie als „Drittorgane“ handeln, gerade nicht per se persönlich haften, es also hier an einer Wechselseitigkeit von „Herrschaft und Haftung“ fehlt. Die h. M. setzt den Grundsatz der Selbstorganschaft deshalb zumeist als gegeben voraus (BGHZ 33, 105, 108; BGHZ 146, 341, 360; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 5).
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VI. Beispiele, an denen sich die Rechtsfigur der „deutschen Gesamthand“ modellhaft bewährt Die h. M. (Gruppenlehre) kann ihr eigenes Modell, wonach die GbR als Gesamthand selbst das Rechtssubjekt ist, nicht durchhalten, sodass sie immer wieder zu der richtigen Vorstellung zurückkehren muss, in den Gesellschaftern (Vielheit) und nicht in der Gesellschaft die wahren Rechtsträger zu sehen. Besonders anschaulich offenbart sich die Unzulänglichkeit der h. M. (Gruppenlehre) bei der Verbrauchereigenschaft der BGB‑Gesellschaft sowie der Teilnahme der GbR am Grundstücksverkehr. Auch an dieser Stelle kann allein die Theorie der deutschen Gesamthand, die in der Gesellschaft sowohl eine Vielheit als auch eine Einheit sieht, erklären, warum eine GbR, die ideelle Zwecke verfolgt, durchaus Verbraucher i. S. des § 13 BGB sein kann. Allein sie kann sicherstellen, dass auch eine BGB‑Gesellschaft am Grundstückverkehr teilnehmen kann, indem sie einem gutgläubigen Erwerber nicht bloß das Eigentum an einem Grundstück verschafft, sondern dieser Erwerb auch kondiktionsfest i. S. des § 812 BGB ist.
1. Nochmals: Die BGB‑Gesellschaft als Verbraucher Während § 13 BGB allein der „natürlichen Person“ die Verbrauchereigenschaft zuerkennt, spricht § 14 BGB daneben von „juristischer Person“ und „rechtsfähiger Personengesellschaft“, die vom Begriff „Unternehmer“ erfasst sein können. Im Umkehrschluss kann die rechtsfähige Personengesellschaft, die ja nur in § 14 BGB und nicht auch in § 13 BGB erwähnt ist, an sich nicht Verbraucher sein.221 Für die heute h. M. (Gruppenlehre) können demzufolge eigentlich die verbraucherschützenden Vorschriften des BGB auf eine BGB‑Gesellschaft, selbst wenn ihre Gesellschafter einen ideellen gemeinsamen Zweck vereinbart haben (§ 705 BGB), schon von vornherein keine Anwendung finden. Trotzdem sieht der BGH die GbR, sofern sie nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgt, als Verbraucher an.222 Weil die Gesellschaft selbst rechtsfähig ist, soll nach Ansicht des BGH der Kreditvertrag einer Bank zwar nicht mit den Gesellschaftern, sondern unmittelbar mit der GbR zustande kommen. Gleich221 Looschelders, Schuldrecht. Besonderer Teil, 13. Aufl. 2018, Rn. 364; Micklitz, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 20; Mülbert, WM 2004, 905, 910; für Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1009, ist die rechtsfähige Personengesellschaft weder natürliche noch juristische Person, sondern ein aliud. Recknagel, Die Teilnahme von BGB‑Gesellschaften am Grundstücksverkehr, 2012, S. 35–40. 222 BGHZ 149, 80, 84; ihm folgend Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 13 Rn. 2; Saenger, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 13 Rn. 6; Fritzsche, in: Staudinger, BGB, 2018, § 13 Rn. 36. Nach BGH, ZIP 2015, 979 Rn. 30, 32, gilt das auch für eine Wohnungseigentümergemeinschaft, sofern auch sie nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgt und ihr mindestens ein Verbraucher angehört, da auch sie eine „Personenmehrheit“ ist, die „zu einer Organisation zusammengefasst ist“.
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wohl nehmen auch hier, so der BGH, „mehrere natürliche Personen den Kredit gemeinsam“ auf.223 Obwohl demnach für den BGH formal die BGB‑Gesellschaft Vertragspartnerin der Bank ist, sollen materiell die Gesellschafter als natürliche Personen deren Darlehensnehmer sein: „Das Verbraucherkreditgesetz (= §§ 491– 505 BGB; Anm. d. Verf.) will alle natürlichen Personen schützen, die mit dem Kredit nach dem Inhalt des Vertrages nicht eine bereits ausgeübte gewerbliche Tätigkeit oder selbständige berufliche Tätigkeit fördern wollen.“224 Damit sind aber selbst für den BGH nun doch wieder Gesellschaft und Gesellschafter gleichzusetzen und somit die GbR eben nicht als „Gruppe“ ein von ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt (Einheit). Der BGH verlässt hier das Modell der heute ganz h. M. und sieht durchaus zutreffend in der Gesellschaft (wieder) die Vielheit ihrer Gesellschafter, die deshalb auch die wahren Rechtsträger, hier die Darlehensnehmer, sind. Nur wenn die Gesellschafter als verbundene Subjekte den Kredit aufnehmen und sofern sie natürliche Personen sind, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließen, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sind sie in Gemeinschaft Verbraucher (§ 13 BGB).225 Die verbraucherschützenden Vorschriften des BGB sind demzufolge unmittelbar auf jede BGB‑Gesellschaft anzuwenden, deren Gesellschafter als natürliche Personen (in Gemeinschaft) ein Rechtsgeschäft zu nicht kommerziellen Zwecken abschließen. Wer dagegen mit der h. M. eine Rechtssubjektivität der Gesellschaft als Gruppe annimmt, kann eine Verbrauchereigenschaft der ideellen GbR (§ 13 BGB) nicht widerspruchsfrei und dogmatisch überzeugend erklären, anders die Theorie der deutschen Gesamthand. Auch hier offenbart sich daher anschaulich der Vorzug des Modells der „deutschen Gesamthand“ gegenüber dem der Gruppenlehre als der heute ganz h. M.
2. Nochmals: Die BGB‑Gesellschaft im Grundstücksverkehr a) Die Rechtslage vor Anerkennung der GbR als rechtsfähig Das gilt auch für die fehlende Grundbuchfähigkeit der GbR als (angebliches) Rechtssubjekt. Vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der BGB‑Gesellschaft konnten nur die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Eigentümer eines Grundstücks sein. Deshalb waren allein die Gesellschafter 223 BGHZ 149, 80, 84; ihm folgend Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 491 Rn. 5; Möller, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 491 Rn. 40; Nietsch, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 491 Rn. 47. 224 BGHZ 149, 80, 84 (Hervorhebung nicht im Original). 225 So auch Saenger, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 13 Rn. 6; a. A. K. Schmidt, JuS 2006, 1, 4.
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im Grundbuch als Berechtigte einzutragen. Und weil sie nicht jeder für sich, sondern gemeinschaftlich Eigentümer des Grundstücks waren, erfolgte neben der Eintragung der Gesellschafter ein das Gesellschaftsverhältnis kennzeichnender Zusatz (A, B und C „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“), um auf diese Weise „das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis“ zu bezeichnen (§ 47 GBO a. F.).226 Die Gesellschafter konnten gemäß § 873 Abs. 1 BGB Eigentum an einem Grundstück erwerben und an Dritte veräußern. Dritte konnten gutgläubig Eigentum von den vermeintlichen Gesellschaftern erwerben, die im Grundbuch als Berechtigte eingetragen und dementsprechend scheinbar legitimiert waren, als Bucheigentümer über das Grundstück zu verfügen (§§ 873 Abs. 1, 892 BGB).227 Bestand eine Gesellschaft tatsächlich aus A, B und C, waren jedoch lediglich A und B „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ im Grundbuch eingetragen, waren A und B zwar nicht berechtigt, über das Grundstück zu verfügen, da ja A, B und C kollektiv und in diesem Sinn als Gesellschaft Eigentümer des Grundstücks waren. Obgleich das Grundbuch insoweit nicht mit der wirklichen (d. h. materiellen) Rechtslage übereinstimmte, galt der Inhalt des Grundbuchs zugunsten des gutgläubigen Erwerbers als richtig (§ 892 Abs. 1 Satz 1 BGB), sodass jener das Eigentum an dem Grundstück sachenrechtlich wirksam erlangen konnte. Ein solcher gutgläubige Erwerb war auch kondiktionsfest. Der Erwerber hatte Eigentum an dem Grundstück und damit etwas i. S. des § 812 BGB erlangt, und zwar durch Leistung von A und B. Die Person des Leistenden bestimmt sich aus der Sicht des Zuwendungsempfängers (§§ 133, 157 BGB).228 Für den Erwerber waren es aber eben A und B (und nicht auch C), die scheinbar als Gesellschaft Eigentümer des Grundstücks waren und ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllen wollten (§ 433 Abs. 1 BGB). Weil der Kaufvertrag zwischen A und B als Verkäufer und dem (gutgläubigen) Erwerber als Käufer zustande gekommen war, bestand auch ein Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB. Ein Anspruch von A und B aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB schied daher ebenso aus wie ein Anspruch der ursprünglich wahren Eigentümer A, B und C als Gesellschaft aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB. Der (gutgläubige) Erwerber hatte das Eigentum am Grundstück durch Leistung von A und 226 227
BGHZ 189, 274 Rn. 21; BGHZ 45, 338, 348. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 27 linke Spalte; Kraft, Die Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2012, S. 32–34; Zorn, Die bürgerlichrechtliche Gesellschaft und das Grundbuch, 2014, S. 49–51; Heil, RNotZ 2009, 227, 232–233; ders., NJW 2002, 2158, 2159; für die Erbengemeinschaft auch heute noch Kiehnle, ZHR 174 (2010), 209, 215–216. 228 BGHZ 40, 272, 278; BGHZ 162, 157, 160; Looschelders, Schuldrecht. Besonderer Teil, 13. Aufl. 2018, Rn. 1024. Die Leistungszweckbestimmung (Tilgungsbestimmung) ist eine einseitige, zumindest rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, auf sie finden die Regeln über Willenserklärungen (entsprechende) Anwendung (BGHZ 106, 163, 166; BGHZ 111, 382, 386).
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B erlangt und damit nicht auch „in sonstiger Weise“ auf Kosten von A, B und C als Gesellschaft. Es gilt hier der Vorrang der Leistungsbeziehung (Subsidiarität der allgemeinen Nichtleistungskondiktion).229
b) Die Rechtslage nach Anerkennung der GbR als rechtsfähig Als der BGH schließlich Flume und der h. M. (Gruppenlehre) folgte und die BGB‑Gesellschaft als rechtfähig anerkannte, 230 waren nicht mehr die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Eigentümer des Grundstücks, sondern die Gesellschaft selbst.231 Weil aber mit der Rechtsfähigkeit der GbR notwendig ihre Grundbuchfähigkeit einhergeht, 232 war nunmehr an sich nur noch sie allein unter ihrem (eigenen) Namen in das Grundbuch als Berechtigte einzutragen.233 Weil für sie jetzt nicht mehr § 47 GBO a. F. galt, sondern § 29 GBO, war sie jedoch verpflichtet, ihre Existenz und Identität sowie die Vertretungsberechtigung der für sie handelnden Personen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen (§ 29 Satz 1 GBO).234 Im Gegensatz zu den anderen rechtsfähigen Personengesellschaften konnte sie das jedoch nicht einfach durch einen mit öffentlichem Glauben versehenen Auszug aus einem öffentlichen Register tun, 235 weil es für die GbR ein solches öffentliches Register nicht gab (und auch heute noch nicht gibt). Für die BGB‑Gesellschaft war es deshalb praktisch kaum möglich, in der Form des § 29 GBO ihre Existenz und ihre ordnungsgemäße Vertretung sowie ihre Identität zu belegen und dadurch unter ihrem Namen im Grundbuch eingetragen zu werden.236 Der Gesetzgeber reagierte darauf, indem jetzt neben der BGB‑Gesellschaft „auch“ deren Gesellschafter zwingend in das Grundbuch einzutragen sind (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GBO). Weil hiernach die Gesellschafter lediglich „auch“ im Grundbuch einzutragen sind, bleibt für die GbR an sich weiterhin das praktisch kaum lösbare Problem, ihre Existenz, Identität und Vertretung in 229 Dazu Buck-Heeb, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 6. Aufl. 2017, Rn. 465; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 812 Rn. 7; BGHZ 40, 272, 278; BGHZ 56, 228, 240. 230 BGHZ 146, 341, 343. 231 BGHZ 189, 274 Rn. 26, wonach „materiell-rechtlich die GbR – und nicht die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit – das Grundeigentum erwirbt“. Anders als hier der V. Zivilsenat ist für den II. Zivilsenat die rechtsfähige Gesellschaft nichts anderes als die Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder (BGHZ 146, 341, 347). 232 Krüger, NZG 2010, 801, 802; ihm folgend BGHZ 189, 274 Rn. 25; so auch bereits Steffek, ZIP 2009, 1445, 1445. 233 BGHZ 179, 102 Rn. 20. 234 BGHZ 179, 102 Rn. 21, 24. 235 So ausdrücklich BGHZ 179, 102 Rn. 25. 236 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 24 linke Spalte.
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Form des § 29 GBO nachweisen zu können.237 Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung des § 47 GBO indes für das Grundbuch zu der Rechtslage zurückkehren, die bestand, als die BGB‑Gesellschaft noch nicht als rechtsfähig anerkannt war.238 Aus diesem Grund wird die GbR letztlich entgegen dem Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO nicht über ihren Namen, sondern ausschließlich über ihre Gesellschafter identifiziert.239 Der GbR als „Verband“ und nicht ihren Gesellschaftern steht, so der BGH, das Vermögen als „Gesellschaftsvermögen“ zu.240 Die rechtsfähige GbR ist daher materiell-rechtlich Eigentümerin des Grundstücks und deshalb im Grundbuch als Berechtigte einzutragen, dennoch soll, so der BGH, „das dingliche Recht der Gesellschaft grundbuchrechtlich durch die Gesellschafter vermittelt werden“.241 Damit ist die BGB‑Gesellschaft lediglich materiell-rechtlich Eigentümerin des Grundstücks, grundbuchrechtlich sind es die Gesellschafter. Materielles Recht und Grundbuchrecht fallen dadurch auseinander.242 Vor Neufassung des § 47 GBO war es für den BGH jedoch Aufgabe, ja sogar ausdrücklich der „Zweck“ des Grundbuchs, „die Rechtsverhältnisse an Grundstücken genau und zuverlässig zu dokumentieren“.243 Weil dieser Zweck aus dem Gesetz selbst folgt, hat das Grundbuch auch nach der Neufassung des § 47 GBO diese Aufgabe. So kann gemäß § 894 BGB der wahre Berechtigte die Berichtigung des Grundbuchs verlangen, wenn der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht und gilt nach § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB das Grundbuch zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers als richtig. „Das zwingt“, so der BGH weiter, „zu einer Buchungsform, die das Vermögen einer GbR als das ausweist, was es materiell-rechtlich ist, nämlich als Gesellschaftsvermögen. Das ist im Ansatz nur zu erreichen, wenn als Eigentümer (…) die GbR eingetragen wird (…), nicht mehr ihre Gesellschafter“.244 Wenn das Grundbuch allein dann richtig 237 So ausdrücklich OLG München, ZIP 2010, 1496, 1497–1498; OLG Hamm, ZIP 2010, 2245, 2247, wonach der Nachweis nur durch den Abschluss eines (notariellen) Gesellschaftsvertrags (§ 705 BGB) in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Grundstückgeschäft erbracht werden könne, sodass die Gesellschafter eine BGB‑Gesellschaft (oder eine Handelsgesellschaft) im unmittelbaren Vorfeld des Eigentumserwerbs neu gründen müssten (OLG Hamm, ZIP 2010, 2245, 2248). 238 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 24 rechte Spalte. 239 BGHZ 189, 274 Rn. 12; BGHZ 187, 344 Rn. 10; siehe auch Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1690, Fn. 17, der deshalb von einem Redaktionsfehler des Gesetzgebers spricht. 240 BGHZ 187, 344 Rn. 8; BGHZ 179, 102 Rn. 19. 241 BGHZ 189, 274 Rn. 25; so im Anschluss an Reymann, ZNotP 2011, 84, 101, wonach das Recht der GbR grundbuchrechtlich durch die Gesellschafter „mediatisiert“ werde (so BGHZ 189, 274 Rn. 19). 242 BGHZ 189, 274 Rn. 26. 243 BGHZ 179, 102 Rn. 19; Steffek, ZIP 2009, 1445, 1445, spricht hier von einer „dienenden Funktion“ des Grundbuchrechts. 244 BGHZ 179, 102 Rn. 19.
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ist, wenn es die wirkliche Rechtslage zutreffend abbildet, gleichzeitig aber die Gesellschafter und eben nicht die Gesellschaft zu Recht im Grundbuch als Berechtigte eingetragen sind (vgl. auch § 47 Abs. 2 Satz 2 GBO), sind die Gesellschafter nicht bloß „als (fiktive) Eigentümer“ des Grundstücks anzusehen (so aber Ulmer), 245 vielmehr sind sie auch tatsächlich die wahren Eigentümer des Grundstücks. Die BGB‑Gesellschaft ist nur deshalb neben den Gesellschaftern („auch“) in das Grundbuch mitaufzunehmen, weil dadurch das Gesellschaftsverhältnis und damit „das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis bezeichnet wird“ (§ 47 Abs. 1 GBO).246 Für den Gesetzgeber ist gleichwohl allein die rechtsfähige GbR als Berechtigte im Grundbuch einzutragen, 247 zugleich will er aber im Grundbuch die Rechtslage funktional nachbilden, die vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR bestand.248 Dort waren aber die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit (in Gemeinschaft) Eigentümer des Grundstücks und als solche im Grundbuch als Berechtigte einzutragen. Dann kann das Grundbuch aber seine Aufgabe, die ihm das materielle Recht stellt (§§ 891, 892, 893, 894 BGB), die wirkliche Rechtslage „genau und zuverlässig zu dokumentieren“, 249 nicht mehr erfüllen. Materielles Recht und Grundbuchverfahrensrecht sind eben nicht, anders es der BGH nach Neufassung des § 47 GBO behauptet, jeweils selbständige Rechtsgebiete, die in ihren Voraussetzungen und Rechtswirkungen unterschiedlich ausgestaltet sein können.250 Demnach stand es dem Gesetzgeber gerade nicht frei, von der materiellen Berechtigung abzuweichen, indem er jetzt grundbuchrechtlich an die Benennung der Gesellschafter anknüpft (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GBO), gleichzeitig aber in der Gesellschaft als solche die wahre Eigentümerin sieht.251 Selbst für die h. M. (Gruppenlehre) ist demzufolge in Wahrheit gar nicht die Gesellschaft Eigentümerin des Grundstücks, vielmehr sind es ihre Gesellschafter. Die GbR ist damit im Grundstücksverkehr richtigerweise nicht als solche rechtsfähig; sie ist eben doch kein Rechtssubjekt.
245 Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1691; ihm folgt Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 314. 246 So auch Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1691. 247 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 24 linke Spalte. 248 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 24 rechte Spalte, S. 27 linke Spalte. 249 BGHZ 179, 102 Rn. 19 (Zitat). 250 BGHZ 189, 274 Rn. 26. 251 So aber ausdrücklich BGHZ 189, 274 Rn. 26, im Anschluss an Reymann, ZNotP 2011, 83, 107.
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c) Die Ansicht der h. M. (Gruppenlehre) Die h. M. hält dennoch an ihrer Annahme fest, die GbR sei ein Rechtssubjekt und daher als solche Eigentümerin des Grundstücks. Als (deutsch-rechtliche) Körperschaft ist sie eine bloß gedachte Einheit und deshalb nicht mit ihren gegenwärtigen Mitgliedern gleichzusetzen. Weil die Gesellschafter demgemäß nicht die GbR sind, ist die BGB‑Gesellschaft insofern nicht durch sich selbst handlungsfähig, weshalb ihre Gesellschafter sie erst noch rechtsgeschäftlich vertreten müssen. Besteht die GbR aus A, B und C, einigen sich aber nur A und B im Namen der BGB‑Gesellschaft mit dem Erwerber über die Veräußerung eines Grundstücks, das im Eigentum der GbR steht, und sind A, B und C nur gemeinschaftlich befugt, die Gesellschaft zu vertreten (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB), kommt eine wirksame dingliche Einigung zwischen der GbR und dem Erwerber i. S. des § 873 Abs. 1 BGB nicht zustande. Das gilt auch, wenn der Erwerber gutgläubig darauf vertraut hat, dass A und B berechtigt waren, die GbR zu vertreten. Durch § 892 BGB wird lediglich der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers, hier der BGB‑Gesellschaft, geschützt, nicht aber an die ordnungsgemäße Vertretung.252 Aus diesem Grund wird über §§ 899a Satz 1 und 2, 892 BGB noch extra vermutet, dass die Gesellschaft ordnungsgemäß durch die handelnden Personen vertreten wird, die als „Gesellschafter“ im Grundbuch eingetragen sind.253 Stehen A und B gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO als alleinige Gesellschafter im Grundbuch (§ 899a Satz 1 BGB), kann der insoweit gutgläubige Erwerber darauf vertrauen, dass A und B gemäß §§ 709 Abs. 1, 714 BGB befugt sind, die Gesellschaft rechtsgeschäftlich zu vertreten (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), obgleich die GbR tatsächlich aus A, B und C besteht. Der Erwerber kann auf diese Weise „gutgläubig“ Eigentum von der GbR vertreten durch A und B erwerben (§§ 873 Abs. 1, 899a Satz 2, 892 BGB).254 Dieser „gutgläubige“ Erwerb ist jedoch an sich nicht kondiktionsfest. So hat der Erwerber das Eigentum und daher etwas i. S. des § 812 BGB von der BGB‑Gesellschaft und eben nicht von den handelnden Gesellschaftern erlangt, da nach der h. M. (Gruppenlehre) die Gesellschaft selbst und nicht ihre Gesellschafter die Eigentümerin des veräußerten Grundstücks sein soll. Die 252 Bezugspunkt für den guten Glauben des Erwerbers ist das vermeintliche Eigentum des Veräußerers (§ 932 Abs. 2 BGB). Da der Veräußerer eines Grundstücks durch das Grundbuch als Berechtigter und demzufolge wie beim gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen als Eigentümer legitimiert sein muss (so Vieweg/Werner, Sachenrecht, 8. Aufl. 2018, § 13 Rn. 45), gilt das auch für § 892 BGB. 253 Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 899a Rn. 7; Wellenhofer, Sachenrecht, 33. Aufl. 2018, § 19 Rn. 37; Gursky, in: Staudinger, BGB, 2013, § 899a Rn. 7; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 26 rechte Spalte. 254 Weil die BGB‑Gesellschaft Eigentümerin des Grundstücks ist, handelt es sich um einen Erwerb vom Berechtigten und deshalb im eigentlichen Wortsinn nicht um einen gutgläubigen Erwerb i. S. des § 892 BGB vom Nichtberechtigten.
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Gesellschafter, die im Grundbuch als solche eingetragen sind (hier A und B), treten daher lediglich als Stellvertreter i. S. des § 164 BGB für die GbR auf. Nicht die Gesellschafter (A und B), sondern (allenfalls) die BGB‑Gesellschaft kann demnach dem gutgläubigen Erwerber das Eigentum geleistet haben.255 Der Erwerber hat dieses etwas i. S. des § 812 BGB jedoch „ohne rechtlichen Grund“ erlangt. A und B konnten nur zusammen mit C die GbR schuldrechtlich wirksam vertreten (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB), sodass der Kaufvertrag, den A und B im Namen der BGB‑Gesellschaft mit dem Erwerber abgeschlossen haben, unwirksam ist. Und da nach einem Teil der h. M. (Gruppenlehre) § 899a BGB aufgrund seiner systematischen Stellung im Sachenrecht und seines Wortlauts („in Ansehung des eingetragenen Rechts“) weder direkt noch analog auf den schuldrechtlichen Kaufvertrag Anwendung findet, kann der gutgläubige Erwerber in Bezug auf den Kaufvertrag nicht darauf vertrauen, dass A und B die GbR auch insoweit wirksam vertreten können.256 Das Grundbuch hat zudem, so der Gesetzgeber, auch nicht „die Funktion eines allgemeinen Gesellschaftsregisters“.257 Und weil das Grundbuch nach § 899a Satz 1 BGB nur „in Ansehung des eingetragenen Rechts“ einen Rechtsschein erzeugt, gilt die Regelung des § 899a BGB nicht im Schuldrecht.258 Das Grundbuch ist daher kein tauglicher Rechtsscheinsträger, sodass aus der Berichtigungspflicht (§ 82 Satz 3 und 1 GBO) auch nicht eine Rechtsscheinsvollmacht des nicht im Grundbuch eingetragenen Gesellschafters (hier C) folgen kann.259 Der Redliche erwirbt demnach von der GbR, zwar „gutgläubig“ Ei255 Eine Leistung der BGB‑Gesellschaft, vertreten durch ihre Gesellschafter A und B, scheidet an sich aus. Eine Zuwendung ist allein dann eine Leistung i. S. des § 812 BGB, wenn sie mit einer „wirksamen Zweckbestimmung“ verbunden ist. Da eine solche Zweckbestimmung einen „rechtsgeschäftsähnlichen Charakter“ hat, setzt sie und damit eine Leistung eine wirksame Vertretung voraus (so ausdrücklich BGH, NJW‑RR 2010, 858 Rn. 13). Darauf kommt es an dieser Stelle jedoch nicht an, da zumindest der Kaufvertrag unwirksam ist und es demgemäß an einem Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB fehlt. Die GbR kann demnach entweder aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 oder aus Alt. 2 BGB das Eigentum an dem Grundstück vom Erwerber wieder herausverlangen. Weil das Eigentum auch nicht anderweitig an den gutgläubigen Erwerber geleistet worden ist, es also an einer vorrangigen Leistungsbeziehung fehlt, ist der Erwerber zumindest in sonstiger Weise bereichert und insofern jedenfalls aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 BGB gegenüber der BGB‑Gesellschaft zur Herausgabe verpflichtet. 256 Nach Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 899a Rn. 6, gilt § 899a BGB ausschließlich für das Sachenrecht („hM“); auch für Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1696, ist strikt zwischen Sachen- und Schuldrecht zu unterscheiden; Gursky, in: Staudinger, BGB, 2013, § 899a Rn. 11; Artz, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 899a Rn. 5; Krüger, NZG 2010, 801, 805; Wellenhofer, JuS 2010, 1048, 1050; Kiehnle, ZHR 174 (2010), 209, 233. 257 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 26 rechte Spalte. 258 Krüger, NZG 2010, 801, 806; Weiss, JuS 2016, 494, 495. 259 Weiss, JuS 2016, 494, 496; Kiehnle, ZHR 174 (2010), 209, 228; Wellenhofer, JuS 2010, 1048, 1050; Krüger, NZG 2010, 801, 805; a. A. Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1697; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 315.
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gentum (§§ 899a Satz 2, 892 BGB), wenn allein A und B für sie als Stellvertreter handeln (und nicht auch C), doch kann die GbR das Eigentum vom Erwerber wieder kondizieren (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. oder 2. Alt. BGB). Da der Gesetzgeber mit § 47 Abs. 2 GBO n. F. aber zu der Rechtslage zurückkehren wollte, die bestand, als die BGB‑Gesellschaft noch nicht als rechtsfähig anerkannt war, 260 dort aber Dritte von den Gesellschaftern (als GbR) gutgläubig das Eigentum an einem Grundstück erwerben konnten (§ 892 BGB) und dieser sachenrechtliche Erwerb auch schuldrechtlich wirksam und dementsprechend ein Anspruch nach § 812 BGB ausgeschlossen war, erstreckt ein Teil der h. M. (Gruppenlehre) den Anwendungsbereich des § 899a BGB (zumindest analog) auf die schuldrechtliche Ebene (d. h. auf den Kaufvertrag).261
d) Bewertung Eine solche Lösung ist aber nicht nur ergebnisorientiert, sondern „verbiegt“ auch unnötig das Sachenrecht, weil § 899a ebenso wie § 47 Abs. 2 GBO nur klarstellende Bedeutung hat. Die Gesellschafter sind die Gesellschaft und deshalb gemeinsam Eigentümer des Grundstücks. Sie sind demgemäß als mehrere Berechtigte gemeinschaftlich im Grundbuch einzutragen (vgl. § 47 Abs. 1 GBO). Weil jedoch mehrere BGB‑Gesellschaften aus denselben Gesellschaftern bestehen können, ist jeweils als Zusatz zu den Gesellschaftern das Gesellschaftsverhältnis, in dem sie zueinander stehen, in das Grundbuch aufzunehmen (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GBO), sodass auf diese Weise lediglich „das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis bezeichnet wird“ (so jetzt § 47 Abs. 1 GBO n. F. und zuvor schon § 47 GBO a. F.).262 Als Eigentümer verfügen die Gesellschafter und nicht die GbR selbst, weil es eine solche nicht gibt, über das Grundstück. Sie sind Partei des dinglichen Geschäfts und handeln deshalb im eigenen Namen (§ 873 Abs. 1 BGB).263 Stehen allein A und B und nicht auch C im Grundbuch als Gesellschafter, sind scheinbar auch nur sie gemeinschaftlich Eigentümer des Grundstücks (§ 891 Abs. 1 BGB). Ein Dritter kann demnach gutgläubig von A und B als Gesellschaft das Eigentum am Grundstück erwerben (§ 892 BGB) und nicht von einer veräußernden GbR. Da A und B für sich als Gesamthand im eigenen Namen 260 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 24 rechte Spalte. 261 Berger, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 899a Rn. 6; Böttcher, NJW 2010, 1647, 1655; Tolani, JZ 2013, 224, 231; Wagner, Die „registrierte“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2014, S. 106–113, 114; für Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 315, ist § 899a BGB zumindest ein gesetzlicher Behaltensgrund i. S. des § 812 BGB; so auch Witt, BB 2011, 259, 262; Recknagel, Die Teilnahme von BGB‑Gesellschaften am Grundstücksverkehr, 2012, S. 104–108. 262 Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1691. 263 So Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1696, wobei für ihn über § 899a BGB die eingetragenen Gesellschafter lediglich als (fiktive) Eigentümer gelten.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
auftreten, findet eine Stellvertretung i. S. des § 164 BGB hier nicht statt. In § 899a BGB geht es daher auch nicht um die Vertretung der GbR, sondern um die Verfügungsbefugnis der im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter.264 A und B sind auch Verkäufer des Grundstücks. Denn nach dem Parteiwillen (§§ 133, 157 BGB) soll derjenige verpflichtet sein, der den Anspruch aus dem Kaufvertrag erfüllen kann, und das sind die Personen, die als Gesellschafter und Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind. Allein A und B können die Auflassung erklären (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB), sie sind deshalb Vertragspartner und nicht die GbR.265 Die Erfüllungsklage ist daher (inhaltlich) ausschließlich gegen sie zu richten.266 Der Name der GbR ist in der Klage nur anzugeben, um das jeweilige Gesellschaftsverhältnis zu charakterisieren. Und weil A und B Partei des Kaufvertrags sind, hat der gutgläubige Erwerber nicht nur sachenrechtlich, sondern auch schuldrechtlich sicher Eigentum von A und B erlangt. Der Kaufvertrag zwischen A und B als Verkäufer und dem Erwerber als Käufer ist Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB. Demgemäß können A, B und C (als Gesellschaft) das Eigentum nicht wieder vom gutgläubigen Erwerber aus Bereicherungsrecht herausverlangen. Während für die h. M. (Gruppenlehre) die GbR nur im Sachenrecht durch ihre Gesellschafter „mediatisiert“ ist (§ 899a BGB) und infolgedessen die Gesellschafter allein dort als (fiktive) Eigentümer des Grundstücks gelten, 267 sind die Gesellschafter in Wahrheit stets die GbR, und zwar sowohl im Sachenrecht als auch im Schuldrecht. Aus diesem Grund verfügen A und B als Bucheigentümer und daher als scheinbar Berechtigte (§ 892 BGB) über das Grundstück, das ihnen in Wirklichkeit nur gemeinsam mit C (als Gesellschaft) gehört. A und B, und nicht die GbR, sind daher auch Verkäufer, sodass der gutgläubige Erwerber kondiktionsfest Eigentum von A und B erlangt. Die Gesellschafter sind dementsprechend selbst für die heute h. M. (Gruppenlehre) inhaltlich die Eigentümer des Grundstücks. Damit ist aber die BGB‑Gesellschaft insofern nicht (mehr) rechtsfähig.268 Die fehlende Grundbuchfähigkeit der GbR steht demzufolge im Widerspruch zu der Annahme der h. M., die GbR sei ein Rechtssubjekt und als solches Zuordnungsendpunkt 264 Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1696; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 314. 265 Anders Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1696, für den, soweit es um den Kaufvertrag geht, „die Rolle der GbR als Vertragspartnerin (…) außer Frage steht“, ohne diese Behauptung freilich zu begründen. 266 Für Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1697, ist die Erfüllungsklage zwar gegen die GbR als Vertragspartnerin zu richten, weil aber nur die Gesellschafter die erforderlichen Auflassungserklärungen abgeben können, und zwar nicht als Vertreter, denn sie sind selbst als (fiktive) Eigentümer verfügungsbefugt, soll sich die Klage inhaltlich auf die Gesellschafter beziehen. 267 Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1695 (auch S. 1691, 1693); Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 313; ders., Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 4. 268 Scherer, NJW 2009, 3063, 3064, wonach „als Rechtsträger (…) wieder die Gesellschafter“ gelten.
D. Die Gesamthand als Personengemeinschaft
349
der Rechte und Pflichten. Das gilt auch für den gutgläubigen Erwerb von einer nicht existenten GbR. Wenn die GbR selbst Eigentümerin des Grundstücks ist (so die h. M.) und nach § 899a Satz 1 BGB allein vermutet wird, dass die eingetragenen Personen als (bloß vermeintliche) Gesellschafter (A und B) die GbR ordnungsgemäß vertreten, muss an sich eine solche GbR auch tatsächlich bestehen. A und B gelten hier als Stellvertreter der BGB‑Gesellschaft, ihre Willenserklärungen können aber nur unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirken (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn es einen solchen Vertretenen, hier die GbR, überhaupt gibt. Besteht eine GbR nicht (mehr), scheidet demzufolge eigentlich ein gutgläubiger Erwerb über §§ 899a Satz 2, 892 BGB aus, zumal über § 892 BGB an sich nur der gute Glaube daran geschützt ist, dass demjenigen, der als Berechtigter im Grundbuch steht, auch tatsächlich das veräußerte Recht gehört, nicht aber, dass es ihn auch wirklich als Rechtssubjekt gibt.269 Der Gesetzgeber wollte indes auch insoweit zur früheren Rechtslage zurückkommen, als die GbR noch nicht als rechtfähig anerkannt war.270 Dort knüpften die Verkehrsschutzvorschriften der §§ 891–899 BGB an die Personen und damit an die (angeblichen) Gesellschafter an, die im Grundbuch – wenn auch gemeinschaftlich – als mehrere Berechtigte standen (vgl. § 47 GBO alte und neue Fassung).271 Und deshalb wird nach heute h. M. auch jetzt über § 899a Satz 1 BGB nicht allein vermutetet, dass die als Gesellschafter im Grundbuch eingetragenen Personen (A und B) die GbR ordnungsgemäß vertreten (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB), sondern auch, dass eine BGB‑Gesellschaft (als Rechtssubjekt) überhaupt (noch) besteht, 272 sodass die Gesellschafter A und B als Stellvertreter für einen nicht existenten Rechtsträger auftreten können. Auch hier sind es also wieder die (vermeintlichen) Gesellschafter, und eben nicht die GbR selbst, an die der gute Glaube anknüpft, obgleich nach h. M. (Gruppenlehre) nicht die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, sondern die GbR als solche die Eigentümerin des Grundstücks sein soll. Auch hier zeigt sich erneut der Vorzug der Theorie der deutschen Gesamthand, wonach stets die Gesellschafter die Gesamthand sind; sie sind die Zuordnungsendpunkte (d. h. die Subjekte) der Rechte und Pflichten und 269 Gursky, in: Staudinger, BGB, 2013, § 891 Rn. 41; Kohler, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 891 Rn. 10. 270 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 27 linke Spalte; siehe auch Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1698. 271 Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1698; vgl. Stürner, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 891 Rn. 10, wonach vermutet wird, dass das eingetragene Recht dem Eingetragenen, hier also den Gesellschaftern, zusteht. 272 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum ERVGBG BT‑Drucks. 16/13437, S. 27 linke Spalte; Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1698; Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 19 Rn. 4; Kesseler, NJW 2011, 1909, 1913; a. A. Krüger, NZG 2010, 801, 805; zweifelnd Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 899a Rn. 7.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
daher sind auch sie in Gemeinschaft und nicht die GbR als solche Eigentümer eines Grundstücks.273
VII. Die Fähigkeit der Gesellschafter, im Rechtsverkehr unter einem gemeinschaftlichen Namen aufzutreten Für die Theorie der deutschen Gesamthand ist es dabei auch ohne Bedeutung, dass die Gesellschafter unter ihrem Namen und nicht allein unter dem Namen der Gesellschaft im Grundbuch eingetragen werden können. Nach § 124 Abs. 1 HGB kann die OHG unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte erwerben, vor Gericht klagen oder verklagt werden.274 Weil die OHG die Gesellschafter sind, sind es aber die Gesellschafter, die unter einem gemeinschaftlichen Namen (vgl. §§ 105 Abs. 1, 17 Abs. 1 HGB) als verbundene Subjekte (d. h. als Einheit) insgesamt und kollektiv im Rechtsverkehr auftreten können. 275 Allein diese Fähigkeit der OHG hat der BGH inhaltlich auf die BGB‑Gesellschaft erstreckt, und nicht, wie er irrtümlich meint, deren Rechtssubjektivität. 276 Danach sind nunmehr auch die Gesellschafter einer GbR befugt (§ 124 Abs. 1 HGB analog), unter einem gemeinschaftlichen Namen (kollektiv) Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).277 Anders als bei einer OHG können die Gesellschafter einer BGB‑Gesellschaft jedoch nicht im Grundstücksverkehr „unter ihrer Firma“ Eigentum oder andere dingliche Rechte erwerben oder veräußern. Darin allein erschöpft sich die (klarstellende) Bedeutung von § 47 Abs. 2 GBO und § 899a BGB. Weil die OHG nichts anderes als eine kaufmännische BGB‑Gesellschaft ist (vgl. § 105 Abs. 1 und 3 HGB), sind die Gesellschafter einer GbR zwar ebenso kollektiv rechtsfähig wie die einer Handelsgesellschaft, gleichwohl kann der ge273 Selbst Ulmer, ZIP 2011, 1689, 1695, sieht in den im Grundbuch eingetragenen Gesellschaftern die dinglich Berechtigten, die gemeinsam („in gesamthänderischer Verbundenheit“) verfügungsbefugt sind. 274 Limbach, Gesamthand und Gesellschaft, 2016, Rn. 286, weist darauf hin, dass bereits im ADHGB (Art. 111 Abs. 1 ADHGB = § 124 Abs. 1 HGB) mit dem Ausdruck „unter ihrer Firma“ nicht die OHG ‚als solche‘ (d. h. nicht als Rechtssubjekt), sondern die „zusammengefassten Gesellschafter gemeint“ waren. 275 Beuthien, JZ 2003, 715, 715, spricht in diesem Kontext von einem „Gesamtnamen“ der Gesellschaft. Da die Gesellschaft aber eine Gemeinschaft zur gesamten Hand und nicht eine „Gesamtperson“ (so aber Beuthien, NZG 2011, 481, 484) und demnach auch keine Körperschaft des deutschen Rechts ist, sollte besser von einem gemeinschaftlichen Namen die Rede sein. Selbst für Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 105–106, tritt die „Gesellschaftergesamtheit“ unter ihrer Firma als ihrem gemeinsamen Namen auf, weshalb er in § 124 HGB „nur eine Vervollkommnung des Gesamthandsprinzips“ erkennt und daher bei ihm von einer „Gesamthandsfirma“ die Rede ist. 276 BGHZ 146, 341, 346. 277 Beuthien, JZ 2003, 715, 720; ders., NZG 2011, 481, 482.
D. Die Gesamthand als Personengemeinschaft
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meinschaftliche Name bei einer GbR im Grundbuchrecht nicht die der Firma einer OHG durch § 124 Abs. 1 HGB zugewiesene Rolle spielen.278 Die Gesellschafter bürgerlichen Rechts müssen deshalb im Grundstücksverkehr unter ihren jeweiligen Namen als Gesellschaft auftreten. Das gilt gleichermaßen für das Sachenrecht und das Schuldrecht (d. h. in der Regel für den Kaufvertrag). Auch für die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer BGB‑Gesellschaft ist ein Urteil „gegen alle Gesellschafter“ erforderlich (§ 736 ZPO). Die Gesellschafter sind aber nicht nur kollektiv parteifähig, 279 sondern können auch unter ihrem gemeinschaftlichen Namen klagen und verklagt werden (§ 124 Abs. 1 HGB analog).280 Weil sie aber so als Gesellschaft Partei sind, liegt ein Urteil „gegen alle Gesellschafter“ auch dann vor, wenn es nur auf ihren gemeinschaftlichen Namen lautet und insofern gegen die Gesellschaft selbst gerichtet ist.281 Erbengemeinschaft und eheliche Gütergemeinschaft sind wie die GbR Gemeinschaften zur gesamten Hand. Aus diesem Grund sind auch hier die Miterben und die Ehegatten kollektiv rechtsfähig (vgl. § 2032 Abs. 1; §§ 1416 Abs. 1, 1419 Abs. 1 BGB). Auch sie nehmen im Recht einen gemeinsamen status ein, der ihnen als Zuordnungsendpunkten die gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten vermittelt. Und deshalb sind sie als Gesamthänder die Rechtsträger und nicht ein ihnen gegenüber verselbständigtes Rechtssubjekt. Anders als die Gesellschafter einer GbR oder OHG sind die Mitglieder einer Erbengemeinschaft oder einer ehelichen Gütergemeinschaft aber nicht fähig, unter einem gemeinschaftlichen Namen im Rechtsverkehr aufzutreten; auf die Erbengemeinschaft und die eheliche Gütergemeinschaft findet § 124 Abs. 1 HGB also (noch) keine entsprechende Anwendung.282 Das 278
So bereits Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 841, Fn. 49. Gierke, Deutsche Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682: „Der Rechtsfähigkeit entspricht hier wie überall Parteifähigkeit im Prozess“; so auch die Argumentation in BGHZ 146, 341, 348, wonach die rechtsfähige GbR als „Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter“ (S. 353) auch parteifähig ist; für Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 592, sind bei der Handelsgesellschaft sämtliche unter der Firma zusammengefassten Gesellschafter, alias als kollektive Einheit, Prozesspartei. 280 Vgl. BGHZ 146, 341, 349; anders noch Gierke; Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 841. 281 Vgl. BGHZ 146, 341, 353; Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 736 Rn. 4; Ulrici, in: BeckOK, ZPO, 31. Ed. 2018, § 736 Rn. 8, der jedoch umgekehrt annimmt, dass die Gesellschaft selbst (d. h. als Rechtssubjekt) auch durch Benennung aller ihrer Gesellschafter bezeichnet werden kann. 282 Nach h. M. ist die Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig, weil sie anders als die GbR gemäß § 2032 Abs. 2 BGB auf Auseinandersetzung gerichtet ist (so BGH, NJW 2002, 3389, 3390; ihm folgend Gergen, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2032 Rn. 12; a. A. Altenhofen, JURA 2018, 205, 211, und öfter, wonach die Erbengemeinschaft als Gesamthand ein „Rechtssubjekt“ ist; so auch Grunewald, AcP 197 [197], 305, 306). Nach h. M. ist auch die eheliche Gütergemeinschaft nicht ein „neues Rechtssubjekt“ neben den Ehegatten, vielmehr ist „das Ehepaar“ in seiner gesamthänderischen Bindung Rechtsträger (so Gaul/Althammer, 279
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
gilt auch für § 124 Abs. 2 HGB, sodass ein Urteil gegen beide Ehegatten (§ 740 Abs. 2 ZPO) und gegen sämtliche Erben (§ 747 ZPO) nötig ist, um in das Gesamtgut oder den Nachlass vollstrecken zu können.
E. Resümee Die Gesellschaft des BGB ist nach dem Gesetz im Ausgangspunkt an sich (immer noch) eine römische societas und nicht eine deutsche Gesamthand. Das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) ist deshalb auch bloß eines nach Bruchteilen (§ 741 BGB). Die Gesellschafter haben dementsprechend jeder für sich einen (ideellen) „Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den dazu gehörenden Gegenständen“ (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Über diese Gemeinschaft nach Bruchteilen (communio) ist nun die „gesamthänderische Bindung“ der Gesellschafter gelegt, sodass diese nicht mehr jeder für sich über ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen und den dazu gehörenden Gegenständen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB). Die societas ist dadurch insofern modifiziert, als die Gesellschafter (socii) ein Sondervermögen haben, über das sie nur noch alle zusammen verfügen können. Für die traditionelle oder auch „gesetzestreue“ Ansicht (frühere h. M.) war deshalb die Gesamthand bloß eine (modifizierte) societas mit einem Sondervermögen, bei dem aber Sachen, Rechte und Forderungen nicht mehr (ideell) geteilt, sondern vervielfältigt waren, sodass gedanklich jeder Gesellschafter Eigentümer der ganzen Sache sowie Inhaber der ganzen Forderung und des ganzen Rechts war, aus denen sich das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) zusammensetzte (dominium plurium in solidum). Weil auch Forderungen zum Gesellschaftsvermögen gehören (vgl. § 719 Abs. 2 BGB) und der Anteil eines Gesellschafters am gemeinschaftlichen Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB von selbst den übrigen Gesellschaftern zuwächst, sobald jener aus der Gesellschaft, hier also aus der modifizierten societas, ausscheidet (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist der ausscheidende Gesellschafter automatisch nicht mehr (Mit-) Inhaber der gemeinschaftlichen Forderungen. Er hört demnach allein schon deshalb auf, zusammen mit den anderen Gesellschaftern Gläubiger zu sein, weil und sobald er nicht mehr (Mit-) Inhaber des Gesellschaftsvermögens i. S. des § 718 Abs. 1 BGB ist. Umgekehrt wächst einem Gesellschafter ein Anteil an dem Vermögen der modifizierten societas zu (und den übrigen Gesellschaftern ab), wenn er der Gesellschaft beitritt (Rechtsgedanke des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er wird dadurch ipso iure Gläuin: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2013, § 1416 Rn. 3; Thiele, in: Staudinger, BGB, 2018, § 1416 Rn. 3, 5; vgl. dazu auch Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 90, Fn. 12; K. Schmidt, AcP 209 [2009], 181, 198–199; a. A. Altenhofen, JURA 2018, 205, 213).
E. Resümee
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biger. Die Stellung als (gemeinschaftlicher) Gläubiger wird demnach über das Sondervermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB vermittelt. Es sieht daher so aus, als ob nicht die Gesellschafter (socii), sondern stattdessen das Vermögen selbst Gläubiger der zu ihm gehörenden Forderungen sei. Wenn das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) in dieser Weise der Bezugspunkt für die gemeinschaftlichen Forderungen ist, so die kollektive Gesamthandslehre, muss das auch umgekehrt für die Verbindlichkeiten gelten, sodass das Gesellschaftsvermögen nicht allein die (gemeinschaftlichen) Rechte und Forderungen, sondern auch die Schulden an die jeweils gegenwärtigen Gesellschafter vermittelt. Ein Gesellschafter hört demgemäß automatisch auf, (gemeinschaftlicher) Schuldner zu sein, wenn er aus der Gesellschaft ausscheidet. Umgekehrt wird ein Gesellschafter, der neu zur Gesellschaft hinzukommt, von selbst (ipso iure) mit den anderen zusammen Schuldner, weil ihm ein Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB zuwächst (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) und er darüber automatisch nicht bloß (Mit-) Inhaber der Forderungen, sondern auch der Verbindlichkeiten wird, die seine Mitgesellschafter bereits vor seinem Beitritt begründet haben, und die deswegen schon zum Gesellschaftsvermögen gehörten, als sie ihn in den Kreis der Gesellschafter aufgenommen haben. Ein Gesellschafterwechsel hat demnach „keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse“, weil davon das Gesellschaftsvermögen als solches und daher als Bezugspunkt der Rechtsverhältnisse zu Dritten unberührt bleibt.283 Eine solche Kontinuität der Rechtsverhältnisse im Fall eines Gesellschafterwechsels erreicht die jetzige h. M. (Gruppenlehre), indem sie zwischen die Gesellschafter und deren Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB die Gesellschaft als Rechtssubjekt dazwischenschaltet. Dadurch ist nicht mehr das Gesellschaftsvermögen selbst Gläubiger und Schuldner, stattdessen ist es nunmehr die Gesellschaft als Rechtssubjekt. Denn nach Ansicht der h. M. (Gruppenlehre) kann „eine Schuld (…) immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen“.284 Damit ist aber bloß die Eigenschaft des Gesellschaftsvermögens, Gläubiger und Schuldner zu sein, gewissermaßen von ihr auf die Gesellschaft (als einem Rechtssubjekt) übergegangen. Das Vermögen bekommt sozusagen lediglich ein eigenes Rechtssubjekt. Die Gesellschaft steht demgemäß als Rechtssubjekt nur stellvertretend für das Gesellschaftsvermögen, sodass das Vermögen nur noch mittelbar über die Gesellschaft – und nicht mehr wie zuvor unmittelbar – Bezugspunkt für die zwischen Gesellschaft und Dritten bestehenden Rechtsbeziehungen ist. Ließ ein Gesellschafterwechsel zuvor deshalb den Fortbestand der mit der BGB‑Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnis283 284
BGHZ 146, 341, 345 (Zitat). BGHZ 146, 341, 345.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
se unberührt, weil das Vermögen als solches dasselbe blieb (so die kollektive Gesamthandslehre), folgt das nunmehr für die jetzige h. M. als Gruppenlehre daraus, dass die Gesellschaft selbst das Rechtssubjekt und deshalb der Endpunkt der Rechte, Forderungen und Schulden sein soll und sie als solches dann per se von einem Wechsel in ihrem Mitgliederbestand unabhängig ist. Der Gedanke, der mehr oder weniger sowohl hinter der kollektiven Gesamthandslehre als auch hinter der heutigen h. M. (Gruppenlehre) steht, trifft durchaus „ins Schwarze“. Zwar sind die Gesellschafter (als Vielheit) die Rechtsträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, doch sind sie das nur vermittelt über etwas Anderes. Dieses Medium ist nun aber weder das Vermögen als solches noch die Gesellschaft als Rechtssubjekt. Das, was die Gesellschafter als Vielheit, zu einer Einheit (d. h. zu der Gesellschaft) formt, ist der gemeinsame status, den sie im Recht zusammen einnehmen, und der ihnen eine kollektive Rechtsfähigkeit verleiht. Er selbst ist nicht der Rechtsträger, vielmehr vermittelt er ihnen als Zuordnungsendpunkten (d. h. als Rechtssubjekten) bloß die gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Schulden (ohne selbst ein Rechtssubjekt zu sein). Und weil die Gesamthand deshalb auch nur ein Rechtsverhältnis und nicht ein Rechtssubjekt ist, werden die Gesellschafter als solche (d. h. als ganze Person) gebunden und haften daher nicht nur mit dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), sondern auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Schulden (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), sodass auch der „allgemeine Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts“ erfüllt ist, wonach „derjenige, der (…) in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet“.285 Dass die Gesellschafter mit ihrem gesamten Vermögen und damit auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Gesellschaftsschulden einstehen müssen, kann im Gegensatz dazu die h. M. (Gruppenlehre) nicht begründen. Denn nach ihrem Modell ist die Gesellschaft ein Rechtssubjekt und als solches allein Gläubigerin und Schuldnerin. Sie schiebt sich in den Rechtsverhältnissen zu Dritten vor ihre Gesellschafter und schirmt sie deshalb vor deren Forderungen und Verbindlichkeiten ab, sodass die Rechtsbeziehungen bei der Gesellschaft (als Rechtssubjekt) enden und nicht bis zu den Gesellschaftern durchdringen. Dann fügt sich aber eine persönliche und unmittelbare Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft (vgl. § 128 Satz 1 HGB) nicht in ihr Wesen als Rechtssubjekt ein und müsste deshalb an sich von vornherein ausscheiden. Nur wenn die Gesellschafter selbst, wenn auch in Gemeinschaft, Rechtsträger der gemeinschaftlichen Schulden sind, 285
BGHZ 142, 315, 319 (Hervorhebung nicht im Original).
E. Resümee
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müssen sie für diese mit ihrem gesamten Vermögen aufkommen. Denn Haftung setzt eine eigene Schuld voraus.286 Die Gesamthand ist aber auch nicht zu allererst eine Vermögensgemeinschaft, sondern eine Personengemeinschaft. Erst aus der Personengemeinschaft (d. h. dem gemeinsamen status) folgt das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB). Weil jene eine Gemeinschaft zur gesamten Hand (als Rechtsverhältnis) bilden und infolgedessen kollektiv rechtsfähig sind, können sie zusammen (als Einheit) ein gemeinschaftliches Vermögen haben. Aus diesem Grund ist auch das Vermögen als solches nicht der Bezugspunkt der Rechte und Pflichten, die die Gesellschafter in Gemeinschaft (d. h. als Gesamthand) haben. Ein Wechsel der Gesellschafter lässt allein deshalb die mit der Gesellschaft (als Gesamthand) bestehenden Rechtsverhältnisse unverändert fortbestehen, weil der gemeinsame status auch dann immer noch derselbe ist. Erst und allein der gemeinsame status macht die vielen Gesellschafter als gleichsam eigenschaftslose Materie (ὓλη) zu der konkreten Gesamthand, und zwar, indem er ihnen eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) verleiht, die ihnen weder als Einzelne noch in ihrer bloßen Summe (insofern als Gesamtheit), sondern ausschließlich in Gemeinschaft, als diese ganz bestimmte Gesamthand zukommt. Diese Gesamtbeschaffenheit besteht darin, dass die Gesellschafter, eben vermittelt über den gemeinsamen status, mit der Fähigkeit ausgestattet sind, gemeinsam „Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ (§ 14 Abs. 2 BGB). Solange der gemeinsame status, insofern die individuelle Gesamteigenschaft (ἰδία ποιότης) der Gesamthand (Gesellschaft), dieselbe ist, bewahrt auch die Gesamthand als Ganzes ihre Identität im Wechsel ihrer Teile (= Gesellschafter), besteht „als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft“ fort.287 Allein die Theorie der deutschen Gesamthand kann demnach widerspruchsfrei die rechtlichen Eigenschaften der Gesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand wirklich erklären. Sie ist deshalb jeder der bisherigen Gesamthandslehren und damit auch der heutigen h. M. (Gruppenlehre) vorzuziehen. Das veranschaulicht exemplarisch die Verbrauchereigenschaft der GbR, die ideelle Zwecke verfolgt. Nur für den, der erkennt, dass die Gesellschaft nichts anderes als die Gesellschafter ist, ist es offensichtlich, dass die Gesellschafter, wenn auch in Gemeinschaft, als natürliche Personen Verbraucher i. S. des § 13 BGB sind, sodass auf eine solche ideelle GbR selbstverständlich auch die verbraucherschützenden Vorschriften des BGB Anwendung finden. Das gilt sinngemäß für die Grundbuchfähigkeit der BGB‑Gesellschaft. Da die Gesellschafter die Gesellschaft sind, sind sie in Gemeinschaft (d. h. als 286 BGHZ 163, 154, 173; Wandt, Das Innenrecht der (teil-)rechtsfähigen BGB‑Gesellschaft, 2009, S. 56. 287 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691.
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§ 8 Die Rechtsfähigkeit
Gesamthand) nicht nur (materiell-rechtlich) Eigentümer der Grundstücke, die der Gesellschaft (d. h. ihnen als Gesamtheit) gehören, sondern auch als solche (formell) im Grundbuch einzutragen. Sind die (scheinbaren) Gesellschafter nur Bucheigentümer, kann ein Dritter von ihnen gutgläubig, aber auch kondiktionsfest i. S. des § 812 BGB Eigentum erwerben, da die Gesellschafter (und nicht eine Gesellschaft als Rechtssubjekt) nicht bloß durch das Grundbuch als vermeintliche Eigentümer des Grundstücks legitimiert sind (§ 892 BGB), vielmehr sind sie (und wiederum nicht die Gesellschaft als Rechtssubjekt) auf schuldrechtlicher Ebene die Verkäufer, sodass sie das Eigentum an dem veräußerten Grundstück an den Erwerber geleistet haben und für diese Leistung mit dem (wirksamen) Kaufvertrag ein Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB besteht. Die Gesellschaft ist als Gesamthand also nicht selbst ein Rechtssubjekt, stattdessen sind die Gesellschafter (als Vielheit) die Rechtsträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Die Rechtsverhältnisse sind deshalb gemeinschaftlich und bestehen selbst dann unverändert fort, wenn die Gesellschafter gewechselt haben, weil die Gesellschafter zusammen im Recht einen gemeinsamen status einnehmen, der ihnen als Zuordnungsendpunkten die Rechte und Pflichten vermittelt. Die Gesellschafter sind in diesem Sinn kollektiv rechtsfähig und bilden eine Einheit, ohne aber als Gesellschaft selbst ein Rechtssubjekt zu sein. Das gilt dabei nicht nur für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, sondern auch für die des Handelsrechts, d. h. für OHG und KG, sodass auch hier die Gesellschafter „unter ihrer gemeinschaftlichen Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden“ können (vgl. §§ 124 Abs. 1, 105 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Die kollektive Rechtsfähigkeit der Gesellschafter gehört darum zu „Begriff und Wesen“ aller Personengesellschaften als Gemeinschaften zur gesamten Hand, nicht nur im BGB, sondern auch darüber hinaus.
§ 9
Die Handlungsfähigkeit A. Eine Hinführung Die Gesellschafter sind als Gesamthand – oder wie Gierke es ausdrückt: als „Personeneinheit“ – kollektiv handlungsfähig.1 Sie stellen alle zusammen (in Gemeinschaft) die Gesamthand dar und sind dadurch als Gesamtheit aus sich selbst heraus imstande, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Die Gesellschaft handelt demnach schon allein deshalb durch sich selbst (agere per se), weil ihre Gesellschafter als „verbundene Personenmehrheit“ die Gesellschaft (d. h. die Gesamthand) selbst sind.2 Für die h. M. ist die Gesellschaft als „Gruppe“ (d. h. als Gesamthand) aber ein Rechtssubjekt und damit eine reale Verbandsperson (d. h. eine Körperschaft) und nicht bloß ein Rechtsverhältnis. Die Körperschaft kann zwar durch sich selbst wollen und handeln (agere per se), sie ist aber im Gegensatz zur Gesamthand nicht kollektiv handlungsfähig. Denn selbst die Gesamtheit ihrer gegenwärtigen Mitglieder ist nicht die Körperschaft als Ganzes. Der menschliche Verband als ihr Substrat setzt sich aus den jetztlebenden, den vergangenen und künftigen Mitgliedern (als Menschen) zusammen. Die reale Verbandsperson kann deshalb nur durch ein Teil, d. h. durch ein Organ, wollen und handeln. Ein Organ ist demnach zwar bloß ein Teil des Ganzen und steht daher als solches lediglich für das Ganze, ist es aber nicht. Dennoch ist das Handeln des Organs ein Eigenhandeln der Körperschaft (agere per se), weil das Organ als Teil von ihr für sie will und handelt. Anders als die Gesamthand bedarf die Körperschaft dafür aber einer Verfassung als „Inbegriff der Rechtssätze über“ ihre „Organisation“, die dem Organ als Teil des Ganzen seine Aufgaben (Kompetenzen) im Ganzen des menschlichen Verbands zuweist.3 Für die h. M. (Gruppenlehre) ist nun aber ihre vermeintliche Gesamthand zunächst einmal als solche handlungsunfähig. Nur der Mensch kann in ihren 1
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 496–497; auch nach Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 2, 1934, S. 17–18, ist nur eine „durch die Gruppenorganisation ermächtigte Vertretung“ eine Organschaft, sodass das Handeln des Vertreters der „Einheit der Gruppe“ zugerechnet wird“ (aaO., S. 102–107), anderenfalls handelt es sich (allenfalls) um eine Identitätsrepräsentation (aaO., S. 98), so etwa bei der Gesamthand (dazu sogleich). 2 3
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
Augen wollen und handeln, und weil die Gesamthand nicht ein Mensch ist, kann die Gesellschaft als Gesamthand nur eine gedachte Einheit (d. h. ein Rechtsbegriff) sein, die dann per se nicht handlungsfähig ist.4 Auf diese Weise ist die Gesamthand der h. M. aber nur noch ein „ideales Ganzes“ und damit eine juristische Person (universitas), die als solche ausschließlich durch andere wollen und handeln kann (agere per alios).5 Dann wäre die Gesamthand der h. M. (als Gruppe) allerdings nicht mehr ein Rechtssubjekt, ohne juristische Person zu sein.6 Und so hat die Gesellschaft als eine Gesamthandsgemeinschaft dann doch wieder „ipso iure Organe“ und im Gegensatz zu einer Körperschaft sogar ohne eine Verfassung gleichsam von selbst („ipso iure“).7 Organ der Gesamthand ist dabei nach h. M. automatisch die Gesamtheit der jeweils gegenwärtigen Gesellschafter, es gilt insofern der „Grundsatz der Selbstorganschaft“.8 Über diesen Umweg ist die Gesellschaft im Ergebnis jedoch wieder von selbst durch ihre Gesellschafter kollektiv handlungsfähig, obschon die h. M. sie als Organe bezeichnet, was sie in Wahrheit aber eben nicht sind (denn nur eine Körperschaft kann Organe im eigentlichen Wortsinn haben).9 Die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) vermag demnach die kollektive Handlungsfähigkeit der Gesamthand, von der ja auch sie offensichtlich zumindest dem Inhalt nach ausgeht, nicht in ihrem Modell von der Gesamthand als einem Rechtssubjekt widerspruchsfrei abzubilden. Sie vermischt dabei sogar Charakteristika von Gesamthand, realer Verbandsperson (corpus) und juristischer Person (universitas) miteinander und offenbart dadurch auch an dieser Stelle ihre „Systemvergessenheit im deutschen Gesellschaftsrecht“.10 Um hier wieder die nötige Klarheit für das deutsche Gesellschaftsrecht herzustellen, genügt es demzufolge nicht, nur einfach die kollektive Handlungsfähigkeit der Gesamthand (d. h. die der Gesellschafter als eine kollektive Einheit) darzustellen. Vielmehr ist es zwingend erforderlich, die Gesamthand auch insoweit in Beziehung zu den Assoziationsformen der societas, der realen Verbandsperson 4 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 255; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11. Nach Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 52, ist die Gesellschaft „als abstraktes Denkgebilde“ selbst nicht handlungsfähig. 5 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243 (Zitat). 6 So aber BGHZ 146, 341, 343. 7 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11. Auch nach Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 7 Rn. 1, sind die Gesellschafter schon allein „kraft ihrer Gesellschafterstellung Organwalter“. Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 714 Rn. 1, sieht zwar in der Vertretung der Gesellschaft eine „organschaftliche Vertretung“, jedoch „mit Wirkung für das Gesellschaftsvermögen“. Das Vermögen als Objekt kann aber nicht vertreten werden, sondern ausschließlich ein oder mehrere Rechtssubjekte. 8 BGHZ 146, 341, 360; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 709 Rn. 5; dazu Berghoff, Die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2005, S. 33–35, wonach die GbR als Gesamthand „im Unterschied zur juristischen Person ‚geborene‘ Organe“ hat (ebenda, S. 44). 9 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687 mit Fn. 121. 10 Beuthien, JZ 2003, 969 (Zitat).
B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft
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(Körperschaft des deutschen Rechts) und der juristischen Person (Anstalt des römischen Rechts) zu setzen, da sich erst aus diesem Systemdenken die Eigenart der kollektiven Handlungsfähigkeit in ihrer Tiefe wirklich verstehen lässt. Das gilt dabei umso mehr, als Gierke die Gesamthand nicht bloß in Bezug auf die Rechtsfähigkeit, sondern auch hinsichtlich der kollektiven Handlungsfähigkeit ganz bewusst in Abgrenzung zur societas, der realen Verbandsperson und der juristischen Person entwickelt hat.
B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft I. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Gesamthand Die Gesellschafter sind als verbundene Subjekte (d. h. Gesamthand) kollektiv rechtsfähig, was aber nur bedeutet, dass die Gesamthänder die Möglichkeit besitzen, gemeinschaftlich Rechte und Pflichten haben zu können, nicht jedoch, dass ihnen solche auch tatsächlich zugewiesen sind.11 Wer rechtsfähig ist, ist nur der Möglichkeit nach ein Rechtssubjekt, muss das aber nicht auch der Wirklichkeit nach sein. Um Träger von Rechten und Pflichten zu sein (und nicht nur sein zu können), muss eine Person daher zudem die Fähigkeit haben, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Das Vermögen, durch eigenes Verhalten solche Rechtswirkungen hervorzubringen, wird als Handlungsfähigkeit bezeichnet und ist dabei strikt von der Rechtsfähigkeit zu unterscheiden.12 Demgemäß beschreibt § 14 Abs. 2 BGB nicht allein die Rechtsfähigkeit, sondern auch schon die Handlungsfähigkeit einer Gesellschaft, wenn dort die „rechtsfähige Personengesellschaft“ als eine beschrieben wird, „die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“. Obwohl das BGB den Ausdruck der Handlungsfähigkeit an keiner Stelle verwendet, kennt es doch mit der Geschäftsfähigkeit (§§ 104–113 BGB) sowie der vertraglichen und außervertraglichen Delikts- oder Verschuldensfähigkeit (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB; §§ 827, 828 BGB) zwei ihrer Spielarten;13 zu ihr zählt aber auch das Vermögen, die tatsächliche Gewalt über eine Sache zu erlangen und auf diese Weise Besitz an 11
Fahse, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 1 Rn. 1. Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 226; Fahse, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 1 Rn. 13; so auch Kannowski, in: Staudinger, BGB, 2018, § 1 Rn. 2; a. A. Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 44–45, für den Rechtsfähigkeit darin besteht, „sich rechtlich wirksam zu verhalten“, und deswegen für ihn Rechtsfähigkeit „Rechtsausübungsfreiheit“ ist (Hervorhebung so nicht im Original). 13 Fahse, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 1 Rn. 13; ihm folgend Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 226. 12
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
ihr zu erwerben (§ 854 Abs. 1 BGB) und aufrechtzuerhalten (vgl. § 856 Abs. 1 BGB).
1. Doch zuvor: Die Handlungsfähigkeit der natürlichen Person Während die Rechtsfähigkeit ausschließlich ein Begriff des Rechts ist (ens morale), handelt es sich bei der Handlungsfähigkeit sowohl um einen des Rechts als auch der Erfahrungswelt (ens physicum). Die Handlungsfähigkeit gehört sogar zuallererst in die physische Welt. Eine Handlung ist ein menschliches Tun, das vom Willen beherrschbar ist,14 und fußt demgemäß auf einem (freien) Willen. Einen solchen Willen hat aber ausschließlich der Mensch; er allein kann sich gemäß seinem Willen verhalten, indem er sich entscheidet, etwas aktiv zu tun oder zu unterlassen. Der Mensch ist jedoch ein ens physicum und daher sind es auch sein Wille und seine Handlungen. Ebenso wenig wie den Menschen gibt es deshalb seinen Willen und seine Handlungen im Recht. Der Mensch hat indes im Recht eine Person (persona moralis). Die Person ist sein Attribut (modus) und umgekehrt ist der Mensch für sie ihr Träger. Das Recht ist eine Verhaltensordnung. Es beschreibt die Wirklichkeit nicht, wie sie ist, sondern wie sie sein soll. Das Recht zeichnet demzufolge eine ideale, weil gedachte Welt. Adressat des Rechts ist der Mensch, der entsprechend der dort formulierten Verhaltenserwartungen (Gebote) handeln soll, was er aber nicht tun muss (Willensfreiheit). Weil das Recht für den Menschen da ist (so schon D. 1, 5, 2 Hermogenianus libro primo iuris epitomarum: „Cum igitur hominum causa omne ius constitutum sit […]. – Da nun alles Recht um der Menschen willen geschaffen ist […]“.), wird das Verhalten des Menschen seiner (natürlichen) Person (persona moralis) zugeschrieben, indem das Wollen und Handeln des Menschen aus der sinnlichen Welt in die des Rechts transferiert wird. Das Verhalten des Menschen ist daher automatisch ein solches seiner (natürlichen) Person, die deshalb per se handlungsfähig ist; sie kann durch eigenes Verhalten Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (agere per se) und besitzt in diesem übertragenen Sinn eine natürliche Willens- und Handlungsfähigkeit.
2. Der „Gemeinschaftswille“ Die Gesellschaft sind die Gesellschafter, die im Recht einen gemeinsamen status einnehmen. Die Gesellschafter sind auch als Gesamthand nicht nur mehrere Menschen (entia physica), sondern auch mehrere Personen (personae morales). Die Gesellschaft ist daher sowohl in der phänomenalen Welt als auch in der intelligiblen des Rechts eine Vielheit. Um aber im Recht gemeinschaft14 BGHZ 39, 103, 106; Buck-Heeb, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 6. Aufl. 2017, Rn. 153.
B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft
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lich Träger von Rechten und Pflichten zu sein, müssen die Gesellschafter nicht nur zusammen als kollektive Einheit rechtsfähig sein, sondern auch als verbundene Subjekte Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen können (§ 14 Abs. 2 BGB). Das Wollen und Handeln der Menschen, die im Recht als Vielheit von Personen die eine Gesamthand sind, ist auch hier von selbst ein solches ihrer (natürlichen) Personen im Recht. Auch insofern wird das Wollen und Handeln der Menschen aus der Tatsachenwelt in die Welt des Rechts übertragen. Als Gesamthand sind die Gesellschafter insofern auch kollektiv handlungsfähig.15 Damit aber ihr (Wollen und) Handeln nicht bloß eine Summe von einzelnen unverbundenen Handlungen ist, sondern alle zusammen durch ihr eigenes Verhalten Rechtswirkungen erzeugen, müssen ihre Handlungen auf einem „Gemeinschaftswillen“ basieren und die Gesellschafter dafür zuvor einen solchen überhaupt erst bilden.16 Die Handlung eines Menschen (als Tun oder Unterlassen) setzt seinen inneren Willen bloß nach außen um und fußt deswegen notwendig auf dem (freien) Willen des Menschen. Ein gemeinschaftliches Verhalten aller Gesellschafter erfordert aus diesem Grund auch einen gemeinschaftlichen Willen. Dieser Gemeinschaftswille drückt sich zwar in der Willenseinigung der Gesellschafter aus, weil aber die Gesamthand als Ganzes auch insofern mehr ist als die Summe ihrer Teile, erschöpft sich der Gemeinschaftswille nicht darin, dass die selbständigen Einzelwillen übereinstimmen.17 Das Mehr, das hier die „Einzelwillen“ der Gesellschafter zu dem einen „Gemeinschaftswillen“, dem „Willen aller“ (volonté de tous) formt,18 ist die ge15
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684, 687. 18 Der Ausdruck „Willer aller“, oder auch der „Gesamtwille“ (volonté de tous), geht auf Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32), zurück. Dort grenzt Rousseau den „Willen aller“ (volonté de tous) scharf von dem „allgemeinen Willen“, dem „Gemeinwillen“ (volonté générale) ab. Dazu vor allem Williams, Justice and the General Will, Journal of the History of Ideas 66 (2005), 383, 385–388; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349– 350; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–157; Forschner, Rousseau, 1977, S. 117–157, sowie Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 80–136 (122–127). Dass, zumindest ergänzend, auf Rousseaus Konzept eines „allgemeinen Willens“ (volonté générale), abgestellt werden muss, um Gierkes Vorstellung von einem „Gemeinwillen“ bei seiner realen Verbandsperson und darüber, in Abgrenzung dazu, von einem „Gesamtwillen“ (bei der Gesamthand), als dem „Willen Aller“ (volonté de tous), zu rekonstruieren, ist bereits ausführlich in der „Einführung“ (§ 2) dargestellt worden: Sowohl bei Rousseaus „Gesamtkörperschaft“ (corps moral et collectif) als auch bei Gierkes Verbandsperson findet sich in der Relation des Ganzen zu seinen Teilen der für die Stoa charakteristische Immanenzgedanke. Insofern ist für sie beide der menschliche Verband ein corpus ex distantibus, der in den einzelnen Menschen, in ihrer Summe, existiert und doch mehr und anderes als ihre bloße Summe ist (so Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32; Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 111–112). 16 17
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
meinsame Zweckverfolgung (vgl. § 705 BGB).19 Der gemeinsame Zweck ist das Ziel, auf das sich die Gesellschafter als Gesamthand gleichsam stetig zubewegen (vgl. § 726 BGB). Dieses Ziel legen die Gesellschafter jedoch nicht ad hoc fest (so aber unverbundene Subjekte), sondern zuvor im Gemeinschaftsvertrag (= Gesellschaftsvertrag), der die Gesellschafter zu einer kollektiven Einheit, der Gesamthand, verbindet. Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage für ihr gemeinschaftliches Wollen und Handeln. Der „Gemeinschaftswille‘“ konkretisiert demzufolge, was das betrifft, bloß noch das zwischen den Gesellschaftern bereits bestehende Rechtsverhältnis (§ 705 BGB) und führt den vereinbarten gemeinsamen Zweck insofern im jeweiligen Einzelfall („für jedes Geschäft“) nur noch aus (vgl. § 709 Abs. 1 BGB). Die „Einzelwillen“ der Gesellschafter sind die Teile, die der gemeinsame Zweck zu dem einen „Gemeinschaftswillen“ vereinigt. Der „Gemeinschaftswille“ ist daher als Ganzes dasselbe wie die Summe der „Einzelwillen“ als seinen Teilen und doch ist er zugleich auch deshalb mehr als sie, weil auch hier, über den gemeinsamen Zweck, erst das Ganze seinen Teilen ihren Sinn verleiht. Damit ein „Gemeinschaftswille“ durch Willenseinigung der Gesellschafter, ein „Wille aller“ aus der Summe ihrer selbständigen „Einzelwillen“, entsteht, müssen an sich die „Einzelwillen“ aller Gesellschafter übereinstimmen; für jedes Geschäft ist deswegen die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich (§ 709 Abs. 1 BGB; vgl. § 119 Abs. 1 HGB). Der „Wille aller“ als die Summe der „Einzelwillen“ der Gesellschafter („Willenseinigung“) entfaltet jedoch lediglich ihre bereits vorhandene Willensverbundenheit, indem sie jene in concreto nur noch umsetzt.20 Die Gesellschafter haben sich im Gesellschaftsvertrag auf einen gemeinsamen Zweck geeinigt und diesen so zum Fundament ihres gemeinsamen Wollens und Handelns gemacht. Dadurch stehen sie nicht mehr nebeneinander (jeder für sich), vielmehr sind sie miteinander zu einer Gemeinschaft (= Gesamthand) verbunden. Anders als bei unverbundenen Subjekten vollzieht sich demgemäß die Willenseinigung innerhalb der Gesellschaft durch Beschlussfassung und nicht durch Vertragsschluss.21 Die „Einzelwillen“ sind hier nicht mehr die Summe von „Ich“ und „Ich“, nicht ein Nebeneinander von für sich stehenden Subjekten, sondern der Ausdruck eines schon existenten Miteinanders der Gesellschafter, eines „Wir“, oder, wie Gierke es formuliert, „die Entfaltung einer bereits vorhandenen Willensverbundenheit“.22 19 Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 173–174, wonach der gemeinsame Zweck als die „bewirkende Kraft“ die „Struktur“, oder die „Gestalt“, der Gesamthand schafft; dazu auch Sigwart, Logik, Bd. 2: Methodenlehre, 4. Aufl. 1911, S. 261–262. 20 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687–688. 21 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687–688. 22 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 688.
B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft
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Da sich die Gesellschafter auf ihren gemeinsamen Zweck im Gesellschaftsvertrag verpflichtet, sich ihm gleichsam unterworfen haben, können sie, sofern sie das im Gesellschaftsvertrag zuvor vereinbart haben, einen Gemeinschaftswillen auch durch Stimmenmehrheit bilden (vgl. § 709 Abs. 2; § 119 Abs. 2 HGB).23 Die Möglichkeit, in der Gesellschaft Mehrheitsbeschlüsse zu fassen, ist demnach charakteristisch für die Willensverbundenheit der Gesamthänder.24 Ein Vertrag zwischen allen Gesellschaftern („Beteiligten“) ist dagegen erforderlich, wenn sie ihre Willensverbundenheit überschreiten und deshalb ihr Rechtsverhältnis als Gemeinschaft zur gesamten Hand („Gemeinschaftsverhältnis“) abändern wollen (vgl. § 311 Abs. 1 BGB).25 Eine Beschlussfassung der Gesellschafter muss nicht in einer Versammlung stattfinden, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht das vor.26 Selbst dann ist die Versammlung jedoch nicht ein Organ der Gesellschaft (so aber die h. M.).27 Ein Organ ist nur ein Teil des Ganzen. 28 Die Gesamtheit der Gesellschafter ist indes die Gesamthand, beide sind identisch und daher ist die Gesellschaftergesamtheit nicht ein Teil, sondern das Ganze. Als Ganzes kann sie schon allein deshalb nicht Organ und damit bloß ein Teil der Gesellschaft sein.
3. Die Gemeinschaftshandlung Weil die Gesellschafter als verbundene Subjekte die Gesellschaft (Gesamthand) sind, tritt der „Gemeinschaftswille“ nach außen in Erscheinung, wenn alle zusammen handeln.29 Das allein reicht jedoch nicht aus. Auch die gemeinschaftliche Handlung ist mehr als die Summe der Einzelhandlungen. Der gemeinsame Zweck (§ 705 BGB) verbindet die Einzelhandlungen zu der einen Gemeinschaftshandlung der Gesellschafter. Dass die Gesellschafter nicht jeder 23
BGHZ 203, 77 Rn. 16.
24 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 688 mit Fn. 123. 25 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 688, Fn. 122.
26 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 688, Fn. 123. 27 Für Arnold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 31 Rn. 27,
ist die Gesellschaftergesamtheit Organ der Gesamthand. Weil dieselben Personen verschiedene Gesamthandsgemeinschaften bilden können, soll die Gesellschaftergesamtheit nicht mit der Gesamthand identisch sein können. Eine Gesamthand unterscheidet sich jedoch von einer anderen, die aus denselben Personen besteht, schon allein durch die „Verschiedenheit des Zwecks“, den die jeweilige Gesamthand verfolgt (so Reuter/Kunath, JuS 1977, 376, 378). Auch nach Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 174, sind Gesamthandsgemeinschaften, die sich aus denselben Personen zusammensetzen, „nur scheinbar dieselben“, sofern sich ihre Mitglieder „unter verschiedenen Zwecken zusammengeschlossen“ haben. Dass der gemeinsame Zweck (und nicht die Personen) insofern für jede Gesamthand entscheidend ist, erkennt selbst Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 171–177, obschon er (zu Unrecht) in der Gesamthand nicht eine Personengemeinschaft sehen will. 28 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 90. 29 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
für sich nebeneinander, sondern als verbundene Subjekte miteinander agieren, wird deshalb für den Rechtsverkehr erst in der gemeinsamen Zweckverfolgung der Gesellschafter sichtbar. Außenstehende können so in der tatsächlichen Vielheit der einzelnen Handlungen die eine gemeinschaftliche Handlung der kollektiven Einheit erkennen, sie gewissermaßen mit ihrem geistigen Auge erblicken. Denn als solche ist die gemeinschaftliche Handlung „weder greifbar noch sichtbar“, allein die selbständigen Einzelhandlungen sind sinnlich wahrnehmbar. Erst der menschliche Verstand identifiziert in ihnen den gemeinsamen Zweck und vermag darüber, aus ihnen die eine Gemeinschaftshandlung zu abstrahieren. Da sich die Gemeinschaftshandlung dementsprechend aus den selbständigen Einzelhandlungen aller Gesellschafter ableitet, die Einzelhandlungen ihrerseits aber „greifbar und sichtbar“ sind, ist die Gemeinschaftshandlung, obgleich sie als solche „unsinnlich“ ist, doch „wirklich“, existiert auch sie als ein Ganzes in ihren Teilen, ist ihnen immanent (auch hier zeigt sich also das stoische Immanenzdenken in Gierkes germanistischer Gesamthandsfigur). Der Rechtsverkehr erkennt die gemeinsame Zweckverfolgung, wenn die Gesellschafter unter einem gemeinschaftlichen Namen auftreten (vgl. § 124 Abs. 1 HGB), anderenfalls muss sich dies aus den Umständen ergeben. Die kollektive Handlungsfähigkeit der Gesamthand kann sich auf Rechtsgeschäfte und rechtswidrige Handlungen erstrecken.30 Deshalb können auch die Gesellschafter in Gemeinschaft Verträge schließen oder ein Delikt begehen. Dafür muss aber jeder von ihnen den gesetzlichen Tatbestand erfüllen. Ein Vertrag ist nur wirksam, wenn sämtliche Gesellschafter geschäftsfähig sind (§§ 104, 105 BGB). Geben alle zusammen im Namen der Gesellschaft eine Willenserklärung ab und ist auch nur einer von ihnen in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt, weil er minderjährig ist (§ 106 BGB), muss dessen gesetzlicher Vertreter dem Rechtsgeschäft zustimmen (§§ 107, 108 BGB).31 Hat sich ein Gesellschafter bei der Abgabe der gemeinschaftlichen Willenserklärung geirrt (§ 119 BGB) oder wurde auch nur einer von den Gesellschaftern arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht und hat er aus diesem Grund die Willenserklärung mit den anderen zusammen abgegeben (§ 123 BGB), können alle Gesellschafter gemeinsam (d. h. als Gesellschaft) die Erklärung anfechten. Auch für ein Delikt, das die Gesellschafter zusammen begangen haben („Ge30
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. Wenn ein Minderjähriger Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft ist, kann der gesetzliche Vertreter ihn mit Genehmigung des Familiengerichts zur selbständigen Vornahme der Rechtsgeschäfte ermächtigen, die diese Gesellschafterstellung mit sich bringt; der Minderjährige ist dann unbeschränkt geschäftsfähig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BGB) (Spickhoff, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 112 Rn. 6). Für den Gesellschaftsvertrag ist neben der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB) die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich (§§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB). 31
B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft
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meinschaftsdelikt“), haften sie an sich nur dann als Gesellschaft, wenn sie alle zusammen ein Verschulden trifft.32 Umgekehrt schadet allen die positive Kenntnis oder die zu vertretene Unkenntnis eines der Mitgesellschafter.33 Nur wenn sämtliche Gesellschafter in gutem Glauben sind (§ 932 Abs. 2; § 892 BGB), können sie selbst von dem Veräußerer, dem die Sache nicht gehört, Eigentum erwerben. Erlangen die Gesellschafter in Gemeinschaft „etwas“ i. S. des § 812 BGB und war auch nur einem von ihnen bei dessen Empfang oder auch später bewusst, dass hierfür kein Rechtsgrund bestand, haften alle zusammen (als Gesellschaft) verschärft auf Herausgabe des Erlangten (§§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB); sie können sich daher auch nicht (mehr) auf Entreicherung berufen.34 Das Wissen des unredlichen Gesellschafters wird dabei den übrigen Gesellschaftern (d. h. jedem einzelnen von ihnen) nicht über § 166 Abs. 1 BGB analog als eigenes Wissen zugerechnet. Die anderen Mitgesellschafter bleiben durchaus jeder für sich schon allein deshalb in gutem Glauben, weil die Gesellschafter nicht (als Stellvertreter) für die Gesamthand auftreten, wie das die h. M. (Gruppenlehre) annehmen muss, da sie in ihr ein selbständiges Rechtssubjekt gleichsam neben den Gesellschaftern sieht, sondern als Gesamthand, da die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit die Gesellschaft sind. Damit aber nun die Gesellschafter insgesamt, d. h. als Gesamtheit (= Gesellschaft), in gutem Glauben sind, muss jeder von ihnen in seiner Person redlich sein. Die Gesellschafter sind dementsprechend insgesamt und in diesem Sinn als Gesellschaft bereits dann nicht mehr in gutem Glauben, wenn es auch bloß einer von ihnen nicht ist.
4. Der Umfang der „kollektiven Handlungsfähigkeit“ Der Umfang der kollektiven Handlungsfähigkeit wird durch den gemeinsamen Zweck, den die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag vereinbart haben (§ 705 BGB), aber auch durch das Gesetz bestimmt.35 Ausschließlich in den so gezogenen Grenzen können die Gesellschafter als Gesamthand Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Die kollektive Handlungsfähigkeit ist darum bei den verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften sehr ungleich bemessen und kann deshalb bei der einen enger und bei der anderen weiter gefasst sein,36 so vor allem bei der OHG. Die kollektive Handlungsfähigkeit der Gesellschafter erstreckt sich hier auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen (vgl. § 126 Abs. 1 HGB) und kann auch Dritten gegenüber nicht durch den Gesellschaftsvertrag wirksam beschränkt werden 32 33
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684, Fn. 106. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684, Fn. 106. 34 Dazu Buck-Heeb, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 818 Rn. 50, sowie § 819 Rn. 1a; BGHZ 72, 252, 254–255. 35 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. 36 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684.
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(vgl. § 126 Abs. 2 HGB); sie ist für die OHG und daher für die Gesellschaftergesamtheit (vgl. § 125 Abs. 2 Satz 1 HGB) gesetzlich zwingend festgelegt und kann deshalb auch nicht durch den vertraglich ausgemachten gemeinsamen Zweck herabgesetzt werden. Bei der GbR ist im Gegensatz zur OHG allein der vereinbarte gemeinsame Zweck (§ 705 BGB) maßgeblich. Überschreiten die BGB‑Gesellschafter hier den Umfang ihrer kollektiven Handlungsfähigkeit, gilt ihre gemeinsame Handlung nicht als eine Handlung der Gesellschaftergesamtheit. Die Gesellschafter werden infolgedessen nicht als Gesamthand aus dieser Handlung berechtigt oder verpflichtet.37 Es entstehen also weder gemeinschaftliche Rechte noch gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter. Die jeweils handelnden Gesellschafter haften stattdessen als Scheingesellschafter einer nicht existenten BGB‑Gesellschaft, einer Scheingesellschaft, persönlich, und zwar ausschließlich mit ihrem Privatvermögen und nicht auch mit dem Vermögen der tatsächlich bestehenden Gesellschaft (§ 718 Abs. 1 BGB). Das setzt voraus, dass sie in zurechenbarer Weise einem Dritten gegenüber den Rechtsschein einer existierenden Gesellschaft und ihrer Zugehörigkeit zu dieser gesetzt oder es zumindest pflichtwidrig versäumt haben, gegen den durch einen anderen insoweit hervorgerufenen Rechtsschein vorzugehen und der Dritte sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf diesen Rechtsschein gutgläubig verlassen hat.38 Indem sie nach außen einen anderen als den vereinbarten gemeinsamen Zweck verfolgen (§ 705 BGB), sieht es für den Rechtsverkehr so aus, als ob die Gesellschafter als eine andere Gesellschaft (d. h. Gesamthand) handelten, die es jedoch in Wirklichkeit nicht gibt. Weil diese Scheingesellschaft nicht existiert, die Gesellschafter aber auch nicht als die bestehende GbR aufgetreten sind, können sie nicht in Gemeinschaft Schuldner sein (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), vielmehr sind sie gegenüber Dritten ausschließlich jeder für sich Schuldner. Als Scheingesellschafter haften sie daher als Gesamtschuldner persönlich mit ihrem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Und weil sie nicht in Gemeinschaft (als Gesamthand) Schuldner sind, kann ein Dritter selbst dann nicht (als Gläubiger) auf das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) zugreifen, wenn er scheinbar einen Titel „gegen alle Gesellschafter“ (vgl. § 736 ZPO) in den Händen hält. Die Gesellschafter haften nur persönlich als Gesamtschuldner und deshalb ist jeder für sich allein zur Leistung verpflichtet (vgl. 421 BGB), nicht alle zusammen, d. h. in Gemeinschaft (als Gesamthand und insofern als Gesellschaft). Ein Urteil „gegen alle Gesellschafter“ (§ 736 ZPO) setzt jedoch eine „gemeinschaftliche Schuld“ der Gesellschafter (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) 37 38
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 690. So ausdrücklich BGH, NJW 2011, 66 Rn. 23.
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voraus. Eine Verpflichtung als Gesamtschuldner reicht dafür nicht aus, sodass es im Fall der Haftung als Scheingesellschafter an einem Urteil „gegen alle Gesellschafter“ (§ 736 ZPO) fehlt.39 Nur weil die BGB‑Gesellschaft im Gegensatz zur OHG (vgl. § 105 Abs. 1 HGB) nicht unter einem gemeinschaftlichen Namen („unter ihrer Firma“) im Rechtsverkehr auftreten muss, sondern auch unter den einzelnen Namen aller Gesellschafter handeln kann, reicht für die Zwangsvollstreckung in das „gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter“ ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil aus, ist also ein Titel, der auf den gemeinschaftlichen Namen der Gesellschafter lautet, anders als bei einer OHG (§ 124 Abs. 2 HGB), nicht zwingend erforderlich.40 Auch wenn der Titel die einzelnen Gesellschafter als Schuldner bezeichnet (§ 736 ZPO), sind die Gesellschafter hier nur in Gemeinschaft (als verbundene Subjekte) und nicht jeder für sich Schuldner, d. h. sie sind gemeinschaftliche Schuldner und nicht Gesamtschuldner. Die h. M. (Gruppenlehre) kann dabei an dieser Stelle nicht erklären, warum ein Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter für eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ausreichen kann (§ 736 ZPO), wenn doch die BGB‑Gesellschaft ein selbständiges Rechtssubjekt neben den Gesellschaftern sein soll. Um in das Vermögen eines Schuldners vollstrecken zu können, muss der Schuldner als solcher im Titel bezeichnet sein (so selbst die h. M.).41 Die GbR ist aber nach h. M. ein Rechtssubjekt und daher selbst Schuldnerin. Das Urteil muss deshalb gegen sie und nicht gegen ihre Gesellschafter ergehen, sie selbst muss im Titel genannt sein. Wenn dennoch nach h. M. ein Urteil gegen alle einzelnen Gesellschafter genügen soll, damit ein Gesellschaftsgläubiger auf das Vermögen der BGB‑Gesellschaft zugreifen kann, ist das „Gesellschaftsvermögen“ wieder ein „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ (so ja auch ausdrücklich § 718 Abs. 1 BGB).42 GbR und Gesellschafter sind letztlich doch identisch.43 Die Gesamthand ist dann jedoch nicht mehr ein eigenständiges Rechtssubjekt, was nichts anderes bedeutet, als dass sich so die h. M. 39 A. A. der historische Gesetzgeber, da für ihn die GbR nicht eine deutsche Gesamthand, sondern eine (modifizierte) societas war und deswegen jeder socius für sich einen Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen hatte, über den er aber anders als sonst bei einer communio nicht frei verfügen konnte (§ 719 Abs. 1 BGB) (Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 1260); so auch Ulrici, in: BeckOK, ZPO, 31. Ed. 2018, § 736 Rn. 10; Seibel, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 736 Rn. 3; Heßler, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 736 Rn. 27; im Anschluss an BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 12. Nach h. M. sollen für eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen sogar mehrere in getrennten Verfahren gegen alle Gesellschafter erwirkte Titel genügen (so BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 14). 40 BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 11; so auch K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1000. 41 BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 12; BGH, NJW 2008, 1378 Rn. 10. 42 BGH, NJW 2008, 1378 Rn. 10, wonach durch die Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft mittelbar das Vermögen der Gesellschafter vermindert sei. 43 Vgl. BGH, NJW 2011, 2048 Rn. 12; BGH, NJW 2008, 1378 Rn. 10.
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(Gruppenlehre) schließlich selbst ad absurdum führt. Auch hier wird der Vorzug des Modells der „deutschen Gesamthand“ gegenüber dem der heute ganz h. M. (Gruppenlehre) deutlich.
5. Die Gesamthand als Besitzer a) Der Besitz als Rechtsbegriff Weil die Gesellschafter nicht nur kollektiv rechts-, sondern auch handlungsfähig sind, können sie in Gemeinschaft Besitz an einer Sache erwerben und ausüben (vgl. § 854 Abs. 1 BGB). Sie haben daher an den Sachen, die zu ihrem Gesellschaftsvermögen gehören (§ 718 Abs. 1 BGB), „Mitbesitz zu gesamter Hand“.44 Besitz ist die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache.45 Person und Sache sind indes Begriffe des Rechts (entia moralia). Der Mensch ist im Recht eine Person (§ 1 BGB) oder ein Rechtssubjekt, der körperliche Gegenstand eine Sache (§ 90 Satz 1 BGB) oder ein Rechtsobjekt. Die faktische Beziehung eines Menschen zu einem körperlichen Gegenstand, seine in diesem Sinn tatsächliche Herrschaft über ihn, ist demgemäß erst im Recht und nur dort die „tatsächliche Gewalt“ einer Person über eine Sache (§ 854 Abs. 1 BGB). Weil der Besitz daher im Recht die Beziehung einer Person zu einer Sache und demzufolge zwischen zwei entia moralia (Rechtsbegriffen) ist, ist der (unmittelbare) Besitz nicht rein faktisch (so aber die h. M.),46 sondern ein „Rechtsverhältnis“ (ens morale).47 Der Begriff „Rechtsverhältnis“ steht beim Besitz zunächst einmal bloß für eine Beziehung im Recht, es geht an dieser Stelle daher (noch) nicht um Rechte und Pflichten (Gebote). Denn Träger oder Adressat von Rechten und Pflichten kann nur eine Person (Rechtssubjekt) sein, nicht eine Sache (Rechtsobjekt). Wer ein Recht hat, kann von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen (vgl. § 194 Abs. 1 BGB), er braucht eine andere Person, die zu diesem Tun oder Unterlassen verpflichtet ist. Weil das Recht des einen die Pflicht des anderen ist, korrespondieren beide miteinander. Der Ausdruck „Rechtsverhältnis“ bezeichnet demgemäß dort eine Beziehung, die zwischen zwei oder mehr Personen besteht und dabei durch eine Rechtsregel bestimmt ist.48 Als entia physica sind Mensch und körperlicher Gegenstand „greifbar und sichtbar“ und damit auch ihre räumliche Verbindung.49 Der Besitz als ens 44 So ausdrücklich Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 222, Fn. 56. 45 BGHZ 180, 300 Rn. 25; Joost, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017; § 854 Rn. 3;
Wellenhofer, Sachenrecht, 33. Aufl. 2018, § 4 Rn. 1. 46 Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 8 Rn. 4; Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 854 Rn. 1 („hM“). 47 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 213. 48 So schon Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, S. 333; ebenso Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 13 Rn. 8. 49 Für Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 212, gehört „ein äußerlich erkenn-
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morale leitet sich hieraus aber erst ab, und zwar, indem ihn das menschliche Denken aus der Körperwelt abstrahiert.50 Die räumliche Beziehung zwischen Mensch und Sache allein ist eben noch kein Besitz im Rechtssinne.51 Erst die Verkehrsanschauung bestimmt, ob das sinnlich wahrnehmbare Verhältnis zwischen beiden auch im Rechtsinne die „tatsächliche Gewalt“ einer Person über eine Sache ist (§ 854 Abs. 1 BGB).52 Der Besitz ist deshalb, obwohl er ein Rechtsbegriff ist, durchaus wirklich und daher allein in diesem Sinn die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache. Dadurch unterscheidet sich der Besitz vom Eigentum. Denn das Eigentum ist im Gegensatz zum Besitz ausschließlich ein Rechtsbegriff (ens morale). Eigentum gibt es nur im Recht und nicht wie den Besitz auch in der Tatsachenwelt. Ein Mensch kann einen körperlichen Gegenstand auch ohne das Recht faktisch besitzen; insofern beschreibt der Besitz als Rechtsbegriff bloß die Wirklichkeit („Tatsachenwelt“) wie sie ist und nicht wie sie sein soll, so aber das Eigentum. Das Eigentum ist das Recht mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und alle anderen von jeder Einwirkung auszuschließen (so § 903 Satz 1 BGB). Das heißt aber nicht, dass der Eigentümer das auch immer tatsächlich kann. Das Eigentum ist deshalb anders als der Besitz nicht die Beziehung einer Person zu einer Sache, vielmehr stellt das Eigentumsrecht lediglich über die Sache ein Rechtsverhältnis zwischen Personen her. Aus diesem Grund ist Robinson Crusoe, solange er allein auf seiner Insel lebt, zwar Besitzer seiner Sachen, nicht aber deren Eigentümer.53 Erst wenn eine zweite Person hinzukommt, kann er von dieser verlangen, auf seine Sache nicht einzuwirken. Erst jetzt kann ein Rechtsverhältnis zwischen mehreren Personen entstehen, und hat Robinson Crusoe das Recht (und überhaupt erst die Möglichkeit), Freitag vom Haben und Gebrauchen seiner Sachen auszuschließen.54 Weil das Recht Erwartungen an das Verhalten zwischen Menschen formuliert, kann sein Gegenstand nur das sein, was eine Person von einer anderen verlangen kann (vgl. § 194 Abs. 1 BGB). Das Recht einer Person besteht daher immer bares, irgendwie sinnfälliges Machtverhältnis“ zum Besitz; siehe auch Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 3, 1899, S. 60: „räumliche Herrschaft der Person über die Sache“. 50 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 212–213; auch Joost, in: MünchKommBGB, 7. Aufl. 2017, § 854 Rn. 6, spricht von einem „Besitz im Rechtssinne“. 51 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 212. 52 Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 854 Rn. 3; Lorenz, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 854 Rn. 2; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 8 Rn. 2, BGHZ 101, 186, 188. 53 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 13 Rn. 11. 54 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 13 Rn. 11; Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, 2002, S. 20, wonach Robinson Crusoe erst jetzt das Recht braucht, das andere daran hindert, dass er seine Sache zerstört, mit ihr also nicht nur faktisch frei nach Belieben verfahren kann, sondern es auch darf.
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allein im Verhältnis zu anderen. Ein Recht oder eine Pflicht gegenüber sich selbst kann es deshalb im Recht (anders als in Sitte und Moral) nicht geben.
b) Der gemeinschaftliche Besitz Nach h. M. haben mehrere Personen, die eine Sache gemeinschaftlich besitzen (§ 866 BGB), nur schlichten Mitbesitz, d. h. jeder Mitbesitzer kann für sich allein die Herrschaft über die ganze Sache ausüben und muss dabei lediglich auf die anderen Mitbesitzer Rücksicht nehmen (vgl. § 866 BGB, wonach im Verhältnis der Mitbesitzer zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht stattfindet, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt).55 Weil nach der individualistischen Gesamthandslehre (frühere h. M.) die Gesellschaft bloß eine (modifizierte) societas ist und deshalb jeder Gesellschafter für sich steht, haben alle socii schlichten Mitbesitz an den Sachen, die zum „Gesellschaftsvermögen“ gehören (§ 718 Abs. 1 BGB).56 Für die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) ist die GbR dagegen ein Rechtssubjekt und deshalb selbst Besitzerin.57 Die BGB‑Gesellschaft ist nun aber nach Ansicht der h. M. nicht handlungsfähig.58 Eine eigene tatsächliche Sachherrschaft kann sie demnach nicht ausüben.59 Denn als bloßes Gedankending und nichts anderes ist die Gesamthand für die h. M.60 ist die BGB‑Gesellschaft (wie auch die juristische Person) eben kein Mensch. Die Gesellschaft kann demzufolge von vornherein nicht einen natürlichen Willen bilden und danach handeln, das kann allein ein Mensch. Aus diesem Grund kann eine Personengesellschaft ebenso wie eine juristische Person in den Augen der h. M. nur durch andere natürliche Personen (wollen und) handeln (agere per alios).61 Deshalb muss der Gesellschaft (in Parallele zu einer juristischen Person) die tatsächliche Sach55
Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 4. BGH, NJW 1983, 1114, 1115; BGHZ 86, 340, 344, wonach bei einer BGB‑Gesellschaft „der Besitz – anders als bei einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft (…) – nicht von einem Gesellschaftsorgan, sondern von den Gesellschaftern als unmittelbaren (Mit-)Besitzern ausgeübt“ wird; im Anschluss daran auch Werner, in: Erman, BGB, 10. Aufl. 2000, § 854 Rn. 6. 57 Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 854 Rn. 12; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 60 II 3 (S. 1779). 58 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 714 Rn. 1, wonach auch dann, wenn alle Gesellschafter gemeinschaftlich handeln, nicht die Gesamthand selbst handelt; so auch Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 3. 59 So bereits Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 75–76; ihm folgend Joost, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 854 Rn. 15 („nicht denkbar“). 60 Da die GbR für Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 52, ein „abstraktes Denkgebilde“ ist, soll sie von vornherein nicht handlungsfähig sein. 61 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 9–14; Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 7 Rn. 1. 56
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herrschaft ihrer Gesellschafter erst durch das Recht zugerechnet werden (fictio iuris).62 Demgemäß üben die Gesellschafter als Organ und nicht als Besitzdiener oder Besitzmittler für die GbR die „tatsächliche Gewalt“ über eine Sache (§ 854 Abs. 1 BGB) aus.63 Die BGB‑Gesellschaft hat demnach nicht selbst, sondern nur über ihre Gesellschafter (Allein-) Besitz an den Sachen, die zu ihrem Gesellschaftsvermögen gehören. Als Gesamthand ist die GbR aber gerade nicht ein Rechtssubjekt. Sie kann daher als solche per se nicht Besitzerin sein, vielmehr haben die Gesellschafter an den Sachen, die zu ihrem gemeinschaftlichen Vermögen gehören (§ 718 Abs. 1 BGB), gesamthänderischen Mitbesitz.64 Und das gilt nicht allein, wenn die Gesellschafter die Gewalt über die Sache rein faktisch nur alle zusammen ausüben können,65 sondern auch, wenn sie das lediglich wollen.66 Ein solcher Besitzwille ist freilich auch erforderlich. Die tatsächliche Sachherrschaft muss stets von einem natürlichen Besitzwillen getragen sein.67 Nur derjenige ist Besitzer, der die Gewalt über die Sache auch ausüben will. Die Willensrichtung bestimmt der Mensch. Wenn daher eine Person im Recht eine Sache als ihr gehörig besitzen (§ 872 BGB) oder die tatsächliche Sachherrschaft allein deshalb als Besitzdiener (§ 855 BGB) ausschließlich oder als Besitzmittler (§ 868 BGB) zumindest auch für einen anderen ausüben kann, nur weil sie das will, eine andere Person also auch oder sogar allein Besitzer ist, obschon sie nicht die tatsächliche Sachherrschaft hat, muss es auch den Gesellschaftern möglich sein, eine Sache nur als Gesamthand und damit als verbundene Subjekte in Gemeinschaft zu besitzen, sofern alle Gesellschafter zusammen das gemeinschaftlich miteinander wollen (und nicht bloß jeder für sich nebeneinander), sodass dann ein gesamthänderischer Mitbesitz an der Sache besteht. Sobald sich die Gesellschafter zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen haben, haben sie sich dem von ihnen selbst festgelegten gemeinsamen Zweck unterworfen (§ 705 BGB); sie stehen jetzt nicht mehr jeder für sich, sondern bil62 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 718 Rn. 36, 38; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 718 Rn. 18. 63 So ausdrücklich Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 75. 64 BGHZ 96, 61, 65, wonach ein Mitgesellschafter „gesellschaftsrechtlich gebundenen Mitbesitz“ an den Sachen hat, die zum Gesellschaftsvermögen gehören; siehe auch BGHZ 86, 300, 307; a. A. Herrler, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 866 Rn. 2 („bei unmittelbarem Besitz nicht möglich“). 65 So aber grundlegend Wolff, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, Bd. 44 (1902), S. 143, 159–161; ihm folgen in der Sache Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 4. 66 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 222, Fn. 54. 67 Wellenhofer, Sachenrecht, 33. Aufl. 2018, § 4 Rn. 1. Nach Wilhelm, Sachenrecht, 5. Aufl. 2016, Rn. 468, macht erst der Besitzwille aus der möglichen die wahrgenommene Herrschaft über die Sache. Bereits für Savigny, Das Recht des Besitzes, 1803, S. 188, muss zu der körperlichen Handlung, wodurch der Besitz erworben wird, aber „ein bestimmtes Wollen (animus) hinzukommen, wenn der Besitz wirklich entstehen soll“.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
den eine kollektive Einheit (Gesamthand). Wenn es deshalb in ihrer Gemeinschaft ein „Mein“ und „Dein“ nicht mehr gibt, sondern nur noch ein „Unser“, haben sie nicht lediglich gemeinschaftliches Eigentum an den Sachen, die zum Gesellschaftsvermögen gehören, vielmehr haben sie an diesen Sachen (in der Regel) auch gesamthänderischen Mitbesitz („Gemeinschaftsbesitz“).68 Wenn sich einer von ihnen anmaßt, die Gewalt über eine Sache der Gesellschaft nur noch für sich ausüben zu wollen, entzieht er dadurch tatsächlich allen und so auch sich selbst als Teil des Ganzen, d. h. der Gesamthand, den gemeinschaftlichen Besitz oder stört sie (und sich selbst) zumindest darin. Er verübt gegenüber der Gesellschaft (und, weil er Teil des Ganzen ist, auch gegenüber sich selbst) verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB). Weil er sich aber im Gesellschaftsvertrag auf den gemeinsamen Zweck verpflichtet hat (§ 705 BGB), und zwar freiwillig, hat er seine Mitgesellschafter darüber auch ermächtigt, im Einklang mit seinem freien Willen ihn gleichsam dazu zu zwingen, den gesamthänderischen Mitbesitz wiederherzustellen (§§ 861, 862 BGB), indem er die Sache wieder zusammen mit den übrigen Gesellschaftern besitzt. Er kehrt also gewissermaßen bloß zu dem zurück, was er als Teil des Ganzen ja sowieso selbst will: die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern und dafür ein gemeinschaftliches Vermögen zu haben (§ 718 Abs. 1 BGB). Will er gleichwohl die Sache nicht mehr zusammen (in Gemeinschaft) mit seinen Mitgesellschaftern besitzen, können jene von ihm verlangen, dass er seinen Besitz an der Sache aufgibt und nur noch ihnen „Mitbesitz zu gesamter Hand“ einräumt (§ 869 Satz 2 BGB analog). Denn selbst durch vis absoluta kann man einen Menschen allein zu einer (äußeren) Handlung nötigen, nicht aber dazu zwingen, einen bestimmten (inneren) Willen zu haben, und deshalb auch nicht dazu, die tatsächliche Gewalt über eine Sache (wieder) ausüben zu wollen. Da aber ein Gemeinschaftsbesitz aller Gesellschafter voraussetzt, dass sie die Sache gemeinsam besitzen wollen, kann ein solcher nicht bestehen, wenn einer von ihnen das nicht will.
6. Ergebnis Ein Mensch kann demzufolge nicht bloß als eine Einzelperson für sich allein, sondern auch zusammen mit anderen und somit in Gemeinschaft Eigentum und andere dingliche Rechte sowie Forderungen erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (vgl. § 124 Abs. 1 HGB). Als eine solche Personeneinheit (d. h. als eine Gesamthand) sind die Gesellschafter demgemäß kollektiv handlungsfähig. In diesem Sinn ist dann auch § 14 Abs. 2 BGB zu verstehen, obwohl dort nur von einer „rechtsfähigen Personengesellschaft“ die Rede ist. Die Gesellschafter sind dementsprechend nicht bloß kollektiv (d. h. als Gesamtheit) rechtsfähig, sondern auch kollektiv handlungsfähig. 68
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 222, Fn. 56.
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Damit sie aber als eine solche kollektive Einheit gemeinschaftlich ein Recht erwerben oder eine Verbindlichkeit eingehen können, müssen sie zuvor einen Gemeinschaftswillen bilden. Dieser Gemeinschaftswille ist dabei mehr als die bloße Summe ihrer Einzelwillen. Das, was die vielen Einzelwillen der Gesellschafter zu dem einen Gemeinschaftswillen verbindet, ist der gemeinsame Zweck (§ 705 BGB), unter den sich die Gesellschafter in ihrem gemeinsamen Wollen und Handeln (als eine Gesellschaft) zuvor im Gesellschaftsvertrag gestellt haben. Diesen Gemeinschaftswillen müssen sie immerfort in ihren gemeinschaftlichen Handlungen nach außen umsetzen, indem sie etwa alle zusammen eine Willenserklärung abgeben, sodass zwischen ihnen als Gesellschaft (d. h. als Gesamthand) und einem Dritten ein Vertrag zustande kommt, oder sie gemeinsam die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausüben, die zu ihrem gemeinschaftlichen Vermögen gehört (§ 718 Abs. 1 BGB), um so an dieser nicht nur gemeinschaftliches Eigentum, sondern auch gesamthänderischen Mitbesitz zu haben.
II. Die Handlungsfähigkeit der realen Verbandsperson 1. Die Gesamthand der h. M. – eine reale Verbandsperson des deutschen Rechts Weil die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit als verbundene Subjekte die Gesellschaft sind (so die deutsche Gesamthand), können sie notwendigerweise gemeinschaftlich die Geschäfte führen und nach außen als Gesellschaft auftreten (vgl. §§ 709 Abs. 1, 714 BGB); sie sind in diesem Sinn kollektiv handlungsfähig. Für die h. M. (Gruppenlehre) ist im Gegensatz dazu die Gesellschaft (GbR und OHG) gegenüber ihren Gesellschaftern rechtlich verselbständigt, die Gesellschaft selbst ist Rechtssubjekt und deshalb sind hier die Gesellschafter eben nicht kollektiv handlungsfähig (so aber §§ 709 Abs. 1, 714 BGB). Als Rechtssubjekt (ens morale) ist die Gesellschaft ähnlich der juristischen Person für die h. M. also ein bloßes Gedankending (eine Fiktion), sie ist kein Mensch, hat daher keinen eigenen (menschlichen) Willen und kann somit, weil jede Handlung ein denkendes und wollendes Wesen, einen einzelnen Menschen, voraussetzt, nicht durch sich selbst handeln, sondern muss das durch andere tun (agere per alios).69 Nun erkennt aber selbst die heute h. M. (Gruppenlehre), dass sich die Gesellschaft real aus ihren Gesellschaftern zusammensetzt. Aus diesem Grund sollen die Gesellschafter „ipso iure Organ“ der Gesellschaft sein und als solches zwar nicht als, so doch für die Gesellschaft die Geschäfte führen und sie insofern vertreten („Selbstorganschaft“).70 Wenn die Gesellschafter, wie es die h. M. annimmt, automatisch (d. h. „ipso iure“) und nicht erst durch eine 69 70
Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 14 II a) (S. 410); Koch, Gesellschafts-
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(künstliche) Verfassung in ihrer Gesamtheit Organ der Gesellschaft sind, und zwar schon deshalb, weil sie tatsächlich als entia physica die Gesellschaft sind, ist die Gesellschaft am Ende doch wieder ipso iure willens- und handlungsfähig (agere per se). Sie ist dadurch insofern eine Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. reale Verbandsperson) als die Gesellschafter ihr „Organ“ sind und damit als Teil für die Gesellschaft als Rechtssubjekt (als Ganzes) stehen, insofern aber eine Art Gesamthand, als dafür eine Verfassung (als Organisation) nicht erforderlich sein soll.
2. Die reale Verbandsperson als wirkliche Körperschaft a) Der menschliche Verband als corpus mysticum und als corpus ex distantibus Obschon eine reale Verbandsperson als Rechtssubjekt (ens morale) ein unsinnliches Gebilde ist, geht sie Gierke zufolge (anknüpfend an Pufendorfs Lehre von den entia moralia) nicht nur aus ihrem menschlichen Verband (ens physicum) hervor, sondern existiert auch fortwährend in und mit ihm. Da demgemäß der menschliche Verband der realen Verbandsperson zugrunde liegt, ist er im eigentlichen Wortsinn ihr Substrat, ihr Träger in der sinnlich erfahrbaren, insofern „wirklichen Welt“, der Körperwelt, und umgekehrt sie sein Attribut (modus) in der „vorgestellten Welt“ des Rechts.71 Der menschliche Verband ist als solcher unmittelbar „weder greifbar noch sichtbar“ und insofern daher eine „unsinnliche Einheit“, da auch er ein Begriff ist, den erst das menschliche Bewusstsein aus den einzelnen Menschen „abstrahiert“, die sich real, da sinnlich wahrnehmbar, zu dem menschlichen Verband zusammengetan haben.72 Durch das Bild des (sozialen) Körpers (corpus) legt das menschliche Denken dem menschlichen Verband nun die Anschauung (= Bild) unter, die ihm, zumindest insofern, in der empirischen Wirklichkeit fehlt; es versinnlicht das, was mit bloßen Auge nicht gesehen werden kann: seine Einheit; es kleidet es in ein Bild ein.73 Die Metapher des sozialen Körpers steht dabei für die Vorstellung, ja sogar den Anspruch, die einzelnen Menschen seien als der eine menschliche Verband genauso fest und unzertrennlich miteinander verbunden wie die Glieder eines natürlichen, insofern eines wirklichen Körpers, des Körpers eines einzelnen Menschen.74 Der menschliche Verband wird auf diese Weise zu einem recht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11; dazu Berghoff, Die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2005, S. 33–35. 71 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103. 72 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470. 73 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 58, 59. 74 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 56, 60; auch für Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1 Kap. 6 (S. 18), bilden die Menschen, die sich zu einem menschlichen Verband (corps moral et collectif) zusammen-
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Körper (corpus), einer Körperschaft, und die einzelnen Menschen, aus denen er sich zusammensetzt, zu seinen Gliedern, zu seinen Mitgliedern. Da die einzelnen Menschen aber allein im übertragenen Sinn „ihre reale Disjunktion“ in diesem sozialen Körper überwinden und in ihm als einem großen imaginären Subjekt gewissermaßen „verschmelzen“,75 ist der menschliche Verband nicht wirklich ein menschlicher, insofern ein natürlicher Körper (corpus naturale), er ist es nur bildähnlich und deswegen ausschließlich in diesem Sinn ein mystischer Körper (corpus mysticum).76 Das Attribut „mystisch“ bedeutet demnach nur so viel wie „bildlich“ oder „figurativ“.77 Der menschliche Verband wird dementsprechend über die Metapher des sozialen Körpers (corpus mysticum) bloß deshalb hypostasiert, weil der menschliche Verband als solches, d. h. unmittelbar, nicht gesehen und angefasst werden kann. Dennoch ist der menschliche Verband insofern durchaus zugleich ein wirklicher Körper, ein „Gesamtkörper“ im Sinn der „stoischen Philosophie“: ein corpus ex distantibus,78 als die einzelnen Menschen in ihrem aufeinander abgestimmten Zusammenwirken als eine Einheit und dadurch als ein menschlicher Verband die Sinne affizieren, auf sie einwirken und deshalb, der stoischen corpus-Lehre mit ihren drei Arten von corpora zufolge, zu den wirklichen Körpern, wenn auch nicht zu den menschlichen Körpern, den geeinten Körpern (σῶματα ήνωμένα, lat. corpora continua), dazu gehören.79 Der menschliche Verband ist demnach beides: ein sozialer Körper, ein corpus mysticum, wenn er in Analogie zum menschlichen Körper bildähnlich beschrieben werden soll, und ein wirklicher Körper, ein corpus ex distantibus, wenn dadurch, im Sinn der „stoischen Philosophie“ und im Anschluss daran bei Gierke, zum Ausdruck gebracht werden soll, dass auch er eine „wirklich existierende Wesenheit“ ist, die deswegen dazu geeignet ist, als „Träger eines eingeschlossen haben, einen Körper, bei dem jedes Glied ein untrennbares Teil des Ganzen ist. Auch an dieser Stelle zeigt sich erneut das „stoische Gedankengut“, der Immanenzgedanke der stoischen Philosophie in der Relation des Ganzen zu seinen Teilen, der sich bei Rousseau immer wieder findet (Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 59, Fn. 42; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 [1996], 335, 349–350; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151, 152, 154; siehe dazu auch Forschner, Rousseau, 1977, S. 148–157. 75 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. 76 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 128–132. 77 Der Ausdruck „corpus mysticum“ geht zwar ursprünglich aus der Betrachtung der Kirche als corpus mysticum Christi zurück, wandelt sich dann aber zu einem Kunstausdruck, der „spezifisch theologische, zumal christologische Bedeutungselemente“ nicht mehr beinhaltet. Als Rechtsbegriff hat er allein noch „juristischen, nämlich korporationsrechtlichen Sinn“ und steht jetzt ausschließlich für den menschlichen Verband als Körper im übertragenen Sinn (so Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 125–126 und 132; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469, Fn. 5; dazu Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 43–53; Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, 1957 [1992], S. 209–220). 78 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 79 Siehe in Bezug auf die stoische corpus-Lehre die Ausführungen in § 2.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
heitlichen Gemeinwillens“ (volonté générale), vom „objektiven Recht“ nur noch als eine Verbandsperson „anerkannt zu“ werden und daher eine „wirkliche, nicht bloß erdichtete Person“ zu sein.80
b) Die Gesamtheit der gegenwärtigen Mitglieder als Organ der Körperschaft Die natürliche Person als ens morale ist ihrem Menschen (ens physicum) inhärent. Was der Mensch will und tut, das will und tut deswegen auch seine persona moralis. Das gilt an sich entsprechend für den menschlichen Verband. Was der menschliche Verband will und tut, ist ipso iure Wollen und Handeln seiner realen Verbandsperson (Körperschaft). Anders als die Gesamthand, die stets allein aus ihren momentanen Gesellschaftern besteht, setzt sich der menschliche Verband aus seinen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Gliedern zusammen, erst in der Summe sind sie materialiter der menschliche Verband. In der Tatsachenwelt existieren ausschließlich die jetztlebenden Mitglieder, hier gibt es gleichsam nur die Gegenwart. Denn was war, ist nicht mehr, und das, was sein wird, ist noch nicht. Damit können jedoch allein die gegenwärtigen Mitglieder als Teil für den menschlichen Verband als Ganzes wollen und handeln (pars pro toto). Während jedoch die aktuellen Gesamthänder stofflich die Gesellschaft sind und deshalb als solche Einheit kollektiv handlungsfähig sind, können die derzeitigen Mitglieder nicht als, sondern nur für den menschlichen Verband als Werkzeug und deswegen im eigentlichen Wortsinn als „Organ“ (griechisch ὄργανον, Werkzeug) wollen und handeln. Als Teil sind sie etwas anderes als das Ganze, und insofern vertreten sie dann als Teil ein anderes, wenn sie (als Teil) für das Ganze stehen.81 Da dem menschlichen Verband als ens physicum die reale Verbandsperson (Körperschaft) als ens morale entspricht, ist die Gesamtheit der jetztlebenden Mitglieder (als Menschen) auch Organ der realen Verbandsperson in der Welt des Rechts und nicht allein des menschlichen Verbands in der sinnlichen Tatsachenwelt. Als ein solches Organ im Rechtssinne nehmen die gegenwärtigen Mitglieder (omnes ut universi) eigene Angelegenheiten wahr, sie setzen nicht von außen aufgegebene Ziele durch, vielmehr verfolgen sie eigene, korporationsimmanente Zwecke.82 Sie handeln für sich selbst (agere per se) und nicht für andere (agere per alios) und deshalb ist ihr Wollen und Handeln, obgleich sie materialiter ja nur ein Teil des Ganzen sind, eines des menschlichen Verbands und damit automatisch auch der realen Verbandsperson. Die reale Verbands80
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 466, 470. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 2, 1934, S. 96. Nach Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 147, machen die Mitglieder den menschlichen Verband als die von ihnen abstrahierte Einheit in ihrem verfassungsmäßigen, gemeinschaftsbezogenen Handeln „sinnfällig“. 82 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 218–219. 81
B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft
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person (Körperschaft) handelt mithin durch sich selbst (agere per se); sie ist ipso iure handlungsfähig.83
3. Die juristische Person als reiner Rechtsbegriff Und das unterscheidet sie von der juristischen Person als Anstalt des römischen Rechts, die nicht durch sich selbst, sondern nur durch andere wollen und handeln kann (agere per alios). Als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) gibt es sie nur im Recht (ens morale), denn anders als die reale Verbandsperson (Körperschaft) leitet sie sich nicht von einem menschlichen Verband (ens physicum) ab, und weil sie deshalb in der Erfahrungswelt im eigentlichen Wortsinn nicht einen Träger hat, ist sie nicht wirklich, sondern nur gedacht. Das Recht erschafft hier zunächst die juristische Person gewissermaßen aus dem Nichts (creatio ex nihilo) und weist sie erst anschließend einem menschlichen Verband zu. Auch dadurch wird der menschliche Verband aber nicht Träger oder Substrat der juristischen Person. Sie bleibt auch jetzt ein nomen iuris, ein reiner Rechtsbegriff, der völlig losgelöst und getrennt von seinem menschlichen Verband in der idealen, weil gedachten Welt des Rechts existiert. Da die juristische Person demgemäß nicht durch ihre bloß vermeintlichen menschlichen Mitglieder gebildet wird, ist sie nicht ein corpus, sondern als eine universitas eine gedankliche Konstruktion (res incorporalis).84 Wenn sich die juristische Person aber im Gegensatz zu einer realen Verbandsperson (corpus) nicht aus den Menschen, die in der sinnlich wahrnehmbaren Welt den menschlichen Verband bilden, zusammensetzt, sind die Menschen auch nicht ein Teil von ihr. Die juristische Person als Anstalt des römischen Rechts ist anders als die Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. als die reale Verbandsperson) gewissermaßen innerlich leer, sie hat keine (Mit-) Glieder und deshalb auch keine körperschaftlichen Organe. Aus diesem Grund ist das Wollen und Handeln des menschlichen Verbands nicht automatisch ein solches der juristischen Person. Sie ist nicht ipso iure handlungsfähig, stattdessen muss ihr erst extra durch eine fictio iuris das, was ein anderer im Recht will und tut, vertretungsweise – oder wie Savigny es ausdrückt: „künstlich“ – zugerechnet werden (agere per alios).85 Erst hier in der Welt des Rechts wird so getan, als ob die juristische Person selbst eine Willenserklärung abgegeben (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB: „wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen“) oder in einem Schuldverhältnis schuldhaft gehandelt hätte (vgl. § 278 BGB: „wie eigenes Verschulden zu vertreten“). 83
1143.
84
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 518; so auch Beuthien, NJW 1999, 1142,
Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 39. Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 218; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283 (Zitat). 85
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
Der realen Verbandsperson wird demgegenüber nicht erst im Recht und demzufolge über eine fictio iuris das Wollen und Handeln einer anderen Person (d. h. Rechtssubjekt) zugerechnet (als ob), vielmehr wird dem menschlichen Verband schon in der sinnlich wahrnehmbaren Welt das, was seine gegenwärtigen Mitglieder wollen und tun, zugeschrieben. Es ist bereits hier und nicht erst im Recht ein Wollen und Handeln des menschlichen Verbands als ens physicum. Weil der menschliche Verband Träger der realen Verbandsperson (Körperschaft) ist und sie sein Attribut (modus), leitet sich die Körperschaft als ens morale von ihm automatisch (ipso iure) ab. Das, was die Menschen, die den Verband in der sinnlichen Welt tatsächlich bilden, wollen und tun, ist deshalb ebenfalls von selbst (ipso iure) im Recht ein Wollen und Handeln der realen Verbandsperson.
4. Der „Gemeinwille“ als der Wille des menschlichen Verbands (volonté générale) a) Das „Gemeinwohl“ als oberste Richtschnur Jede Handlung der Körperschaft (als einer realen Verbandsperson) muss auf dem Willen ihres menschlichen Verbands fußen. An sich sind ausschließlich die derzeitigen Mitglieder (d. h. die Menschen) fähig, einen solchen natürlichen Willen zu bilden und in eine dementsprechende Handlung umzusetzen. Die Körperschaft (sowohl als menschlicher Verband als auch als reale Verbandsperson) besteht aber nicht allein aus ihren gegenwärtigen Mitgliedern, sondern auch aus ihren vergangenen und künftigen.86 Da die jetztlebenden Mitglieder deswegen nur ein Teil des Ganzen sind, kann ihr Wille allein, der „Wille aller“ (volonté de tous), nicht der „allgemeine Wille“ des menschlichen Verbands, der „Gemeinwille“ (volonté générale), sein.87 Dennoch sind sie ein Teil des Ganzen, durch sie will und handelt die Körperschaft (agere per se), sodass ihnen 86 Nach Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1, 1868, S. 1, erhöhen die „Assoziationen“, hier die Körperschaften, „nicht nur die Kraft der gleichzeitig Lebenden, sondern sie verbinden „vor allem durch ihren die Persönlichkeit des Einzelnen überdauernden Bestand die vergangenen Geschlechter mit den kommenden“. 87 Das steht dahinter, wenn Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32), den „allgemeinen Willen“ (volonté générale) vom „Willen aller“ (volonté de tous) unterscheidet. Für ihn bedeutet der volonté générale „mehr und anderes als das Gemeinschaftliche aller einzelnen Willen“ (als ihre Summe), so Taylor, Hegel, 1978, S. 488. Auch das ist „stoisches Gedankengut“ (Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 59, Fn. 42), da auch hier das Ganze, der „allgemeine Wille“ (volonté générale), mehr und anderes als die Summe seiner Teile, der „Einzelwillen“, ist, aber trotzdem in ihnen existiert (Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 152, 154; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 [1996], 335, 349–350, und öfter; Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 103, wonach der corps moral et collectif eine Gemeinschaft ist, „die sich selbst organisiert, die in ihren Mitgliedern lebt, in deren Mitte ein Gemeinwille entsteht“, der im „Gemeinsinn“ seiner Mitglieder [„Bürger“] „wurzelt“).
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deswegen auch die Aufgabe zukommt, den „allgemeinen Willen“ (volonté générale) des menschlichen Verbands pars pro toto (= als Teil für das Ganze) zu vergegenwärtigen.88 Da in ihnen der „allgemeine Wille“ lebt, müssen sie ihn gewissermaßen nur noch hervorholen,89 was durch Stimmabgabe in einer Versammlung, nicht jedoch durch einen formlosen Konsens oder einfache Stimmensummierung, geschieht.90 Denn anders als bei der Gesamthand müssen (und dürfen) sie nicht auf die Frage antworten, was ihnen als Gesamtheit der jetztlebenden Mitglieder dient, sondern was für die Körperschaft als Ganzes vorteilhaft ist, und zwar, weil es sowohl im Interesse der gegenwärtigen als auch der vergangenen und zukünftigen Mitglieder liegt (Gemeinwohl).91 88 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 472, stellt klar, dass die „Vertretung“, die hier durch die Organe stattfindet, „keine Stellvertretung des Einen für den Anderen“ ist, „sondern Darstellung des Ganzen durch den Teil“. 89 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 117), wonach selbst der, der seine Stimme für Geld verkauft, den Gemeinwillen in sich nicht auslöscht, sondern ihm nur ausweicht; siehe auch Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 503, 501, Fn. 25, wonach sich der einheitliche Gemeinwille im Körperschaftsbeschluss manifestiert. Kersting, Gesellschaftsvertrag, Volkssouveränität und „volonté générale“, in: ders. (Hrsg.), Die Republik der Tugend, 2003, S. 81, 106–109, 111–115 (und öfter); Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–157. 90 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 500, wird die Mitgliederversammlung nicht durch die anderweitige Übereinkunft sämtlicher Mitglieder ersetzt; Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 222; für eine Personengesellschaft (Gesamthand) ist das Abhalten einer Gesellschafterversammlung ebenso wenig erforderlich wie die gleichzeitige Stimmenabgabe aller Gesellschafter (so ausdrücklich Enzinger, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 119 Rn. 40). 91 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 117), Buch 2, Kap. 3 (S. 32), Buch 4, Kap. 2 (S. 119–120): „Wenn man in der Volksversammlung ein Gesetz einbringt, fragt man genaugenommen nicht danach, ob die Bürger der Vorlage zustimmen oder sie ablehnen, sondern ob die Vorlage dem Gemeinwillen (volonté générale), der ja ihr Wille als Volk ist, entspricht oder nicht.“; Kersting, Gesellschaftsvertrag, Volkssouveränität und „volonté générale“, in: ders. (Hrsg.), Die Republik der Tugend, 2003, S. 81, 111–115, insb. S. 114: Die volonté générale ist „Manifestation eines wirksamen Gemeinsinns“; Forschner, Rousseau, 1977, S. 148–157; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 [1996], 335, 349–350; Bertram, Rousseau’s Legacy in Two Conceptions of the General Will, The Review of Politics 74 (2012), S. 403, 406; Williams, Justice and the General Will, Journal of the History of Ideas 66 (2005), 383, 387. Siehe dazu auch Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 335, wonach die heutigen Mitglieder „ihre vorübergehende Herrschaft über dauernde Güter und Zwecke“ schonend, „mit Weisheit und Mäßigung, ausüben, nicht aus Beschränktheit und Selbstsucht den nachfolgenden Geschlechtern die Mittel eines erfreulichen Zustands entziehen“ sollen, gleichzeitig sei aber auch auf die „jetztlebenden Mitglieder“ angemessene Rücksicht zu nehmen, indem jene „weder durch den Willen der Vergangenheit unbedingt gebunden, noch dem Interesse der Zukunft geopfert werden“. Ebenso verbindet nach Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1, 1868, S. 1, die „Assoziation“, der menschliche Verband als sozialer Körper, „vor allem durch ihren die Persönlichkeit des Einzelnen überdauernden Bestand die vergangenen Geschlechter mit den kommenden“.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
Dass aber der „allgemeine Wille“ (volonté générale) immer befragt wird und immer antwortet, dafür kann allein eine Versammlung sorgen.92 Die Angelegenheiten der Körperschaft werden daher durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet (so § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB), wobei die Mitglieder dem Interesse der Körperschaft und in diesem Sinn dem Gemeinwohl verpflichtet sind (vgl. § 36 BGB; § 121 Abs. 1 AktG: „Wohl der Gesellschaft“).93 Damit in der Stimmabgabe der Mitglieder möglichst ausschließlich der „Gemeinwille“ und nicht die „Sonderwillen der Einzelnen“ (volonté particulière) zum Ausdruck kommen, ist ein Mitglied, dessen Interessen durch die Beschlussfassung unmittelbar tangiert sind, nicht stimmberechtigt (vgl. § 34 BGB).94
b) Die Mehrheitsentscheidung als Ausdruck des „Gemeinwillens“ Je mehr nun bei den Versammlungen Übereinstimmung herrscht und demnach die Meinungen der Einstimmigkeit näher kommen, umso mehr bildet der Wille der gegenwärtigen Mitglieder den des menschlichen Verbands (Körperschaft) ab,95 ist der „Wille aller“ (volonté de tous) auch der „Gemeinwille“ (volonté générale).96 Selbst wenn die aktuellen Mitglieder einen Beschluss einstimmig gefasst haben, kann ihr „Gesamtwille“ (volonté de tous) den „allgemeinen Willen“ der Körperschaft repräsentieren, er muss es aber nicht. Sie können alle zusammen auch wie bei einer Gesamthand bloß ihre eigenen gemeinsamen Ziele verfolgen und auf diese Weise die Belange der vergangenen und zukünftigen Mitglieder und so den „Gemeinwillen“ in ihnen missach92 93
Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 117). Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 243 Rn. 48, wonach dem Mehrheitsprinzip in der Aktiengesellschaft das Leitbild von einer Gesellschaft „mit weitgestreutem Aktienbesitz“ zugrunde liegt, „in der wechselnde Mehrheiten entscheiden, die das allen gemeinsame Gesellschaftsinteresse zur Richtschnur ihrer Willensbildung machen“. 94 Nach Raiser, ZGR 2016, 781, 791, gehört ein solches Stimmverbot „zu den Grundregeln des Rechts der juristischen Person“, da zu befürchten ist, dass ein Mitglied, das von der Beschlussfassung selbst betroffen ist, „seinen persönlichen Interessen Vorrang vor denen der juristischen Person gewährt“. 95 So ausdrücklich Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 117). Dazu Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag, 2002, S. 127, wonach die „schnell erzielte Einigkeit“ deshalb „ein Anzeichen dafür“ ist, „dass der Gemeinwille noch lebt und wirksam ist“, der „Wille Aller“ (volonté de tous) also zugleich der „Gemeinwille“ (volonté générale) ist, weil „die Konsenschancen immer geringer werden, je mehr sich die Menschen von ihren Privatinteressen leiten lassen“. Vgl. auch Schwartzberg, Voting the General Will: Rousseau on Decision Rules, Political Theory 36 (2008), 403–423; Wyckoff, Rousseau’s General Will and the Condorcet Jury Theorem, History of Political Thought 32 (2011), 49–62; Williams, The Substantive Elements of Rousseau’s General Will, in: Farr/ Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 219, 236. 96 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 116).
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ten.97 Selbst einem Beschluss, den die gegenwärtigen Mitglieder einstimmig gefasst haben, kommt deshalb nur eine Richtigkeitsvermutung zu. Und weil es weniger die Zahl der Stimmen als das sie einigende Gemeininteresse (Gemeinwohl) ist, was den Willen allgemein macht, kann auch eine Mehrheitsentscheidung für den „allgemeinen Willen“ (volonté générale) der Körperschaft stehen.98 Das gilt umso mehr, als sich der Einzelne durchaus auch täuschen kann, denn das, was er (vermeintlich) für den „Gemeinwillen“ in sich hält, kann auch nur sein „Sonderwille“ (volonté particulière) sein.99 Es ist aus diesem Grund „nicht leicht oder geradezu unmöglich, dass alle Personen sich zu einer Meinung zusammenfinden, weil gewisse Leute mit Blindheit geschlagen sind oder aus persönlicher Bosheit oder Unwissenheit von der allgemeinen Meinung (communis sentencia) abweichen; deren unvernünftiger Einspruch oder Widerspruch darf (die Wahrnehmung) der Interessen der Allgemeinheit nicht beeinträchtigen oder unmöglich machen“.100 Und dementsprechend kann (und muss) auch bloß eine Mehrheit der „Bürger“ als pars valencior für die „Bürgerschaft“ als Gesamtheit (tota universitas) stehen, sodass auch eine Mehrheitsentscheidung der (gegenwärtigen) Mitglieder den „Gemeinwillen“ des menschlichen Verband als solchem darstellen kann.101 97 Nach Rawls, A Theory of Justice, 1972, S. 136–142, sollen deshalb die gegenwärtigen Mitglieder im „Urzustand“ (original position) unter dem „Schleier des Nichtwissens“ (veil of ignorance) keine Kenntnis davon haben, zu welcher Generation sie gehören (S. 137), sodass es keinen Unterschied macht, wann und durch wen etwas für alle (d. h. gegenwärtige und zukünftige Mitglieder) entschieden wird (S. 139). 98 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 36), Buch 4, Kap. 2 (S. 120), was aber voraussetzt, „dass alle Kennzeichen des Gemeinwillens noch bei der Mehrheit sind“; nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1840, S. 501, Fn. 25, folgt die Geltung des Majoritätsprinzips aus dem „Wesen des Körperschaftsbeschlusses“, sodass sich der einheitliche Gemeinwille (d. h. der volonté générale) hier auch in einer Mehrheitsentscheidung manifestieren kann; Kersting, Gesellschaftsvertrag, Volkssouveränität und „volonté générale“, in: ders. (Hrsg.), Die Republik der Tugend, 2003, S. 81, 109–115, wonach eine „Gemeinwohlinterpretation“, die in der Abstimmung „die Mehrheit gefunden hat, eine starke Richtigkeitspräsumtion auf ihrer Seite hat und getrost für den Gemeinwillen genommen werden kann“. Auch Hildebrand, Die volonté générale: Funktionale Harmonisierung von Staat und Demokratie, in: Hidalgo (Hrsg.), Der lange Schatten des Contract social, 2013, S. 53, 61–64, vor allem S. 62, sieht im Mehrheitsprinzip einen „Modus der Gemeinwohlermittlung“ (volonté générale). Schwartzberg, Voting the General Will: Rousseau on Decision Rules, Political Theory 36 (2008), 403–423; Wyckoff, Rousseau’s General Will and the Condorcet Jury Theorem, History of Political Thought 32 (2011), 49–62. 99 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 2 (S. 120). 100 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 194, der dabei Marsilius von Padua, Defensor pacis, Teil I, Kapitel XII, § 5, in der Übersetzung von Walter Kunzmann bearbeitet und eingeleitet von Horst Kusch, in: Engelberg/Kusch (Hrsg.), Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens (Defensor pacis), 1958, S. 123, zitiert. 101 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 194, der hier wiederum auf Marsilius von Padua, Defensor pacis, Teil I, Kapitel XII, § 5, abstellt, wonach es aus diesem Grund „der Gesamtheit der Bürger oder deren Mehrheit (pars valencior) ausschließlich zukommt, Gesetze zu geben oder zu beschließen“: „Hoc autem est civium universitas aut eius pars valencior, que
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
Damit nun aber ein Beschluss, den die Mehrheit der gegenwärtigen Mitglieder gefasst hat, den „allgemeinen Willen“ (volonté générale) auch tatsächlich abbildet oder hierfür zumindest eine „Richtigkeitschance“ besteht,102 müssen jeweils wechselnde Mehrheiten entscheiden.103 Eine Mehrheit darf idealiter gleichsam erst ad hoc in der Stimmabgabe und nicht schon zuvor entstehen.104 Das einzelne Mitglied darf demzufolge dafür weder allein noch zusammen mit anderen fähig sein, Einzel- oder Gruppeninteressen (Sonderwillen, volonté particulière) in der Abstimmung durchzusetzen.105 Wechselnde Mehrheitotam universitatem representat; (…). Pertinet igitur ad universitatem civium aut eius valenciorem partem tantummodo legumlacionis seu institucionis auctoritas.“ (Übersetzung auch hier von Walter Kunzmann bearbeitet und eingeleitet von Horst Kusch, in: Engelberg/Kusch [Hrsg.], Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens [Defensor pacis], 1958, S. 123). 102 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 8 I 1 (S. 406) (Zitat); Kersting, Gesellschaftsvertrag, Volkssouveränität und „volonté générale“, in: ders. (Hrsg.), Die Republik der Tugend, 2003, S. 81, 112: „starke Richtigkeitspräsumtion“ für die „Gemeinwohlinterpretation“, die die Mehrheit gefunden hat, dabei mit Bezug auf Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 2 (S. 117–121). 103 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 8 I 2 (S. 408); ihm darin folgend Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 243 Rn. 48. 104 Nach Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32), würde aus dem „Willen aller“ (volonté de tous), d. h. hier „aus der großen Zahl der kleinen Unterschiede“, immer der „Gemeinwille“ (volonté générale) hervorgehen und wäre die Entscheidung immer gut, wenn die Bürger untereinander keinerlei Verbindung hätten (und das Volk wohlunterrichtet entscheidet). Auch wenn hier jeder für sich den „Gemeinwillen“ in sich befragt, kann er ihn doch nicht vollkommen klar erkennen. Es gibt zwischen den Ansichten der einzelnen Mitglieder, was der Gemeinwille ist, „kleine Unterschiede“. Der Gemeinwille ist deshalb das, worin die Meinungen der Bürger übereinstimmen und in diesem Sinn ist die „Summe der Unterschiede der Gemeinwille“. Hidalgo, Rousseau, die Antinomien der Demokratie und das Scheitern ihrer Aufhebung durch die Religion, in: ders. (Hrsg.), Der lange Schatten des Contract social, 2013, S. 121, 133–134; Morgenstern, Crossing Lines: Rousseau and the Creation of Community, Historical Reflections/Réflexions Historiques 32 (2006), 523, 539: „Rousseau defines the General Will as the result of a process: that is to say, of subtracting all the differences existing between people’s wills and taking the common ground of all these opinions as the General Will.“; Forschner, Rousseau, 1977, S. 133–135; Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 130–134; Sturma, JeanJacques Rousseau, 2001, S. 151–157. 105 Das versucht Rawls, A Theory of Justice, 1972, S. 136–142, dadurch zu erreichen, dass er über die Mitglieder einen „Schleier des Nichtwissens“ (veil of ignorance) ausbreitet, sodass sie nicht mehr die natürlichen und gesellschaftlichen Unterschiede, die zwischen ihnen bestehen, kennen und darum auch nicht zu ihrem individuellen Vorteil ausnutzen können. Der Einzelne kann sich demgemäß in diesem „Urzustand“ (original position) nicht für etwas entscheiden, das nur ihm allein und nicht zugleich auch den anderen zugutekommt. Ausschließlich das, was für alle (gegenwärtigen und künftigen Mitglieder) vorteilhaft ist, ist es auch für jeden von ihnen; hierbei verweist Rawls, aaO., S. 140, ausdrücklich auf Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 34). Auf diese Weise soll sich, zumindest Rawls zufolge, der „Gemeinwille“ (volonté générale), stets gegenüber den „Sonderwillen“, den „Einzelwillen“ (volonté particulière) durchsetzen und so zu einer allgemeinen und damit gerechten Ordnung führen. Dazu Strong, The General Will in Rousseau and after Rousseau, in: Farr/Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 307, 320–322;
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ten können sich freilich nur dann immer wieder aufs Neue bilden, wenn sich die Körperschaft (d. h. der menschliche Verband) aus einer großen Zahl von gleich einflusslosen Mitgliedern zusammensetzt.106 Weil hier jedes Mitglied chancenlos ist, seinen „Sonderwillen“ zu verwirklichen, befragt jeder von ihnen zwangsläufig den „Gemeinwillen“ in sich. Denn weil das, was für alle von Vorteil ist, auch – wenn auch nicht ausschließlich wie beim „Sonderwillen“ – für jeden Einzelnen „objektiv“ gut ist, profitiert jedes Mitglied indirekt auch für sich davon, wenn der „allgemeine Wille“ (volonté générale) „siegt“.107 Die Mitglieder machen also aus einem objektiv verstandenen Selbstinteresse (amour de soi), das ihnen allen gemeinsame Verbandssinteresse, insofern das Gemeinwohl, „zur Richtschnur ihrer Willensbildung“.108 Das gilt umso mehr, als jeder (menschliche) Verband (= Körperschaft) verpflichtet ist, seine Mitglieder unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln (so die Formulierung in § 53a AktG).109 Eine Ungleichbehandlung ist Bertram, Rousseau’s Legacy in Two Conceptions of the General Will, The Review of Politics 74 (2012), 403, 405. 106 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 8 I 2 (S. 408). 107 Nach Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 34), denkt selbst dann jeder an sich, wenn er für alle stimmt; und ebenso arbeitet jeder für sich, wenn er das für einen anderen tut, denn wenn er für andere arbeitet, arbeitet er für alle und, weil er Teil des Ganzen ist, wiederum für sich selbst. Dazu Strong, The General Will in Rousseau and after Rousseau, in: Farr/Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 307, 308–317 („Whose is the General Will?“). Bachofen, Das gemeinsame Interesse und jedermanns Interesse, Jahrbuch für Recht und Ethik/Annual Review of Law and Ethics 20 (2012), 25–42; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Baczko, Rousseau, 1970, S. 392–403, 403–442, 442–498. 108 So ausdrücklich Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 243 Rn. 48; Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18), wonach sich alle Mitglieder „unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens“ stellen. Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Forschner, Rousseau, 1977, S. 134–135; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 155–156 („genuines Interesse, moralisch“, im Sinn Aller, der Gemeinschaft an sich, „zu handeln“). Brooke, Stoicism and anti-Stoicism in the seventeenth century, Grotiana 22/23 (2001/2002), 93, 115 („amour de soi“ versus „amour-prope“). Morgenstern, Crossing Lines: Rousseau and the Creation of Community, Historical Reflections/Réflexions Historiques 32 (2006), 523, 528–532; Bertram, Rousseau’s Legacy in Two Conceptions of the General Will, The Review of Politics 74 (2012), 403, 404–411. Bachofen, Das gemeinsame Interesse und jedermanns Interesse, Jahrbuch für Recht und Ethik/Annual Review of Law and Ethics 20 (2012), 25–42; Baczko, Rousseau, 1970, S. 392–403, 403–442 (vor allem 404–406), 442–498, wonach das Individuum als Bürger im „überindividuellen Sein“ der Gemeinschaft (als Ganzes) „aufgeht“ und sich deshalb vom „vernünftig aufgefassten Vorteil“ für alle und damit für sich leiten lässt. 109 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 8 II 2 (S. 427); Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 36). Dazu Williams, The Substantive Elements of Rousseau’s General Will, in: Farr/Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 219, 223– 224; Bertram, Rousseau’s Legacy in Two Conceptions of the General Will, The Review of Politics 74 (2012), 403, 405; Sreenivasan, What Is the General Will?, The Philosophical Review 109 (2000), 545, 567; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 156; Kersting, Jean-
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sachlich nur dann gerechtfertigt und in diesem Sinn nicht willkürlich, wenn es für das Gemeininteresse zwingend erforderlich ist, die Mitglieder unterschiedlich zu behandeln.110 Ein solcher Eingriff in die Mitgliedschaft muss demzufolge geeignet und erforderlich sein, ein bestimmtes Interesse der Körperschaft zu wahren.111 Da im Grundsatz alle Mitglieder gleich zu behandeln sind, treffen Rechte und Pflichten, die aus einem Beschluss folgen, den auch nur die Mehrheit gefasst hat, nicht nur einen Teil der Mitglieder (als Mehrheit oder Minderheit), sondern im Prinzip alle Mitglieder gleichermaßen. Hat sich jedoch schon zuvor eine Mehrheit gebildet, bspw. haben ein Großaktionär oder eine konstante Aktionärsgruppe bereits eine Stimmenmehrheit,112 kann diese stabile Mehrheit als Teilvereinigung auf Kosten der Körperschaft (stets) ihren „Sonderwillen“ durchsetzen, sodass sich der „Gemeinwille“ in der Abstimmung nicht mehr ausdrückt, es jetzt einen „Gemeinwillen“ nicht mehr gibt.113 Und weil der Mehrheitsentscheidung eine Richtigkeitsvermutung daher nicht länger zukommt, unterliegt sie der materiellen Beschlusskontrolle durch die Gerichte.114 Ein Beschluss ist deshalb anfechtbar, wenn ein Mitglied versucht hat, durch die Ausübung seines Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Körperschaft oder der anderen Mitglieder zu erlangen, und der Beschluss hierzu geeignet ist (so § 243 Abs. 2 AktG).
c) Und der daraus folgende Unterschied zur Mehrheitsentscheidung bei der Gesamthand Das Mehrheitsprinzip ist demnach charakteristisch für die Körperschaft, es gehört mit anderen Worten zu ihrem Wesen. Weil selbst alle gegenwärtigen Mitglieder zusammen nur ein Teil des menschlichen Verbands (Körperschaft) sind, kann hier per se nur ein Teil für das Ganze wollen und handeln (pars pro toto). Damit kann indes auch lediglich eine Mehrheit der jetztlebenden Mitglieder als Teil für den menschlichen Verband als Ganzes stehen. Im Gegensatz dazu sind die Gesellschafter alle zusammen (gemeinschaftlich) die Gesamthand und nicht nur ein Teil davon. Weil gleichsam von Natur aus im Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 117: Das „passive Allgemeinheitskriterium“ der volonté générale besagt: „Gesetz kann nur ein Beschluss heißen, der sich inhaltlich auf die Allgemeinheit bezieht (…) und daher jeden in gleicher Weise trifft. Dadurch ist Gleichbehandlung gesichert, wird jede Form von Diskriminierung und Privilegierung abgewiesen.“ 110 Nach Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 34), kann der Verband („Souverän“) schon von sich aus seine Mitglieder („Untertanen“) „nicht mit einer für die Gemeinschaft unnötigen Kette belasten“. 111 So Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 53a Rn. 10. 112 Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 243 Rn. 48. 113 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32). 114 Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 243 Rn. 48.
B. Die unterschiedliche Handlungsfähigkeit von Gesamthand und Körperschaft
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Recht der Personengesellschaft der Grundsatz der Einstimmigkeit gilt, ist für einen Beschluss die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (so § 709 Abs. 1 BGB; § 119 Abs. 1 HGB). Die Mehrheit der Gesellschafter kann deshalb nur dann als Gesamthand (Gesellschaft) entscheiden, wenn sie das alle zuvor im Gesellschaftsvertrag vereinbart haben (vgl. § 709 Abs. 2 BGB; §§ 109, 119 Abs. 2 HGB).115 Das Majoritätsprinzip gehört somit anders als bei der Körperschaft nicht schon zum Wesen der Gesamthand. Auch wenn die Gesellschafter das Mehrheitsprinzip für Beschlüsse innerhalb der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag vereinbart haben (§ 709 Abs. 2 BGB; § 119 Abs. 2 HGB), bleiben sie doch ähnlich den Mitgliedern einer Körperschaft stets ihrem gemeinsamen Zweck verpflichtet. Der gemeinsame Zweck ist bei Körperschaft und Gesamthand insofern verschieden, als hier der Gemeinwille (volonté générale), dort jedoch der Gesamtwille (volonté de tous) herrscht. Denn während sich die Körperschaft aus ihren vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Mitgliedern zusammensetzt, besteht die Gesamthand (Gesellschaft) ausschließlich aus ihren derzeitigen Gesellschaftern, ihr gemeinsamer Wille ist deshalb der der Gesellschaft. Dieser Gemeinschaftswille löst sich jedoch nicht wie bei einer Körperschaft von den verbundenen Einzelwillen der Gesellschafter ab, erschöpft sich aber gleichzeitig auch nicht wie bei einer societas des römischen Rechts darin, dass die selbständigen Einzelwillen übereinstimmen.116 Der im Gesellschaftsvertrag vereinbarte gemeinsame Zweck bewirkt bei der Gesamthand die Verbundenheit der Einzelwillen. Er ist das Fundament für die Gesellschafterbeschlüsse, die sich deswegen im Rahmen des gemeinsamen Zwecks bewegen müssen.117 Nur wenn sie das tun, sind sie auch Ausdruck des Gemeinschaftswillens. Ein Mehrheitsbeschluss, der dagegen verstößt, ist daher von vornherein unwirksam. Allenfalls kann es sich dabei dann noch um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags handeln (§ 311 Abs. 1 BGB), 115 Dabei geht es nicht um Änderungen des Gesellschaftsvertrags. Derartige „Grundlagengeschäfte“ sind außerhalb der Gesellschaft. Die Gesellschafter stehen sich hier also wieder als Vertragspartner gegenüber (jeder für sich), sodass das vertragliche Konsensprinzip eingreift (§ 311 Abs. 1 BGB). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gesellschafter das Mehrheitsprinzip nicht nur für die Beschlüsse innerhalb der Gesellschaft vereinbart haben, sondern auch für Änderungen des Gesellschaftsvertrags. Eine solche Mehrheitsklausel hat dann aber zwei Anwendungsfelder, die scharf voneinander zu trennen sind (BGHZ 203, 77 Rn. 16; BGHZ 170, 283 Rn. 6). 116 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. 117 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 58, die die gesellschaftsrechtliche Treupflicht auf die sich aus § 705 BGB ergebende mitgliedschaftliche Förderpflicht und damit auf den gemeinsamen Zweck stützen wollen; so bereits Lutter, AcP 180 (1980), 82, 102, der deshalb den Begriff der Treupflicht zu Recht als „wenig glücklich“ bezeichnet (aaO., S. 103). Nach Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 14 Rn. 3, haben sich die Gesellschafter allein bereit erklärt, den Gesellschaftszweck zu fördern und sich allenfalls insoweit der Mehrheitsmacht zu unterwerfen.
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da der gemeinsame Zweck i. S. des § 705 BGB nunmehr ein anderer ist. Das setzt aber voraus, dass die Gesellschafter das Mehrheitsprinzip zuvor auch für Änderungen des Gesellschaftsvertrags, die ja an sich immer die Zustimmung aller Beteiligten, hier der Gesellschafter als Vertragspartner, erfordern (§ 311 Abs. 1 BGB), wirksam (im Gesellschaftsvertrag) vereinbart haben.118
C. Organschaft und Identitätsrepräsentation I. Die Organschaft bei der Körperschaft 1. Die Verfassung Weil die Gesellschafter als gegenwärtige Mitglieder die Gesamthand sind, wollen und handeln sie ipso iure nicht bloß für, sondern als Gesamthand. Das unterscheidet die Körperschaft von der Gesamthand. Die jetztlebenden Mitglieder sind nur ein Teil des menschlichen Verbands, sie können deshalb ausschließlich für und nicht als Körperschaft wollen und handeln, sie sind allein deren Organ (d. h. ihr Werkzeug). Weil die gegenwärtigen Mitglieder hier anders als bei der Gesamthand bloß einen Teil des Ganzen ausmachen, muss ihnen die Fähigkeit, als Teil für das Ganze (pars pro toto) zu stehen, im menschlichen Verband stets erst ausdrücklich zugewiesen werden. Das geschieht bei der Körperschaft durch die Verfassung, erst durch sie wird die Körperschaft handlungsfähig. Indem die Verfassung den Menschen, die die Organe bilden, ihre Aufgaben und Befugnisse (als Kompetenzen) im menschlichen Verband zuweist, verleiht sie der Körperschaft ihre innere Lebensordnung, wobei die Verfassung aus Gesetz und Satzung folgt (vgl. § 25 BGB). Das Recht bestimmt hier deswegen die körperschaftliche Organisation, weil es für das Recht entscheidend darauf ankommt, welches sinnlich erfahrbare Wollen und Handeln der Menschen, die als Organ für den menschlichen Verband fungieren, auch rechtlich ein solches der Körperschaft als Rechtssubjekt (d. h. als reale Verbandsperson) ist. Da die derzeitigen Mitglieder bloß als Teil die Körperschaft als Ganzes repräsentieren, kann die Verfassung Funktionen und Kompetenzen auch auf unterschiedliche Organe aufteilen; und das geschieht auch in der Regel. Dabei kommt die Aufgabe, den allgemeinen Willen (volonté générale) des menschlichen Verbands abzubilden, d. h. die der Willensbildung, und damit der Gesetzgebung („Legislative“), der Mitgliederversammlung zu (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB).119 Das Amt, oder den Auftrag, den Gemeinwillen dann im Anschluss daran in einzelne Akte umzusetzen und auf diese Weise für die Kör118 119
BGHZ 48, 251, 253; ihm folgend Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 14 Rn. 10. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 503 („körperschaftlicher Gemeinwil-
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perschaft nach innen (Geschäftsführung) und außen (Vertretung) zu handeln, nimmt dagegen der Vorstand als „Regierung“ („Exekutive“) wahr (vgl. § 26 Abs. 1 BGB).120 Diese Arbeitsteilung im menschlichen Verband fügt sich gut in das Bild des natürlichen Körpers ein.121 Auch hier sind die Körperfunktionen auf verschiedene Organe und Glieder verteilt: das Auge sieht, das Ohr hört und die Hand greift.122 Während aber das natürliche Organ seine ihm angeborenen Fähigkeiten (Kompetenzen) nicht überschreiten kann, das Auge nicht hören und das Ohr nicht sehen kann, können sich die Menschen, die als Organ im Rechtssinne für den sozialen Körper fungieren sollen, durchaus anders verhalten, als es ihnen die Verfassung aufgibt. Und daher wird erst und allein im „verfassungsgemäßen, gemeinschaftsbezogenen Handeln“ der Mitglieder (Menschen) die Körperschaft als eine „von ihnen abstrahierte Einheit sinnfällig“.123
2. Das Organhandeln als Eigenhandeln der Körperschaft Die Menschen, die das Organ bilden, müssen in ihrer „amtlichen“ Eigenschaft als Organwalter (und nicht lediglich als Privatperson) handeln.124 Allein das, was sie in dem Aufgabenkreis wollen und tun, den ihnen die Körperschaft durch die Verfassung übertragen hat, will und tut die Körperschaft selbst (agere per se).125 Eine Willenserklärung, die ein Organwalter innerhalb seiner Zuständigkeit abgibt, ist daher ipso iure eine solche der Körperschaft selbst, wirkt also nicht bloß unmittelbar für und gegen sie (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 le“); Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 3, Kap. 1 (S. 63), Buch 2, Kap. 4 (S. 35). 120 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 507; Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 3, Kap. 1 (S. 63, 64, 68), und Kap. 2 (S. 70); Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 373. 121 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 15–20, 55, verweisen auf die Darstellung des römischen Historikers Livius, der davon erzählt, wie es Menenius Agrippa gelungen sein soll, den Konflikt zwischen dem einfachen Volk Roms (Plebejer) und der Oberschicht (Patrizier) zu lösen, indem er den Plebejern mit dem Bild des Kollektivkörpers veranschaulicht habe, dass Plebejer und Patrizier ihre jeweilige Aufgabe zum Wohl des Ganzen erfüllen. Die Metapher des sozialen Körpers kann daher für ein Gesellschaftsmodell stehen, „dessen Einheitsprinzip in der Arbeitsteilung und damit in der Ungleichheit der Funktionen und Güter besteht“. Dazu Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 23–33. 122 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 26. 123 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 147 (Hervorhebung nicht im Original). 124 So ausdrücklich Arnold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 31 Rn. 33; BGH, NJW 1980, 115. 125 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 518; so auch Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 26 Rn. 2, wonach das Handeln des Vorstands als Organ nicht Handeln für den Verein, sondern Handeln des Vereins ist. Das erkennt auch Berghoff, Die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2005, S. 20, für die die Handlungen des Organs deswegen „zugleich solche des vertretenen Rechtssubjekts“ sind, da das Organ im Unterschied zu einem gesetzlichen Vertreter (als alius) ein Teil davon ist.
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BGB). Denn der „Amtsträger“ tritt hier gerade nicht als ihr Stellvertreter auf, vielmehr ist sein Handeln ein Eigenhandeln der Körperschaft.126 Wie jede andere Person im Rechtsverkehr ist deshalb auch die Körperschaft an ihre eigene Willenserklärung gebunden.127 Ein Eigenhandeln der Körperschaft kommt aber nicht allein bei Rechtsgeschäften, sondern auch bei solchen Handlungen in Betracht, die von selbst rechtserheblich sind, weil die Rechtsfolgen ipso iure („kraft Gesetzes“) und demgemäß unabhängig davon eintreten, ob der Handelnde das will oder nicht (Rechtshandlung).128 Die Körperschaft selbst ist deswegen (durch ihre Organe) Besitzerin der Sachen, die zu ihrem Vermögen gehören.129 Weil sie aber nicht nur rechtmäßig, sondern durchaus auch rechtswidrig handeln kann, ist sie anders als die juristische Person des römischen Rechts sogar deliktsfähig (vgl. § 31 BGB).130 Deshalb begeht die Körperschaft selbst eine unerlaubte Handlung, wenn die schädigende Handlung des Organs sachlich und nicht bloß zufällig zeitlich und örtlich mit seinem Aufgabenkreis, seinem „Amt“, zusammenhängt (vgl. § 31 BGB: „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung“).131 Das gilt gleichermaßen für ein Verschulden in einem bereits bestehenden Schuldverhältnis als auch außerhalb davon.132 Die Körperschaft haftet wie jede andere Person im Rechtsverkehr daher für eigenes Verschulden auf Schadensersatz (§ 280; §§ 823–853 BGB). Stets muss sich das „Amt“ dabei auf Art und Ablauf des schädigenden Ereignisses ausgewirkt haben.133 Es geht hier jedoch nicht darum, was das Organ innerhalb seiner Zuständigkeit tun darf, sondern was es tun kann.134 Denn unabhängig davon, ob die schädigende Handlung nun rechtmäßig oder rechtswidrig ist, muss sie aus der Sicht eines Außenstehen126 So auch Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144; Wipplinger, Die rechtsfähige BGB‑Gesellschaft als Organ der Personenhandelsgesellschaften, 2010, S. 27–37 (37). 127 Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144. 128 Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, S. 106; Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 421: „Den Rechtsgeschäften als Handlungen mit Rechtsfolgen, die, weil sie gewollt sind, eintreten, stehen Handlungen gegenüber, an welche Rechtswirkungen sich anschließen, für deren Eintritt nach der Rechtsordnung gleichgültig ist, ob sie von den Handelnden gewollt oder nicht gewollt sind.“ 129 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 527; auch nach h. M. ist die juristische Person zwar selbst Besitzerin, sie hat jedoch nur durch ihre Organe die tatsächliche Sachherrschaft (agere per alios), und zwar indem ihr erst durch das Recht die fremde Sachgewalt ihrer Organe als eigene zugerechnet wird (fictio iuris: als ob); bei Westermann/Gursky/ Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 19 Rn. 4, 6, ist deshalb von einer „Fremdwirkung des Organhandelns“ die Rede („hM“); Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 7 Rn. 70. 130 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 528; Beuthien, NJW 1999, 1142, 1143. 131 Arnold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 31 Rn. 33; siehe auch Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 530. 132 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 531–532. 133 So ausdrücklich Arnold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 31 Rn. 33. 134 BGHZ 98, 148, 153.
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den (zumindest noch) in den Kreis der Maßnahmen fallen, die allgemein zum übertragenen Aufgabenbereich gehören.135 Um es mit dem Bild des (sozialen) Körpers zu veranschaulichen: Das Auge sieht, das Ohr hört und die Hand greift und dabei kommt es nicht darauf an, ob das Auge das, was es sieht, sehen darf, das Ohr das, was es hört, hören darf, und die Hand das, was sie ergreift, auch ergreifen darf, sondern allein darauf an, dass Auge, Ohr und Hand es faktisch tun, auch wenn sie es eigentlich nicht dürfen.
II. Der Unterschied zwischen Identitätsrepräsentation und Organschaft Während die Körperschaft stets allein durch ihre Organe wollen und handeln kann (pars pro toto), weil selbst die jetztlebenden Mitglieder in ihrer Gesamtheit nur ein Teil des menschlichen Verbands sind, dem im Recht die Körperschaft als Person (d. h. als Rechtssubjekt) entspricht, sind die gegenwärtigen Gesellschafter alle zusammen (in Gemeinschaft) die Gesamthand, sodass die Gesellschaft allein in diesem Sinn durch sie wollen und handeln kann. Die Gesellschafter müssen indes nicht notwendig stets alle zusammen als Gesamthand auftreten, vielmehr können auch ein oder mehrere Gesellschafter pars pro toto als Gesellschaft agieren (vgl. § 710 BGB; § 114 Abs. 2, § 125 Abs. 1 und 2 HGB).136 Der handelnde Gesellschafter vertritt dabei nicht teilweise sich selbst und teilweise die anderen Gesellschafter (jeder für sich), sondern „ausschließlich die von ihm als Träger dargestellte Personeneinheit“.137 Er ist anders als bei einer römischen societas nicht Stellvertreter i. S. des § 164 BGB seiner socii, vielmehr bildet er in seiner Person alle Gesellschafter zusammen (und damit auch sich selbst) als verbundene Subjekte, oder kollektive Einheit, ab. Wenn es in § 714 BGB aber heißt, der geschäftsführende Gesellschafter vertrete „die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber“, kommt in dieser Regelung zunächst allein die römische societas zum Ausdruck. Denn im Kern ist § 714 BGB unverändert aus dem ersten Entwurf zum BGB übernommen (E I § 640 Abs. 1).138 Dort war die Gesellschaft aber ausschließlich eine Innenge135 BGHZ 98, 148, 152, wonach die Abgabe einer Bürgschaftserklärung generell zum Wirkungskreis des Vorstandsmitglieds gehört. Dass das Vorstandsmitglied, weil es nur zur Gesamtvertretung befugt war, in betrügerischer Absicht handelte, indem es die Unterschrift eines Mitzeichnungsberechtigten fälschte, war hier unerheblich, weil es allein darauf ankam, „ob das Rechtsgeschäft, bei dem die unerlaubte Handlung begangen wurde, in den allgemeinen Rahmen der dem Organ übertragenen Obliegenheiten fiel“ (dort, S. 153). 136 Bei einer solchen Gesamtvertretung (vgl. § 125 Abs. 2 Satz 1 HGB) ist die Vertretung „einer engeren Personeneinheit“ innerhalb der Gesellschaft, quasi einer Gesamthand im Kleinen, „eingeräumt“ (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687). 137 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687. 138 BGHZ 146, 341, 347. Die zweite Kommission ersetzte die Formulierung „auch als bevollmächtigt zur Vertretung der übrigen Gesellschafter anzusehen“ erst durch „auch befugt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten“ und schließlich durch
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sellschaft (societas) und die socii daher nur unverbundene Subjekte (Vielheit). Da es im ersten Entwurf eine kollektive Einheit (d. h. eine Gesamthand) noch nicht gab, konnte der geschäftsführende Gesellschafter bloß für jeden einzelnen der „anderen Gesellschafter“ als Stellvertreter auftreten und auf diese Weise jeden für sich berechtigen und verpflichten (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für die BGB‑Gesellschaft als Gesamthand ist § 714 BGB daher allein so zu lesen, dass der geschäftsführende Gesellschafter „im Zweifel auch ermächtigt“ ist, „die anderen Gesellschafter“ und sich selbst als verbundene Subjekte oder gleichbedeutend als eine kollektive Einheit und damit als Gesellschaft „Dritten gegenüber zu vertreten“, d. h. in seinem Handeln als Teil die Gemeinschaft zur gesamten Hand als Ganzes nach außen im Rechtsverkehr darzustellen, pars pro toto zu vergegenwärtigen, die kollektive Einheit in seiner Person zu verkörpern und so gleichsam die Gesellschaft selbst zu sein.139 Weil es bei der societas im Gegensatz zur „deutschen Gesellschaft“ als Gesamthand kein Ganzes (totus) gibt, kann hier ein Gesellschafter (socius) schon per se nicht als Teil für das Ganze (pars pro toto) wollen und handeln und ist ein geschäftsführender Gesellschafter „im Zweifel“ ausschließlich befugt, jeweils für jeden einzelnen seiner Mitgesellschafter als Stellvertreter i. S. des § 164 BGB aufzutreten (§ 714 BGB), nicht aber für sie als eine Personeneinheit, weil es eine solche Gesamtheit der socii (als Gesellschaft) bei der societas gerade nicht gibt. Ein Gesellschafter, in dessen Handeln der Rechtsverkehr das eines der kollektiven Einheit als Gesellschaft sieht, nähert sich in seiner Stellung zwar der eines körperschaftlichen Organs stark an, geht aber niemals in ein solches Amt über.140 Denn obgleich geschäftsführender Gesellschafter und Organ jeweils als Teil für das Ganze stehen, hier für die Gesamthand und dort für die Körperschaft, ist das Ganze bei beiden grundverschieden. Die Körperschaft ist rechtlich gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigt. Durch das Handeln der Mitglieder (d. h. als Menschen), aus denen sich das Organ real zusammensetzt, werden nicht sie berechtigt und verpflichtet, sondern ausschließlich die Körperschaft. Und weil sie allein Rechtsträgerin ist, sind insofern die Mitglieder lediglich tatsächlich, aber nicht rechtlich Teil der Körperschaft als Ganzes. Anders bei der Gesamthand, hier sind die Gesellschafter tatsächlich und rechtlich die Gesellschaft. Der geschäftsführende Gesellschafter ist deshalb auch rechtlich Teil der Gesellschaft und so treffen auch ihn die Rechtsfolgen seines Handelns für die Gesellschaft. Er ist zusammen mit seinen Mitgesellschaftern Subjekt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Und weil die Gesellschafter als solche (d. h. als ganze Person) Schuldner sind, haften sie im Gegensatz zu den Mitgliedern einer Körperschaft (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG; „auch ermächtigt, …“, wobei sie darin lediglich redaktionelle Änderungen sah ( Jakobs/ Schubert, Die Beratungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 3, 1983, S. 281, 282). 139 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 90. 140 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687.
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§ 13 Abs. 2 GmbHG) auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Bei der Gesamthand ist zudem der Gesellschafter als solcher geschäftsführungsbefugt und vertretungsberechtigt, bei der Körperschaft ist es das Organ, in der Regel der Vorstand (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB).141 Durch ihre Verfassung erhält die Körperschaft ihren Vorstand, der seinerseits eine Körperschaft im Kleinen ist.142 Beide unterscheiden sich dadurch, dass die Körperschaft (im Großen) durch sich selbst besteht, der Vorstand (die „Regierung“) aber nur durch die Körperschaft, er hat „nur eine Art geliehenes und untergeordnetes Leben“ und ist deshalb als untergeordnetes Ganzes in das Ganze derart eingegliedert, dass für den Vorstand der „Gemeinwille“ die oberste Richtschnur ist.143 Das Organ (Vorstand, Aufsichtsrat) wird durch Menschen als Organpersonen (Organmitglieder) besetzt.144 Die Aufgaben und Befugnisse des Organs nehmen die Organpersonen, die Menschen als Mitglieder, wahr, wobei das Handeln der Organwalter innerhalb des dem Organ übertragenen Aufgabenkreises ipso iure und damit von selbst ein solches des Organs und dieses wiederum automatisch eines der Körperschaft ist (in diesem Sinn wird das Verhalten der Organwalter der Körperschaft zugerechnet). Bei der Identitätsrepräsentation der Gesamthand steht daher „potentiell jeder Teil unmittelbar für das Ganze, das er vergegenwärtigt; bei der Organschaft (…) steht nur das Organ für seinen ‚Funktionsbereich‘ und darum erst mittelbar für das Ganze“ (Wolff).145 Der pars-pro-toto-Gedanke ist demzufolge bei Körperschaft und Gesamthand ein anderer. Um diese Differenz bereits im Begriff zu verdeutlichen, ist die Vertretung des Ganzen durch einen Teil bei der Körperschaft als Organschaft, bei der Gesamthand als Identitätsrepräsentation zu bezeichnen. Bildähnlich zum natürlichen Körper sind bei der Körperschaft die Funktionen und Fähigkeiten auf verschiedene Organe aufgeteilt: Das Auge sieht, das Ohr hört, die Hand greift, das Auge kann nur sehen und nicht hören, und das Ohr ausschließlich hören, nicht aber auch sehen, die Hand greifen, jedoch weder sehen noch hören. Die Organe sind hier also nicht mit dem Restkörper identisch, sondern werden von ihm delegiert, sind von ihm eigens beauftragt.146 141 Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144. 142 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag,
1762 (2011), Buch 3, Kap. 1 (S. 67): „Die Regierung ist im kleinen, was die sie umfassende politische Körperschaft im großen ist.“ 143 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 3, Kap. 1 (S. 68, 69). 144 Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144, wonach sich das Organ nicht mit der Summe seiner Mitglieder deckt und deshalb auch ganz oder teilweise unbesetzt sein kann. Es muss nicht neu gebildet, sondern nur wiederbesetzt werden. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 498 („menschliche Träger“). 145 Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 2, 1934, S. 98 (Hervorhebung nicht im Original). 146 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 90.
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Das unterscheidet das Organ vom geschäftsführende Gesellschafter, der als der Repräsentant der Gesamthand mit der kollektiven Einheit aller Gesellschafter (Gesellschaft) gleichzusetzen ist.147 Während daher bei der Gesamthand „die Rechtsmacht des Repräsentanten nicht einen Deut geringer ist als diejenige des Repräsentanten“, hat ein Organ nicht dieselben Rechte wie die Körperschaft als Ganzes, auch wenn es als Teil für sie (pars pro toto) steht.148 Das Organ ist ausschließlich innerhalb des ihm übertragenen Aufgabenkreises die Körperschaft, selbst hier bleibt es bloß ein Teil, es wird nicht zum Ganzen.149 Anders bei der Gesamthand, hier hat der geschäftsführende Gesellschafter im Grundsatz dieselben Rechte wie die Gesellschaft. Denn weil er mit ihr identisch ist, ist er die Gesellschaft, er ist, obschon ja nur ein Teil, das Ganze. Das gilt vollumfänglich zunächst einmal für die Handelsgesellschaften (d. h. für OHG und KG), im Kern aber auch für die GbR.150
III. Die Identitätsrepräsentation 1. Rechtsgeschäfte und erlaubte Rechtshandlungen Dass die Gesamthand mit dem Gedanken einer solchen Identitätsrepräsentation verbunden ist, offenbart sich für die Handelsgesellschaften, die den „Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ darstellen,151 in § 126 HGB, wonach sich die Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters auf sämtliche Geschäfte und Rechtshandlungen erstreckt (§ 126 Abs. 1 HGB) und die Gesellschafter den Umfang dieser Vertretungsmacht auch Dritten gegenüber nicht beschränken können (§ 126 Abs. 2 HGB). Der geschäftsführende Gesellschafter hat demnach kraft Gesetzes (ipso iure) dieselbe Rechtsmacht wie alle zusammen (als Gesellschaft). Er ist demgemäß in seinem Handeln mit der Gesellschaft als Ganzes identisch (Identitätsrepräsentation). Wenn der vertretungsbefugte Gesellschafter demnach im Geschäftskreis der Gesellschaft auftritt, ist es so, als ob tatsächlich alle Gesellschafter in Gemeinschaft, d. h. als Gesellschaft, handelten. Gibt er deshalb als Gesell147 Nach Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 213, bedeutet die Identitätsrepräsentation lediglich eine Teilidentität oder perspektivische Identität, d. h. das Teil steht für das Ganze, doch erschöpft sich das Ganze nicht in dem Teil. Der Rat ist die Stadt und das Konzil die Kirche, doch ist die Stadt nicht nur der Rat und die Kirche nicht allein das Konzil. Für Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 952, 956, Fn. 56, folgt aus dieser „Repräsentation“ die persönliche und unmittelbare Haftung der Gesellschafter „als Einzelne“. Denn dass die Gesellschafter als Einzelne verklagt werden können, „beruht darauf, dass, wo Einer stets für Alle stehen kann, stets auch Einer für alle stehen muss“. 148 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 212 (Zitat), 243, 245. 149 Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 2, 1934, S. 96, 98. 150 Dazu sogleich. 151 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670 (Zitat).
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schaft eine Willenserklärung ab, wird diese den anderen Gesellschaftern nicht als fremde Willenserklärung zugerechnet (so aber § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB: „wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen“),152 sie ist von selbst (ipso iure) eine gemeinschaftliche und eigene Willenserklärung aller Gesellschafter. Damit die Gesellschafter vertreten durch einen ihrer Mitgesellschafter eine solche gemeinschaftliche Willenserklärung wirksam abgeben können, müssen die Voraussetzungen dafür ausschließlich in der Person des handelnden Gesellschafters (Repräsentanten), nicht aber bei allen Gesellschaftern erfüllt sein. Nur er muss geschäftsfähig sein und allein ein Irrtum in seiner Person kann Anlass für eine Anfechtung sein. Die kollektive Handlungsfähigkeit des vertretungsberechtigten Gesellschafters umfasst jedoch nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch Rechtshandlungen (vgl. § 126 Abs. 1 HGB). Übt er als Gesellschaft die tatsächliche Gewalt über eine Sache aus, die zum gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter gehört (§ 718 Abs. 1 BGB), haben sie insgesamt Besitz an der Sache (§ 854 Abs. 1 BGB).
2. Unerlaubte Handlungen Der geschäftsführende Gesellschafter kann nicht nur rechtmäßig, sondern auch rechtswidrig handeln. Ein Gemeinschaftsdelikt liegt daher auch dann vor, wenn jener als Gesellschaft einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zufügt. Er begeht hier nicht teilweise selbst eine eigene unerlaubte Handlung und teilweise für die anderen Gesellschafter ein fremdes Delikt, stattdessen begehen alle Gesellschafter in Gemeinschaft (als Gesellschaft) eine unerlaubte Handlung. Jeder von ihnen handelt in seiner Person ipso iure deswegen schuldhaft, weil der vertretungsberechtigte Gesellschafter auch hierbei mit der von ihm als Träger dargestellten kollektiven Einheit gleichzusetzen ist.153 Es wird den anderen Gesellschaftern demzufolge nicht erst das fremde Verschulden des geschäftsführenden Gesellschafters zugerechnet. Sie alle haften in diesem Fall automatisch als verbundene Subjekte (d. h. als Gesamthand) für das gemeinschaftlich begangene eigene Delikt auf Schadensersatz, und zwar sowohl 152 Der Vertreter gibt nach h. M. eine eigene Willenserklärung ab. Er allein schließt das Rechtsgeschäft ab, lediglich dessen Wirkungen treffen den Vertretenen, sie werden auf den Geschäftsherrn übergeleitet (so die Repräsentationstheorie). Das rechtsgeschäftliche Handeln des Vertreters ist deshalb nicht ein Eigenhandeln des Vertretenen (so aber die Geschäftsherrntheorie) (Schubert, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 164 Rn. 19). Weil es ein agere per se allein dort geben kann, wo der Vertreter Teil des Vertretenen ist (pars pro toto), kann die gewillkürte Stellvertretung auch nur ein agere per alium sein. Dem Geschäftsherrn muss deshalb die fremde Willenserklärung des Stellvertreters erst noch im Recht über § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB zugerechnet werden (fictio iuris). 153 A. A. noch Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684, Fn. 106, wonach ein Delikt nur im Fall des Verschuldens aller Gesamthänder als ein Gemeinschaftsdelikt gelten kann.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
innerhalb als auch außerhalb eines bereits mit der Gesellschaft bestehenden (vor-) vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses (§ 280; §§ 823–853 BGB).154 Auf ein eigenes Verschulden der anderen Gesellschafter kommt es dabei nicht an, sondern nur auf das des handelnden Gesellschafters (als Repräsentanten). Und weil jeder Gesellschafter stets als ganze Person gebunden ist, sind sie dabei nicht nur gemeinschaftliche Schuldner (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern auch jeder für sich, und haben deshalb auch persönlich (mit ihrem Privatvermögen) für das Gemeinschaftsdelikt als Gesamtschuldner einzustehen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Da den anderen Gesellschaftern nicht das fremde Verschulden des vertretungsberechtigten Gesellschafters (erst noch extra) zugerechnet wird, vielmehr jedem von ihnen insofern bereits ein eigenes Verschulden zur Last fällt, verstößt ihre persönliche Haftung auch nicht gegen den Kerngedanken des Deliktsrechts (§§ 823–853 BGB), dass jeder ausschließlich für sein eigenes Verschulden haftet (vgl. § 831 Abs. 1 BGB, wonach eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsherr ein eigenes Auswahl- und Überwachungsverschulden voraussetzt).155 Dabei muss allein der geschäftsführende Gesellschafter in seiner Person den Tatbestand der unerlaubten Handlung vollumfänglich verwirklichen, es kommt daher bspw. ausschließlich auf seine Verschuldensfähigkeit und nicht (auch) auf die seiner Mitgesellschafter an (vgl. §§ 276 Abs. 1 Satz 2, 827, 828 BGB). Der vertretungsbefugte Gesellschafter tritt aber nur dann im Rechtsverkehr als Gesellschaft und dementsprechend für alle Gesellschafter zusammen als verbundene Subjekte (kollektive Einheit) auf, wenn zwischen der schädigenden Handlung und den Gesellschaftsangelegenheiten ein innerer Zusammenhang besteht. Das ist der Fall, wenn die konkrete schädigende Handlung aus der Sicht eines Außenstehenden (noch) in den Kreis der Maßnahmen fällt, die allgemein zum Geschäftskreis der Gesellschaft gehören, denn nur auf diese Weise kommt im Handeln des vertretungsberechtigten Gesellschafters „der Wille der Gesellschaft“ zum Ausdruck.156 Auch wenn die Haftung der Gesellschaft für ein Verschulden ihres vertretungsberechtigten Gesellschafters (Repräsentanten)157 ebenso wie die Ein154 Auch bei einem kontraktlichen Verschulden wird den anderen Gesellschaftern das des handelnden Gesellschafters nicht „wie eigenes Verschulden“ zugerechnet (§ 278 Satz 1 BGB). 155 Für Canaris, ZGR 2004, 69, 109, ist es eine „Fundamentalwertung des geltenden Rechts, dass eine Deliktshaftung grundsätzlich eigene personale Verantwortung voraussetzt“ (Hervorhebung im Original). Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 344, spricht sich deshalb selbst bei der OHG gegen eine persönliche Haftung der anderen Gesellschafter für eine unerlaubte Handlung des geschäftsführenden Gesellschafters aus; so auch Schäfer, ZIP 2003, 1225, 1227–1229; Altmeppen, NJW 2003, 1553, 1557. 156 So ausdrücklich RGZ 32, 32, 36 (vor dem BGB). 157 Der Begriff der Repräsentation ist hier eine Abbreviatur für die Identitätsrepräsen-
C. Organschaft und Identitätsrepräsentation
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standspflicht der Körperschaft für ein Organverschulden einen sachlichen Zusammenhang zwischen schädigender Handlung und übertragenem Aufgabenkreis voraussetzt, folgt allenfalls ausschließlich bei der Körperschaft die Organhaftung aus § 31 BGB (analog), nicht aber auch für die Gesellschaft (so aber die h. M.).158 Denn bei der Körperschaft ist das Organ nur ein Teil, es steht für das Ganze, ist aber nicht das Ganze; dem Organ ist lediglich ein bestimmter Aufgabenbereich übertragen (das Auge sieht, das Ohr hört, die Hand greift). Anders verhält es sich mit dem geschäftsführenden Gesellschafter. Er ist die Gesamthand und daher die kollektive Einheit der Gesellschafter. Ihre Einstandspflicht für das Handeln ihres Repräsentanten beruht deshalb auf dem Prinzip der Identitätsrepräsentation. Dem Wesen dieses Grundsatzes entspricht es im Kern, dass ein kraft gesamter Hand vertretungsbefugter Gesellschafter nicht nur für einen begrenzten Teilbereich, sondern in sämtlichen Gesellschaftsangelegenheiten die Personeneinheit darstellt. Das gilt jedoch allein für die Handelsgesellschaften (d. h. für OHG und KG) uneingeschränkt, da nur sie, wie Gierke es ausdrückt: „den Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ aufweisen.159 Bei der BGB‑Gesellschaft kann dagegen der Gesellschaftsvertrag durchaus vorsehen, dass einer oder mehrere Gesellschafter nur in bestimmten Gesellschaftsangelegenheiten die Gesellschaftergesamtheit (Personeneinheit) repräsentieren und sie demgemäß allein in dem ihnen übertragenen Aufgabenkreis als Teile das Ganze, d. h. die Gesellschaft, sind.160
tation, bei der das Teil mit dem Ganzen gleichzusetzen ist. Dagegen soll nach h. M. die Bezeichnung „Repräsentation“ ausdrücken, dass der Handelnde (Repräsentant) lediglich einen Teilbereich des Zurechnungssubjekts (Repräsentierten) „darstellt“ (so bereits Westermann, JuS 1961, 333, 334). Der Begriff soll dabei selbst bei § 31 BGB ein agere per alios und damit den Vertreter allgemein erfassen (Repräsentantenhaftung), obgleich dort ausschließlich vom „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“, oder vom Organ, die Rede ist. Die alii werden demzufolge erst über eine fictio iuris so behandelt, als wären sie tatsächlich ein Organ der juristischen Person (pars pro toto) und das auch nur, weil die h. M. der juristischen Person den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB nehmen will (so ausdrücklich BGHZ 49, 19, 21). 158 So noch im Jahr 1911 das Reichsgericht, das die Haftung der OHG für eine unerlaubte Handlung ihres vertretungsberechtigten Gesellschafters ausdrücklich nicht auf § 31 BGB stützte, sondern auf ihre ständige Rechtsprechung (RGZ 76, 35, 48); anders dann aber BGH, NJW 1952, 537, 538, der zwar an die Rechtsprechung des Reichgerichts anknüpfte, die Haftung der OHG für ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter jedoch derjenigen der juristischen Person für ihre gesetzlichen Vertreter nach § 31 BGB gleichsetzte; nunmehr h. M. (K. Schmidt, in: MünchKomm-HGB, 3. Aufl. 2011, § 124 Rn. 17); auch für die GbR (BGHZ 154, 88, 94; BGHZ 155, 205, 210; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 31 Rn. 2). 159 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. 160 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 842.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
3. Grundlage und Reichweite Weil die Gesellschafter in Gemeinschaft die Gesellschaft sind, entspricht es bereits ihrem Wesen als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand, dass ipso iure (kraft Gesetzes) zunächst einmal ausschließlich alle Gesellschafter zusammen kollektiv handlungsfähig sind und sie insofern bloß insgesamt als Gesellschaft Dritten gegenüber auftreten können (vgl. §§ 709 Abs. 1, 714 BGB). Die Gesellschafter sind in diesem Sinn „alle (…) nur in Gemeinschaft zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt“ (vgl. § 125 Abs. 2 Satz 1 HGB). Es können jedoch auch mehrere Gesellschafter zusammen (gleichsam als eine Gesamthand im Kleinen)161 oder aber auch bloß einer von ihnen allein die Gesellschaft im Rechtsverkehr repräsentieren, sie insofern vertreten (vgl. §§ 710, 714 BGB; § 125 Abs. 2 Satz 1 HGB). Damit aber im Handeln des einzelnen Gesellschafters oder mehrerer von ihnen auch der „Wille aller“ (volonté de tous), in Gemeinschaft handeln zu wollen, zum Ausdruck kommt, muss ihnen das Gesetz (§ 125 Abs. 1 HGB) oder der Gesellschaftsvertrag (vgl. §§ 710, 714 BGB; § 125 Abs. 2 Satz 1 HGB) die Befugnis dazu erst ausdrücklich übertragen und sie in diesem Sinn zur „Vertretung der Gesellschaft“ ermächtigen (so die Formulierung in § 125 Abs. 1 HGB; vgl. dazu auch § 714 BGB, wonach der geschäftsführungsbefugte Gesellschafter „im Zweifel auch ermächtigt“ ist, „die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten“). Da nun das Prinzip der Identitätsrepräsentation zur Rechtsnatur jeder Personengesellschaft als Gesamthand gehört, sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob die Gesellschafter sowohl einer OHG (und einer KG) als auch einer BGB‑Gesellschaft ausschließlich imstande wären, im Gesellschaftsvertrag festzulegen, dass sie einen oder mehrere von ihnen zur „Vertretung der Gesellschaft“ ermächtigen („Ob“), nicht aber den Umfang dieser Vertretungsmacht wie bei einem körperschaftlichen Organ auf einen Teilbereich davon zu beschränken („Wie“) und so die „einheitliche Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft“ durch einen oder mehrere von ihnen als Repräsentanten zu begrenzen.162 Eine solche Beschränkung der Identitätsrepräsentation auf einen Teilausschnitt der kollektiven Handlungsfähigkeit scheint schon per se mit ihrem Wesen unvereinbar zu sein, wonach der Repräsentant (Vertreter) mit dem Repräsentierten (Vertretenen) gleichzusetzen ist. Der Grundsatz der Identitätsrepräsentation besagt indes für die Gesamthand allein, dass der Gesellschafter dort, wo er „Vertretungsmacht kraft gesamter Hand“ besitzt, als Teil das Ganze ist und deshalb in diesem Aufgaben-
161 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687, spricht hier von einer „engeren Personeneinheit“. Als „verbundene Personenmehrheit“ ist die Gesamthand eine „Personeneinheit“ (dort, S. 682). 162 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 842 (Zitat).
C. Organschaft und Identitätsrepräsentation
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bereich sein Wollen und Handeln das aller insgesamt und kollektiv ist.163 Der Gesellschaftsvertrag kann infolgedessen durchaus die „gesellschaftliche Vertretungsmacht beliebig verteilen, ausdehnen oder einschränken und damit die einheitliche Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft“ durch einen oder mehrere von ihnen „zugleich steigern und begrenzen“.164 Der Gesellschafter kann deshalb die Gesellschaft in seiner Person auch bloß begrenzt auf den Aufgabenbereich, der ihm durch den Gesellschaftsvertrag übertragen worden ist, repräsentieren. Aber auch dann stellt er als Mitträger die Personeneinheit, d. h. als Teil das Ganze, dar, sodass sich seine (insofern beschränkte) Vertretungsmacht auf alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen erstreckt, die von dem Aufgabenkreis, der ihm durch den Gesellschaftsvertrag übertragen worden ist, umfasst sind.165 Es kommt also auch hier nicht darauf an, ob er als Vertreter innerhalb seiner Zuständigkeit (Vertretungsmacht) etwas tun darf, sondern allein, ob er es tun kann, sodass sowohl rechtmäßige als auch rechtswidrige Handlungen des vertretungsbefugten Gesellschafters von seiner Vertretungsmacht gedeckt sein können. Dadurch nähert sich die Rechtsstellung des vertretungsbefugten Gesellschafters zwar dem eines körperschaftlichen Organs stark an, dennoch ist der Gesellschafter selbst dann nicht ein „Organ“ der Gesellschaft.166 Denn anders als bei einer Körperschaft ist die Gesamtheit der gegenwärtigen Gesellschafter die Gesellschaft (die Gesamthand) und nicht bloß ein Teil davon. Ein Gesellschafter, der seine Gesellschaft, d. h. sämtliche Gesellschafter zusammen, vertritt, will und handelt deshalb nicht als Teil für das Ganze, sondern ist als Teil das Ganze. Er ist in diesem Sinn, zumindest bezogen auf den ihm übertragenen Aufgabenbereich, die Gesellschaft. Das Wollen und Handeln des vertretungsbefugten Gesellschafters wird daher insoweit so angesehen, als ob tatsächlich nicht bloß er allein, sondern alle Gesellschafter gemeinschaftlich (zur gesamten Hand) in der delegierten gesellschaftlichen Angelegenheit wollen und handeln würden. Das gilt zwar im Kern sowohl für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als auch für die des Handelsrechts (für OHG und KG). Dass die Handelsgesellschaften aber auch in Bezug auf die Identitätsrepräsentation das Wesen der Personengesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand vollkommen verwirklichen, offenbart sich an der Regelung des § 126 HGB, wonach sich die Vertretungsmacht eines OHG‑Gesellschafters in den Angelegenheiten der Gesellschaft zwingend auf alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen erstreckt und daher selbst durch den Gesellschaftsvertrag nicht auf einen 163 164
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 841 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 842. 165 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687. 166 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
Teilbereich davon beschränkt werden kann.167 Eine solche umfassende Vertretungsmacht kraft gesamter Hand passt schon allein deshalb gut zum Prinzip der Identitätsrepräsentation, weil hier der Gesellschafter zwar wie bei einer Körperschaft nur ein Teil des Ganzen ist, aber nicht bloß für, sondern als das Ganze (d. h. die Gesellschaftergesamtheit) auftritt. Weil er (als Teil) das Ganze ist und er daher die Personeneinheit als solche darstellt, muss er an sich dazu in der Lage sein, alles das zu tun, was auch sämtliche Gesellschafter zusammen in Gemeinschaft tun können. Demgemäß umfasst bei einer idealtypischen Gesamthand wie den Handelsgesellschaften (OHG und KG) die gesellschaftliche Vertretungsmacht alle Aufgabenbereiche der Gesellschaft und nicht bloß einen Teil davon. Der Unterschied zwischen körperschaftlichem Organ und der Stellung als Repräsentant einer Gesamthand wird demzufolge erst bei den Handelsgesellschaften (als OHG und KG) vollkommen, weil anschaulich sichtbar.
4. Der Unterschied zwischen deutscher und römischer Gesellschaft Während ein vertretungsbefugter Gesellschafter bei der GbR als „deutscher Gesellschaft“ die „von ihm als Träger dargestellte Personeneinheit“ (d. h. die Gesellschaftergesamtheit) vertritt, vertritt bei einer societas ein Gesellschafter „teilweise sich selbst und teilweise Andere“.168 Das folgt zwingend daraus, dass die societas eine reine Innengesellschaft ist. Die socii stehen hier nach außen jeder für sich. Eine Gesellschaft als solche gibt es nicht. Ein Gesellschafter, der im Namen der societas auftritt, handelt deshalb Dritten gegenüber für sich selbst und vertritt gleichzeitig als rechtsgeschäftlicher Stellvertreter (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB) „die anderen Gesellschafter“ (§ 714 BGB). Die „anderen Gesellschafter“, und zwar jeder für sich, müssen den handelnden Gesellschafter hierfür aber „bevollmächtigen“ (§ 167 Abs. 1 BGB). Die socii können dabei wie auch sonst bei jeder anderen rechtsgeschäftlichen Vollmacht Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht, die dem Stellvertreter zustehen soll (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), eigenmächtig festsetzen (gewillkürte Stellvertretung), wobei die (rechtsgeschäftliche) Vertretungsmacht „im Zweifel“ mit der Geschäftsführungsbefugnis gleichläuft (§ 714 BGB: „soweit“). Die Vertretungsmacht ist daher bei der societas auf rechtsgeschäftliches Handeln, die Abgabe von Willenserklärungen, beschränkt und umfasst allenfalls noch schädigendes Verhalten des Vertreters im Rahmen von bereits bestehenden Schuldverhältnissen (vgl. § 278 BGB). Die Vertretungsmacht kraft gesamter Hand bei der „deutschen Gesellschaft“ erstreckt sich im Gegensatz dazu, zumindest für den Aufgabenkreis, der dem Gesellschafter zuvor im Gesellschaftsvertrag über167 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 842, Fn. 53, sieht darin einen „scharfen Gegensatz“ zwischen dem bürgerlichen Gesellschaftsrecht und dem des Handelsrechts. 168 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687.
C. Organschaft und Identitätsrepräsentation
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tragen worden ist, auf alle davon erfassten Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen und daher auch auf unerlaubte Handlungen, durch die der Gesellschafter einen Dritten außerhalb eines schon bestehenden Schuldverhältnisses in Angelegenheiten der Gesellschaft schädigt (vgl. § 31 BGB analog). Da § 714 BGB „im Kern unverändert“ aus § 640 Abs. 1 des ersten Entwurfs hervorgegangen ist, dort aber die Gesellschaft noch ausschließlich eine römisch-rechtliche societas (als reine Innengesellschaft) war,169 gilt die Auslegungsregel des § 714 BGB sogar in erster Linie für die GbR als societas.170 Die h. M. nimmt demzufolge zu Unrecht an, dass das kennzeichnende Merkmal für eine Innengesellschaft (societas) darin besteht, dass bei ihr die Gesellschaft nach außen nicht auftritt.171 Der Gesellschafter ist zwar Beauftragter der anderen socii, dennoch muss er nicht (ausschließlich) im eigenen Namen Geschäfte mit Dritten abschließen, um erst anschließend den anderen Gesellschaftern Miteigentum an den für die societas erworbenen Sachen zu übertragen, die Forderungen anteilig an sie abzutreten (vgl. §§ 713, 667 BGB) und umgekehrt für die Verbindlichkeiten, die er in Angelegenheiten der societas eingegangen ist, Aufwendungsersatz zu bekommen (vgl. §§ 713, 670 BGB).172 Die Gesellschafter können wie auch sonst eine Einzelperson im Rechtsverkehr durchaus einen oder mehrere von ihnen als gewillkürte Stellvertreter bevollmächtigen (§ 167 Abs. 1 BGB), für sie gegenüber Dritten eine Willenserklärung abzugeben (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Rechtsnatur der societas als rein schuldrechtliche Innengesellschaft erschöpft sich allein darin, dass es eine Gesellschaft als solche hier nicht gibt und daher die Rechtshandlungen eines Gesellschafters nicht (wie bei der Gesamthand) von selbst (ipso iure) Rechtswirkungen für die anderen socii erzeugen. Der handelnde Gesellschafter tritt aus diesem Grund nicht für die Gesellschaft als solche auf, sondern für jeden Einzelnen seiner Mitgesellschafter. Er gibt dabei selbst dann eine (eigene) Willenserklärung für sich selbst und im Namen der übrigen Gesellschafter und damit für jeden Einzelnen von ihnen ab (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn er als Gesellschaft (societas) nach außen auftritt. Denn nur weil die gesellschaftliche Beteiligung der anderen 169 BGHZ 146, 341, 347 (Zitat); Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989, wonach die Gesellschaft im ersten Entwurf „ein rein obligatorisches Verhältnis“ und demgemäß eine societas (Innengesellschaft) war. 170 A. A. Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 23 m. w. N. („h. M.“). 171 So aber ausdrücklich BGHZ 12, 308, 314; ihm folgend Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 714 Rn. 18; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 23; siehe aber Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 330, wonach sich die rechtlichen Beziehungen und Wirkungen bei der societas nach den allgemeinen Grundsätzen, namentlich denjenigen über Stellvertretung und Vollmacht, bestimmen. 172 Anders BGHZ 12, 308, 314.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
Gesellschafter (als socii) nach außen für Dritte zu erkennen ist, wird aus der societas als Innengesellschaft nicht eine Außengesellschaft.173 Für den Charakter der BGB‑Gesellschaft als römische societas (Innengesellschaft) oder als „deutsche Gesellschaft“ (Außengesellschaft) kommt es stattdessen allein auf den Gesellschaftsvertrag an.174 Dabei kann die Gesellschaft sowohl bei der societas als auch bei der „deutschen Gesellschaft“ als einer zur gesamten Hand vereinbarungsgemäß nach außen auftreten.175 Das Auftreten des vertretungsberechtigten Gesellschafters nach außen ist bei der societas und der „deutschen Gesellschaft“ (Gesamthand) allein insofern verschieden, als ein oder mehrere socii teilweise für sich und teilweise für die anderen Gesellschafter handeln (agere per alios), während bei der „deutschen Gesellschaft“ ein oder auch mehrere vertretungsbefugte Gesellschafter für alle zusammen als kollektive Einheit auftreten (agere per se), sie als Ganzes darstellen.176 Das beruht darauf, dass bei der „deutschen Gesellschaft“ die Gesellschafter zusammen einen gemeinsamen status als Raum im Recht innehaben, der sie nach außen zu einer kollektiven Einheit formt, sodass sie Rechte und Pflichten gemeinschaftlich haben und nur zusammen darüber verfügen können (§§ 718 Abs. 1, 719 Abs. 1 BGB). Deshalb kann zwar die „deutsche Gesellschaft“ (als Außengesellschaft) ein Gesamthandsvermögen und damit ein echtes, da in sich abgeschlossenes Gesellschaftsvermögen haben, nicht aber die societas, da hier die Gesellschafter (als socii) nicht einen solchen gemeinsamen status einnehmen und demgemäß nicht kollektiv rechtsfähig sind. Die socii haben daher jeder für sich lediglich Miteigentum an den gemeinschaftlichen Sachen, Rechten und Forderungen, sodass es hier im eigentlichen Sinn ein Gesellschaftsvermögen nicht gibt.177 Bei der societas als einer Innengesellschaft fehlt es daher zwingend an einem Gesamthandsvermögen.178 Bei der „deutschen Gesellschaft“ als einer Gesamthand folgt im Gegensatz dazu aus der Personengemeinschaft (d. h. aus dem gemeinsamen status), erst und stets eine 173 So aber BGHZ 12, 308, 314. 174 BGH, WM 1966, 31, 32; ihm
folgend Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 279; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 28. 175 A. A. aber die h. M. (Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 279). 176 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 6, unterscheidet Innen- und Außengesellschaft danach, „ob das Gesellschaftsverhältnis ausschließlich ein Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander ist oder ob die Gesellschaft als Gesamthand, d. h. als Gruppe, Träger von Rechtsbeziehungen ist“. 177 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989. 178 A. A. Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 28; Beuthien, NZG 2011, 161, 164; für Habermeier, in: Staudinger, BGB, 2003, § 705 Rn. 59, hat die GbR als Innengesellschaft nach dem Vorbild der stillen Gesellschaft (§ 230 HGB) überhaupt kein Gesellschaftsvermögen, sodass die Einlagen der anderen (d. h. „stillen“) Gesellschafter in das Vermögen des Gesellschafters übergehen sollen, der (deshalb) nach außen allein in Erscheinung tritt (§ 230 Abs. 1 HGB); er wird allein berechtigt und verpflichtet (§ 230 Abs. 2 HGB).
C. Organschaft und Identitätsrepräsentation
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Vermögensgemeinschaft, sodass allen zusammen in Gemeinschaft die Sachen, Rechte und Forderungen gehören, die das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter bilden (§ 718 Abs. 1 BGB). Kein Gesamthänder hat hier einen Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Vermögen. Bei der societas ist dagegen jeder Gesellschafter den anderen gegenüber bloß schuldrechtlich verpflichtet, seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen in der Gesellschaft zu belassen und ist es ihm untersagt, Teilung zu verlangen.179 Weil es einen solchen „Anteil“ bei der Gesamthand von vornherein nicht gibt, können die Gesellschafter hier bereits ipso iure nicht über ihren „Anteil“ am gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), und sind auch so lange nicht berechtigt, dessen Teilung zu verlangen (§ 719 Abs. 1 BGB), wie die Gesellschaft besteht. Sie müssen deshalb die Gesellschaft als Personengemeinschaft erst auflösen (§ 730 Abs. 1 BGB: „Nach Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt, …“). Für die Vertretung der Gesellschaft bedeutet das sozusagen aus Sicht des Gesellschaftsvermögens: Bei der societas wird vermögensrechtlich durch den handelnden Gesellschafter jeweils bloß ein Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter verpflichtet, bei der „deutschen Gesellschaft“ als Gesamthand dagegen das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) als Ganzes, wenn der vertretungsbefugte Gesellschafter für alle zusammen auftritt und dadurch die Personeneinheit als solche insgesamt darstellt.
IV. Der Bedeutungsinhalt des § 31 BGB 1. Für die Gesamthand des BGB Die Gesellschafter sind als Gesamthand kollektiv handlungsfähig, und zwar nicht nur alle zusammen (insgesamt), sondern auch wenn einer oder mehrere von ihnen für alle handeln. Der vertretungsberechtigte Gesellschafter stellt in seiner Person sämtliche Gesellschafter als verbundene Subjekte (kollektive Einheit) dar und ist in diesem Sinn die Gesellschaft, was im Grundsatz sowohl für die Handelsgesellschaften (d. h. für OHG und KG) als auch für die BGB‑Gesellschaft zutrifft (Identitätsrepräsentation). Der vertretungsbefugte Gesellschafter hat demzufolge an sich stets dieselbe Rechtsmacht wie alle Gesellschafter in Gemeinschaft (§ 125 Abs. 2 Satz 1 HGB), ihm sind sämtliche Gesellschaftsangelegenheiten übertragen (vgl. § 126 Abs. 1 HGB). Das gilt indes uneingeschränkt nur für OHG und KG, nicht aber für die GbR, da allein die Handelsgesellschaften das Wesen einer Gesellschaft zur gesamten Hand 179 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 989.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
vollständig verwirklichen.180 Bei einer GbR kann im Gegensatz dazu der Gesellschaftsvertrag die „gesellschaftliche Vertretungsmacht“ beliebig festlegen und deswegen sowohl ausdehnen als auch einschränken.181 Doch selbst wenn einem BGB‑Gesellschafter bloß ein bestimmter Aufgabenkreis als Teilausschnitt aus den Gesellschaftsangelegenheiten übertragen worden ist, stellt er dort die Personeneinheit (d. h. die Gesellschaftergesamtheit) ebenso dar wie der Gesellschafter einer OHG (oder KG), er steht nicht wie ein körperschaftliches Organ nur für das Ganze, sondern ist in seinem Aufgabenbereich das Ganze (d. h. die Gesellschaft). Und weil der vertretungsberechtigte Gesellschafter dabei nicht nur rechtsgeschäftlich, sondern auch rechtstatsächlich die Gesellschaft abbildet, sind seine Rechtshandlungen solche aller Gesellschafter zusammen. Wenn er daher als Gesellschaft die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, die zum gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter gehört (§ 718 Abs. 1 BGB), haben alle Gesellschafter zusammen („kollektiv“) Besitz an ihr (§ 854 Abs. 1 BGB). Der Gesellschafter kann rechtmäßig, aber auch rechtswidrig handeln. Eine unerlaubte Handlung, die er begeht, ist deshalb eine sämtlicher Gesellschafter, sofern zwischen der schädigenden Handlung und den Gesellschaftsangelegenheiten ein sachlicher Zusammenhang besteht, was voraussetzt, dass die (schädigende) Handlung aus Sicht eines Außenstehenden (noch) in den Kreis der Maßnahmen fällt, die allgemein zu den Gesellschaftsangelegenheiten zählen. Nur insoweit findet § 31 BGB auf die Identitätsrepräsentation bei den Personengesellschaften (GbR, OHG und KG) analoge Anwendung. Denn im Gegensatz zu einem körperschaftlichen Organ (des deutschen Rechts) steht der vertretungsbefugte Gesellschafter (als Teil) nicht bloß für das Ganze (d. h. die Gesellschaft), sondern ist das Ganze. Das zeigt sich besonders bei den Handelsgesellschaften, da der Gesellschafter hier in allen Gesellschaftsangelegenheiten zwingend die Gesellschaft in seiner Person darstellt (vgl. § 126 HGB). Aber selbst bei einer GbR, die auf den Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag lediglich einen Teilausschnitt aus den gesellschaftlichen Angelegenheiten delegiert hat, will und handelt der Gesellschafter in seinem Aufgabenbereich nicht bloß für, sondern als die Gesellschaft.
2. Für die juristische Person des BGB a) Und worin sie sich dabei von der realen Verbandsperson unterscheidet Körperschaft und Gesamthand stimmen darin überein, dass sich hier das Ganze (Einheit) aus Teilen (Vielheit) zusammensetzt. Nur deshalb kann bei 180 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670. 181 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 842.
C. Organschaft und Identitätsrepräsentation
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ihnen ein Teil für das Ganze stehen (pars pro toto), sodass beide ipso iure durch sich selbst handeln können (agere per se). Das unterscheidet sie von der juristischen Person als Anstalt des römischen Rechts. Die juristische Person hat in der Erfahrungswelt nicht einen menschlichen Verband als ihren Träger, von dem sie sich als ens morale ableitet. Sie ist ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) und deshalb nur eine fingierte, da ausgedachte Person. Die juristische Person ist ausschließlich Einheit und nicht Vielheit, sie ist ein Ganzes, aber ohne Teile, aus denen es sich zusammensetzt. Weil die juristische Person gleichsam im Inneren leer ist, hat sie keine Organe. Sie kann deshalb nicht durch sich selbst handeln, sondern nur durch Vertreter (agere per alios).182 Damit sie im Recht handlungsfähig ist, d. h. Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann, muss ihr im Recht das fremde Handeln ihrer Vertreter künstlich zugerechnet werden (fictio iuris). Es wird hier nur so getan, als ob die juristische Person die fremde Willenserklärung selbst abgegeben (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die fremde unerlaubte Handlung selbst begangen hätte (§ 278 Satz 1 BGB: „wie eigenes“; § 31 BGB). Weil das Organ als Teil für das Ganze steht und darum die Körperschaft durch sich selbst handelt, ist eine unerlaubte Handlung, die ihr Organ begeht, nicht ein fremdes, sondern ein eigenes Delikt. Die Regelung in § 31 BGB ist aus diesem Grund für die Körperschaft (Verbandsperson) lediglich deklaratorisch, für die juristische Person aber konstitutiv, da sie als Anstalt allein durch ihre Vertreter als alii handeln kann und deshalb, wie eine Einzelperson auch, für eine fremde unerlaubte Handlung nicht schon ipso iure einstehen muss (vgl. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB).
b) Die juristische Person im Kontext des § 31 BGB aus Sicht der Verfasser des BGB Die juristische Person des BGB ist die von Savigny und damit die Anstalt des römischen Rechts; im BGB ist daher die Anstalt, hier als Stiftung, „die juristische Person in Reinkultur“ (Rittner).183 Denn ebenso wie für Savigny ist für die Verfasser des BGB die juristische Person eine „künstlich geschaffene, willenlose Trägerin von Rechten“, sie kann daher nur durch ihre Vertreter am Rechtsverkehr teilnehmen.184 Weil der Vorstand der juristischen Person dabei auch für sie „die gleiche Stellung hat, wie der Vertreter einer geschäftsunfä182 Nach Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 216, werden die Korporationsvorsteher in der Konsequenz des Vertretungsgedankens der universitas als eine eigene Rechtspersönlichkeit gegenüber als alii begriffen, während die Ratsversammlung des Stadtvolkes eben Teil eines Ganzen ist. 183 Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850. 184 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 404, 409, wonach „zweifellos die Körperschaft“, d. h. hier die juristische Person, ein „willenloses Wesen“ ist; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 236, 282.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
higen Person“, ist er ihr „gesetzlicher Vertreter“.185 Für ein kontraktliches Verschulden ihres Vorstands haftet sie deswegen in gleicher Weise wie eine Einzelperson für das ihres (gesetzliches) Vertreters (vgl. § 278 Satz 1 BGB).186 Weil die juristische Person als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) nicht durch sich selbst, sondern nur durch andere, hier ihren Vorstand, handeln kann (agere per alios) und eine natürliche Person außerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses nicht für fremde Delikte seiner Vertreter einzustehen hat, besteht für den Rechtsverkehr eine Schutzlücke,187 die § 31 BGB als Sondervorschrift zu § 278 BGB schließt, indem sie dessen Regelungsinhalt auf den außerrechtsgeschäftlichen Bereich erstreckt.188 Dahinter steht die „Gerechtigkeitsidee“ (Kleindiek),189 die juristische Person dürfe nicht nur die Vorteile daraus ziehen, dass sie allein und erst durch ihre Vertreter im Rechtsverkehr handelnd auftreten kann, vielmehr müsse sie als Kehrseite auch die Nachteile davon tragen und sei daher auch für alle widerrechtlichen, zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen ihrer Vertreter verantwortlich zu machen, sofern nur diese „in Ausübung ihrer Vertretungsmacht“ begangen sind.190 Die erste Kommission leitete die Haftung der juristischen Person für ihre „gesetzlichen Vertreter“ also gerade nicht aus einem Eigenhandeln der juristischen Person ab (agere per se), der Vorstand war hier im eigentlichen Wortsinn nicht Organ, da er nicht als Teil für das Ganze stand (pars pro toto). Die Haftung nach § 46 des ersten Entwurfs (= § 31 BGB) war demzufolge nicht eine solche für eigenes Verschulden der juristischen Person. Hieran hielt auch die zweite Kommission fest. Sie ersetzte zwar „in Ausübung seiner Vertretungsmacht“ durch „in Ausführung der verfassungsmäßig ihm zugewiesenen Verrichtungen“, maß dieser Änderung aber ausschließlich eine „redaktionelle Bedeutung“ zu, und zwar, weil der Ausdruck „Vertretungsmacht“ aus Sicht der zweiten Kommission dahin missverstanden werden konnte, der Vertreter sei nur bei Rechtsgeschäften und nicht auch bei Rechts185 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 404; Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282–283. 186 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 409. 187 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 409 („schwer von der Hand zu weisende Verkehrsbedürfnisse“). 188 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 383, 398. Für Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 31 Rn. 2, ändert § 31 BGB die Vorschrift des § 831 BGB zulasten der juristischen Person ab, sie kann sich nicht mehr nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entlasten und haftet daher über § 31 BGB (ebenso wie bei § 278 BGB) für fremdes Verschulden. 189 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 253. 190 So ausdrücklich Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 409 („neuere Rechtsentwicklung“).
C. Organschaft und Identitätsrepräsentation
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handlungen befugt, die juristische Person zu vertreten.191 Der Vorstand blieb also auch hier „gesetzlicher Vertreter“ (alius) der juristischen Person (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB), sodass ihr das fremde Handeln des Vorstands erst über § 31 BGB „wie eigenes“ zugerechnet werden musste (fictio iuris). Anders als noch die erste Kommission, die in der juristischen Person eine nur ausgedachte und daher fingierte Person sah, wollte sich die zweite jedoch an sich nicht auf ein bestimmtes „Wesen der juristischen Person“ festlegen und demgemäß auch die „Konstruktionsfrage, ob die juristische Person ein handlungsfähiges Wesen sei und durch Organe sich im Verkehre betätige, oder ob sie handlungsunfähig sei und deshalb einer Vertretung bedürfe“, nicht selbst entscheiden.192 Der Vorstand „hat“ infolgedessen im zweiten Entwurf nur noch „die Stellung als gesetzlicher Vertreter“ und „ist“ nicht mehr wie im ersten Entwurf „gesetzlicher Vertreter“.193 Ebenso wie die erste verstand jedoch auch die zweite Kommission die juristische Person weiterhin als eine „künstlich geschaffene, willenlose Trägerin von Rechten“.194 Bei § 31 BGB ordnete sie den Vorstand wie schon die erste Kommission als Vertreter der juristischen Person ein.195 Vertreter handeln aber als alii für einen anderen.196 Und das war auch die Auffassung der zweiten Kommission, was sich darin offenbart, dass die juristische Person in ihren Augen nur dann der Vertretung bedarf, wenn sie handlungsunfähig ist,197 und das ist sie nur deshalb, weil sie eine fingierte, da ausgedachte Person ist.198
191 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 619; vgl. auch BGHZ 98, 148, 151, wonach aus diesem Grund die in § 31 BGB normierte Haftung nicht an die Vertretungsmacht anknüpft, sondern an die Fähigkeit des Organs, für die juristische Person zu handeln. Auf den übertragenen Aufgabenkreis und nicht die Vertretungsmacht kommt es demnach an. 192 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 609, wobei es im Original aber heißt: „ob sie handlungsfähig sei und deshalb einer Vertretung bedürfe“. Das ergibt allerdings keinen Sinn. Nur wer handlungsunfähig ist, muss sich durch alii vertreten lassen (so auch Beuthien, NJW 1999, 1142). 193 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 609. 194 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 404 (Zitat). 195 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 619. 196 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 216. 197 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 609. 198 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Deutschen Reich, Bd. 1, 1899, S. 404, 409.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
c) Und aus der Sicht der heute h. M. – nicht wirklich eine „Organtheorie“ Weil die h. M. im Handeln des Vorstands (Organs) ein eigenes der juristischen Person sieht, bezeichnet sie sich zwar selbst als „Organtheorie“,199 dennoch ist der Vorstand auch für sie lediglich Vertreter. Die h. M. nimmt an, dass auch Nichtmitglieder der Körperschaft und damit Dritte, oder gleichbedeutend Fremde (alii), Mitglieder des Vorstands sein können, 200 was aber nur denkbar ist, wenn der Vorstand Vertreter und nicht Organ der Körperschaft ist. Das Organ ist eine „Körperschaft im kleinen“ und daher innerhalb der „großen Körperschaft“.201 Wenn das Organ als Teil für das Ganze stehen soll (pars pro toto), müssen die Organmitglieder, die das Organ ja real erst bilden, auch Mitglieder der großen Körperschaft sein. Denn allein in diesem Fall sind sie Teil des Ganzen, sodass die Körperschaft als solche durch sich selbst wollen und handeln kann (agere per se). Der Vorstand ist demzufolge für die h. M. (Organtheorie) nicht wirklich ein Organ, vielmehr behandelt sie den „gesetzlichen Vertreter“ lediglich so, als ob er ein Organ wäre (fictio iuris), und deshalb ist auch sie im Kern eine Vertretertheorie.202
D. Resümee Allein für die Körperschaft des deutschen Rechts gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft, für die Anstalt des römischen Rechts (juristische Person) dagegen der der Vertretung durch alii, nur insofern ist die Vertretung bei der juristischen Person eine Fremdorganschaft, 203 was in Analogie zum Bild des (natürlichen) Körpers gleichwohl ein Widerspruch in sich ist. Als Körper veranschaulicht, können sich die Organe naturgemäß ausschließlich aus den Mit199 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 26 Rn. 11; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 31 Rn. 1, § 26 Rn. 2; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 31 Rn. 2, 4, § 26 Rn. 2, 3; Beuthien, NJW 1999, 1142, 1142–1144; Schöpflin, in: Prütting/Wegen/ Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, vor § 21 Rn. 7. 200 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 26 Rn. 5; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 26 Rn. 3; Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144 (nicht aber in der Mitgliederversammlung). 201 Nach Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 3, Kap. 1 (S. 67), ist „die Regierung im kleinen, was die sie umfassende politische Körperschaft im großen ist“, sie wird als „untergeordnetes Ganzes in das Ganze“ eingeordnet (S. 68) (Hervorhebungen nicht im Original). 202 Nach Flume, Die juristische Person, 1983, S. 379, ist „die Vertretung der juristischen Person durch das Organ (…) in gleicher Weise Stellvertretung wie das Stellvertretungshandeln des gesetzlichen Vertreters oder des Bevollmächtigten“; ähnlich Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 31 Rn. 2, 3. 203 Für Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 26 Rn. 3, besteht eine „Drittorganschaft“ (und nicht eine Selbstorganschaft) auch dann, wenn (wie bei der Körperschaft des deutschen Rechts) nur Mitglieder zu Vorstandsmitgliedern bestellt werden können.
D. Resümee
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gliedern der Körperschaft zusammensetzen. Weil die Gesellschaft als Gesamthand nicht ein Körper ist, auch nicht bildähnlich, hat sie keine Organe. Es gilt deshalb bei ihr auch nicht das Prinzip der Selbstorganschaft; so aber die heute h. M., da sie die Gesamthand als (deutsch-rechtliche) Körperschaft missversteht.204 Stattdessen verwaltet sich die Gesellschaft (als Gesamthand) durch ihre Gesellschafter selbst, und zwar, weil die Gesellschafter (als kollektive Einheit) die Gesellschaft selbst sind. Die Gesellschaft ist daher, anders als es die h. M. (Gruppenlehre) annimmt, nicht ein Rechtssubjekt, das zwar als solches rechtsfähig ist, aber erst durch ihre Gesellschafter als ihre Organe (pars pro toto) handlungsfähig wird. Vielmehr ist sie, eben, weil die Gesellschafter als Gesamtheit die Gesellschaft sind (in Gemeinschaft), schon von selbst kollektiv handlungsfähig. Ein Mensch kann also für sich allein als Einzelperson, aber auch in Gemeinschaft mit anderen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).205 Die Gesellschafter müssen aber nicht stets alle zusammen handeln, um als Gesamthand (d. h. in Gemeinschaft) Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen zu können. Es kann durchaus genügen, dass bloß einer oder mehrere von ihnen als Gesamthand (Gesellschaft) auftreten. Der in diesem Sinn vertretungsbefugte Gesellschafter steht dann als Teil nicht nur für die Gesamtheit der Gesellschafter und insofern für das Ganze, sondern ist, obgleich er nur ein Teil davon ist, das Ganze. Weil er deshalb in seiner Person die Gesamthand als solche darstellt, sie repräsentiert, handelt er als das Ganze, hier als die Gesellschaft, und nicht wie ein körperschaftliches Organ bloß als Teil für das Ganze. Wenn daher der vertretungsbefugte Gesellschafter als Gesellschaft (d. h. als die Gesamtheit der Gesellschafter) auftritt, wird es so angesehen, als ob tatsächlich sämtliche Gesellschafter zusammen als kollektive Einheit (d. h. als Gesamthand) handelten. Bei der Gesamthand (Gesellschaft) gilt darum das Prinzip der Identitätsrepräsentation und nicht das der Organschaft. Und weil der vertretungsbefugte Gesellschafter in seiner Person die Gesamtheit abbildet, ist er allein imstande, alles das zu tun, egal ob es rechtmäßig oder rechtswidrig ist, was an sich nur sämtliche Gesellschafter in Gemeinschaft tun können, immer vorausgesetzt, der eine Gesellschafter stellt auch wirklich in seiner Person die Gemeinschaft zur gesamten Hand dar, er also vertretungsbefugt ist.206 Das gilt auch für den Fall, dass mehrere Gesellschafter zusammen, ge204 Bei der Gesellschaft als Gesamthand gilt nur insofern eine Selbstorganschaft, wenn es bedeuten soll, dass die Gesellschafter (Mitglieder) zumindest in ihrer Gesamtheit ipso iure selbst handlungsfähig sind (so K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 14 II a) [S. 410]; Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 26 Rn. 3). 205 BGHZ 142, 315, 319. 206 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684–685, weist zu Recht daraufhin, dass dort, wo eine Einzelperson sich nicht vertreten lassen kann, auch bei der Gesamthand eine Identitätsrepräsentation von vornherein ausscheidet, ebenso, wenn Handlungen durch Vertrag oder Gesetz der Gesamtheit der Gesellschafter vorbehalten sind.
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§ 9 Die Handlungsfähigkeit
wissermaßen als eine Gesamthand im Kleinen oder wie Gierke es ausdrückt: als „engere Personeneinheit“207 die Gesamtheit der Gesellschafter (als Gesamthand im Großen) repräsentieren. Auch bei dieser Gesamtvertretung vertreten sie aber „nicht teilweise sich selbst und teilweise andere, sondern ausschließlich die von“ ihnen „als Träger dargestellte Personeneinheit“.208 Demnach beweist auch bei der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft erneut die Theorie der deutschen Gesamthand ihren Vorzug vor der heute ganz h. M., die in der Gesamthand als Gruppe nicht nur ein Rechtssubjekt sehen will, sondern sogar ein „abstraktes Denkgebilde“ (Saenger), 209 das als solches zunächst einmal handlungsunfähig sein soll, dann aber trotzdem wieder durch ihre gegenwärtigen Gesellschafter, allerdings bloß als ihre Organe, ipso iure wollen und handeln kann. Ein solches Modell vermischt Elemente von juristischer Person (abstraktes Denkgebilde), realer Verbandsperson (Organ) und Gesamthand (Gesellschafter ipso iure als Repräsentanten) und ist damit keine von diesen drei Rechtsfiguren wirklich. Die Gruppenlehre vermag offensichtlich auch hier nicht zu überzeugen.
207
208 209
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687. Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 52.
§ 10
Das Innenverhältnis Die Gesamthand ist zwar nach außen eine Einheit, nach innen ist sie jedoch ausschließlich eine Vielheit, sodass zwischen den Gesellschaftern zunächst allein gegenseitige Rechte und Pflichten bestehen. Das gilt zum einen für das Recht und die Pflicht der Gesellschafter, in den Gemeinschaftsangelegenheiten mitzuwirken („Mitverwaltung“), aber zum anderen auch für die Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten, deren Gegenstand eine Leistung ist, die entweder in das gemeinschaftliche Vermögen oder daraus zu bewirken ist („Vermögensrechte“). Da aber nur alle Gesellschafter zusammen (d. h. als Gesamthand) imstande sind, über ihr Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB zu verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), sind diese Sozialverbindlichkeiten und -ansprüche nicht nur gegenseitige Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander, sondern gleichzeitig auch zwischen der „Gesellschaft“ und dem einzelnen Gesellschafter, der eine geschuldete Leistung in das „Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) einzubringen hat oder aber eine daraus für sich fordern kann. Ein Rechtsverhältnis der Gesellschaft kann zu einem Gesellschafter auch bloß wie zu einem Dritten bestehen, sodass es hier nicht mehr um das Innen-, sondern um das Außenverhältnis der Gesamthand geht. Obgleich es hier so aussieht, als ob die Gesellschaft (Gesamthand) selbst ein Rechtssubjekt sei, das ihrem Gesellschafter gegenübertritt, ist sie es entgegen der h. M. (Gruppenlehre) jedoch nicht. Allein in diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn Gierke Gesamthand und Körperschaft miteinander vergleicht und eine Ähnlichkeit zwischen beiden insofern feststellt, als die Gesamthand als Rechtssubjekt und damit als eine Körperschaft (bloß) erscheint. Demgemäß ist bei ihm die Rede davon, dass sich „dem Körperschaftsrechte gegenüber (…) bei den gemeinschaftsrechtlichen Sonderrechtsverhältnissen (d. h. bei den Sozialverbindlichkeiten und -ansprüchen; Anm. d. Verf.) eine halbe Ähnlichkeit“ ergibt, „während bei den inneren Verhältnissen der gesamten Hand (d. h. bei der Verwaltung; Anm. d. Verf.) ein voller Gegensatz, bei den äußeren Verhältnissen der Gemeinschaft“, bei denen der Gesellschafter seiner Gesellschaft wie ein Dritter begegnet, „eine volle Ähnlichkeit sichtbar wird“.1
1
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683, Fn. 102.
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§ 10 Das Innenverhältnis
Die Verwaltungsrechte sind ausschließlich gegenseitige Rechte und Verpflichtungen unter den Gesellschaftern, nicht zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft als Gesamthand. Da die Gesellschaft daher nicht als Rechtssubjekt erscheint, besteht „ein voller Gegensatz“ zur Körperschaft. Sozialverbindlichkeiten und -ansprüche haben dagegen eine Doppelnatur. Sie sind Rechtsverhältnisse unter den Gesellschaftern, aber auch zwischen dem einzelnen Gesellschafter und der Gesellschaft als Gesamthand, sodass es gewissermaßen bloß zur Hälfte so aussieht, als ob die Gesellschaft ein Rechtssubjekt und deshalb eine Körperschaft sei, oder wie Gierke es ausdrückt: Es ergibt sich in diesem Fall nur eine „halbe Ähnlichkeit“. Tritt der Gesellschafter aber wie ein Dritter von außen an seine Gesellschaft heran, wird „eine volle Ähnlichkeit sichtbar“. Denn der Gesellschafter ist hier wie ein Dritter ausschließlich der Gesellschaft (d. h. allen Gesellschaftern zusammen als Einheit) gegenüber Gläubiger oder Schuldner, sodass sich das Rechtsverhältnis auch nicht in gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen den Gesellschaftern (d. h. als Vielheit) auflösen lässt.
A. Der Gesellschaftsvertrag als Grundlage für das Innenverhältnis Die Gesellschafter nehmen einen gemeinsamen status als Raum im Recht ein und bilden deshalb nach außen eine kollektive Einheit. Nach innen sind die Gesellschafter dagegen nicht Einheit, sondern Vielheit; insofern „löst sich die gesamte Hand, da ihr“ im Gegensatz zur Körperschaft des deutschen Rechts „kein von den verbundenen Personen verschiedenes Rechtssubjekt entspricht, unter den Gesamthändern in gegenseitige Rechte und Pflichten auf“.2 Durch den „personenrechtlichen deutschen Gesellschaftsvertrag“ wird demgemäß nicht allein der gemeinsame status der Gesellschafter („kollektive Rechtsfähigkeit“) und in diesem Sinn ihre „personenrechtliche Verbundenheit“ begründet, vielmehr haben die Gesellschafter auch in der Gesellschaft einen individuellen status, sie stehen also selbst in der Gesamthand (wie bei einer societas) durchaus auch jeder für sich da.3 Der Gesellschaftsvertrag hat demnach eine Doppelnatur: als „Organisationsvertrag“ formt er die Gesellschafter nach außen zu einer „kollektiven Einheit“, er macht sie zu „verbundenen Subjekten“ und ist deshalb ein Rechtsgeschäft mit „personenrechtlicher Vereinigungskraft“,4 als schuldrechtlicher Vertrag lässt er zwischen den einzelnen Gesellschaftern gegenseitige Rechte und Pflichten entstehen, nicht aber zwischen den Gesellschaftern auf der 2 3
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 675. 4 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 43; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 675 (Zitate).
A. Der Gesellschaftsvertrag als Grundlage für das Innenverhältnis
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einen und der Gesellschaft (Gesamthand) auf der anderen Seite, da der Gesellschaftsvertrag selbst als Organisationsvertrag, anders als die h. M. (Gruppenlehre) es annimmt, die Gesellschaft nicht als ein eigenständiges Rechtssubjekt und damit nicht als eine Körperschaft des deutschen Rechts (= Verbandsperson) errichtet.5 Der „deutsche Gesellschaftsvertrag“ hebt Gierke zufolge bloß „das Fürsichsein der einzelnen Menschen in einem bestimmten Bereiche“ auf und ersetzt es „durch Verbundenheit“, und zwar, indem die Gesellschafter jetzt neben ihrem individuellen status, ihrer Einzelrechtsfähigkeit, im Recht einen gemeinsamen status einnehmen.6 Von den verbundenen Personen löst sich dabei aber kein selbständiges „soziales Lebewesen mit eigner Persönlichkeit ab“,7 denn anders als die Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. als reale Verbandsperson) ist die Gesamthand eben ausschließlich ein Rechtsverhältnis und kein Rechtssubjekt.8 Deshalb ist selbst bei den Handelsgesellschaften (OHG und KG), die „den Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ aufweisen (Gierke),9 nicht von Rechten und Pflichten zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern die Rede, sondern nur von einem „Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander“, welches seinen Rechtsgrund im Gesellschaftsvertrag hat (vgl. § 109 HGB). Weil die Gesellschafter als Gesellschaft einen gemeinsamen status im Recht haben, „tritt ein Stück gemeinsamer Lebensordnung“ in die „Lebensordnungen“ der Gesellschafter ein.10 Der gemeinsame status, gleichbedeutend die „Gemeinsphäre“ oder „Samtsphäre“, deren Träger die Gesellschafter als verbundene Personen (d. h. als Personeneinheit) sind, kommt zu den individuellen status, oder wie Gierke es ausdrückt: zu den „Sondersphären“, der einzelnen Gesellschafter hinzu.11 Erst sie zusammen bilden also den Raum, den die Gesellschafter in Gemeinschaft (d. h. als eine Gesamthand) im Recht innehaben. Die Gesellschaft setzt sich demnach aus den vielen individuellen status ihrer Gesellschafter (als Gesellschafter) und dem einen gemeinsamen status zusammen und ist auch insofern Vielheit und Einheit zugleich. Das ist denn auch gemeint, wenn bei Gierke davon die Rede ist, dass „diese Personeneinheit (…) nur im Bereiche der gesamten Hand“, d. h. für den gemeinsamen status, gilt und deswegen „für eine Sonderung der verbundenen Personen innerhalb 5 So jedoch Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 158; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 42; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 11–12, 56 („Gruppe als Rechtssubjekt“); Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 73; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 4 Rn. 1–2. 6 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 7 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660–661. 8 So ausdrücklich Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 9 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670 (Zitat). 10 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 661. 11 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 661, 683.
412
§ 10 Das Innenverhältnis
des Gemeinschaftsverhältnisses“, d. h. innerhalb der Gesellschaft, durchaus „Raum“ lässt.12 Der Gesellschaftsvertrag ist nur insofern ein gegenseitiger Vertrag, als sich durch ihn die Gesellschafter gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zu fördern (§ 705 BGB). Zwischen den Gesellschaftern besteht jedoch nicht wie beim Austauschvertrag (z. B. Kaufvertrag) ein typisches Gegenseitigkeitsverhältnis, es fehlt hier am Synallagma.13 Die Gesellschafter versprechen einander nicht deshalb eine Leistung, weil sie jeweils für sich eine Gegenleistung gleichsam als „Entgelt“ erhalten wollen.14 Der Geschäftszweck liegt hier nicht in der Erlangung einer Gegenleistung, die „finale Gegenseitigkeitsbindung“ als ein „do ut des“ (Esser/Schmidt) gibt es bei der Gesellschaft nicht.15 Jeder Gesellschafter erfüllt seine Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag nicht, damit es auch die anderen Gesellschafter tun, vielmehr will er den gemeinsamen Zweck erreichen.16 Das Verhältnis der Gesellschafter ist demnach nicht durch ein Gegeneinander, sondern durch ein Miteinander geprägt.17 Dass alle zusammen einen gemeinsamen Zweck verfolgen, ist für die „deutsche Gesellschaft“ als eine Gesamthand wesentlich, ja konstitutiv (vgl. § 705 BGB). Die Gesamthand und infolgedessen auch die deutsche Gesellschaft ist ein „genossenschaftliches Gemeinschaftsverhältnis“ (Gierke).18 Dasselbe bringen Esser/Schmidt zum Ausdruck, wenn es bei ihnen heißt: „Die Interessenverbindung der Gesellschafter trägt genossenschaftliche Züge: Alle haben an jeden einzelnen und jeder einzelne an die Gesamtheit ‚zur gesamten Hand‘ zu leisten.“19 Die Leistungen der Gesellschafter stehen daher auch nicht in einem Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit, sodass die Regeln über den „gegenseitigen Vertrag“ (§§ 320–326 BGB) auf die Gesellschaft von vornherein keine Anwendung finden (können), 20 was entgegen der h. M. selbst für die Gesamthand 12 Gierke, Deutsches Privatrecht, 13 So ausdrücklich etwa Schäfer,
Bd. 1, 1895, S. 676 (Hervorhebung nicht im Original). in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 162. Dazu auch Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 13; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 71. 14 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl. 1995, § 12 III (S. 218). 15 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl. 1995, § 12 III (S. 218). 16 Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 705 Rn. 43. 17 Auch Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255, lehnt es ausdrücklich ab, zwischen einem eigenen und einem fremden Zweck innerhalb der Gesellschaft zu unterscheiden, stattdessen erkläre jeder Gesellschafter den ganzen Zweck zu seinem eigenen. 18 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 663. 19 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl. 1995, § 12 III 3 (S. 220). 20 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 44.
B. Verwaltungsrechte und -pflichten
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gilt, die sich nur aus zwei Gesellschaftern zusammensetzt.21 Auch hier fehlt es an dem erforderlichen Synallagma. Dementsprechend kann der Gesellschafter, der von seinem Mitgesellschafter auf Erfüllung in Anspruch genommen wird, auch dann nicht die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend machen (vgl. §§ 320, 322 BGB), wenn sein Mitgesellschafter seinerseits seinen Beitragspflichten nicht nachgekommen ist. Den beiden Gesellschaftern bleibt daher als ultima ratio allein die Kündigung der Gesellschaft (vgl. § 723 Abs. 3 Nr. 1 BGB), da es hier an einem gemeinsamen Zweck i. S. des § 705 BGB zwischen den beiden Gesellschaftern offensichtlich fehlt.
B. Verwaltungsrechte und -pflichten Der Gesellschaftsvertrag ist demzufolge nur insofern ein gegenseitiger Vertrag, als jeder Gesellschafter gegenüber jedem einzelnen seiner Mitgesellschafter berechtigt und verpflichtet ist, die Erreichung des gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern (§ 705 BGB).22 Diese Förderpflicht konkretisiert sich zunächst in dem Recht (und der Pflicht) zur Verwaltung. Hierzu gehören das Recht (und die Pflicht) auf Geschäftsführung und Vertretung (§§ 709, 714 BGB), das Widerspruchsrecht (§ 711 BGB), das Stimmrecht (vgl. § 709 BGB), das Informations- und Kontrollrecht (§ 716 BGB) sowie das Kündigungsrecht (§ 723 BGB).23 Diese Verwaltungsrechte bestehen dabei nicht stets zwischen den einzelnen Gesellschaftern (für sich), stattdessen kann auch eine „Gesamthand im kleinen“ innerhalb der Gesellschaft als eine „unter sich verbundene engere Personeneinheit“ („Kollektiveinheit“) berechtigt oder verpflichtet sein.24 Sind mehrere Gesellschafter gemeinschaftlich befugt, die Geschäfte zu führen (vgl. § 710 BGB), sind sie nur in Gemeinschaft gegenüber den anderen Gesellschaftern dazu berufen. Auch das Recht zur Geschäftsführung und Vertretung, das einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag übertragen worden ist, kann ihm nur durch einen Beschluss der „übrigen Gesellschafter“ entzogen werden (so §§ 712 Abs. 1, 715 BGB). Ebenso steht das Recht, einen Gesellschafter aus der Gesellschaft auszuschließen, allein „den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlich“ zu (§ 737 Satz 2 BGB). Es stehen sich hier also immer ein Gesellschafter (für 21 So aber Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 169 („ganz hM“); Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 13; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 4 Rn. 9; so auch schon Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 30. 22 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 836. 23 Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 31; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 53; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 114. 24 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 526– 528.
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§ 10 Das Innenverhältnis
sich) und die Gesamtheit der übrigen Gesellschafter, niemals aber ein Gesellschafter und die Gesellschaft (als Rechtssubjekt) gegenüber;25 so aber die h. M. (Gruppenlehre), für die Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis solche zwischen der Gesamthand (als Rechtssubjekt) und den Gesellschaftern sind.26 Dass die Gesellschafter die Gesellschaft sind, gehört zum „Wesen“ der Gesellschaft als einer Gesamthandsgemeinschaft; die Verwaltungsrechte sind aus diesem Grund per se solche der Gesellschafter untereinander, sie sind daher mit der Eigenschaft als Gesellschafter notwendig verbunden und können hiervon nicht losgelöst und übertragen werden (§ 717 Satz 1 BGB).27 Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, enden daher seine Verwaltungsrechte ipso iure, sodass er automatisch auch nicht mehr zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft befugt ist. In diesem Sinn „erlöschen“ die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis, bei denen „sowohl das Recht als auch die Pflicht völlig im Bereiche der Verbundenheit liegt“ – also die Verwaltungsrechte – „ohne Hinterlassung eines Rückstandes“.28 Das gilt auch deshalb, weil der Gesellschaftsvertrag hier eine reine Rechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern begründet, sodass diese als solche, und zwar allein in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, einander Gläubiger und Schuldner sind. Sie haben gleichsam Macht über die Person des jeweils anderen, und demzufolge ist das Recht (d. h. der Anspruch), von seinem Mitgesellschafter ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 Abs. 1 BGB), bei den Verwaltungsrechten lediglich Ausfluss dieser Macht an der Person des Mitgesellschafters.29 Weil die Verwaltungsrechte demgemäß auf die Person des Schuldners und des Gläubigers als Gesellschafter und demnach auf die Rechtssubjekte des Schuldverhältnisses, hier also des Gesellschaftsvertrags, bezogen und daher von ihnen abhängig sind, enden sie ipso iure, sobald Gläubiger oder Schuldner nicht mehr Gesellschafter sind. Schon ihrem Wesen nach kann es demzufolge Verwaltungsrechte ausschließlich zwischen den (jeweils gegenwärtigen) Gesellschaftern geben.
25
Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 523. Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 47; nach Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 705 Rn. 56, sind selbst die Mitverwaltungsrechte Sozialverbindlichkeiten und richten sich deshalb gegen die Gesellschaft. 27 So bereits ausdrücklich BGHZ 3, 354, 357; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 717 Rn. 20 mit Fn. 107. 28 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 523. 29 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 261, 269. 26
C. Vermögensrechte und -pflichten
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C. Vermögensrechte und -pflichten I. Ihre Rechtsnatur als Sozialverbindlichkeit und Sozialanspruch Das Recht und die Pflicht der Gesellschafter, die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern (§ 705 BGB), nimmt nicht nur in den Verwaltungsrechten Gestalt an, sondern auch in den Vermögensrechten. Diese unterscheiden sich von den Verwaltungsrechten dadurch, dass sie auf Leistung von Geld oder sonstiger Wertsubstanz aus oder in das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter gerichtet sind (vgl. § 718 Abs. 1 BGB).30 Die Vermögensrechte gehen zwar ebenso wie die Verwaltungsrechte aus dem Gesellschaftsvertrag hervor (z. B. die Pflicht, den vereinbarten Beitrag zu leisten, § 705 BGB), anders als jene sind diese jedoch nicht auf das Subjekt, sondern auf die zu leistende Handlung (als Objekt) bezogen. Denn die zu leistende Handlung (als Objekt) soll in das Gesellschaftsvermögen (als Objekt) überführt werden. Deshalb ist hier die Schuld nicht bloß eine reine Rechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern als Gläubiger und Schuldner und daher nicht die Macht über eine Person (als Gesellschafter), vielmehr löst sich die Leistungspflicht von dem verpflichteten Subjekt (dem Gesellschafter) ab, ist also nicht an die Person des Schuldners (auch nicht des Gläubigers) gebunden und wird auf diese Weise gleichsam als unkörperliche Sache objektiviert.31 Als solche „Sache“ ist das Vermögensrecht daher auch übertragbar (vgl. § 717 Satz 2 BGB). Auch die Vermögensrechte sind gegenseitige Rechte und Pflichten der Gesellschafter (jeder für sich). Die Gesellschafter stehen sich daher jeweils als Gläubiger und Schuldner auf der schuldrechtlichen Ebene (des Gesellschaftsvertrags) gegenüber. Jeder von ihnen hat bspw. einen Anspruch gegen jeden einzelnen seiner Mitgesellschafter, dass er den vereinbarten Beitrag leistet (§ 705 BGB), vor allem die Einlage in das Gesellschaftsvermögen zahlt. Diese Verbindlichkeit kann der in Anspruch genommene Mitgesellschafter jedoch nur erfüllen (§ 362 Abs. 1 BGB), indem er die geschuldete Leistung in das Gesellschaftsvermögen erbringt.32 Da das Gesellschaftsvermögen das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter ist (§ 718 Abs. 1 BGB) und nur alle gemeinsam (d. h. als Gesamthand) über das Gesellschaftsvermögen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB), kann ein Gesellschafter (schuldrechtlich) nicht Leistung an sich allein, sondern ausschließlich an alle zusammen (in Gemeinschaft) verlangen.33 30
535.
31 32
Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 534,
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 261, 273. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 836, wonach „die Erfüllung der Beitragspflicht durch Vergemeinschaftung des Geschuldeten“ erfolgt. 33 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 835.
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§ 10 Das Innenverhältnis
Das Forderungsrecht des Gesellschafters gegen seinen Mitgesellschafter ist auch nicht ein Mitgläubigerrecht i. S. des § 432 BGB. Die vielen Mitgläubiger haben jeder für sich inhaltlich gleiche Forderungen gegen ihren einen gemeinschaftlichen Schuldner. Eine Tatsache, die nur in der Person eines Mitgläubigers eintritt, wirkt deshalb im Allgemeinen nicht auch für und gegen die übrigen Mitgläubiger (so § 432 Abs. 2 BGB). Es gilt dementsprechend wie bei einer Gesamtgläubigerschaft der Grundsatz der Einzelwirkung (vgl. § 429 Abs. 3 BGB). Anders als bei der Gesamtgläubigerschaft kann der eine Schuldner aber die mehreren Forderungen der Mitgläubiger nur erfüllen, indem er „an alle gemeinschaftlich“ leistet (vgl. § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB), d. h. der Schuldner erfüllt durch die eine (reale) Leistung simultan die mehreren inhaltlich gleichen Forderungen der Mitgläubiger. Die Mitgläubiger sind also lediglich durch die eine unteilbare Leistung (als Objekt) miteinander verbunden, bleiben aber als Subjekte getrennt, sie bilden bloß eine „objektive Gemeinschaft“.34 Die Gesamthand ist im Gegensatz dazu eine „Subjektsgemeinschaft“.35 Die Gesamthänder sind verbundene Subjekte und insofern eine Personeneinheit. Denn sie nehmen im Recht einen gemeinsamen status (Raum) ein, der an sie als mehrere Rechtsträger (Subjekte) die eine (gemeinsame) Forderung vermittelt. Anders als bei der Mitgläubigerschaft (§ 432 BGB) gibt es bei der Gesamthand demnach nicht mehrere, sondern nur eine Forderung. Dass der Gesellschafter ausschließlich Leistung an alle fordern kann, folgt demgemäß nicht aus § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB (hier stehen die „mehreren Gläubiger“ ja jeder für sich), sondern aus dem Wesen der Gesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand.36 Die Gesellschafter sind hier sachenrechtlich (dinglich) allein über ihren gemeinsamen status (kollektive Rechtsfähigkeit) Inhaber des Gesellschaftsvermögens. Denn nur dadurch kann das Gesellschaftsvermögen überhaupt ein gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter sein (so § 718 Abs. 1 BGB). Die Vermögensgemeinschaft setzt auch hier die Gesamthand als eine Personengemeinschaft voraus (vgl. § 730 Abs. 2 Satz 1 BGB).37 Weil nur alle zusammen als Gesellschaft dinglich berechtigt sind, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen (vgl. § 719 Abs. 1 BGB), muss der Gesellschafter auf der Erfüllungsebene an alle gemeinschaftlich leisten. Erfüllung tritt aber nach § 362 Abs. 1 BGB nur ein, „wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird“. Demgemäß müssten die Gesellschafter an sich bereits auf der schuldrechtlichen Ebene als Gesellschaft (Gesamthand) Gläubiger des Mitgesellschafters sein, da jener die geschuldete Leistung ja stets nur an alle gemeinschaftlich erbringen kann, um sie in das gemeinschaftliche Vermögen der 34 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 35 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 269. 36 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 844, 37 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 842.
269 mit Fn. 20 („Teilbarkeit“). Fn. 66.
C. Vermögensrechte und -pflichten
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Gesellschafter zu überführen. Weil Erfüllung nur an alle zusammen (d. h. in Gemeinschaft) möglich ist, müssen auch alle zusammen zuvor einen solchen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung haben. Die Vermögensrechte haben deshalb eine Doppelnatur, sie sind sowohl gegenseitige Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander (jeder für sich) als auch Rechte und Pflichten eines Gesellschafters gegenüber allen zusammen als Gesellschaft (Gesamthand).38 Weil sie gegenseitige Rechte und Pflichten sind, macht ein Gesellschafter ein eigenes Recht geltend, wenn er von seinem Mitgesellschafter die Einzahlung der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage in das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) und damit Leistung an alle (als Gesellschaft) verlangt (actio pro socio).39 Die Vermögensrechte sind aber auch Rechte und Pflichten des einzelnen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Und so ist die Forderung eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft (als eine Gesamthand) aus Sicht der Gesellschaft eine Sozialverbindlichkeit und umgekehrt ist eine Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aus ihrer Sicht ein Sozialanspruch. Die Gesellschaft sind jedoch alle Gesellschafter zusammen („in Gemeinschaft“) und deshalb gehört auch der Gesellschafter, der gegenüber der Gesellschaft berechtigt oder verpflichtet ist, zu ihr dazu; er ist ein Teil des Ganzen. Der Gesellschafter steht sich hier scheinbar selbst als Gläubiger und Schuldner auf beiden Seiten des Schuldverhältnisses gegenüber. Dennoch vereinigen sich hier nicht Schuld und Forderung in seiner Person (Konfusion), Forderung und Schuld erlöschen infolgedessen auch nicht. Der Gesellschafter nimmt auf der einen Seite des Schuldverhältnisses seinen individuellen status (Sondersphäre) und auf der anderen Seite aber zusammen mit den übrigen Gesellschaftern den gemeinsamen status (Samtsphäre) als Gesellschaft ein. Er ist demgemäß das eine Mal „alleiniger Träger seiner Sondersphäre“ und das andere Mal lediglich „Mitträger der ihm so gegenübertretenden Personeneinheit“ (d. h. der Gesellschaft) und deshalb insofern nicht sein eigener Gläubiger oder Schuldner.40 Rechte und Pflichten werden zwar über den gemeinsamen status (kollektive Rechtsfähigkeit) lediglich an die (vielen) Gesellschafter vermittelt, sie sind die Zuordnungsendpunkte, dennoch ist es ein gemeinschaftliches Recht (oder eine Pflicht). Und deshalb tragen die Gesellschafter alle zusammen den „Baumstamm“ („beam of timber“) und nicht jeder einen Teil davon.41 Daher sind Forderungen und Schulden nicht unter den Gesellschaftern geteilt. Einen 38 39
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 531– 534 (533). 40 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683. 41 Schulz, Classical Roman Law, 1951, Rn. 146.
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§ 10 Das Innenverhältnis
„Anteil“ gibt es in der Gesamthand nicht (anders der Wortlaut des § 719 Abs. 1 BGB). Denn alles gehört allen gemeinsam. Ein Gesellschafter, der verpflichtet ist, eine Einlage oder Ersatzsumme in das Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB einzuzahlen, kann darum auch nicht seinen eigenen „Anteil“ (da es einen solchen ja nicht gibt) von der Verbindlichkeit abziehen, vielmehr muss er den vollen Geldbetrag an alle zusammen (und damit auch an sich selbst, aber eben nur als Teil des Ganzen) leisten.42 Auch wenn sich der einzelne Gesellschafter (für sich) und die Gesellschaft als Gläubiger und Schuldner gegenüberstehen, sind die Vermögensrechte trotzdem Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander. Und weil es deshalb um die „innere Seite der Gesellschaft“ geht, bleiben die für das Innenverhältnis geltenden Regeln („Rechtsprinzipien“) maßgebend.43 Wer berechtigt ist, die Gesellschaft gegenüber dem einzelnen Gesellschafter und demgemäß im Innenverhältnis zu repräsentieren, bestimmt sich demgemäß nicht nach der Vertretungsmacht, denn diese erfasst nur das Verhältnis zu außenstehenden Dritten (vgl. § 714 BGB, wonach ein Gesellschafter ermächtigt ist, „die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten“), sondern nach der Geschäftsführungsbefugnis (vgl. §§ 709, 710 BGB).44
II. Keine persönliche Haftung der Gesellschafter für Sozialverbindlichkeiten 1. Eigene Lösung Eine Sozialverbindlichkeit ist zwar ein Anspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft (d. h. gegen alle zusammen). Weil dieser Anspruch aber ausschließlich im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander besteht, müssen die übrigen Gesellschafter nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Forderung eines ihrer Mitgesellschafter gegen die Gesellschaft (Sozialverbindlichkeit) einstehen (vgl. § 128 Satz 1 HGB, der zum Titel „Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu Dritten“ gehört).45 Hat ein Gesellschafter in Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen gemacht, kann er demzufolge allein von der Gesellschaft und nicht auch von seinen Mitgesellschaftern persönlich Ersatz verlangen (vgl. § 110 HGB; §§ 713, 670 BGB). Der Anspruch auf Aufwendungsersatz ist ein Vermögensrecht und als solches nicht auf das verpflichtete Subjekt (d. h. die Gesellschafter) bezogen, sondern auf die zu leistende 42 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 531, Fn. 1. 43 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 531. 44 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 531, Fn. 3. 45 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 531, Fn. 3.
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Handlung (als Objekt). Der Gesellschafter kann deshalb nur Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) verlangen. Die Gesellschafter sind also nicht als solche (d. h. als ganze Person) Schuldner dieser Sozialverbindlichkeit, sondern gleichsam bloß in ihrer Personenrolle als Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB).
2. Die Begründung der h. M. und die Kritik daran Weil die h. M. (Gruppenlehre) in der Gesellschaft (als Gesamthand) aber ein Rechtssubjekt sieht, erscheint für sie selbst der Gesellschafter, der in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Gesamthand gegenübertritt, ein (außenstehender) Dritter zu sein, sodass eigentlich die Mitgesellschafter für diese Sozialverbindlichkeiten des Gesellschafters (als Drittem) persönlich mit ihrem Privatvermögen einstehen müssten (§ 128 Satz 1 HGB). Die heute ganz h. M. lehnt trotzdem eine Anwendung des § 128 Satz 1 HGB (analog) auf Sozialverbindlichkeiten ab, da anderenfalls die Mitgesellschafter, so die h. M., „der Sache nach“ entgegen § 707 BGB „zur Erhöhung des vereinbarten Beitrags“ (d. h. der Einlage) verpflichtet wären.46 Die Verpflichtung der Gesellschafter, „die vereinbarten Beiträge zu leisten“, ist ein Unterfall der im Gesellschaftsvertrag übernommenen Förderpflicht (vgl. § 705 BGB: „insbesondere“) und folgt deshalb aus dem Gesellschaftsvertrag. Eine Beitragserhöhung setzt demzufolge eine Änderung des Gesellschaftsvertrags voraus, sodass ihr sämtliche Gesellschafter zustimmen müssen (§ 311 Abs. 1 BGB), wozu sie aber nicht verpflichtet sind, was § 707 BGB lediglich klarstellt. Anders als es die h. M. behauptet, geht es aber gar nicht um § 707 BGB. Denn selbst wenn ein Gesellschafter für eine Sozialverbindlichkeit (seines Mitgesellschafters) haftete und aus diesem Grunde die Gesellschaftsschuld begliche, handelte es sich dabei nicht um eine Beitragserhöhung. Eine Einlage (d. h. ein „Beitrag“ i. S. des § 707 BGB) ist nun jede vermögenswerte Leistung der Gesellschafter, die in das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) fließen soll;47 (sobald der Gesellschafter die Einlage tatsächlich in das Gesellschaftsvermögen eingezahlt hat, wird aus dem „Beitrag“ eine „Einlage“ i. S. des § 707 BGB48) wenn aber ein Mitgesellschafter eine Sozialverbindlichkeit persönlich begleicht, zahlt er unmittelbar aus seinem Privatvermögen in das des Gesellschafters, der als Sozialverbindlichkeit einen Anspruch gegen die Gesellschaft hat, und nicht in das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB). Die Zahlung findet demnach außerhalb von Gesellschaft 46 Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rn. 12; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 705 Rn. 54; Schöne, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 705 Rn. 127. 47 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 706 Rn. 1; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 132. 48 Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 706 Rn. 1; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 706 Rn. 5; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 3.
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und Gesellschaftsvermögen statt. Der Mitgesellschafter leistet daher überhaupt keine Einlage („Beitrag“), sodass § 707 BGB einer persönlichen Haftung der Mitgesellschafter (§ 128 Satz 1 HGB) an sich nicht entgegenstehen kann. Nach der h. M. soll dies aber auch bloß „der Sache nach“ so sein.49 Die Gesellschaft wird durch die Zahlung des Mitgesellschafters von ihrer Schuld gegenüber dem Gesellschafter (Sozialverbindlichkeit) frei, sodass der Mitgesellschafter gleichsam mittelbar das Gesellschaftsvermögen mehrt und insofern „der Sache nach“ entgegen § 707 BGB eine Einlage („Beitrag“) leistet (in diesem Sinn muss die h. M. verstanden werden, auch wenn sie das nicht ausdrücklich sagt und stattdessen pauschal auf § 707 BGB verweist). Das müsste dann aber auch gelten, wenn der Mitgesellschafter an einen Dritten als Gläubiger zahlt, es also nicht um eine Sozialverbindlichkeit geht. Denn auch hier wird die Gesellschaft von ihrer Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger (Dritten) frei, sodass der Mitgesellschafter mittelbar eine „Einlage“ (= „Beitrag“) in das Gesellschaftsvermögen einbringt. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB) müsste nach h. M. dann aber wegen § 707 BGB stets ausgeschlossen sein. Gleichwohl lehnt die h. M. eine Haftung des Mitgesellschafters (zu Recht) nur bei Sozialverbindlichkeiten ab, was sich mit § 707 BGB allerdings nicht rechtfertigen lässt. Die h. M. ist demzufolge nicht in der Lage zu begründen, warum allein die Gesellschaft (d. h. alle zusammen mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen, § 718 Abs. 1 BGB) für Sozialverbindlichkeiten einzustehen hat und nicht auch der einzelne Gesellschafter persönlich (für sich). Das Modell der h. M. (Gruppenlehre) von der Gesellschaft (Gesamthand) als Rechtssubjekt überzeugt demgemäß auch in diesem Punkt nicht, anders die Theorie der deutschen Gesamthand, die in ihrer Rechtsfigur der „deutschen Gesamthand“ die Momente von Einheit und Vielheit vereint.
III. Die gerichtliche Durchsetzung von Sozialverbindlichkeit und Sozialanspruch Auch bei der Frage, wie ein Gesellschafter-Gläubiger einen Anspruch gegen die Gesellschaft (d. h. eine Sozialverbindlichkeit) und umgekehrt die Gesellschaft einen Anspruch gegen einen der Gesellschafter (d. h. einen Sozialanspruch) gerichtlich (zwangsweise) durchsetzen kann, ist allein die „deutsche Gesamthandslehre“ imstande, eine in sich schlüssige Lösung zu liefern.
49 So ausdrücklich Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rn. 12. Auch für den BGHZ 37, 299, 301–302, ist es „innerlich gerechtfertigt“, dass ein Gesellschafter seine Sozialverbindlichkeit nicht auch gegen seine Mitgesellschafter geltend machen kann, „weil sonst (…) die Vorschrift des § 707 BGB im weiten Umfang gegenstandslos werden würde“.
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1. Die Sozialverbindlichkeit a) Eigene Lösung Für die deutsche Gesamthand folgt aus der kollektiven Rechtsfähigkeit der Gesamthand ihre kollektive Parteifähigkeit. Denn „der Rechtsfähigkeit entspricht hier wie überall Parteifähigkeit im Prozess“.50 Weil die Gesellschafter im Recht einen gemeinsamen status einnehmen, sind sie alle zusammen Inhaber des Gesellschaftsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) und können nur gemeinsam darüber verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB). Forderungen der Gesellschaft gehören zum gemeinschaftlichen Vermögen (vgl. § 719 Abs. 2 BGB), sodass die Gesellschafter vom Schuldner nur gemeinsam (d. h. als Gesellschaft) die Bewirkung der geschuldeten Leistung an alle zusammen (in Gemeinschaft) verlangen können. Die Gesellschafter können deshalb im Aktivprozess nur alle zusammen (kollektiv) Partei (Kläger) sein (und nicht jeder für sich). Da die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemeinschaftliche Schulden der Gesellschafter sind (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), sind die Gesellschafter im Passivprozess umgekehrt ebenso nur kollektiv (d. h. als Gesellschaft) Partei (Beklagte). Will ein Gesellschaftsgläubiger hier in das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) vollstrecken, benötigt er dafür einen Titel gegen alle Gesellschafter (§ 736 ZPO). Weil die Gesellschafter einer GbR im Rechtsverkehr unter einem gemeinschaftlichen Namen auftreten können (aber nicht müssen), kann der Titel auch auf die Gesellschaft lauten. Der Name der Gesellschaft steht hier nur als Abbreviatur für die Namen der Gesellschafter, sodass auch in diesem Fall „ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil“ vorliegt (§ 736 ZPO). Allein, weil bei den Handelsgesellschaften die Gesellschafter als Kaufleute unter einer gemeinschaftlichen Firma (d. h. Namen, § 17 Abs. 1 HGB) im Rechtsverkehr auftreten müssen (vgl. §§ 105 Abs. 1, 124 Abs. 1 HGB), ist bei OHG und KG ein Titel „gegen die Gesellschaft“ erforderlich (§ 124 Abs. 2 HGB). Auch bei den Handelsgesellschaften sind aber die Gesellschafter die Gesellschaft. Das Urteil ergeht daher bei OHG und KG allein formal gegen die Gesellschaft (§ 124 Abs. 2 HGB), materiell indes selbst hier „gegen alle Gesellschafter“ (§ 736 ZPO). Das gilt nun selbst für eine Sozialverbindlichkeit. Der Gesellschafter hat in diesem Fall zwar (an sich) einen Anspruch gegen jeden seiner Mitgesellschafter, doch ist diese Forderung allein auf Leistung aus dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) gerichtet. Über das Gesellschaftsvermögen können indes nur alle zusammen verfügen (vgl. § 719 Abs. 1 BGB), sodass auch nur alle Gesellschafter in Gemeinschaft (d. h. als Gesamthand) imstande sind, 50 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 682; siehe auch Lindacher, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 50 Rn. 3: „Rechtsfähigkeit macht parteifähig“; so auch BGHZ 146, 341, 347, wonach die Parteifähigkeit im Zivilprozess mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert (§ 50 ZPO).
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die Sozialverbindlichkeit zu erfüllen. Der Gesellschafter-Gläubiger muss aus diesem Grund die Gesellschaft verklagen, also nicht bloß die übrigen Gesellschafter, sondern auch sich selbst, da auch er Teil des Ganzen (d. h. der Gesellschaft) ist. Nur auf diese Weise kann er einen Titel „gegen alle Gesellschafter“ i. S. des § 736 ZPO erhalten, der erforderlich ist, um in das eine gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) vollstrecken zu lassen.
b) Die Ansicht der h. M. Für die h. M. (Gruppenlehre) ist die BGB‑Gesellschaft ein Rechtssubjekt und deshalb auch als solches im Zivilprozess parteifähig.51 An sich ist deswegen stets ein Titel gegen die GbR selbst erforderlich (§ 124 Abs. 2 HGB analog), gleichwohl soll § 736 ZPO daneben anwendbar sein, sodass auch ein Urteil, das gegen alle Gesellschafter ergangen ist, nach h. M. ausreicht, damit ein Gesellschaftsgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen kann.52 Bei einer Sozialverbindlichkeit braucht sich der Gesellschafter-Gläubiger, so die h. M., indes nicht selbst verklagen, er kann deshalb seinen Anspruch auch lediglich gegen alle übrigen Gesellschafter geltend machen und mit einem solchen Titel ins Gesellschaftsvermögen vollstrecken.53 Auf diese Weise fügt sich § 736 ZPO jedoch nicht in das Modell der h. M. (Gruppenlehre) ein, wonach die Gesellschaft ein Rechtssubjekt ist, sodass Rechte und Pflichten bei ihr enden und nicht bis zu den einzelnen Gesellschaftern durchdringen.54 Das Gesellschaftsvermögen kann deshalb nur das Vermögen der Gesellschaft und nicht der Gesellschafter sein (so aber § 718 Abs. 1 BGB).55 Ein Titel gegen alle Gesellschafter kann demzufolge nicht ausreichen, um in das Vermögen der Gesellschaft und damit eines fremden Rechtssubjekts zu vollstrecken. Weil das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft gehört (so die h. M.) und daher auch nur sie darüber verfügen kann, ist selbst bei einer Sozialverbindlichkeit, die nach h. M. ein Anspruch des Gesellschafters ausschließlich gegen die Gesell51
BGHZ 146, 341, 347. BGHZ 146, 341, 356. Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 705 Rn. 54; Schöne, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 705 Rn. 128; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 197. 54 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 62; ähnlich BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 24, für den deshalb zwischen der Gesellschaft als einem eigenständigen Zuordnungssubjekt und ihren Gesellschaftern zu trennen ist. Nach Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 8, „verlangt“ demgemäß „die Rechtsfähigkeit“ der Gesamthand „jedenfalls eine eigene, von den Mitgliedern getrennte Identität“, die sich in einem eigenen Namen und eigenen Sitz ausdrückt. 55 So ausdrücklich Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 705 Rn. 21; insofern auch Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, vor § 705 Rn. 11, dass die Gesellschafter für ihn zwar am Gesellschaftsvermögen „gesamthänderisch“ beteiligt sind, das aber nur als Mitglieder der Gesamthand und somit das Gesellschaftsvermögen allein der Gesellschaft als Rechtssubjekt gehört; ihm folgend BGH, NJW 2014, 1107 Rn. 24. 52 53
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schaft als Rechtssubjekt und nicht auch gegen die Mitgesellschafter ist, ein Titel gegen die Gesellschaft selbst erforderlich. Wenn nach h. M. bei einer Sozialverbindlichkeit dennoch ein Titel gegen die Mitgesellschafter ausreicht, um in das Gesellschaftsvermögen zu vollstrecken, ist die Gesellschaft allerdings weder ein Rechtssubjekt noch eine (deutsche) Gesamthand. Denn als Gesamthand gehört den Gesellschaftern zusammen (in Gemeinschaft) das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), sie können deshalb auch nur als Gesamtheit darüber verfügen (vgl. § 719 Abs. 1 BGB), sodass ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist (§ 736 ZPO). Auch bei einer Sozialverbindlichkeit muss sich daher der Gesellschafter-Gläubiger selbst verklagen, er steht sich hier als einzelner Gesellschafter (für sich) und als Mitträger der Gesellschaft (d. h. als Teil des Ganzen) gegenüber. Die h. M. löst die Gesellschaft als Rechtssubjekt (deutsch-rechtliche Körperschaft) nach innen in eine societas (Innengesellschaft) auf. Die societas erzeugt aber nur gegenseitige Rechte und Pflichten unter den socii, eine Gesellschaft gibt es nicht. Weil die socii deshalb für sich stehen und jeder von ihnen einen Anteil am Gesellschaftsvermögen hat (communio), über den er allein frei verfügen kann, genügt hier ein Titel gegen die übrigen Gesellschafter, damit ein Gesellschafter-Gläubiger auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen kann. Für die h. M. ist die Gesellschaft auf diese Weise nur nach außen eine (deutschrechtliche) Körperschaft (d. h. ein Rechtssubjekt), nach innen aber eine (römisch-rechtliche) societas.56 Im Gegensatz zur Theorie der deutschen Gesamthand kann die h. M. (Gruppenlehre) also die Aspekte von Einheit und Vielheit, die für die Rechtsfigur der Gesamthand (Gesellschaft) wesentlich sind, nicht in einem Modell, und zwar in dem von der Gesellschaft als einem Rechtssubjekt erfassen.
2. Der Sozialanspruch Hat die Gesellschaft, d. h. die Gesamtheit der Gesellschafter, einen Anspruch gegen einen von ihnen darauf, dass er eine Leistung in das gemeinschaftliche Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB bewirkt (Sozialanspruch), können (an sich) nur alle Gesellschafter zusammen (d. h. als Gesamthand) die geschuldete Leistung verlangen. Sie sind nur kollektiv parteifähig. Ein Sozialanspruch ist aber auch zugleich eine Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber jedem einzelnen seiner Mitgesellschafter, die deshalb jeder für sich einen Anspruch gegen ihn als Schuldner haben. Obgleich der Gesellschafter bloß verpflich56 Für Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 143, zeichnet sich gerade die Eigenart der Rechtsfigur der Gesamthandsgesellschaft dadurch aus, „dass die Personengemeinschaft und das Rechtsverhältnis der einzelnen Gesellschafter zu der Personengemeinschaft mit der schuldrechtlichen Verbindung der Gesellschafter untereinander, der römischrechtlichen societas, einhergeht“.
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tet ist, die versprochene Leistung in das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) einzubringen, ist dennoch jeder der übrigen Gesellschafter berechtigt, die ausstehende Leistung an alle zusammen, d. h. in das gemeinschaftliche Vermögen, zu verlangen. Diesen Anspruch kann jeder von ihnen mit einer Gesellschafterklage (actio pro socio) gegen den Mitgesellschafter geltend machen.
a) Die Ansicht der h. M. Auch bei der actio pro socio, mit der ein Gesellschafter Sozialansprüche der Gesellschaft gegen einen seiner Mitgesellschafter geltend machen kann (Gesellschafterklage), schwankt die h. M. zwischen Einheit und Vielheit. Für den BGH und einen Teil der Literatur hat nicht nur die Gesellschaft als Rechtssubjekt einen Anspruch gegen ihren Gesellschafter, sondern jeder Gesellschafter kann allein und im eigenen Namen von jedem anderen seiner Mitgesellschafter verlangen, dass er die geschuldete Leistung (z. B. den vereinbarten Beitrag, § 705 BGB) an die Gesamthand (Gesellschaft) erbringt.57 Rechtsgrundlage für den Anspruch der Gesellschaft sei der Gesellschaftsvertrag, der als Vertrag unter den Gesellschaftern gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen ihnen entstehen lasse, sodass ein Sozialanspruch stets auch ein eigener Anspruch des einzelnen Gesellschafters (als Vertragspartner) sei.58 Demgemäß verfolge der einzelne Gesellschafter mit der actio pro socio ein eigenes Recht, obgleich er von seinem Mitgesellschafter nur Leistung an die Gesellschaft (als Rechtssubjekt) und nicht an sich allein fordern könne.59 Der BGH und ein Teil des Schrifttums sehen in der Gesellschaft also ebenfalls allein nach außen eine Einheit, nach innen aber eine Vielheit. Für die h. M. in der Literatur hat im Gegensatz dazu ausschließlich die Gesellschaft (als Rechtssubjekt) einen Anspruch gegen ihren Gesellschafter.60 Sie ist selbst nach innen Einheit und nicht Vielheit. Der Gesellschafter mache mit der actio pro socio ein fremdes Recht geltend, er sei aus dem Gesellschaftsvertrag (oder „kraft Gesetzes“) lediglich ermächtigt, den Anspruch der Gesellschaft im eigenen Namen einzuklagen.61
57 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 142; BGHZ 25, 47, 49; jetzt aber offenlassend BGH, NZG 2010, 783 Rn. 3. 58 So ausdrücklich BGHZ 25, 47, 49; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 142. 59 BGHZ 25, 47, 49. 60 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 201; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 29; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 51. 61 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 50; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 705 Rn. 57; eingehend dazu Bork/Oepen, ZGR 2001, 515, 526– 529. Nach Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 209, handelt es sich um eine „quasigesetzliche Befugnis kraft ungeschriebenen (Gewohnheits-)Rechts“; für Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 51, und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 21 IV 4 a) (S. 637) ist die Gesellschafterklage (actio pro socio) eine dem einzelnen Mitgesellschafter nicht durch Vertrag, sondern kraft Gesetzes zustehende Prozessstandschaft.
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b) Eigene Lösung Dass der Gesellschafter nicht allein über den Anspruch der Gesellschaft verfügen kann, sondern nur die Gesellschaftergesamtheit (so auch der BGH und ein Teil des Schrifttums),62 bedeutet entgegen der h. M. in der Literatur nicht, dass der Sozialanspruch ausschließlich ein fremdes Recht (d. h. der Gesellschaft) sein muss und deswegen nicht ein eigenes Recht des einzelnen Gesellschafters sein kann.63 Ein Sozialanspruch entsteht aus dem (gegenseitigen) Gesellschaftsvertrag und ist daher ein eigenes Forderungsrecht des einzelnen Gesellschafters gegen seinen Mitgesellschafter. Weil der Mitgesellschafter die geschuldete Leistung jedoch in das gemeinschaftliche Vermögen erbringen, z. B. die vereinbarte Einlage (Beitrag, § 705 BGB) einzahlen muss, aber nur alle zusammen über das Gesellschaftsvermögen verfügen können (vgl. § 719 Abs. 1 BGB), ist der einzelne Gesellschafter nur zusammen (in Gemeinschaft) mit seinen Mitgesellschaftern über den Anspruch verfügungsbefugt. Der Sozialanspruch ist eine gemeinschaftliche Forderung der Gesellschafter (d. h. als Gesamthand), an der jeder von ihnen (als Teil des Ganzen) mitberechtigt ist. Der Gesellschafter macht demgemäß mit einer actio pro socio ein eigenes Recht geltend, jedoch nicht für sich allein, sondern für die Gesamtheit der Gesellschafter, weshalb er auch nur Leistung an alle fordern kann. Die Gesellschafterklage (actio pro socio) folgt demnach zwingend aus dem Wesen der Gesellschaft als Gesamthand, was die h. M. (Gruppenlehre) jedoch nicht zu erkennen vermag, da sie fälschlicherweise in der Gesellschaft, obwohl sie eine Gesamthand ist, ein Rechtssubjekt und damit eine reale Verbandsperson, oder eine Körperschaft des deutschen Rechts, sieht. Auch insofern ist die Theorie der deutschen Gesamthand der h. M. (Gruppenlehre) überlegen.
IV. Der Gesellschafterregress Begleicht ein Gesellschafter eine Verbindlichkeit der Gesellschaft (Gesellschaftsschuld) gegenüber einem außenstehenden Dritten (Gesellschaftsgläubiger), kann er an sich allein von der Gesellschaft (d. h. von allen Gesellschaftern zusammen als verbundene Subjekte) Aufwendungsersatz aus dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) verlangen. Weil es hier aber um ein Rechtsverhältnis zu Dritten geht, besteht nicht nur eine Verbindlichkeit aller Gesellschafter in Gemeinschaft (d. h. als Gesellschaft), vielmehr muss jeder von ihnen auch persönlich (für sich) mit seinem Privatvermögen für die Ge62 BGHZ 25, 47, 49–50; BGH, NJW 1985, 2830, 2831; Schöne, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 705 Rn. 117; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 50. 63 So aber Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 207–208; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 50; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 1 Rn. 64; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 50.
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sellschaftsschuld haften (vgl. § 128 Satz 1 HGB), und zwar akzessorisch (vgl. § 129 HGB).64 Das Rechtsverhältnis zum Dritten (als Gläubiger) wird über den gemeinsamen status, den die Gesellschafter im Recht einnehmen, an sie als die Zuordnungsendpunkte weitergeleitet. Da die Gesellschafter jeweils als ganze Person gebunden werden, sind sie als solche Schuldner. Es entsteht daher sowohl eine gemeinschaftliche Verbindlichkeit aller Gesellschafter zusammen (d. h. als Gesellschaft) als auch eine individuelle jedes einzelnen Gesellschafters (persönlich), sodass es zu einem Nebeneinander von einer Gesellschaftsschuld und vielen Gesellschafterschulden kommt. Zahlt nun ein Gesellschafter an den Gesellschaftsgläubiger (d. h. den Dritten), begleicht er zunächst einmal seine persönliche Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger, sodass allein seine Gesellschafterschuld erlischt (§ 362 Abs. 1 BGB). Dadurch entlastet er aber (wie ein Bürge den Hauptschuldner) zugleich die Gesellschaft (d. h. alle Gesellschafter zusammen) von der gemeinschaftlichen Schuld.65 Der zahlende Gesellschafter leistet hier deshalb nicht auf die Gesellschaftsschuld, weil er anderenfalls von seinen Mitgesellschaftern, und 64 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 16 Rn. 32. Auch der BGH hebt in BGHZ 73, 217, 224, hervor, dass „die jeweilige Gesellschaftsverbindlichkeit den Inhalt der Gesellschafterhaftung bestimmt und Umstände, die die Gesellschaftsschuld inhaltlich beeinflussen, damit zugleich die Verbindlichkeit des Gesellschafters verändern“. Wandelt sich der Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft in einen auf Schadensersatz um, kann daher auch der Gesellschafter nur noch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Nach BGHZ 146, 341, 358, ist auch bei der Außen-GbR als einer Gesamthand der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld für die persönliche Haftung der Gesellschafter maßgebend, weil es sich dabei um eine akzessorische Gesellschafterhaftung handelt. 65 Nach Habersack, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 774 Rn. 19, kann der Bürge bereits dann den Ersatz seiner Aufwendungen vom Hauptschuldner verlangen (§ 670 BGB), wenn es noch nicht zur Erfüllung der Hauptschuld gekommen sei, sondern bloß „zur Schuldentlastung des Hauptschuldners“. Der Bürge befriedigt zwar durch Zahlung auf seine Bürgschaftsschuld den Gläubiger (vgl. § 774 Satz 1 BGB), doch erlischt die Hauptverbindlichkeit nicht durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB). Vielmehr geht „die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn über“ (§ 774 Satz 1 BGB). Das kann sie aber nur, wenn sie noch besteht, also nicht bereits durch Erfüllung untergegangen ist. Der Übergang der Gesellschaftsschuld auf den zahlenden Gesellschafter scheitert zumindest nicht daran, dass sich die Forderung dann in seiner Person mit der (gemeinschaftlichen) Schuld vereinigen und infolgedessen erlöschen würde. Der zahlende Gesellschafter wäre zwar Gläubiger der Gesellschaftsschuld, aber nur zusammen mit seinen Mitgesellschaftern dessen gemeinschaftlicher Schuldner. Doch selbst wenn die Gesellschaftsschuld als Forderung gegen die Gesellschaft auf den zahlenden Gesellschafter ipso iure überginge, würde er trotzdem nicht die etwaig dafür bestellten Sicherungsrechte erwerben (§§ 412, 401 BGB). Denn anders als im Verhältnis zwischen Bürgschaftsschuld und Hauptverbindlichkeit handelt es sich bei der persönlichen Haftung des Gesellschafters nicht um eine Sicherheit für eine fremde, sondern für eine eigene, wenn auch gemeinschaftliche Schuld. Der zahlende Gesellschafter rückt aus diesem Grund nicht in die Rechtsstellung des Gesellschaftsgläubigers ein. Vielmehr soll er einzig und allein den von ihm gezahlten Betrag aus dem Gesellschaftsvermögen erstattet bekommen (BGHZ 139, 214, 218, wonach die persönliche Haftung des Gesellschafters mit seinem Privatvermögen gleichwertig neben der des Gesellschaftsvermögens steht, § 718 Abs. 1 BGB). Eine Erleichterung und Effektuierung des Gesellschafterrückgriffs, die darüber hi-
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zwar aus dem Gesamtschuldverhältnis mit ihnen, keinen Ausgleich verlangen könnte. Zahlte er auf die gemeinschaftliche Schuld (als Dritter i. S. des § 267 BGB), ginge die Gesellschaftsschuld durch Erfüllung unter (§ 362 Abs. 1 BGB), mit der Folge, dass mit ihr zusammen ipso iure auch die Gesellschafterschulden erlöschen würden, da diese mit ihr akzessorisch verknüpft sind. Dann könnte der zahlende Gesellschafter allerdings nicht mehr von seinen Mitgesellschaftern aus dem Gesamtschuldverhältnis, das zwischen ihnen besteht (vgl. § 128 Satz 1 HGB, § 421 BGB), Ausgleich verlangen (§ 426 BGB). Der Gesellschafter leistet aus diesem Grund einzig und allein auf seine eigene „Gesellschafterschuld“, um im Anschluss daran von den übrigen Gesellschaftern jeweils anteilig (pro rata) Regress nehmen zu können (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB; § 426 Abs. 2 BGB). Das hat aber nichts mit dem Verlustanteil i. S. des § 735 BGB zu tun (so aber die h. M.).66 Es geht nicht hier noch nicht um das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) und dessen Auseinandersetzung, erst dann kommt es auf den Verlustanteil i. S. des § 735 BGB an. Der Gesamtschuldnerausgleich spielt sich außerhalb der Gesellschaft ab. Es geht an dieser Stelle also nicht um die eine Verbindlichkeit der Gesellschaft (d. h. um die eine gemeinschaftliche Schuld), sondern um die mehreren individuellen Verbindlichkeiten der Gesellschafter als Gesamtschuldner (§ 421 BGB).67 Weil der zahlende Gesellschafter seine eigene persönliche Schuld begleicht, die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner aber auch für die anderen Gesamtschuldner wirkt (so § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB), werden auch hier die übrigen Gesellschafter von ihrer persönlichen Schuld gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger im Außenverhältnis ebenfalls frei. Als Gesamtschuldner ist dann aber jeder von ihnen (für sich) verpflichtet, den Anteil, der im Innenausgleich der Gesamtschuldner auf ihn entfällt (pro rata), dem zahlenden Gesellschafter zu erstatten (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anders als bei seinem Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen die Gesellschaft muss sich der zahlende Gesellschafter jedoch seinen Anteil anrechnen lassen, den er im Verhältnis der Gesellschafter als Gesamtschuldner zueinander (d. h. nicht als Gesellschaft) zu tragen hat (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). nausginge, ist nicht Zweck eines Übergangs der Forderung ipso iure vom Gesellschaftsgläubiger auf den zahlenden Gesellschafter. 66 Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 52. 67 Anders BGHZ 37, 299, 302. Nach Walter, JuS 1982, 81, 84, soll der Rückgriff des Gesellschafters bei seinen Mitgesellschaftern nur eine „Fortsetzung des Außenverhältnisses“ (zum Gesellschaftsgläubiger als Drittem) darstellen. Weil der Ausgleichsanspruch des Gesellschafters (§ 426 Abs. 1 BGB) demnach den Drittcharakter der Gesellschaftsschuld in das Innenverhältnis der Gesellschafter mitnimmt und so zum Außenverhältnis macht, im Außenverhältnis aber § 707 BGB nicht gilt, stehe auch § 707 BGB der persönlichen Haftung der Mitgesellschafter für die Sozialverbindlichkeit hier nicht entgegen.
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Wenn ein Mitgesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil an den zahlenden Gesellschafter leistet, kann er aber seinerseits von der Gesellschaft aus dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) Aufwendungsersatz verlangen (§ 110 HGB; §§ 713, 670 BGB). Weil auf diesem Umweg wiederum die Gesellschaft allein (d. h. alle Gesellschafter gemeinsam) die Gesellschaftsschuld zu tilgen hat, ist der zahlende Gesellschafter gegenüber den anderen verpflichtet, den Ersatz seiner Aufwendung zunächst bei der Gesellschaft, d. h. dort aus dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), zu suchen, bevor er jeweils gegen seine Mitgesellschafter persönlich aus dem Gesamtschuldverhältnis vorgeht (§ 426 BGB). Insofern haften dem zahlenden Gesellschafter gegenüber die übrigen Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft nur subsidiär.68 Hat D gegen eine Gesellschaft, die aus A, B und C besteht, eine Forderung in Höhe von 1.500 Euro, hat er auch gegen A, B und C persönlich jeweils einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.500 Euro (§ 128 Satz 1 HGB), eben, weil A, B und C als ganze Person gebunden sind und daher jeder für sich mit seinem gesamten Vermögen haftet. Wenn der Gesellschafter A nun an D als den Gläubiger der Gesellschaft zahlt, erfüllt A zum einen seine eigene persönliche Verbindlichkeit gegenüber D (Gesellschafterschuld) und entlastet zum anderen gleichsam simultan die Gesellschaft von ihrer Verbindlichkeit gegenüber D (Gesellschaftsschuld). Weil A die Gesellschaft von der Forderung des D entlastet hat, kann er von ihr, d. h. von A, B und C zusammen, aus dem gemeinschaftlichen Vermögen Ersatz seiner Aufwendungen (1.500 Euro) verlangen (§ 110 HGB; §§ 713, 670 BGB). Für diese Sozialverbindlichkeit haften zwar B und C nicht persönlich (mit ihrem Privatvermögen). Da A aber gleichzeitig die Forderung des D gegen ihn selbst beglichen hat, hier A aber zusammen mit seinen Mitgesellschaftern B und C Gesamtschuldner i. S. des § 421 BGB ist (vgl. § 128 Satz 1 HGB), werden B und C ebenfalls von ihrer jeweiligen Verpflichtung gegenüber D frei (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Aus diesem Grund hat A nunmehr jeweils gegen B und C einen Anspruch auf Ausgleich. A, B und C sind als Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander „zu gleichen Anteilen“ verpflichtet (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auf A, B und C entfällt deshalb jeweils ein Beitrag von 500 Euro, sodass A sowohl von B als auch von C jeweils die Zahlung von 500 Euro an ihn verlangen kann und er selbst im Verhältnis zu B und C einen Anteil von 500 Euro zu tragen hat.
68
BGH, NZG 2013, 1334 Rn. 35.
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V. Die Auseinandersetzung in Ansehung des Gesellschaftsvermögens 1. Die Auflösung der Gesellschaft als Zweckänderung Ein Vermögensrecht des Gesellschafters ist auch sein Anspruch auf dasjenige, was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt (vgl. die Formulierung in § 717 Satz 2 BGB). Nach h. M. (Gruppenlehre) handelt es sich dabei um eine Sozialverbindlichkeit, d. h. um einen Anspruch des einzelnen Gesellschafters gegen die Gesellschaft als Rechtssubjekt, nach der „deutschen Gesamthand“ dagegen um einen Anspruch des Gesellschafters gegen alle Gesellschafter in Gemeinschaft (d. h. als eine Gemeinschaft zur gesamten Hand). Die Auseinandersetzung in Ansehung des Gesellschaftsvermögens findet erst „nach der Auflösung der Gesellschaft“ statt (vgl. § 730 Abs. 1 BGB). Mit der Auflösung der Gesellschaft endet jedoch die Gesamthand als Personengemeinschaft. Weil die Personengemeinschaft eine Vermögensgemeinschaft zur Folge hat und deshalb eine Vermögensgemeinschaft eine Personengemeinschaft voraussetzt, gibt es ipso iure auch kein gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) mehr, wenn sich die Gesellschaft aufgelöst hat. Die bisherigen Gesellschafter sind jetzt unverbundene Personen und bilden nur noch eine römisch-rechtliche communio (d. h. eine Gemeinschaft nach Bruchteilen i. S. des § 741 BGB). Obwohl die Gesellschaft aufgelöst ist und deshalb an sich ein gemeinschaftliches Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB nicht mehr existiert, sind dennoch in der Auseinandersetzung „aus dem Gesellschaftsvermögen“ die gemeinschaftlichen Schulden zu berichtigen (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine gemeinschaftliche Schuld („Gesellschaftsschuld“) ist eine Verbindlichkeit der Gesellschafter in Gemeinschaft (d. h. als Gesamthand). Die (bisherigen) Gesellschafter müssen demnach immer noch einen gemeinsamen status im Recht einnehmen, um überhaupt gemeinschaftliche Schuldner sein zu können. Damit sie aber die gemeinschaftlichen Schulden begleichen können, müssen sie zwangsläufig ein gemeinschaftliches Vermögen haben, d. h. das Gesellschaftsvermögen muss auch nach der Auflösung der Gesellschaft fortbestehen. Und weil das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) eine Personengemeinschaft bedingt, muss an sich für die Auseinandersetzung in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Gesellschaft andauern. Mit der Auflösung der Gesellschaft erlöschen indes bereits gemeinschaftliche Rechte (und Pflichten). Hat ein Gesellschafter der Gesellschaft (d. h. der Gesamtheit der Gesellschafter) einen Gegenstand nicht zum gemeinschaftlichen Eigentum (vgl. § 706 Abs. 2 BGB; quoad dominium), sondern ihn ausschließlich zur Benutzung überlassen (quoad usum), gehört das Benutzungsrecht zum Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB). Nur weil mit der Auflösung der Gesellschaft das (gemeinschaftliche) Benutzungsrecht der Gesellschafter erlischt, ist dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung sein
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Gegenstand zurückzugeben (vgl. § 732 BGB). Demnach bestehen gewisse gemeinschaftliche Rechte und Pflichten fort, andere fallen dagegen weg. Die (bisherigen) Gesellschafter bilden also trotz der Auflösung der Gesellschaft weiterhin eine Gesamthand. Die personenrechtliche Verbundenheit der Gesellschafter bleibt in Kraft, d. h. die Gesellschafter nehmen immer noch ihren ursprünglichen gemeinsamen status im Recht ein („kollektive Rechtsfähigkeit“), der ihnen als Zuordnungsendpunkte (d. h. als Rechtsträger) die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten vermittelt. Was sich aber in der Gesamthand ändert, ist der (gemeinsame) Zweck, den die Gesamthänder („Gesellschafter“) zusammen verfolgen. An die Stelle des werbenden, vertraglich vereinbarten gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB) tritt jetzt der Abwicklungszweck (vgl. § 730 Abs. 2 Satz 1 BGB: „Zweck der Auseinandersetzung“). Aus der Gesellschaft wird nunmehr eine Auseinandersetzungsgemeinschaft. Auch wenn sich der (gemeinsame) Zweck ändert, ist es doch immer noch derselbe gemeinsame status, den die (bisherigen) Gesellschafter im Recht innehaben. Die Gesamthand bleibt daher dieselbe, nicht aber die Gesellschaft.69 Die Gesamthand ist als Abwicklungsgemeinschaft „nur in ihrer Wirkungskraft verengt und in ihrer Lebensdauer begrenzt“.70 Und deshalb enden ipso iure alle gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten, die nicht mehr vom Abwicklungszweck erfasst sind.
2. Dennoch dieselbe Gesamthand Die Gesellschafter setzen sich im Gesellschaftsvertrag einen gemeinsamen Zweck, den sie in Gemeinschaft zu erreichen beabsichtigen (§ 705 BGB). Der „vereinbarte Zweck“ ist demnach das Ziel, auf das sich die Gesellschafter gleichsam stetig zubewegen wollen (vgl. § 726 BGB). Damit liegt der gemeinsame Zweck mit Notwendigkeit außerhalb der Gesamthand. Wird der vereinbarte Zweck nun geändert, lässt dies den gemeinsamen status, der die Gesell69 Ähnlich auch Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, vor § 723 Rn. 5, der jedoch nicht zwischen Gesamthand und Gesellschaft differenziert, sodass für ihn die Gesellschaft fortbesteht. Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 723 Rn. 1. Auch nach Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 723 Rn. 15, ändert sich lediglich der Zweck der Gesellschaft, ihre Identität bleibt dagegen gewahrt, sodass auch für sie die Gesellschaft (und nicht bloß die Gesamthand) fortbesteht. So auch Beurskens/Rottmann, JZ 2018, 272, 274 („nur eine Änderung des Gesellschaftszwecks“), für die eine Außen-GbR erst dann vollkommen beendet sein soll, wenn nicht nur das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) an die „Gesellschafter“ verteilt worden ist, sondern auch alle, zumindest die erkennbaren Verbindlichkeiten getilgt worden sind (ebenda, S. 272–277; so aber auch Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 250). Nach „ganz h. M.“ erlischt eine Außen-GbR schon mit der endgültigen Verteilung des Gesamthandsvermögens (Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 730 Rn. 1–2, 38–39 und öfter; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 1 Rn. 203; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 730 Rn. 32– 33). 70 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 851.
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schafter zu einer Gesamthand zusammenschließt, zunächst einmal unberührt. Da der status aber die Aufgabe hat, den Gesellschaftern zu ermöglichen, in Gemeinschaft ihren vereinbarten Zweck zu erreichen (§ 705 BGB), bestimmt der Zweck durchaus die Gestalt des gemeinsamen status. Bei einer Zweckänderung bleiben deshalb der gemeinsame status und damit die Gesamthand nur so lange dieselben, wie der status in der Lage ist, auch dem neuen Zweck zu dienen. Wird die Gesellschaft aufgelöst, ändert sich zwar dadurch der Zweck, dennoch bewahren der status und mit ihm die Gesamthand ihre Identität. Selbst eine Gesellschaft, die auf Dauer angelegt ist, endet irgendwann einmal. Aus diesem Grund verfolgt jede Gesellschaft nicht nur als Gesamthand ihren vereinbarten Zweck (§ 705 BGB), sondern hat mit Notwendigkeit auch den gemeinsamen Zweck, dass nach ihrer Auflösung eine Auseinandersetzung in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens unter den Gesellschafter stattfindet (§ 730 Abs. 1 BGB). Die (ehemaligen) Gesellschafter müssen nach der Auseinandersetzung wieder jeder für sich stehen, so wie sie es vor der Gesellschaft getan haben. Der Abwicklungszweck gehört daher zu jeder Gesellschaft dazu, er „schlummert“ gleichsam, solange der vereinbarte Zweck (§ 705 BGB) besteht, und „erwacht“, sobald die Gesellschafter ihren gemeinsamen Zweck nicht mehr verfolgen wollen und sich dadurch die Gesellschaft auflöst. Da aber der Abwicklungszweck schon in der Gesellschaft unvermeidlich angelegt ist, ist der gemeinsame status nicht nur dazu fähig, dem vereinbarten Zweck (§ 705 BGB) zu dienen, sondern auch dem Abwicklungszweck. Die Zweckänderung, durch die die Auflösung der Gesellschaft bewirkt wird, erfordert deshalb nicht einen anderen, neuen status, sondern „verengt“ lediglich dessen „Wirkungskraft“ auf den Abwicklungszweck, sodass der gemeinsame status in der Folge davon jetzt nicht mehr alle Rechte und Pflichten an die Gesellschafter in Gemeinschaft vermitteln kann.71 Nach Auflösung der Gesellschaft, oder gleichbedeutend nach dem Wegfall des gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB), ist die Gesamthand zwar nicht mehr eine Gesellschaft (da es ja jetzt an dem vereinbarten Zweck fehlt), dennoch ist sie immer noch dieselbe Gesamthand, da es auch der gemeinsame status, den die (bisherigen) Gesellschafter zusammen einnehmen, ebenfalls ist (er ist bloß in seiner „Wirkungskraft verengt“). Die Gesamthand selbst besteht demzufolge unverändert fort, aber eben nicht mehr als Gesellschaft; ihr Fortbestand ist deshalb auch nicht ein bloß fiktiver.72 In diesem Sinn ist dementsprechend auch § 730 Abs. 2 Satz 1 BGB zu verstehen, wonach die Gesellschaft trotz ihrer 71
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 851 (Zitat). So ausdrücklich auch die h. M., die aber davon ausgeht, die Gesellschaft (und nicht die Gesamthand) bestehe fort (Habermaier, in: Staudinger, BGB, 2003, vor § 723 Rn. 17; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, vor § 723 Rn. 5; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, vor § 723 Rn. 15). 72
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Auflösung als fortbestehend gilt, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordert. Da der gemeinsame status derselbe ist, ist es auch die Gesamthand. Aus der Gesellschaft wird eine Auseinandersetzungsgemeinschaft nur insofern, als die Gesamthand nach Auflösung der Gesellschaft nicht mehr dem ursprünglich werbenden, vertraglich vereinbarten gemeinsamen Zweck i. S. des § 705 BGB dient, sondern lediglich noch der Auseinandersetzung in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens der (bisherigen) Gesellschafter (§ 730 Abs. 1, 2 Satz 1 BGB).73
3. Von der Gesamthand zur Gemeinschaft nach Bruchteilen (communio) a) BGB‑Gesellschaft Haben die Gesellschafter die Gegenstände, die sie der Gesellschaft lediglich zur Benutzung überlassen hatten (quoad usum), zurückerhalten (§ 732 BGB) und sind die gemeinschaftlichen Schulden berichtigt (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), sind die Einlagen aus dem „übrig bleibenden Gesellschaftsvermögen“ an die Gesellschafter zurückzuerstatten (§ 733 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es existiert hier also noch ein gemeinschaftliches Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), sodass die Abwicklungsgemeinschaft noch als Gesamthand besteht. Erst wenn nach der Rückerstattung der Einlagen ein Überschuss verbleibt (so § 734 BGB), endet die Gesamthand und wandelt sich in eine „Gemeinschaft unter unverbundenen Personen“, d. h. in eine Gemeinschaft nach Bruchteilen i. S. des § 741 BGB (communio) um.74 Die bisherigen Gesellschafter werden zu Miteigentümern an den „gemeinschaftlichen Gegenständen“ (vgl. § 752 BGB); und erst jetzt entstehen ideelle Anteile (nach Bruchteilen) an den einzelnen Gegenständen, die zuvor zum Gesellschaftsvermögen gehört haben (vgl. § 719 Abs. 1 BGB).75 Die Auseinandersetzung („Aufhebung der Gemeinschaft“) erfolgt durch Teilung in Natur (§ 752 BGB) oder, soweit diese ausgeschlossen ist, durch Verkauf, d. h. die gemeinschaftlichen Gegenstände werden durch Verkauf in Geld umgesetzt und anschließend der Erlös unter den bisherigen Gesellschaftern (als Miteigentümern) aufgeteilt (§ 753 BGB). Der Anspruch des einzelnen Gesellschafters auf dasjenige, was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt, ist demzufolge nur insofern eine Sozialverbindlichkeit, als er die Rückgabe seiner Gegenstände (§ 732 BGB), die Berichtigung der gemeinschaftlichen Schulden (§ 733 Abs. 1 BGB) und die Rückerstattung seiner Einlagen (§ 733 Abs. 2 BGB) aus dem gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter und damit von der Gesamthand (d. h. allen Gesellschaftern zusammen) verlangen kann. Der An73 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 851, Fn. 96; Habermaier, in: Staudinger, BGB, 2003, vor § 723 Rn. 1. 74 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 695. 75 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 844, 853, Fn. 107 (zuvor sind sie als „schlummernde Anteile“ wirkungslos).
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spruch auf den Überschuss (§ 754 BGB) richtet sich nicht mehr gegen die Gesamthand, sondern nur noch gegen die Mitgesellschafter als unverbundene Personen. Denn eine Gesamthand existiert in dieser Phase der Auseinandersetzung nicht mehr, stattdessen besteht unter den bisherigen Gesellschaftern eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB).
b) Handelsgesellschaft Auch bei einer Handelsgesellschaft (OHG und KG) findet nach ihrer Auflösung in Ansehung des gemeinschaftlichen Vermögens der Gesellschafter eine Auseinandersetzung (Liquidation) statt (§ 145 Abs. 1 HGB). Die Gesellschaft wird auch hier zu einer Auseinandersetzungs- bzw. Liquidationsgemeinschaft. An die Stelle des werbenden, gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB), ein Handelsgewerbe zu betreiben (§ 105 Abs. 1 HGB), tritt der Liquidationszweck (vgl. § 156 HGB). Anders als bei einer BGB‑Gesellschaft besteht die Liquidationsgemeinschaft so lange, bis das Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB vollständig unter den bisherigen Gesellschaftern verteilt ist (vgl. § 156 HGB, wonach bis zur Beendigung der Liquidation die Vorschriften des HGB über das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander sowie der Gesellschaft zu Dritten weiterhin Anwendung finden). Die Liquidationsgemeinschaft wird also nicht zu einer Gemeinschaft unter unverbundenen Personen (Gemeinschaft nach Bruchteilen, § 741 BGB). Das gemeinschaftliche Vermögen der bisherigen Gesellschafter ist bei der OHG (und KG) sofort in Geld umzusetzen (§ 149 Satz 1 HGB) und nach Berichtigung der gemeinschaftlichen Schulden ist anschließend das dann noch verbleibende (ehemalige) Gesellschaftsvermögen unter den bisherigen Gesellschaftern zu verteilen (§ 155 Abs. 1 HGB). Die Gesellschafter haben hier reine Wertanteile am Gesellschaftsvermögen. Weil das Gesellschaftsvermögen in Geld umgesetzt ist, sind Anteile an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstanden nicht erforderlich (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Die Gesellschafter haben deshalb lediglich gegen die Gesamthand (d. h. gegen alle Gesellschafter zusammen) einen Anspruch auf Auszahlung ihres Wertanteils in Geld. Im Gegensatz zur BGB‑Gesellschaft ist daher bei der Handelsgesellschaft (OHG und KG) der Anspruch „auf dasjenige, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt“ (vgl. § 717 Satz 2 BGB), eine Sozialverbindlichkeit.
4. Die Nachschusspflicht Reicht das Gesellschaftsvermögen jedoch nicht aus, um die gemeinschaftlichen Schulden der (bisherigen) Gesellschafter zu berichtigen und die Einlagen an sie zurückzuerstatten, kann die Auseinandersetzungsgemeinschaft (d. h. alle Gesellschafter zusammen als Gesamthand) von jedem einzelnen Gesell-
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§ 10 Das Innenverhältnis
schafter verlangen, dass er den Fehlbetrag in das gemeinschaftliche Vermögen einzahlt, der dem entspricht, was er im Verhältnis der Gesellschafter untereinander als Verlust zu tragen hat (§ 735 Satz 1 BGB). Diese Nachschusspflicht ist ein Anspruch der Gesamthand (wenn auch nicht mehr der Gesellschaft, da sich diese aufgelöst hat, sodass die dieselbe Gesamthand, die zuvor die Gesellschaft war, als Auseinandersetzungsgemeinschaft fortbesteht) gegen den einzelnen bisherigen Gesellschafter und daher ein Sozialanspruch, was sowohl für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als auch für die des Handelsrechts gleichermaßen gilt.
VI. Der Abfindungsanspruch Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, besteht die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern (als dieselbe Gesamthand) fort (vgl. § 736 Abs. 1 BGB). Gleichwohl findet eine partielle Auflösung der Gesellschaft und Auseinandersetzung in Ansehung des Gesellschaftsvermögens statt. Der ausgeschiedene Gesellschafter wird so gestellt, als ob die Gesellschaft tatsächlich aufgelöst worden wäre (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB). An die Stelle des werbenden, gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB) tritt deshalb bloß fiktiv der Zweck der Auseinandersetzung. Es wird demnach lediglich so getan, als ob sich die Gesellschaft in eine Auseinandersetzungsgemeinschaft verwandeln würde. Es erlöschen infolgedessen auch nur die Benutzungsrechte der Gesellschaft an den Gegenständen, die der Ausscheidende ihr zur Benutzung überlassen hatte (quoad usum), sodass er nunmehr deren Rückgabe verlangen kann (§§ 738 Abs. 1 Satz 2, 732 BGB). Die übrigen Gesellschafter (d. h. als Gesellschaft) müssen den Ausscheidenden zudem von den „gemeinschaftlichen Schulden“ (so § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder genauer von seiner persönlichen Haftung für diese befreien.76 Mit seinem Austritt aus der Gesellschaft (d. h. der Gesamthand) verlässt er den gemeinsamen status, der ihm (und den übrigen Gesellschaftern) die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten als Zuordnungsendpunkt (d. h. als Rechtsträger) vermittelt. Er hört demzufolge automatisch (ipso iure) auf, Mitträger der gemeinschaftlichen Schulden zu sein. Weil er aber in der Gesellschaft als ganze Person gebunden wird, entsteht abgeleitet von der gemeinschaftlichen auch eine individuelle Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger; er haftet daher auch persönlich (für sich) mit seinem Privatvermögen für die gemeinschaftliche Schuld der Gesellschafter (vgl. § 128 Satz 1 HGB).
76 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 738 Rn. 77; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 738 Rn. 9; BGH, NZG 2010, 383.
C. Vermögensrechte und -pflichten
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Diese Gesellschafterschuld wird durch sein Ausscheiden nicht berührt, sie bleibt unverändert bestehen. Er tritt ausschließlich aus dem gemeinsamen status (kollektive Rechtsfähigkeit) aus, seinen individuellen status (Einzelrechtsfähigkeit) behält er notwendigerweise bei, denn nur, weil er rechtsfähig ist, ist er im Recht eine Person (und allein deshalb der Möglichkeit nach ein Rechtssubjekt). Der individuelle status ist für ihn (wie für jede Person) wesentlich. Er kann ihn nicht ablegen, ohne zugleich aufzuhören, eine Person zu sein. Und weil über diesen status seine individuellen Rechte und Pflichten an ihn als Zuordnungsendpunkt (Subjekt) vermittelt werden, haftet er auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft weiterhin persönlich mit seinem Privatvermögen für die (vormals) gemeinschaftlichen Schulden (vgl. § 160 Abs. 1 HGB, § 736 Abs. 2 BGB). Die übrigen Gesellschafter können ihn demgemäß von den gemeinschaftlichen Schulden nur befreien, indem sie jene tilgen und dadurch (d. h. als dessen Folge) die Gesellschafterschuld erlischt, weil diese mit der Gesellschaftsschuld akzessorisch verknüpft ist oder indem sie mit dem Gesellschaftsgläubiger vereinbaren, dass er den ausgeschiedenen Gesellschafter aus seiner persönlichen Haftung (d. h. aus der Gesellschafterschuld) entlässt.77 Daneben kann der Ausscheidende von den „übrigen Gesellschaftern“ verlangen, dass sie ihm dasjenige zahlen, „was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre“ (so § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieser Abfindungsanspruch bemisst sich nach dem, was der Gesellschafter der Höhe nach bei einer Auseinandersetzung als Rückerstattung seiner Einlage (§ 733 Abs. 2 Satz 1 BGB) und bei Verteilung des Überschusses (§ 734 BGB) erhalten würde.78 Weil die übrigen Gesellschafter als Gesamtheit die Gesellschaft sind, richtet sich dieser Anspruch gegen die Gesellschaft. Obwohl der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist und demnach außerhalb von ihr steht, ist er ihr gegenüber doch nicht ein Dritter, vielmehr macht er, wenn auch als ehemaliger Gesellschafter, so doch als (ehemaliger) Gesellschafter und demgemäß aus dem Innenverhältnis zu seinen Mitgesellschaftern heraus seinen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft geltend, sodass es sich auch hier um eine Sozialverbindlichkeit handelt. Eine Sozialverbindlichkeit ist das Recht eines Gesellschafters in seiner Eigenschaft als ein solcher (d. h. als Gesellschafter), aus dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) eine Leistung an sich verlangen zu können und daher ein Vermögensrecht. Vermögensrechte sind gegenseitige Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander, und zwar aus dem Gesellschafts77 BGH, NJW 1999, 2438, 2440; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 738 Rn. 15; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 738 Rn. 3b. 78 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 738 Rn. 2; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 738 Rn. 6; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 738 Rn. 4.
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§ 10 Das Innenverhältnis
vertrag (§ 705 BGB). Nur weil die Gesellschafter ausschließlich alle zusammen (d. h. als Gesamthand) über das gemeinschaftliche Vermögen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB), kann ein Gesellschafter allein eine Sozialverbindlichkeit nicht erfüllen. Auch wenn der schuldrechtliche Anspruch des berechtigten Gesellschafters (d. h. sein Vermögensrecht) daher insofern nur gegen die Gesellschaft geht, ist gleichwohl jeder Gesellschafter zur Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) verpflichtet, zwar nicht allein (für sich), aber in Gemeinschaft und damit als Teil des Ganzen. Eine Sozialverbindlichkeit ist in diesem Sinn stets (auch) eine eigene Mitverpflichtung des einzelnen Gesellschafters, die er aber deshalb nur zusammen mit den übrigen Gesellschaftern erfüllen kann, weil sie nur gemeinsam (d. h. zur gesamten Hand) die geschuldete Leistung aus dem gemeinschaftlichen Vermögen an den ausgeschiedenen Gesellschafter bewirken können (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Dass der Abfindungsanspruch wie auch der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben eine Sozialverbindlichkeit ist, folgt daraus, dass beide im Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) bereits begründet sind und demgemäß im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander ihre Grundlage haben. Da irgendwann einmal jede Gesellschaft endet (sich auflöst), muss das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) mit Notwendigkeit in der Zukunft unter den Gesellschaftern verteilt werden. Aus diesem Grund ist der Anspruch auf Abfindung oder auf das Auseinandersetzungsguthaben zunächst stillgelegt, oder wie Gierke es formuliert: er „schlummert“,79 d. h. er entsteht erst mit der Auflösung der Gesellschaft oder dem Ausscheiden des Gesellschafters, ist aber gleichwohl von Anfang an im Gesellschaftsvertrag begründet. Mit dem Ausscheiden des Gesellschafters realisiert sich daher im Abfindungsanspruch bloß der Wertanteil, den der Gesellschafter auch schon zuvor, d. h. vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft, am gemeinschaftlichen Vermögen hat. Während die Gesellschaft besteht, existiert zwar weder am Gesellschaftsvermögen noch an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen ein (realer oder auch nur ideeller) Anteil des einzelnen Gesellschafters (so aber § 719 Abs. 1 BGB), denn die Gesellschafter haben alles gemeinsam. Es gibt deshalb nur einen latenten Wertanteil für jeden von ihnen, der erst mit der Auflösung der Gesellschaft oder dem Ausscheiden aus der Gesellschaft wirksam wird.80 Bei der Auflösung der Gesellschaft wandelt sich der Wertanteil schließlich am Ende in der Auseinandersetzung in einen realen Anteil um (vgl. §§ 731 Satz 2, 752, 753 BGB). Weil beim Ausscheiden aus der Gesellschaft die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern aber fortbesteht (vgl. § 736 79 80
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 678. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 678.
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Abs. 1 BGB) und daher das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) nicht real aufgeteilt wird, muss gewissermaßen an die Stelle des Wertanteils, den der ausscheidende Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB hat, ein Auszahlungsanspruch gegen die übrigen Gesellschafter treten. Der Ausscheidende verliert seinen „Anteil“ am gemeinschaftlichen Vermögen (vgl. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB: „so wächst sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu“) und bekommt dafür als Kompensation einen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB), und zwar ausschließlich aus dem Gesellschaftsvermögen. Der Abfindungsanspruch setzt demzufolge den Wertanteil am Gesellschaftsvermögen nur fort, es findet eine (dingliche) Surrogation statt. Der Auszahlungsanspruch ist deshalb ebenso wie der Wertanteil, den er ersetzt, auf das Gesellschaftsvermögen als Objekt und nicht auf die übrigen Gesellschafter als verpflichtete Subjekte bezogen. Die übrigen Gesellschafter sind aus diesem Grund nicht als ganze Person und in diesem Sinn als solche Schuldner des Abfindungsanspruchs, sondern gleichsam ausschließlich in ihrer Personenrolle als Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens (§ 718 Abs. 1 BGB). Sie haften infolgedessen auch nicht persönlich (mit ihrem Privatvermögen) für den Auszahlungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters (d. h. als Sozialverbindlichkeit). Anders sieht das die h. M.,81 weil sie verkennt, dass der ausgeschiedene Gesellschafter nicht als Dritter von außen, sondern als (ehemaliger) Gesellschafter den „übrigen Gesellschaftern“ gegenübertritt. Obschon sein Abfindungsanspruch erst mit dem Austritt aus der Gesellschaft entsteht, ist der Anspruch dennoch bereits im Gesellschaftsvertrag angelegt und daher vor dem Ausscheiden begründet.82 Für den Rechtscharakter des Auszahlungsanspruchs kommt es allein auf seine Begründung an, nicht auf seine Entstehung (vgl. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 736 Abs. 2 BGB). Er „schlummert“ nur, ist also bereits (gleichsam als Schlafender) da und „erwacht“ lediglich später; und das gilt sowohl für die BGB‑Gesellschaft als auch für OHG und KG.83
81 BGHZ 148, 201, 206–207; BGH, NJW 2011, 2355 Rn. 12; Schäfer, in: MünchKommBGB, 7. Aufl. 2017, § 738 Rn. 17; K. Schmidt, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 131 Rn. 128. 82 Ähnlich Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 738 Rn. 40; selbst für Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 174, bleibt der Anspruch des (ehemaligen) Gesellschafters trotz seines Ausscheidens aus der Gesellschaft „ein solcher aus seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft“. 83 Auch Habermeier, in: Staudinger, BGB, 2003, § 738 Rn. 12, lehnt gleichermaßen für GbR und OHG eine persönliche Haftung der übrigen Gesellschafter ab, auch wenn er dabei zu Unrecht auf § 707 BGB abstellt.
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§ 10 Das Innenverhältnis
VII. Der Gewinnanspruch Wollen die Gesellschafter lediglich einen zeitlich begrenzten gemeinsamen Zweck verfolgen (§ 705 BGB), und ist deswegen ihre Gesellschaft eine Gelegenheitsgesellschaft von nur vorübergehender Dauer, können die Gesellschafter erst nach Auflösung der Gesellschaft die Verteilung von Gewinn und Verlust verlangen (§ 721 Abs. 1 BGB). Ist die Gesellschaft jedoch „von längerer Dauer“ (Dauergesellschaft), haben sie schon während des Bestehens ihrer Gesellschaft einen wiederkehrenden Anspruch auf Gewinnverteilung (§ 721 Abs. 2 BGB). Als Vermögensrecht gehört auch dieser Auszahlungsanspruch zu den gegenseitigen Rechten und Pflichten der Gesellschafter untereinander, d. h. jeder Gesellschafter kann an sich von jedem seiner Mitgesellschafter die Auszahlung des Gewinns verlangen. Der Gewinn wird jedoch aus dem gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) gezahlt. Weil aber über das Gesellschaftsvermögen nur sämtliche Gesellschafter zusammen verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB) und deshalb auch allein alle in Gemeinschaft den Gewinnanspruch erfüllen können, richtet sich der Anspruch eines Gesellschafters gegen die Gesamtheit der Gesellschafter und in diesem Sinn gegen die Gesellschaft als Gesamthand. Dennoch ist jeder einzelne der Gesellschafter mitverpflichtet, d. h. er ist nicht für sich allein Schuldner, sondern als Teil des Ganzen zusammen mit seinen Mitgesellschaftern. Der Gewinnanspruch zielt als Vermögensrecht nicht (in erster Linie) auf die Gesellschafter als verpflichtete Subjekte, sondern auf das Gesellschaftsvermögen als Objekt. Die Gesellschafter sind deswegen nur in ihrer Personenrolle als Mitinhaber des gemeinschaftlichen Vermögens verpflichtet und haften aus diesem Grund auch für diese Sozialverbindlichkeit nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen.
VIII. Ergebnis Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob das Gesamthandsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) bei den Vermögensrechten die Gesellschafter zu einer Personeneinheit (d. h. Gesamthand) verbinden würde. Ein gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter setzt aber immer eine Personengemeinschaft voraus (und nicht umgekehrt), sodass es nur so scheint, als ob sich die Gesamthand im Fall der Vermögensrechte nach innen doch nicht in gegenseitige Rechte und Pflichten auflöst und stattdessen auch nach innen nicht bloß Vielheit, sondern Einheit ist. Richtig betrachtet, steht indes bereits das Vermögen als Objekt außerhalb der Gesellschafter als verbundene Subjekte (wenn auch nicht außerhalb der Gesellschaft). Da es insofern nicht mehr um bloß ein Innen, sondern schon um ein Außen geht, wird die kollektive Einheit der Gesellschafter (d. h.
D. Rechte und Pflichten aus Drittgeschäften mit der Gesellschaft
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als Gesamthand) schon gegenüber ihrem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) wirksam. Die Gesamthand ist als Gesellschaft aber dennoch auch bei den Vermögensrechten der Gesellschafter nach innen, d. h. im Verhältnis der Gesellschafter untereinander, ausschließlich Vielheit und nicht Einheit.
D. Rechte und Pflichten des Gesellschafters aus Drittgeschäften mit der Gesellschaft I. Der Gesellschafter als „Dritter“ Ein oder mehrere Gesellschafter können der Gesellschaft auch nur als Privatpersonen („als Träger ihrer freien Privatvermögenssphäre“) gegenübertreten.84 Der Gesellschafter schließt in diesem Fall Rechtsgeschäfte nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter, sondern wie ein Dritter gleichsam von außen („in außengesellschaftlicher Stellung“) mit der Gesellschaft ab und wird dadurch ihr Gläubiger oder Schuldner.85 Weil er von außen an seine Gesellschaft (und damit auch an sich selbst als Teil der Gesamtheit der Gesellschafter) herantritt, „kommen dieselben Regeln zur Anwendung, die für Rechtsverhältnisse zwischen der Gemeinschaft (d. h. der Gesamthand; Anm. d. Verf.) und Dritten gelten“.86 Das Recht, die Gesellschaft (d. h. alle zusammen) gegenüber dem Gesellschafter als Dritten zu vertreten, folgt deshalb auch nicht aus der Ge schäftsführungsbefugnis (§ 709 BGB), da diese ausschließlich das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander erfasst, sondern aus der Vertretungsmacht (vgl. § 714 BGB: „Dritten gegenüber“).87 Weil die Gesellschaft alle Gesellschafter zusammen (d. h. als Gesamthand) sind, steht auch hier der Gesellschafter als Gläubiger und Schuldner (oder umgekehrt) auf beiden Seiten des Schuldverhältnisses. Als Dritter nimmt er (erst recht) einen individuellen status ein, während er als Teil der Gesellschaft einen gemeinsamen status mit seinen Mitgesellschaftern innehat. Weil das Schuldverhältnis für den Gesellschafter als Dritten demgemäß individuell, für ihn als Teil der Gesellschaft aber gemeinschaftlich ist, vereinigen sich Forderung und Schuld auch hier nicht in seiner Person (Konfusion). Rechte und Pflichten des Gesellschafters haben ihre Grundlage im jeweiligen Rechtsgeschäft (oder in einem Delikt) und nicht im Gesellschaftsvertrag.88 Das Rechtsverhältnis zwischen dem Gesellschafter als Drittem und der 84 85
Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 539. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 539. 86 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683. 87 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683, Fn. 100. 88 Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 187; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 705 Rn. 28; Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 705 Rn. 55.
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Gesellschaft lässt sich deshalb niemals in gegenseitige Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander (für sich) auflösen, immer stehen sich der Gesellschafter und die Gesamtheit der Gesellschaft (als Gesamthand) im Schuldverhältnis gegenüber.89
II. Eine Als-ob-Betrachtung als Hilfestellung: als wären sie zwei Rechtssubjekte Weil auch mehrere oder selbst alle Gesellschafter imstande sind, diverse und nicht nur einen gemeinsamen status (Raum) in der Welt des Rechts einzunehmen, können sie „zugleich in einer anderweitigen Verbundenheit“ (d. h. als eine Gesamthand) ihrer Gesellschaft (und auf diese Weise sich selbst als kollektive Einheit) als Gläubiger und Schuldner gegenüberstehen.90 Obgleich die Gesellschafter den verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften, die sie bilden, gleichsam als eigenschaftslose Materie (ὓλη), zugrunde liegen (ὑποκείμενον) und sie insofern, in der stoischen Begrifflichkeit, sogar deren Substanz (οὐσία) sind, ist doch der gemeinsame status jeweils ein anderer. Erst und allein über den gemeinsamen status aber, und nicht von sich aus, gewinnen die Gesellschafter die Fähigkeit, in Gemeinschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen zu können (§ 14 Abs. 2 BGB) („kollektive Rechtsfähigkeit“), erhält die Gesamthand ihre individuelle Gesamtbeschaffenheit (ἰδίως ποιόν) und wird daher zu dem, was sie ist. Aufgrund der unterschiedlichen gemeinsamen status besteht demzufolge zwischen den Gesellschaften (Gesamthandsgemeinschaften) selbst dann keine Identität, wenn sie sich aus denselben Gesellschaftern, als ihrer eigenschaftslosen Materie (ὓλη) zusammensetzen. Weil der Gesellschafter seiner Gesellschaft wie ein Dritter (d. h. nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter) begegnet, ist es selbst für Gierke in allen diesen Fällen „nicht bloß möglich, sondern notwendig, die Gesellschaft und den Gesellschafter als einander gegenüberstehende Subjekte vorzustellen“.91 Die Gesellschaft ist hier also nicht tatsächlich ein Rechtssubjekt, es ist vielmehr nur so anzusehen, als ob sie ein solches sei („vorzustellen“). Pro status im Recht gibt es eine persona moralis (Pufendorf).92 Denn der status (Rechts89 90
Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 540. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 540. 91 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 540. 92 Nach Lipp, „Persona moralis“, „juristische Person“ und „Personenrecht“, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), S. 217, 231–233, ist der status bei Pufendorf „ein bestimmter sozialer Stand des einzelnen Menschen“, der dessen Rechte und Pflichten konkretisiert. Der einzelne Mensch hat deshalb im Recht „eine Vielzahl von personae morales, ganz entsprechend den verschiedenen status“, die dem einzelnen Menschen zukommen. Lutterbeck, Pufendorfs Unterscheidung von physischem und moralischem Sein und seine politische Theorie, in: Hüning (Hrsg.), Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, 2009, S. 19, 24–25; Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958, S. 27; Gierke, Das deutsche
D. Rechte und Pflichten aus Drittgeschäften mit der Gesellschaft
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fähigkeit) ist lediglich eine Eigenschaft (modus) der persona moralis. Jeder einzelne status hat also gewissermaßen für sich seine persona moralis. Ein Mensch hat zwar im Recht nur einen individuellen status (Einzelrechtsfähigkeit), den seine natürliche Person als persona moralis innehat. Ein Mensch hat deshalb insofern nur eine natürliche Person. Da er aber mit anderen zusammen mehrere gemeinsame status im Recht („kollektive Rechtsfähigkeit“) einnehmen kann und zumindest jedem gemeinsamen status eine persona moralis zugeordnet ist, bildet er (mit den anderen zusammen) eine damit übereinstimmende Anzahl von Gemeinschaften zur gesamten Hand als „zusammengesetzten Personen“ (Pufendorf), sodass jeder gemeinsame status gleichsam seine persona moralis composita hat. Diese „zusammengesetzte Person“ (persona moralis composita) ist nicht ein Rechtssubjekt, vielmehr sind es mehrere Rechtssubjekte, die lediglich einen gemeinsamen status einnehmen, sodass sie in Gemeinschaft (d. h. als Gesamthand) die Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten innehaben.
III. Die persönliche Haftung der Mitgesellschafter Hat ein Gesellschafter als Dritter eine Forderung gegen die Gesellschaft, etwa, weil er mit der Gesellschaft nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter einen Kaufvertrag abgeschlossen und daraus einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung hat (§ 433 Abs. 2 BGB), haften für diese Gesellschaftsverbindlichkeit alle Gesellschafter und daher seine Mitgesellschafter und an sich auch er selbst persönlich (mit ihrem Privatvermögen) als Gesamtschuldner (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Seine Forderung als Dritter vereinigt sich jedoch mit seiner Schuld als Gesellschafter in seiner Person (Konfusion), was insoweit zum Erlöschen von Forderung und Schuld führt. Es erlischt also ausschließlich seine Forderung als Gläubiger (Dritter) gegen sich selbst als Gesamtschuldner (Gesellschafter). Seine Mitgesellschafter bleiben im Gegensatz dazu als Gesamtschuldner weiterhin zur Bewirkung der ganzen geschuldeten Leistung verpflichtet (vgl. § 421 BGB). Die Tatsache, dass sich Schuld und Forderung in der Person des Gesellschafters als Dritten (d. h. als Gläubiger) vereinigen und die Gesamtschuld ihm gegenüber erloschen ist, wirkt allein für ihn und nicht auch für die anderen Gesamtschuldner (d. h. seine Mitgesellschafter) (§ 425 Abs. 2 BGB). Der Gesellschafter kann deshalb als Gläubiger an sich die ganze Leistung (z. B. die Zahlung des vollen Kaufpreises) von jedem einzelnen seiner Mitgesellschafter verlangen (§ 421 Satz 1 BGB) und nicht nur den Anteil, der auf den einzelnen Mitgesellschafter intern im Gesamtschuldnerausgleich entfällt (§ 426 Abs. 1
Genossenschaftsrecht, Bd. 4, 1913, S. 417 mit Fn. 139; Pufendorf, De jure naturae et gentium, 1672 (1998), Buch 1, Kapitel 1, § 14 (S. 20).
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§ 10 Das Innenverhältnis
Satz 1 BGB).93 Er tritt ihnen als Gläubiger im Außenverhältnis und nicht als einer der Gesamtschuldner im Innenverhältnis gegenüber. Der Gesellschafter ist und bleibt aber mit den anderen zusammen Gesamtschuldner. Sobald ein Mitgesellschafter die ganze Leistung an ihn bewirkt, hier den gesamten Kaufpreis an ihn zahlt, hat dieser deshalb einen Anspruch gegen den Gesellschafter auf Rückerstattung des Anteils („Beitrags“), den der Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Gesamtschuldner zu tragen hat (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Gesellschafter (als Dritter) muss also einen Teil der Leistung, die er von seinem Mitgesellschafter (als Gesamtschuldner) fordert, alsbald wieder an ihn zurückgewähren (§ 242 BGB: „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“; Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr).94 Der Anspruch gegen seine Mitgesellschafter ist deswegen von Anfang an um den Anteil zu kürzen, den er als Gesamtschuldner im Innenausgleich zu tragen hat (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB).95 Und weil der Gesellschafter sowohl der Gesellschaft als auch seinen persönlich haftenden Mitgesellschaftern als ein Dritter gegenübertritt, muss er nicht zuerst die Gesellschaft als Gesamthand in Anspruch nehmen, sondern kann sich selbst als Gesellschafter-Gläubiger (wie ein Dritter) unmittelbar an seine Mitgesellschafter halten, die deshalb in diesem Sinn nicht bloß subsidiär haften.96
E. Resümee Durch den Gesellschaftsvertrag entsteht die Gesellschaft zwar nach außen als eine Einheit, nicht aber als ein Rechtssubjekt neben den Gesellschaftern (so jedoch die h. M.). Die Gesellschafter nehmen lediglich einen gemeinsamen status im Recht ein und sind deshalb kollektiv rechtsfähig. Gerade weil die Gesellschaft (als Gesamthand) nicht ein Rechtssubjekt und daher bloß nach außen eine Einheit ist, löst sie sich nach innen in die Vielheit ihrer Gesellschafter auf, 93 So aber die h. M. (Heinemeyer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 425 Rn. 22). Das führt jedoch zu einer Gesamtwirkung (vgl. § 422 BGB), die das BGB für die Vereinigung der Forderung mit der Schuld ausdrücklich ablehnt (§ 425 Abs. 2 BGB). Führen der Gläubiger und einer der Gesamtschuldner einen Konfusionsfall bewusst herbei, indem der Gläubiger die Forderung gegen Zahlung der Schuldsumme an den Gesamtschuldner überträgt (§ 398 BGB), tritt diese gewillkürte Konfusion nur an die Stelle der Erfüllung. Rein formal vereinigen sich hier also Forderung und Schuld, materiell liegt aber Erfüllung vor. Es findet daher der Rechtsgedanke des § 422 Abs. 1 BGB Anwendung (und nicht § 425 Abs. 2 BGB), sodass eine Gesamtwirkung eintritt und der Gesamtschuldner wie bei einer Erfüllung nur noch einen anteiligen Ausgleichsanspruch gegen seine Mitschuldner hat (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). 94 BGH, NJW 1983, 749 („Einrede der Arglist“); siehe auch Stolterfoth, in: GS Rödig, 1978, S. 240. 95 BGH, NJW 1983, 749. 96 BGH, NZG 2013, 1334 Rn. 34.
E. Resümee
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die darum aus dem Gesellschaftsvertrag allein untereinander berechtigt und verpflichtet sind (jeder für sich). Zu diesen gegenseitigen Rechten und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis gehören zunächst die auf Mitverwaltung innerhalb der Gesellschaft, etwa auf Geschäftsführung und Vertretung (vgl. §§ 709, 714 BGB). Sie sind an die Gesellschafterstellung gebunden und daher von vornherein unübertragbar (vgl. § 717 Satz 1 BGB). Die Verwaltungsrechte und -pflichten beginnen ipso iure, sobald ein Gesellschafter der Gesellschaft beitritt und enden ebenso von selbst mit seinem Ausscheiden. Die Vermögensrechte und -pflichten sind zwar gleichfalls gegenseitige Rechte und Pflichten unter den Gesellschaftern. Ihr Gegenstand ist jedoch das Bewirken einer Leistung in oder aus dem gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB), über das aber nur alle zusammen als Gesamthand verfügen können (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Ein Gesellschafter vermag seine Vermögenspflicht nur zu erfüllen, indem er an alle zahlt und so die geschuldete Leistung in das Gesellschaftsvermögen einbringt. Umgekehrt können die Gesellschafter die Forderung eines ihrer Mitgesellschafter allein dadurch befriedigen, dass sie alle zusammen die geschuldete Leistung aus dem gemeinschaftlichen Vermögen an ihren Mitgesellschafter bewirken. Weil die Gesellschafter in diesem Fall bloß in ihrer Eigenschaft als Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens und nicht als solche (d. h. als ganze Person) Schuldner sind, haften sie für diese Sozialverbindlichkeiten ausschließlich als Gesamthand (d. h. als Gesamtheit) mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) und nicht daneben auch noch persönlich mit ihrem Privatvermögen. Obgleich der Gesellschafter, der gegenüber der Gesellschaft verpflichtet (Sozialanspruch) oder berechtigt ist (Sozialverbindlichkeit), als Gläubiger und Schuldner auf beiden Seiten des Schuldverhältnisses steht, vereinigt sich die Forderung dennoch nicht mit der Schuld in seiner Person. Der Gesellschafter ist auf der einen Seite bloß Mitträger des gemeinsamen status – oder wie Gierke es ausdrückt: der „Personeneinheit“ – und auf der anderen Seite Alleinträger seines individuellen status, den er daneben als Gesellschafter innerhalb der Gesellschaft innehat. Eine Person ist zwar nicht imstande, sich gegenüber sich selbst zu verpflichten und daher nicht an Verträge mit sich selbst gebunden, doch ist es „ein großer Unterschied, sich gegenüber sich selbst zu verpflichten oder gegenüber einem Ganzen, dessen Teil man ist“.97 Die Personeneinheit (Gesellschaft) setzt sich als Ganzes aus den Gesellschaftern als ihren Teilen zusammen, dennoch ist sie als Ganzes mehr als die Summe ihrer Teile. Und deshalb sieht es bloß so aus, als ob die Gesellschaft selbst ein Rechtssubjekt wäre, was sie aber als eine Gesamthand nicht ist. 97
Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 7 (S. 20) (Zitat).
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§ 10 Das Innenverhältnis
Weil nur alle zusammen über das gemeinschaftliche Vermögen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB) und die Gesamthand nicht dasselbe wie die Summe der Gesellschafter ist, muss ein Gesellschafter, der eine Forderung gegen die Gesellschaft hat (Sozialverbindlichkeit), nicht nur die übrigen Gesellschafter, sondern auch sich selbst als Teil des Ganzen mitverklagen. Allein auf diesem Weg erhält er einen Titel „gegen alle Gesellschafter“ (so § 736 ZPO) oder gleichbedeutend einen „gegen die Gesellschaft“ (§ 124 Abs. 2 HGB), der erforderlich ist, um in das Gesamthandsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) vollstrecken zu können. Hat umgekehrt die Gesellschaft einen Anspruch gegen einen von ihnen (Sozialanspruch), kann auch jeder der Gesellschafter von seinem Mitgesellschafter Leistung an alle (als Gesamthand) verlangen. Der Sozialanspruch ist nicht nur einer aller Gesellschafter zusammen, sondern auch von jedem einzelnen von ihnen für sich. Der klagende Gesellschafter macht deshalb mit der actio pro socio ein eigenes (individuelles) Recht geltend, wenn er von seinem Mitgesellschafter Leistung an alle in das gemeinschaftliche Vermögen hinein fordert. Ein Gesellschafter kann auch bloß wie ein Dritter von außen mit seiner Gesellschaft (d. h. mit der Gesamthand) in Kontakt treten. Das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft fußt in diesem Fall nicht auf dem Gesellschaftsvertrag, sondern unabhängig davon auf einem außergesellschaftlichen Rechtsgeschäft oder Delikt. Er ist dann nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter Gläubiger oder Schuldner der Gesellschaft, weshalb auf das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft dieselben Regeln Anwendung finden wie bei einem Rechtsverhältnis zwischen ihr und einem Dritten. Gleichwohl ist er als Gesellschafter Teil des Ganzen und steht sich daher auch hier als Gläubiger und Schuldner auf beiden Seiten des Schuldverhältnisses gegenüber. Dennoch vereinigen sich Forderung und Verbindlichkeit nicht in seiner Person. Forderung und Schuld erlöschen also nicht durch Konfusion. Denn auf der einen Seite des Schuldverhältnisses ist er lediglich als Mitträger des gemeinsamen status berechtigt oder verpflichtet, auf der anderen Seite ist er es für sich allein als Träger seines individuellen status (noch dazu außerhalb der Gesellschaft). Da der Gesellschafter wie ein Dritter von außen an die Gesellschaft herantritt, besteht das Rechtsverhältnis zwischen ihm und seiner Gesellschaft im Außenverhältnis. Eine Forderung des Gesellschafter-Gläubigers gegen die Gesellschaft ist deshalb – wie auch sonst bei einem Dritten – nicht eine Sozialverbindlichkeit (diese hat ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag und besteht deswegen ausschließlich im Innenverhältnis). Die Gesellschafter haften infolgedessen ihm gegenüber nicht bloß alle zusammen in Gemeinschaft mit dem Gesamthandsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), sondern auch jeder für sich persönlich mit seinem Privatvermögen für die gemeinschaftliche Verbindlichkeit der Gesellschaft (vgl. § 128 Satz 1 HGB), wobei sich der Gesellschafter-Gläu-
E. Resümee
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biger den Anteil, den er als Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen hat (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB), aber anrechnen lassen muss. Nach der Theorie der deutschen Gesamthand (Gierke) ist also die Gesellschaft zwar nach außen eine Einheit, nach innen aber eine Vielheit. Die Gesellschafter stehen sich demgemäß innerhalb des gemeinsamen status als einzelne Rechtsträger unmittelbar gegenüber, sodass sich in der Tat die „Verhältnisse“ der Gesellschafter untereinander „in gegenseitige Rechte und Pflichten“ auflösen,98 vorausgesetzt jedoch, es geht hier um „Verwaltungsrechte“ innerhalb der Gesellschaft. Da das „Gesellschaftsvermögen“ ein gemeinschaftliches der Gesellschafter ist (§ 718 Abs. 1 BGB), über das deshalb auch nur alle zusammen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB), entfaltet der gemeinsame status allerdings insofern bereits seine Wirkung, als sich die Gesellschafter nicht mehr nur jeder für sich allein einander gegenüberstehen, sondern für den Fall auch in Gemeinschaft, dass einer von ihnen eine Leistung in das „Gesellschaftsvermögen“ zu bewirken hat oder umgekehrt daraus zu fordern berechtigt ist („Vermögensrechte“). Tritt ein Gesellschafter nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter, als „Mitträger“ des gemeinsamen status, der „Samtsphäre“99 und insofern wie ein Dritter von außen an den gemeinsamen status heran, kommt dieser zu seiner vollen Geltung. Denn vermittelt über den gemeinsamen status entsteht jetzt zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft ein außergemeinschaftliches Rechtsverhältnis wie zu einem Dritten. All das vermag die ganz h. M. in ihrem Modell von der Gesamthand als einem Rechtssubjekt nicht abzubilden. Wenn die Gesellschaft als „Gruppe“ ein Rechtssubjekt wäre, dürfte es an sich Rechtsbeziehungen direkt unter den Gesellschaftern nicht geben, sondern immer nur zwischen den Gesellschaftern und der Gesamthand selbst.
98 99
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683.
§ 11
Zweite Zwischenbilanz A. Die „kollektive Rechtsfähigkeit“ der Gesamthand oder von der modifizierten societas zur rechtsfähigen Gesamthand Auch die Gesamthand des BGB ist im Recht Einheit und Vielheit zugleich. Die Gesamthänder nehmen zusammen einen gemeinsamen status ein, der aus ihnen eine kollektive Einheit formt, sodass sie kollektiv rechtsfähig sind. Da der eine gemeinsame status die (gemeinschaftlichen) Rechte und Pflichten an sie als mehrere Endpunkte (d. h. als Rechtssubjekte) vermittelt, sind sie daneben immer auch eine Vielheit. Dieses Gesamthandsprinzip, insofern „Begriff und Wesen“ der germanistischen Gesamthand (Gierke), sind dabei im BGB vor allem im Recht der Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) verwirklicht. Die Gesellschaft war indes im ersten Entwurf des BGB noch eine societas i. S. des römischen Rechts und deswegen ein reines Schuldverhältnis zwischen den socii. Eine societas ist, sofern es sich bei ihr nicht um eine „stille Gesellschaft“ handelt (vgl. § 230 HGB),1 immer mit einer communio des römischen Rechts verbunden. Das „gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter“, von dem in § 718 Abs. 1 BGB die Rede ist, war deshalb bloß insofern ein gemeinschaftliches, als die socii eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB) bildeten. Die Gesellschafter hatten an den einzelnen Gegenständen, die zum „Gesellschaftsvermögen“ gehörten, einen (ideellen) Anteil, über den jeder von ihnen als „Teilhaber“ frei verfügen konnte (vgl. § 747 Satz 1 BGB). Dieses Recht, frei über seinen Anteil zu verfügen, ist den socii im zweiten Entwurf zum BGB und daher auch im BGB selbst genommen (§ 719 Abs. 1 BGB) und dadurch die Gesellschaft zu einer modifizierten societas geworden. Die socii waren die Rechtssubjekte und als solche selbst Gläubiger und Schuldner. Sie hafteten daher als Gesamtschuldner persönlich (§§ 421, 427, 431 BGB) sowohl mit ihrem Anteil am „Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) als auch mit ihrem Privatvermögen. Die traditionelle Ansicht (individualistische Gesamthandlehre) sah daher insofern durchaus zu Recht in der Gesellschaft und damit in der Gesamthand 1 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 834. Das Gesellschaftsvermögen ist bei einer stillen Gesellschaft nicht gemeinschaftlich i. S. des § 718 Abs. 1 BGB, sondern gehört ausschließlich einem der socii (vgl. § 230 Abs. 1 HGB); er allein wird aus den Rechtsgeschäften der societas berechtigt und verpflichtet (vgl. § 230 Abs. 2 HGB).
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§ 11 Zweite Zwischenbilanz
an sich bloß ein Sondervermögen der socii. Die gemeinschaftlichen Forderungen der socii gehörten jedoch nicht nur einfach zu diesem Gesamthandsvermögen (vgl. § 719 Abs. 2 BGB) dazu. Der Anteil, den ein socius an diesem Gesellschaftsvermögen hatte, wuchs den übrigen Gesellschaftern nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB automatisch zu, sobald er aus der Gesellschaft ausgeschieden war. Er war jetzt nicht mehr Mitinhaber des „Gesellschaftsvermögens“ (§ 718 Abs. 1 BGB) und daher auch nicht mehr der der Forderungen, die ein Teil davon waren. Damit endete aber ipso iure auch seine Stellung als Gläubiger in den Rechtsbeziehungen zu den Schuldnern der societas. Umgekehrt wurde ein Gesellschafter, der zur societas neu hinzukam, sofort Gläubiger in den bereits vor seinem Beitritt mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnissen, und zwar, weil er als Gesellschafter nun ebenfalls einen „Anteil am Gesellschaftsvermögen“ und darüber an den dazu gehörenden Forderungen hatte (Rechtsgedanke des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die socii waren demzufolge nicht als solche (d. h. als Person) Gläubiger der Gesellschaftsforderungen, sondern allein in ihrer Eigenschaft oder gleichbedeutend in ihrer Personenrolle als Inhaber des „Gesellschaftsvermögens“ (§ 718 Abs. 1 BGB). Über die Gesellschaftsforderungen hinaus erstreckte nun die kollektive Gesamthandslehre das Anwachsungsprinzip i. S. des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB auch auf die „gemeinschaftlichen Schulden“ der Gesellschafter (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), sodass das „gemeinschaftliche Vermögen“ zum Bezugspunkt für die gemeinschaftlichen Forderungen und Verbindlichkeiten wurde. Dadurch wurde das „Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) zwischen die socii und ihre Schuldner und Gläubiger gesetzt, insofern dazwischengeschaltet. Und da die Rechtsverhältnisse der socii durch ihr gemeinschaftliches Vermögen gleichsam mediatisiert waren, die socii deshalb nicht mehr als solche Gläubiger und Schuldner waren, wuchs ein Gesellschafter, der in die Gesellschaft eintrat, schon allein deshalb von selbst in alle Rechtspositionen, d. h. Rechte, Schulden und Vertragsstellungen, hinein, weil er jetzt zusammen mit seinen Mitgesellschaftern „Mitträger des Gesellschaftsvermögens“ war.2 Es kam zu einer Art „Gesamtrechtsnachfolge“.3 Als Flume schließlich die Gesellschaft selbst („wir sagen: als Gruppe“) zum Rechtssubjekt erklärte,4 bekam das „Gesellschaftsvermögen“ i. S. des § 718 Abs. 1 BGB bloß ein eigenes Rechtssubjekt. Die Gesellschaft als Rechtssubjekt löste das Vermögen als Bezugspunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten ab. Das Rechtssubjekt „Gesellschaft“ war nunmehr in den Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zwischen die Gesellschafter und ihre Gläubiger und Schuldner getreten. Anders als das Vermögen lässt aber die Gesellschaft 2 3 4
Zöllner, in: FS Kraft, 1998, S. 701, 715. Zöllner, in: FS Kraft, 1998, S. 701, 715. Flume, ZHR 136 (1972), 177, 189 (Zitat: 188).
A. Die „kollektive Rechtsfähigkeit“ der Gesamthand
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als Rechtssubjekt Rechte, Forderungen und an sich auch die Verbindlichkeiten jetzt nicht mehr bis zu den socii hindurch. Die Rechtsbeziehungen dringen nicht zu ihnen durch, weil sie nun bei der Gesamthand als Rechtssubjekt enden.5 Da die Gesellschafter auf diese Weise nicht mehr Schuldner sind, Haftung aber eine eigene Schuld voraussetzt, haben sie eigentlich nach dem Gesamthandsmodell der h. M. (Gruppenlehre) für die „gemeinschaftlichen Schulden“ (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) und in diesem Sinn für die der Gesellschaft jetzt nicht mehr persönlich mit ihrem Privatvermögen einzustehen. Das steht aber nicht nur im Widerspruch zur Ansicht der Verfasser des BGB, die Gesellschafter selbst seien die Schuldner und hafteten als solche mit ihrem gesamten Vermögen und dementsprechend auch persönlich mit ihrem Privatvermögen, sondern auch zum Gesamthandsprinzip, wie es Gierke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor Augen hatte, und wie es schließlich als geltendes Recht in das BGB Eingang gefunden hat. Denn, dass die Gesellschafter die Endpunkte der gemeinschaftlichen Schulden sind und daher sowohl in Gemeinschaft als auch jeder für sich für diese einzustehen haben, gehört zum Begriff der Gesamthand wesentlich dazu.6 Auch wenn der gemeinsame status, den die Gesellschafter zusammen im Recht einnehmen, in den Rechtsbeziehungen zu außenstehenden Dritten ebenfalls dazwischengeschoben ist, ist er doch nicht selbst ein Rechtssubjekt und lässt deshalb die (gemeinschaftlichen) Rechte und Pflichten bis zu den Gesellschaftern als den Rechtsträgern durch. Die Gesellschafter und nicht der gemeinsame status sind Gläubiger und Schuldner, aber eben gemeinschaftlich, weil der eine gemeinsame status die Rechte und Pflichten in den Rechtsbeziehungen zu den außenstehenden Dritten jeweils zu einer Obligation zusammenfasst, sodass es so aussieht, als ob die Gesellschafter zusammen ein Rechtssubjekt wären, was sie jedoch nicht sind. Das übersieht freilich die heute ganz h. M., wenn für sie die Gesamthand als Gruppe selbst zu einem Rechtssubjekt avanciert. Dass die Gesellschafter nicht unmittelbar in den Rechtsverhältnissen zu Dritten Gläubiger und Schuldner sind, sondern etwas dazwischengeschaltet ist, haben demnach die neueren Gesamthandlehren durchaus treffend erkannt. Indem die h. M. (Gruppenlehre) die Gesellschaft zum Rechtssubjekt machte, war die Gesellschaft aber selbst der Endpunkt der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten. Diese dringen seitdem nicht mehr bis zu den Gesellschaftern als den eigentlichen Rechtsträgern durch. Das ist aber mit dem „Begriff“ einer Gesamthand, die deshalb Einheit und Vielheit zugleich ist, weil die Gesellschafter als Vielheit die Endpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind, nicht zu vereinbaren. Für die kollektive Gesamthandslehre ist das 5 6
Flume, ZHR 136 (1972), 177, 190–191, 192. BGHZ 142, 315, 319–320.
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„Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) zwar an sich ebenso wie der gemeinsame status bloß ein Medium, das die Rechte und Pflichten bis zu den Gesellschaftern als den Endpunkten durchlässt. Das verwischt aber, wie es der BGH ausdrückt, „die Grenzen zwischen Schuld und Haftung, denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen“,7 und zwar deshalb, weil sich im BGB das Vermögen nur aus Rechten und Forderungen (Aktiva), nicht aber auch aus Schulden (Passiva) zusammensetzt. Die Gesellschafter sind demnach kollektiv rechtsfähig, weil sie im Recht einen gemeinsamen status miteinander teilen, der aus ihnen zwar eine Einheit, die eine Gesamthand, formt, sie aber zugleich als Vielheit die Rechtsträger bleiben. Auf diese Ausgestaltung der Gesamthand hat sich, wenn auch unbewusst, schon der historische Gesetzgeber festgelegt. Die Verfasser des BGB waren zwar der Ansicht, eine Stellungnahme „zu der wissenschaftlichen Streitfrage über das Wesen der gesamten Hand“ dadurch vermeiden zu können, dass sie nur entscheiden, „welche Bestimmungen sachlich den Vorzug verdienen“.8 Dadurch, dass sie bei der Gesellschaft und damit bei der Gesamthand an sich aber dem Anwachsungsprinzip den Vorzug gaben (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB), haben sie den Ausgangspunkt dafür geschaffen, dass sich im Recht der BGB‑Gesellschaft aus einer bloß modifizierten societas schließlich doch noch mithilfe einer dogmengeschichtlichen Betrachtung eine deutsche Gemeinschaft zur gesamten Hand zu entwickeln vermag und sie auf diese Weise zu dem werden kann, was die BGB‑Gesellschaft als „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ an sich sowieso schon immer war, oder es zumindest sein sollte: eine Vielheit von Rechtssubjekten (Gesellschaftern), die zusammen einen gemeinsamen status innehaben und darüber eine kollektive Einheit sind.9 Aber nicht nur die Gesellschaft ist als Gesamthand kollektiv rechtsfähig, das sind auch die eheliche Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft. Auch bei ihnen sind das Gesamtgut der Ehegatten (§ 1416 Abs. 1 Satz 1 BGB) und der Nachlass der Erben (§ 2033 Abs. 1 BGB) nicht bloß ein Sondervermögen und daher auch weder die eheliche Gütergemeinschaft noch die Gemeinschaft der Miterben eine modifizierte societas (so aber immer noch die heute ganz h. M.).10 Das Vermögen ist bei ihnen ebenso wie bei der Personengesellschaft allein deshalb ein gemeinschaftliches, weil die Gesamthänder (als 7
BGHZ 146, 341, 345. in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 9 Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2 (Zitat). 10 BGH, NJW 2006, 3715 Rn. 7; BGH, NJW 2002, 3389, 3390. Danach ist die Erbengemeinschaft nicht „ein eigenständiges Rechtssubjekt“, sondern „eine gesamthänderisch verbundene Personenmehrheit, der mit dem Nachlass ein Sondervermögen zugeordnet ist“; so auch Becker, FamRZ 2014, 1756, 1758; Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 3 (S. 200–201), der deshalb ein „Einheitsmodell der Gesamthand“ für das geltende Recht ablehnt; ders., AcP 209 (2009), 8 Protokolle,
B. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Gesamthand
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Gesellschafter, Erben oder Ehegatten) einen gemeinsamen status im Recht einnehmen, der ihnen als Rechtsträger die Rechte und Forderungen, aus denen sich ihr gemeinschaftliche Vermögen zusammensetzt, vermittelt. Daher sind auch Ehegatten und Miterben Einheit und Vielheit zugleich und in diesem Sinn als verbundene Subjekte und kollektive Einheit rechtsfähig, ohne aber als eine „Gruppe“ selbst ein Rechtssubjekt zu sein.11
B. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Gesamthand und worin sich Gesamthand, reale Verbandsperson und juristische Person dabei voneinander unterscheiden Auch wenn alle Gesamthandsgemeinschaften darin übereinstimmen, kollektiv rechtsfähig zu sein, weichen sie doch in ihrer kollektiven Handlungsfähigkeit voneinander ab. Denn während eine Handelsgesellschaft (OHG, KG) unter der gemeinschaftlichen Firma ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr auftreten kann und sogar muss (§§ 105 Abs. 1, 124 Abs. 1 HGB) und selbst eine GbR das nunmehr zumindest kann, vermag das eine eheliche Gütergemeinschaft ebenso wenig zu tun wie eine Erbengemeinschaft, obschon auch sie als Gesamthandsgemeinschaften von sich aus immer kollektiv handlungsfähig sind, da die Gesamthand insofern nichts anderes als die Gesamtheit ihrer jeweiligen, gegenwärtigen Mitglieder ist und deshalb von vornherein durch sich selbst wollen und handeln kann. Das unterscheidet die Gesamthand wiederum von der realen Verbandsperson (Körperschaft, Genossenschaft) als einem Rechtssubjekt. Die reale Verbandsperson existiert als ens morale in ihrem menschlichen Verband als ens physicum, jener ist ihre „tatsächliche Unterlage“.12 Der menschliche Verband als Substrat der Verbandsperson besteht jedoch, was das betrifft, nicht nur aus den jetztlebenden Mitgliedern, den einzelnen Menschen, sondern auch aus den zukünftigen, ja außerdem sogar noch aus den vergangenen Mitgliedern. Als (sozialer) Körper veranschaulicht, ist er sozusagen ein überzeitliches corpus mysticum. Da der menschliche Verband jedoch in der Gegenwart nur in seinen aktuellen Mitgliedern (als Menschen) da sein kann, ist die Gesamtheit der gegenwärtigen Mitglieder (d. h. der Menschen), anders als bei der deutschen Gesamthand, nur ein Teil des Ganzen (d. h. des menschlichen Verbands). Als Teil ver-gegenwärtigen sie den menschlichen Verband als Ganzes, wird das Ganze, wie Gierke es ausdrückt, durch sie als dessen Teil dargestellt.13 181, 197–200; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 3 Rn. 12; a. A. Altenhofen, JURA 2018, 205, 211 (und öfter), 213 (für die eheliche Gütergemeinschaft). 11 So aber Flume, ZHR 136 (1972), 177, 189. 12 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1885, S. 22. 13 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 472.
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§ 11 Zweite Zwischenbilanz
Als Teil steht das Organ (griechisch ὄργανον, Werkzeug) bloß für das Ganze, ist aber niemals das Ganze, hier der menschliche Verband. Damit nun das Organ als Teil das Ganze darstellen kann, muss es zuvor eine Verfassung geben, die dem Organ seine Aufgaben (Kompetenzen) zuweist, von sich aus können ein menschlicher Verband und deshalb im Recht auch seine (reale) Verbandsperson (als Rechtssubjekt) nicht „ipso iure Organe“ haben.14 Das soll aber nach ganz h. M. (Gruppenlehre) gerade für ihre (vermeintliche) Gesamthand gelten, in der sie ja irrtümlich ein Rechtssubjekt und damit eine reale Verbandsperson sieht. Obwohl für sie die Gesamthand als Gruppe ein Rechtssubjekt ist, soll sie in der Gesamtheit ihrer Mitglieder von sich aus ein Organ haben, wofür nicht einmal eine Verfassung notwendig sein soll, und dadurch kollektiv rechtsfähig sein. Das passt nun aber überhaupt nicht in das Modell von einer Gesamthand als einem Rechtssubjekt (d. h. als Gruppe) und demgemäß als eine reale Verbandsperson (des deutschen Rechts). Auch an dieser Stelle vermag die heute ganz h. M. nicht zu überzeugen, da sie nicht imstande ist, die kollektive Handlungsfähigkeit der Gesellschaft (als eine Gesamthand), von der ja auch sie ausgeht, mit ihrer Gruppenlehre widerspruchsfrei und in sich stimmig zu erklären. Und obwohl demzufolge die Gesellschaft als eine Gesamthand selbst nach h. M. durch die Gesamtheit ihrer Gesellschafter wollen und handeln kann, soll die „Gesellschaft als solche“ nicht handlungsfähig sein.15 Die „Gesellschaft als solche“ ist für die h. M. bloß eine gedachte Einheit. Sie ist dann jedoch nicht mehr ein Rechtssubjekt, dessen Träger (d. h. Substrat) in der sinnlich wahrnehmbaren Welt ein menschlicher Verband ist und deswegen auch nicht eine reale Verbandsperson (corpus), sondern eine juristische Person (universitas). Als ein solcher reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) kann die universitas von vornherein nicht durch sich selbst, d. h. durch ihren menschlichen Verband, wollen und handeln, das kann sie daher allein durch andere (agere per alios). Deren Wollen und Handeln muss der universitas erst im Recht und deshalb über eine fictio iuris zugerechnet werden. Die reale Verbandsperson dagegen will und handelt durch ihren menschlichen Verband. Denn selbst das Organ, das ja bloß das Ganze darstellt, aber nicht das Ganze (d. h. der menschliche Verband) ist, ist immerhin ein Teil davon. Dem menschlichen Verband als ens physicum wird das Wollen und Handeln seiner Organe bereits in der „wirklichen Welt“ (entia physica) und nicht erst im Recht zugeschrieben. Nur weil der menschliche Verband in der „wirklichen Welt“ auf diese Weise durch sich selbst will und handelt (agere per se), tut das automatisch in der „vorgestellten Welt“ des Rechts auch seine reale Verbands-
14 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11 (Zitat). 15 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 2 Rn. 11.
B. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Gesamthand
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person.16 Dass das Eigenhandeln des menschlichen Verbands aber ipso iure ein solches seiner Verbandsperson ist, beruht darauf, dass jene mit, ja in ihrem menschlichen Verband existiert, ihm – wie die „Einzelperson“ ihrem einzelnen Menschen – immanent ist. Sie geht insofern sogar aus ihrem menschlichen Verband hervor, als das Recht den menschlichen Verband als eine Einheit in der „wirklichen Welt“ lediglich erfasst, und zwar, indem es in ihm ein corpus ex distantibus erkennt und ihn als Verbandsperson, als ein Rechtssubjekt, in der „vorgestellten Welt“ des Rechts bloß nur noch anerkennt und nicht, wie die juristische Person, als eine universitas, insofern als eine gedankliche Einheit (res incorporalis) erst noch erschafft. Allein in diesem Sinn verfügt die reale Verbandsperson (corpus) über eine natürliche, die universitas dagegen über eine künstliche, weil bloß im Recht fingierte Handlungsfähigkeit. Die Gesamtheit der Gesellschafter ist die Gesamthand. Die Gesellschafter müssen dennoch nicht immer „insgesamt handeln“, damit ihre „Personeneinheit“ nach außen „unmittelbar in die Erscheinung“ tritt.17 Ein Gesellschafter kann durchaus die gesamte Hand vertreten. Anders als bei einer societas vertritt er dann aber nicht teilweise sich selbst und teilweise die anderen Gesellschafter, vielmehr bildet er in seinem Wollen und Handeln die Gesamtheit und insofern die Gesamthand als solche ab.18 Er steht als Teil nicht wie ein Organ bloß für das Ganze, er ist gewissermaßen das Ganze, hier die Gesamtheit der Gesellschafter. Es gilt hier deshalb der Grundsatz der Identitätsrepräsentation, nicht der der Organschaft. Und deshalb ist alles, was ein Gesellschafter als Repräsentant seiner Gesamthand will und tut und sofern und soweit sich seine Vertretungsmacht auf diese Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen erstreckt, ein Wollen und Handeln der Gesellschaftergesamtheit. Da der Gesellschafter dann mit der von ihm dargestellten Personeneinheit, d. h. den Gesellschaftern insgesamt, gleichzusetzen ist, es daher so anzusehen ist, als ob tatsächlich alle Gesellschafter zusammen handelten, alle zusammen aber sogar ein Gemeinschaftsdelikt begehen können, umfasst seine Vertretung nicht nur rechtmäßige, sondern auch unerlaubte Handlungen, und zwar selbst außerhalb von bereits bestehenden Schuldverhältnissen. Dabei muss ausschließlich der vertretungsbefugte Gesellschafter in seiner Person die Tatbestandsvoraussetzungen verwirklichen. Gibt er eine Willenserklärung ab oder handelt er schuldhaft und schädigt dadurch einen anderen, tut das dann ipso iure die Gesellschaftergesamtheit als solche. Die juristische Person (auch des BGB) kann als eine rein gedankliche Einheit (universitas), die als Rechtsbegriff (nomen iuris) nicht aus einem menschlichen Verband (ens physicum) in der „wirklichen Welt“ hervorgegangen ist 16
17 18
Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 684. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 687.
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und deswegen auch nicht in und mit ihm existiert, nicht durch sich selbst (per se), sondern allein durch alii als ihre „gesetzliche Vertreter“ wollen und handeln (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da ihr dementsprechend das Wollen und Handeln durch eine fictio iuris erst extra zugerechnet werden muss, eine Person aber außerhalb eines Schuldverhältnisses nur für eigenes und nicht für fremdes Verschulden einzustehen hat, ist die juristische Person im Gegensatz zur Verbandsperson an sich nicht deliktsfähig. Während § 31 BGB für die Verbandsperson daher nur feststellt, was für sie sowieso schon ipso iure gilt, ist § 31 BGB als eine fictio iuris für die juristische Person des BGB (universitas) konstitutiv. Denn erst darüber ist sie für den Schaden verantwortlich, den ihr „gesetzlicher Vertreter“ als fiktives Organ (fiktiv, weil ein „gesetzlichen Vertreter“ nicht ein Teil des Ganzen und deshalb im eigentlichen Sinn eben kein Organ ist) einem Dritten zugefügt hat, als er in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung gehandelt hat. Und da bei einer Gesamthand die Gesellschafter für das Delikt eines ihrer befugten Vertreter schon ipso iure alle zusammen (d. h. als Gesamtheit) einstehen müssen, ist § 31 BGB hier als eine fictio iuris nicht erforderlich und daher allenfalls deklaratorisch oder bestenfalls affirmativ. Denn ein Gesellschafter, der als befugter Vertreter in seiner Person die Gesamtheit aller Gesellschafter (d. h. die Gesamthand) darstellt, ist eben nicht ihr Organ, er steht als Teil nicht für das Ganze, sondern ist das Ganze, sodass § 31 BGB für die Identitätsrepräsentation, die bei der Gesamthand gilt, nicht ganz passend ist. Das erkennt selbst die heute h. M., wenn sie bei der Gesellschaft als Gesamthand den Grund für die Analogie zu § 31 BGB nicht in der körperschaftlichen Struktur sieht, die bei der Gesellschaft als einer Gesamthand ja gerade fehlt, sondern auf die „rechtliche Verselbständigung kraft des Gesamthandsprinzips“ und der „Repräsentation“ durch einen oder mehrere Gesellschafter (als Teil des Ganzen) abstellt.19
C. Die Gesamthand als das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander Weil die Gesellschafter zusammen im Recht einen gemeinsamen status einnehmen, sind sie demnach nicht nur kollektiv rechtsfähig, sondern auch kollektiv handlungsfähig.20 Sie sind als Gesamthand daher mit der Fähigkeit ausgestat19 Arnold, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 31 Rn. 16; BGHZ 152, 88, 94; BGHZ 172, 169 Rn. 9. 20 Auch nach Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 56, besagt das Gesamthandsprinzip nichts anderes, als dass es eine Handlungszuständigkeit und eine Rechtszuständigkeit für alle Gesamthänder zusammen gibt, nur missversteht er die Gesamthand – „wir sagen: als Gruppe“ – als ein Rechtssubjekt.
C. Die Gesamthand als das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander
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tet, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Durch den gemeinsamen status sind sie als eine Vielheit von Rechtssubjekten nach außen (auch) eine Einheit, nach innen jedoch ausschließlich eine Vielheit. Der gemeinsame status hebt als das Wesen der Gesamthand „das Fürsichsein der einzelnen Menschen in einem bestimmten Bereiche“, d. h. nach außen hin, auf und ersetzt es „durch Verbundenheit“. 21 Da er ein Raum im Recht ist und die Gesellschafter sich innerhalb davon befinden, stehen sie sich innerhalb dieser „Samtsphäre“ als „unverbundene Subjekte“ (d. h. als eine Vielheit) gegenüber. Die Gesellschaft ist hier ein reines Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern und insofern eine societas. Es bestehen deshalb zunächst einmal allein Ansprüche unter den Gesellschaftern („jeder für sich“). Diese Rechte und Pflichten sind allerdings allein insoweit gegenseitig, als sie auf dem Gesellschaftsvertrag als einem gegenseitigen Vertrag beruhen (§ 705 BGB). Auch wenn sich hier die Gesellschafter gegenseitig verpflichten, verfolgen sie mit dem „gemeinsamen Zweck“ zusammen als eine Gemeinschaft ein Ziel. Da es hier um ein Miteinander und nicht um ein Gegeneinander geht, fehlt es am Synallagma des Austauschvertrags, oder wie Esser/Schmidt es formulieren: Bei der Gesellschaft im Besonderen und deswegen auch bei der Gesamthand im Allgemeinen gibt es eine „finale Gegenseitigkeitsbindung“ als ein „do ut des“ nicht.22 Allein in diesem Sinn „löst sich dann die gesamte Hand, da ihr kein von den verbundenen Personen verschiedenes Rechtssubjekt entspricht, unter den Gesamthändern in gegenseitige Rechte und Pflichten auf“.23 Durch den Gesellschaftsvertrag ist deshalb jeder Gesellschafter gegenüber jedem einzelnen seiner Mitgesellschafter berechtigt und verpflichtet, die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern, indem er an der Verwaltung der Gesellschaft mitwirkt. Und weil die Gesellschaft und die Gesellschafter ein und dasselbe sind, sind diese „Ansprüche, die den Gesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis gegeneinander zustehen“, d. h. das Recht und die Pflicht zur Mitverwaltung, von vornherein „nicht übertragbar“ (vgl. § 717 Satz 1 BGB) und erlöschen von selbst (ipso iure) in der Person des Gesellschafters, sobald er aus der Gesellschaft austritt. Besteht der Anspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis jedoch darin, dass ein Gesellschafter eine Leistung in das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter einzahlen muss oder kann er eine Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen fordern, ist der Anspruch zwar immer noch ein gegenseitiger, da er auf dem Gesellschaftsvertrag fußt. Das Gesellschaftsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB ist aber allein deswegen ein „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“, weil jene einen gemeinsamen status im Recht innehaben 21 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 22 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. 1, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 8. Aufl. 1995, § 12 III
(S. 218). 23 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 683 (Hervorhebung nicht im Original).
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und darum kollektiv rechtsfähig sind. Das Gesellschaftsvermögen ist insofern zwar innerhalb der Gesellschaft als dem Gemeinschaftsverhältnis, aber außerhalb des gemeinsamen status als dem „Bereiche der gesamten Hand“. 24 Die Gesellschafter können aus diesem Grund nur alle zusammen über ihr „gemeinschaftliches Vermögen“ verfügen (vgl. § 719 Abs. 1 BGB). Wenn ein Gesellschafter deshalb begehrt, dass eine Leistung in das Vermögen kommt oder eine Leistung daraus an ihn erfolgt, kann er Leistung nur an alle oder von allen und damit als eine Gesamthand verlangen. Ein Gesellschafter, der verpflichtet ist, eine Leistung in das Gesellschaftsvermögen zu erbringen, steht demgemäß als Schuldner nicht allein jedem einzelnen der übrigen Gesellschafter (als Gläubiger) gegenüber, sondern der Gesamthand als solcher. Und weil er als Gesellschafter Teil der Gesellschaft ist, damit auch sich selbst. Er ist Schuldner für sich allein, Gläubiger aber in Gemeinschaft mit den übrigen Gesellschaftern, sodass sich in seiner Person die (gemeinschaftliche) Forderung (d. h. der Gesamthand) nicht mit seiner (individuellen) Schuld vereinigt. Dadurch sieht es auch hier lediglich so aus, als ob die Gesamthand ein Rechtssubjekt (d. h. eine Körperschaft oder eine reale Verbandsperson) wäre, was sie aber tatsächlich nicht ist. Da es bei dem Anspruch nicht um die Person des Schuldners oder Gläubigers geht, der etwas in das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB) einbringen muss oder daraus verlangen kann, sondern um die Leistung, die in oder aus dem gemeinschaftlichen Vermögen bewirkt werden soll, kommt es nicht darauf an, dass der, der der Gesellschaft etwas schuldet oder etwas aus dem Vermögen fordern kann, als Schuldner oder Gläubiger immer noch Gesellschafter ist. Daher ist ein solcher Anspruch, obwohl auch er dem Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis zusteht und es sich bei ihm dementsprechend um eine sog. Sozialverbindlichkeit handelt, durchaus übertragbar (vgl. § 717 Satz 2 BGB). Der Anspruch endet demgemäß auch nicht automatisch, sobald der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgetreten ist; selbst dann bleibt er Gläubiger der Sozialverbindlichkeit. Ein Gesellschafter kann indes auch wie ein Dritter von außen seiner Gesellschaft und, weil die Gesellschafter die Gesellschaft (d. h. die Gesamthand) sind, damit auch sich selbst, aber bloß als Teil des Ganzen, gegenübertreten, sodass auch hier die Gesamthand wiederum als ein Rechtssubjekt erscheint. Obgleich der Gesellschafter auf beiden Seiten der Rechtsbeziehung mit der Gesellschaft steht, ist er es nicht auf ein und dieselbe Weise. Auf der einen Seite steht er als Gläubiger (oder Schuldner) für sich allein, auf der anderen Seite ist er aber zusammen mit den übrigen Gesellschaftern gemeinschaftlicher Schuldner (oder Gläubiger), sodass sich Forderung und Schuld nicht in der Person des Gesellschafters miteinander vereinigen. Für eine gemeinschaftliche 24
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 676.
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Schuld haben jedoch in diesem Fall die Mitgesellschafter und an sich auch der Gesellschafter, obschon er zugleich Gläubiger der Gesellschaft ist, persönlich mit ihrem Privatvermögen einzustehen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Die persönliche Haftung des Gesellschafter-Gläubigers erlischt jedoch durch Konfusion, weil er sich dabei als Gläubiger und Schuldner für sich allein (d. h. als ein unverbundenes Subjekt) gegenübersteht. Davon unberührt bleibt die persönliche Haftung der Mitgesellschafter. Sie sind zusammen mit dem GesellschafterGläubiger als Gesamtschuldner ihm gegenüber verpflichtet. Die Vereinigung der Forderung mit der Schuld in der Person eines der Gesamtschuldner wirkt aber „nur für und gegen den Gesamtschuldner“, hier den Gesellschafter-Gläubiger (Dritten), „in dessen Person“ diese Tatsache „eingetreten“ ist (§ 425 BGB) und deshalb „nur für und gegen“ ihn. Dass im Gegensatz dazu die Mitgesellschafter für eine Sozialverbindlichkeit nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben, sondern nur mit dem Gesellschaftsvermögen, beruht darauf, dass sie bei einer Sozialverbindlichkeit nur deshalb als Gesamthand gegenüber einem ihrer Mitgesellschafter (gemeinschaftliche) Schuldner sind, weil jener eine Leistung aus dem gemeinschaftlichen Vermögen verlangt, darüber aber nur alle gemeinsam verfügen können (§ 719 BGB). Die Gesellschafter sind bei einer Sozialverbindlichkeit also allein in ihrer Personenrolle als Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) verpflichtet und nicht wie im Fall, dass ein Gesellschafter wie ein Dritter der Gesellschaft (d. h. der Gesamtheit der Gesellschafter) als Gläubiger gegenübertritt, als ganze Person gebunden, sie sind insofern nicht als solche Schuldner und haften dementsprechend nicht mit ihrem gesamten Vermögen für die gemeinschaftliche Schuld. 25 Demgemäß vermag auch hier, was das Innenverhältnis der Gesamthänder betrifft, allein die Theorie der deutschen Gesamthand und nicht die h. M. mit ihrer Gruppenlehre zu überzeugen.
D. Zusammenführung der Ergebnisse Die Gesellschaft als „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ an sich ist, anders als es die ganz h. M. heute annimmt, nicht ein Rechtssubjekt und deshalb auch nicht selbst Träger der Rechte und Pflichten, vielmehr sind das die Gesellschafter. Sie sind als mehrere Rechtssubjekte kollektiv rechtsfähig, indem sie einen gemeinsamen status einnehmen, der ihnen als Endpunkte (d. h. als Rechtsträger) die gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten bloß 25 Auch nach BGHZ 142, 315, 319, haftet der Schuldner nur deshalb mit seinem gesamten Vermögen, weil er „als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt“ und demgemäß nach außen auftritt.
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vermittelt, ohne aber selbst ein Rechtssubjekt zu sein. Der gemeinsame status ist in diesem Sinn lediglich in den Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zu den außenstehenden Dritten als Bezugspunkt, nicht aber als Endpunkt dazwischengeschaltet. Die zutreffende Stellung der Gesamthand als Rechtsfigur im Rechtssystem beschreibt demnach allein die Theorie der deutschen Gesamthand. Nur sie vermag die Strukturmerkmale der Personengesellschaft und daher der Gesamthand an sich widerspruchsfrei und in sich stimmig zu erklären und versetzt den Rechtsanwender in die Lage, auch bisher ungeklärte und umstrittene Rechtsfolgen aus dem Wesen der Gesamthand heraus zu lösen. Die „deutsche Gesamthandslehre“ ist deshalb der heute ganz h. M. (Gruppenlehre) überlegen und ihr aus diesem Grund vorzuziehen. Die Rechtsverhältnisse, die zwischen den Gesellschaftern (als einer Gesamthand) und Dritten bestehen, dauern selbst bei einem Wechsel im Mitgliederbestand unverändert fort, weil die Gesellschafter als Vielheit über den einen gemeinsamen status und damit als Einheit Träger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind. Demgemäß sind stets die gegenwärtigen Gesamthänder in Gemeinschaft die Subjekte in den Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu den außenstehenden Dritten. Weil daher fortwährend die gegenwärtigen Gesellschafter als eine Vielheit die Rechtsträger sind, werden sie als solche gebunden und sind deshalb als ganze Person Schuldner. Sie haften darum immer mit ihrem gesamten Vermögen und daher nicht nur insgesamt und kollektiv (d. h. als verbundene Subjekte) für die gemeinschaftlichen Schulden mit ihrem „gemeinschaftlichen Vermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB), sondern auch jeder für sich persönlich mit seinem Privatvermögen für seine eigene Gesellschafterschuld, die mit der gemeinschaftlichen Schuld (Gesellschaftsschuld) akzessorisch verknüpft und darum mit ihr inhaltsgleich ist. Das Modell der „deutschen Gesamthand“ kann demnach im Gegensatz zur heute ganz h. M. (Gruppenlehre) widerspruchsfrei und damit in sich stimmig darstellen, dass und warum die Gesellschafter (als eine Vielheit) persönlich mit ihrem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Schulden (Gesellschaftsschuld) als Gesamtschuldner einstehen müssen und gleichzeitig die Gesellschaft, obschon sie die Vielheit ihrer Gesellschafter ist, die Identität als dieselbe Einheit im Wechsel ihrer Teile (d. h. ihrer Gesellschafter) bewahrt und deshalb die mit ihr bestehenden Rechtsverhältnisse davon unberührt bleiben. Aber nicht nur diese beiden, sondern sämtliche Strukturmerkmale der Personengesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand vermag die Theorie der deutschen Gesamthand dogmatisch in sich schlüssig in ihrem Modell abzubilden. Weil die Gesellschafter zusammen einen gemeinsamen status einnehmen, der die gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Schulden an sie als die Endpunkte weiterleitet, muss die Gesellschaft denknotwendig aus zwei oder mehr Gesellschaftern (als Menschen und als Rechtssubjekte) bestehen. Der status ist allein dann ein gemeinsamer, wenn sich zwei oder mehr
D. Zusammenführung der Ergebnisse
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Rechtssubjekte diesen teilen und damit zusammen einen Raum im Recht ausfüllen. Sobald nur noch ein Rechtssubjekt den status für sich allein einnimmt, ist jener nicht mehr ein gemeinsamer. Ein Gesellschafter kann per se nicht für sich allein kollektiv (!) rechtsfähig sein, sodass sich die Gesellschaft ipso iure auflöst, wenn die Zahl der Gesellschafter unter zwei sinkt. Daraus, dass die Gesellschafter als Vielheit die Endpunkte (= Rechtsträger) der, wenn auch gemeinschaftlichen, Rechte und Pflichten sind, sie lediglich zusammen einen gemeinsamen status miteinander teilen, der diese Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten bloß an sie weiterleitet, ohne aber selbst Endpunkt (= Rechtssubjekt) zu sein, folgt ebenfalls zwingend, dass jeder der Gesellschafter für sich ausschließlich eine und nicht mehrere Mitgliedschaften in der Gesamthand haben kann.26 Umgekehrt ist die Mitgliedschaft in einer Gesamthand selbst dann nicht auf mehrere Personen (d. h. Rechtssubjekte) aufgeteilt, wenn eine andere (weitere) Gesamthand Mitglied in der Gesellschaft ist. Die Mitgliedschaft wird hier wiederum über den einen gemeinsamen status der Gesamthand, die Mitglied in der anderen ist, vermittelt, sodass die eine Mitgliedschaft zwar von mehreren Gesellschaftern, aber von ihnen in Gemeinschaft und damit als eine kollektive Einheit getragen wird. Auch die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft in einer Gesamthand als ein Strukturmerkmal der Personengesellschaft kann demnach allein die „deutsche Gesamthandslehre“ dogmatisch überzeugend erklären, sodass auch insoweit ihr Vorzug gegenüber der heute ganz h. M. (Gruppenlehre) erkennbar wird. Das gilt auch für den Grundsatz der Selbstorganschaft. Die Gesamtheit der Gesellschafter ist die Gesamthand (d. h. die Gesellschaft) und kann demgemäß ipso iure Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Die Gesellschafter sind demgemäß per se als Gesamtheit kollektiv handlungsfähig. Weil sie insofern als die Summe der Teile das Ganze sind, sind sie als Gesamtheit auch nicht bloß ein Organ der Gesellschaft. Als Organ ständen sie lediglich als Teil für das Ganze, wären aber nicht das Ganze, hier die Gesamthand. Dass die Gesamthänder insgesamt kollektiv handlungsfähig sind, trifft zwar auf jede Gemeinschaft zur gesamten Hand zu, doch müssen nicht bei jeder Gesamthandsgemeinschaft immer alle gemeinsam wollen und handeln, um Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Manche von ihnen wie die OHG und die KG können sogar unter einer gemeinschaftlichen Firma im Rechtsverkehr auftreten und sind gleichsam darunter kollektiv 26 Selbst für Ulmer, ZHR 167 (2003), 103, 110–111, als Vertreter der h. M. (Gruppenlehre) lässt sich die „Gesellschafterstellung“, alias die „Mitgliedschaft“, naturgemäß nicht aufspalten. Zumindest für eine „generelle Aufgabe des Einheitlichkeitsgrundsatzes“ sieht er schon allein deswegen keinen Raum, weil die Personengesellschaften (als Gesamthand) angesichts des § 705 BGB zwingend vertraglich fundiert seien (aaO., S. 113–114). Auch K. Schmidt, in: MünchKomm-HGB, 4. Aufl. 2016, § 105 Rn. 75, ebenfalls Anhänger der Gruppenlehre, sieht in der „Unteilbarkeit der Mitgliedschaft“ eines der „Strukturprinzipien der Personengesellschaft“.
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handlungsfähig (vgl. §§ 105 Abs. 1, 124 Abs. 1 HGB). Demgemäß hat der BGH die Außen-BGB‑Gesellschaft (d. h. als Gesamthand) auch nicht als rechtsfähig (d. h. als Rechtssubjekt) anerkannt, sondern den Gesellschaftern bloß die Fähigkeit verliehen, unter einem gemeinschaftlichen Namen ähnlich wie eine OHG oder KG im Rechtsverkehr „Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden“ zu können (allein in diesem Sinn § 124 Abs. 1 HGB analog). Diese Verkehrsfähigkeit der GbR endet aber im Gegensatz zu der einer Handelsgesellschaft dort, wo die BGB‑Gesellschaft in ein öffentliches Register eingetragen werden soll. Das gilt vor allem, aber nicht nur, für das Grundbuch. Hier sind neben der Gesellschaft auch deren Gesellschafter im Grundbuch einzutragen (so § 47 Abs. 2 GBO). Die Gesellschafter sind die Gesellschaft, sodass, selbst wenn ihre Eintragung im Register formell ausschließlich unter ihrem gemeinschaftlichen Namen erfolgt, materiell dort immer die Gesellschafter eingetragen werden. Bei der Außen-GbR als Gesamthand ist das nicht der Fall. Die Gesellschafter sind hier noch nicht (allein) unter ihrem gemeinschaftlichen Namen registerfähig, sodass alle Gesellschafter unter ihrem eigenen Namen im Grundbuch einzutragen sind. Der Name der Gesellschaft, d. h. der gemeinschaftliche Name der Gesellschafter, dient hier allein dazu, „das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis“ zu bezeichnen (§ 47 Abs. 1 GBO), damit deutlich wird, dass die Gesellschafter nicht als einfache Rechtsgemeinschaft i. S. des § 741 BGB und daher jeder für sich, sondern alle zusammen zur gesamten Hand Eigentümer des Grundstücks sind. Die Gesellschafter können dabei im Grundstücksverkehr gleichsam insgesamt nicht unter ihrem gemeinschaftlichen Namen auftreten, erfasst ist also auch die schuldrechtliche Ebene und damit der Kaufvertrag. Die Gesellschafter können deswegen ein Grundstück, das ihnen zur gesamten Hand (d. h. als Gesellschaft) gehört, nur unter ihren eigenen Namen (mit dem Zusatz als Gesellschafter bürgerlichen Rechts) verkaufen. Schließen sie einen Kaufvertrag in ihren eigenen Namen ab, obwohl sie nicht Eigentümer sind, und sind sie dennoch als solche im Grundbuch eingetragen, erwirbt ein gutgläubiger Käufer nicht allein sachenrechtlich das Eigentum (§ 892 Abs. 1 BGB), vielmehr ist dieser Erwerb (jetzt) auch kondiktionsfest, da mit dem Kaufvertrag zwischen ihnen und dem gutgläubigen Erwerber nunmehr ein Rechtsgrund i. S. des § 812 BGB besteht. Damit eine Außen-GbR ebenso wie eine Handelsgesellschaft (OHG oder KG) fähig ist, unter einem gemeinschaftlichen Gesellschaftsnamen (unter ihrer Firma) aufzutreten und darunter vollumfänglich verkehrsfähig zu sein, müsste die Gesellschaft, genauer ihre Gesellschafter, in ein Gesellschaftsregister (Handelsregister) eingetragen werden. Erst darüber können Dritte, die im Rechtsverkehr mit der Gesellschaft zu tun haben, die wahren Rechtssubjek-
E. Gesamthand und juristische Person als doppelter Gegenstand dieser Arbeit
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te, also die Gesellschafter, die sich hinter dem Gesellschaftsnamen verbergen, sicher identifizieren.27 Sinn und Zweck der Eintragung von OHG und KG in das Handelsregister in der Funktion als Gesellschaftsregister ist es eben nicht, dass OHG oder KG als ein Rechtssubjekt oder als eine Gesamthand überhaupt erst entstehen, sondern dient allein dazu, den Rechtsverkehr in die Lage zu versetzen, sich darüber zu informieren, wer wirklich hinter dem gemeinschaftlichen Gesellschaftsnamen (§ 124 Abs. 1 HGB: „unter ihrer Firma“) steckt. Solange es aber für die GbR ein solches Register nicht gibt, kann „ein der Firma ähnlicher Gesellschaftsname“ zwar „im Verkehr eine Reihe von Funktionen der Firma erfüllen, niemals aber im Grundbuchrecht oder im Prozess die der Firma durch HGB § 124 zugewiesene Rolle spielen“.28 Auch wenn, oder vielleicht gerade weil das BGB eine Synthese aus römischem und deutschem Recht ist, gehört die Rechtsfigur der „deutschen Gesamthand“, die die Momente der Einheit und der Vielheit in sich vereint, in das BGB. Dort steht sie zwischen der societas (nur Vielheit) und der juristischen Person (nur Einheit), die beide Rechtsfiguren des römischen Rechts sind. Dafür muss die Gesamthand aber nicht, wie es freilich die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) annimmt, ein Rechtssubjekt sein, sondern bloß ein Rechtsverhältnis. Das Recht der GbR, das sowohl die societas als auch die deutsche Gesellschaft zur gesamten Hand umfasst, ist daher durchaus zutreffend im Schuldrecht des BGB („Recht der Schuldverhältnisse“) verortet und nicht im Personenrecht, da die Gesamthand an sich schlechthin nicht ein Rechtssubjekt, d. h. eine (juristische) Person, ist; denn dann wäre sie nicht mehr eine Gesamthand, sondern eine reale Verbandsperson, eine Genossenschaft oder Körperschaft des deutschen Rechts, und damit eine Rechtsfigur, die gerade nicht in das BGB eingegangen ist.
E. Gesamthand und juristische Person als doppelter Gegenstand dieser Arbeit Die selbstgesetzte Aufgabe dieser Schrift, den „Begriff“ der Gesamthand im geltenden Recht herauszuarbeiten, ist damit an sich erfüllt: Die Gesamthand, das sind die Gesellschafter, die zusammen einen gemeinsamen status einnehmen und daher kollektiv rechtsfähig sind (§ 14 Abs. 2 BGB). Allein in diesem 27 Diese Überlegung scheint auch bei Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 106, im Hintergrund zu stehen, wenn für ihn die BGB‑Gesellschaft anders als die Handelsgesellschaften (OHG, KG) „vornehmlich deshalb“ nicht unter einem gemeinsamen Namen im Rechtsverkehr auftreten kann, „weil es hier kein Register gibt, in dem die Gesellschaft und die Gesellschafter mit ihrem Namen verzeichnet sind“. 28 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 841, Fn. 49.
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Sinn bilden sie eine persona moralis composita (Pufendorf), ohne jedoch zu einem einzigen Rechtssubjekt zu verschmelzen. Die Gesellschafter und nicht eine ihnen gegenüber verselbständigte Gesellschaft (= Gesamthand) sind die Rechtsträger, die Zuordnungsendpunkte der gesamthänderischen Rechte, Forderungen und Schulden, die über den gemeinsamen status an sie weitergeleitet werden. Dennoch ist damit insofern erst ein Zwischenziel erreicht, als angesichts der Fehldeutung der Gesamthand durch die heute ganz h. M. (Gruppenlehre), in jener ein Rechtssubjekt und dadurch eine germanistische reale Verbandsperson (Gierke) zu sehen, vermehrt Stimmen im Schrifttum fordern, die Gesamthand als Rechtsfigur aufzugeben und nunmehr auch sie als eine juristische Person einzuordnen.29 Das Gesamthandsprinzip ist jedoch nicht nur derzeit geltendes Recht, sondern dafür, ja sogar für die juristische Person selbst unerlässlich. Darin, dass an dem Dualismus von Gesamthand und juristischer Person deshalb sowohl de lege lata als auch de lege ferenda festzuhalten ist und nicht durch einen monistischen Ansatz ersetzt werden darf, besteht das weiterführende Ziel der sich jetzt anschließenden Ausführungen und erklärt den doppelten Gegenstand dieser Arbeit (3. Teil: „Gesamthand und juristische Person“).
29 Raiser, AcP 194 (1994), 495, 505; ders., in: FS Zöllner, 1998, 469, 505, für den die Gesamthand als „rechtsdogmatische Kategorie funktionslos und überflüssig geworden ist. Ihre Geschichte ist am Ende“; ders., AcP 199 (1999), 104, 107–108, 142–143; ders., ZGR 2016, 791, 795–797 (mit Fn. 25); Bälz, in: FS Zöllner, 1998, 35, 47–55, wonach die Außengesellschaft eine „eigene Rechtspersönlichkeit“ besitzt und nicht mit der Gesamthand „darstellbar“ ist, und S. 58–63: Die rechtsfähige Personengesellschaft ist als „Gruppe“ eine „juristische Person“; Timm, NJW 1995, 3209, 3210–3214; ders., ZGR 1996, 247, 251–252 (Dualismus zwischen juristischer Person und Gesamthandgesellschaft ist „als obsolet zu betrachten“); Hadding, in: FS Kraft, 1998, 137, 142–145–146 (mit Fn. 27); ders., ZGR 2001, 712, 718–719; Klingbeil, AcP 217 (2017), 848, 872–874 (und öfter); in diese Richtung auch K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 722; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 I 3 (S. 184–185); ders., ZGR 1998, 633, 641; ders., NJW 2001, 993, 997; ders., AcP 209 (2009), 181, 202.
Teil 3
Gesamthand und juristische Person
§ 12
Die juristische Person im BGB A. Eine Hinführung Die juristische Person des BGB hat in den Überlegungen zur Gesamthand bislang nur am Rande, wenn überhaupt, eine Rolle gespielt. Dabei wurde bisher stillschweigend unterstellt, es handle sich bei ihr um die juristische Person, die Savigny aus dem klassischen römischen Recht als universitas übernommen und zu seiner „fingierten Person“ ausgebaut hat. Anders als die universitas ist Savignys „juristische Person“, als „Corporation“ (Körperschaft) zumindest vorübergehend, als „Stiftung“ (Anstalt) sogar dauerhaft, von Anfang an, dazu imstande, auch ohne ein einziges „Mitglied“, einen einzelnen Menschen in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, da zu sein.1 Nun gehört zum dogmengeschichtlichen Umfeld der juristischen Person des BGB nicht bloß die romanistische „juristische Person“ Savignys, sondern auch die germanistische „Verbandsperson“ Gierkes.2 Während Savignys „juristische Person“ als Rechtsbegriff (nomen iuris) völlig losgelöst und getrennt von den einzelnen Menschen existiert, die sich in der sinnlich wahrnehmbaren Welt als einen menschlichen Verband begreifen und insofern deren „sozialen Realität“ bilden, geht die Verbandsperson Gierkes (ens morale) mit Notwendigkeit aus ihrem menschlichen Verband als einer „wirklich existierenden Wesenheit“ (corpus ex distantibus), als ihrem Träger in der sinnlich erfahrbaren Welt (ens physicum), hervor und „lebt“ fortwährend in und mit ihm, ist insofern eine „zwar selbständige, aber immanente Einheit“.3 Vor diesem dogmengeschichtlichen Hintergrund gilt es demgemäß zu erforschen, für welches Modell einer juristischen Person sich die Verfasser des BGB als geltendes Recht entschieden haben. Damit es in diesem Zusam1 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 244 mit Fn. (b) (für die Stiftung) und S. 280, wonach „der Tod aller Mitglieder die Corporation“ nicht „notwendig auflösen müsse“, da sie eine „gedankliche Einheit“ (ebenda, S. 291, Fn. [t]), ein „ideales Ganzes“ ist (ebenda, S. 243). 2 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 609. Eine umfassende Darstellung des Theorienstreits im 19. Jahrhundert bietet Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 1, 1933, S. 1–87. 3 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 466; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825 (Zitate).
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§ 12 Die juristische Person im BGB
menhang nicht zu einer „Begriffsverwirrung“ kommt,4 steht in den folgenden Ausführungen der Name „juristische Person“ ausschließlich für die des BGB. Und um den Unterschied, ja den Gegensatz zwischen der „juristischen Person“ Savignys und der „Verbandsperson“ Gierkes schon im Begriff aufzuzeigen, wird Savignys „fingierte Person“ als universitas und Gierkes „Verbandsperson“ als corpus bezeichnet. Denn, wie ausgeführt,5 ist für Savigny der menschliche Verband und mit ihm dann auch seine juristische Person eine skeptische res incorporalis, eine bloß gedankliche Einheit (universitas), für Gierke dagegen der menschliche Verband ein „eigene Wesenheit“, ein corpus ex distantibus im Sinn der „stoischen Philosophie“ und in der Folge davon die Verbandsperson eine „wirkliche, nicht bloß erdichtete Person“.6 Der historische Gesetzgeber wollte sich für das BGB nun aber gerade nicht auf ein bestimmtes „Wesen“ der juristischen Person festlegen. Für die erste Kommission bestand „das Wesen der juristischen Persönlichkeit“ zwar noch „darin, dass die an sich nur den natürlichen Personen zustehende Vermögensfähigkeit kraft positiver Satzung einem Personenverein oder einem Vermögensinbegriff beigelegt ist“.7 Wenn danach die Eigenschaft der juristischen Person, die Rechtsfähigkeit, einem „Personenverein“ oder einem „Vermögensinbegriff“ bloß „beigelegt“ wird, findet das Recht mit Personenverein und Vermögensinbegriff ein bereits vorhandenes soziales Gebilde vor und erkennt es nur noch als Rechtssubjekt, als eine „juristische Person“, an. Personenverein und Vermögensinbegriff sind, zumindest der ersten Kommission zufolge, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt die Träger (entia physica) der juristischen Person in der vorgestellten Welt des Rechts (entia moralia). Da die juristische Person als ein Rechtsbegriff insofern auf einem ens physicum, einer „wirklich existierenden Wesenheit“, fußte, wäre sie im BGB eine reale Verbandsperson, ein corpus und nicht eine universitas. Bei dieser Schlussfolgerung ist jedoch Vorsicht geboten. Schon die erste Kommission hebt in den Motiven ausdrücklich hervor, den Begriff der juristischen Person zu konstruieren und zu rechtfertigen, sei Aufgabe der Rechtswissenschaft.8 Die zweite Kommission geht darüber noch hinaus und betont ausdrücklich, das BGB folge nicht einer bestimmten Theorie zum „Wesen“ der juristischen Person,9 was Flume veranlasst, festzustellen, das BGB enthalte 4
Beuthien, JZ 2003, 715 (Zitat). Dazu § 5. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470 (Zitate). 7 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 395. 8 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 395. 9 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 609; Raiser, ZGR 2016, 781, 784–785. 5 6
B. Das Substrat der juristischen Person im BGB
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keine Theorie der juristischen Person und folge auch keiner.10 Auch wenn sich die Verfasser des BGB nicht auf „Begriff und Wesen“ der juristischen Person im BGB festlegen wollten, so haben sie doch „Vereine“ und „Stiftungen“ als „juristischen Personen“ des BGB ausgestaltet und sich dadurch, wenn auch indirekt, dann doch für das BGB auf „Begriff und Wesen“ der juristischen Person festgelegt. Deshalb lässt sich durchaus über eine Analyse des positiven Rechts herausfinden, ob sich, was das betrifft, zumindest im Kern, Savignys „juristische Person“ als eine universitas oder Gierkes „Verbandsperson“ als ein corpus im BGB durchgesetzt hat.11
B. Das Substrat der juristischen Person im BGB I. Der menschliche Verband Das BGB fasst „Vereine“ und „Stiftungen“ unter den gemeinsamen Begriff „juristische Person“ zusammen („Titel 2. Juristische Personen“). Das, was Verein und Stiftung gleichermaßen zu einer juristischen Person macht, muss demzufolge für beide gelten. Wenn sich Stiftung und Verein als entia moralia aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt ableiten, dort einen Träger (d. h. ein Substrat) haben, haben sich die Verfasser des BGB bei der Rechtsfigur der juristischen Person für das Modell der realen Verbandsperson Gierkes (corpus) entschieden, anderenfalls für das der universitas, die juristische Person Savignys. Denn beide Modelle schließen sich mit Notwendigkeit gegenseitig aus. Entweder basiert der Rechtsbegriff der juristischen Person auf einem menschlichen Verband oder eben nicht; insofern gilt: Tertium non datur. Ein Verein hat Mitglieder (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB) und setzt daher zumindest auf den ersten Blick einen menschlichen Verband (Personenverein) in der Tatsachenwelt voraus, nicht aber so die Stiftung, sie ist mitgliederlos.12 Dennoch hat sie Stiftungsorgane und darüber Menschen, die für sie (wollen und) handeln. Diese Menschen (als entia physica) stellen sich aber lediglich in den Dienst des Stifterwillens (nicht in den des Stifters als Menschen). Sobald die rechtsfähige Stiftung als juristische Person entsteht, „wird der Stifterwille verselbständigt und objektiviert“, d. h. er löst sich vom Stifter als Menschen ab.13 Die Menschen, die real die Stiftungsorgane bilden, (wollen und) handeln demgemäß nicht für sich selbst (agere per se), sondern für die Stiftung, in der „der Wille des Stifters verwirklicht“ wird (agere per alios).14 Die 10
Flume, Die juristische Person, 1983, S. 21.
11 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 43. 12 BGHZ 99, 344, 349; Saenger, Gesellschaftsrecht, 13 BGHZ 99, 344, 348. 14 BGHZ 99, 344, 349.
4. Aufl. 2018, Rn. 477.
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§ 12 Die juristische Person im BGB
Stiftung hat demgemäß in der phänomenalen Welt nicht einen menschlichen Verband als ihren Träger (d. h. ihr Substrat). Der Stifterwille wird vielmehr dem menschlichen Verband, hier also den Stiftungsorganen (d. h. den Menschen, aus denen sie bestehen), und auch erst nachdem die Stiftung als juristische Person (und damit als Rechtssubjekt) entstanden ist, zugeordnet. Der menschliche Verband ist daher nicht für Verein und Stiftung und damit auch nicht für die Rechtsfigur der juristischen Person im BGB allgemein ihr Substrat in der Tatsachenwelt.15
II. Das Vermögen (Wiedemann) Die Stiftung und (scheinbar auch) der Verein haben stets ein Vermögen.16 Denn zum Wesen der juristischen Person und damit nicht nur zu dem der Stiftung, sondern auch zu dem des Vereins gehört es, vermögensfähig zu sein.17 Nun ist aber das Vermögen bereits bei der Stiftung nicht ihr Substrat.18 Das Vermögen ist die Gesamtheit der (geldwerten) Rechte, die einer Person zustehen.19 Es setzt demzufolge eine Person voraus und kann ihr schon deshalb nicht zugrunde liegen und daher nicht ihr Substrat sein. Die Stiftung und mit ihr die juristische Person im Allgemeinen hat ein Vermögen, ist aber nicht ihr Vermögen (weil es ihr allein gehört, ist es auch nicht ein Sondervermögen).20 15 Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Vollstreckungsrechts, 1975, S. 158, betont daher vollkommen zu Recht, dass die juristische Person des BGB „dadurch gekennzeichnet“ ist, „dass diese Einheit für sich, ohne Rückkoppelung an die vielheitliche Individualität der Mitglieder rechtlich existent ist“, denn anderenfalls wäre „die rechtssubjektive Einheit der Stiftung undenkbar, da sie notwendig ohne ein vielheitliches rechtssubjektives Substrat auskommen muss“ (so nochmals S. 161, Fn. 67). 16 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 4 I 2 (S. 196–198). Auch für Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 345, 358–359, ist das „selbständige Vereinsvermögen“, das an einen gemeinsamen und überindividuellen Zweck gebunden und deshalb „Zweckvermögen“ ist, charakteristisch für die juristische Person; so auch Tietze, Zur Theorie der Juristischen Person in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 1974, S. 83–85, 103. Die „Theorie des personifizierten Zweckvermögens“ geht dabei auf Brinz, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 1860, § 227 (S. 990–997), zurück. 17 Bereits Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 239, bestimmt den Begriff der juristischen Person als „ein des Vermögens fähiges künstlich angenommenes Subjekt“. Dass die Rechtsfähigkeit der juristischen Person freilich nicht darauf beschränkt ist, betont zu Recht Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 15; a. A. Wieacker, in: FS Huber, 1973, S. 339, 345–346, für den die (körperschaftliche) juristische Person nur insofern rechtsfähig ist, als sie vermögensfähig ist, nicht aber Person (das kann nur der Mensch sein; aaO., S. 358). Darin sieht deshalb Wieacker, aaO., S. 362, das bleibende Verdienst Savignys. 18 So aber ausdrücklich Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 4 I 2 (S. 196); ähnlich Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 477, für den die Stiftung „eine mitgliederlose, verselbständigte Vermögensmasse mit eigener Rechtspersönlichkeit“ ist. 19 Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012, § 26 Rn. 16. 20 Nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 4 I 2 (S. 196), wird durch die Ver-
B. Das Substrat der juristischen Person im BGB
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Weil das Vermögen die Rechte (als entia moralia) einer Person zusammenfasst, ist es Teil der bloß gedachten Welt des Rechts und nicht der empirischen Welt. Als ein solches ens morale kann es daher nicht in der realen Welt Träger der Stiftung sein. Und selbst wenn man die realkörperlichen Sachen, auf die sich die Rechte beziehen und aus denen sich das Vermögen (als Rechtsobjekt) zusammensetzt, 21 als Substrat ansehen wollte, stempelt das Recht diesen realen Vermögensinbegriff nicht zu einer juristischen Person (d. h. zur Stiftung).22 Erst wenn die Stiftung als Rechtsträgerin existiert, erhält sie ein Vermögen und indirekt darüber auch die Sachen, die real den Vermögensinbegriff (als Rechtsobjekt) bilden. Die Stiftung entsteht lediglich mit der Fähigkeit, ein Vermögen zu haben, hat aber tatsächlich noch kein Vermögen. Denn erst nachdem die Stiftung als rechtsfähig anerkannt worden ist, ist der Stifter verpflichtet (d. h. schuldrechtlich), das von ihm zugesagte Vermögen auf die Stiftung zu übertragen (so ausdrücklich § 82 Satz 1 BGB). Auch hier erschafft das Recht zunächst die Stiftung als reinen Rechtsbegriff (nomen iuris) und ordnet dieser allenfalls anschließend in der sinnlich wahrnehmbaren Welt ein Vermögen als (vermeintlichen) Träger zu; die Stiftung als Rechtssubjekt leitet sich demgemäß keinesfalls aus ihrem Vermögen ab. Und deshalb hört sie auch nicht automatisch (ipso iure) auf zu bestehen, wenn ihr Vermögen erschöpft und insofern als (vermeintliches) „Substrat“ weggefallen ist.23
III. Die (zweckgebundene) Organisation Nach „heute ganz h. M.“ ist die juristische Person „eine zweckgebundene Organisation, der die Rechtsordnung die Rechtsfähigkeit verliehen hat“. 24 Doch was genau diese „Organisation“ sein soll, scheint zunächst unklar. Zumindest ist erkennbar, dass das Recht nicht zuerst die juristische Person gleichsam aus dem Nichts als reinen Rechtsbegriff (nomen iuris) erschafft und erst anschlieleihung der Rechtsfähigkeit „ein organisiertes Sondervermögen selbständiger Träger von Rechten und Pflichten“, d. h. zu einer juristischen Person, die „man „als eine mitgliedsunabhängige Sondervermögensordnung charakterisieren“ könne (Hervorhebung im Original); ihm folgend Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, 11. Aufl. 2016, Rn. 1104. 21 Thur, Der allgemeine Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 318. 22 Für Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22, 23, „bleibt es immerhin denkbar, dass eine Rechtsordnung (…) Vermögensinbegriffen (…) Persönlichkeit beilegt“. 23 So ausdrücklich Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 12 I 1 a) (S. 140). 24 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 2; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 6; ähnlich auch Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff. Rn. 8: „Dass eine Organisation juristische Person ist, bedeutet, dass sie rechtsfähig ist.“ Für den BGHZ 25, 134, 144, ist die juristische Person eine „mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Organisation“. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 21 Rn. 1; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, vor § 21 Rn. 1.
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§ 12 Die juristische Person im BGB
ßend einem Träger in der sinnlichen Welt zuordnet (so bei der universitas), sondern umgekehrt das Recht mit der Organisation ein reales Gebilde, eine soziale Realität, vorfindet und dieser Rechtsfähigkeit verleiht, d. h. als Rechtssubjekt anerkennt. Demgemäß ist die „Organisation“ das Substrat, die „tatsächliche Unterlage“ (Gierke) der juristischen Person und dabei, so die h. M., „in ihrer Existenz unabhängig vom Wechsel ihrer einzelnen eventuellen Mitglieder oder der sie verwaltenden Menschen; sie ist auch in diesem Sinn überindividuell, ja potentiell unsterblich“.25 Was die h. M. hier als „Organisation“ beschreibt, ist offensichtlich also nichts anderes als der menschliche Verband. Das offenbart schon der Terminus „Organisation“. Die Grundbedeutung von „Organisation“ erschöpft sich nicht allein in „Aufbau, Einrichtung, Gliederung, planmäßige Gestaltung“, sondern hat auch die Bedeutung von „Gruppe, Verband“.26 Dass sich Menschen zu verschiedenen Zweckverbänden zusammenschließen, kommt schon im Verb „organisieren“ zum Ausdruck, von dem sich „Organisation“ ableitet. 27 „Organisieren“ ist seinerseits aus dem französischen Verb „organiser“ entlehnt, das zunächst einmal „mit Organen versehen“, dann aber auch „sich zu einem lebensfähigen Ganzen zusammenfügen“ bedeutet.28 Der Begriff der „Organisation“ erleichtert gewissermaßen die Vorstellung (weil er sie verschleiert), dass der menschliche Verband gleichermaßen für Körperschaft („Verein“) und Anstalt („Stiftung“) in der sinnlich wahrnehmbaren Welt Träger der juristischen Person (als ens morale) sein soll. Für die „ganz h. M.“ ist die juristische Person des BGB demzufolge ein corpus, eine reale Verbandsperson. Sie stimmt also, unbewusst, mit Gierke und seiner Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit überein.29 Schon er sah ausdrücklich nicht bloß für die Körperschaft, sondern auch für die Anstalt (und mit ihr daher für die Stiftung) ihren Träger, ihr Substrat, im menschlichen Verband,30 oder wie es die heute h. M. formuliert, „in den Mitglie25 26
Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff. Rn. 8. Duden, Bd. 7: Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache, 3. Aufl. 2001, S. 576. 27 Duden, Bd. 7: Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache, 3. Aufl. 2001, S. 576. 28 Duden, Bd. 7: Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache, 3. Aufl. 2001, S. 576. 29 Bei Raiser, AcP 199 (1999), 104, 132–133, ist von „menschlichen Kollektiven“, also von menschlichen Verbänden, die Rede, welche „das Recht (…) nicht hervorbringt, sondern immer schon vorfindet“ und deswegen als juristische Person bloß „förmlich anerkennen“ kann. „Die juristische Person ist in dieser Dimension also in keinem Fall ein Geschöpf des Rechts, sondern der sozialen Wirklichkeit“. Das ist aber genau die Figur der realen Verbandsperson, die Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22–25, als „Körperschaften und Anstalten“ (darunter die Stiftung) beschreibt; ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 474–475. 30 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469–470, erkennt das Recht den menschlichen Verband als Verbandsperson (d. h. als juristische Person) an, verleiht ihm also
B. Das Substrat der juristischen Person im BGB
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dern oder den sie verwaltenden Menschen“.31 Es trifft daher nicht zu, wenn die h. M. Gierke eine „verengte Körperschaftsperspektive unter Ausschluss der Anstalten und Stiftungen“ vorwirft.32 Dass die h. M., wenn auch unbewusst, Gierke und seiner Theorie der realen Verbandspersönlichkeit folgt, obwohl sie doch gleichzeitig mit Nachdruck die Figur der realen Verbandsperson ablehnt, ist trotzdem nicht erstaunlich. Allein der Mensch kann als Einzelner und in Gemeinschaft einen Willen bilden und danach handeln. Deshalb braucht selbst die universitas als ein reiner Rechtsbegriff reale Menschen, die für sie Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Die Menschen, die für sie wollen und handeln, benötigt die universitas jedoch nicht dafür, um überhaupt rechtsfähig und dadurch eine juristische Person zu sein. Das unterscheidet die universitas, die juristische Person Savignys, von der Verbandsperson Gierkes (corpus), die als Rechtssubjekt (ens morale) aus ihrem menschlichen Verband (ens physicum) als ihrem Träger (d. h. Substrat) hervorgeht und fortlaufend in und mit ihm existiert. Rechts- und Handlungsfähigkeit fallen aus diesem Grund ausschließlich bei der universitas, nicht aber beim corpus auseinander.33 Umgekehrt ist die Verbandsperson (corpus) nicht nur rechtsfähig, sondern durch ihren menschlichen Verband und insofern durch sich selbst immer auch schon ipso iure handlungsfähig (agere per se), ohne, wie die juristische Person Savignys (universitas), auf eine „Vertretung, als künstliche Anstalt“, durch Andere (alii) angewiesen zu sein (agere per alios).34 Nun besitzt die Stiftung des BGB (als Anstalt) aber nicht einen menschlichen Verband als ihr Substrat. Denn erst nachdem sie als juristische Person (d. h. als Rechtssubjekt) entstanden ist (§ 80 Abs. 1 BGB), werden ihr Stiftungsorgane und damit die sie verwaltenden Menschen (als menschlicher Verband) zugeordnet (vgl. § 81 BGB), in denen der Wille des Stifters gleichsam auf ewig fortleben kann (weil er sich in ihnen verkörpert). Die Stiftung ist auch insofern nicht ein corpus, die reale Verbandsperson Gierkes, sondern die universitas, die juristische Person Savignys, und mit der Stiftung die juristische Person im BGB.
Rechtsfähigkeit, wobei Verbandspersonen „entweder Körperschaften oder Anstalten“ sind (aaO., S. 474), so ausdrücklich dann für die Stiftung als „eine als Person anerkannte Anstalt“, deren „Seele der in ihr fortwirkende Wille des Stifters und deren Körper der zur Verwirklichung dieses Willens hergestellte Verband von Menschen bildet“ (ebenda, S. 647). 31 Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff Rn. 8. 32 A. A. Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 1. 33 So Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 22, für die juristische Person des BGB (als corpus). Denn für ihn wird der Organisation (d. h. dem menschlichen Verband) die Rechtsfähigkeit zuerkannt und dadurch nur als juristische Person verselbständigt, sodass sie schon ihrem Wesen nach handlungsfähig ist. Raiser, AcP 199 (1999), 104, 114, 136–137. 34 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 283 (Zitat).
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Für die heute ganz h. M. sollen „Natur und Inhalt der Organisation“, die als reales Gebilde der juristischen Person zugrunde liegt, darin bestehen, dass die Organisation Rechtshandlungen ermöglicht, die Verantwortlichkeit für diese Rechtshandlungen sicherstellt und nach außen als Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflichten erkennbar ist.35 Sie knüpft damit an die von John entwickelte Figur der sog. organisierten Rechtsperson an.36 Für John untergliedert sich die Rechtsfähigkeit (d. h. die Rechtsperson) in drei Elemente: Als organisierte Rechtsperson muss sie erstens über eine „Handlungsorganisation“ verfügen, d. h. über die Fähigkeit, durch andere zu handeln, also Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).37 Zweitens muss sie einen „Haftungsverband“ besitzen, was bedeutet, dass ihr die Fähigkeit zukommt, ein Vermögen zu haben, mit dem sie haftet, d. h. auf das ihre Gläubiger zwangsweise zugreifen können, um ihre Forderungen zu verwirklichen.38 Und drittens muss sie einen Namen und einen (Wohn-) Sitz als „Identitätsausstattung“ haben und dadurch die Fähigkeit, sich im Rechtsverkehr von anderen Rechtspersonen zu unterscheiden.39 Nun sucht John nicht nach dem, was der juristischen Person in der sinnlich wahrnehmbaren Welt zugrunde liegt (d. h. was ihr Substrat ist), sondern 35 So ausdrücklich Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 2; ähnlich Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 15, der dies aber zutreffend als Verfassung der juristischen Person versteht. 36 Bemerkenswert ist dabei, dass Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 114 mit Fn. 29, die Arbeit von Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, dafür als „wegbereitend“ bezeichnet. Nun ist es aber Fabricius, aaO., S. 44, der in der Rechtsfähigkeit mehr als nur die Fähigkeit sieht, Rechte und Pflichten haben zu können, stattdessen ist für ihn „Rechtsfähigkeit die Fähigkeit eines Menschen oder einer als Rechtssubjekt anerkannten sozialen Einheit, sich rechtlich wirksam zu verhalten“ und „so gesehen ist Rechtsfähigkeit also Rechtsausübungsfreiheit“ (aaO., S. 45). Damit vermischt Fabricius jedoch Rechts- und Handlungsfähigkeit (Lehmann, AcP 207 [2007], 225, 226) und so denn auch die ganz h. M., wenn für sie das Substrat der juristischen Person die „Organisation“ ist, welche die Rechtsordnung bereits als „soziale Einheit“ vorfindet und der sie deshalb bloß noch die Rechtsfähigkeit verleiht, eben, weil sie aus sich heraus schon handlungsfähig ist. 37 Diese „abstrakte Handlungsorganisation“ ist notwendig, reicht aber auch aus, damit die organisierte Rechtsperson „rechtlich existiert“ (John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 75). Die Menschen, die für die Rechtsperson dann auch tatsächlich handeln, bilden die „konkrete Handlungsorganisation“. 38 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 81–92. Nicht nur das Vermögen, sondern auch die für die organisierte Rechtsperson handelnden Menschen bilden den Haftungsverband, der sich deshalb aus realen und personalen Elementen zusammensetzt (S. 86–88). Zudem differenziert John zwischen einem konkreten und einem abstrakten Haftungsverband, der allein ausreicht, damit eine organisierte Rechtsperson existiert (S. 91). Der konkrete Haftungsverband besteht dabei aus den gegenwärtig für die Rechtsperson handelnden Menschen und ihr derzeitiges Vermögen, der abstrakte Haftungsverband ist die Möglichkeit, überhaupt einen solchen konkreten Haftungsverband haben zu können (S. 90). 39 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 92–94, wonach gleichsam der Name im Rechtsverkehr die Rechtsperson „ist“ oder zumindest „für sie steht“ und der Wohnsitz sie „jederzeit auffindbar“ macht.
B. Das Substrat der juristischen Person im BGB
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nach dem, was die juristische Person im Recht ist.40 Es geht ihm nicht um das soziale Gebilde, das die h. M. heute als „Organisation“ bezeichnet, in Wahrheit aber der menschliche Verband ist. Wenn John nun allerdings meint, die Rechtsnatur der juristischen Person in „Handlungsorganisation“, „Haftungsverband“ und „Identitätsausstattung“ erkennen zu können, übersieht er freilich, dass diese denknotwendig bereits ein Rechtssubjekt (d. h. eine Rechtsperson) voraussetzen. Demgemäß beschreibt John nicht die Rechtsperson, sondern die organisierte Rechtsperson (dieser Begriff erfasst deshalb sowohl die juristische als auch die natürliche Person).41 Denn damit andere als Dritte (alii) für eine Rechtsperson überhaupt wollen und handeln können (agere per alios), in der Lage dazu sind, für sie Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (§ 14 Abs. 2 BGB), muss es bereits zuvor eine Rechtsperson als potenziellen Träger von Rechten und Pflichten geben (insofern ein Rechtssubjekt der Möglichkeit nach). Die „Handlungsorganisation“, durch die eine Rechtsperson handlungsfähig und so zur „organisierten Rechtsperson“ (John) wird, baut gewissermaßen auf der „Rechtsperson“ als ens morale auf und kann ihr deshalb nicht als ens physicum zugrunde liegen, d. h. ihr Substrat in der sinnlich wahrnehmbaren Welt sein. Haftung setzt überdies Schuld voraus. Um überhaupt mit etwas haften zu können, das dem zwangsweisen Zugriff der Gläubiger unterliegt, muss eine Rechtsperson als Schuldnerin schon zuvor da sein, der dieses Etwas gehört. Auch, um „nach außen als Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflichten erkennbar“ zu sein,42 muss es eine Person als Zurechnungssubjekt geben. Und selbst wenn das Rechtssubjekt keinen Namen und keinen (Wohn-) Sitz hat, ist es dennoch rechtsfähig und damit eine „Rechtsperson“. Demgemäß kommen für die juristische Person des BGB von vornherein weder der „Haftungsverband“ noch die „Identitätsausstattung“ als ihr Träger in der Tatsachenwelt in Betracht. Die heute ganz h. M. verschleiert mit ihrem Bezug auf die „organisierte Rechtsperson“ (John) darum lediglich, dass ihre „zweckgebundene Organisation“ als ein soziales und daher reales Gebilde nichts anderes als ein menschlicher Verband ist, und dass sie dadurch (zumindest unbewusst) die juristische Person im BGB als eine reale Verbandsperson (Gierke) versteht. Da der menschliche Verband jedoch im BGB nicht das Substrat der juristischen Person ist, liegt ihr auch nicht die „zweckgebundene Organisation“ der heute ganz h. M. zugrunde. Die Vereinsmitglieder sind als menschlicher Verband 40 So ausdrücklich John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 66–68, sodass sich für ihn auch „der Streit um die Frage, ob die juristische Person eine irgendwie geartete – soziale, kulturelle, wirtschaftliche – ‚Wirklichkeit‘ habe, oder ob sie ein reines Konstrukt, ein Zuordnungspunkt, ein Inbegriff von Normen sei“, erledigt hat. 41 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 69. 42 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 2 (Zitat).
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§ 12 Die juristische Person im BGB
zwar für den rechtsfähigen Verein ebenso dessen soziale Realität wie für die Stiftung die Menschen, die sie verwalten, dennoch sind die Mitglieder oder die sie verwaltenden Menschen für Verein und Stiftung nicht das Substrat, weil sich beide als juristische Personen (d. h. Rechtssubjekte) in ihrem rechtlichen Dasein nicht von ihnen als menschlichen Verband ableiten, sondern im Recht losgelöst davon existieren.
IV. Der Zweck (Rittner) Nach Rittner besteht schließlich das Wesen der juristischen Person und in diesem Sinn ihr Substrat in einem „in rechtsverbindlicher Weise verselbständigten Zweck“, oder einer „rechtlich gefassten geistigen Substanz“.43 „Substanz“ versteht er dabei im ursprünglichen Wortsinn als das „Beharrliche“, das „jedenfalls in seinem Kern dem Wandel nicht unterworfen“ ist.44 Diese „rechtlich gefasste geistige Substanz“ erkennt Rittner im Gesetz wieder, wenn dort vom Zweck des Vereins (§ 57 Abs. 1 BGB) oder dem der Stiftung (§ 87 Abs. 1 BGB) die Rede ist.45 Der Zweck wird von natürlichen Rechtspersonen (d. h. von Menschen) geschaffen, also von den Mitgliedern, die einen Verein gründen, oder dem Stifter. Mit dieser Schöpfung, so Rittner, löst sich der Zweck von den Menschen als „natürlichen Zweckträgern“ ab, er verselbständigt und objektiviert sich, er wird zum „objektiven Geist“, der die juristische Person als „überindividuelles Gebilde“ gewissermaßen beherrscht.46 Damit der „objektive Geist“ aber nun auch Wirklichkeit werden kann, braucht er Menschen, die sich gleichsam in seinen Dienst stellen, indem sie in ihrem Wollen und Handeln den Zweck der juristischen Person in die Tat umsetzen.47 Diese Aufgabe übernehmen Rittner zufolge Menschen als „Gliedpersonen“ (d. h. als Mitglieder) oder als „Organpersonen“ der juristischen Person. Als „eingegliederte Rechtspersonen“ bilden sie nach Ansicht von Rittner zusammen den menschlichen Verband, der sich unter die „geistige Substanz“, den „objektiven Geist“, der juristischen Person stellt, sie (d. h. die geistige Substanz) bejaht und fortentwickelt, sie als den „allgemeinen Willen“ übernimmt und konkretisiert,48 und zwar indem ihre Mitglieder und die sie verwalten43
858.
Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 211. Klingbeil, AcP 217 (2017), 848,
44 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 211, Fn. 4. Klingbeil, AcP 217 (2017), 848, 858, im Anschluss an Schönfeld, Die logische Struktur der Rechtsordnung, 1927, S. 78: „Die Rechtsperson ist die Einheit und Dauer, die Substanz ihrer Rechte und Pflichten, die bleibt, während diese wechseln.“ 45 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 211. 46 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 211, 212. 47 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 223. 48 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 225, 229, der damit inhaltlich insofern an Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 11,
B. Das Substrat der juristischen Person im BGB
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den Menschen (als ihre Repräsentanten) in ihrem Handeln die juristische Person vergegenwärtigen.49 Das ist gemeint, wenn Rittner davon spricht, dass die Mitglieder und die Organpersonen „immerfort die juristische Person“, ihren „objektiven Geist“, ihren „Zweck“, „in einem dialektischen Prozess“ verwirklichen.50 Da der menschliche Verband beim Verein dessen Zweck und damit die „geistige Substanz“ der juristischen Person abändern kann (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB), der vom Stifter gesetzte Zweck aber unveränderlich und insofern „ewig“ ist (vgl. § 87 Abs. 1 BGB, wonach die Stiftung ihn zumindest nicht von sich aus ändern kann), ist allein in der Stiftung der Zweck „jedenfalls im Kern nicht dem Wandel unterworfen“ und deswegen im eigentlichen Wortsinn (geistige) „Substanz“.51 Die rechtsfähige Stiftung ist für Rittner aus diesem Grund die juristische Person „in Reinkultur“.52 Der Zweck ist nun bei der rechtsfähigen Stiftung nicht das Substrat. Denn wäre es so, müsste die Stiftung als Rechtssubjekt automatisch (ipso iure) enden, sobald der Zweck erreicht oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist, der Zweck also gewissermaßen weggefallen ist. Das ist aber gerade nicht der Fall. Kann die Stiftung ihren Zweck nicht mehr erfüllen, muss der Staat („die zuständige Behörde“) sie erst noch aufheben (vgl. § 87 Abs. 1 BGB). Der Zweck kann aber auch von vornherein nicht Substrat der Stiftung, ja der juristischen Person allgemein sein. Der Zweck ist das Ziel der juristischen Person, also das, worauf sie sich kontinuierlich zubewegt. Wenn demgemäß der Zweck der juristischen Person als Ziel vorausliegt, kann der Zweck der juristischen Person nicht gleichzeitig auch noch zugrunde liegen. Da sie nicht auf ihm basiert, 12 mit Fn. 3, anknüpft. Für Gierke ist neben dem „Verein“ (als Körperschaft) auch die „Stiftung“ (als Anstalt) eine Verbandsperson (d. h. eine juristische Person), die in der sinnlichen Welt einen menschlichen Verband als ihren Träger und realen Willensträger hat. Während in der Körperschaft der menschliche Verband aus sich selbst heraus den „Gemeinwillen“ bildet, empfängt er in der Stiftung den Willen des Stifters gleichsam von außen. Der Stifterwille verkörpert sich demgemäß im menschlichen Verband und lebt dort fort (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469, 474, 648). Anders als Rittner stellt Gierke ausdrücklich auf den Willen des Stifters und nicht auf den von ihm gesetzten Stiftungszweck ab (aaO., S. 648), er setzt sich dadurch auch von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 244, Fn. (b), ab, der das „wahre Subjekt der Rechte“ einer Stiftung in einem „als Person anerkannten Begriff, nämlich“ ihrem „Zweck“, sieht. Auch Ulmer, ZHR 140 (1976), 61, 62, sieht „deutlich verwandte Züge“ zwischen Rittner und Gierkes Theorie von der „realen Verbandsperson“. 49 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 224. 50 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 229, der sich dabei immer wieder ausdrücklich auf Hegel bezieht. Für Rittner kennzeichnet „das dialektische Verhältnis von Subjektivität und Objektivität das ganze Rechtsleben“ (aaO., S. 168 mit Fn. 96). Auch Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 13, stellt mit Bezug darauf fest, dass Rittner seiner Auffassung „ersichtlich die Philosophie F W Hegels zu Grunde gelegt“ hat. 51 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 233–235. 52 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 233.
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§ 12 Die juristische Person im BGB
kann der Zweck nicht ihr Substrat, ihr Träger, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt sein. Der Zweck wird im BGB also nicht personifiziert (er kann es ja auch nicht). Der Zweck ist demzufolge weder für den Verein noch für die Stiftung und daher für die juristische Person im Allgemeinen Substrat, d. h. Träger in der Tatsachenwelt.
C. Resümee Für die h. M. liegt der juristischen Person eine „zweckgebundene Organisation“ zugrunde, sodass das Recht dieses „soziale Gebilde“ lediglich noch als eine juristische Person (d. h. als ein Rechtssubjekt) anerkennt, indem es ihr die Rechtsfähigkeit verleiht. Beim Verein des BGB (als Körperschaft) sollen dabei die Mitglieder als Menschen diese zweckgebundene Organisation bilden und bei der Stiftung des BGB (als Anstalt) die sie verwaltenden Menschen. Das Substrat der juristischen Person des BGB ist demzufolge in den Augen der „heute ganz h. M.“ stets ein menschlicher Verband. Er ist ihr Träger in der sinnlich erfahrbaren Welt, sodass die juristische Person des BGB als Rechtssubjekt (persona moralis) eigentlich aus ihm, dem menschlichen Verband (als ens physicum), hervorgehen und in ihm existieren müsste. Obschon die h. M. Gierke und seine Theorie der realen Verbandspersönlichkeit entschieden ablehnt, ist ihre juristische Person im BGB damit inhaltlich aber nichts anderes als die von ihr so vehement bekämpfte reale Verbandsperson des deutschen Rechts. Der Stiftung des BGB werden allerdings erst dann die sie verwaltenden Menschen (d. h. ihr menschlicher Verband) zugeordnet, nachdem sie als juristische Person (d. h. als rechtsfähige Stiftung) entstanden ist. Dementsprechend leitet sich die Stiftung als Rechtssubjekt (ens morale) gerade nicht von den sie verwaltenden Menschen (entia physica) ab, sodass diese (als menschlicher Verband) ihr nicht zugrunde liegen und deshalb im eigentlichen Wortsinn nicht ihr Substrat in der sinnlich wahrnehmbaren Welt sind. Weil aber Verein und Stiftung gleichermaßen im BGB unter dem Begriff der juristischen Person zusammengefasst sind, kann nur das, was sowohl dem „Verein“ als auch der „Stiftung“ zugrunde liegt, das Substrat der einen juristischen Person des BGB sein. Der menschliche Verband ist jedoch nicht die tatsächliche Unterlage für die Stiftung des BGB. Der menschliche Verband, oder gleichbedeutend die „zweckgebundene Organisation“, vermag demnach nicht das gemeinsame Substrat für Verein und Stiftung und deshalb auch nicht für die juristische Person insgesamt im BGB zu sein. Auch das Vermögen ist nicht Substrat der juristischen Person des BGB. Die juristische Person hat ein Vermögen, ist aber nicht ihr Vermögen, auf das sie deshalb nicht in der Tatsachenwelt basieren kann. Und weil der Zweck das Ziel ist, auf das sich die juristische Person des BGB immerfort zubewegt und ihr
C. Resümee
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demzufolge vorausliegt, kann der juristischen Person schon von vornherein nicht ihr Zweck (als „geistige Substanz“) zugrunde liegen. Die juristische Person des BGB hat demnach kein Substrat in der sinnlich erfahrbaren Welt. Sie ist aus diesem Grund dieselbe, die Savigny, zumindest im Kern, mit der Figur der universitas aus dem klassischen römischen Recht übernommen und zu seiner „fingierten Person“, seiner „juristischen Person“ als einem reinen Rechtsbegriff (nomen iuris) weiterentwickelt hat. Die Stiftung des BGB (als Anstalt) ist deshalb, wie Rittner es formuliert, tatsächlich die juristische Person „in Reinkultur“ und eben nicht der (rechtsfähige) Verein.53 Das gilt dabei nicht nur für die Rechtsfähigkeit, sondern auch für die Handlungsunfähigkeit der juristischen Person im BGB. Da es sich bei ihr um einen reinen Rechtsbegriff (nomen iuris), eine ausschließlich gedankliche Einheit (universitas), handelt, existiert sie nicht in und mit einem menschlichen Verband als ihrem Substrat, sondern davon völlig losgelöst und getrennt. Die juristische Person ist daher, ohne einen menschlichen Verband als ihren Träger, zunächst einmal „gänzlich“ handlungsunfähig und kann in der Folge davon nur durch Andere (alii) wollen und danach handeln (agere per alios), und zwar durch ihren „Vorstand“, der die „Stellung eines gesetzlichen Vertreters“ hat (so § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 86 Satz 1 BGB), eine „Vertretung“, die Savigny zufolge eine „künstliche Anstalt“, da eine fictio iuris ist.54 Dennoch hat Gierke mit seiner Verbandsperson, die selbst Willenserklärungen abgibt, Besitz ausübt und unerlaubte Handlungen begeht, das alles durch ihre eigenen Organe (daher auch die Bezeichnung als „Organtheorie“), die Grundlage dafür geschaffen, die juristische Person als einen „handlungsfähigen Organismus“ zu begreifen (K. Schmidt) und sie deswegen so zu behandeln, als sei sie von sich aus ipso iure in der Lage, durch ihren menschlichen Verband selbst zu wollen und zu handeln.55 Darin kann man durchaus einen „rechtspolitischen Sieg der Organtheorie erblicken“ (K. Schmidt), doch darf man „diese Theorie damit“ nicht zugleich „als positiv-rechtlich ratifiziert ansehen“.56 Die juristische Person des BGB wird, um es nochmals zu betonen, lediglich so aufgefasst, als ob sie „ein handlungsfähiges Wesen“ sei, das selbst durch ihre Organe will und handelt (agere per se),57 als universitas als eine rein gedankliche Einheit, die sie aber nicht ist. Die Verfasser des BGB wollten zwar auch insoweit eine Stellungnahme zum „Wesen“ der juristischen Person vermeiden und daher die „Konstruk tionsfrage, ob die juristische Person ein handlungsfähiges Wesen sei und 53 Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850. 54 Savigny, System des heutigen römischen
Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282–283. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 II 3 (S. 189) und § 10 I 2 b) (S. 251). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 10 I 2 b) (S. 251). 57 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 609. 55 56
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§ 12 Die juristische Person im BGB
durch ihre Organe sich im Verkehr betätigt“ (Gierke) „oder ob sie handlungsunfähig sei und deshalb der Vertretung bedürfe“ (Savigny), der Wissenschaft überlassen.58 Dadurch aber, dass die juristische Person des BGB völlig losgelöst von ihrem menschlichen Verband existiert, hat sich der Gesetzgeber für die Rechtsfigur der universitas, die juristische Person Savignys, entschieden. Wenn demzufolge § 31 BGB anordnet, dass die juristische Person für einen Schaden verantwortlich ist, den ihr „Vorstand“ oder „ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter“ einem Dritten zugefügt hat, werden auch insofern ihre „Vertreter“ (alii) lediglich so eingestuft, als wären sie ihre Organe. Als „gesetzliche Vertreter“, obschon durch die Verfassung der juristischen Person berufen, für Savigny ja eine „künstliche Anstalt“ (fictio iuris), sind sie trotzdem selbst dann noch immer Dritte, Andere (alii), sodass die juristische Person des BGB nicht durch sich selbst, durch ihre eigenen Organe (agere per se), sondern auch insoweit allein durch alii, als ihre „Vertreter“, will und handelt (agere per alios). Auch wenn sich in der „Konstruktionsfrage“ Savignys Konzeption der „juristischen Person“ und nicht Gierkes Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit im BGB hat durchsetzen können,59 ist doch Gierkes germanistische Rechtsfigur der Verbandsperson, wie die Handlungsfähigkeit, aber nicht nur sie, gezeigt hat, für das Verständnis von juristischer Person und Gesamthand im BGB unverzichtbar.
58 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 609, dort statt „(…) oder ob sie handlungsunfähig und deshalb der Vertretung bedürfe“, „(…) oder ob sie handlungsfähig und deshalb der Vertretung bedürfe“. Die Gegenüberstellung von einem „handlungsfähigen Wesen“, das sich durch seine Organe im Verkehr betätigt, und einem „Wesen“, das der Vertretung bedarf, ergibt nur dann einen Sinn, wenn jenes handlungsunfähig ist. Dazu auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 10 I 2 b) (S. 251). 59 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 43.
§ 13
Die Vorgesellschaft A. Eine Hinführung I. Die These 1. Die Vorgesellschaft als Bestätigung des unverzichtbaren Dualismus von Gesamthand und juristischer Person im BGB Die juristische Person des BGB existiert als Rechtsbegriff (nomen iuris) in der „vorgestellten Welt“ des Rechts völlig losgelöst und getrennt von der „wirklichen Welt“.1 Sie ist deshalb eine ausschließlich gedankliche Einheit (universitas), insofern eine Anstalt des römischen Rechts, eine Stiftung, als sie demzufolge vollkommen mitgliederlos ist.2 Obwohl die juristische Person im Gegensatz zu einer realen Verbandsperson des deutschen Rechts (Gierke), also nicht aus einem menschlichen Verband in der sinnlich wahrnehmbaren Welt hervorgeht und deswegen auch nicht in und mit ihm existiert, nicht eine „zwar selbständige, aber immanente Einheit“ ist,3 wird sie trotzdem über eine fictio iuris so behandelt, als ob sie – als eine Körperschaft in ihren Mitgliedern (Menschen) oder als eine Anstalt in den sie verwaltenden Menschen, demnach in einem menschlichen Verband – einen Träger in der „wirklichen Welt“ hätte, durch den sie in der Folge davon ipso iure imstande wäre, selbst zu wollen und danach zu handeln. Die juristische Person des BGB ist, zumindest insoweit, der von Gierke entworfenen realen Verbandsperson nachgebildet und das, obschon die Rechtsfigur der Verbandsperson gerade nicht in das BGB als geltendes Recht eingegangen ist. Das gilt nun nicht allein für die Handlungsfähigkeit der juristischen Person im BGB, sondern auch in Bezug auf ihr „Vorleben“ als eine körperschaftliche juristische Person, in diesem Sinn als ein „Verein“.4 Als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) entsteht die juristische Person des BGB erst durch ihre 1 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103 (Zitate). 2 BGHZ 99, 344, 349; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 477 (Stiftung). 3 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825 (Zitat). 4 Der Ausdruck „Verein“ nimmt Bezug auf den des BGB, steht aber zugleich an dieser Stelle, als bloße Abbreviatur, für sämtliche Körperschaften des Privatrechts und deswegen für den rechtsfähigen Verein ebenso wie für AG, GmbH und Genossenschaft.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Eintragung in ein öffentliches Register (§ 21 BGB) oder durch Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB), insofern also stets durch einen staatlichen Schöpfungsakt. Erst jetzt und allein auf diese Weise hat sie ein „Dasein“, eine „bloße Rechtsexistenz“, ist sie „juristische Person dem Dasein nach“.5 Dem positiven Recht zufolge verfügt sie dennoch auch schon zuvor, vor ihrer „Geburt“, vor ihrem „Dasein“, über ein „Vorleben“ und ist in diesem Sinn eine „werdende juristische Person“.6 Ein solches „Vorleben“ besitzt aber ausschließlich die reale Verbandsperson, da sie, Gierke zufolge, sowohl als Körperschaft als auch als Anstalt, einem menschlichen Verband in der „wirklichen Welt“ „entstammt“, in und mit ihm „lebt“.7 Das „objektive Recht“ braucht aus diesem Grund den menschlichen Verband nur noch „deklarativ“ als Verbandsperson anzuerkennen, indem es sie als Rechtssubjekt (persona moralis) aus dem menschlichen Verband (ens physicum) bloß „abstrahiert“.8 Die Verbandsperson ist insofern bereits im menschlichen Verband, als dem Träger eines „einheitlichen Gemeinwillens“ (volonté générale), angelegt und existiert insofern gewissermaßen schon vor ihrer „Geburt“,9 und zwar sobald sich die einzelnen Menschen (entia physica), die anfangs ja noch völlig unverbunden sind, zu dem menschlichen Verband (ens physicum), zu einer körperlichen Einheit (corpus ex distantibus), zu einem sozialen Ganzen, insofern zu einem sozialen Körper (corpus mysticum), mit dem „Willen zur Gemeinschaft“ vereinigt haben, sodass der menschliche Verband ab jetzt selbst, als solcher, über einen „Gemeinwillen“ (volonté générale) verfügt.10 Die Verbandsperson hat dementsprechend schon vor ihrer „Geburt“, vor ihrer Entstehung in der „vorgestellten Welt“ des Rechts, in ihrem menschlichen Verband ein „Vorleben“.11 Weil es jedoch die germanistische Rechtsfigur der Verbandsperson im BGB nicht gibt, die juristische Person des BGB aber als universitas an sich ein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“ nicht haben kann, sie dem geltenden Recht gemäß jedoch trotzdem über ein „Vorleben“ verfügt, 5 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 17–18 mit Fn. 4, wonach „Dasein“ für die (zunächst) nur rechtlich existente und „Leben“ für die handlungsfähige juristische Person steht. 6 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 319–337. 7 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 106 mit Fn. 239. 8 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470–471; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 97 (Zitat). 9 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 483–487. 10 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18). Forschner, Rousseau, 1977, S. 148–157 (Zitat: S. 148); Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–156. Nach Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 103, ist der „soziale Körper“ (corps moral et collectif) eine Gemeinschaft, die in ihren Mitgliedern „lebt“, sodass in und aus ihrer Mitte ein Gemeinwille entsteht, der im „Gemeinsinn“ seiner Mitglieder („Bürger“) „wurzelt“. 11 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486.
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übernimmt die Aufgabe, das „Vorleben“ dieser „werdenden juristischen Person“ als Verbandsperson zu simulieren, die deutsche Gesamthand. Die Gesamthandsfigur ist demzufolge für die juristische Person des BGB, zumindest als eine Körperschaft, insofern als „Verein“, unverzichtbar. Schon allein aus diesem Grund darf der Dualismus von Gesamthand und juristischer Person im BGB nicht zugunsten eines Monismus aufgegeben werden, der in jedem Rechtssubjekt, das nicht auf einem einzelnen Menschen, sondern auf einer „Mehrheit“ von Menschen fußt, sofort eine „juristische Person“ sehen will.12 Schon Unger hat am Vorabend der Verabschiedung des BGB davor gewarnt, „überall“ dort, „wo eine Mehrheit als Einheit auftritt, sofort jene ideelle Einheit“ (d. h. eine juristische Person) „anzunehmen“ und so über „den Begriff der ideellen Einheit den ursprünglicheren und natürlicheren Begriff der kollektiven Einheit“, der Gesamthand, „aus den Augen zu verlieren“.13
2. Demgegenüber die monistische Auffassung der h. M. von der Vorgesellschaft Das droht nun aber in Bezug auf die Vorgesellschaft in der Tat zu geschehen, ja ist vielleicht schon Realität geworden. Denn, obwohl die „ganz h. M.“, zumindest noch, die Vorgesellschaft formal als eine Gemeinschaft zur gesamten Hand bezeichnet, sieht sie in ihr doch inhaltlich bereits eine juristische Person. Von der juristischen Person soll sich die Vorgesellschaft allein noch dadurch unterscheiden, dass sie, die Vorgesellschaft, vorläufig, die juristische Person dagegen endgültig rechtsfähig ist. Infolgedessen ist die Vorgesellschaft für die h. M. insofern mehr eine (werdende) juristische Person als eine „werdende juristische Person“, als sich jene in der fertigen juristischen Person bloß noch vollendet. Aus diesem Grund sollen dann auch (fast) alle Vorschriften, die eigentlich erst für die angestrebte juristische Person gelten, schon auf die 12 Raiser, AcP 194 (1994), 495, 505; ders., in: FS Zöllner, 1998, 469, 505, für den die Gesamthand als „rechtsdogmatische Kategorie funktionslos und überflüssig geworden ist. Ihre Geschichte ist am Ende“; ders., AcP 199 (1999), 104, 107–108, 142–143; ders., ZGR 2016, 791, 795–797 (mit Fn. 25); Bälz, in: FS Zöllner, 1998, 35, 47–55, wonach die Außengesellschaft eine „eigene Rechtspersönlichkeit“ besitzt und nicht mit der Gesamthand „darstellbar“ und die rechtsfähige Personengesellschaft als „Gruppe“ eine „juristische Person“ ist (S. 58–63); Timm, NJW 1995, 3209, 3210–3214; ders., ZGR 1996, 247, 251–252 (Dualismus zwischen juristischer Person und Gesamthandgesellschaft ist „als obsolet zu betrachten.“); Hadding, in: FS Kraft, 1998, 137, 142–145–146 (mit Fn. 27); ders., ZGR 2001, 712, 718–719; Klingbeil, AcP 217 (2017), 848, 872–874 (und öfter); in diese Richtung auch K. Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 722; ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 I 3 (S. 184–185); ders., ZGR 1998, 633, 641; ders., NJW 2001, 993, 997; ders., AcP 209 (2009), 181, 202. 13 Unger, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Bd. 22 (1884), 207, 219 mit Fn. 19. Dass der Begriff der „kollektiven Einheit“ bei Unger an dieser Stelle für den der „Gesamthand“ steht, stellt Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 668–669 mit Fn. 27, fest. Flume, ZHR 136 (1972), 177, 189, Fn. 55, wonach der Terminus „kollektive Einheit“ für die Gesamthand und so im Besonderen für die Gesellschaft „treffend“ ist; so auch ders., Die Personengesellschaft, 1977, S. 55, Fn. 31, S. 57, Fn. 39.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Vorgesellschaft als deren „Vorstufe“ Anwendung finden. Dabei wird nach h. M. selbst die persönliche Außenhaftung der Gesellschafter, die an sich zur „Natur“ der Vorgesellschaft als einer Gesamthandsgemeinschaft gehört (vgl. § 128 Satz 1 HGB), durch eine Innenhaftung ersetzt, sodass ein Gesellschaftsgläubiger ausschließlich die Vorgesellschaft unmittelbar in Anspruch nehmen kann und nicht die Gesellschafter. Den Gläubigern haftet insofern schon jetzt „nur das Gesellschaftsvermögen“ der (werdenden) juristischen Person (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG; § 2 GenG). Die Gesellschafter sind nur noch verpflichtet, das dafür erforderliche Geld in das Gesellschaftsvermögen der Vorgesellschaft einzuzahlen, damit die Vorgesellschaft ihren Gläubigern gegenüber den Schulden nachkommen kann. Die h. M. widerspricht jedoch dem „Begriff und Wesen“ der juristischen Person des BGB, die ja erst durch ihre Eintragung (§ 21 BGB) oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) „als solche“ (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AktG; § 11 Abs. 1 GmbHG) und demnach „mit eigener Rechtspersönlichkeit“ entsteht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG), aber „nicht einen Augenblick früher“.14 Die juristische Person des BGB hat nicht wirklich ein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“, stattdessen ahmt sie das „Vorleben“ einer germanistischen Verbandsperson nach. Und da, wie ausgeführt, die Verbandsperson Gierkes als Rechtsfigur nicht Teil des geltenden Rechts ist, fungiert die Gesamthandsfigur als „Platzhalter“ für die „werdende juristische Person“ und simuliert insofern das „Vorleben“ einer Körperschaft des deutschen Rechts (Gierke). Die Rechtsverhältnisse, die die (Vor-) Gesellschafter stellvertretend im Voraus für die spätere juristische Person begründet haben, gehen demgemäß automatisch ipso iure von ihr auf die fertige juristische Person über, sodass entgegen der h. M. auch insofern nicht die Notwendigkeit für eine Vorgesellschaft als eine werdende juristische Person (d. h. als Rechtssubjekt) besteht. Das Modell der „deutschen Gesamthand“ ist dementsprechend der h. M. (Gruppenlehre), die in der Gesellschaft als einer Gesamthand ein Rechtssubjekt sieht, selbst bei der Rechtsfigur der Vorgesellschaft überlegen und ihr deshalb auch an dieser Stelle vorzuziehen, da sich allein so die juristische Person im BGB als die Savignys, als eine universitas, aufrechterhalten lässt und insofern das geltende Recht selbst.
II. Die Grundfrage 1. Der Gegensatz zwischen Gesamthand und juristischer Person Die Vorgesellschaft ist eine „Vorstufe“ der zukünftigen juristischen Person und wird daher auch als eine „werdende juristische Person“ bezeichnet.15 Sie 14
Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100). 143, 314, 319; Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, Rn. 190; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, 15 BGHZ
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ist selbst nach „heute ganz h. M.“ eine Gemeinschaft zur gesamten Hand,16 dennoch sollen auch schon auf die Vorgesellschaft die Regeln der angestrebten juristischen Person Anwendung finden, sofern die Regeln nicht die Registereintragung (vgl. § 21 BGB) oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit (vgl. § 22 Satz 1 BGB) voraussetzen.17 Nun sind juristische Person und Gesamthand wesensverschieden. Hier sind die Gesellschafter die Rechtsträger der gemeinschaftlichen Forderungen und Schulden (vgl. § 719 Abs. 2, 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), sie teilen sich lediglich einen gemeinsamen status im Recht, der ihnen als Zuordnungsendpunkte die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten vermittelt, sie haben daher eine kollektive Rechtsfähigkeit und ihr Vermögen ist deshalb ein gemeinschaftliches (§ 718 Abs. 1 BGB), dort ist die juristische Person selbst Rechtsträgerin, sie und nur sie ist Gläubigerin und Schuldnerin, das Vermögen gehört ihr allein.
2. Die fertige juristische Person Die juristische Person ist eine Anstalt des römischen Rechts und deswegen die Stiftung des BGB „die juristische Person in Reinkultur“ (Rittner).18 Sie ist ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris). Das Recht (Staat) erschafft sie gleichsam aus dem Nichts (creatio ex nihilo) und ordnet sie (als ens morale) erst anschließend einem menschlichen Verband als ihrem Träger in der Tatsachenwelt (ens physicum) zu. Weil sie anders als die Körperschaft des deutschen Rechts (Verbandsperson) nicht aus ihrem menschlichen Verband erwächst, existiert sie selbst als eine Körperschaft losgelöst von ihren „Mitgliedern“. Als nomen iuris hat sie im eigentlichen Wortsinn weder „Mitglieder“ noch „Organe“ und ist deshalb auch nicht wirklich eine „Körperschaft“. Erhält die juristische Person aber nachträglich einen menschlichen Verband als ihren Träger und damit einen Ort in § 11 Rn. 13. Diesen Begriff hat maßgeblich Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 319–337, in den Diskurs eingeführt. 16 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbH, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 10; Pentz, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 41 Rn. 31; Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 92; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 541; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 25 II 3 d) (S. 381). Auch für Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, § 21 Rn. 18, ist die „Vorgesellschaft nach verbreiteter Auffassung Gesamthand“; im Gegensatz dazu lehnt es Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 33 Rn. 36, Fn. 47, ab, wenn „die h. M.“ die Vorgesellschaft als „eine ‚gesamthänderisch strukturierte‘ Gesellschaft sui generis“ einordnet, denn „diese Qualifikation“ erweise sich „eher als verwirrend, denn als erhellend“. 17 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 87; auch Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 321, warnt zutreffend vor dem Anschein, als ob sich aus dem Recht der vollendeten juristischen Person Bestimmungen herauslösen ließen, die die Eintragung nicht voraussetzen. Für ihn können deshalb die Normen, die per se an sich allein für die vollendete juristische Person gedacht sind, allenfalls analog auf die werdende juristische Person angewandt werden. 18 Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
der sinnlich wahrnehmbaren Welt, an dem sie (als nomen iuris) sich festmachen kann, sieht das BGB in ihr dennoch eine Körperschaft, einen Verein (§§ 21, 22 Satz 1 BGB), anderenfalls eine Anstalt, eine Stiftung (§ 80 BGB). Selbst als eine solche Körperschaft des BGB (als Verein, AG, GmbH oder Genossenschaft) ist und bleibt die juristische Person insofern immer noch eine Anstalt des römischen Rechts, eine universitas, als ihr Dasein in der „vorgestellten Welt“ des Rechts, als ein Rechtssubjekt, vollkommen losgelöst von dem ihrer Mitglieder in der „wirklichen Welt“ ist. Der menschliche Verband, den als soziale Realität die einzelnen Menschen bilden, ist nicht wirklich der Träger, das Substrat, der Körperschaft des BGB. Sie endet deshalb auch nicht automatisch (ipso iure), sobald alle ihre Mitglieder weggefallen sind (so aber die Körperschaft des deutschen Rechts).19 Selbst wenn sie keine Mitglieder mehr hat, muss das Recht (durch den Staat) der juristischen Person erst noch ihre Rechtsfähigkeit entziehen, damit sie aufhört, als solche, als ein Rechtssubjekt, zu existieren (vgl. § 73 Abs. 1 BGB). Weil die juristische Person (selbst als Körperschaft des BGB) eine Schöpfung des Rechts ist, existiert sie als solche (d. h. mit eigener Rechtspersönlichkeit, vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG) erst mit dem staatlichen Akt, d. h. mit der Eintragung in ein öffentliches Register (vgl. § 21 BGB: Vereinsregister; § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 11 Abs. 1 GmbHG: Handelsregister; § 13 GenG: Genossenschaftsregister) oder mit der Verleihung der Rechtsfähigkeit (vgl. § 22 Satz 1 BGB). Und deshalb trifft es durchaus zu, wenn Brodmann für die Aktiengesellschaft betont: „Es ist so, dass erst mit der Eintragung in das Handelsregister die Aktiengesellschaft da ist, nicht einen Augenblick früher, jetzt aber fertig und gerüstet, wie Athene aus Jupiters Haupt.“20
3. Die Vorgesellschaft als notwendige „Vorstufe“ zur juristischen Person Damit durch den staatlichen Akt eine juristische Person entsteht, ist gleichermaßen bei Stiftung und Körperschaft zuvor ein privatautonomes Gründungsgeschäft erforderlich.21 Auch wenn die Körperschaft des BGB in ihrem „Wesen“ ebenso wie die Stiftung eine Anstalt des römischen Rechts ist, begründet nur bei der Körperschaft bereits das privatautonome Rechtsgeschäft eine Vorgesellschaft (Vorverein, Vor-AG, Vor-GmbH, Vor-Genossenschaft). Sie entsteht also im Gegensatz zur Stiftung nicht uno actu.22 Denn während (in der Regel) 19 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 558, muss eine echte Körperschaft, d. h. um eine reale Verbandsperson zu sein, mindestens zwei Mitglieder haben, anderenfalls fehlt es in der sinnlich wahrnehmbaren und insofern realen Welt an einem menschlichen Verband als ihrem Träger (Substrat). 20 Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100) (Zitat). 21 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 142. 22 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbH, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 5. Obwohl für Flume, Die juristische Person, 1983, S. 145, selbst die Stiftung des
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ein Stifter die Stiftung errichtet (so ausdrücklich § 81 Abs. 1 Satz 2; § 82 BGB), sind hierfür bei der Körperschaft (im Grundsatz) zwei oder mehrere Personen notwendig (vgl. § 56 BGB; § 2 AktG; § 1 GmbHG; § 4 GenG). Nur bei der Körperschaft kann es deshalb eine Vorgesellschaft als Gemeinschaft zur gesamten Hand geben. Dieser Unterschied zwischen Körperschaft und Stiftung beruht darauf, dass selbst die Körperschaft des BGB idealiter einen menschlichen Verband als ihren Träger hat und deswegen die Gründer, die in der Vorgesellschaft noch Gesamthänder sind, später Mitglieder der angestrebten juristischen Person sein sollen.23 Die Stiftung ist dagegen stets mitgliedslos, und daher steht der Stifter, auch nachdem die Stiftung als juristische Person entstanden ist, außerhalb von ihr (vgl. § 82 Satz 1 BGB: „Wird die Stiftung als rechtsfähig anerkannt, so ist der Stifter verpflichtet, das in dem Stiftungsgeschäft zugesicherte Vermögen auf die Stiftung zu übertragen.“) und deshalb (erst recht) auch schon zuvor (allein aus diesem Grund kann ein Stiftungsgeschäft auch in einer Verfügung von Todes wegen bestehen, § 83 BGB).24 In der Stiftung wirkt lediglich der Wille des Stifters fort (vgl. § 83 Satz 3; § 87 Abs. 2 Satz 1 BGB), der Stifter als Rechtssubjekt gehört nicht zur Stiftung als juristische Person. Dass die angestrebte juristische Person in Gestalt der Vorgesellschaft als Gesamthand ein „Vorleben“ hat, ordnet das Gesetz für die Körperschaft des BGB mittelbar an. Vorstand und Geschäftsführer müssen hier die juristische Person zur Eintragung in das öffentliche Register anmelden (§ 59 Abs. 1 BGB; § 36 Abs. 1 AktG; §§ 7 Abs. 1, 78 GmbHG; § 11 Abs. 1 GenG), obwohl sie Organe erst der zukünftigen juristischen Person sind. Wären Vorstand und Geschäftsführer hier tatsächlich Organ einer Körperschaft, wären sie ein Teil (pars) des Ganzen (totus). Ein Organ steht als Teil für das Ganze (pars pro toto), sodass die Körperschaft selbst handlungsfähig ist (agere per se). Solange jedoch ein Ganzes nicht existiert, kann es gedanklich auch nicht ein Teil davon geben. Die juristische Person ist erst mit der Eintragung da, nicht einen Augenblick früher, sodass Vorstand und Geschäftsführer von vornherein nicht als Organ der erst noch im Entstehen begriffenen juristischen Person auftreten könnten. Die juristische Person des BGB ist aber eine Anstalt des römischen Rechts, sie kann deshalb als solche nicht durch sich selbst, sondern nur durch andere wollen und handeln (agere per alios). Vorstand und Geschäftsführer haben aus diesem Grund nur die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auch bevor die juristische Person durch Eintragung entstanden ist, können sie deshalb als deren Stellvertreter Willenserklärungen für sie abgeben (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). BGB nicht uno actu entsteht, hat sie anders als die Körperschaft des BGB kein „Vorleben“. Das ist aber an dieser Stelle gemeint, wenn hier allein für die Körperschaft des BGB und nicht auch für die Stiftung eine Entstehung als juristische Person uno actu verneint wird. 23 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 148. 24 Ähnlich Flume, Die juristische Person, 1983, S. 148.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Vorstand und Geschäftsführer können zwar erst für die zukünftige juristische Person handeln. Wenn aber der Verein als Grundmodell der Körperschaft des BGB die Rechtsfähigkeit und damit sein Dasein als juristische Person durch die Eintragung in das Vereinsregister oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit „erlangt“ (vgl. §§ 21, 22 Satz 1 BGB), geht das Gesetz offenbar davon aus, dass auch schon vor dem staatlichen Akt ein Rechtsgebilde existiert, für das der Vorstand (bzw. die Geschäftsführer) die Anmeldung betreibt.25 Die Vorgesellschaft selbst ist Beteiligte des Registerverfahrens und nicht die erst später vorhandene juristische Person.26 Vorstand und Geschäftsführer sind Vertreter und müssen deshalb zwingend für einen anderen auftreten (vgl. § 164 Abs. 2 BGB: „in fremdem Namen“). Die Eintragung kann jedoch scheitern, und infolgedessen die angestrebte juristische Person niemals zur Entstehung gelangen. Die juristische Person muss also nicht zwangsläufig in der Zukunft da sein. Dann hätten Vorstand und Geschäftsführer aber als Stellvertreter für einen anderen ein Registerverfahren betrieben, der nie existiert hat und auch niemals existieren wird. Das Registerverfahren setzt demgemäß einen aktuellen Beteiligten voraus und weil die juristische Person erst durch den staatlichen Akt der Eintragung als neuer Rechtsträger entsteht, kann es nicht sie, sondern muss es die Vorgesellschaft sein. Die Vorgesellschaft allein kommt als Beteiligte im Registerverfahren in Betracht, sie ist der „Verein“ (§ 59 Abs. 1 BGB), die „Gesellschaft“ (§ 36 AktG; § 7 Abs. 1 GmbHG) oder die „Genossenschaft“ (§ 11 Abs. 1 GenG), die Vorstand und Geschäftsführer zur Eintragung in das öffentliche Register anzumelden haben.
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand I. Die „kollektive Rechtsfähigkeit“ der Vorgesellschaft 1. Doch zunächst: Die Ansicht der h. M. Die Vorgesellschaft existiert also schon vor der Eintragung. Sie beginnt mit dem (notariellen) Vertragsschluss der Gründer (vgl. § 59 Abs. 3 BGB, § 23 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 5 GenG: „Satzung“; § 2 Abs. 1 GmbHG: „Gesellschaftsvertrag“), daran schließt sich die Bestellung der Organe (Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat), die Bildung eines Gesellschaftsvermögens und die Anmeldung der „Gesellschaft“ beim zuständigen Amtsgericht an und endet 25 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 307, bezeichnet es als „das Grundproblem“, als das „Dilemma“ der Vorgesellschaft, dass die juristische Person erst mit der Eintragung entsteht, aber schon vorher „ein organisatorischer Zusammenschluss von Personen“ besteht, „dessen Angehörige bereits mehr oder weniger im Interesse der späteren juristischen Person tätig sind“. 26 So ausdrücklich BGHZ 117, 323, 327.
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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mit der Eintragung im öffentlichen Register (d. h. mit dem Entstehen der juristischen Person).27 Mit der Eintragung wird nach „heute ganz h. M.“ aus der Vorgesellschaft die angestrebte juristische Person, sie wandelt sich in die juristische Person um.28 Nicht nur das Gesellschaftsvermögen (Eigentum, Rechte und Forderungen), sondern auch die Verbindlichkeiten gehen automatisch von der Vorgesellschaft auf die juristische Person über.29 Wenn die ganz h. M. die Regeln der fertigen juristischen Person bereits auf die Vorgesellschaft anwendet, kann sie das nur tun, weil sie Vorgesellschaft und juristische Person als Einheit ansieht („Identitätstheorie“).30 Bis auf die noch fehlende volle Rechtsfähigkeit i. S. der §§ 21, 22, 54 BGB, die die Gesellschaft oder der Verein durch die Eintragung erlangt, soll die Vorgesellschaft bereits der zukünftigen juristischen Person als deren Vorstufe entsprechen.31 Beide sind mit anderen Worten für die h. M. „wesensgleich“.32 Die Vorgesellschaft ist für sie als „werdende juristische Person (…) die juristische Person im Entstehungsprozess“33 und „erstarkt“ deswegen „mit der Eintragung zur vollwertigen juristischen Person“.34 27 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbH, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 5; so auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 25 I 1 (S. 377). 28 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbH, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 7. Nach Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, § 21 Rn. 29, geht die Vorgesellschaft in die juristische Person mit deren Entstehung über. Für Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 25 III 2 a) (S. 385), wird die Gesamthand zur juristischen Person. 29 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 80; BGHZ 80, 129, 140 („nahtlos“); Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 33 Rn. 42. 30 BGHZ 143, 314, 319; Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 80; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 149; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, § 11 Rn. 17; für Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 328–330, sind werdende und vollendete juristische Person in ihrem „Wesen“ deswegen dasselbe, weil „Substanz, Organisation und Mitgliedschaften“ bei beiden identisch sind. Diese „Elemente“ werden in der werdenden juristischen Person gebildet, „um sodann in der vollendeten als deren Substanz, Organisation, Mitgliedschaften usw. fortzubestehen“. Beide unterscheiden sich darin, dass die werdende juristische Person im Gegensatz zur vollendeten „noch nicht zur ständigen Verwirklichung“ der rechtlich verfassten „Substanz“ (d. h. dem „objektiven Geist“) „berufen ist“, sondern die Aufgabe hat, „den Entstehungsprozess zum Abschluss zu bringen“ (aaO., S. 319). Weil werdende und vollendete juristische Person für ihn wesensgleich sind, will Rittner, aaO., S. 322, das Vermögen bereits der werdenden juristischen Person selbst als einem Rechtssubjekt zuweisen und nicht einer Gesamthandsgemeinschaft der Gründer. Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 541; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 41 Rn. 16. 31 BGHZ 143, 314, 319; BGHZ 117, 323, 326, wonach die Eintragung der Gesellschaft zur Erlangung der vollen Rechtsfähigkeit verhelfen soll; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 6. Nach Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 101, soll die Vorgesellschaft deshalb „relativ rechtsfähig“ sein. 32 So ausdrücklich bereits RGZ 143, 368, 372; RGZ 151, 86, 91. 33 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 319. 34 Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, Rn. 190, für den die werdende juristische Person (Vorgesellschaft) daher als „Vor-Verband“ existiert.
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2. Die Ansicht des Reichsgerichts Diese Ansicht geht dabei auf das Reichsgericht zurück,35 das die Vorgesellschaft zwar noch ausdrücklich als „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ einordnet,36 aber gleichzeitig in ihr „das gleiche Rechtsgebilde“ zu erkennen glaubt wie bei der zukünftigen juristischen Person.37 Denn bei beiden handelt es sich, so das Reichsgericht, nicht „um verschiedene Vereinigungen, sondern um dieselbe Vergesellschaftung in verschiedenen Entwicklungsabschnitten, die nur in Bezug auf die noch nicht vorhandene, durch die Eintragung noch bedingte Rechtsfähigkeit voneinander verschieden sind“.38 Vorgesellschaft und juristische Person bilden demnach eine Einheit.39 Sie sind „wesensgleich“ und unterscheiden sich „nur ihrer rechtlichen Natur nach“ voneinander (hier GbR, dort juristische Person).40 Die Eigenschaft, juristische Person zu sein, ist nur akzidentiell, sie kommt (durch die Eintragung) zu der „Gesellschaft“ (oder dem „Verein“) lediglich hinzu, ohne sie zu einem anderen „Rechtsgebilde“ zu machen.41 Aus diesem Grund gehen nicht nur die Rechtsverhältnisse von der Vorgesellschaft automatisch (ipso iure) auf die fertige juristische Person über,42 wird das Vermögen der ersten das Vermögen der zweiten,43 sondern finden auch schon auf die Vorgesellschaft sämtliche Regeln der juristischen Person Anwendung, sofern sie nicht die Eintragung und allein in diesem Sinn die Rechtsfähigkeit voraussetzen.44
35 Zur Rechtsprechung des Reichsgerichts Flume, Die juristische Person, 1983, S. 149– 157; ders., in: FS Geßler, 1971, S. 3, 8–13. 36 RGZ 58, 55, 56; RGZ 143, 368, 372; RGZ 151, 86, 91 (jeweils für die Vor-GmbH); RGZ 131, 27, 31 (für die Vor-AG). 37 RGZ 82, 288, 290. 38 RGZ 82, 288, 290. 39 So auch RGZ 143, 368, 372, wonach die Vorgesellschaft kein von der künftigen juristischen Person zu trennendes selbständiges Gebilde sein soll, sondern nur eine rechtliche Erscheinungsform derselben Gesellschaft. 40 RGZ 151, 86, 91; RGZ 143, 368, 372. 41 So schon das RGZ 85, 256, 259. Danach besteht ein bereits vorhandener nichtrechtsfähiger Verein „von der Eintragung an als juristische Person weiter, als solcher stellt er zwar ein neues Rechtssubjekt dar, aber dieses Rechtssubjekt setzt ein bereits vorher vorhandenes Rechtsgebilde fort“. Seine Ansicht leitet das Reichsgericht aus dem Wortlaut von § 21 BGB ab, wonach ein Verein Rechtsfähigkeit erlangt, „ohne hierdurch“, so das Reichsgericht, „im Übrigen in seinem Bestehen beeinflusst zu werden“. 42 RGZ 151, 86, 91. 43 RGZ 143, 368, 372. 44 Auch wenn erst der BGH diese Formulierung wörtlich verwendet (BGHZ 143, 314, 319), geht bereits das Reichsgericht davon aus, dass für die Rechtsverhältnisse der werdenden, noch nicht eingetragenen juristischen Person nach dem Willen der Gründer neben dem Gesellschaftsvertrag auch die Grundsätze zur Ergänzung heranzuziehen sind, die für die eingetragene Gesellschaft gelten (so RGZ 82, 288, 290; ähnlich BGHZ 21, 242, 245).
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3. Die Ansicht des BGH Auch wenn der BGH in der Vorgesellschaft ausdrücklich weder eine BGB‑Gesellschaft noch einen nichtrechtsfähigen Verein sieht,45 setzt er die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Vorgesellschaft im Kern unverändert fort.46 Denn bereits in den Augen des Reichsgerichts war für die Vorgesellschaft ihre Einordnung als „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ keineswegs wesentlich. Für den BGH ist die Vorgesellschaft „weder eine Personengesellschaft noch eine juristische Person, sondern eine Personenvereinigung eigener Art“.47 Sie entspricht bis auf die noch fehlende Rechtsfähigkeit bereits der künftigen juristischen Person als deren Vorstufe.48 Die Vorgesellschaft ist „ein auf die künftige juristische Person hin angelegtes Rechtsgebilde“ und als solches „bereits körperschaftlich strukturiert“.49 Wenn demnach die Vorgesellschaft bereits körperschaftlich strukturiert ist, ist es erst recht auch die juristische Person. Beide sind also deshalb wesensgleich, weil sie beide Körperschaften des deutschen Rechts sind. Daher ist auch schon die Vorgesellschaft ein Rechtssubjekt (ohne juristische Person zu sein).50 Aus diesem Grund sind bereits die Vorschriften über die angestrebte juristische Person auf die Vorgesellschaft anzuwenden, soweit diese nicht gerade die Rechtsfähigkeit i. S. der §§ 21, 22, 54 BGB (d. h. die Eintragung) voraussetzen.51
4. Kritik an der h. M. Weil die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) die Gesamthand als Rechtssubjekt und dadurch als eine Körperschaft des deutschen Rechts missversteht, ist auch die Vorgesellschaft für sie eine „Gesamthandsgemeinschaft“.52 Die Gesellschaft und der Verein, die ja an sich erst durch ihre Eintragung Rechtsfähigkeit erlangen (vgl. § 21 BGB), sind demzufolge vor und nach der Eintragung, d. h. als Vorgesellschaft und als juristische Person, dieselben, und zwar weil sie in ihrem Wesen Körperschaften des deutschen Rechts bleiben und „nur ihrer rechtlichen Natur nach“ verschieden sind.53 Auf diese Weise erscheint 45 BGHZ 20, 281, 285 (für die Vor-Genossenschaft); BGHZ 21, 242, 246; BGHZ 45, 338, 347 (jeweils für die Vor-GmbH). 46 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 152; eingehend ders., in: FS Geßler, 1971, S. 3, 13–17. 47 BGHZ 143, 314, 319. 48 BGHZ 143, 314, 319. 49 BGHZ 80, 129, 132 (Hervorhebung nicht im Original); so auch für die Vor-Genossenschaft BGHZ 149, 273, 274. 50 BGHZ 146, 341, 343, 347. 51 BGHZ 143, 314, 319; siehe auch BGHZ 146, 341, 347. 52 Flume, in: FS Geßler, 1971, S. 3, 31; ders., Die juristische Person, 1983, S. 156. 53 RGZ 151, 86, 91 (Zitat); siehe auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 30: „Die Vorgesellschaft als werdende juristische Person ist bereits eine Körperschaft.“
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die Umwandlung von der Vorgesellschaft in eine juristische Person in der Tat ein „rein formaler Aspekt“ zu sein,54 was aber nicht zutrifft, da Gesellschaft und Verein (nach ihrer Eintragung) als juristische Personen des BGB einen menschlichen Verband nicht mehr voraussetzen. Als Anstalt des römischen Rechts existieren sie nunmehr losgelöst von ihren (vermeintlichen) Mitgliedern und damit absolut (anderenfalls wäre die Entziehung der Rechtsfähigkeit nicht erforderlich, § 73 Abs. 1 BGB). Damit bleibt als Unterschied zwischen Vorgesellschaft und juristischer Person nur noch die persönliche (Außen-) Haftung der Gründer in der Vorgesellschaft, die erst mit der Eintragung (d. h. mit der Umwandlung in eine juristische Person) endet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG).55 Für die h. M. ist nun aber bereits die Vorgesellschaft rechtsfähig (d. h. ein Rechtssubjekt), wenn auch nicht als juristische Person. Dann hat jedoch das Bestehen der persönlichen Außenhaftung vor der Eintragung und deren Nichtbestehen nach der Eintragung nichts mit der Rechtsfähigkeit zu tun. Wenn der BGH davon spricht, die „Gesellschaft“ (oder der „Verein“) erlange mit der Eintragung die „volle Rechtsfähigkeit“,56 bedeutet das lediglich, dass die „Gesellschaft“ (oder der „Verein“) nach der Registereintragung „als solche“ und daher aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit Rechtssubjekt ist (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG: „Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit“, und § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG: „Vor der Eintragung … besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht“);57 durch die Eintragung und die eigene Rechtspersönlichkeit erlangen Gesellschaft und Verein aber gerade nicht ein Mehr an Rechtsfähigkeit.58 Wenn Flume nun zu Recht hervorhebt, „die Rechtsfähigkeit ist das Essentiale der juristischen Person“,59 die Vorgesellschaft jedoch schon ein Rechtssubjekt (d. h. rechtsfähig) ist, ist es nur konsequent, wenn K. Schmidt bereits die Vorgesellschaft als juristische Person einstuft.60 Die juristische Person wird demnach nicht erst durch den Akt der staatlichen Registrierung (oder durch 54 BGHZ 55
336.
134, 333, 336. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 IV 4 b) (S. 307); BGHZ 134, 333,
56 BGHZ 117,323, 327; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 11 Rn. 74, spricht von einer „beschränkten Rechtsfähigkeit“ der Vorgesellschaft; so bereits Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 323, wonach die „beschränkte Rechtsfähigkeit“ durchaus „mit der (vorläufigen) Versagung der Vollrechtsfähigkeit“ vereinbar sei. 57 BGHZ 146, 341, 347. 58 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 35: „Die Vorgesellschaft ist damit vollwertige Rechtsträgerin.“ (Hervorhebung nicht im Original). 59 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 153. 60 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 IV 4 a) (S. 306–307); ders., in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 31, 46, 151; ders., NJW 1981, 1345; ders., GmbHR 1987, 77, 78–79.
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die Verleihung der Rechtsfähigkeit), sondern schon vorher durch das privatautonome Gründungsgeschäft, d. h. durch den (notariellen) Gesellschaftsvertrag, konstituiert.61 Hierdurch erhält sie eine vorläufige Rechtsfähigkeit und ist insofern eine werdende juristische Person, die mit ihrer Eintragung lediglich endgültig rechtsfähig wird.62 Das Rechtssubjekt ist vor und nach dem staatlichen Akt der Registrierung also dasselbe, sodass allein in diesem Sinn aus der werdenden eine fertige juristische Person wird.63 Die Eintragung hat infolgedessen für die Entstehung der juristischen Person nur noch eine regulative und bestätigende (d. h. eine konfirmative) Wirkung.64
5. Eigene Lösung Die Eintragung ist jedoch konstitutiv.65 Die juristische Person ist eine Schöpfung des Rechts, ihre Entstehung setzt deshalb einen staatlichen Akt voraus. Erst durch die Eintragung oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit ist sie da (d. h. sie ist ein Rechtsträger und ein Rechtssubjekt), nicht aber einen Augenblick früher. Und weil die (Einzel-) Rechtsfähigkeit „das Essentiale der juristischen Person“ (und gleichermaßen der natürlichen Person) ist,66 gibt es auch vorher noch kein Rechtssubjekt. Denn ausschließlich eine natürliche oder juristische Person kann als solche Rechtssubjekt sein. Der Verein „erlangt Rechtsfähigkeit“ erst mit der Eintragung oder der staatlichen Verleihung (vgl. §§ 21, 22 BGB). Er ist demzufolge zuvor noch nicht rechtsfähig (vgl. § 54 BGB) und kann daher auch noch kein Rechtssubjekt sein. Weil der Verein das Grundmodell der Körperschaft des Privatrechts ist, gilt das auch für AG, GmbH und Genossenschaft. Auch sie sind vor ihrer 61 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 120; für K. Schmidt, NJW 1981, 1345, stellt statt der Eintragung die Errichtung der Gesellschaft (d. h. der Vertragsschluss) „den existenz- und identitätsbestimmenden Einschnitt“ dar, denn Vorgesellschaft und künftige juristische Person seien „zweckidentisch“ (K. Schmidt, GmbHR 1987, 77, 79). 62 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 120; ihnen folgend Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 7, der deshalb der Vorgesellschaft den Charakter einer vorläufigen juristischen Person zuerkennen will; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 321–328, versteht die Vorgesellschaft als Rechtssubjekt, dem nur eine beschränkte Rechtsfähigkeit zukommt, weil sie „noch nicht in jeder Hinsicht juristische Person ist“; Raiser, ZGR 2016, 781, 795. 63 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 151; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 41 Rn. 16. 64 So ausdrücklich Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 120. Nach Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 26 Rn. 8, ist die Eintragung für den Verein nicht konstitutiv. Weil aber der Verein durch die Eintragung zur juristischen Person werde, könne man insofern von einer „partiell konstitutiven Wirkung der Eintragung sprechen“. 65 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbH, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 12. 66 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 153 (Zitat).
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Eintragung noch nicht rechtsfähig (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG; § 11 Abs. 1 GmbHG; § 13 GenG) und deshalb ist auch die Vorgesellschaft (d. h. als Vorverein, Vor-AG, Vor-GmbH oder Vor-Genossenschaft) eben nicht ein Rechtssubjekt. Obgleich die Vorgesellschaft demnach weder eine Körperschaft des deutschen Rechts noch eine Anstalt des römischen Rechts (d. h. eine juristische Person) ist, ist sie doch keineswegs ein rechtliches Nullum. Für die juristische Person werden mit Vorstand und Geschäftsführer bereits vor ihrer Entstehung Organe, oder vielmehr gesetzliche Vertreter (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB), bestellt, die sie zur Eintragung anmelden (§ 59 Abs. 1 BGB; § 36 Abs. 1 AktG; §§ 7 Abs. 1, 78 GmbHG; § 11 Abs. 1 GenG). Ebenfalls zuvor wird für die künftige juristische Person bereits ein Vermögen gebildet. Bei der AG ist die Gesellschaft erst mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer errichtet (so § 29 AktG), wobei die Übernahme der Aktien nur gegen Leistung der Einlagen erfolgt (§ 2 AktG). Bei der GmbH haben die Gründer ebenfalls vor Eintragung der Gesellschaft ihre Einlagen zu erbringen. Auch sie müssen bei Errichtung der Gesellschaft die Geschäftsanteile gegen Einlage übernehmen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 und § 5 Abs. 2 GmbHG). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die juristische Person (als AG oder GmbH) von Anfang an (d. h. mit ihrer Eintragung) über ein Mindestkapital verfügt (§ 7 AktG; § 5 Abs. 1 GmbHG). Es muss aus diesem Grund schon vor der Eintragung und demnach vor der Entstehung der juristischen Person einen (oder mehrere) Rechtsträger geben. Das können ausschließlich die Gründer sein, und zwar nicht als societas (jeder für sich), sondern als Gesamthand (vgl. § 54 Satz 1 BGB). Die Gründer nehmen deshalb als Vorgesellschaft einen gemeinsamen status im Recht ein, der ihnen als Zuordnungsendpunkte die Rechte und Pflichten vermittelt, sie haben eine kollektive Rechtsfähigkeit und sind als verbundene Subjekte Rechtsträger und nicht eine Vorgesellschaft, die ihnen gegenüber als ein Rechtssubjekt verselbständigt ist. Wie auch sonst bei einer Gesellschaft (d. h. einer GbR) sind die Gründer alle zusammen (in Gemeinschaft) die Vorgesellschaft. Der Ausdruck „Vorgesellschaft“ ist demgemäß nur eine Abbreviatur für die Gesamtheit der Gründer (d. h. der Gesellschafter).67 Das Vermögen der Vorgesellschaft ist aus diesem Grund nichts anderes als das gemeinschaftliche Vermögen der Gründer (§ 718 Abs. 1 BGB) und sind die Gesellschaftsschulden deren gemeinschaftlichen Schulden (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Besondere der Vorgesellschaft, das, was sie von der normalen GbR unterscheidet, ist der gemeinsame Zweck (§ 705 BGB).68 Die Gründer wollen 67
A. A. BGHZ 117, 323, 326. das Reichsgericht die Vorgesellschaft ausdrücklich als „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ einordnet (RGZ 58, 55, 56; RGZ 143, 368, 372; RGZ 151, 86, 91; RGZ 131, 27, 31), trifft das durchaus zu. Das gilt deshalb auch für Flume, Die juristische Person, 1983, S. 155, wenn er die Vorgesellschaft als nichtrechtsfähigen Verein versteht, weil 68 Wenn
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zusammen alles dafür tun, dass die von ihnen angestrebte juristische Person durch den staatlichen Akt der Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit entsteht. Der gemeinsame Zweck, den sie auf diese Weise fördern wollen, ist das Entstehen der künftigen juristischen Person. Weil die Vorgesellschaft eine Vorstufe der juristischen Person sein soll, der Zweck insofern nicht endgültig, sondern nur vorläufig ist, hat die Vorgesellschaft einen „transitorischen Charakter“ (Reuter).69 Allein deshalb wirken die Vorschriften der fertigen juristischen Person schon auf das Stadium der Vorgesellschaft vor; das aber nur soweit, wie es der Zweck erfordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die juristische Person durch den staatlichen Akt entsteht. Anderenfalls finden die Regeln über die BGB‑Gesellschaft und des Gesellschaftsvertrags Anwendung.70 Entsteht schließlich die von den Gründern angestrebte juristische Person, haben die Gründer als Gesamthand und in diesem Sinn die Vorgesellschaft ihren „vereinbarten Zweck erreicht“, „die Gesellschaft endigt“ (vgl. § 726 BGB). Nach Sinn und Zweck der Vorgesellschaft gehen jetzt die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten der Gründer von selbst (ipso iure) auf die juristische Person über. Weil Vorgesellschaft (als Gesamthand) und juristische Person (als Anstalt) wesensverschieden sind, beide deshalb nicht einen einheitlichen Verband bilden und daher auch nicht dasselbe Rechtsgebilde sind, kommt es hier zu einer Rechtsnachfolge.71 Das gemeinschaftliche Vermögen der Gründer (§ 718 Abs. 1 BGB) wird ipso iure (individuelles) Vermögen der juristischen Person, die gemeinschaftlichen Schulden der Gesellschafter (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) werden zu (individuellen) Verbindlichkeiten der juristischen Person, die Gründer selbst werden von Gesellschaftern einer Gesamthand zu Mitgliedern der juristischen Person und Vorstand und Geschäftsführer von Repräsentanten der Gründer zu Organen, d. h. zu gesetzlichen Vertretern (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB), der juristischen Person. über § 54 Satz 1 BGB ja ebenfalls die Vorschriften über die GbR Anwendung finden. Auch Beuthien, WM 2013, 1485, 1487, sieht in der Vorgesellschaft (Vor-AG, Vor-GmbH, VoreG) aufgrund „ihrer körperschaftsrechtlichen Grundstruktur nichteingetragene Vereine, die in aller Regel unternehmerische Ziele verfolgen, weshalb die Vorgesellschafter gemäß §§ 54 Satz 1 BGB, 128 HGB „stets bis zur Eintragung unmittelbar nach außen haften“ (aaO., S. 1489). Damit ist für ihn die Vorgesellschaft als nichtrechtsfähiger Verein i. S. des § 54 BGB eine Gesamthand (als GbR oder OHG). 69 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 82. 70 So auch schon RGZ 82, 288, 290. 71 Auch nach Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, § 21 Rn. 29, gehen Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft, die als bloße Vorstufe im Zeitpunkt der Eintragung endet, auf die juristische Person über, es kommt (ipso iure) zu einer „Gesamtrechtsnachfolge“ (Rn. 30). Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 13 Rn. 50; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 25 II 3 c) (S. 381). Das klingt selbst in BGHZ 80, 129, 140, an, wonach „sämtliche Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft (…) nahtlos“ auf die fertige juristische Person „übergehen“.
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II. Die unechte Vorgesellschaft 1. Die werbende (echte) Vorgesellschaft Bereits als Vorgesellschaft können die Gründer die Geschäftstätigkeit aufnehmen und so den Zweck der künftigen juristischen Person vorwegnehmen.72 Dieser Gesellschaftszweck (§ 705 BGB) tritt in diesem Fall neben den eigentlichen und in diesem Sinn typischen Zweck der Vorgesellschaft, die Eintragung der angestrebten juristischen Person herbeizuführen und sie so zur Entstehung zu bringen.73 Erst dieser primäre gemeinsame Zweck, eine juristische Person zu werden, verleiht der Vorgesellschaft ihren transitorischen Charakter und unterscheidet sie von einer normalen Gesellschaft als GbR oder OHG. Der Gesellschaftszweck, die werbende Tätigkeit schon vor Eintragung zu beginnen, kommt zum primären Zweck der Vorgesellschaft nur akzidentiell hinzu, weshalb er auch dessen vorläufigen und transitorischen Charakter teilt. Demgemäß finden auch auf die Vorgesellschaft, die bereits das Unternehmen der künftigen juristischen Person betreibt, insgesamt die Vorschriften der juristischen Person Anwendung, sofern sie nicht die Eintragung und daher die (volle) Rechtsfähigkeit voraussetzen. Vorstand und Geschäftsführer sind zunächst nur befugt, die Rechtshandlungen für die Vorgesellschaft (d. h. für die Gesamtheit der Gründer) vorzunehmen, die für die Eintragung erforderlich sind.74 Ihre Vertretungsmacht ist deshalb auf die notwendigen Geschäfte beschränkt. Entscheiden sich die Gründer jedoch, die Geschäftstätigkeit bereits vor Eintragung aufzunehmen, erweitert sich dadurch die Vertretungsmacht von Vorstand und Geschäftsführer zwingend auf den Umfang, der an sich erst in der fertigen juristischen Person gilt.75 Die Regeln der künftigen juristischen Person wirken also auch insoweit auf die Vorgesellschaft vor. Weil der Gesellschaftszweck, die werbende Tätigkeit schon vor Eintragung zu beginnen, dem typischen Zweck der Vorgesellschaft folgt, die angestrebte juristische Person zu werden, ist er im eigentlichen Wortsinn „sekundär“. Deshalb endigt selbst die werbende Vorgesellschaft in dem Zeitpunkt von selbst 72 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 13 Rn. 38; dazu BGHZ 80, 129, 139; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 11 Rn. 15; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 541; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 25 I 3 a) (S. 380). 73 Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 13 Rn. 38, wonach die Gesellschafter auf diese Weise den Zweck der Vorgesellschaft „erweitern“; Link, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl. 2019, § 11 Rn. 4; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 34. 74 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 34, 69; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 11 Rn. 11, 15; Link, in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl. 2019, § 11 Rn. 13; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, § 21 Rn. 22. 75 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 70; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, § 11 Rn. 33; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, § 21 Rn. 22.
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(ipso iure), in dem die juristische Person durch Eintragung entsteht, da sie auf diese Weise ihren primären vereinbarten Zweck erreicht hat (vgl. § 726 BGB). Beide Zwecke sind solche der Vorgesellschaft. Auch der sekundäre Zweck, die an sich erst künftige Tätigkeit der juristischen Person schon in der Vorgesellschaft auszuüben, ist nur vorläufig und gilt demzufolge ebenfalls nur für die Vorgesellschaft und nicht auch für die spätere juristische Person. Beide bilden den gemeinsamen Zweck der Vorgesellschaft und müssen deshalb im Gesellschaftsvertrag vereinbart sein (§ 705 BGB), was die Gründer von Anfang an oder auch erst nachträglich tun können. Da Abschluss und Änderung des Gesellschaftsvertrags wie auch sonst bei einer GbR oder OHG formfrei möglich sind, kann das nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent geschehen, was im Wege der (subjektiven) Vertragsauslegung zu ermitteln ist (§§ 133, 157 BGB).76 Die Aufnahme der Geschäftstätigkeit vor Eintragung der juristischen Person setzt infolgedessen lediglich die Zustimmung aller Gesellschafter voraus.77
2. Von der echten zur unechten Vorgesellschaft Scheitert nun aber die Eintragung, verliert die Vorgesellschaft ihren transitorischen Charakter. Da es der Vorgesellschaft jetzt unmöglich geworden ist, ihren primären Zweck, eine juristische Person zu werden, zu erreichen, endigt sie ipso iure (§ 726 2. Alt BGB), anders formuliert: Sie löst sich auf. Das gilt auch, wenn es sich um eine werbende Vorgesellschaft handelt. Denn mit dem primären Zweck der Vorgesellschaft ist auch ihr sekundärer unmöglich geworden, bis zur Eintragung vorläufig das Unternehmen der künftigen juristischen Person zu betreiben, sodass die Vorgesellschaft insgesamt endet (§ 726 2. Alt. BGB). Weil hier eine juristische Person nicht entsteht, können anders als bei der Zweckerreichung (§ 726 1. Alt. BGB) Rechte und Pflichten nicht automatisch von der Vorgesellschaft auf die angestrebte juristische Person übergehen. Nach Auflösung der Vorgesellschaft findet deshalb in Ansehung des Gesellschaftsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) unter den Gründern die Auseinandersetzung statt (vgl. § 730 Abs. 1 BGB). Setzen die Gründer trotz Aufgabe der Eintragungsabsicht den Geschäftsbetrieb gemeinsam fort, wird aus der echten eine unechte (oder fehlgeschlagene) Vorgesellschaft.78 Sie wandelt sich aber nicht in eine solche um,79 sondern bleibt dieselbe Gesellschaft oder, und hierauf kommt es an dieser Stelle 76 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 32, 35. 77 BGHZ 80, 129, 139 (Vor-GmbH); BGH, NJW 2004, 2519 (Vor-AG). 78 BGHZ 169, 270 Rn. 17 (Vor-AG); BGHZ 152, 290, 294 (Vor-GmbH). 79 So aber Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 32, 33; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 27.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
allein an, zumindest dieselbe Gesamthand, sie ist automatisch eine GbR oder, sofern sie ein Handelsgewerbe betreibt, eine OHG.80 Die Gesellschaft kann zwar ihren primären vereinbarten Zweck, die angestrebte juristische Person zu werden, nicht mehr erreichen, gleichwohl ist der „vereinbarte Zweck“ nicht unmöglich geworden (vgl. § 726 2. Alt. BGB). Denn der sekundäre Zweck, bereits vor Eintragung die werbende Tätigkeit der künftigen juristischen Person auszuüben, ist in der unechten Vorgesellschaft nicht mehr nur vorläufig, er ist jetzt dauerhaft. Damit ist er mit dem primären Zweck, der ja nur vorläufig ist, auch nicht mehr verknüpft. Er ist in seinem rechtlichen Schicksal von ihm unabhängig und hört auf, im Wortsinn „sekundär“ zu sein. Es hat insofern eine Zweckänderung stattgefunden. Weil aus diesem Grund in der unechten Vorgesellschaft der gemeinsame Zweck einzig und allein noch darin besteht, das Unternehmen auch weiterhin zu betreiben, ist es der Vorgesellschaft auch dann nicht unmöglich geworden, den geänderten vereinbarten Zweck zu erreichen, wenn die Eintragung endgültig gescheitert ist. Der Zweck der Vorgesellschaft, eine juristische Person zu werden, ist nicht mehr ihr „vereinbarter Zweck“, sodass sich die nunmehr unechte (oder fehlgeschlagene) Vorgesellschaft jetzt nicht mehr ipso iure auflöst (vgl. § 726 2. Alt. BGB). Die unechte Vorgesellschaft ist dieselbe Gesellschaft (d. h. Gesamthand), die sie auch schon zuvor als echte Vorgesellschaft war. Ausschließlich der gemeinsame Zweck hat sich geändert. Der gemeinsame status jedoch, der den vielen Gesellschaftern, in stoischer Begrifflichkeit als eigenschaftsloser Materie (ὓλη), eine individuelle Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) verleiht, und zwar die Fähigkeit, in Gemeinschaft Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (§ 14 Abs. 2 BGB), bleibt derselbe. Und weil die Gesamthand ihre Individualität und Identität aus der Gesamtbeschaffenheit empfängt, bewahrt auch die Vorgesellschaft, als Gesamthand, ihre Identität, sie wechselt bloß ihre Rechtsform.81 Allein in diesem Sinn wird aus der (echten) Vorgesellschaft eine BGB‑Gesellschaft (oder eine OHG), wenn die Eintragung scheitert und die Gesellschafter dennoch die werbende Tätigkeit fortführen. Die unechte Vorgesellschaft ist deshalb auch nicht die Rechtsnachfolgerin der echten, sodass die Rechte und Pflichten erst im Wege der Universalsukzession von der echten auf die unechte Vorgesellschaft (als GbR oder OHG) übergehen müssten.82 Weil sie dieselbe Gesellschaft (Gesamthand) ist, bestehen ihre Rechtsverhältnisse (einschließlich der Schulden) vielmehr unverändert fort.83
80 BGH, NJW 2008, 2441, 2442; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 58. 81 So ausdrücklich BGH, NJW 2008, 2441, 2442. 82 So aber Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 32. 83 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 58.
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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3. Bewertung Echte und unechte Vorgesellschaft sind ein und dieselbe Gemeinschaft zur gesamten Hand, beide sind wesensgleich. Auch die echte Vorgesellschaft ist letztlich bereits eine GbR oder, sofern sie ein Handelsgewerbe betreibt, eine OHG. Weil sie aber die Aufgabe übernommen hat, die Vorstufe einer künftigen juristischen Person zu sein, steht sie nicht für sich selbst, sondern ausschließlich stellvertretend für die angestrebte juristische Person. Dass die Regeln der fertigen juristischen Person die von GbR oder OHG überlagern, soweit es für den Zweck der Vorgesellschaft erforderlich ist, eine juristische Person zu werden, ist deshalb allein ihrer „transitorischen Existenz“ geschuldet.84 Die juristische Person ist im Gegensatz zur (echten und unechten) Vorgesellschaft eine Anstalt des römischen Rechts und infolgedessen sind beide wesensverschieden. Nur für den, der zu Unrecht in (echter und unechter) Vorgesellschaft und juristischer Person Körperschaften des deutschen Rechts sieht, ist die echte Vorgesellschaft sowohl auf der einen Seite mit der späteren juristischen Person als auch auf der anderen Seite mit der unechten Vorgesellschaft identisch (so aber die h. M.).
III. Die „kollektive Handlungsfähigkeit“ der Vorgesellschaft 1. Die Rechtsnatur der „Organe“ in der (angestrebten) juristischen Person Dass Vorgesellschaft und juristische Person wesensverschieden sind, wirkt sich auch auf die Stellung von Vorstand und Geschäftsführer in der Vorgesellschaft aus. Obwohl Vorstand und Geschäftsführer „Organe“ der angestrebten juristischen Person sind und jene erst durch ihre Registereintragung (oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit) entsteht, müssen sie Vorstand und Geschäftsführer zur Eintragung anmelden. Und weil die Rechtsverhältnisse, die beide vor Eintragung der juristischen Person begründen, (in der Regel) selbst dann nicht hinfällig sein sollen, wenn die Eintragung scheitert und deshalb die juristische Person niemals entsteht, sind sie gegenwärtige Rechtsverhältnisse der Vorgesellschaft.85 Demgemäß treten Vorstand und Geschäftsführer nicht für die künftige juristische Person, sondern schon für die Vorgesellschaft auf. Die Vorgesellschaft ist nun aber eine Gesamthand, die juristische Person eine Anstalt des römischen Rechts. Als solche hat sie anders als die Körperschaft des deutschen Rechts in der Tatsachenwelt nicht einen menschlichen Verband als ihren Träger, von dem sie sich ableitet. Als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) ist sie deshalb selbst nicht handlungsfähig. Sie muss durch andere wollen und handeln (agere per alios). Vorstand und Geschäftsführer sind daher nicht 84 85
Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 101 (Zitat). Flume, Die juristische Person, 1983, S. 155–156.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
ihre Organe, vielmehr haben sie „die Stellung eines gesetzlichen Vertreters“ (so § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie sind Dritte (alii), ihr fremdes Handeln muss der juristischen Person über eine fictio iuris „wie eigenes“ zugerechnet werden (vgl. § 278 Satz 1 BGB). Obgleich sie tatsächlich alii sind, werden sie auf diese Weise rechtlich so behandelt, als wären sie Organe einer Körperschaft. Während die Vorschrift des § 31 BGB für die juristische Person als Anstalt des römischen Rechts deshalb konstitutiv ist, ist sie für die Körperschaft des deutschen Rechts bloß deklaratorisch.
2. Die Rechtsnatur der „Organe“ in der echten Vorgesellschaft Als Gesamthand ist die Vorgesellschaft demgegenüber per se (kollektiv) handlungsfähig. Die Gesellschafter sind als Gesamtheit die Gesellschaft und können demgemäß stets für sich selbst auftreten (vgl. §§ 709 Abs. 1, 714 BGB). Nun können aber auch mehrere, ja selbst nur einer von ihnen für alle in Gemeinschaft handeln. Als in diesem Sinn vertretungsberechtigte Gesellschafter sind sie mit der Gesamthand (Gesellschaft) gleichzusetzen, sie sind, obgleich an sich bloß ein Teil, das Ganze; es gilt hier der Grundsatz der Identitätsrepräsentation. Weil die Gesamthand sich ausschließlich aus den gegenwärtigen Gesellschaftern (Mitgliedern) zusammensetzt, ist der vertretungsbefugte Gesellschafter nur organähnlich. Denn anders als die Gesamthand hat die Körperschaft nicht nur momentane, sondern auch vergangene und zukünftige Mitglieder. Selbst die Gesamtheit der aktuellen Mitglieder ist deshalb bloß ein Teil der Körperschaft. Stets kann nur ein Teil für das Ganze stehen, nicht aber das Ganze sein (so aber bei der Gesamthand). Aus diesem Grund hat allein die Körperschaft Organe, die als Teil für das Ganze stehen, es aber nicht sind. Weil demzufolge auch nur ein Teil, hier also ein oder mehrere Mitglieder, ein Organ sein kann, gilt im eigentlichen Wortsinn ausschließlich bei der Körperschaft der Grundsatz der Selbstorganschaft. Allein wenn damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass auch die Gesamthand stets durch sich selbst handeln kann (agere per se) und diese natürliche Handlungsfähigkeit ebenso wie zur Körperschaft auch zu ihr dazugehört, sodass Dritte (Nichtmitglieder) lediglich Stellvertreter (§ 164 BGB) sein können, kann auch bei der Gesamthand von einer Selbstorganschaft (im Gegensatz zur juristischen Person als Anstalt) gesprochen werden. Vorstand und Geschäftsführer sind alii und können demgemäß an sich nur Stellvertreter, nicht aber Repräsentanten der Vorgesellschaft (als Gesamthand) sein. Denn als Dritte sind sie nicht Gesellschafter und damit nicht Teil des Ganzen. Auch in der juristischen Person (als Anstalt) sind sie nicht Teil des Ganzen und können deshalb nicht Organ, sondern lediglich Vertreter sein. Dennoch werden sie so behandelt, als ob sie in Wirklichkeit ein Organ der juristischen Person wären (fictio iuris). Das gilt nun entsprechend für die Vor-
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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gesellschaft. Das Recht der fertigen juristischen Person wirkt auf die Vorgesellschaft vor. Vorstand und Geschäftsführer sind hier organähnlich. Das Prinzip der Identitätsrepräsentation wird über die Gesellschafter hinaus auf Vorstand und Geschäftsführer (als Dritte) erweitert, indem so getan wird, als ob sie Gesellschafter und daher ein Teil des Ganzen wären. Auch wenn sie als alii zwar tatsächlich immer noch lediglich Bevollmächtigte der Gründergesamtheit sind, wird es mittels einer fictio iuris so angesehen, als ob sie in ihrer Person (als Teil) real die Vorgesellschaft (als Ganzes) abbildeten (pars pro toto). Eine Willenserklärung, die der Vorstand oder ein Geschäftsführer für die Vorgesellschaft abgibt, ist demgemäß eine aller Gründer zusammen (als Gesamthand). Ebenso ist ein Delikt, das der Vorstand oder ein Geschäftsführer in einem (vor-) vertraglichen Schuldverhältnis oder außerhalb davon begeht, ein solches der Vorgesellschaft. Nur insofern findet § 31 BGB auf die Vorgesellschaft entsprechende Anwendung, nicht aber, weil auch sie „körperschaftlich strukturiert“ ist und deshalb Vorstand und Geschäftsführer ihre Organe sind (so aber die h. M.).86 Die Vertretungsmacht von Vorstand und Geschäftsführer verdrängt dabei keineswegs die der Gesellschafter.87 Als Gesamtheit sind sie stets kollektiv handlungsfähig. Aber auch einer oder mehrere von ihnen (als Gesamthand im Kleinen) können die Vorgesellschaft repräsentieren. Denn dass ausschließlich Vorstand und Geschäftsführer die Vorgesellschaft vertreten, ist nicht erforderlich, um die angestrebte juristische Person entstehen zu lassen.88 Das wäre aber zwingende Voraussetzung dafür, dass das Recht der fertigen juristischen 86 Für die ganz h. M. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 22; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 11 Rn. 26; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 85; OLG Stuttgart, NJW‑RR 1989, 637, 638; anders sind für Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 325, „die Organe der werdenden juristischen Person“ noch nicht „Repräsentanten der Einheit“ (d. h. der juristischen Person), „sie vermögen nur innerhalb dieser Einheit die ‚Gründer‘ zu repräsentieren“, weshalb „nach außen hin die Mitglieder noch als Rechtsinhaber und der Vorstand bzw. die Geschäftsführer als ihre ‚Vertreter‘ erscheinen“. 87 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 92, denn anderenfalls greife „das Verdikt der unzulässigen Selbstentmündigung“ durch. Die Gründer müssten jederzeit die Möglichkeit haben, sich selbst zu vertreten und die Vertretungsmacht des Vorstands zu widerrufen oder einzuschränken. Damit folgt Reuter zu Recht Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 244, der betont: „Wie sich die Einzelperson nicht entmachten kann, so auch nicht die Personengemeinschaft“ (S. 240). 88 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 92, weist zutreffend darauf hin, dass „im Ergebnis die Rechtsprechung damit übereinstimmt“. Die Gründer können, so BGHZ 80, 129, 139, den Vorstand oder Geschäftsführer formlos ermächtigen, schon vor Eintragung die werbende Tätigkeit der angestrebten juristischen Person aufzunehmen, wodurch sie die Vertretungsmacht von Vorstand und Geschäftsführer erweitern. Wären nun beide bereits in der Vorgesellschaft Organ, könnten die Gründer diese Organvertretungsmacht aber nur ausweiten, indem sie die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag der künftigen juristischen Person änderten, was jedoch nicht formlos möglich wäre, sondern eine notarielle Beurkundung erforderte.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Person und infolgedessen die Organvertretungsmacht von Vorstand und Geschäftsführer bereits für die Vorgesellschaft gelten (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BGB; § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG; § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG; § 24 Abs. 1 Satz 1 GenG), anderenfalls bleibt es beim Recht der Gesellschaft (als GbR oder OHG), und zwar weil in ihm der Charakter der Vorgesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand zum Ausdruck kommt, nicht aber in dem Recht der juristischen Person (als einer Anstalt des römischen Rechts).
3. Die Rechtsnatur der „Organe“ in der unechten Vorgesellschaft Scheitert die Eintragung und entsteht deshalb niemals eine juristische Person, wird zwar aus der echten eine unechte Vorgesellschaft, gleichwohl sind Vorstand und Geschäftsführer in der unechten Vorgesellschaft (als GbR oder OHG) dieselben Bevollmächtigten der Gesellschafter, die sie auch schon zuvor in der echten Vorgesellschaft waren. Weil die Vorgesellschaft ihren transitorischen Charakter verloren hat, finden die Regeln der fertigen juristischen Person auf die (unechte) Vorgesellschaft keine Anwendung mehr, sodass Vorstand und Geschäftsführer in ihrer Person (als Teil) nicht mehr die Gesamtheit der Gesellschafter (als Ganzes) abbilden können (pars pro toto). Sie sind als alii jetzt gewissermaßen nur noch normale Stellvertreter i. S. des § 164 BGB.
IV. Die Satzungsfeststellung 1. Die Satzung als Verfassung der fertigen juristischen Person Die Vorgesellschaft ist als Gesamthand per se handlungsfähig. Weil die Gesellschafter die Gesamthand sind, können sie zusammen einen Gesamtwillen, einen Willen aller (volonté de tous), bilden und danach in Gemeinschaft handeln. Nicht so die juristische Person des BGB. Als Anstalt des römischen Rechts kann sie nur durch andere wollen und handeln (agere per alios). Denn als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) leitet sie sich anders als die Körperschaft des deutschen Rechts eben nicht von einem menschlichen Verband als ens physicum ab, dessen reales Wollen und Handeln rechtlich ein solches der Körperschaft als ens morale ist. Die Körperschaft des BGB (Verein, AG, GmbH und Genossenschaft) ist ihrem „Wesen“ nach zwar eine Anstalt des römischen Rechts, dennoch ist sie einer Körperschaft des deutschen Rechts insofern nachgebildet, als hier so getan wird, als ob sie im Rechtssinne tatsächlich Organe hätte und demgemäß wie eine Körperschaft des deutschen Rechts durch sich selbst wollen und handeln könnte (agere per se). Nun ist aber auch die Körperschaft des deutschen Rechts nicht schon von Anfang an als ein menschlicher Verband handlungsfähig. Die Körperschaft in der Welt des Rechts fußt auf ihrem menschlichen Verband in der Tatsachenwelt. Der menschliche Verband als ihr Träger in der phänomenalen Welt
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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setzt sich nicht nur aus seinen gegenwärtigen Mitgliedern zusammen (so aber die Gesamthand), sondern auch aus seinen vergangenen und zukünftigen. Er ist insofern stofflich mehr als seine aktuellen Mitglieder, die deshalb selbst in ihrer Gesamtheit nicht der menschliche Verband (als Ganzes) sind, sie sind lediglich ein Teil davon. Und weil sich die Körperschaft (ens morale) aus ihrem menschlichen Verband (ens physicum) ableitet und in diesem Sinn der menschliche Verband die Körperschaft in der idealen, weil gedachten Welt des Rechts bildet, sind die jetztlebenden Mitglieder auch rechtlich nur ein Teil der Körperschaft (und nicht die universitas ipsa).89 Sie ver-gegenwärtigen deshalb nicht nur den menschlichen Verband in der „wirklichen Welt“, sondern auch die Körperschaft in der „vorgestellten Welt“ des Rechts. Um als persona moralis nun durch einen Teil von sich selbst wollen und handeln zu können (pars pro toto), benötigt die Körperschaft deshalb eine Verfassung, die sich aus Gesetz oder Satzung ergibt (vgl. § 25 BGB). Erst die körperschaftliche Verfassung stellt die erforderlichen Organe her, legt deren Zuständigkeiten („Kompetenzen“) innerhalb der Körperschaft fest und weist ihnen so bestimmte Aufgaben und Funktionen des „Gemeinlebens“ zu.90 Dabei kommt die Aufgabe, den „Gemeinwillen“ oder den „allgemeinen Willen“ (volonté générale) innerhalb der Körperschaft zu „bilden“ (d. h. ihn hervorzubringen), der Mitgliederversammlung (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB), den solchermaßen festgestellten „Gemeinwillen“ im Handeln nach innen und außen (d. h. in der Geschäftsführung und der Vertretung) umzusetzen, dem Vorstand zu (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB).91 Erst durch die Organe der Mitgliederversammlung und des Vorstands, die die Verfassung (Satzung) herstellt, ist die Körperschaft also durch sie selbst handlungsfähig (agere per se).
2. Rechtsnatur der Satzung: Norm oder Vertrag? a) Die modifizierte Normentheorie: Die Satzung ist zuerst Vertrag, dann Norm aa) Die Ansicht der h. M. Die Verfassung ist der „Inbegriff der Rechtssätze über die Organisation“ der Körperschaft.92 Als solches objektives Recht kann es die Verfassung demzufolge im BGB an sich erst mit der Entstehung ihrer juristischen Person (d. h. mit der Eintragung) geben. Die Gründer stellen die Satzung und damit die Verfassung der angestrebten juristischen Person indes schon zuvor (d. h. vor der Eintragung) fest (vgl. §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 28 AktG), gleichzeitig entsteht die 89 90
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 500 mit Fn. 18. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 497. 91 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 501, 503, 507. 92 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 496.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Vorgesellschaft als Gesamthand. Weil Vorgesellschaft und spätere juristische Person nach h. M. „wesensgleich“ sind, entsteht für sie die juristische Person als Körperschaft bereits mit der Satzungsfeststellung, die deshalb eine Doppelnatur als Schuld- und Organisationsvertrag haben soll.93 Hiernach enthält die Satzung zum einen die Vereinbarungen der Gründer über die Errichtung der angestrebten juristischen Person und die sich daraus für sie ergebenden Rechte und Pflichten (die Satzung ist insoweit Schuldvertrag), zum anderen aber auch die Regelungen über den inneren Aufbau der juristischen Person als Körperschaft (insofern ist die Satzung Organisationsvertrag).94 Dabei löst sich, so die h. M., die Satzung mit der Entstehung der juristischen Person vom Vertragswillen der Gründer und weil ihre Regelungen nunmehr auch für neue Mitglieder gelten, kommt der Satzung somit die „Funktion objektiven Rechts“ zu.95 Die Satzung ist demgemäß für die h. M. (modifizierte Normentheorie) zunächst (d. h. in der Vorgesellschaft) Vertrag und erst später (d. h. mit der Entstehung der juristischen Person) Norm.96 Die Satzung „ist zwar zunächst“, so der BGH, „ein von den Gründern geschlossener Vertrag (…). Mit der Entstehung des Vereins löst sie sich aber völlig von deren Person. Sie erlangt ein unabhängiges rechtliches Eigenleben, wird zur körperschaftlichen Verfassung des Vereins und objektiviert fortan das rechtliche Wollen des Vereins als Zusammenfassung seiner Mitglieder“. Da Willen und Interessen der Gründer deshalb zurücktreten, gewinnen an ihrer Stelle „der Vereinszweck und die Mitgliedsinteressen die rechtsgestaltende Kraft, auf die es allein noch ankommen kann“.97 Die körperschaftliche Satzung ist daher als Norm wie ein Gesetz objektiv und eben nicht wie der Gesellschaftsvertrag einer Gesamthand (§ 705 BGB) subjektiv auszulegen.98 93
Pentz, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 23 Rn. 10. So ausdrücklich Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 23 Rn. 7. 95 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 23 Rn. 7 (auch Zitat); für Heider, in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2016, § 23 Rn. 36, setzen „die Gründer objektives, auch für künftige Mitglieder geltendes Recht“, und kommt der Satzung als Verfassung „die Funktion einer Quelle objektiven Rechts zu“; nach Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 23 Rn. 3, ist die Satzung ein „Rechtsgeschäft sui generis, das (…) auch objektive Normen aufstellt“; ihm folgend Solven, in: Hölter, AktG, 3. Aufl. 2017, § 23 Rn. 3. Selbst nach BGHZ 49, 396, 398, ist es zumindest „im Rahmen der geltenden Gesetze Sache eines Vereins (…), seine Angelegenheiten im Weg der Rechtsetzung und Selbstverwaltung eigenständig zu regeln“ (Hervorhebung nicht im Original). 96 BGHZ 21, 370, 374–375; BGHZ 47, 172, 179–180; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 25 Rn. 3; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 10 I 1 c) aa) (S. 117); Raiser, ZGR 2016, 781, 792. 97 BGHZ 47, 172, 179–180; so bereits BGHZ 21, 370, 374–375, wonach die Satzung, „sobald der Verein ins Leben tritt“, ihren Vertragscharakter verliert und „kraft Korporationsrechts zur Verfassung“ wird. 98 BGHZ 47, 172, 180; BGHZ 106, 67, 71, wonach Satzungen von Körperschaften „aus sich heraus“ und in diesem Sinn objektiv auszulegen sind. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 10 I 1 c) aa) (S. 117). 94
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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Maßgeblich ist ausschließlich der „in der Satzung objektivierte Vereinswille“,99 d. h. der „Gemeinwille“ (volonté générale) und nicht allein der „Gesamtwille“ der gegenwärtigen Mitglieder als der „Wille aller“ (volonté de tous).
bb) Daraus resultierende Problemstellung: entweder immer Vertrag oder Norm Wenn die Satzung aber zunächst in der Vorgesellschaft Vertragscharakter hat, diesen aber mit der Entstehung der juristischen Person verliert und als Verfassung zur Norm wird, kommt es durch die Eintragung zu einer „Wandlung der Rechtslage“.100 Doch wie kann es zu einer solchen „Zäsur im Geltungsgrund“ kommen (Bötticher),101 wenn Vorgesellschaft und spätere (vollendete) juristische Person nach h. M. doch „wesensgleich“ sind? Es scheint beinahe so, als ob hier „etwas wie Mystik am Werke“ ist (Weitnauer).102 Wenn die juristische Person bereits mit der Satzungsfeststellung als Körperschaft entstehen soll (so die h. M.) – denn nur dann sind Vorgesellschaft und angestrebte juristische Person „wesensgleich“ – muss die Satzung ihre Eigenschaft als mehrseitiges Rechtsgeschäft (d. h. als Vertrag) selbst nach Entstehung der juristischen Person bewahren oder aber bereits von Anfang an Normcharakter besitzen.
b) Die Vertragstheorie: Die Satzung ist immer Vertrag Die Anhänger der Vertragstheorie gehen den ersten Weg, indem sie die Satzung als ein mehrseitiges Rechtsgeschäft zwischen den Gründern (d. h. als Vertrag) einordnen, der seine rechtsgeschäftliche Qualität selbst dann behält, wenn die juristische Person durch Eintragung entsteht und dadurch sozusagen „ins Leben tritt“.103 Auf diese Weise bleiben die Gründer (jetzt als Mitglieder) Vertragspartner der Satzung. Die juristische Person als Rechtssubjekt wird hier gleichsam ausgeblendet. Ein neues Mitglied tritt deshalb auch gar nicht der juristischen Person bei (und erst recht nicht dem menschlichen Verband), vielmehr schließen er und die jeweils gegenwärtigen Mitglieder lediglich einen Vertrag, durch den das neue Mitglied zusätzlich als Vertragspartner in das Schuldverhältnis, das die Satzung zunächst zwischen den bisherigen 99
BGHZ 47, 172, 180 (Zitat). (Zitat). 1970, 1, 47, ist diese Zäsur „künstlich“, weil die Vereinssatzung eine ausschließlich rechtsgeschäftliche Natur hat und diese selbst dann beibehält, wenn der Verein seine Rechtsfähigkeit durch Eintragung erlangt hat (vgl. § 21 BGB). 102 Weitnauer, in: FS Reinhardt, 1972, S. 179, 188. 103 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 25 Rn. 17; Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 502–505, der deshalb eine „Autonomie“ der juristischen Person (d. h. des „Vereins“) ablehnt und dementsprechend in der Satzung auch kein „objektives Recht“ sieht. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 95–97: Satzung als Vertrag. 100 BGHZ 47, 172, 180 101 Für Bötticher, ZfA
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Mitgliedern begründet hat, aufgenommen wird; es kommt zu einer Vertragsänderung (§ 311 Abs. 1 BGB).104 Damit ist jedoch das, was die Vertragstheorie hier beschreibt, gar nicht die Satzung einer Körperschaft, sondern der Gesellschaftsvertrag einer Gesamthand (§ 705 BGB).105 Durch die Eintragung entsteht die juristische Person also gar nicht, sie bleibt vielmehr Vorgesellschaft, d. h. eine Gesamthand. Die Gesamthand ist allerdings anders als die Körperschaft nicht ein Rechtssubjekt, sondern bloß ein Rechtsverhältnis, und zwar, weil sie im Gegensatz zur realen Verbandsperson (d. h. Körperschaft des deutschen Rechts) in der Tatsachenwelt nicht einen menschlichen Verband als Träger oder als ihr Substrat hat.106 Ein neuer Gesellschafter, der zur Gesamthand hinzukommt, kann daher auch ausschließlich durch eine Vertragsänderung (d. h. durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, § 705 BGB) in dieses Schuldverhältnis als zusätzlicher Gesamthänder (d. h. als Vertragspartner) einbezogen werden (§ 311 Abs. 1 BGB).107 Weil die Körperschaft des BGB (Verein, AG, GmbH, Genossenschaft) aber juristische Person und eben nicht Gesamthand ist, kann die 104 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 25 Rn. 17, 34, wonach sich ein neues einzelnes Mitglied durch seine Beitrittserklärung mit der Geltung der Satzung (als Vertrag) für seine Person einverstanden erklärt und die „übrigen Mitglieder oder der Verein, vertreten durch den Vorstand“ diese Willenserklärung annehmen; Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, vor § 21 Rn. 38; ähnlich bereits Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 504–505, der insofern eine Parallele zwischen der juristischen Person („Verein“) und der Gesellschaft (d. h. der Gesamthand) sieht. Denn auch „wer einer Gesellschaft betritt, (…) schließt einen Vertrag“ (aaO., S. 504). Lutter, AcP 180 (1980), 84, 95, 97. 105 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 478– 479, wonach die Begründung einer juristischen Person („Verein“) nicht anders vor sich geht als die einer Gesellschaft, jene aber „anerkanntermaßen innerhalb des Vertragsbegriffs ihren Platz“ hat. Auch setzt Tuhr, aaO., S. 500, die gegenwärtigen Mitglieder mit der juristischen Person als solche („Verein“) gleich, wenn ihnen, „jedenfalls dann, wenn sie einig sind, die Herrschaft zusteht“. Das ist jedoch nicht die juristische Person, auch nicht als Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. als reale Verbandsperson), sondern die (deutsche) Gesamthand. 106 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 107 Selbst ein Gesellschafterwechsel kommt hier durchaus in Betracht. Auch dann handelt es sich um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 311 Abs. 1 BGB), d. h. um eine Vertragsübernahme als ein mehrseitiges Rechtsgeschäft aller Beteiligten, durch das der neue Gesellschafter rechtsgeschäftlich in die gesamte Stellung des bisherigen nachfolgt (Hadding/Kießling, Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 719 Rn. 14). Nach h. M. überträgt demgegenüber der bisherige Gesellschafter sein Mitgliedschaftsrecht als subjektives Recht frei durch Verfügung (d. h. Abtretung) auf den neuen (§§ 413, 398 BGB), dennoch soll aufgrund des „höchstpersönlichen Charakters des Zusammenschlusses“ (d. h. als Gesellschaft) dafür die Zustimmung der übrigen Gesellschafter erforderlich sein (Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 32; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 235). Doch braucht auf dieses „fragwürdige Argument“ nicht zurückgegriffen werden (so Hadding/Kießling, aaO., § 719 Rn. 14), wenn man, anders als die h. M. (Gruppenlehre), in der Gesellschaft als einer Gesamthand ein Rechtsverhältnis und nicht ein Rechtssubjekt (und damit nicht eine reale Verbandsperson) sieht.
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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Satzung spätestens mit der Eintragung nicht mehr ein Vertrag sein, jetzt muss sie zwingend Normcharakter aufweisen.
c) Die Normentheorie und zugleich eigene Lösung: Die Satzung ist immer Norm aa) Der „allgemeine Wille“ des menschlichen Verbands als Geltungsgrund Geltungsgrund für die Satzung ist die Vereinsautonomie, die aber lediglich eine Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie, und zwar der jeweils aktuellen Mitglieder, sein soll.108 Die Körperschaft als noumenale Entität (ens morale) hat ihre tatsächliche Grundlage in ihrem menschlichen Verband (ens physicum), sie ist sein Attribut (modus) und wohnt ihm deshalb inne. Weil aber der menschliche Verband nicht nur jetzige, sondern auch potenzielle Mitglieder hat und daher neben gegenwärtigen, auch vergangene und zukünftige Mitglieder besitzt und sich die Körperschaft von ihrem menschlichen Verband als ihrem Träger ableitet, setzt sich auch die Körperschaft als ens morale aus vergangenen, aktuellen und künftigen Mitgliedern zusammen. Die Satzung kann demgemäß nicht auf der (allgemeinen) Privatautonomie der jeweils momentanen Mitglieder beruhen, nicht ihr Wille als der „Wille aller“ (volonté de tous), sondern allein der „Gemeinwille“ oder „allgemeine Wille“ des menschlichen Verbands (volonté générale) kann es rechtfertigen, dass die Satzung über die gegenwärtigen Mitglieder hinaus, die sie als objektives Recht gesetzt haben, automatisch (ipso iure) selbst für neue Mitglieder gilt. Die Satzung ist aus diesem Grund kein Vertrag, sie ist Norm und legt sich als objektives Recht, das sich aus der Autonomie der Körperschaft (als Verband) speist, „den Mitgliedern vom Erwerb der Mitgliedschaft an verpflichtend auf“.109 Ein neues Mitglied tritt zunächst in der phänomenalen Welt rein tatsächlich dem menschlichen Verband bei. Weil der menschliche Verband aber gewissermaßen von selbst (ipso iure) als Körperschaft in die noumenale Welt des Recht eingeht, wird das neue Mitglied sowohl Teil des menschlichen Verbands (ens physicum) als auch der Körperschaft (ens morale). Und deshalb erkennt das neue Mitglied weder die Satzung rechtsgeschäftlich (d. h. vertraglich) als für sich verbindlich an (so aber die Vertragstheorie) noch unterwirft es sich ihr ausdrücklich im Sinn einer einseitigen rechtsgeschäftlichen Erklärung (so aber die h. M.).110 Dass die Satzung für das neue Mitglied als objektives Recht gilt, folgt vielmehr ipso iure aus seinem Beitritt zum menschlichen Verband und damit aus seiner Aufnahme in die Körperschaft. Er ist Teil des Ganzen (im 108 So Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 25 Rn. 18; ähnlich Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, vor § 21 Rn. 38. 109 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rn. 17. 110 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rn. 19; BGHZ 21, 370, 373, spricht von einer „Unterwerfung der Mitglieder unter die Satzung“.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
übertragenen Sinn also ein Glied des Körpers), sodass schon allein deshalb die Gesetze des Ganzen selbstverständlich auch für ihn als Teil davon gelten.111 Weil es Folge des Beitritts ist, erfordert es nicht mehr einen selbständigen Willensakt des neuen Mitglieds, damit die Satzung auch für ihn objektives Recht ist und er insofern zum „Rechtsunterworfenen“ wird.112 Obwohl sich das Mitglied in der Körperschaft mit allen vereinigt, gehorcht es dennoch nur sich selbst und bleibt deshalb genauso frei wie zuvor.113 Die Verpflichtungen, die das Mitglied an den „Gesellschaftskörper“ binden, sind „nur deshalb zwingend, weil sie gegenseitig sind, und ihre Natur derart ist, dass man, wenn man sie erfüllt, nicht für einen anderen arbeiten kann, ohne zugleich für sich zu arbeiten“.114 Das gilt allerdings nur so lange, wie in der Körperschaft, im menschlichen Verband, der „Gemeinwille“ (volonté générale) herrscht.115 Dass aber dieser „allgemeine Wille“ den menschlichen Ver111 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 7 (S. 20–21), wonach man, sobald die „Menge“ (d. h. die anfangs noch unverbundenen Menschen) „zu einer Körperschaft verschmolzen ist“, „keines ihrer Glieder verletzten“ kann, „ohne die Körperschaft anzugreifen; noch weniger kann man die Körperschaft verletzten, ohne dass die Glieder die Wirkung spüren“. Denn die sittliche (d. h. soziale) Gesamtkörperschaft (corps morale et collectif) nimmt „jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf“ (Rousseau, aaO., Buch 1, Kap. 6, S. 18). Dazu Forschner, Rousseau, 1977, S. 148–157, wonach sich das Zentrum der Existenz jedes Bürgers, jedes einzelnen Menschen als Mitglied des menschlichen Verbands (corps politique), gleichsam in den „Gemeinwillen“ (volonté générale) verlagert (aaO., S. 155). Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–156; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Kersting, Gesellschaftsvertrag, Volkssouveränität und „volonté générale“, in: ders. (Hrsg.), Die Republik der Tugend, 2003, S. 81, 103: „Assoziation ist nicht Aggregation, ist auch mehr als Kooperation. Assoziation bedeutet hier, dass jedem Individuum die Allgemeinheit unter die Haut geht, dass das Allgemeine das Herz und den Verstand jedes Individuums besetzt hält, sodass aus jedem noch äußerlich unterscheidbarem Individuum das moi commun spricht, sodass alle mit einer Stimme sprechen.“ 112 Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 92 (Zitat). 113 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 17); Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 155–156; Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 54, 58–62, wonach bei Rousseau die Trennung zwischen den Vielen und dem Einzelnen ebenso wie die von Staat und Gesellschaft aufgehoben ist, sowie S. 80–136: Der einzelne Mensch gewinnt als „Bürger“, als Teil des Ganzen, durch die Herrschaft des (zwangsbewehrten) „Gemeinwillens“ (volonté générale) erst seine echte (politische) Freiheit, „weil die Herrschaft des gesetzgebenden allgemeinen Willens von den Individuen nicht als Fremdbestimmung erlebt wird, sondern von ihnen getragen und mitgestaltet wird“ (S. 102). Strong, The General Will in Rousseau and after Rousseau, in: Farr/Williams (Hrsg.), The General Will, 2015, S. 307, 308–317: „It is my will and, as a common or general will, my will to the common or the general is exactly identical to yours.“ (S. 309), „The general will is then the expression of my common self; that is, of the self, that I find as the self that is the same in myself and in (some set of) others“ (S. 311). 114 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 34). 115 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 4 (S. 35), der betont, dass sich „der Gemeinwille, um wahrhaft ein solcher zu sein, (…) in seiner Auswirkung nicht weniger als in seinem Wesen allgemein sein“ muss; „er muss von allen ausgehen, um sich auf alle zu beziehen“. Dazu etwa Kersting, Gesellschaftsvertrag, Volkssouveränität und
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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band lenkt, folgt idealiter daraus, dass jedes einzelne seiner Mitglieder schon in seinem eigenen Interesse das Gemeinwohl wünscht.116
bb) Der Normbegriff Die Satzung ist Norm, nicht Vertrag. Der Normbegriff setzt jedoch voraus, so Meder, „dass den Normadressaten ‚von oben‘, d. h. von einem von ihnen verschiedenen (…) Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten ohne oder sogar gegen ihren Willen auferlegt wird“.117 Damit nun aber die Normadressaten fremdbestimmt sind, müssen sie vom Normschöpfer verschieden sein.118 Eine solche Heteronomie scheint aber bei der Körperschaft (des deutschen Rechts) zu fehlen. Denn normsetzende Autorität und normunterworfene Subjekte sind hier auf den ersten Blick mehr oder weniger identisch.119 Scheinbar sind die gegenwärtigen Mitglieder nicht bloß die Normadressaten, sondern zugleich auch diejenigen, die diese Normen setzen, sodass sie zur selben Zeit sowohl normsetzende Autorität als auch die davon betroffenen normunterworfenen Subjekte sind. Normschöpfer (Gesetzgeber) ist nun aber der menschliche Verband. Er allein setzt in Gestalt der Satzung für seine von ihm verschiedenen gegenwärtigen und künftigen Mitglieder objektives Recht. Als sozialer Körper (d. h. als corpus mysticum) erschöpft sich der menschliche Verband nicht in seinen aktuellen Mitgliedern, sondern ist mehr als die Summe seiner Teile, ja die gegenwärtigen Mitglieder sind nicht einmal stofflich in ihrer Summe, d. h. als Gesamtheit, der menschliche Verband.120 Als solches „imaginäres Subjekt“ kann der menschliche Verband indes nicht selbst Recht erzeugen.121 Diese Aufgabe übernimmt für ihn die Mit„volonté générale“, in: ders. (Hrsg.), Die Republik der Tugend, 2003, S. 81, 111–115; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 156; Williams, Justice and the General Will, Journal of the History of Ideas 66 (2005), 383, 385–388. 116 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 4, Kap. 1 (S. 117). Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 153–156; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Forschner, Rousseau, 1977, S. 134–135. Dazu auch Brooke, Stoicism and anti-Stoicism in the seventeenth century, Grotiana 22/23 (2001/2002), 93, 115. Bertram, Rousseau’s Legacy in Two Conceptions of the General Will, The Review of Politics 74 (2012), S. 403, 404–411; Morgenstern, Crossing Lines: Rousseau and the Creation of Community, Historical Reflections/Réflexions Historiques 32 (2006), 523, 528–532. 117 Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 98–99. 118 Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 92. 119 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 235 (für das Gewohnheitsrecht), ihm folgend Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 99, Fn. 26. 120 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 58. Auch nach Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1, 1868, S. 1, verbindet die „Assoziation“, hier der menschliche Verband als sozialer Körper, „vor allem durch ihren die Persönlichkeit des Einzelnen überdauernden Bestand die vergangenen Geschlechter mit den kommenden“. 121 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat).
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§ 13 Die Vorgesellschaft
gliederversammlung, die als Organ durch die aktuellen Mitglieder und damit durch einen Teil von ihm gebildet wird (pars pro toto). Da die gegenwärtigen Mitglieder Teil des menschlichen Verbands und daher der normsetzenden Autorität sind, sind sie als Normadressaten scheinbar vom Normschöpfer nicht verschieden, sodass es (vermeintlich) an der erforderlichen Heteronomie mangelt. Dennoch sind selbst hier normsetzende Autorität und normunterworfene Subjekte nicht einmal mehr oder weniger identisch. Die derzeitigen Mitglieder stellen in der Mitgliederversammlung (d. h. als Organ) nicht ihren eigenen Willen (volonté particulière) dar, sondern den Gemeinwillen des menschlichen Verbands (volonté générale). Sie sind deshalb durchaus fremdbestimmt, weil ihr Sonderwille (volonté particulière) hinter dem allgemeinen Willen (volonté générale) zurücktritt. In diesem Sinn legt der menschliche Verband „von oben“ selbst den Mitgliedern, die das objektive Recht als Organ (Werkzeug) für ihn gesetzt haben, ein bestimmtes Verhalten ohne oder sogar gegen ihren (Sonder-) Willen (volonté particulière) auf und macht auf diese Weise auch sie insofern zu „Rechtsunterworfenen“.122
cc) „Autonomie“ versus „Privatautonomie“ Das objektive Recht (Satzung) fließt hier aus der Willensmacht des menschlichen Verbands. Und weil er auf diese Weise seine eigenen Angelegenheiten wahrnimmt und nicht von außen aufgegebene Zwecke durchsetzt, sondern korporationsimmanente Ziele verfolgt,123 handelt es sich dabei um eine „Selbstgesetzgebung“ und damit um „Autonomie“ (griechisch αὐτονομία, zusammengesetzt aus αὐτός „selbst“ und νόμος „Gesetz“).124 Weil die Autonomie objektives Recht (d. h. Normen) erzeugt und sie allein einem menschlichen Verband zusteht, ist sie scharf von der Privatautonomie zu unterscheiden.125 Denn die Privatautonomie ist die Befugnis des Einzelnen, nur für sich selbst seine privaten Angelegenheiten durch Rechtsgeschäfte frei zu gestalten; 122 123
Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 92. Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 218–219. 124 Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 47. 125 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 142, 143; Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 81, weist hier zutreffend darauf hin, dass auch die Verfasser des BGB ausdrücklich angenommen haben, dass zwischen Autonomie und Privatautonomie strikt zu trennen ist: „Die Autonomie ist gleich dem Gesetze ein Faktor bewusster Rechtsüberzeugung, eine kleineren Kreisen fließende Rechtsquelle, – grundverschieden von der sogenannten Privatautonomie, d. h. der Befugnis, innerhalb der Grenzen des dispositiven Rechts die privaten Angelegenheiten im Wege des Rechtsgeschäfts zu regeln. Träger der autonomen Gewalt sind (…) die Körperschaften.“ (Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 21); ausführlich zu „Autonomie versus Privatautonomie“ aus rechtshistorischer Sicht Meder, aaO., S. 74–90 m. w. N. Im Gegensatz dazu lehnt Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 182, „eine ‚autonome‘ Normsetzungsbefugnis privater (…) Verbände“ ausdrücklich ab, da für ihn ausschließlich der Staat „Recht“ hervorbringen kann (aaO., S. 21).
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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ihr Ausdruck ist der Vertrag.126 Ein Vertrag hat nur dann Rechtsgeltung, wenn er auf dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten beruht (vgl. § 311 Abs. 1 BGB). Damit Rechte und Pflichten den Beteiligten gegenüber Rechtsgeltung beanspruchen können, müssen die Beteiligten ihnen zugestimmt haben. Die Regeladressaten sind demgemäß beim Vertrag immer zugleich auch ihre eigenen Regelsetzer, regelsetzende Autorität und regelunterworfene Subjekte sind hier also stets identisch. Weil es deshalb beim Vertrag im Gegensatz zu einer Norm an der Heteronomie mangelt, bringt der Vertrag und dadurch die Privatautonomie, dessen Ausdruck der Vertrag ist, ausschließlich subjektives, die Autonomie dagegen objektives Recht hervor. Während zu einer solchen „autonomischen Rechtsetzung“ allein ein menschlicher Verband und mit ihm seine Körperschaft (d. h. als Rechtssubjekt) befähigt ist, nicht aber ein Individuum,127 kommt umgekehrt nur dem Einzelnen und nicht einem Verband Privatautonomie zu. Obschon die Körperschaft des BGB als juristische Person ihrem Wesen nach eine Anstalt des römischen Rechts ist, kommt selbst ihr eine solche Autonomie zu. Das Recht erschafft zwar zunächst die juristische Person als reinen Rechtsbegriff (nomen iuris), weshalb sie gleichsam eine Schöpfung aus dem Nichts ist (creatio ex nihilo). Weil sie jedoch der Körperschaft des deutschen Rechts nachgebildet ist, wird ihr, wenn auch erst im Nachhinein, ein menschlicher Verband als ihrem Träger in der phänomenalen Welt zugeordnet (selbst dann existiert die juristische Person aber weiterhin losgelöst von ihm). Die Autonomie der juristischen Person, d. h. die Befugnis, sich selbst Recht zu setzen, fließt deshalb ebenso wie bei der Körperschaft des deutschen Rechts aus der Willensmacht des menschlichen Verbands. Das so erzeugte objektive Recht ist demzufolge auch bei der Körperschaft des BGB (als juristischer Person) Ausdruck ihres „Gemeinwillens“, d. h. des menschlichen Verbands (volonté générale). Die Satzung hat demzufolge in der juristischen Person Normcharakter, weil sie nicht auf der Privatautonomie der gegenwärtigen Mitglieder fußt (dann wäre sie Vertrag), sondern auf der Autonomie des menschlichen Verbands, der die juristische Person real bildet. Die juristische Person ist zwar selbst als Körperschaft des BGB ihrer Rechtsnatur nach eine Anstalt des römischen Rechts und als solche ein nomen iuris, sie leitet sich aus diesem Grund nicht von ihrem menschlichen Verband in der phänomenalen Welt ab, gleichwohl ist auch sie dort (d. h. in der Tatsachenwelt) nichts anderes als der menschliche Verband, oder anders formuliert, ist der menschliche Verband die soziale Realität der 126 Flume, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, S. 1–22, insb. S. 7, wonach der Vertrag „die Hauptform der privatautonomen Gestaltung von Rechtsverhältnissen“ ist, weshalb die Begriffe „Privatautonomie“ und „Vertragsfreiheit“ oftmals synonym gebraucht werden (aaO., S. 12). 127 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 142.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
juristischen Person. Und daher erschafft das Recht auch die juristische Person für den menschlichen Verband, damit er als solcher Rechte und Pflichten haben, d. h. ein Rechtssubjekt sein, kann, auch wenn es im Recht dabeibleibt, dass die juristische Person als Rechtsbegriff (nomen iuris) in ihrem „Dasein“ völlig unabhängig von dem ihres menschlichen Verbands (ens physicum) ist.
d) Zwischenergebnis: Die Satzung ist immer Norm Wenn Vorgesellschaft und juristische Person wesensgleich sind (so die h. M.), beide also dieselbe Körperschaft sind, können sich die Satzungsvorschriften nicht erst mit der Entstehung der juristischen Person (d. h. durch die Eintragung) vom Vertragsinhalt in Normen umwandeln (so aber die h. M. als modifizierte Normentheorie), vielmehr muss der Gründungsvertrag (d. h. die Satzung) bereits von vorherein Normen erzeugen, die „die Mitgliedschaftsverhältnisse unmittelbar und zwingend gestalten“ (so die Anhänger der Normentheorie).128
e) Die Satzung in der Körperschaft des deutschen Rechts: Norm, nicht Vertrag Die Annahme der h. M., die juristische Person des BGB sei eine Körperschaft des deutschen Rechts (corpus) und nicht eine Anstalt des römischen Rechts (universitas) trifft zwar nicht zu, doch selbst wenn sie es täte, ist die h. M. in sich widersprüchlich und kann auch deshalb nicht überzeugen. Eine Körperschaft entsteht, indem das Recht einen menschlichen Verband, ein „Gemeinwesen“, als eine reale Verbandsperson, als ein Rechtssubjekt, anerkennt.129 Bei einer gewillkürten Körperschaft existiert der menschliche Verband jedoch nicht von vornherein.130 Denn zunächst sind die Menschen, die den mensch128
Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rn. 21.
129 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 483. 130 Das, was bei Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1,
1895, S. 485, die „gewillkürten Körperschaften“ sind, bezeichnet Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 242, als „juristische Personen“ mit einem „künstlichen oder willkürlichen Dasein“. Körperschaft und juristische Person sind „künstlich“, weil sich die anfangs unverbundenen Menschen von vornherein allein mit dem Ziel zu einem menschlichen Verband zusammengeschlossen haben, um Person, d. h. Rechtssubjekt, zu sein. Anders Gemeinden, Städte und Dörfer, sie sind (in der Regel) nicht durch eine solche „willkürliche Gründung“ entstanden, sodass sie als juristische Person (oder Körperschaft) „ein natürliches oder notwendiges Dasein“ haben (Savigny, aaO., S. 242). Das Attribut „künstlich“ oder „natürlich“ kommt demzufolge dem menschlichen Verband in der Tatsachenwelt, nicht der juristischen Person in der Welt des Rechts zu. Das beachtet Savigny insofern nicht, als er zumindest begrifflich nicht zwischen juristischer Person (als bloß Gedachtem) und menschlichem Verband (als sozialer Realität) unterscheidet, was letztlich darin grundgelegt ist, dass für ihn bereits der Begriff der Person und des Rechtssubjekts mit dem des Menschen zusammenfallen muss (Savigny, aaO., S. 2), er also schon hier sprachlich phänomenale und noumenale Welt in eins setzt. Nicht so inhaltlich, da er die Eigenschaft von Gemeinden, Städten und Dörfern „als Träger von Rechtsverhältnissen“ (d. h. als Rechtssubjekt) „bloß zu juristischen Zwecken“
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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lichen Verband („Gemeinwesen“) später real bilden, noch vollkommen unverbunden. Weil sie als Mehrzahl von Menschen noch jeder für sich stehen, müssen sie sich erst noch durch eine „Willenstat“ selbst als eine Einheit setzen, indem sie sich zu einem Ganzen verbinden und als eine Einheit organisieren.131 „Die anfangs unverbundene Menge (…) formiert sich“ hier mit anderen Worten erst noch „zu einem Gebilde höherer Ordnung; die Individuen überwinden ihre reale Disjunktion und Unkoordiniertheit und verschmelzen in dem großen imaginären Subjekt, als das sich der Kollektivkörper“ ihnen als „seinen Teilhabern verspricht“.132 Aus der Summe der Menschen, ihrer Gesamtheit, geht ein „corpus mysticum des sozialen Ganzen“, im stoischen Denken ein menschlicher Verband als ein corpus ex distantibus, hervor.133 Weil der menschliche Verband als ein corps morale et collectif demzufolge mehr ist als die bloße Summe seiner Teile (Glieder),134 herrscht in ihm nicht der „Wille (d. h. allein in der Welt des Rechts) angenommen hat (Flume, Die juristische Person, 1983, S. 6). 131 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 485. 132 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66. 133 So ausdrücklich Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 111–112 mit Fn. 31, für den corps morale et collectif (als Staat), der bei Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18), als ein soziales Ganzes, das mehr als die Summe seiner Teile ist (Buch 1, Kap. 7, S. 20; Anm. 28, S. 161), aus dem Gesellschaftsvertrag hervorgeht, indem er als „Akt des Zusammenschlusses augenblicklich anstelle der Einzelperson jedes Vertragspartners eine sittliche Gesamtkörperschaft (corps morale et collectif) schafft, die aus ebenso vielen Gliedern besteht, wie die Versammlung Stimmen hat, und die durch eben diesen Akt ihre Einheit, ihr gemeinschaftliches Ich, ihr Leben und ihren Willen hat“. Dazu Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 152, 154; siehe auch Morgenstern, Crossing Lines: Rousseau and the Creation of Community, Historical Reflections/Réflexions Historiques 32 (2006), 523–541. 134 Für Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 7 (S. 19–20), ist der Einzelne ein Teil (Glied) des Ganzen, weshalb es so aussieht, als ob er im Akt des Zusammenschlusses mit sich selbst einen Vertrag schließen und sich dadurch gegenüber sich selbst verpflichten würde. Das ist aber unmöglich, weil „niemand an Verträge mit sich selbst gebunden ist“. Diese Vorschrift des Bürgerlichen Rechts kann man hier jedoch nicht anwenden, „denn es ist ein großer Unterschied, sich gegenüber sich selbst zu verpflichten oder gegenüber einem Ganzen, dessen Teil man ist“. Das Ganze kann demgemäß auch für Rousseau nicht durch Summation der Teile (Glieder) erklärt werden, weshalb das Ganze eine Körperschaft (corps) ist (Anm. 28, S. 161–162), ein corpus ex distantibus im Sinn der Stoa (siehe dazu Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 [1996], 335, 349–350; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–152, 154). Aus diesem Grund ist für Rousseau, anders als für Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243, die „moralische Person“ (d. h. die juristische Person) nicht ein „ideales Ganzes“ (Savigny, aaO., S. 243), oder ein „Gedankending“ (Rousseau, aaO., S. 21), vielmehr leitet sie sich von ihren Mitgliedern ab. Die juristische (oder moralische) Person ist für ihn insofern stoischer corpus und nicht skeptische universitas (als eine res incorporalis): „Sobald jene Menge auf solche Art zu einer Körperschaft verschmolzen ist, kann man keines ihrer Glieder verletzen, ohne die Körperschaft anzugreifen; noch weniger kann man die Körperschaft verletzen, ohne dass die Glieder die Wirkung spüren“ (Rousseau, aaO., S. 20–21). Vgl. dazu auch die Darstellung in § 2.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
aller“ (volonté de tous) als die Summe von „Einzelwillen“ (volonté particulière), sondern der „allgemeine Wille“ (volonté générale) als der „Wille zur Gemeinschaft“.135 Obgleich sich dieser Vereinigungsakt, durch den die „vorsozialen Einzelnen zu Gliedern des sozialen Ganzen“ (d. h. des menschlichen Verbands) werden, an sich nur in der Tatsachenwelt vollzieht, ist der menschliche Verband für das Recht nicht erst durch seine Anerkennung als Verbandsperson (d. h. als Rechtssubjekt) sichtbar.136 Vielmehr erhält dieser Vereinigungsakt bereits dann einen rechtlichen Inhalt, sobald der menschliche Verband die körperschaftliche Verfassung für die künftige Verbandsperson errichtet hat.137 Spätestens in diesem Zeitpunkt muss es also einen menschlichen Verband in der phänomenalen Welt geben, der die Satzung feststellt. Auch wenn die Körperschaft erst mit ihrer Anerkennung als Verbandsperson (d. h. als Rechtssubjekt) entsteht, hat sie doch schon vor dieser „Geburt“ ein Vorleben, das mit der Satzungsfeststellung beginnt.138 Denn alle Rechtsverhältnisse, die der Vorstand ab diesem Zeitpunkt im Voraus für die angestrebte Körperschaft begründet, werden rückwirkend wirksam (vgl. § 159 BGB), wenn das Recht schließlich den menschlichen Verband als Verbandsperson bestätigt und dadurch die Körperschaft als Rechtssubjekt zustande kommt (anderenfalls sind die Rechtsverhältnisse jedoch hinfällig).139 Der Vereinigungsakt ist insofern nicht nur ein „schöpferischer Gesamtakt“, der sich im rein Tatsächlichem erschöpft (indem er den menschlichen Verband als soziale Realität erschafft), sondern auch ein „sozialrechtlicher Konstitutiv akt“.140 Obgleich dieser „Akt der Konversion der vorsozialen Einzelnen zu Gliedern des sozialen Ganzen“ eine auch-rechtliche Natur hat,141 ist die Satzungsfeststellung, die „eine gewillkürte Körperschaft ins Leben ruft, kein Vertrag“.142 Denn spätestens ab diesem Zeitpunkt besteht auch für das Recht der menschliche Verband als „tatsächliche Unterlage“ für die angestrebte Verbandsperson (d. h. als dessen Träger in der phänomenalen Welt),143 sodass ihm 135 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 32); Forschner, Rousseau, 1977, S. 148–157; Kersting, Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002, S. 122–127; Sturma, Jean-Jacques Rousseau, 2001, S. 151–156; Rorty, The Two Faces of Stoicism: Rousseau and Freud, Journal of the History of Philosophy 34 (1996), 335, 349–350; Williams, Justice and the General Will, Journal of the History of Ideas 66 (2005), 383, 385– 388. 136 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat). 137 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 485. 138 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486. 139 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 487, 486, Fn. 18. 140 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486 (Hervorhebung so nicht im Original). 141 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, S. 66 (Zitat). 142 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486. 143 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22.
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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ab jetzt auch die Befugnis zusteht, objektives Recht (d. h. Normen) zu setzen (Autonomie). Weil die Satzung und mit ihr die körperschaftliche Verfassung auf dieser Autonomie beruht, ist die Satzungsfeststellung eben kein Vertrag (denn dieser ist Ausdruck der Privatautonomie), vielmehr ein sozialrechtlicher Konstitutivakt („sozialrechtlich“, weil hierdurch der menschliche Verband als soziales Ganzes entsteht). Und deshalb sind die Satzungsvorschriften in einer Körperschaft des deutschen Rechts von Anfang an Normen und niemals Vertrag. Das muss dann aber auch für Vorgesellschaft und juristische Person im BGB gelten, wenn beide wesensgleich (so die h. M.) und daher dieselbe Körperschaft sein sollen. Auch hier kann die Satzungsfeststellung nicht zunächst Vertrag und erst später Norm sein (so aber die modifizierte Normentheorie), sie muss von vornherein Normcharakter haben.
f) Schlussfolgerung Wenn die h. M. (modifizierte Normentheorie) in der Satzungsfeststellung gleichwohl zunächst bloß einen Vertrag sieht, der sich erst später (d. h. mit Entstehen der juristischen Person) in eine Norm umwandelt,144 erkennt sie zumindest mittelbar, dass Vorgesellschaft und juristische Person doch nicht wesensgleich sind. Beide sind nicht ein und dieselbe Körperschaft des deutschen Rechts. Während die Vorgesellschaft eine Gesamthand ist, handelt es sich bei der juristischen Person um eine Anstalt des römischen Rechts. Demgemäß missdeutet die h. M. die Satzungsfeststellung, wenn sie in ihr einen „Vertrag sui generis“ zu erblicken meint, „der als Schuld- und Organisationsvertrag bezeichnet werden kann“.145 Die Satzungsfeststellung ist, anders als es die h. M. annimmt, jedoch nicht ein Vertrag mit einer Doppelnatur, vielmehr stehen hinter ihr sozusagen zwei Regelwerke: zum einen der Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) in der Vorgesellschaft und zum anderen die Satzung als Verfassung und insofern als objektives Recht (d. h. als Normen) in der juristischen Person. Die Satzungsfeststellung bringt an sich nur die Satzung (Statut) hervor und errichtet so die körperschaftliche Verfassung der angestrebten juristischen Person. Eine Verfassung kann das Statut aber erst in der fertigen juristischen Person sein, vorher (d. h. in der Vorgesellschaft) hat es deshalb noch Entwurfscharakter.146 Erst wenn die juristische Person „ins Leben tritt“,147 d. h. durch ihre Eintragung als Rechtssubjekt entstanden ist, tritt sie als Verfassung in Kraft und legt sich „den Mitgliedern vom Erwerb ihrer Mitgliedschaft an ver144 BGHZ 47, 172, 179–180. 145 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG,
13. Aufl. 2018, § 23 Rn. 7 (Zitat). § 25 BGB wird die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins durch Gesetz und Vereinssatzung bestimmt. Der Verein ist aber erst mit Eintragung (§ 21 BGB) oder Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) rechtsfähig und dadurch eine juristische Person. 147 BGHZ 21, 370, 375. 146 Nach
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§ 13 Die Vorgesellschaft
pflichtend auf“.148 Dennoch formiert sich auch hier schon mit der Satzungsfeststellung die anfangs unverbundene Menge zu dem Gebilde höherer Ordnung, d. h. zu dem menschlichen Verband (Gemeinwesen), der die tatsächliche Unterlage für die spätere juristische Person bildet. Die Satzung fußt daher auch schon hier auf der Autonomie des menschlichen Verbands, sie gilt in diesem Sinn „kraft Korporationsrechts“ als Verfassung für die Mitglieder der angestrebten juristischen Person.149 Obgleich es sich bei der Vorgesellschaft um die Vorstufe zur künftigen juristischen Person handelt, ist das Statut hier rechtlich noch wirkungslos. Denn im Unterschied zur Körperschaft des deutschen Rechts stellt sich die Satzung auch dann nicht als von Anfang an wirksam heraus, wenn die juristische Person schließlich durch ihre Eintragung zustande kommt. Die juristische Person hat demzufolge selbst als Körperschaft (i. S. des BGB) nicht ein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“. Mit der Satzungsfeststellung zusammen, nicht aber durch sie, schließen die Gründer zugleich den Gesellschaftsvertrag i. S. des § 705 BGB ab, der die Vorgesellschaft als Gesamthand ins Leben ruft. Der Gesellschaftsvertrag gilt ausschließlich für die Vorgesellschaft und nicht für die juristische Person. Sobald jene durch ihre Eintragung entstanden ist, hat die Vorgesellschaft den „vereinbarten Zweck“ erreicht, sodass sie und mit ihr der Gesellschaftsvertrag endet (vgl. § 726 BGB). Es entsteht also in dem Zeitpunkt, in dem die Gründer die Satzung feststellen, neben dem menschlichen Verband in der Tatsachenwelt getrennt und unabhängig davon die Vorgesellschaft als Gesamthand in der noumenalen Welt des Rechts. Bei der Errichtung der körperschaftlichen Verfassung fungieren die Gründer als gegenwärtige Mitglieder, zwar nicht der juristischen Person, weil es diese noch nicht gibt, doch pars pro toto für den menschlichen Verband, den sie bereits jetzt real bilden. Daneben, wenn auch gleichzeitig, formieren sie sich als Gesamthand, indem sie formlos und deshalb in der Regel konkludent zusammen mit der Satzungsfeststellung verbindlich den gemeinsamen Zweck vereinbaren, alles dafür zu tun, um die avisierte juristische Person durch den staatlichen Akt der Eintragung entstehen zu lassen (§ 705 BGB). Dass die Vorgesellschaft als kollektiver Rechtsträger vor der juristischen Person existiert, obwohl es den menschlichen Verband schon als potenziellen Träger der späteren juristischen Person gibt, ist deshalb zwingend erforderlich, weil die Rechtsverhältnisse, die im Gründungsstadium be148 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rn. 17 (Zitat). Das gilt selbstverständlich allein für körperschaftsrechtliche (echte, materielle) Satzungsbestimmungen, d. h. für solche, die „nicht nur für die derzeitigen, bei Inkrafttreten der Bestimmung, vorhandenen Mitglieder oder einzelne von ihnen gelten, sondern für einen unbestimmten Personenkreis von Bedeutung sind, zu dem sowohl gegenwärtige als auch künftige Gesellschafter gehören“ (BGHZ 123, 347, 350). Fehlt es an einem Geltungsanspruch für künftige Mitglieder, handelt es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen und damit um einen unechten (formellen, individualrechtlichen) Satzungsbestandteil. 149 BGHZ 21, 370, 373 (Zitat).
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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reits mit Blick auf die erst künftige juristische Person begründet werden, selbst dann nicht hinfällig sein sollen, wenn die Eintragung scheitert und daher die juristische Person als Rechtsträger niemals entsteht.150 Der menschliche Verband hat ausschließlich in der phänomenalen Welt ein Dasein, nicht im Recht und kann aus diesem Grund für sich allein (d. h. ohne seine Person in der noumenalen Welt des Rechts) nicht Rechtssubjekt sein; er ist als soziale Realität insofern für das Recht inexistent. Da der Gesellschaftsvertrag auf dem übereinstimmenden Willen der jeweils gegenwärtigen Gesellschafter (d. h. der Gründer) beruht und deshalb Ausdruck ihrer Privatautonomie ist, ist er wie jeder Vertrag subjektiv auszulegen (§§ 133, 157 BGB), weshalb auf den „wirklichen Willen“ der an ihm beteiligten Personen (d. h. der Gesellschafter) abzustellen ist. Die Satzung basiert demgegenüber auf der Autonomie des menschlichen Verbands; ihre Vorschriften sind daher Normen (d. h. objektives Recht), die deshalb wie ein Gesetz einheitlich aus sich heraus (d. h. objektiv) auszulegen sind. Dem Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung, die gedeutet werden soll, kommt aus diesem Grund ebenso wie ihrem systematischen Bezug zu anderen Satzungsbestimmungen maßgebende Bedeutung zu.151 Entscheidend ist nicht der „wirkliche Wille“ der Gründer (vgl. § 133 BGB), d. h. ihr Sonderwille (volonté particulière), sondern allein das rechtliche Wollen des Vereins als der Zusammenfassung seiner Mitglieder. Da aber die „Zusammenfassung der Mitglieder des Vereins“ in der phänomenalen Welt nichts anderes ist als der menschliche Verband, kommt es ausschließlich auf dessen rechtliches Wollen, d. h. auf dessen Gemeinwillen (volonté générale), an, der sich seinerseits in „Vereinszweck und satzungsmäßigen Mitgliederbelangen“ manifestiert.152 Auch wenn das Statut erst in der juristischen Person körperschaftliche Verfassung sein kann, ist es denkbar, die Satzungsvorschriften bereits in der Vorgesellschaft als Auslegungshilfe für den Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) zu verwenden, um den wirklichen Willen der Gründer (Gesellschafter) zu ermitteln. Das liegt bereits deshalb nahe, weil der Gesellschaftsvertrag im Gegensatz zur Satzung in der Regel formlos und stillschweigend zustande kommt. Allein in diesem Sinn wirkt die Satzung (hier noch als Entwurf, da sie verbindliche Rechtswirkungen erst mit dem Entstehen der juristischen Person entfaltet) auf die Vorgesellschaft vor. Scheitert jedoch die Eintragung, verliert die Vorgesellschaft ihren transitorischen Charakter. Sie wird zu einer unechten Vorgesellschaft (ist aber ein und dieselbe Gesamthand), mit der Folge, dass die Vorwirkung der Satzung auf die Vorgesellschaft endet.
150 151 152
Flume, Die juristische Person, 1983, S. 155–156. So ausdrücklich BGHZ 123, 347, 350. BGHZ 47, 172, 180.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
3. Ergebnis Kurz bevor die Gründer die Satzung der avisierten juristischen Person feststellen, vereinigen sie sich als Menschen in der sinnlich erfahrbaren Welt zu dem menschlichen Verband, der in der Zukunft die „tatsächliche Unterlage“ für die dann fertige juristische Person bilden soll. Sie verbinden sich zu einem Ganzen und organisieren sich als eine Einheit. Als Ganzes ist der menschliche Verband jedoch mehr als nur die Gründer, die lediglich seine aktuellen Mitglieder sind. Und weil der menschliche Verband über diese gegenwärtigen Mitglieder, die einzelnen Menschen, hinaus auch noch künftige hat, sind die Gründer, anders als bei der Gesamthand, nur ein Teil des Ganzen. Die Gründer sind zwar in der Gegenwart der menschliche Verband, da sie aber als derzeitige Mitglieder nur ein Teil von ihm sind (die künftigen Mitglieder sind es ja noch nicht), vergegenwärtigen sie pars pro toto den menschlichen Verband, indem sie ihn in der sinnlich wahrnehmbaren Welt „greifbar und sichtbar“ machen. Der menschliche Verband (ens physicum) ist dabei aber erst durch die Eintragung als juristische Person in der idealen, da bloß vorgestellten Welt des Rechts als Rechtsträger (persona moralis) vorhanden. Bevor es die juristische Person (durch die Eintragung) als Rechtssubjekt gibt, erschöpft sich demzufolge der Akt der Satzungsfeststellung im rein Tatsächlichen. Denn noch entfaltet er keine Rechtswirkungen. Er steht vielmehr unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass die juristische Person durch ihre Eintragung später auch wirklich als Rechtsträger entsteht. Und weil die Verfassung der Inbegriff der Rechtssätze ist, die die Organisation der Körperschaft und damit der juristischen Person bestimmen, kann die Satzung erst dort, d. h. in der juristischen Person, eine körperschaftliche Verfassung sein. Die juristische Person des BGB hat daher selbst als Körperschaft nicht ein „Vorleben“ vor Ihrer „Geburt“. Ihr rechtliches Dasein wird im Unterschied zur Körperschaft des deutschen Rechts nicht auf den Zeitpunkt der Satzungsfeststellung vorverlagert, sodass sie auch nicht rückwirkend zum Rechtssubjekt wird. Weil die Rechtsverhältnisse, die für sie bereits vor ihrer Eintragung begründet werden, selbst dann nicht hinfällig sein sollen, wenn sie als juristische Person niemals entsteht (weil die Eintragung endgültig scheitert), muss es jedoch zwangsläufig schon vorher einen Träger dieser Rechtsverhältnisse geben. Und diese Aufgabe übernimmt die Vorgesellschaft. Weil die Vorgesellschaft eine Gemeinschaft zur gesamten Hand ist, sind die Gründer selbst die Subjekte dieser Rechtsverhältnisse. Sie nehmen gemeinsam im Recht einen status ein, der ihnen als Zuordnungsendpunkte (d. h. als Rechtssubjekte) die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten vermittelt. Sie fungieren dabei so lange stellvertretend (als „Platzhalter“) für die noch nicht existente juristische Person als gemeinschaftliche Gläubiger und Schuldner, bis es die angestrebte juristische Person schließlich als Rechtsträger tatsäch-
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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lich gibt. Und weil die Vorgesellschaft demzufolge einen transitorischen Charakter hat, endet sie, sobald sie ihren vereinbarten Zweck dadurch erreicht hat (vgl. § 726 BGB), dass die juristische Person durch Eintragung entstanden ist. An die Stelle der Vorgesellschaft tritt – wie geplant – die fertige juristische Person, auf die dann ipso iure die Rechtsverhältnisse, die die Vorgesellschaft als Gesamthand bloß vorläufig für die künftige juristische Person getragen hatte, übergehen. Weil aber die h. M. nicht im menschlichen Verband, sondern in den gegenwärtigen Mitgliedern den Träger der juristischen Person (als Körperschaft) in der sinnlich erfahrbaren Welt sieht, ist für sie die Satzung „Vertrag“ (d. h. subjektives Recht) und nicht „Norm“ (d. h. objektives Recht). Geltungsgrund soll deshalb die Privatautonomie der jeweils aktuellen Mitglieder sein,153 was jedoch allein für die Gesamthand gilt. Dennoch bricht sich die Rechtsnatur der Satzung als objektives Recht immer wieder Bahn und mit ihr kommt dann auch das Wesen der juristischen Person als Körperschaft zum Vorschein. Denn selbst für die h. M. „wird das körperschaftliche Statut von vornherein für einen größeren und noch unbekannten Personenkreis entworfen“, weshalb „ihm eine gewisse Zeitlosigkeit anhaftet“.154 Dass die Satzung nun in dieser Weise „zeitlos“ ist, folgt daraus, dass sie auf der Autonomie des menschlichen Verbands beruht, d. h. auf seiner Befugnis, objektives Recht zu erzeugen. Der menschliche Verband setzt sich aus wirklichen und potenziellen, aus seinen vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Mitgliedern zusammen. Er ist insofern der Gegenwart und damit der „Zeit an sich“ enthoben. Als solche „zeitlose“ und in diesem Sinn „ewige“ Entität herrscht in ihm deswegen nicht der gemeinsame Wille der jeweils gegenwärtigen Mitglieder, d. h. der „Wille aller“ (volonté de tous), sondern der „allgemeine Wille“ (volonté générale), der infolgedessen auch in der Satzung zum Ausdruck kommt und ihr Normcharakter verleiht. Autonomie und Privatautonomie sind deshalb strikt voneinander zu trennen, weil das erste ausschließlich einer Körperschaft,155 das zweite aber als Ausfluss der Privatautonomie seiner Mitglieder allein einer Gesamthand zukommt und zwischen Körperschaft und Gesamthand eine „unüberbrückbare begriffliche Kluft“ besteht;156 hier sind es mehrere Rechtssubjekte (als entia moralia) und mehrere Menschen als ihre Träger (entia physica), dort ein Rechtssubjekt (als ens morale) und ein menschlicher Verband als sein Träger in der sinnlich wahrnehmbaren Welt (ens physicum). Dass zwischen der Auto153
Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 3 II 1 (S. 162).
154 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 3 II 1 (S. 162). 155 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 142, 148; ders.,
Die juristische Persönlichkeit des hochadeligen Hauses, Zeitschrift für Privat- und Öffentliches Recht der Gegenwart, Bd. 5 (1878), S. 557, 592: „Denn wo Autonomie ist, da ist auch ein korporatives Subjekt, und wo ein korporatives Subjekt ist, da ist auch Autonomie.“ 156 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339.
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nomie des „Vereins“ und der Privatautonomie seiner Mitglieder zu differenzieren ist, erkennt im Ansatz selbst der BGH, wenn er ausdrücklich betont, dass das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) auch der „Vereinigung und nicht nur ihren Mitgliedern zukommt“.157 Die Autonomie des „Vereins“ ist dabei für den BGH, obschon er sie als „Privatautonomie“ bezeichnet, doch mehr als die Summe ihrer Teile (d. h. als die Privatautonomie seiner gegenwärtigen Mitglieder).158 Und weil der menschliche Verband Träger seines „Vereins“ (d. h. seiner Körperschaft) ist, fließt dieses Mehr gleichsam aus der Willensmacht des menschlichen Verbands.159 Während das Rechtsgeschäft (oder der Vertrag) Ausdruck der Privatautonomie ist, erzeugt die Autonomie objektives Recht (d. h. Normen). Die Kategorien von Vertrag und Norm sind deshalb streng auseinanderzuhalten, und darum darf man „weder in die Autonomie den Begriff des Rechtsgeschäfts noch in das Rechtsgeschäft den Begriff der Autonomie hineintragen“.160 Die Aufstellung der Satzung stellt deswegen nicht „eine Normsetzung mit rechtsgeschäftlichen Mitteln“ dar,161 sondern ist als „Vereinigungsakt“, durch den der menschliche Verband entsteht, „ein sozialrechtlicher Konstitutivakt, der im Individualrecht kein Vorbild hat und daher nicht unter den Begriff irgendeines Rechtsgeschäfts gebracht werden darf“.162 Das alles gilt ausschließlich für die Körperschaft, nicht aber für die Gesamthand. Denn nur die Körperschaft hat in der sinnlich erfahrbaren Welt einen menschlichen Verband als ihr Substrat (d. h. als ihren Träger). Der „allgemeine Wille“ des menschlichen Verbands (volonté générale) ermöglicht es der Körperschaft in der noumenalen Welt des Rechts, objektives Recht für ihre Mitglieder (als Normadressaten) zu erzeugen, indem sie in Ausübung ihrer Autonomie bewusst als Satzung Recht setzt (oder sich als Observanz in ihrem Kreise Gewohnheitsrecht bildet).163 Träger der Gesamthand sind im 157
BGHZ 140, 74, 76. BGHZ 140, 74, 77. 159 Das ist gemeint, wenn Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 51, davon spricht, die juristische Person sei ein vom Recht anerkannter selbständiger „Träger sozialer Willensmacht“. Denn nach seiner Ansicht „sind ausschließlich die Träger menschlicher Willensmacht zu Rechtssubjekten geeignet“, weshalb auch „das Recht (…) nur menschliche Individuen und menschliche Verbände als Personen anerkennen“ kann (dort, S. 23). 160 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 143. 161 So aber Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rn. 22. 162 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486. 163 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 159–176: „Observanz“ als das „Gewohnheitsrecht, das sich im Kreise einer Körperschaft bildet“ (ebenda, S. 171). Dass sich Gewohnheitsrecht „im Kreise einer Körperschaft“, insofern Vereinsgewohnheitsrecht, „bildet“, sieht die h. M. indes im BGB (und damit allgemein im Privatrecht) als ausgeschlossen an (Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 624; so im Anschluss daran auch Reuter, ZHR 148 [1984], 523, 550–551; ders., in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rn. 2; Hadding, in: 158
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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Gegensatz dazu allein ihre gegenwärtigen, nicht aber auch ihre vergangenen und künftigen Mitglieder. Der „Gesamtwille“ der jeweils aktuellen Mitglieder als der „Wille aller“ (volonté de tous) ist deshalb in der Gesamthand die oberste Richtschnur. Einen „allgemeinen Willen“ gibt es hier nicht, da es ja an einem menschlichen Verband fehlt. Ohne ein solches Substrat kommt der Gesamthand im Recht auch keine Autonomie zu. Weil der Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) demzufolge allein aus der Privatautonomie der jeweils aktuellen Mitglieder (d. h. der Gesellschafter) fließen kann, ist er Vertrag (d. h. Rechtsgeschäft), nicht Norm und bringt die Gesamthand nur als Rechtsverhältnis und nicht als Rechtssubjekt hervor.164 Wenn die Gründer die Satzung der angestrebten juristischen Person feststellen, formieren sie sich in der sinnlich erfahrbaren Welt zu einem menschlichen Verband, der die soziale Realität (d. h. das Substrat) für die spätere juristische Person als „Verein“ (d. h. Körperschaft i. S. des BGB) bilden soll. Als gegenwärtige Mitglieder des menschlichen Verbands stehen sie als Teil für das Ganze (d. h. für den menschlichen Verband) und geben durch die Satzungsfeststellung der künftigen juristischen Person (als „Verein“) eine Verfassung, damit die juristische Person nicht bloß rechtsfähig, sondern auch imstande ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Weil die Verfassung aber der Inbegriff der Rechtssätze ist, welche die Organisation der Körperschaft (d. h. der juristischen Person) festlegen, kann die Verfassung von vornherein erst dann in Kraft treten (d. h. Rechtswirkungen entfalten), wenn die juristische Person entstanden ist; vorher hat die Satzung deshalb nur Entwurfscharakter. Da die Satzung (als Verfassung) auf der Autonomie des menschlichen Verbands fußt, ist die Satzung von Anfang an Norm und nicht Vertrag. Nicht durch, aber gleichzeitig mit der Satzungsfeststellung schließen die Gründer zudem einen Gesellschaftsvertrag i. S. des § 705 BGB. Sie nehmen deshalb einen gemeinsamen status im Recht ein, der ihnen als Zuordnungsendpunkte (d. h. als Rechtssubjekte) Rechte und Pflichten vermittelt, sodass die Gründer in Gemeinschaft (d. h. als kollektive Einheit) gemeinschaftliche Rechte und Pflichten haben. Sie bilden demgemäß eine Vorgesellschaft zur gesamten Hand und nicht, wie es die h. M. annimmt, eine werdende juristische Person. Als solch kollektiver Rechtsträger stehen sie stellvertretend für die angestrebte juristische Person, um dadurch das „Vorleben“ einer Körperschaft des deutschen Rechts vor ihrer „Geburt“ nachzuahmen, indem sie wie jene Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 25 Rn. 5). Dazu auch Meder, Ius non scriptum, 2. Aufl. 2009, S. 99, Fn. 26; Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 230–235; BVerfG, NJW 2009, 1469, 1473; Dilcher, JuS 1989, 875, 878; Honsell, in: Staudinger, BGB, 2018, Einleitung zum BGB Rn. 233–234; BGH, NJW 2014, 387 Rn. 16, BGH, NZG 2013, 582 Rn. 29; NJW‑RR 2001, 1208, 1209; BGHZ 37, 219, 222. 164 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660, 675.
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für die fertige juristische Person Rechtsverhältnisse begründen, die dann später von der Vorgesellschaft auf die juristische Person automatisch (ipso iure) übergehen, sobald die juristische Person durch Eintragung oder Verleihung der Rechtsfähigkeit als solche und demnach mit eigener Rechtspersönlichkeit entstanden ist. Da die Vorgesellschaft damit ihren vereinbarten Zweck, eine juristische Person entstehen zu lassen, erreicht hat, endigt sie ipso iure (vgl. § 726 Alt. 2 BGB) und mit ihr deshalb auch der Gesellschaftsvertrag. Stattdessen tritt die Satzung als Verfassung der juristischen Person in Kraft.
V. Die persönliche Haftung der Vorgesellschafter 1. Die persönliche Außenhaftung der Vorgesellschafter erlischt (erst), wenn die angestrebte juristische Person entsteht Für die Verbindlichkeiten der juristischen Person (Verein, AG, GmbH, Genossenschaft) haftet den Gläubigern ausschließlich das Gesellschaftsvermögen (so ausdrücklich § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG; § 2 GenG).165 Das folgt schon aus der Eigenschaft der juristischen Person, ein Rechtssubjekt zu sein. Als solches schiebt es sich gleichsam vor seine Mitglieder und schirmt sie auf diese Weise vor den Forderungen der Gläubiger ab. Die juristische Person ist selbst Schuldnerin und eben nicht (auch) ihre Mitglieder, weshalb auch nur sie allein für ihre eigenen Schulden mit ihrem eigenen Vermögen (Gesellschaftsvermögen) haftet, das ihr allein gehört. Das „Gesellschaftsvermögen“ der juristischen Person (als Verein, Genossenschaft, AG oder als GmbH) ist im Gegensatz zur Gesamthand nicht ein „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ (§ 718 Abs. 1 BGB). Eine persönliche und unmittelbare Außenhaftung der Mitglieder scheidet deswegen bei einer juristischen Person von vornherein aus. Deshalb ist es auch unschädlich, dass für den rechtsfähigen Verein (§§ 21, 22 BGB) eine Vorschrift fehlt, die § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 13 Abs. 2 GmbHG oder § 2 GenG entspricht und vermeintlich erst darüber die persönliche Mitgliederhaftung ausschließt. Während für die Verbindlichkeiten der juristischen Person deren Mitglieder nicht persönlich einzustehen haben, sind die Gesellschafter (d. h. hier die Gründer) nicht nur gemeinschaftlich, sondern auch jeder für sich Schuldner und haften auch persönlich mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner (vgl. § 128 Satz 1 HGB analog).166 Die gemeinschaftlichen Schulden gehen 165 Wenn in § 23 GenG von einer „Haftung der Mitglieder für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft“ die Rede ist, geht es hier ausschließlich um eine interne gegenüber der eingetragenen Genossenschaft (eG) und nicht um eine unmittelbar gegenüber den Gläubigern der eG. Ihnen gegenüber haftet, wie sich aus § 2 GenG ergibt, ausschließlich die eG mit ihrem eigenen Vermögen (so ausdrücklich Pöhlmann, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Genossenschaftsgesetz, 4. Aufl. 2012, § 23 GenG Rn. 1). 166 Es ist dementsprechend durchaus treffend, wenn BGHZ 72, 45, 48–49, die Vorgesell-
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zwar von der Vorgesellschaft auf die fertige juristische Person über, sobald diese durch Eintragung oder Konzession entstanden ist. Da die Gründer aber auch nach Beendigung der Vorgesellschaft (d. h. der Gesamthand) ihren individuellen status im Recht weiter einnehmen (individuelle Rechtsfähigkeit), sie gewissermaßen allein ihren gemeinsamen status ablegen, bestehen die persönlichen Verbindlichkeiten an sich unverändert fort. In diesem Fall würden die Gründer aber jetzt als Mitglieder für die Altschulden der juristischen Person persönlich mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben, d. h. für die Verbindlichkeiten, die bereits begründet worden sind, als die juristische Person noch nicht bestand, sondern allein die Vorgesellschaft. Das widerspricht aber dem Begriff der juristischen Person, sodass die persönliche Haftung der Gründer, zumindest nach außen, ipso iure endet, sobald die juristische Person durch ihre Eintragung als Rechtssubjekt entstanden ist. Auch wenn die Eintragung scheitert und daher niemals eine juristische Person entsteht, sollen Rechtsverhältnisse, die bereits vor der Eintragung (oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit) begründet worden sind, keineswegs hinfällig sein.167 Die Rechtsverhältnisse dürfen deshalb nicht erst rückwirkend mit dem späteren Entstehen der juristischen Person wirksam werden, sie sind also nicht aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB).168 Es muss aus diesem Grund sofort ein gegenwärtiger Rechtsträger da sein. Weil es die juristische Person aber auch als werdende juristische Person noch nicht gibt, übernimmt diese Aufgabe die Vorgesellschaft (d. h. die Gesamtheit der Gründer als Gesellschaft). Vorgesellschaft und juristische Person sind wesensverschieden. Das Verhältnis von beiden ist anders als bei der Körperschaft des deutschen Rechts nicht das von Puppe und Schmetterling oder Embryo (nasciturus) und Kind (natus).169 Denn wäre es so, wären die Rechtsverhältnisse nur dann (von Anfang an) wirksam, wenn die juristische Person durch die Eintragung auch wirklich zustande kommt, anderenfalls wären sie gegenstandslos.170 schaft als eine „gesamtschuldnerische Personenvereinigung“ bezeichnet und in BGHZ 134, 333, 336, die Rede davon ist, dass die Gesellschaftsverpflichtungen Angelegenheit der Gemeinschaft sind, sodass den einzelnen Gesellschafter die Haftung für diese Verpflichtungen trifft. 167 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 155. 168 Flume, Die juristische Person, 1983, S. 156. 169 Nach Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486 mit Fn. 18, kann man der Körperschaft (des deutschen Rechts) „ein ‚Vorleben‘ vor ihrer Geburt zuschreiben“, das „mit dem embryonalen Vorleben des Menschen“ vergleichbar ist. Flume, Die juristische Person, 1983, S. 155, warnt im Gegensatz dazu vor einer „naturalistischen Betrachtungsweise“, die die werdende juristische Person mit dem nasciturus gleichsetzt; so aber RGZ 105, 228, 229– 230, wenn dort die juristische Person, die „als solche noch nicht zur Entstehung gelangt“ ist, als „in der Entstehung begriffen (…) gewissermaßen ein nasciturus“ sei. Eine solche bildhafte Vorstellung lehnt K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 IV 2 (S. 299), zwar ab, in der Sache beschreibt sie die Identitätstheorie aber durchaus treffend (dort, S. 306–307). 170 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486, Fn. 18.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Die Vorgesellschaft fungiert gleichsam nur als „Platzhalter“ für die künftige juristische Person und ist in dieser Eigenschaft so lange für sie stellvertretend Schuldnerin, bis sie, die juristische Person, entstanden ist. Wenn die Vorgesellschaft bereits Rechtsverhältnisse begründet, tut sie das demgemäß stets allein im Hinblick auf die angestrebte juristische Person. Die, die am Ende verpflichtet (und berechtigt) werden soll, ist gerade nicht die Vorgesellschaft (d. h. die Gesamthand), stattdessen ist es die erst künftige juristische Person. Deshalb treten Vorstand und Geschäftsführer ja auch im Namen der juristischen Person (in Gründung) auf.171 Wer mit einer derart auftretenden Vorgesellschaft kontrahiert, kann darum auch nur erwarten dürfen, die künftige juristische Person in Anspruch zu nehmen.172 Die persönliche (Außen-) Haftung der Gründer erlischt demgemäß ipso iure, sobald die juristische Person durch die Eintragung als die erwartete Schuldnerin schließlich da ist.173 Die Mithaftung der Gründer hat in diesem Sinn „nur vorläufigen Charakter“, sie überdauert anders als sonst bei einer GbR (und zwar als eine Gesamthand) nicht das Ende der Vorgesellschaft.174
2. Die Innenhaftung in Vorgesellschaft und juristischer Person und worin sie sich von der persönlichen Außenhaftung der Vorgesellschafter unterscheidet Mit der Eintragung erlischt zwar die gesamtschuldnerische Außenhaftung der Gründer (§ 421 Satz 1 BGB), an ihre Stelle tritt jedoch eine anteilige Innenhaftung gegenüber der juristischen Person.175 Diese Innenhaftung der Gründer (jetzt als Mitglieder der juristischen Person) beruht darauf, dass die juristische Person dem Rechtsverkehr gegenüber erklärt, in dem Zeitpunkt, in dem sie ins Leben tritt, über ein bestimmtes Vermögen zu verfügen (so bei AG und GmbH) oder zumindest nicht überschuldet und daher nicht insolvenzreif zu sein (so bei Verein und Genossenschaft).176 Die juristische Person kann dieses Versprechen bei ihrer „Geburt“ aber nur dann erfüllen, wenn schon die Gründer vor der Eintragung (d. h. als Vorgesellschaft) ein „gemeinschaftliches Vermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) gebildet haben, das mit der Eintragung ipso iure auf die juristische Person übergeht. Demgemäß sind die Gründer nur insoweit von ihrer Einlageverpflichtung frei, als ihre Zahlungen in das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) der Vorgesellschaft auch noch im Zeitpunkt der Eintragung unverbraucht zur Verfügung stehen.177 Haben die Gründer das 171
BGHZ 80, 129, 144. BGHZ 80, 129, 142. 173 BGHZ 80, 129, 144; Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 101. 174 BGHZ 80, 129, 144; Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 853, 854. 175 BGHZ 134, 333, 337–339; BGHZ 149, 273, 274. 176 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 89; Zöllner, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383, 1402; siehe auch BGHZ 152, 290, 295. 177 So ausdrücklich BGHZ 80, 129, 137. 172
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nicht sichergestellt und entsteht daher die juristische Person nicht mit dem zugesagten Vermögen (so bei AG; GmbH) oder aber überschuldet und damit insolvenzreif (Verein; Genossenschaft), ist die juristische Person also insofern vorbelastet, müssen die Gründer dies nach der Eintragung (jetzt als Mitglieder der juristischen Person) nachholen. Es gilt eine „Vorbelastungshaftung“,178 die auch als „Differenzhaftung“ bezeichnet wird, da hiernach die Gründer jeweils anteilig gegenüber der juristischen Person verpflichtet sind, die Differenz zwischen dem zugesagten Vermögen und dessen tatsächlichem Wert im Zeitpunkt der Eintragung auszugleichen.179 Die Gründer trifft daher mit anderen Worten eine „(anteilige) Nachzahlungspflicht“ mit dem Inhalt, den jeweils auf sie entfallenen Fehlbetrag nachträglich (nunmehr als Mitglieder der juristischen Person) in das Vermögen der juristischen Person einzahlen.180 Diese anteilige Nachzahlungspflicht ist lediglich eine Fortsetzung des Anspruchs, den die Vorgesellschaft (als Gesamthand und nicht als Rechtssubjekt) gegen ihre Gesellschafter hat, die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beiträge in das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) zu leisten (§ 705 BGB). Dieser Zahlungsanspruch der Vorgesellschaft entspringt dem Gesellschaftsvertrag, der ein gegenseitiger Vertrag ist (vgl. § 705 BGB). Es fehlt hier zwar am Synallagma. Denn da die Gesellschafter einen gemeinsamen Zweck verfolgen (so § 705 BGB), gibt es bei der Gesellschaft ein „do ut des“ nicht.181 Die Beitragspflichten sind gleichwohl gegenseitige Rechte und Pflichten im Verhältnis der Gesellschafter untereinander. Weil nun aber der einzelne Gesellschafter seinen Beitrag in das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) einbringen muss, über dieses jedoch nur alle zusammen (d. h. als Gesamthand) verfügen können (vgl. § 719 Abs. 1 BGB), ist der Zahlungsanspruch nicht nur ein solcher des einzelnen Gesellschafters, sondern auch von allen in Gemeinschaft und in diesem Sinn ein Zahlungsanspruch der Vorgesellschaft (der Begriff der Vorgesellschaft steht also auch hier ausschließlich als Abbreviatur für die Gesellschafter als Gesamthandsgemeinschaft). Alle gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft gehen mit der Eintragung ipso iure auf die juristische Person über. Das gilt auch für die Beitragspflichten der Gründer, sofern diese es versäumt haben, die Vorgesellschaft und damit die angestrebte juristische Person mit dem nötigen Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) auszustatten. Wird die juristische Person dennoch eingetragen und verfügt sie deshalb nicht über das erforderliche Vermögen, sind die Gründer, nunmehr als Mitglieder der juristischen Person, ihr gegenüber zur (anteiligen) Nachzahlung verpflichtet. 178 179
Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 61. BGHZ 80, 129, 141. 180 BGHZ 80, 129, 141. 181 Dazu § 10.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Der Zahlungsanspruch der Vorgesellschaft (als Gesamthand) gegen jeden einzelnen der Gründer (als Gesellschafter), dazu beizutragen, das notwendige gemeinschaftliche Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB zu bilden und bis zur Eintragung der avisierten juristischen Person aufrechtzuerhalten und infolgedessen auch für Vorbelastungen in der Vorgesellschaft, d. h. für die gemeinschaftlichen Schulden (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) intern, d. h. im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern, aufzukommen, gibt es schon in der Vorgesellschaft. Allein in diesem Sinn trifft es dann zu, dass bereits in der Vorgesellschaft die (anteilige) Innenhaftung der fertigen juristischen Person als „Verlustdeckungshaftung“ gilt, sodass, jedoch nur scheinbar, insofern deren Regeln schon auf die Vorgesellschaft vorwirken.182 Diese Innenhaftung, die aus dem Gesellschaftsvertrag folgt und deshalb ausschließlich das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander betrifft, ist deswegen strikt von der persönlichen und gesamtschuldnerischen Außenhaftung der Vorgesellschafter zu trennen (§ 128 Satz 1 HGB), die im Gegensatz dazu gegenüber den gemeinschaftlichen Gläubigern besteht (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB).183 Beide, Innen- und Außenhaftung, werden zwar durch die gemeinschaftlichen Schulden ausgelöst. Während aber die (direkte) Außenhaftung dazu dient, die gemeinschaftlichen Gläubiger der Vorgesellschafter unmittelbar zu befriedigen, ist das bei der Innenhaftung lediglich mittelbar und insofern der Fall, als den Gläubigern, sobald die angestrebte juristische Person existiert, ein „unversehrtes“ Vermögen, und zwar der juristischen Person, nicht der Vorgesellschaft, zur Verfügung stehen soll, aus dem sie dann Erfüllung ihrer Forderungen suchen können.184
3. Die persönliche Außenhaftung der Vorgesellschafter a) Eigene Lösung aa) In der echten Vorgesellschaft vorläufig suspendiert Mit der Eintragung der juristischen Person entfällt demzufolge ausschließlich die persönliche Außenhaftung der Gesellschafter, wonach jeder Gesellschafter für sich allein und nicht in Gemeinschaft (d. h. als Gesamthand) Schuldner für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Diese gesamtschuldnerische Außenhaftung der Gründer ist nun aber bereits deshalb in der Vorgesellschaft (vorläufig) suspendiert, weil die Vorgesellschaft bloß „Platzhalter“ für die fertige juristische Person und daher nur so lange stellvertretend für sie Schuldnerin ist, bis die juristische Person entsteht und ipso iure 182 BGHZ 134, 333, 337–339. Die Haftung der Gründer ist deshalb unbeschränkt, weil sie nicht auf den Betrag beschränkt ist, den die Gründer noch nicht als Einlage gezahlt haben, sondern auch die Verluste umfasst, die durch das Gesellschaftsvermögen nicht abgedeckt sind (dort, S. 334). 183 Zöllner, in: FS Wiedemann, 2002, 1383, 1402–1403, 1411, 1413. 184 Zöllner, in: FS Wiedemann, 2002, 1383, 1413–1415.
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die Verbindlichkeiten von der Vorgesellschaft auf sie übergehen. Ein Gläubiger darf deshalb an sich auch nur erwarten, in der Zukunft die juristische Person und nicht schon die Vorgesellschaft als deren Vorstufe in Anspruch nehmen zu können.185 Aus diesem Grund soll ein Gläubiger nicht bessergestellt sein, wenn er im Widerspruch dazu nicht erst von der fertigen juristischen Person, sondern bereits vor deren Eintragung von der Vorgesellschaft Erfüllung seiner Forderung verlangt. Auch hier beruht also der (vorläufige) Ausschluss der gesamtschuldnerischen Außenhaftung der Gründer auf dem transitorischen Charakter der Vorgesellschaft.
bb) Lebt aber in der unechten Vorgesellschaft wieder auf Die persönliche Außenhaftung (vgl. § 128 Satz 1 HGB) ist indes nur vorläufig ausgeschlossen. Sie erlischt dauerhaft, wenn die Vorgesellschaft ihren vereinbarten Zweck dadurch erreicht, dass die juristische Person durch Eintragung entsteht und auf diese Weise die Gesellschaft endigt (§ 726 BGB). Sie lebt jedoch wieder auf, wenn die Eintragung endgültig scheitert und aus der echten eine unechte Vorgesellschaft wird,186 d. h. sie jetzt eine GbR oder, sofern sie ein Handelsgewerbe betreibt, eine OHG ist. Die Gründer haften nunmehr als Gesellschafter einer echten BGB‑Gesellschaft oder OHG gemeinschaftlich (d. h. als Gesamthand) und als Gesamtschuldner den Gesellschaftsgläubigern gegenüber jeder für sich persönlich mit ihrem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Das erkennt auch die h. M. Denn selbst für sie kann ein Gläubiger die Vorgesellschafter (d. h. die Gründer) erst dann – wenn auch nur über die Vorgesellschaft – persönlich (mit ihrem Privatvermögen) in Anspruch nehmen (es gilt also eine Innenhaftung), wenn die Eintragung scheitert und die angestrebte juristische Person deshalb niemals entsteht.187 Weil die gesamtschuldnerische Außenhaftung in der (echten) Vorgesellschaft bloß vorläufig suspendiert ist, erfasst diese nicht erst durch eine fictio iuris rückwirkend die Schulden der (echten) Vorgesellschaft, sobald die Eintragung scheitert und sich die echte Vorgesellschaft erst nachträglich in eine unechte verwandelt.188 Denn echte und unechte Vorgesellschaft sind ebenso 185 186
BGHZ 152, 290, 295. BGHZ 152, 290, 295. Nach Zöllner, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383, 1410, ist bereits in der echten Vorgesellschaft eine direkte Außenhaftung der Gesellschafter (§ 128 HGB) anzunehmen, da es dann überflüssig wäre, festzustellen, „ob die Eintragungsabsicht aufgegeben wurde oder nicht“. 187 So ausdrücklich BGHZ 134, 333, 341, wonach die Verlustdeckungshaftung (als Innenhaftung) gegen die Vorgesellschaft erst mit dem Scheitern der Eintragung entsteht. Nach Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 26, entsteht der Anspruch zwar schon mit Eintritt von Verlusten, wird aber erst mit Scheitern der Vorgesellschaft fällig. Bis dahin ist also ebenfalls eine persönliche Haftung der Gründer ausgeschlossen. 188 BGHZ 80, 129, 142; BGHZ 143, 314, 320, wonach die „Umwandlung“ der echten in eine unechte Vorgesellschaft nicht bedeutet, dass diese „nachträgliche Änderung des Cha-
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dieselbe Gesellschaft (d. h. Gesamthand), wie eine BGB‑Gesellschaft selbst dann ein und dieselbe Gesellschaft (d. h. Gesamthand) bleibt, wenn sie sich zu einer OHG umwandelt, oder vielmehr eine solche automatisch ist, sobald sie ein Handelsgewerbe betreibt (§§ 1, 105 Abs. 1 HGB).189 Da es dieselbe Gesellschaft ist, sind die Verbindlichkeiten, für die die Gründer in der unechten Vorgesellschaft (als GbR oder OHG) einzustehen haben, eben auch keine Altschulden, sie haften für diese deshalb nicht erst nach §§ 128, 130 HGB (analog).190 Auch ein Kommanditist ist gegenüber den Gläubigern der KG stets gemeinschaftlicher und auch individueller Schuldner. Seine persönliche Haftung mit dem Privatvermögen ist lediglich (vorläufig) ausgeschlossen, soweit er seine Einlage in das „gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschafter“ (§ 718 Abs. 1 BGB) geleistet hat (§ 171 Abs. 1 HGB). Soweit er jedoch seine Einlage wieder zurückerhält, lebt seine persönliche Haftung wieder auf (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Auch in diesem Fall ist der Kommanditist schon von Anfang an individueller Schuldner der Gesellschaftsgläubiger, sodass er im eigentlichen Wortsinn nicht erst rückwirkend für die Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich haftet. Der allgemeine Rechtsgedanke, der hinter § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB steht und der sich deshalb auf die Vorgesellschaft übertragen lässt, ist, dass die persönliche Außenhaftung des Kommanditisten so lange suspendiert ist, wie der Haftungsausschluss gerechtfertigt ist. Beim Kommanditisten ist das die Leistung der Einlage in das Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB), bei der Vorgesellschaft ihr transitorischer Charakter, der auf dem gemeinsamen Zweck der Gründer beruht (§ 705 BGB), eine juristische Person durch den staatlichen Akt der Eintragung entstehen zu lassen. Scheitert die Eintragung aber endgültig, kann die Vorgesellschaft diesen gemeinsamen Zweck nicht mehr erreichen. Sie verliert ihren transitorischen Charakter und deshalb gibt es auch keinen Anlass mehr, die gesamtschuldnerische Außenhaftung der Gründer auszuschließen, sodass ihre persönliche und unbeschränkte Mithaftung als Gesamtschuldner zwingend und lediglich in diesem Sinn rückwirkend wieder auflebt (Rechtsgedanke des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB).191
b) Die Ansicht der h. M. und die Kritik daran Für die h. M. ist das eine Art von „Durchgriffshaftung“.192 Die Gesellschafter (d. h. die Gründer) haben ihrer Ansicht nach in der (unechten) Vorgesellschaft rakters der Gesellschaft eine persönliche Haftung für eine Verbindlichkeit auslöst, für welche die“ echte Vorgesellschaft noch „nicht einzustehen hatte“. 189 BGHZ 146, 341, 346. 190 So aber Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 28. 191 BGHZ 152, 290, 295. 192 BGHZ 134, 333, 341; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 11 Rn. 36.
B. Der eigene Standpunkt: Die Vorgesellschaft als Gesamthand
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allein unter der Voraussetzung für deren Verbindlichkeiten unmittelbar nach außen einzustehen, dass sie den bereits zuvor aufgenommenen Geschäftsbetrieb der vormals angestrebten juristischen Person fortführen, anderenfalls haften sie lediglich im Innenverhältnis zur Vorgesellschaft (d. h. wenn sie nach dem Scheitern der Eintragung ihren Geschäftsbetrieb sofort einstellen).193 Nun ist aber, anders als es die h. M. annimmt, die echte Vorgesellschaft nicht erst dann eine unechte (als eine GbR oder eine OHG), wenn sie den Geschäftsbetrieb trotz Scheiterns der Eintragung weiterführt, sondern auch schon dann, wenn die Eintragung endgültig gescheitert ist (und sie sofort den Geschäftsbetrieb einstellt). Daher lebt bereits in diesem Fall und nicht erst mit der Fortführung des Geschäftsbetriebs die persönliche Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen wieder auf (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Diese persönliche Außenhaftung wandelt sich jedoch in eine Innenhaftung um, sofern über ihr gemeinschaftliches Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Die (unechte) Vorgesellschaft ist, weil es sich bei ihr um eine GbR oder OHG handelt, eine „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ i. S. des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Wird über das Vermögen einer solchen „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ (hier die Vorgesellschaft) das Insolvenzverfahren eröffnet, können die Gläubiger die Gesellschafter (hier die Gründer) nicht mehr direkt in Anspruch nehmen, sondern nur noch über den Insolvenzverwalter (§ 93 InsO). Aus der persönlichen Außenhaftung wird demnach eine Innenhaftung. Angesichts des § 93 InsO kann es zu einem „Wettlauf der Gläubiger“ im Fall einer persönlichen Außenhaftung der Gesellschafter (§ 128 Satz 1 HGB) auch dann nicht kommen, wenn die echte Vorgesellschaft schon allein durch das endgültige Scheitern der Eintragung zu einer unechten wird (und nicht erst dadurch, dass die Vorgesellschafter den Geschäftsbetrieb fortführen). „Eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger“ ist dementsprechend selbst in dem Fall sichergestellt ist, dass die Vorgesellschaft kein Rechtssubjekt ist (so aber die h. M.).194 Es ist also, anders als es die h. M. annimmt, nicht nötig, die echte Vorgesellschaft als Rechtssubjekt aufrechtzuerhalten, damit die Gläubiger allein über die Vorgesellschaft die Gesellschafter (d. h. die Gründer) in Anspruch nehmen können und auf diese Weise ein „Wettlauf der Gläubiger“ verhindert wird.195 Für die hier vertretene Lösung, dass bereits dann aus der echten eine unechte Vorgesellschaft wird und die persönliche Außenhaftung der Vorgesell193 BGHZ 134, 333, 341, wonach die Verlustdeckungshaftung als Innenhaftung in der Vorgesellschaft erst mit dem Scheitern der Eintragung entsteht; BGHZ 152, 290, 295; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 11 Rn. 34; Merkt, in: MünchKommGmbHG, 3. Aufl. 2018, § 11 Rn. 81. 194 BGHZ 134, 333, 340–341; wie hier K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 92. 195 So aber BGHZ 152, 290, 295.
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schafter (d. h. der Gründer) sofort wieder auflebt, spricht auch, dass selbst nach h. M. an die Stelle der Innenhaftung eine unmittelbare Außenhaftung der Gesellschafter tritt, wenn die Vorgesellschaft nur einen Gläubiger hat oder sie vermögenslos ist.196 Für die h. M. sind das Ausnahmen, für die hier vertretene Ansicht folgt das bereits aus der Rechtsnatur der Vorgesellschaft als einer Gesamthandsgemeinschaft: Ein Gesellschafter hat stets auch persönlich für die gemeinschaftlichen Schulden der Gesamthand mit seinem Privatvermögen einzustehen. Weil diese persönliche Außenhaftung aber für die h. M. eine Ausnahme von ihrem Modell von der Vorgesellschaft als einem Rechtssubjekt ist, sollen die Gesellschafter nicht Gesamtschuldner, sondern lediglich Teilschuldner sein.197 Ein Gläubiger kann daher allein durch die Vorgesellschaft (als Rechtssubjekt) hindurch und insofern doch wieder nur mittelbar auf das Privatvermögen der Gesellschafter zugreifen. Dem ist nicht zu folgen. Die Vorgesellschaft ist eben nicht als solche Rechtsträgerin, vielmehr sind es die Gesellschafter zusammen (und damit als Gesamthand). Die Gesellschafter werden als ganze Person gebunden und sind deshalb als solche Schuldner, weshalb sie den Gläubigern der Vorgesellschaft gegenüber unmittelbar persönlich als Gesamtschuldner und nicht bloß als Teilschuldner (vgl. § 128 Satz 1 HGB) für die „gemeinschaftlichen Schulden“ (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) einzustehen haben.198 Die echte Vorgesellschaft wird demnach bereits durch das Scheitern ihrer Eintragung und nicht erst dann zu einer unechten (d. h. zu einer GbR oder OHG), wenn die Gesellschafter den schon zuvor aufgenommenen Geschäftsbetrieb trotz des Scheiterns der Eintragung fortführen (so jedoch die h. M.). Damit lebt dann auch die persönliche Außenhaftung der Gesellschafter als Gesamtschuldner selbstverständlich ipso iure sofort wieder auf (Rechtsgedanke des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Bei dieser gesamtschuldnerischen Außenhaftung i. S. des § 128 Satz 1 HGB bleibt es eben auch, wenn ein Insolvenzverfahren wegen Vermögenslosigkeit mangels Masse nicht eröffnet oder deswegen eingestellt wird oder es bloß einen Gesellschaftsgläubiger gibt (ein Insolvenz196 Nach BGHZ 134, 333, 341 ist dem Gläubiger in diesen Fällen der unmittelbare Zugriff gestattet. 197 Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 11 GmbHG Rn. 34; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 27; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 83. 198 Auch Beuthien, WM 2013, 1485, 1491, kommt zu einer persönlichen Haftung der Vorgesellschafter als Gesamtschuldner, da er in der Vorgesellschaft einen nichteingetragenen Wirtschaftsverein sieht, auf den über § 54 Satz 1 BGB das Regelungsmodell des § 128 Satz 1 HGB Anwendung findet. Für ihn ist diese Außenhaftung allerdings in der Vorgesellschaft nicht vorläufig suspendiert (S. 1489). Der auf diese Weise ausgelöste „Druck“ auf die Vorgesellschafter, die Eintragung so schnell wie möglich zu erreichen, besteht indes auch, wenn die gesamtschuldnerische Außenhaftung vorläufig suspendiert ist, da sie erst mit der Eintragung endgültig aufhört.
C. Die Vorgründungsgesellschaft
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verfahren setzt per se zwei oder mehr Gläubiger voraus, da anderenfalls die Gläubiger eines Schuldners nicht gemeinschaftlich befriedigt werden können, § 1 InsO).199 Die Außenhaftung der Vorgesellschafter als Gesamtschuldner folgt daher auch an dieser Stelle, (d. h. für den Fall, dass die Vorgesellschaft nur einen Gläubiger hat oder vermögenslos ist,) bereits aus dem Charakter der (unechten) Vorgesellschaft, eine Gesamthandsgemeinschaft zu sein (d. h. als GbR oder OHG), und stellt nicht, wie es die h. M. behauptet, eine Ausnahme zu der von ihr angenommenen Innenhaftung dar.
C. Die Vorgründungsgesellschaft I. Rechtsnatur Bevor es eine Vorgesellschaft als Vorstufe zur geplanten juristischen Person überhaupt geben kann, müssen sich die Gründer zuvor entschlossen haben, eine juristische Person gründen zu wollen. Sobald sie sich hierauf verbindlich geeinigt haben, bilden sie zusammen eine sog. Vorgründungsgesellschaft.200 Diese ist in der Regel zunächst einmal ausschließlich eine reine Innengesellschaft (societas) und erzeugt deshalb (einklagbare) Rechte und Pflichten nur unter den Gesellschaftern. Wollen die Gründer jedoch nach außen als kollektive Einheit auftreten und als solche bereits die Geschäfte der angestrebten juristischen Person aufnehmen, sind sie eine Gesamthand und demgemäß, sofern sie ein Handelsgewerbe betreiben (§ 1 HGB), eine OHG, anderenfalls eine GbR (als „deutsche Gesellschaft“).201 Das eigentliche Ziel der Gründer ist zwar, dass durch den staatlichen Akt der Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit die avisierte juristische Person entsteht. Um dieses Endziel jedoch erreichen zu können, ist es gleichsam als Zwischenziel erforderlich, dass sie für jene eine körperschaftliche Verfassung errichten. Dafür müssen sie sich zunächst in der Sinneswelt als eine Einheit organisieren und zu einem menschlichen Verband zusammentun, der später Träger der juristischen Person sein kann, und gleichzeitig in der noumenalen Welt des Rechts die Satzung feststellen. Parallel dazu schließen die Gründer (in der Regel stillschweigend und formlos) einen Gesellschafts199 Ähnlich Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 55, der sich mit Verweis auf die „Grundentscheidung des § 128 HGB“ ebenfalls dafür ausspricht, dass die Gesellschafter unmittelbar persönlich und gesamtschuldnerisch haften; dafür auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 91; jetzt ebenfalls Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, § 11 Rn. 86–94. 200 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 33 Rn. 27; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 41; Heidinger, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2019, § 41 Rn. 19, 20. 201 BGHZ 91, 148, 151; Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 32 Rn. 3.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
vertrag (§ 705 BGB), wodurch die Vorgesellschaft als eine Gesamthand entsteht. Denn nur als Vorgesellschaft können die Gründer das „Vorleben“ der zukünftigen juristischen Person als Körperschaft (des deutschen Rechts) imitieren. In diesem Sinn ist die Errichtung der Vorgesellschaft ein essenzielles Zwischenziel, das zugleich in der Vorgründungsgesellschaft den gemeinsamen Zweck i. S. des § 705 BGB bildet.202 Die Gründer verpflichten sich demgemäß gegenseitig, alles das zu tun, was nötig ist, damit sie die Satzung feststellen und gleichzeitig den Gesellschaftsvertrag für die Vorgesellschaft (als Gesamthand) schließen können.203 Sobald die Vorgesellschaft dergestalt entstanden ist, haben sie ihren vereinbarten Zweck erreicht und die Vorgründungsgesellschaft „endigt“ von selbst (vgl. § 726 Alt. 1 BGB).204
II. Die Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum dazu Für die h. M. sind nun Vorgesellschaft und spätere juristische Person dieselbe Körperschaft und deshalb beide wesensgleich;205 so aber nicht die Vorgründungsgesellschaft, da sie eine Personengesellschaft ist. Sie soll deshalb weder mit der Vorgesellschaft (und erst Recht nicht mit der fertigen juristischen Person) identisch noch jene ihre Rechtsnachfolgerin sein.206 Aus diesem Grund gehen nach h. M. auch die Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten, die 202 Hadding, in: Soergel, BGB, 203 Für den Fall, dass sich die
13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 41. Gründer bereits im Gesellschaftsvertrag der Vorgründungsgesellschaft verbindlich dazu verpflichten, die Satzung festzustellen (d. h. die Vorgesellschaft zu errichten), erstreckt die ganz h. M. die Formvorschriften, die an sich erst für die Satzungsfeststellung gelten, schon auf den Vorgründungsvertrag. Ohne eine solche Pflicht können die Gründer aber wie auch sonst formlos und damit konkludent gemeinsame Vorbereitungshandlungen vereinbaren (so Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 11 GmbHG Rn. 5; Heidinger, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2019, § 41 Rn. 20). 204 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 41; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 39, der jedoch annimmt, sie bestehe neben der Vorgesellschaft fort, wenn sie ausnahmsweise weitergehende Zwecke verfolge. Dem ist nicht zuzustimmen. Der vereinbarte Zweck, die Vorgesellschaft zu errichten, ist für die Vorgründungsgesellschaft essenziell, alle anderen Zwecke sind dem untergeordnet. Sie können deshalb per se den Zeitpunkt, in dem die Vorgesellschaft entsteht, nicht überdauern, sodass die Vorgründungsgesellschaft immer wegen Zweckerreichung endet (§ 726 Alt. 1 BGB), sobald es die Vorgesellschaft gibt. 205 BGHZ 143, 314, 319; RGZ 143, 368, 372; RGZ 151, 86, 91; Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 80, wonach die „ganz h. M.“ beide als Einheit ansieht; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 149 („das gleiche Rechtsgebilde“). Die „spätere Rechtsfähigkeit“ (d. h. als juristische Person) soll nach Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 101, auf die Vorgesellschaft „vorwirken“, beide sind deshalb auch für ihn „ein identisches Gebilde“. 206 So ausdrücklich Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 33 Rn. 34; BGH, NJW 1992, 362, 363; BGH, NJW‑RR 2001, 1042, 1043; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 38 („nicht Vorläufer“).
C. Die Vorgründungsgesellschaft
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die Vorgründungsgesellschaft bereits für die angestrebte juristische Person begründet hat, nicht automatisch auf die Vorgesellschaft und damit am Ende auch nicht auf die juristische Person über.207 Nach a. A. ist auch die Vorgesellschaft eine Personengesellschaft (d. h. eine BGB‑Gesellschaft oder, sofern sie ein Handelsgewerbe betreibt, eine OHG).208 Als Personengesellschaften seien beide „Vergesellschaftungen“ nicht nur wesensgleich, sondern „im Rechtssinne dasselbe“.209 Sie bildeten einen „einzigen, einheitlichen Gründerverband“, 210 und zwar beim Betrieb eines Handelsgewerbes eine OHG, anderenfalls eine GbR. 211 Dieser „einheitliche Gründerverband“ komme bereits zustande, wenn sich die Gründer mit dem gemeinsamen Zweck (§ 705 BGB) zusammengetan haben, eine juristische Person durch den staatlichen Akt der Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit entstehen zu lassen.212 Weil das ihr „vereinbarter Zweck“ sei, ende sie, anders als die h. M. das annimmt, nicht schon mit der Feststellung der Satzung, sondern erst mit dem Entstehen der angestrebten juristischen Person (vgl. § 726 Alt. 1 BGB). Weil dieser „einheitliche Gründerverband“ von Anfang an (und nicht erst die Vorgesellschaft) auf die fertige juristische Person hin angelegt sei, sollen sich hiernach die Rechtsverhältnisse von der Vorgründungsgesellschaft „nahtlos“ in der Vorgesellschaft fortsetzen und schließlich von selbst (ipso iure) auf die spätere juristische Person übergehen.213 Obschon es, anders als es die h. M. behauptet, zutrifft, dass auch die Vorgesellschaft eine Personengesellschaft ist, übersieht diese Ansicht jedoch, dass erst der Vorgesellschaft (d. h. mit der Feststellung der Satzung) ein transitorischer Charakter zukommt.214 Sie ist aus diesem Grund abzulehnen.215
207 BGHZ 91, 148, 151; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 42; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 38; Schäfer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 32 Rn. 3; Merkt, in: MünchKomm-GmbHG, 3. Aufl. 2018, § 11 Rn. 109. 208 Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 284, 395. 209 Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 367; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 75 („mit der späteren Vorgesellschaft identische Gesellschaft“). 210 Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 353. 211 Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 367, 368; so ausdrücklich auch Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 75. 212 Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 352, 363, 365. 213 Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 366. 214 Nach Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 74, ist „eine so tiefgreifende Zäsur“ im Beurkundungsakt (d. h. in der Feststellung der Satzung) allerdings „nicht angelegt“, sondern in der Registereintragung; auch für Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 355, liegt „die entscheidende Zäsur (…) auf der Eintragung, nicht aber der Errichtung der Körperschaft“. 215 Dazu sogleich.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
III. Eigene Lösung Unabhängig von ihrer Rechtsnatur als reine Innengesellschaft (GbR) oder als Gesamthand (GbR oder OHG) hat die Vorgründungsgesellschaft ihren vereinbarten Zweck erreicht und löst sich auf, sobald ihre Gesellschafter (als Gründer) die Satzung der angestrebten juristischen Person festgestellt und so die Vorgesellschaft errichtet haben (§ 726 Alt. 1 BGB).216 Anders als im Verhältnis der Vorgesellschaft zur juristischen Person gehen Rechte und Pflichten der Vorgründungsgesellschaft nicht ipso iure auf die Vorgesellschaft über. Dabei spielt es indes keine Rolle, welche Rechtsnatur sie und die Vorgesellschaft haben (so aber h. M. und a. A.).217 Selbst wenn beide als Gesamthand wesensgleich sind, ist die Vorgesellschaft dennoch nicht Rechtsnachfolgerin der Vorgründungsgesellschaft und erst recht nicht mit ihr identisch. Dass Rechte und Pflichten nicht von selbst (ipso iure) von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft übergehen, ist ausschließlich ihrem transitorischen Charakter (d. h. dem der Vorgesellschaft) geschuldet. Da allein sie und noch nicht die Vorgründungsgesellschaft den Zweck hat, durch die Eintragung (oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit) die angestrebte juristische Person zu werden, ist auch nur sie bereits auf die künftige juristische Person hin angelegt.218 Die juristische Person ist als Verein der Körperschaft des deutschen Rechts nachgebildet.219 Die Körperschaft des deutschen Rechts entsteht gewissermaßen bereits mit der Errichtung ihrer Verfassung (d. h. mit der Satzungsfeststellung). Denn damit formiert sich in der sinnlich erfahrbaren Welt der menschliche Verband als ihr Träger, oder ihr Substrat. Die Körperschaft ist dann zwar noch nicht ein Rechtssubjekt (d. h. eine Verbandsperson). Wenn sie jedoch als solches durch das Recht anerkannt ist, indem sie in ein öffentliches Register eingetragen (§ 21 BGB) oder ihr die Rechtsfähigkeit verliehen worden ist (§ 22 Satz 1 BGB), wirkt der staatliche Akt auf den Zeitpunkt der Satzungsfeststellung zurück. Damit ähnelt sie einem menschlichen Kind (natus). Die Rechtsverhältnisse, die für das Kind bereits vor seiner „Geburt“, d. h. als es 216 Sofern die Gesellschafter ein Gesellschaftsvermögen gebildet haben, findet in Ansehung dessen eine Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt (§ 730 Abs. 1 BGB). Auch der Zweck (§ 705 BGB), den Geschäftsbetrieb der künftigen juristischen Person bereits aufzunehmen, endet, da diesen die Vorgesellschaft gleichsam übernimmt. 217 Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 33 Rn. 34; so auch BGHZ 91, 148, 151, wonach zwischen Vorgründungsgesellschaft und Vorgesellschaft deshalb „keine Kontinuität besteht“, weil allein auf die Vorgesellschaft das Recht der fertigen juristischen Person Anwendung findet. Das sei wiederum der Fall, weil „die Vorgesellschaft als ein auf die künftige juristische Person hin angelegtes Rechtsgebilde bereits körperschaftlich strukturiert“ sei (BGHZ 80, 129, 132). 218 BGHZ 80, 129, 132. 219 Der Ausdruck „Verein“ steht hier als Abbreviatur für alle Körperschaften des Privatrechts und damit für den rechtsfähigen Verein ebenso wie für AG, GmbH und (eingetragene) Genossenschaft.
C. Die Vorgründungsgesellschaft
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noch ein Embryo (nasciturus) war, begründet worden sind, sind von Anfang an wirksam, sofern das Kind später geboren wird (anderenfalls sind sie hinfällig, so auch bei der Körperschaft).220 Allein in diesem Sinn hat dann auch die Körperschaft ein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“.221 Das gilt aber nicht für die juristische Person. Sie ist als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) erst mit dem staatlichen Akt als Rechtssubjekt da und keinen Augenblick früher. Sie hat also anders als die Körperschaft kein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“, auf das ihre Eintragung oder Verleihung der Rechtsfähigkeit vorwirken könnte. Da sie ein nomen iuris ist, kann das Recht ihr erst anschließend, d. h. nachdem sie als Rechtssubjekt entstanden ist, einen menschlichen Verband als ihren Träger zuordnen. Das „Vorleben“ als Körperschaft (des deutschen Rechts) muss deshalb bei der juristischen Person erst künstlich hergestellt werden, sodass es nur so aussieht, als ob sie tatsächlich eine Körperschaft des deutschen Rechts wäre. Diese Aufgabe übernimmt die Vorgesellschaft als Gesamthand. Sie steht insofern stellvertretend für die noch nicht existente juristische Person, als sie die Funktion hat, für jene gleichsam schon vor deren „Geburt“ Rechtsverhältnisse zu begründen, die dann automatisch (ipso iure) mit der „Geburt“ rückwirkend solche der juristischen Person sind. Die Körperschaft beginnt also erst mit der Satzungsfeststellung. Allein Rechte und Pflichten, die entstanden sind, nachdem die körperschaftliche Verfassung errichtet worden ist, können daher solche der Körperschaft sein, sobald sie durch ihre Eintragung als Rechtssubjekt da ist. Und weil die juristische Person des BGB als Verein der Körperschaft des deutschen Rechts nachgebildet ist und die Vorgesellschaft deshalb deren „Vorleben“ lediglich nachahmt, gilt das auch für die juristische Person. Rechtsverhältnisse vor Satzungsfeststellung dürfen demnach nicht automatisch (ipso iure) solche der juristischen Person werden. Dazu käme es aber, wenn Rechte und Pflichten zunächst von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft und über diese dann auf die juristische Person übergingen.222 In diesem Sinn schließt es daher der transitorische Charakter der Vorgesellschaft von vornherein aus, Rechtsverhältnisse ipso iure von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft überzuleiten.
IV. Von der unechten wieder zur echten Vorgesellschaft Scheitert die Eintragung, sodass die angestrebte juristische Person niemals entsteht, wird aus der echten eine unechte (oder fehlgeschlagene) Vorgesellschaft. Es ist aber nicht so, dass die echte Vorgesellschaft endet und dafür die 220
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486, Fn. 18. Bd. 1, 1895, S. 486.
221 Gierke, Deutsches Privatrecht, 222 BGHZ 91, 148, 151.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
unechte entsteht. Vielmehr sind beide identisch, sie sind ein und dieselbe Gesamthand. Obschon die Gesellschaft ihren vereinbarten Zweck, durch Eintragung eine juristische Person zu werden, nicht mehr erreichen kann, endigt die Vorgesellschaft nicht (vgl. § 726 Alt. 2 BGB), und zwar, weil sie von Anfang an gleichsam alternativ den vereinbarten Zweck hat, für den Fall, dass die Eintragung dauerhaft ausbleibt, weiterhin kollektiver Rechtsträger für die zuvor begründeten Rechtsverhältnisse zu sein. Die unechte Vorgesellschaft setzt demgemäß die echte lediglich mit diesem Zweck fort. Mit dem Scheitern der Eintragung löst sich jedoch der menschliche Verband, der ja Träger (Substrat) der angestrebten juristischen Person werden sollte, von selbst auf. Die Menschen stehen in der sinnlich erfahrbaren Welt wieder für sich, sie sind von neuem eine unverbundene Menge. Entschließen sich die Gesellschafter erneut, alles dafür zu tun, dass der Staat eine juristische Person erschafft, ist die unechte Vorgesellschaft ipso iure eine Vorgründungsgesellschaft (als Gesamthand).223 Beide sind dieselbe Gesamthand. Allein der gemeinsame Zweck hat sich hier geändert. Wenn die Gesellschafter als Gründer abermals die Satzung für die angestrebte juristische Person feststellen und dadurch die körperschaftliche Verfassung errichten, formiert sich die wieder unverbundene Menge erneut zu einem menschlichen Verband, der in der phänomenalen Welt zukünftig Träger, das Substrat, der späteren juristischen Person sein soll. Parallel dazu entsteht in der Welt des Rechts wieder eine echte (!) Vorgesellschaft, die das „Vorleben“ der künftigen juristischen Person vor ihrer „Geburt“ gleichsam simuliert (als ob). Weil die echte Vorgesellschaft deswegen von neuem einen transitorischen Charakter hat (das zeichnet sie aus), ist sie eine insofern völlig neue Gesamthand und dementsprechend ein von der Vorgründungsgesellschaft verschiedener kollektiver Rechtsträger (selbst wenn diese eine Gesamthand ist). Denn nur so kann verhindert werden, dass Rechte und Pflichten von der unechten Vorgesellschaft (jetzt als Vorgründungsgesellschaft) auf die echte und darüber auf die fertige juristische Person übergehen. Die neue (echte) Vorgesellschaft setzt also nicht die unechte (über die Vorgründungsgesellschaft) einfach fort. Es ist dementsprechend nicht ein und derselbe Rechtsträger, es sind zwei verschiedene Gesamthandsgemeinschaften.224 223 Weil die unechte Vorgesellschaft ihrem Begriff nach die Geschäfte, die an sich erst die ursprünglich angestrebte juristische Person betreiben sollte, als GbR oder, sofern es sich um ein Handelsgewerbe handelt, als OHG betreibt, ist davon auszugehen, dass auch die Vorgründungsgesellschaft dies tut und deshalb nicht bloß reine Innengesellschaft (GbR), sondern eine Gesamthand (als GbR oder OHG) ist. Anderenfalls sind beide, als unechte Vorgesellschaft (Gesamthand) und als Vorgründungsgesellschaft (societas), freilich verschieden, löst sich die unechte Vorgesellschaft auf und entsteht parallel dazu die Vorgründungsgesellschaft. 224 Das gilt selbstverständlich erst recht, wenn die Vorgründungsgesellschaft eine In-
D. Die Einpersonengründung
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D. Die Einpersonengründung I. Der menschliche Verband „kraft der Zeit und in der Zeit“ Eine Korporation i. S. des BGB („Verein“) kann im Grundsatz auch durch „eine Person“ (d. h. einen Menschen) errichtet werden (so bei AG und GmbH: § 2 AktG; § 1 GmbHG). Der Verein ist als juristische Person im BGB zwar als eine universitas, als eine Anstalt des römischen Rechts, ausgestaltet, dennoch ahmt er eine Körperschaft des deutschen Rechts, eine reale Verbandsperson, nach. Er braucht zumindest einen menschlichen Willensträger, um als Körperschaft funktionieren zu können. Dafür reicht aber auch ein einzelner Mensch aus, an dem die Korporation als nomen iuris in der sinnlich erfahrbaren Welt festmachen kann. Durch diesen einen Menschen als ihren Träger, ihr Substrat, ist sie fähig, aus sich selbst heraus einen Willen zu bilden und danach zu handeln. Obgleich der Gründer nur ein einzelner Mensch ist, formiert sich mit der Satzungsfeststellung ein menschlicher Verband. Die Vielzahl von Menschen, die nötig sind, um einen menschlichen Verband zu bilden, schöpft jener als ein soziales Ganzes (corpus mysticum) nicht allein aus dem einen momentanen Mitglied, dem einzelnen Gründer, nicht nur aus der Gegenwart, sondern aus der Pluralität seiner Mitglieder durch die Zeit.225 Der menschliche Verband setzt sich aus wirklichen und potenziellen, aus gegenwärtigen, aber auch vergangenen und künftigen Mitgliedern (als Menschen) zusammen.226 Auch wenn sich in der Gegenwart („in jedem Augennengesellschaft, eine societas, und nicht eine Gesamthand, eine Außengesellschaft (als GbR oder OHG), ist. 225 Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, 1957 (1992), S. 317, 318–319. Dazu, vor allem bezogen auf die Figur der „corporation sole“ des englischen Rechts (ebenda, S. 19, 42, 398, 449), deren Substrat „zur Zeit“ bloß ein einzelner Mensch ist: Flume, Die juristische Person, 1983, S. 2 mit Fn. 9 („Blackstone, Commentaries on the laws of England, 7. Aufl. 1775 I cap. 18“); Maitland, The Corporation Sole, Law Quarterly Review 16 (1900), 335–354; ders., The Crown as Corporation, Law Quarterly Review 17 (1901), 131– 146; McLean, The Crown in Contract and Administrative Law, Oxford Journal of Legal Studies 24 (2004), 129–154; Nolan, Metaphoric History: Narrative and New Science in the Work of F. W. Maitland, PMLA 118 (2003), 557, 564–566. Dazu auch Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 44–62, 63–85 (und öfter). Auch wenn es sicherlich reizvoll wäre, die Rechtsfigur der „corporation sole“ in diesem Zusammenhang einer genaueren Betrachtung zu unterziehen, ist das an dieser Stelle für das Verständnis der Einpersonengründung nicht erforderlich und kann daher unterbleiben. Es kommt hier allein auf den Gedanken an, der den Hintergrund für beide Rechtsfiguren bildet: Der menschliche Verband als „Substrat“ der juristischen Person („corporation“) zieht seine Mitglieder (= Menschen) „aus der Zeit“, nicht allein aus der Gegenwart, sondern auch aus der „Zukunft“ (und der Vergangenheit). 226 Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, 1957 (1992), S. 317, der hier (wiederum) auf Thomas von Aquin, Summa Theologica, Bd. III, 8. Frage, 3. Artikel, verweist: „(…) haec est differentia inter corpus hominis naturale et corpus Ecclesiae mysticum, quod membra corporis naturalis sunt omnia simul, membra autem corporis mystici non sunt omnia simul:
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§ 13 Die Vorgesellschaft
blick“) nur ein einziges statt vieler Mitglieder zeigt und daher im gegenwärtigen Augenblick nicht „eine Vielzahl von Menschen in einem Leib versammelt“ ist, sind es durch die Aufeinanderfolge der Mitglieder in der Zeit doch viele.227 Ein Mitglied folgt sukzessive auf das vorhergehende, sodass „kraft der Zeit und in der Zeit“ eine Gesamtheit von Menschen und insofern ein menschlicher Verband existiert.228 Der menschliche Verband bildet sich also, wenn der Gründer, obschon er real in der Gegenwart nur einer ist, sich als Teil eines Ganzen versteht.229 Er vergegenwärtigt das soziale Ganze, den menschlichen Verband, lediglich im Hier und Jetzt, indem er in seiner Person, d. h. als ein Mensch, den menschlichen Verband in der phänomenalen Welt „greifbar und sichtbar“ macht.
II. Auch hier: Die Satzung ist Norm, nicht Vertrag Aus diesem Grund herrscht selbst in einer Einmann-Korporation nicht der „Sonderwille“ des Gründers (volonté particulière), sondern der „allgemeine Wille“ des menschlichen Verbands (volonté générale). Als gegenwärtiges Mitglied repräsentiert der Gründer lediglich pars pro toto (d. h. als Organ) den menschlichen Verband. Da jener für seine gegenwärtigen und künftigen Mitglieder die körperschaftliche Verfassung errichtet und dabei mehr ist als die neque quantum ad esse naturae, quia corpus Ecclesiae constituitur ex hominibus qui fuerunt a principio mundi usque ad finem ipsius; neque etiam quantum ad esse gratiae, quia eorum etiam qui sunt in uno tempore, quidam gratia carent postmodum habituri, aliis eam jam habentibus. Sic igitur membra corporis mystici non solum accipiuntur secundum quod sunt in actu, sed etiam secundum quod sunt in potentia (…)“. – „Zwischen dem natürlichen Leib des Menschen und dem mystischen Leib der Kirche besteht dieser Unterschied: Dem natürlichen Leibe gehören alle Glieder gleichzeitig an, dem mystischen aber nicht. Und dies gilt von der Kirche als natürlicher und übernatürlicher Wirklichkeit. Als natürliche Wirklichkeit wird sie von den Menschen aller Zeiten gebildet, die vom Anfang bis zum Ende der Welt über diese Erde gehen. Als übernatürliches Sein geschaut, finden sich in ihr zu jeder Zeit solche, die noch nicht zum Leben der Gnade erweckt, später aber von ihr belebt werden, während andere es schon besitzen. Somit kann man als Glieder des mystischen Leibes nicht nur die ansehen, die ihm tatsächlich angehören, sondern auch die, die nur der Möglichkeit nach seine Glieder sind.“ (Übersetzung nach: Die Deutsche Thomas-Ausgabe, Bd. 25: Die Menschwerdung Christi, 2. Aufl. 1934, S. 220–221). Siehe zu den Ursprüngen der „corporation sole“ im kirchlichen Recht („ecclesiastical law“) und zu ihrem „Transfer“ in das englische Recht das in Fn. 225 aufgeführte Schrifttum. Dazu passt es, dass Kantorowicz den Umstand, dass „der Erzbischof von San Francisco juristisch als eine ‚Corporation sole‘, eine Einmann-Körperschaft, angesehen werden kann“, zum Anlass für seine Studie „Die zwei Körper des Königs“ genommen hat (ebenda, S. 19). 227 Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, 1957 (1992), S. 318, 320–321. 228 Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, 1957 (1992), S. 318–319. 229 Brecher, in: FS Hueck, 1959, S. 233, 246, erkennt, dass die Einmanngesellschaft „mehr substantielle Personenelemente in sich hat als eine Stiftung, „denn sie stellt immerhin der formalen Struktur nach potentiell einen Verband dar, und der ‚Einmann‘ ist als natürliche Person Mitglied“ (Hervorhebung nicht im Original).
D. Die Einpersonengründung
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Summe seiner Teile, sind normsetzende Autorität und normunterworfene Subjekte auch hier nicht identisch, sodass die Satzung Normcharakter hat und dementsprechend objektives Recht ist, sobald die angestrebte juristische Person entsteht (erst dann kann die Satzung in Kraft treten). Dass die Satzungsfeststellung nicht (nur) ein Vertrag sein kann, sondern ein sozialrechtlicher Konstitutivakt sein muss, offenbart sich besonders anschaulich bei der Einpersonengründung. Weil der Vertrag ein mehrseitiges Rechtsgeschäft ist, setzt er seinem Begriff nach mindestens zwei Beteiligte voraus (vgl. § 311 Abs. 1 BGB). Auch deshalb kann die Satzung nicht zunächst „Vertrag“ und erst anschließend, wenn die juristische Person durch Eintragung entstanden ist, „Norm“ (d. h. objektives Recht) sein, vielmehr muss sie von Anfang an Normcharakter haben.
III. Das Problem: Ein „Gesellschafter“ kann nicht eine Gesamthand sein Obgleich der Verein einer Körperschaft des deutschen Rechts nachempfunden ist (als ob), ist er eine Anstalt (universitas) und hat deshalb anders als eine Körperschaft (corpus) nicht ein „Vorleben“ vor seiner „Geburt“. Erst mit Eintragung ist er da, „nicht einen Augenblick früher, jetzt aber fertig und gerüstet, wie Athene aus Jupiters Haupt“.230 Die Aufgabe, ein solches Vorleben als (vermeintliche) Körperschaft für die angestrebte juristische Person nachzustellen, fällt an sich (d. h. bei der Mehrpersonengründung) der Vorgesellschaft zu. Als Gesamthand muss die Vorgesellschaft indes aus mindestens zwei gegenwärtigen Mitgliedern bestehen, da es sonst an einer kollektiven Rechtsfähigkeit fehlt.231 Ein gemeinsamer status im Recht setzt zwei oder mehr Personen voraus, die ihn zusammen und gleichzeitig einnehmen, denn anderenfalls ist die Gesamthand nicht eine persona moralis composita (und ihr status nicht ein gemeinsamer). Das zeigt auch das Bild, das der Ausdruck „zur gesamten Hand“ zeichnet. Denn eine gesamte Hand, bei der zwei oder mehr Hände ineinander verschlungen sind, um die Verbundenheit der Subjekte anschaulich zu machen, kann offensichtlich nicht nur aus einer Hand bestehen.232
230
Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100). Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 21; so selbst Flume, Die juristische Person, 1983, S. 173, da für ihn die Gesamthand als Personenverband per definitionem eine Personenmehrheit voraussetzt. 232 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 664. 231
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§ 13 Die Vorgesellschaft
IV. Die Lösung: Die „Vorgesellschaft“ als Sondervermögen des Einpersonengründers 1. Von der „Einpersonen-Vorgesellschaft“ zur angestrebten juristischen Person Mit Satzungsfeststellung entsteht deshalb nicht eine Vorgesellschaft als Gesamthand, sondern bloß ein Sondervermögen, dessen Rechtsträger allein der Einmanngründer ist.233 Ab diesem Zeitpunkt verfügt er über zwei getrennte Vermögensmassen: das Sondervermögen und sein sonstiges Vermögen. Das Sondervermögen unterscheidet sich vom übrigen Vermögen durch den Zweck, dem es gewidmet ist. Denn sobald die angestrebte juristische Person durch ihre Eintragung entstanden ist, soll das Sondervermögen automatisch auf diese übergehen. Das Sondervermögen besteht zunächst allein aus dem „Anspruch“ des Gründers gegenüber sich selbst, das zugesagte Grund- oder Stammkapital in das Sondervermögen zu überführen. Und gleichzeitig ist das übrige Vermögen gleichsam spiegelbildlich zu dieser „Forderung“ mit der entsprechenden „Schuld“ zugunsten des Sondervermögens belastet.234 Zwischen den beiden getrennten Vermögensmassen entsteht dadurch ein objektives Schuldverhältnis.235 Das Schuldverhältnis ist nur objektiv, weil beide Vermögensmassen denselben Rechtsträger haben. Es fehlt deshalb sowohl an einem Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 Abs. 1 BGB) als auch umgekehrt an einer subjektiven Verpflichtung. Auch wenn sich niemand durch einen Vertrag gegenüber sich selbst verpflichten kann und sich auf der Seite des Subjekts gar nichts ändert, wenn der Gründer ein eigenes Recht (oder eine Pflicht) einem anderen Vermögen zuordnet, das ihm ebenfalls gehört, nimmt er zwar nicht ein Rechtsgeschäft vor, dafür aber einen „Rechtsakt“, da sich, so Gierke, „gewisse sachliche Eigenschaften und Beziehungen verändern und diese Änderung rechtliche Wirkungen hat“.236 Diese „rechtliche Wirkung“ ist die Fähigkeit des objektiven Rechtsverhältnisses, „sofort“ in ein subjektives umzuschlagen, sobald Gläubiger und Schuldner personenverschieden sind.237 233
Flume, ZHR 146 (1982), 205, 208; Fezer, JZ 1981, 608, 617. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 69. 235 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 68–69; auch Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 340, spricht von „Rechtsbeziehungen“; ihm folgend Schröder, JZ 1978, 379, 383, sowie Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 377 („obligatorische Rechtsbeziehungen“), und Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, 1998, S. 51, stellt sogar fest, es sei „ohne weiteres plausibel, warum die Konstruktion von Rechtsbeziehungen zwischen dem Rechtssubjekt als Träger des Hauptvermögens einerseits und als Träger des Sondervermögens andererseits, die Anerkennung von Rechten und Pflichten ‚gegen sich selbst‘, sinnvoll, ja notwendig sein kann“ (Hervorhebung im Original). 236 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 74. 237 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 74. 234
D. Die Einpersonengründung
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Mit der Eintragung geht das Sondervermögen des Einmanngründers und die darin enthaltenen Rechte und Pflichten auf die fertige juristische Person über. Hat der Gründer die zugesicherte Einlage in diesem Zeitpunkt (noch) nicht geleistet, bestand vor der Eintragung und damit vor dem Entstehen der juristischen Person zunächst nur ein objektives Schuldverhältnis zwischen dem Sondervermögen des Einmanngründers und seinem übrigen Vermögen. Sobald jedoch diese Forderung auf die juristische Person übergeht, erstarkt das ursprünglich nur objektive Schuldverhältnis zu einem subjektiven. Denn jetzt stehen sich der Gründer als Schuldner und die juristische Person als Gläubigerin einander gegenüber; ein Anspruch besteht (§ 194 BGB).
2. Das objektive Schuldverhältnis im BGB Diese Vorstellung von einem objektiven Rechtsverhältnis ist dem BGB durchaus bekannt. Ein Eigentümer kann an seinem Grundstück auch für sich selbst eine Grundschuld bestellen (vgl. § 1196 Abs. 1 BGB). Der Inhalt einer Grundschuld besteht nun darin, dass ihr Inhaber das Recht hat, vom (jeweiligen) Eigentümer des belasteten Grundstücks verlangen zu können, ihm eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen (§ 1191 Abs. 1 BGB). Bei einer Eigentümergrundschuld sind Gläubiger und Schuldner identisch. Weil es deshalb an der für ein subjektives Rechtsverhältnis erforderlichen Personenverschiedenheit mangelt, 238 kann der Eigentümer als Gläubiger „nicht die Zwangsvollstreckung zum Zwecke seiner Befriedigung betreiben“ (so ausdrücklich § 1197 Abs. 1 BGB). Es entsteht demzufolge auch hier lediglich ein objektives Schuldverhältnis, das aber sofort ein subjektives wird, sobald der Eigentümer sein Grundstück, das mit der Eigentümergrundschuld belastet ist, veräußert (§ 873 BGB). Denn weil die Eigentümergrundschuld nicht als Zubehör mit dem Grundstück verbunden ist, geht sie nicht automatisch bei dessen Veräußerung auf den Erwerber über, vielmehr verbleibt sie dem Veräußerer von nun an als Fremdgrundschuld, 239 sodass Gläubiger und Schuldner nunmehr verschiedene Personen sind. Auch wenn bei einem objektiven Schuldverhältnis Gläubiger und Schuldner dieselbe Person sind, weil Sondervermögen und übriges Vermögen dasselbe Rechtssubjekt haben, vereinigt sich die Forderung gleichwohl nicht mit der Schuld, es tritt keine Konfusion ein. Forderung und Schuld gehören jeweils zu verschiedenen Vermögensmassen, die deswegen gegeneinander abgesondert und abgeschlossen sind, weil sie die in ihnen enthaltenen Rechte und Pflichten derart umschließen, dass sich die Rechte und Pflichten der einen nicht mit 238 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 66, Fn. 80, wonach die Eigentümergrundschuld eine Schuld ist, bei der die subjektive Verpflichtung fehlt. 239 So ausdrücklich BGH, NJW 2009, 847, 848.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
denen der anderen Vermögenssphären desselben Subjekts unmittelbar berühren können.240 Das gilt auch für die Eigentümergrundschuld. Das Grundstück, auf dem die Eigentümergrundschuld ruht, ist als Grundvermögen von dem übrigen Vermögen des Eigentümers dermaßen getrennt, dass seine Forderung (als Inhaber der Grundschuld) und seine Schuld (als Inhaber des damit belasteten Grundstücks) nicht direkt zusammentreffen; denn anderenfalls könnte eine Grundschuld nicht auch für den Eigentümer bestellt werden (vgl. § 1196 Abs. 1 BGB).241 Damit ist unverkennbar, dass der Vermögensbegriff des deutschen Rechts, nach dem zum Vermögen neben Rechten und Forderungen auch Schulden gehören (können), durchaus im BGB fortlebt.242
3. Die Verselbständigung des Sondervermögens durch einen ständigen Vertreter Bestellt der Einmanngründer einen von seiner Person verschiedenen Geschäftsführer oder Vorstand, zweigt er von seiner Vermögensherrschaft (über das Sondervermögen) die Macht zu ihrer Ausübung ab.243 Dadurch geht das Recht, das Sondervermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, genauso vom Gründer auf den Geschäftsführer oder den Vorstand über wie vom Erben auf dem Nachlassverwalter (§ 1984 Abs. 1 Satz 1, § 1985 Abs. 1 BGB) und vom Gemeinschuldner auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO). Doch obwohl Gründer, Erbe und Gemeinschuldner die Befugnis verlieren, das Sondervermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, bleiben sie doch dessen Rechtsinhaber, es ist ihr Vermögen.244 Sollte nun der Einmanngründer die zugesicherte Einlage in das Sondervermögen noch nicht bewirkt haben, können 240
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 70, 74. Nachlass und Erbenvermögen können zwei voneinander getrennte Vermögensmassen ein und desselben Rechtssubjekts (d. h. des Erben) und derart gegeneinander abgeschlossen sein, dass sich „Recht und Verbindlichkeit“ oder „Recht und Belastung“ nicht vereinigen (§ 1976 BGB); für ein solches objektive Schuldverhältnis zwischen beiden Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 69, Fn. 89. 242 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 66 mit Fn. 79; auch für Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 4. Aufl. 2016, Rn. 231, setzt sich das Vermögen im BGB aus Rechten und Verbindlichkeiten zusammen, er verweist auf § 1922 BGB, wonach das Vermögen des Erblassers als Ganzes und damit auch dessen Schulden auf den Erben übergehen (§ 1967 Abs. 1 BGB); für diesen „wirtschaftlichen Vermögensbegriff“ ebenfalls Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012, § 26 Rn. 21, „wenn die Gesamtheit der Rechte und Pflichten auf einen anderen übergeht“ (§ 1922 BGB); für Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 11, besteht das Vermögen gleichfalls aus „Rechten und Pflichten“; selbst Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 338, gesteht ein, dass ein Vermögen „neben den Aktiven auch Passiva haben“ kann. 243 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 62, Fn. 65. 244 Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 12. Aufl. 2012, § 26 Rn. 32; Fezer, JZ 1981, 608, 617. 241 Auch
D. Die Einpersonengründung
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Geschäftsführer oder Vorstand als Vertreter dies von ihm (notfalls klageweise) verlangen.245 Auf diese Weise sieht es allerdings so aus, als ob „die wirklich handelnden Personen“ (d. h. Geschäftsführer und Vorstand) nicht für den Vermögensträger selbst (als das Rechtssubjekt), auftreten würden, sondern für das Sondervermögen (als Rechtsobjekt) „in Stellvertretung oder Organschaft“.246 Doch kommt hierdurch bloß zum Ausdruck, dass das Sondervermögen „als ein in sich beruhendes Ganzes eine Summe einzelner Rechte und Pflichten umschließt und abschließt“.247 Bereits der Vermögensträger tritt daher im Rechtsverkehr nicht „als Subjekt schlechthin“, sondern eben nur als Träger seines Sondervermögens auf.248 Die Selbständigkeit des Vermögens zeigt sich also besonders deutlich, wenn eine andere Person und nicht der Rechtsinhaber selbst (d. h. das Subjekt) das Vermögen verwaltet und darüber verfügt. Ein Sondervermögen als solches kann indes nicht selbst rechtsfähig (d. h. ein Rechtssubjekt) sein. Ein Vermögen setzt voraus, dass es einem Vermögensträger rechtlich zugeordnet ist, „und nur diesem kommt (notwendigerweise) Rechtsfähigkeit zu“.249 Denn das Vermögen ist die Gesamtheit der geldwerten Rechte, die einer Person zustehen.250 Das, was das Vermögen zu einer Einheit macht, ist demnach ihr Subjekt, setzt es demnach voraus.251 Damit Rechtsgeschäfte zwischen den verschiedenen Vermögensmassen desselben Subjekts überhaupt möglich sind, muss das Sondervermögen demzufolge an sich durch die Einsetzung eines fremden, weil von der Person des Vermögensträgers verschiedenen, Geschäftsführers oder Vorstands „als ständiger Vertreter organisatorisch verselbständigt“ sein.252 Der Verwalter hat das Recht, vom Vermögensinhaber, dem Subjekt, ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, und umgekehrt (§ 194 Abs. 1 BGB).253 Das Subjekt ist zwar immer noch Rechtsinhaber auch des Sondervermögens, das der Verwalter vertritt, doch wirkt das Verhalten des Verwalters nur unmittelbar für und gegen das Subjekt des Sondervermögens (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist aber nicht ein 245 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 69, Fn. 89. 246 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873,
S. 72. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 72. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 72. 249 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 22. 250 Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 12. Aufl. 2012, § 26 Rn. 16. 251 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 320; Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 72–74: „Hier überall kann das Sachganze weder sein eignes Subjekt, noch subjektlos sein.“ (dort, S. 73). 252 Schröder, JZ 1978, 379, 385. 253 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 338, wonach das Subjekt des Sonderguts (d. h. des Sondervermögens) oder der, welcher es verwaltet, zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet sein kann. 247 248
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§ 13 Die Vorgesellschaft
solches des Vermögensträgers, sodass Gläubiger und Schuldner hier insofern personenverschieden sind. Wenn nun aber nach außen erkennbar dokumentiert ist, dass ein Gegenstand, oder Recht, aus dem Privatvermögen in das „Gesellschaftsvermögen“ gewechselt ist und deshalb zum künftigen Vermögen der angestrebten juristischen Person gehört, ist schon allein dadurch die erforderliche Publizität dafür hergestellt, dass eine Rechtsänderung eingetreten ist. Die nötige Rechtssicherheit (bona fides) ist gewahrt, 254 sodass unter diesen Umständen nicht unbedingt eine vom Einmanngründer verschiedene Person, sondern auch er selbst als Geschäftsführer oder Vorstand Verwalter seines Sondervermögens („Gesellschaftsvermögens“) sein kann.255 Da in diesem Fall der Verwalter des „Gesellschaftsvermögens“ aber wieder bzw. immer noch mit dem des Privatvermögens identisch ist, fehlt es an „der subjektiven Voraussetzung der Personenverschiedenheit“, die unerlässlich dafür ist, dass die objektive Rechtsbeziehung zwischen den Vermögensmassen zu einer subjektiven erstarkt.256 Demnach kann es jedoch zwischen dem Privatvermögen und dem „Gesellschaftsvermögen“ (als Sondervermögen) nicht zu einem (echten) Rechtsgeschäft kommen, sondern lediglich zu einem Rechtsakt, der sich analog den Regeln des fraglichen Rechtsgeschäfts vollzieht, d. h., es wird so getan, als ob die Rechtsänderung zwischen zwei Rechtssubjekten erfolgen würde.257
4. Die Zweckbindung des Sondervermögens a) Die Regeln, denen das Sondervermögen unterworfen ist Das Sondervermögen ist also ein Teilvermögen desselben Rechtssubjekts, das aber anderen Regeln unterworfen ist als das übrige Vermögen.258 Welche Regeln das sind, folgt aus dem Zweck, zu dem das Sondervermögen bestimmt ist (Zweckbindung).259 Der „spezielle Zweck“ des Sondervermögens, dessen Träger der Einmanngründer ist, besteht nun darin, einmal das Vermögen der angestrebten juristischen Person zu werden. 260 Weil der Gründer als Träger des Sondervermögens und als Träger seines übrigen Vermögens (Privatvermögens) 254
Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 86. Fezer, 1981, 608, 617, ist dabei die „rechtliche Funktionsteilung“ entscheidend: „Der Einmann ist als Gründer Rechtsinhaber ohne Verfügungsbefugnis, als Geschäftsführer verfügungsberechtigter Verwalter des Sondervermögens.“ Recht und Verfügungsbefugnis sind also getrennt (aaO., S. 616). 256 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 74. 257 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 337; ihm folgend Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 379. 258 Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 377. 259 Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 377. 260 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 332 (Zitat); Flume, ZHR 146 (1982), 205, 210. 255 Nach
D. Die Einpersonengründung
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eine „doppelte Subjektrolle“ einnimmt, kann es zwischen beiden Vermögensmassen, obschon sie demselben Rechtssubjekt gehören, Rechtsbeziehungen geben.261 Das Subjekt hat lediglich „zwei Rechtskreise“ (d. h. zwei Vermögen), „zwischen denen wegen der Gemeinsamkeit des Subjekts eine Art von Personalunion besteht“.262 Damit für Dritte offensichtlich ist, dass ein Gegenstand (d. h. ein Recht) von dem einen Vermögen in das andere desselben Subjekts übergegangen ist, gelten für dessen Übertragung dieselben Regeln wie für Rechtsgeschäfte zwischen zwei verschiedenen Rechtssubjekten (Publizität).263 Es wird also bloß so getan, als ob das Sondervermögen einer anderen Person gehörte als das übrige Vermögen. Bewegliche Sachen müssen übergeben und Grundstücke aufgelassen werden.264 Eine Grundbucheintragung ist nun aber an sich von vornherein nicht möglich. Veräußerer und Erwerber sind dieselbe Person, sodass der Eigentümer derselbe bleibt.265 Dadurch, dass der Einmanngründer Träger eines Sondervermögens ist, simuliert er jedoch das „Vorleben“ der geplanten juristischen Person als einer vermeintlichen Körperschaft vor ihrer „Geburt“. Er steht in dieser Eigenschaft stellvertretend für die künftige juristische Person, er nimmt vorläufig mit seinem Sondervermögen ihren Platz (als Rechtssubjekt) ein, dem deshalb ein „transitorischer Charakter“ zukommt. Aus diesem Grund geht es später automatisch (ipso iure) auf die dann existente juristische Person über. Da die juristische Person demzufolge später Eigentümerin des Grundstücks wird, soll eigentlich bereits sie im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen werden. Weil sie aber erst durch den staatlichen Akt der Registereintragung (als Rechtsträger) entsteht, kann sie das aber nicht. Sie muss sich deshalb auch insoweit vom Einmanngründer (mit seinem Sondervermögen) vertreten lassen, bis sie schließlich als juristische Person (d. h. als Rechtssubjekt) existiert. Allein um diesen „transitorischen Charakter“ der Eigentümerstellung nach außen kenntlich zu machen, wird der Einmanngründer in seiner Rolle als „Platzhalter“ und deswegen gleichsam stellvertretend für die angestrebte juristische Person und insofern im Grundbuch als deren Vorstufe eingetra261 Schröder, JZ 1978, 379, 382, 383; Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 340; zu Recht betont Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 61, Fn. 63, dass man hier von einer „doppelten Personenrolle“, nicht aber von einem „doppelten Rechtssubjekt“ sprechen kann; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 377. 262 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 345. 263 Windbichler, Gesellschaftsrecht, 24. Aufl. 2017, § 21 Rn. 38, im Anschluss an BayObLG, BB 1994, 530, wonach die Zugehörigkeit der Einlage zum Sondervermögen für einen Außenstehenden erkennbar sein muss. Für Flume, ZHR 146 (1982), 205, 210, sind hier die Formen der Rechtsübertragung deshalb zu wahren, weil das Sondervermögen später ipso iure eines der fertigen juristischen Person sein soll. 264 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 337. 265 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 337, Fn. 22.
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gen, d. h. als eine juristische Person „in Gründung“.266 Entsteht die juristische Person schließlich, wird sie von selbst Eigentümerin des Grundstücks. Die Rechtsänderung, d. h. der Eigentümerwechsel vom Einmanngründer auf die fertige juristische Person vollzieht sich „kraft Gesetzes“ (ipso iure), sodass es einer Auflassung nicht bedarf (§§ 873, 925 BGB), das Grundbuch ist deshalb jetzt nur noch zu berichtigen.267 Entsteht die angestrebte juristische Person dagegen nicht, weil die Registereintragung scheitert, bleibt der Gründer Eigentümer des Grundstücks. Es kommt hier nicht zu einer Rechtsänderung. Da er oder vielmehr seine Eigentümerstellung an dem Grundstück jedoch ihren „transitorischen Charakter“ verliert, ist das Grundbuch trotzdem insoweit zu berichtigen.
b) Der Irrtum der h. M. Für die h. M. ist eine solche rechtsgeschäftliche Übertragung, bei der der Einmanngründer auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts steht, trotz Trennung der Vermögensmassen „dogmatisch kaum konstruierbar“, sodass schon allein deshalb für sie die Vorgesellschaft als solche (und das auch nur mit einem Mitglied) bereits Zuordnungssubjekt (d. h. Rechtssubjekt) sein muss.268 Die h. M. ist hier dem römischen Recht verhaftet, das ein Schuldverhältnis als iuris vinculum nur unmittelbar zwischen Gläubiger und Schuldner (als Personen) kennt (Inst. 3, 13 pr), und daher auf dem Axiom basiert: eine Person, ein Vermögen. 269 Das BGB ist indes eine Synthese aus römischen und deutschem Recht, sodass „das heutige Recht nicht zu erklären (ist), wenn man sich nicht mit dem Gedanken vertraut macht, dass eine Person (auch) mehrere Vermögen haben“ kann. 270 Wie sonst ist es möglich, dass der Erbe einen Anspruch gegen den Nachlass 266 BGHZ 45, 338, 348–349; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 987; siehe auch Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 11 Rn. 42, wonach die Vorgesellschaft im Rechtsverkehr bereits unter dem Namen (Firma) der künftigen juristischen Person auftritt, dabei aber den Zusatz „in Gründung“ führt, um auf ihr Stadium als Vorgesellschaft hinzuweisen; vgl. auch Flume, ZHR 146 (1982), 205, 210. 267 BGHZ 45, 338, 348–349. 268 So ausdrücklich Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 42. 269 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 345, Fn. 40; mit dem peculium (Sondergut) und der dos (Mitgift) hat das römische Recht „nur in beschränktem Umfang“ den Begriff des Sondervermögens entwickelt, während das deutsche Recht ihn „kräftig ausgebildet und mannigfach entfaltet“ hat (so Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 57 mit Fn. 39; ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 64). 270 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 345, Fn. 40. Selbst im heutigen Recht bildet das Grundvermögen ein „deutschrechtliches Sondervermögen“, das neben den Grundstücken des Schuldners auch dazu gehörige bewegliche Sachen, Rechte (§ 1120 BGB) und Forderungen (§ 1123 BGB) umfasst (so ausdrücklich für die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, § 865 ZPO) (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 2, 1905, S. 57 mit Fn. 41).
D. Die Einpersonengründung
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haben kann, obschon er sowohl dessen Träger als auch seines Privatvermögens ist, sodass auf beiden Seiten des Schuldverhältnisses dasselbe Subjekt (als Gläubiger und Schuldner) steht (vgl. § 1978 Abs. 3 BGB; siehe auch § 1976 BGB). Nach h. M. müsste sich die Forderung mit der Schuld in der Person des Erben vereinigen und erlöschen (Konfusion), was aber hier offensichtlich nicht geschieht (so auch bei der Eigentümergrundschuld, § 1196 Abs. 1 BGB). Bei der Eigentümerhypothek schließlich stehen dem Eigentümer sowohl die Hypothek als auch die Forderung zu (§ 1177 Abs. 2 BGB). Trotz dieser (doppelten) Vereinigung in einer Person erlöschen beide nicht, vielmehr leben sie als subjektive Schuldverhältnisse sofort wieder auf, sobald Gläubiger und Schuldner erneut verschiedene Personen (d. h. Rechtssubjekte) sind. Gehören Forderung und Schuld zwei getrennten Vermögensmassen desselben Subjekts an, erlöschen beide demzufolge erst dann durch Konfusion, wenn sich die Vermögensmassen vereinigen, denn nun berühren sich Forderung und Schuld desselben Subjekts unmittelbar. 271
5. Die persönliche Haftung des Einpersonengründers a) Endet mit der Eintragung Weil das Sondervermögen seinen Zweck mit Entstehen der angestrebten juristischen Person erreicht hat, gehen mit Registereintragung die in ihm enthaltenen Rechte und Pflichten ipso iure (im Wege der Gesamtrechtsnachfolge) auf die juristische Person über.272 Erst ab der Eintragung hat nur noch die juristische Person für die auch schon vor Eintragung begründeten Verbindlichkeiten einzustehen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG). Obgleich die Schulden vor Eintragung zunächst allein auf dem Sondervermögen lasten, ist der Gründer als dessen Träger Schuldner und nicht das Sondervermögen, „denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht Vermögensmassen treffen“.273 Weil ein Schuldner für seine Verpflichtungen grundsätzlich immer mit seinem gesamten Vermögen haftet, 274 hat auch der Einmanngründer nicht nur mit dem Sondervermögen, auf dem die Verbindlichkeiten ruhen, sondern auch mit seinem übrigen Vermögen (Privatvermögen) für diese einzustehen.
b) Ist in der „echten Vorgesellschaft“ vorläufig suspendiert Die Haftung des Gründers mit seinem übrigen Vermögen (d. h. Privatvermögen) ist indes in der „echten Vorgesellschaft“ oder besser gesagt im Stadium 271 272
Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 343. Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 95. 273 BGHZ 146, 341, 345. 274 BGHZ 142, 315, 319.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
von der Satzungsfeststellung bis zur Entstehung der angestrebten juristischen Person (vorläufig) suspendiert, da er (mit seinem Sondervermögen) nur stellvertretend für die geplante juristische Person steht. Die spätere juristische Person und nicht der Gründer soll letztendlich verpflichtet werden (deshalb gehen die Schulden ja auch ipso iure auf diese über, sobald sie entstanden ist). Ein Gläubiger der „Vorgesellschaft“ kann daher auch bloß erwarten, in Zukunft die juristische Person und nicht schon den Gründer selbst in Anspruch nehmen zu können, sodass vor der Registereintragung der Gründer ausschließlich mit seinem Sondervermögen haftet. Das Sondervermögen ist dabei, gewissermaßen umgekehrt, dem Zugriff der Privatgläubiger des Gründers entzogen (vgl. § 1984 Abs. 2 BGB).275 Denn nur auf diese Weise kann es seinen Zweck erreichen, einmal das Vermögen der angestrebten juristischen Person zu sein. Bleibt die Eintragung jedoch aus und ist aus diesem Grund die Erreichung dieses Zwecks unmöglich, löst sich das Sondervermögen von selbst auf, indem es wieder mit dem übrigen Vermögen des Gründers, seinem Privatvermögen, verschmilzt (Rechtsgedanke des § 726 Alt. 2 BGB). Eine solche Auflösung des Sondervermögens kann ein Privatgläubiger an sich auch künstlich herbeiführen, indem er den „Anteil“ des Gründers daran „pfändet“ und im Anschluss daran die „Gesellschaft kündigt“, d. h. die Vermögenstrennung aufhebt (analog § 725 Abs. 1 BGB). Weil der Gründer dann wieder nur noch ein Gesamtvermögen hat, kann sich der Privatgläubiger gleichsam darüber aus dem (ehemaligen) Sondervermögen befriedigen. Das gilt freilich dann nicht mehr, wenn der Einmanngründer seine Verwaltungsbefugnis über das Sondervermögen („Gesellschaftsvermögen“) auf Vorstand oder Geschäftsführer als dessen ständige Vertreter übertragen hat, sodass diese, und nicht mehr er in seiner Personenrolle als „Gesellschafter“ (d. h. als der Gründer), über das „Gesellschaftsvermögen“ verfügen können (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 AktG: „endgültig zur freien Verfügung des Vorstands“; § 7 Abs. 3 GmbHG: „zur freien Verfügung der Geschäftsführer“). Ein Privatgläubiger des Einmanngründers ist nur insoweit berechtigt und insofern überhaupt fähig, auf das Sondervermögen („Gesellschaftsvermögen“) zugreifen, wie das auch der „Gesellschafter“ selbst als Inhaber des Vermögens könnte. Dazu ist er jedoch nicht mehr in der Lage, wenn jetzt ausschließlich Vorstand und Geschäftsführer darüber „frei verfügen“ können, was auch dann gilt, wenn der Einmanngründer dieses Amt innehat, da auch er allein in seiner Personenrolle als Vorstand oder Geschäftsführer und nicht mehr als Privatperson auf das „Gesellschaftsvermögen“ zugreifen kann.
275 Nach Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 377, ist das Sondervermögen weithin gerade auch haftungs- und vollstreckungsrechtlich vom Hauptvermögen geschieden.
D. Die Einpersonengründung
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c) Und lebt in der „unechten Vorgesellschaft“ wieder auf Scheitert jedoch die Eintragung, sodass die angestrebte juristische Person niemals entsteht, hat der Gründer auch mit seinem übrigen Vermögen für die Verbindlichkeiten einzustehen. In diesem Sinn lebt seine persönliche Haftung mit dem Privatvermögen wieder auf (so der allgemeine Rechtsgedanke des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Weil das Sondervermögen nicht mehr seinen Zweck erreichen kann, das Vermögen der angestrebten juristischen Person zu werden, endet es ipso iure (Rechtsgedanke des § 726 Alt. 2 BGB), indem es sich wieder mit dem übrigen Vermögen des Gründers zu einem Vermögen vereinigt.276 Unabhängig davon war der Gründer aber auch schon zuvor Schuldner der Verbindlichkeiten, die zunächst nur auf dem Sondervermögen lasteten. Weil er vorher und nachher dasselbe Rechtssubjekt war und ist, 277 ist und bleibt er als solcher Schuldner der Verbindlichkeiten. Forderungen und Schulden, die er in seiner Eigenschaft als Vorstufe zur angestrebten juristischen Person begründet hat, gehen also nicht erst (im Wege der Gesamtrechtsnachfolge) auf ihn über, wenn die Eintragung scheitert und die juristische Person als Rechtsträger niemals entsteht, vielmehr war und ist er derselbe Gläubiger und Schuldner, so wie echte und unechte Vorgesellschaft (als GbR oder OHG) dieselbe Gesamthand sind. Mit dem endgültigen Scheitern der Eintragung vereinigt sich demnach gewissermaßen die persönliche Schuld (mit dem Privatvermögen) wieder mit der „gemeinschaftlichen“ Schuld (mit dem Sondervermögen) zu einer Schuld, für die jetzt das eine Vermögen des (ehemaligen) Gründers haftet, das sich gleichsam aus dem (ehemaligen) Privatvermögen und dem Sondervermögen („Gesellschaftsvermögen“) zusammensetzt. Der Einmanngründer haftet demnach nach außen direkt, sobald die Eintragung ausbleibt, und nicht erst, wenn er den Geschäftsbetrieb der ursprünglich von ihm angestrebten juristischen Person fortführt. Das sieht selbst die h. M. so. Scheitert die Eintragung, können die Gläubiger der „EinpersonenVorgesellschaft“ unmittelbar auf den Einmanngründer (als Gesellschafter) zugreifen.278 Für die h. M. ist die „Einpersonen-Vorgesellschaft“ indes selbst rechtsfähig (d. h. das Rechtssubjekt) und deswegen ist an sich auch sie allein und nicht der Gründer Schuldner der Gesellschaftsverbindlichkeiten (eben weil er 276 BGH, NZG 1999, 960, 961; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 57; Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 347; wonach das Sondergut (d. h. Sondervermögen) mit dem übrigen Vermögen wieder verschmilzt, „wenn der Grund der Separation wegfällt“; Ulmer/ Ihrig, GmbHR 1988, 373, 377. 277 Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 1910, S. 347, wonach die zum Sondervermögen gehörenden Rechte ihr bisheriges Subjekt beibehalten. 278 BGHZ 134, 333, 341; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 44.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
ja bloß der Gesellschafter ist).279 Wenn die Eintragung ausbleibt und daher der Einmanngründer als Gesellschafter unmittelbar persönlich nach außen gegenüber den Gesellschaftsgläubigern haftet, ist das für die h. M. eine Art von „Durchgriffshaftung“, d. h. ein Gesellschaftsgläubiger greift auch hier durch die Vorgesellschaft (als Rechtssubjekt) hindurch und damit bloß mittelbar auf das Privatvermögen des Gründers als Gesellschafter zu.280 Während also die Außenhaftung des Einmanngründers für die h. M. eine Ausnahme von ihrem Modell von der Vorgesellschaft als Rechtssubjekt darstellt, gehört diese persönliche Außenhaftung nach der hier vertretenen Ansicht bereits zur Rechtsnatur der sog. Einpersonen-Gesellschaft dazu, weil die „Vorgesellschaft“ hier nichts anderes als ein Sondervermögen des Gründers ist und die Außenhaftung sofort wieder auflebt, sobald die Eintragung scheitert und dadurch der „vereinbarte“ Zweck des Sondervermögens wegfällt, das Vermögen der angestrebten juristischen Person zu werden (Rechtsgedanke des § 726 BGB).
V. Erneute und abschließende Kritik an der h. M. Die h. M. lehnt diese „Sondervermögenslösung“ indes strikt ab.281 Für ihre Argumentation ist zunächst entscheidend, dass die juristische Person des BGB auch mit nur einem Mitglied als Körperschaft existieren kann. Die Vorgesellschaft sei nun ebenfalls bereits körperschaftlich strukturiert und deshalb mit der angestrebten juristischen Person wesensgleich. Aus diesem Grund sollen die Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft ipso iure auf die fertige juristische Person übergehen oder vielmehr automatisch solche der juristischen Person sein, weil beide ja identisch sind.282 Durch Eintragung (oder Verleihung der Rechtsfähigkeit) wird daher aus der vorläufigen Rechtsfähigkeit lediglich eine dauerhafte. Die Vorgesellschaft vollendet sich bloß durch ihre Eintragung und ist demgemäß eine werdende juristische Person. Wenn aber Vorgesellschaft und juristische Person in diesem Sinn wesensgleich sind und die juristische Person auch mit nur einem Mitglied als Körper279 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 169; bei Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 42, ist von einem „Einmann-Gesellschafter“ die Rede. 280 BGHZ 134, 333, 341; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 11 Rn. 36. 281 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 167 (auch Zitat); ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 IV 3 a) (S. 305); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 42; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 90; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 41 Rn. 17c; Merkt, in: MünchKommGmbHG, 3. Aufl. 2018, § 11 Rn. 204, lehnt selbst die h. M. ab, da weder sie noch die „Sondervermögenslehre“ in der Lage seien, „eine dogmatisch und rechtstechnisch einwandfreie Lösung“ zu liefern. 282 Nach K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 IV 4 a) (S. 306), bringt die Identitätsthese die vollständige Kontinuität des Rechtsträgers und seiner Rechtsverhältnisse auf eine einfache Formel; Schroeter, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 11 Rn. 55.
D. Die Einpersonengründung
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schaft fortbestehen kann, dann muss das in der Konsequenz auch für die Vorgesellschaft gelten, die deshalb nicht nur durch mehrere, sondern auch durch „eine Person“ allein errichtet werden kann (vgl. § 2 AktG; § 1 GmbHG).283 Weil somit für die h. M. die Vorgesellschaft auch nur aus einem Mitglied bestehen kann, die Gesamthand aber eine Personenmehrheit ist, kann die Vorgesellschaft, selbst wenn sie zwei oder mehr Mitglieder hat, nicht eine Gesamthand sein.284 Sie soll Rechtsträgerin, nicht aber als Gesamthand, sondern bereits als (werdende) juristische Person sein.285 Das bedeutet aber nichts anderes, als dass die juristische Person des BGB nach h. M. nicht erst durch den staatlichen Akt der Eintragung (vgl. § 21 BGB) oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit (vgl. § 22 Satz 1 BGB) entstehen soll, sondern schon durch die Satzungsfeststellung.286 Mit dieser Annahme steht und fällt die ganze h. M. Und sie fällt, denn nach dem Gesetz ist die juristische Person (und damit ein Rechtssubjekt) im Recht sinn erst da, wenn das Recht sie erschaffen hat, erst durch Eintragung oder Verleihung erlangt sie Rechtsfähigkeit (vgl. §§ 21, 22 Satz 1 BGB), vorher besteht sie als solche nicht (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG; § 11 Abs. 1 GmbHG).287 Sie ist eine Anstalt des römischen Rechts (universitas) und hat als nomen iuris vor ihrer „Geburt“ kein „Vorleben“. Ein solches kann deswegen nur simuliert werden (als ob). Errichtet eine Person allein die „Vorgesellschaft“, kann jene nicht eine Gesamthand (und infolgedessen auch nicht eine Gesellschaft) sein, da sich eine Gesamthand ihrem Begriff nach zwingend aus mehreren Personen zusammensetzen muss (und allein insofern eine persona moralis composita ist), anderenfalls fehlt es an der kollektiven Rechtsfähigkeit. Die angestrebte juristische Person kann daher allein dadurch ein, wenn auch bloß vermeintliches, „Vorleben“ als Körperschaft haben, dass der Gründer ein Sondervermögen bildet, dessen Träger, dessen Subjekt, er ist. Das muss dann selbst die h. M. eingestehen, wenn sie bekennt, dass sie zwar nur schwer oder vielmehr gar nicht imstande ist, es rechtsdogmatisch zu erklären – dafür aber die „Sondervermögenslösung“ –, warum „alle Rechte und Pflichten wieder dem Gesellschafter (…) zufallen“, sobald die Eintragung scheitert und deshalb die angestrebte juristische Person niemals entsteht.288 Denn an sich erlischt die „Einpersonen283 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 41 Rn. 17c. 284 Für Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 41 Rn. 17c,
ist das ursprüngliche Verständnis der Vorgesellschaft als eine Gesamthand „heute überkommen“. 285 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 IV 3 a) (S. 305); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 42 („vorläufige juristische Person“). 286 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 91. 287 Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 375, betonen zu Recht, dass selbst die notarielle Beurkundung der Satzung nicht ein staatlicher Akt ist, welcher der Vorgesellschaft bereits vor Eintragung Rechtsfähigkeit verleiht. 288 So ausdrücklich K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 168, 167 (Hervorhebung nicht im Original). An sich dürften die Rechte und Pflichten der Vorgesell-
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Vorgesellschaft“ nach dem Modell der h. M. gerade nicht von selbst (ipso iure), vielmehr muss der Gründer (als „Gesellschafter“) die „Vorgesellschaft“ erst auflösen und sie sodann abwickeln, indem er die Gläubiger befriedigt und erst im Anschluss daran, vorausgesetzt ein Restvermögen bleibt übrig, dieses von der „Vorgesellschaft“ zurückerwirbt.289
E. Die werdende Stiftung I. Die Diskussion im Schrifttum und ihre Bewertung 1. Die rechtsfähige Stiftung – eine mitgliederlose, verselbständigte Vermögensmasse als Rechtssubjekt? Nach herkömmlicher Ansicht („noch h. M.“) entsteht die rechtsfähige Stiftung erst mit ihrer Anerkennung (vormals: Genehmigung) durch die zuständige Behörde (§ 80 Abs. 1 BGB) als juristische Person (d. h. als Rechtssubjekt) und in diesem Sinn uno actu.290 Anders als die Körperschaft des BGB (Verein) durchläuft sie keinen Entstehungsprozess und hat vor ihrer Anerkennung kein „Vorleben“.291 Demgegenüber geht nach einer vordringenden Auffassung bereits aus dem Stiftungsgeschäft (§ 81 Abs. 1 BGB) eine werdende Stiftung („Vorstiftung“) hervor.292 Diese Vorstiftung ist hiernach Rechtssubjekt, ohne juristische Person zu sein. Als werdende Stiftung soll sie mit der (vollendeten) Stiftung identisch sein, weil sie wesensgleich sind, sodass die Rechte und
schaft nicht „wieder“ an den Gesellschafter fallen, da die Rechte und Pflichten nach h. M. niemals zuvor solche des Gesellschafters, sondern immer der Vorgesellschaft als Rechtssubjekt waren (d. h. als werdende juristische Person). 289 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 168; für eine solche Abwicklung Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 92. 290 Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, 2017, § 80 Rn. 51–54; Weitemeyer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 81 Rn. 62; Hüttemann, in: FS Spiegelberger, 2009, S. 1292, 1300; Neuhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 80 Rn. 16; nach Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 41, gibt erst die Genehmigung der Stiftung „mit einem Schlage das Dasein“; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 146, stellt ausdrücklich fest: „Alle Rechtsgeschäfte, die der Stifter betreffs des Stiftungsvermögens vor der Genehmigung vornimmt, sind solche des Stifters, aus denen sich nur Rechtsverhältnisse für ihn, nicht aber schon für die Stiftung ergeben.“ Wiese, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 80 Rn. 8. 291 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 41. Für Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, 2017, § 80 Rn. 53, fehlt es bei der Stiftung vor ihrer Anerkennung an der „sozialen Realität“, die für ein solches „Vorleben“ erforderlich ist. 292 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 80 Rn. 2; Werner, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2016, vor § 80 Rn. 22; Schwake, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84 Rn. 11, 12; Eder, ZStV 2013, 52, 55 (und Aufnahme der Stiftungstätigkeit); Delp, Die Stiftung & Co. KG, 1991, S. 29–31; Schwinge, BB 1978, 527, 527–528.
E. Die werdende Stiftung
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Pflichten der werdenden Stiftung mit deren Anerkennung automatisch (ipso iure) Rechte und Pflichten der (vollendeten) Stiftung sind.293 Den Ansatzpunkt für diese neue Ansicht bildet die in der h. M. verbreitete Fehlvorstellung, die rechtsfähige Stiftung sei „eine mitgliederlose, verselbständigte Vermögensmasse mit eigener Rechtspersönlichkeit“ und aus diesem Grund das Vermögen das Substrat der Stiftung, also das, was die Stiftung ausmacht, weil es ihr zugrunde liegt.294 Da der Stifter im Stiftungsgeschäft indes verbindlich erklärt, „ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zwecks zu widmen“ (so § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB), 295 sieht es gleichzeitig so aus, als ob es ein Vermögen der Stiftung auch schon vor ihrer Anerkennung gäbe. Das Dasein der rechtsfähigen Stiftung scheint demzufolge bereits mit dem Stiftungsgeschäft und nicht erst mit ihrer Anerkennung zu beginnen, sodass die Stiftung schon im Errichtungsstadium eine werdende juristische Person als Vorstiftung ist. Weil es deswegen so wirkt, als ob Stiftung und werdende Stiftung mit dem Vermögen dasselbe Substrat hätten, erscheinen beide, was das betrifft, als wesensgleich. Diese Ansicht verkennt dabei jedoch, dass zunächst die Stiftung als Rechtsträgerin entsteht und sie erst anschließend durch den Stifter ein Vermögen erhält (so ausdrücklich § 82 Satz 1 BGB) und nicht umgekehrt.296 Selbst wenn der Stifter das im Stiftungsgeschäft zugesicherte Vermögen schon vorher aus seinem Gesamtvermögen ausgliedern und aus diesem Grund auf eine Vorstiftung übertragen will, ist er dazu de lege lata nicht imstande.297
293 So ausdrücklich Schwake, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84 Rn. 25; ebenso Delp, Die Stiftung & Co. KG, 1991, S. 31; nach Werner, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, vor § 80 Rn. 22, gehen Rechte und Verbindlichkeiten von der werdenden auf die rechtsfähige Stiftung ipso iure über; auch bei Eder, ZStV 2013, 52, 55, ist von einem „Übergang der Rechtspositionen von Rechts wegen“ die Rede. 294 Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 477; siehe auch Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 395: „Das Wesen der juristischen Persönlichkeit besteht für das bürgerliche Recht darin, dass die an sich nur den natürlichen Personen zustehende Vermögensfähigkeit kraft positiver Satzung einem Personenvereine oder einem Vermögensinbegriffe beigelegt ist.“ (Hervorhebung nicht im Original); auch für Schwake, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84 Rn. 22, ist das Vermögen das „eigentliche Sein“ der rechtsfähigen Stiftung, wenn er in ihr oder dem Stifter nur „das Zuordnungsobjekt des Vermögens“ sieht. 295 Auch wenn in § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB von einer verbindlichen Erklärung des Stifters die Rede ist, kann der Stifter diese jederzeit frei widerrufen, bis die Stiftung als rechtsfähig anerkannt ist (§ 81 Abs. 2 Satz 1 BGB). 296 Hüttemann, in: FS Spiegelberger, 2009, S. 1292, 1295, der deshalb die Vorstiftung als „Phantom“ bezeichnet, „das aus der rechtswissenschaftlichen Diskussion verbannt werden sollte“ (S. 1300). Dazu sogleich. 297 Dafür aber Eder, ZStV 2013, 52, 55; Zimmermann, NJW 2012, 3277, 3279.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
2. Das Entstehen der rechtsfähigen Stiftung – in zwei Akten? Vorgesellschaft und Vorstiftung sind für diese im Vordringen befindliche Ansicht gleichwohl derart strukturähnlich, dass auch auf die werdende Stiftung nicht nur bereits die Regeln der rechtsfähigen Stiftung Anwendung finden sollen, sofern sie nicht die staatliche Anerkennung voraussetzen, 298 sondern außerdem auch sämtliche Grundsätze, die für die Vorgesellschaft herausgebildet worden sind.299 Stiftung und Personenverein sind in ihren Augen vergleichbar, weil beide durch zwei Akte entständen, die zeitlich auseinanderfallen: bei der Stiftung das privatautonome Stiftungsgeschäft und die daran anschließende staatliche Anerkennung (vgl. § 80 Abs. 1 BGB) sowie beim Verein die Satzungsfeststellung und die Registereintragung (vgl. § 21 BGB).300 Da das Stiftungsgeschäft zudem die Satzung der späteren Stiftung enthalten muss und damit auch Regelungen über die Bildung des Stiftungsvorstands (§ 81 Abs. 1 Satz 3 BGB), erweckt es den Anschein, als ob aus dem (privatautonomen) Stiftungsgeschäft schon ein „handlungsfähiges Rechtsgebilde“ als ein (vorläufiges) Rechtssubjekt hervorginge.301 Im Gegensatz zum Verein ist es jedoch Aufgabe des Stifters und nicht des Stiftungsvorstands, die Anerkennung der Stiftung zu beantragen (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 3 BGB). Der Vorstand wirkt demnach nicht am Erwerb der Rechtsfähigkeit mit, Stiftung und Verein stimmen auch insoweit nicht über.302
3. Die Vorstiftung – Sondervermögen des Stifters oder selbständiger Rechtsträger? Eine Vorgesellschaft muss sich jedoch nicht aus einer Personenmehrheit zusammensetzen, d. h. sie muss keine Gesamthand sein, stattdessen kann sie gewissermaßen aus nur einer Person bestehen, indem die Person entweder Träger eines Sondervermögens und in diesem Sinn eine „Vorgesellschaft“ oder der einzige Gesellschafter (d. h. Mitglied) des Rechtssubjekts namens Vorgesellschaft ist (so die h. M.). Mit dem Stifter scheint es nun eine Person zu geben, die in Analogie zu dieser „Einmann-Vorgesellschaft“ ebenfalls Träger eines Sondervermögens oder Mitglied eines Rechtsträgers sein kann, dem das zugesicherte Vermögen schon vor Bestehen der rechtsfähigen Stiftung zugeordnet wird.303 298
Eder, ZStV 2013, 52, 55; so bereits Schwinge, BB 1978, 527, 528.
299 So ausdrücklich Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 80 Rn. 2. 300 Schwake, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84
Rn. 11–12. 301 Schwake, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84 Rn. 11–12. Nach Schwinge, BB 1978, 527, 528, soll bereits jetzt ein „körperschaftliches Gebilde“ vorhanden sein, das „voll handlungsfähig ist“ (Hervorhebung nicht im Original). 302 Weitemeyer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 81 Rn. 62. 303 Für Werner, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, vor § 80 Rn. 22, ist die Vorstiftung ein Sondervermögen, dessen Träger der Stifter ist; ihm folgend Schwake, in: Münchener Hand-
E. Die werdende Stiftung
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Die Auffassung von der werdenden Stiftung (Vorstiftung) knüpft hieran an und versucht, die Funktion der Vorgesellschaft, das künftige Vermögen der avisierten juristischen Person (Verein) von dem übrigen Vermögen der Gründer zu trennen (entweder als Gesamthandsvermögen oder als Sondervermögen des Einmanngründers),304 auf die Vorstiftung zu übertragen, um dadurch das künftige Vermögen der noch nicht existenten Stiftung bereits im Errichtungsstadium vor dem freien Zugriff der Privatgläubiger zu schützen; das ist das eigentliche Ziel der Lehre von der Vorstiftung.305 Aber auch hier gilt, dass de lege lata zunächst die Stiftung als Rechtsträgerin entstanden sein muss und sie erst anschließend vom Stifter das ihr von ihm zugesagte Vermögen erhält (§ 82 BGB), nicht umgekehrt. Ein „Vorleben“ der rechtsfähigen Stiftung als werdende Stiftung sieht das geltende Recht aus diesem Grund nicht vor.306
II. Eigene Lösung 1. Die rechtsfähige Stiftung entsteht als reiner Rechtsbegriff uno actu Dass für eine solche werdende Stiftung (Vorstiftung) kein Raum ist, erkennt letztlich nur, wer zwischen Tatsachenwelt und Welt des Rechts bewusst trennt und um die Rechtsnatur der Stiftung als eine Anstalt des römischen Rechts (d. h. als juristische Person) weiß. Die Stiftung ist ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) und hat als solcher in der sinnlich erfahrbaren Welt nicht einen menschlichen Verband als ihren Träger oder ihr Substrat.307 Sie ist „die juristische Person in Reinkultur“, da sie, im Unterschied zum „Verein“, auch nicht einer Körperschaft des deutschen Rechts nachgebildet ist.308 Die Körperschaft des deutschen Rechts entsteht bereits (rückwirkend) in dem Zeitpunkt, in dem sich der menschliche Verband als ihr Träger in der sinnlich wahrnehmbaren Welt formiert (Substrat); sie hat aus diesem Grund vor ihrer „Geburt“ als Rechtssubjekt (d. h. als Verbandsperson) schon ein „Vorleben“.309 buch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84 Rn. 24, gleichzeitig sollen Vorstiftung und rechtsfähige Stiftung aber identisch sein, sodass Rechte und Pflichten der Vorstiftung mit Anerkennung der Stiftung automatisch deren Rechte und Pflichten sind (Rn. 25). Dafür müsste die Vorstiftung jedoch selbst Rechtsträgerin sein, ihr müsste das Vermögen gehören und nicht mehr dem Stifter. Allein dann können Vorstiftung und Stiftung dasselbe Rechtssubjekt sein. 304 Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, 2017, § 80 Rn. 51, 53, betonen, dass die Privatgläubiger des Stifters anders als die eines Vorgesellschafters nicht daran gehindert sind, in das für die Stiftung vorgesehene Vermögen zu vollstrecken. 305 Schwake, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 84 Rn. 24. 306 Hüttemann, in: FS Spiegelberger, 2009, S. 1292, 1295 („es fehlt an der Notwendigkeit“). 307 Dazu § 12. 308 Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850. 309 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486 mit Fn. 18.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Selbst der Verein ist eine juristische Person und insofern eine Anstalt des römischen Rechts (universitas). Er leitet sich daher nicht von einem menschlichen Verband (ens physicum) ab (so aber die Körperschaft des deutschen Rechts).310 Stattdessen erschafft das Recht ihn als ens morale gleichsam „aus dem Nichts“ (creatio ex nihilo) und ordnet ihm erst anschließend einen menschlichen Verband (oder einen einzelnen Menschen) in der Tatsachenwelt als den Ort zu, an dem er festmachen kann.311 Als juristische Person kann der Verein demzufolge per se nicht ein „Vorleben“ als Körperschaft haben, dennoch soll so getan werden, als ob es in Wirklichkeit so wäre. Die Aufgabe, das „Vorleben“ des Vereins als (vermeintliche) Körperschaft (des deutschen Rechts) zu simulieren, übernimmt die Vorgesellschaft als Gesamthand oder der Einmanngründer als Träger eines Sondervermögens. Es wird deshalb nur so getan, als ob die Vorgesellschaft in der gedachten Welt des Rechts das Gegenstück (ens morale) zum menschlichen Verband (ens physicum) in der realen Welt wäre. Selbst das ist aber gerade bei der Stiftung nicht der Fall. Denn die Stiftung ist und bleibt im Unterschied zum Verein ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris), sie hat in der empirischen Welt weder einen menschlichen Verband noch einen einzelnen Menschen, der dort, wenn auch bloß vermeintlich wie bei einem Verein als Körperschaft des BGB, ihr Träger oder ihr Substrat ist. Sie hat infolgedessen auch im Rechtssinn keine Mitglieder.312 Weil die Stiftung daher kein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“ hat, sie vielmehr uno actu entsteht, scheidet schon von vornherein eine werdende Stiftung (als Rechtsträger) in Analogie zur Vorgesellschaft aus.
2. Das Vermögen als Substrat? Auch das Vermögen ist nicht Substrat der Stiftung, d. h. ihr Träger in der sinnlich erfahrbaren Welt, und kann es daher ebenso wenig für eine werdende Stiftung sein.313 Das Vermögen ist die Gesamtheit der einer Person zustehenden 310 Nach Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22–23, muss das Recht „die Wesenheiten, die es zu Personen stempeln will, unter den ihm gegebenen Existenzen auswählen“. Der menschliche Verband ist als Sozialgebilde daher die „tatsächliche Unterlage“ für die Körperschaft des deutschen Rechts, die deshalb eine reale Verbandsperson ist. 311 Dazu § 12. 312 Für Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 250, hat die Stiftung deshalb keine Mitglieder, weil sie ein „reines juristisches Kunstprodukt“ ist; BGHZ 99, 344, 349. 313 A. A. Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 477, für den die Stiftung „eine mitgliederlose, verselbständigte Vermögensmasse mit eigener Rechtspersönlichkeit“ ist. Ähnlich Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 4. Aufl. 2016, Rn. 222. Das „Sondervermögen“ ist für Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, § 4 I 2 (S. 196), dagegen nicht allein bei der Stiftung, sondern bei jeder juristischen Person das „Substrat“. Das (organisierte) Sondervermögen selbst ist demgemäß für ihn der „Zuordnungsendpunkt von Rechten und Pflichten“.
E. Die werdende Stiftung
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geldwerten Rechte.314 Ein Recht ist schon seinem Begriff nach ein ens morale, sodass das Vermögen als eine Summe solcher entia moralia konsequenterweise ebenfalls in die Welt des Rechts und nicht in die der Tatsachen gehört. Es kann also per se nicht Träger, oder Substrat, sein. Da das Vermögen Rechte zusammenfasst, die derselben Person zustehen, sie aber als Rechtsobjekte einen Rechtsträger voraussetzen, kann das Vermögen nicht gleichzeitig selbst sein eigenes Rechtssubjekt sein.315 Die Stiftung hat demgemäß ein Vermögen, ist aber nicht ihr Vermögen.316 Hierzu passt auch, dass der Stifter das von ihm im Stiftungsgeschäft zugesicherte Vermögen erst noch rechtsgeschäftlich auf die Stiftung übertragen muss, sobald diese „als rechtsfähig anerkannt“ und deshalb als juristische Person (d. h. als Rechtssubjekt) entstanden ist (§ 82 Satz 1 BGB). Das Vermögen, das der Stifter im Stiftungsgeschäft zugesagt hat, ist also nicht automatisch (ipso iure) das der Stiftung, vielmehr hat diese gegen den Stifter lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Übertragung (vgl. § 82 Satz 1 BGB: „…, so ist der Stifter verpflichtet, das in dem Stiftungsgeschäft zugesicherte Vermögen auf die Stiftung zu übertragen“).317 Auch das unterscheidet Stiftung und Verein: Beim Verein geht das in der Vorgesellschaft gebildete gemeinschaftliche Vermögen der Gründer (§ 718 Abs. 1 BGB) von selbst (ipso iure) auf die fertige juristische Person (d. h. auf den Verein) über, bei der Stiftung nicht. Für eine werdende Stiftung (Vorstiftung) entsprechend einer Vorgesellschaft ist auch aus diesem Grund kein Platz.
3. Der Stifter als Substrat? Das Vermögen kann auch deshalb nicht Substrat der Stiftung sein, weil ein solcher Träger in der sinnlich erfahrbaren Welt dazu dient, für seine Person (d. h. Rechtssubjekt) einen Willen zu bilden und danach zu handeln. Nur der Mensch hat einen freien Willen, sodass auch nur er als Einzelner oder als menschlicher Verband Träger oder Substrat sein kann.318 Das ist auch der tiefere Grund, warum der Körperschaft des BGB (d. h. dem Verein) als nomen iuris zumindest nachträglich ein Träger in der Tatsachenwelt zugeordnet ist. 314
Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012, § 26 Rn. 16. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 648; Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 250; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 11. 316 Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 250. Das Vermögen ist deshalb Folge der Rechtsfähigkeit und nicht umgekehrt (dort, S. 251). Bereits Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 239, bestimmt den Begriff der juristischen Person als „ein des Vermögens fähiges künstlich angenommenes Subjekt“. Auch beim ihm hat also das Subjekt ein Vermögen, ist aber nicht sein Vermögen. 317 Neuhoff, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 82 Rn. 1; Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, 2017, § 82 Rn. 2. 318 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265, 267. 315
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§ 13 Die Vorgesellschaft
Der Stifter ist zwar als Mensch ein solcher „lebendiger Willensträger“.319 Er bildet aber nicht fortlaufend aufs Neue einen Willen, den der Stiftungsvorstand als Organ jeweils in die Tat umsetzt. Vielmehr spaltet er im Stiftungsgeschäft (§ 81 BGB) einen Teil seines Willens dauerhaft von seiner Person ab. Dieser „Stifterwille“ löst sich definitiv aber erst vom Stifter (als Menschen) ab, d. h. er wird nur dann „verselbständigt und objektiviert“, wenn die Stiftung als rechtsfähig anerkannt ist.320 Denn bis dahin kann der Stifter das Stiftungsgeschäft immer noch frei widerrufen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 BGB). Sobald die Stiftung als juristische Person existiert, hat der Stifterwille ein selbständiges Dasein, er „überlebt“ deshalb seinen Stifter als Menschen und ist in diesem Sinn „unsterblich“ (vgl. § 83 BGB), indem er in der Stiftung gleichsam „ewig“ fortlebt (vgl. § 87 Abs. 2 BGB).321 Der Stifter selbst (d. h. als Mensch) ist demnach ebenfalls nicht Substrat der Stiftung (d. h. ihr Träger), weshalb jene „eine juristische Person ohne Mitglieder“ ist.322
4. Der Stifterwille als Substrat? Allenfalls der Stifterwille kommt demgemäß als Substrat der Stiftung in Betracht. Als solcher Träger müsste der Stifterwille aber in einem Menschen oder menschlichen Verband „greifbar und sichtbar“ sein. Das ist beim Stifterwillen jedoch nicht der Fall, da er gerade losgelöst vom Stifter als Mensch fortbesteht. Der Stiftung als nomen iuris entspricht demzufolge nichts in der realen Welt (auch nicht der Wille des Stifters), sie ist „die juristische Person in Reinkultur“.323 Und selbst wenn man im Stifterwillen das Substrat der Stiftung sehen wollte, würde das allein für sie und nicht für eine werdende Stiftung (Vorstiftung) gelten. Denn erst wenn die Stiftung als rechtsfähig anerkannt ist, hat sich der Wille des Stifters ihm gegenüber verselbständigt und objektiviert, nicht vorher (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 1 BGB).324 Das gilt auch für die Stiftungsorgane und demnach für die Menschen, die die Stiftung verwalten. Denn auch sie (als menschlicher Verband) werden der Stiftung erst zugeordnet, nachdem die Stiftung als juristische Person (d. h. als Rechtssubjekt) entstanden ist. Erst jetzt kann sich der Stifterwille in ihnen gleichsam „verkörpern“ und „auf ewig“ fortleben, indem die Stiftungsorgane den Stifterwillen fortlaufend in die Tat umsetzen und sich so in dessen Dienst stellen.
319 Gierke, Deutsches Privatrecht, 320 BGHZ 99, 344, 348.
Bd. 1, 1895, S. 648 (Zitat).
321 Nach BGHZ 99, 344, 349, ist es Aufgabe der staatlichen Stiftungsaufsicht, darüber zu wachen, dass der Wille des Stifters in der Stiftung stets verwirklicht wird. 322 BGHZ 99, 344, 349. 323 Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850. 324 So ausdrücklich BGHZ 99, 344, 348.
F. Resümee
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5. Ergebnis Der (rechtsfähigen) Stiftung wird auch nachträglich nicht ein menschlicher Verband oder ein einzelner Mensch in der sinnlich erfahrbaren Welt als Ort zugeordnet, an dem sie festmachen kann. Sie ist deshalb mitgliederlos, und selbst der Stifter dient ihr nicht als ihr Substrat, oder Träger; lediglich der Stifterwille, der sich vom Stifter als Menschen loslöst, sobald die Stiftung als juristische Person entstanden ist, lebt verselbständigt und objektiviert in der Stiftung „auf ewig“ fort. Die (rechtsfähige) Stiftung hat in diesem Sinn keine soziale Realität. Das gilt auch für das Vermögen. Denn die Stiftung hat ein Vermögen, ist aber nicht ihr Vermögen, zumal der Stifter überhaupt erst dann imstande ist, das von ihm zugesagte Vermögen auf die Stiftung zu übertragen, wenn „die Stiftung als rechtsfähig anerkannt“ ist (so ausdrücklich § 82 Satz 1 BGB) und damit als Rechtsträger existiert. Die Stiftung ist demgemäß stets und ausschließlich ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) und als solcher (ausschließlich) eine Anstalt des römischen Rechts, d. h. sie hat nicht einmal vermeintlich einen Träger oder ein Substrat in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, sodass es schon von vornherein eine werdende Stiftung (Vorstiftung) im BGB nicht geben kann, die auf einen solchen Träger aufbauen könnte (und müsste).
F. Resümee Die Körperschaft des BGB, oder vereinfacht der „Verein“, ist ihrem Begriff nach eine Anstalt des römischen Rechts.325 Der Verein ist ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris), den das Recht gleichsam „aus dem Nichts“ erschafft (creatio ex nihilo), und der deshalb losgelöst von einem Träger (Substrat) in der sinnlich erfahrbaren Welt existiert. Der Verein ist einer Körperschaft des deutschen Rechts jedoch nachgebildet (als ob). Er wird einem menschlichen Verband in der Tatsachenwelt als dem Ort zugeordnet, an dem er als nomen iuris festmachen kann. Damit der Verein (als Rechtssubjekt) Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann, er also nicht bloß rechtsfähig, sondern auch handlungsfähig ist, braucht er einen menschlichen Willen. Die Aufgabe, diesen Willen zu bilden, übernimmt der menschliche Verband als sein Substrat. Der menschliche Verband besteht dabei nicht nur aus seinen gegenwärtigen Mitgliedern (so aber die Gesamthand), sondern auch aus seinen vergangenen und künftigen Mitgliedern, sodass im menschlichen Verband und damit im Verein als juristischer Person der „allgemeine Wille“ (volonté générale) und nicht der „Wille aller“ (volonté de tous) herrscht. Der Verein setzt daher durch 325 Der Ausdruck „Verein“ steht hier als Abbreviatur für alle Körperschaften des Privatrechts und damit für den rechtsfähigen Verein ebenso wie für AG, GmbH und Genossenschaft.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
seine gegenwärtigen Mitglieder als Organ (Mitgliederversammlung) objektives Recht, in dem sich der „Vereinswille“ (volonté générale) ausdrückt. Während der menschliche Verband demnach die normsetzende Autorität im Verein ist, sind die gegenwärtigen Mitglieder dort die normunterworfenen Subjekte. Da sich der menschliche Verband neben den aktuellen auch aus den vergangenen und zukünftigen Mitgliedern zusammensetzt, sind demgemäß im Verein normsetzende Autorität und normunterworfene Subjekte verschieden. Die Satzung ist dementsprechend Norm und nicht Vertrag. Das gilt auch für die Satzungsfeststellung. Die Körperschaft des deutschen Rechts entsteht, indem sich unverbundene Menschen zu einem menschlichen Verband zusammenschließen und sich als Einheit organisieren. Das setzt voraus, dass sich der menschliche Verband eine körperschaftliche Verfassung (d. h. eine Satzung) gibt. Die gegenwärtigen Mitglieder sind bloß ein Teil des menschlichen Verbands. Weil der menschliche Verband aber nur kraft der Zeit und in der Zeit auch noch vergangene und künftige Mitglieder hat, kann er augenscheinlich im Hier und Jetzt ausschließlich durch seine momentanen Mitglieder (als Teil von ihm) wollen und handeln (agere per se). Damit er hierzu imstande ist, muss die körperschaftliche Verfassung die dafür erforderlichen Organe erst herstellen, deren Kompetenzen innerhalb der Körperschaft festlegen und ihnen auf diese Weise bestimmte Aufgaben und Funktionen des Gemeinlebens zuweisen. Anders als bei der Gesamthand sind eben nicht die gegenwärtigen Mitglieder die universitas ipsa und deshalb auch nicht von selbst kollektiv handlungsfähig. Da die Verfassung der Inbegriff der Rechtssätze über die Organisation der Körperschaft ist, kann die Verfassung als solches objektives Recht erst verbindlich sein, wenn das Recht den menschlichen Verband als Verbandsperson (d. h. als Rechtssubjekt) anerkannt hat. Dennoch hat die Körperschaft des deutschen Rechts auch schon davor ein „Vorleben“, das bereits mit der Satzungsfeststellung beginnt. Sie kann deswegen auch schon vorher Rechtsverhältnisse für die angestrebte Körperschaft des deutschen Rechts begründen. Diese Rechtsverhältnisse werden aber nur dann rückwirkend (i. S. des § 159 BGB) wirksam, wenn die Verbandsperson als Rechtssubjekt später tatsächlich entsteht, anderenfalls sind die Rechtsverhältnisse hinfällig. Der Verein ahmt als juristische Person des BGB eine Körperschaft des deutschen Rechts nach. Obwohl der Verein zunächst bloß als reiner Rechtsbegriff entsteht und erst im Anschluss daran einem menschlichen Verband in der sinnlich erfahrbaren Welt als seinem vermeintlichen Substrat zugeordnet wird, hat auch er ebenso wie die Körperschaft des deutschen Rechts ein „Vorleben“, bevor es ihn überhaupt als juristische Person (d. h. als Rechtssubjekt) gibt. Anders als bei der Körperschaft des deutschen Rechts sollen jedoch die Rechtsverhältnisse, die im Voraus für die spätere juristische Person begründet worden sind, selbst dann nicht hinfällig sein, wenn die angestrebte juristische
F. Resümee
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Person niemals entsteht. Und deshalb übernehmen die Gründer in Gemeinschaft, als eine Gesamthand, die Aufgabe, das „Vorleben“ des Vereins zu simulieren. Als Vorgesellschaft (d. h. als Gesamthand) stehen sie stellvertretend für die spätere juristische Person. Weil die Vorgesellschaft sozusagen als ein „Platzhalter“ für die angestrebte juristische Person fungiert, gehen die Rechte und Pflichten, die die Gesellschafter im Voraus für die juristische Person begründet haben, automatisch (ipso iure) auf diese über, sobald sie (d. h. die juristische Person) durch Eintragung oder Verleihung der Rechtsfähigkeit entstanden ist (vorher existiert die juristische Person weder als werdende noch als vorläufige juristische Person, §§ 21, 22 Satz 1, 54 Satz 1 BGB; § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG; § 11 Abs. 1 GmbHG; § 13 GenG). Die Vorgesellschaft hat in diesem Sinn einen „transitorischen Charakter“ (Reuter).326 Die Vorgesellschaft entsteht als Gesamthand nur vermeintlich durch die Satzungsfeststellung. Denn durch die Satzungsfeststellung organisiert sich zunächst ausschließlich der menschliche Verband als eine Einheit, indem er sich hierdurch eine Verfassung gibt. Solange die juristische Person (d. h. der „Verein“) aber noch nicht existiert, ist die Satzung zwar schon Norm und nicht Vertrag. Weil die Verfassung jedoch der „Inbegriff der Rechtssätze über die Organisation“ der Körperschaft ist, hat sie in der Vorgesellschaft bloß Entwurfscharakter und tritt deshalb erst mit dem Entstehen der juristischen Person in Kraft. Wenn auch nicht durch, so kommt doch gleichzeitig mit der Satzungsfeststellung, gewissermaßen dahinter, zwischen den Gründern (zumeist stillschweigend) ein Gesellschaftsvertrag i. S. des § 705 BGB zustande, sodass eine BGB‑Gesellschaft, als eine Gesamthand, entsteht. Auf die Vorgesellschaft finden demzufolge im Grundsatz die Regeln über die Gesellschaft (d. h. der Gesamthand) Anwendung. Weil der gemeinsame Zweck der Vorgesellschaft jedoch darin besteht, alles zu tun, was nötig ist, damit die angestrebte juristische Person als solche später auch tatsächlich entsteht, wirken die Regeln der fertigen juristischen Person insoweit bereits auf die Vorgesellschaft vor, wie es eben der Zweck erfordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die juristische Person durch den staatlichen Akt entsteht. Anderenfalls bleibt es dabei, dass für die Vorgesellschaft die Vorschriften über die GbR und der Gesellschaftsvertrag maßgeblich sind. Nur deshalb muss sich die Vorgesellschaft (d. h. die Gründer) bereits durch die „Organe“ der angestrebten juristischen Person (d. h. durch Vorstand oder Geschäftsführer) bei der Anmeldung des „Vereins“ zur Eintragung vertreten lassen (vgl. § 59 Abs. 1 BGB; § 36 Abs. 1 AktG; §§ 7 Abs. 1, 78 GmbHG; § 11 Abs. 1 GenG) und können diese „Organe“ über das gemeinschaftliche Vermögen der Vorgesellschafter i. S. des § 718 Abs. 1 BGB verfügen (vgl. § 7 Abs. 3 GmbHG: „zur frei326
Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 82.
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§ 13 Die Vorgesellschaft
en Verfügung der Geschäftsführer“ und § 37 Abs. 1 Satz 2 AktG: „endgültig zur freien Verfügung des Vorstands“). Weil die Vorgesellschaft eine Gemeinschaft zur gesamten Hand ist, haften die Gesellschafter (d. h. die Gründer) an sich auch hier persönlich und unmittelbar mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft, d. h. für die gemeinschaftlichen Schulden i. S. des § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vorgesellschaft steht indes nur stellvertretend für die spätere juristische Person. Sie und nicht schon die Vorgesellschaft ist die eigentliche Schuldnerin der Verbindlichkeiten, welche die Vorgesellschaft im Voraus für sie begründet hat. Deshalb gehen Rechte und Pflichten auch von selbst (ipso iure) von der Vorgesellschaft auf die dann fertige juristische Person über und endigt die Vorgesellschaft, weil sie ihren vereinbarten Zweck, die angestrebte juristische Person entstehen zu lassen, erreicht hat (vgl. § 726 Alt. 1 BGB). In der juristischen Person, deren Mitglieder die ehemaligen Vorgesellschafter dann sind, haften die Mitglieder aber nicht (mehr) persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der juristischen Person (so ausdrücklich § 1 Satz 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG; § 2 GenG). Daher ist die persönliche Haftung der Gesellschafter bereits in der Vorgesellschaft, dafür allerdings bloß, suspendiert, sie lebt demgemäß wieder auf, wenn die Eintragung endgültig scheitert und infolgedessen die angestrebte juristische Person niemals entsteht (Rechtsgedanke des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Aus der echten wird dann eine unechte Vorgesellschaft. Es ist zwar immer noch dieselbe Gesamthand und damit derselbe kollektive Rechtsträger, lediglich der Zweck hat sich geändert, sie ist jetzt aber nur noch eine normale BGB‑Gesellschaft oder, sofern sie ein Handelsgewerbe betreibt, eine OHG. Der Vorgesellschaft geht in der Regel als Vorstufe eine Vorgründungsgesellschaft voraus. Die Vorgründungsgesellschaft ist dabei zumeist eine bloße Innengesellschaft (d. h. eine societas). Als solche erzeugt sie ausschließlich Rechtsverhältnisse zwischen den Gesellschaftern. Diese verpflichten sich gegenseitig zu dem gemeinsamen Zweck, alle Vorbereitungshandlungen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Satzung feststellen und die Vorgesellschaft errichten zu können. Anders als im Verhältnis zwischen Vorgesellschaft und juristischer Person besteht zwischen der Vorgründungsgesellschaft und der Vorgesellschaft keine Kontinuität, es findet also keine Gesamtrechtsnachfolge statt. Die Rechte, die die Gründer gleichsam im Voraus für die Vorgesellschaft erwerben, und die Verbindlichkeiten, die sie für jene eingehen, gehen nicht von selbst (ipso iure) von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft über. Denn nur die Vorgesellschaft imitiert das „Vorleben“ der juristischen Person als einer Körperschaft des deutschen Rechts. Eine Körperschaft des deutschen Rechts beginnt jedoch erst mit der Satzungsfeststellung, allein auf diesen Zeitpunkt wirkt die Anerkennung als Verbandsperson zurück (vgl. § 159 BGB). Ausschließlich die Rechte und Pflichten, die nach der Feststellung
F. Resümee
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der Satzung gewissermaßen stellvertretend für die angestrebte juristische Person begründet worden sind, dürfen deshalb von der Vorgesellschaft auf die dann fertige juristische Person übergehen. Das schließt umgekehrt aber zwingend aus, dass die Vorgesellschaft ipso iure die Rechtsverhältnisse der Vorgründungsgesellschaft übernimmt. Denn anderenfalls würden die derart auf die Vorgesellschaft übergegangenen Rechte und Pflichten automatisch solche der juristischen Person werden und dadurch schließlich doch Rechtsverhältnisse aus der Zeit, bevor die Vorgesellschaft (als vermeintliche Körperschaft des deutschen Rechts) existiert hat, von der Vorgründungsgesellschaft auf die juristische Person übergehen. Da die Körperschaft des BGB („Verein“) eine Anstalt des römischen Rechts (universitas) ist, existiert sie in der Welt des Rechts losgelöst von einem menschlichen Verband. Damit sie aber einen Willen bilden und danach handeln kann, muss ihr ein menschlicher Wille zugrunde liegen. Diese Aufgabe kann für die juristische Person auch ein einzelner Mensch übernehmen. Aus diesem Grund ist durchaus auch eine Person allein imstande, eine juristische Person als vermeintliche Körperschaft zu gründen (vgl. § 2 AktG; § 1 GmbHG). Auch in diesem Fall soll die juristische Person aber eine Körperschaft des deutschen Rechts nachahmen, sodass auch sie ein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“ hat. Da sich ein menschlicher Verband aber aus mehreren Menschen zusammensetzt, die angestrebte juristische Person aber nur von einem Menschen errichtet wird, fehlt es in der Gegenwart an einem menschlichen Verband, der als Substrat oder Träger für die vermeintliche Körperschaft fungieren könnte. Ein menschlicher Verband hat indes nicht allein aktuelle, sondern auch potenzielle Mitglieder. Er besteht ebenso aus den Menschen, die ihm in der Vergangenheit angehört haben, wie aus den Menschen, die in der Gegenwart seine Mitglieder sind oder es in der Zukunft sein werden. Demgemäß kann auf ein einzelnes Mitglied sukzessive immerfort ein anderes folgen, sodass ein menschlicher Verband kraft der Zeit und in der Zeit entsteht, obschon im Hier und Jetzt stets bloß ein Mitglied sichtbar ist. Wenn der Einpersonengründer die Satzung feststellt und dadurch der angestrebten juristischen Person eine Verfassung gibt, begreift er sich deshalb als Organ des menschlichen Verbands. Auch hier formiert sich eine unverbundene Menge von Menschen zu einem menschlichen Verband als imaginäres Subjekt. Und weil der Gründer in seinem Wollen und Handeln bloß den menschlichen Verband vergegenwärtigt, kommt darin nicht sein „Sonderwille“ (volonté particulière), sondern der „Gemeinwille“, oder der „allgemeine Wille“, des menschlichen Verbands (volonté générale) zum Ausdruck. Auch im Fall einer Einpersonengründung sollen die Rechtsverhältnisse, die im Voraus für die künftige juristische Person begründet worden sind, nicht hinfällig sein, wenn die angestrebte juristische Person niemals entsteht. Aus diesem Grund fungiert der Gründer als Rechtsträger für diese Rechtsverhält-
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§ 13 Die Vorgesellschaft
nisse. Obschon der Gründer Gläubiger und Schuldner der Forderungen und Verbindlichkeiten ist, die er stellvertretend für die erst später existente juristische Person begründet hat, bilden diese Rechte und Pflichten ein Sondervermögen des Einmanngründers, das ipso iure von ihm auf die juristische Person übergeht, sobald jene durch Eintragung (oder Verleihung der Rechtsfähigkeit) entstanden ist. Scheitert jedoch die Eintragung, sodass die angestrebte juristische Person niemals entsteht, verschmilzt das Sondervermögen wieder mit dem Hauptvermögen des Gründers, da das Sondervermögen seinen Zweck, das Vermögen der künftigen juristischen Person zu werden, nicht mehr erreichen kann (Rechtsgedanke des § 726 Alt. 2 BGB). Weil der Gründer auch schon vor dem Scheitern der Eintragung Gläubiger und Schuldner war, setzen sich die Rechte und Pflichten lediglich fort und gehen nicht erst von einer Vorgesellschaft auf ihn über. Denn auch hier gibt es eine Vorgesellschaft als werdende oder vorläufige juristische Person noch nicht. Die juristische Person ist erst mit ihrer Eintragung (oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit) da, „nicht einen Augenblick früher, jetzt aber fertig und gerüstet, wie Athene aus Jupiters Haupt“ (Brodmann).327 Die Stiftung ist „die juristische Person in Reinkultur“ (Rittner).328 Auch nachträglich ist ihr als reiner Rechtsbegriff (nomen iuris) nicht ein menschlicher Verband in der sinnlich erfahrbaren Welt zugeordnet, an dem sie festmacht. Und weil sie daher einer Körperschaft des deutschen Rechts nicht nachgebildet ist, bleibt sie stets eine reine Anstalt des römischen Rechts. Als solche hat sie kein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“. Sie entsteht uno actu durch den staatlichen Akt, der sie erst ins Dasein ruft. Der Wille, der in ihr herrscht, ist nicht der eines menschlichen Verbands, sondern der des Stifters. Diesen Stifterwillen setzt der Stifter im Stiftungsgeschäft (§ 81 BGB), gleichwohl löst sich der Stifterwille erst mit dem Entstehen der rechtsfähigen Stiftung von ihm ab und lebt dort verselbständigt und objektiviert gleichsam „auf ewig“ fort (vgl. § 87 Abs. 2 Satz 1 BGB). Da die (rechtsfähige) Stiftung selbst vermeintlich nicht ein Substrat (Träger) in der sinnlich erfahrbaren Welt hat, kann es eine „Vorstiftung“ als werdende Stiftung von vornherein nicht geben. Das gilt auch für das Vermögen. Die Stiftung hat ein Vermögen, ist aber nicht ihr Vermögen. Deswegen ist auch der Stifter, erst nachdem die Stiftung als ein Rechtsträger entstanden ist, schuldrechtlich ihr gegenüber verpflichtet, dieser das von ihm im Stiftungsgeschäft zugesagte Vermögen zu übertragen (§ 82 Satz 1 BGB). Aus diesem Grund ist der Stifter zudem berechtigt, das Stiftungsgeschäft „bis zur Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig“ jederzeit zu widerrufen (so ausdrücklich § 81 Abs. 2 Satz 1 BGB).
327 328
Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100). Rittner, in: FS Hüffer, 2010, S. 843, 850.
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Auch das alles erkennt freilich nur derjenige, der um die Rechtsnatur der Vorgesellschaft, oder der „werdenden juristischen Person“, als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand weiß. Einer Gesamthand, die selbst kein Rechtssubjekt und erst recht keine juristische Person ist, sondern bei der die Gesellschafter zusammen einen gemeinsamen status als Raum im Recht einnehmen, der an sie als Rechtsträger die Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten weiterleitet, und die als solche Gesamthand (Vorgesellschaft) lediglich stellvertretend für die angestrebte (fertige) juristische Person ein „Vorleben“ als Körperschaft des deutschen Rechts simuliert. Damit ist deutlich geworden, dass Gierkes Rechtsfigur der germanistischen, realen Verbandsperson als Körperschaft des deutschen Rechts für das Verständnis der juristischen Person, für ihr „Vorleben“ als „werdende juristische Person“, unverzichtbar ist. Und das, obwohl Gierkes deutsche Verbandsperson (corpus) nicht in das BGB eingegangen ist, sondern allein Savignys römische juristische Person (universitas). Weil nun aber die Verbandsperson nicht Teil des positiven Rechts ist, die körperschaftliche juristische Person des BGB (als „Verein“) jedoch trotzdem einer Körperschaft des deutschen Rechts nachgebildet sein soll, sie also so aufgefasst werden soll, als verfüge sie über einen menschlichen Verband (ens physicum), sodass sie durch ihn als ihr Substrat ein „Vorleben“ vor ihrer „Geburt“ besitzt und schon von sich aus (ipso iure) handlungsfähig ist, muss diese Aufgabe die Figur der deutschen Gesamthand übernehmen. Insofern zeigt sich, dass die juristische Person des geltenden Rechts, zumindest als eine Körperschaft, als „Verein“, mit Notwendigkeit die Gesamthand voraussetzt, die deshalb für das positive Recht von heute unentbehrlich ist.
§ 14
Der nichtrechtsfähige Verein Nach heute ganz h. M. ist der nichtrechtsfähige Verein ein Rechtssubjekt, ohne jedoch eine juristische Person zu sein. Er besitzt demnach eine andere Rechtsfähigkeit als die, von der in den §§ 21, 22, 54 BGB die Rede ist. Damit ist der nichtrechtsfähige Verein für die h. M. eine Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. eine Verbandsperson), welche das Recht nicht durch Eintragung oder Verleihung der Rechtsfähigkeit erst erschafft (creatio ex nihilo), sondern ein „körperschaftliches Gebilde“, welches das Recht nur noch als juristische Person anerkennt. Rechtsfähiger und nichtrechtsfähiger Verein sind für die h. M. demzufolge „wesensgleich“, sodass ein Verein selbst als juristische Person derselbe sein soll, der er auch schon zuvor als nichtrechtsfähiger Verein war. Das soll dann aber nach h. M. ausschließlich für den Verein gelten, der einen ideellen Zweck verfolgt. Nur bei diesem haben die Mitglieder nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Vereinsschulden einzustehen. Anders soll es jedoch nach heute h. M. beim nichtrechtsfähigen Verein aussehen, der einen wirtschaftlichen Zweck hat. Bei diesem Verein müssen die Mitglieder, so die h. M., dann doch wieder persönlich für die Vereinsschulden haften, sodass der Verein hier gerade nicht eine Körperschaft des deutschen Rechts, sondern „nur“ eine Gesamthand sein soll. Das trifft durchaus zu, aber eben nicht nur für einen Wirtschaftsverein, der (noch) nicht rechtsfähig ist, sondern auch für einen nichtrechtsfähigen Idealverein. Denn eine Körperschaft des deutschen Rechts gibt es im BGB nicht und deswegen kann ein Verein von vornherein nicht eine (reale) Verbandsperson sein, und zwar gleichgültig, ob er rechtsfähig oder nicht rechtsfähig ist, aber auch, ob er einen ideellen oder einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Aus diesem Grund verweist § 54 Satz 1 BGB für jeden nichtrechtsfähigen Verein ausdrücklich auf die Vorschriften über die Gesellschaft. Der nichtrechtsfähige Verein ist daher stets bloß eine Gesellschaft zur gesamten Hand (§§ 718 Abs. 1, 719 BGB) und kein Rechtssubjekt. Darin kommt die bewusste Entscheidung des historischen Gesetzgebers zum Ausdruck, die juristische Person des BGB, den Verein, erst und allein mit seiner Eintragung (§ 21 BGB) oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) entstehen zu lassen, ihm ein „Dasein“, eine „Rechtsexistenz“ zu verleihen und „keinen Augenblick früher“.1 Die Verfasser des BGB haben sich 1 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 17; Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100) (Zitate).
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
dadurch, obgleich sie sich eigentlich mit Absicht einer Stellungnahme zum „Wesen der juristischen Person“ enthalten wollten, auf die juristische Person Savignys, die universitas, als die juristische Person des BGB festgelegt und insofern Gierkes deutscher Rechtsfigur der realen Verbandsperson eine Absage erteilt. Wenn nun aber die h. M. dem Verein auch schon vor seiner Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit zugesteht, ein Rechtssubjekt und damit eine juristische Person zu sein, verliert der staatliche Akt der Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit seinen konstitutiven Charakter. Auf diese Weise wird jedoch aus der juristischen Person des BGB eine Verbandsperson, die gerade nicht Eingang in das BGB, in das geltende Recht, gefunden hat. Um demgemäß die Rechtsfigur der juristischen Person des BGB als die Savignys, als eine universitas, aufrechtzuerhalten, darf der „Verein“ vor seiner Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit noch nicht selbst der alleinige Rechtsträger, ja überhaupt ein Rechtsträger, sein. Stattdessen können das ausschließlich die einzelnen Menschen sein, aus denen sich der menschliche Verband zusammensetzt, und die die „soziale Realität“ des Vereins bilden, oder genauer: deren Personen (personae morales). Sie sind als Verein, der nicht rechtsfähig ist (so § 54 Satz 1 BGB), eine BGB‑Gesellschaft zur gesamten Hand. Auch sie nehmen also zusammen einen status ein, der die gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten lediglich an sie als die Zuordnungsendpunkte (= Rechtsträger) vermittelt, ohne daher selbst Rechtssubjekt zu sein. Auch insoweit zeigt sich erneut, dass die Gesamthandsfigur nicht nur für sich allein zum geltenden Recht dazugehört, sondern auch für die Figur der juristischen Person des BGB als eine universitas unverzichtbar ist.
A. Die Grundfrage: Wie kann der „nicht rechtsfähige Verein“ ein Rechtssubjekt sein? I. Die These Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, ist eine Gemeinschaft zur gesamten Hand.2 Denn nach § 54 Satz 1 BGB finden „auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung“. Die Gesellschaft ist eine Gesamthand und infolgedessen auch der nichtrechtsfähige Verein (§§ 54 Satz 1, 718, 719 BGB). Die Vereinsmitglieder sind daher als Gesellschafter zusammen (d. h. als Gesamthand) Rechtsträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten und nicht der Verein als ein ihnen gegenüber verselbständigtes 2 BGH, NZG 2016, 666, 667, lässt zwar offen, ob der nichtrechtsfähige Verein rechtsfähig ist. Wenn er kein Rechtssubjekt ist, so der BGH, bilden die Vereinsmitglieder eine Gesamthandsgemeinschaft, sodass „sie in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und nicht die Vereinigung als solche Träger des Vereinsvermögens“ sind.
A. Grundfrage: Wie kann der „nicht rechtsfähige Verein“ Rechtssubjekt sein?
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Rechtssubjekt. Sie nehmen im Recht einen gemeinsamen status ein, der die Rechte und Pflichten an sie als Zuordnungsendpunkte weiterleitet, d. h. sie besitzen eine „kollektive Rechtsfähigkeit“ (Gierke).3 Das Vereinsvermögen gehört deshalb allen Mitgliedern (als Gesamthand) zusammen, es ist ein „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ (§§ 54 Satz 1, 718 Abs. 1 BGB).4 Auch die Verbindlichkeiten des nichtrechtsfähigen Vereins sind „gemeinschaftliche Schulden“ der Mitglieder (§§ 54 Satz 1, 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), da ein Verein als Rechtssubjekt neben den „Mitgliedern“ (Gesellschaftern) nicht existiert.5 Weil die Mitglieder die Zuordnungsendpunkte dieser gemeinschaftlichen Schulden sind, werden sie als solche (d. h. als ganze Person) gebunden. Sie sind aus diesem Grund nicht bloß in Gemeinschaft (d. h. als Gesamthand), sondern auch jeder für sich Schuldner einer Vereinsverbindlichkeit. Es entsteht sowohl eine gemeinschaftliche Gesellschaftsschuld (allein in diesem Sinn eine Vereinsschuld) als auch eine individuelle Gesellschafterschuld, sodass jedes Vereinsmitglied (als Gesellschafter) auch persönlich mit seinem Privatvermögen für eine Vereinsverbindlichkeit einstehen muss (§ 54 Satz 1 BGB, § 128 Satz 1 HGB analog).6
II. Die Auffassung der h. M. 1. Historische Entwicklung Schon bevor die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) die BGB‑Gesellschaft als rechtsfähig anerkannt hatte, stufte sie den nichtrechtsfähigen Verein (§ 54 Satz 1 BGB) als Rechtssubjekt ein, sodass nicht die Mitglieder, sondern der Verein selbst Träger der (gemeinschaftlichen) Rechte und Pflichten war.7 Zwar sah das Reichsgericht wegen des Verweises in § 54 Satz 1 BGB auf die Vorschriften über die Gesellschaft „die Mitglieder in ihrer gesamthänderischen Vereinigung“ als Träger der Rechte und Verbindlichkeiten an, betonte dennoch zugleich, der nichtrechtsfähige Verein sei keine Gesellschaft, sondern ein „körperschaftliches Gebilde“.8 Das Reichsgericht charakterisierte den „Ver3 4
Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 29. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 21. 5 Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 35. 6 Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 35, 37– 38, der aber annimmt, dass die persönliche Haftung der Mitglieder (Gesellschafter) „nicht zwingend“ sei und deshalb auf das Vereinsvermögen (Gesellschaftsvermögen, § 718 Abs. 1 BGB) beschränkt werden könne (aaO., S. 38–39); ihm folgend RGZ 63, 62, 65. 7 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 16; Flume, ZHR 148 (1984), 503, 506. 8 RGZ 143, 212, 213. Auch schon die Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 400, beschreiben in ähnlicher Weise das „Wesen“ des Vereins und leiten daraus ab: „Solchergestalt angelegte Vereine sind völlig geeignet, Träger einer selbständigen Rechtsfähigkeit zu werden.“
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
ein, der nicht rechtsfähig ist“, deswegen als „eine auf Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist“.9 BGH und Schrifttum schlossen sich dieser Definition an.10 Denn auch für sie besaß der nichtrechtsfähige Verein im Gegensatz zu einer BGB‑Gesellschaft „der Natur der Sache entsprechend körperschaftlichen Charakter“.11 Allein noch begrifflich waren demnach die Mitglieder zur gesamten Hand Träger der Rechte und Verbindlichkeiten, tatsächlich war indes bereits der nichtrechtsfähige Verein selbst ein Rechtssubjekt, vor allem das Vereinsvermögen gehörte nicht (mehr) den Mitgliedern zur gesamten Hand (so aber §§ 54 Satz 1, 718 Abs. 1 BGB), sondern wurde stattdessen dem nichtrechtsfähigen Verein als einer „vom Wechsel der Mitglieder unabhängigen Korporation als solcher“ zugeordnet.12
2. Der nichtrechtsfähige Verein als Körperschaft des deutschen Rechts Wenn bereits der „Verein, der nicht rechtsfähig ist“ (§ 54 Satz 1 BGB) ein Rechtssubjekt ist, ist er rechtsfähig, obgleich ihm dazu an sich die Eintragung in das Vereinsregister (§ 21 BGB) oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) fehlt. Diesen Widerspruch meint die h. M. dadurch auflösen zu können, dass sie den Begriff der Rechtsfähigkeit, wie ihn die §§ 21, 22, 54 BGB verwenden, als die Fähigkeit auffasst, „Träger von Rechten und Pflichten aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit als solcher zu sein“.13 Rechtsfähigkeit i. S. der §§ 21, 22, 54 BGB heißt also, juristische Person zu sein.14 Die Eigenschaft, eine juristische Person zu sein, verleiht dem rechtsfähigen Verein i. S. der §§ 21, 22 BGB allerdings nicht ein Mehr an Rechtsfähigkeit; er ist demnach nicht rechtsfähiger als der nichtrechtsfähige Verein (§ 54 BGB). Beide sind vielmehr „wesensgleich“ (K. Schmidt).15 9 RGZ 143, 212, 213. 10 BGHZ 90, 331, 333; BGH, NJW 1979, 2304, 2305; Leuschner, in: MünchKomm-BGB,
8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 2; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 I 1 (S. 732). 11 BGHZ 42, 210, 216. 12 BGHZ 50, 325, 329; mittelbar auch BGH, NJW 2008, 69, 74, wonach der nichtrechtsfähige Verein deshalb aktiv parteifähig sein soll, weil es die (Außen-) GbR ist und § 54 Satz 1 BGB „ergänzend“ auf die Vorschriften über die Gesellschaft verweist. Wer parteifähig ist, muss auch (zuvor) rechtsfähig sein. Anders jetzt BGH, NZG 2016, 666, 667–668, wenn er es bewusst offenlässt, ob der nichtrechtsfähige Verein rechtsfähig ist, d. h. die Vereinigung als solche ein Rechtssubjekt oder eine Gesamthand ist, sodass das Vereinsvermögen nicht dem Verein (als Körperschaft), sondern den Vereinsmitgliedern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit gehört. 13 BGHZ 146, 341, 347 (Hervorhebung nicht im Original). 14 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 16. 15 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 I 2 (S. 733); so auch bereits Gierke,
A. Grundfrage: Wie kann der „nicht rechtsfähige Verein“ Rechtssubjekt sein?
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Die Eintragung in das Vereinsregister (§ 21 BGB) und die Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) sind demnach ein rein formaler Akt; es handelt sich bei ihnen lediglich um ein „formelles Ordnungsprinzip“,16 der Sache nach bleibt der Verein dasselbe „Rechtsgebilde“. Die Eigenschaft, juristische Person zu sein (d. h. die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit als solcher zu sein), ist nicht substanziell, sondern bloß akzidentiell für den Verein. Aus diesem Grund finden nach h. M. die Vorschriften über den rechtsfähigen Verein (§§ 21–53 BGB) bereits auf „die Vereine, die nicht rechtsfähig sind“ (§ 54 Satz 1 BGB), Anwendung, sofern sie die Registereintragung oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit als (bloß) „formelles Ordnungsprinzip“ nicht voraussetzen.17 Der rechtsfähige Verein erlangt seine Rechtsfähigkeit also nicht erst mit seiner Eintragung in das Vereinsregister (§ 21 BGB) oder durch staatliche Verleihung (§ 22 Satz 1 BGB), sondern ist schon zuvor (d. h. als nichtrechtsfähiger Verein i. S. des § 54 BGB) rechtsfähig. Der Verein ist demgemäß eine Körperschaft (so die h. M.),18 und zwar des deutschen Rechts.19 Und weil für die h. M. Registereintragung und Verleihung der Rechtsfähigkeit rein deklaratorisch, nicht konstitutiv sind, lassen diese staatlichen Akte das Wesen des Vereins unberührt. Der Verein bleibt daher selbst als rechtsfähiger Verein i. S. der §§ 21, 22 BGB eine Körperschaft des deutschen Rechts (Verbandsperson), er wird nicht zu einer echten juristischen Person (d. h. zu einer Anstalt des römischen Rechts). Auch der rechtsfähige Verein existiert nicht losgelöst von seinen Mitgliedern, sondern leitet sich als Rechtssubjekt (d. h. als KörperVereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 12 („Wesenheiten gleicher Art“). Raiser, ZGR 2016, 781, 796, will daher den „nicht eingetragenen Verein“ (zukünftig) als juristische Person einstufen. 16 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 II 2 d) (S. 743), im Anschluss an Breitbach, Nicht rechtsfähige Vereine und Körperschaften, 1930, S. 131; so auch letztlich Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 86, wonach die Eintragung ins Vereinsregister allenfalls noch dem Interesse der Öffentlichkeit an der Publizität der Rechtssubjektivität diene. 17 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 II 2 d) (S. 743); Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 86; siehe dazu auch BGH, NJW 1979, 2304, 2305, wonach für eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung, die ebenso wie ein rechtsfähiger Verein mit einer körperschaftlichen Verfassung und einem Gesamtnamen ausgestattet ist, im Zweifel Vereinsrecht gelte. 18 Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 1; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 54 Rn. 1; Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 473. 19 So bereits Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 641, wonach der Verweis in § 54 Satz 2 BGB auf die Grundsätze der Gesellschaft zweckmäßig sei, „um der in der Judikatur vielfach aufgetretenen Ansicht entgegenzutreten, als seien solche nicht rechtsfähigen Vereine als freiere genossenschaftliche (d. h. als körperschaftliche, Anm. d. Verf.) Verbände nach deutschrechtlichem Systeme aufzufassen“; siehe auch Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 12: „Der Verein ist keine Gesellschaft. Er ist vielmehr seinem wirklichen Wesen nach eine Körperschaft.“
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
schaft) von den Menschen ab, die ihn real bilden. Der menschliche Verband (ens physicum) ist in der sinnlich erfahrbaren Welt Träger des Vereins (persona moralis), er ist sein „Substrat“.20 Der Verein als (reale) Verbandsperson ist eine zusammengesetzte Person und hat dementsprechend eine reale Verbandspersönlichkeit.21 Als eine solche Körperschaft (des deutschen Rechts) ist der Verein eine persona moralis und demgemäß ein Teil der noumenalen Welt des Rechts (entia moralia). Demgegenüber sind die Menschen, die sich real zu einem menschlichen Verband zusammengeschlossen haben, um auf Dauer einen gemeinsamen Zweck zu erreichen, sich nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert haben, einen Gesamtnamen führen und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt sind, 22 ein soziales Gebilde in der wirklichen, da sinnlich wahrnehmbaren Welt (ens physicum). Verein und menschlicher Verband existieren deshalb in zwei unterschiedlichen Welten. Auch wenn der Verein (Körperschaft) als persona moralis aus seinem menschlichen Verband als ens physicum hervorgeht, erschafft das objektive Recht die Verbandsperson (als persona moralis) zwar nicht gleichsam aus dem Nichts (creatio ex nihilo), dennoch muss das objektive Recht den menschlichen Verband stets erst noch als Verbandsperson (d. h. als Rechtssubjekt) anerkennen.23 Hierfür ist ein Rechtssatz erforderlich, „der entweder dem Gewohnheitsrechte oder dem Gesetzesrechte angehören kann“. 24 Demzufolge reicht für die Anerkennung eines menschlichen Verbands als ein Rechtssubjekt, als eine persona moralis, auch ein Rechtssatz des Gewohnheitsrechts aus. Diesen Weg geht die h. M., indem sie den Verweis in § 54 Satz 1 BGB auf das Gesellschaftsrecht durch „derogatives Gewohnheitsrecht“ außer Kraft und an dessen Stelle – wiederum qua Gewohnheitsrecht (auch wenn die h. M. das nicht ausdrücklich sagt) – ein „System der freien Körperschaftsbildung“ setzt.25 Ein menschlicher Verband, der korporativ strukturiert und insofern in der „wirklichen Welt“ eine Körperschaft (= Korporation), in stoischer Diktion ein corpus ex distantibus ist, erkennt das objektive Recht demnach kraft Gewohnheitsrecht nur noch als Rechtssubjekt (persona moralis) an und macht da20 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 483 (Zitat). 21 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 22 23
Vgl. RGZ 143, 212, 213. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471. 24 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 487. 25 So ausdrücklich etwa Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 86; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 21 Rn. 5. Von einem „derogativen Gewohnheitsrecht“ spricht zuerst Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 216, der damit explizit an Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. 2, Abt. 2, 1952, S. 172, und Habscheid, AcP 155 (1956), 375, 385, anknüpfen will. Dort ist allerdings nicht von einem „derogativen“, sondern von einem „derogatorischen Gewohnheitsrecht“ die Rede, worunter Boehmer, aaO., S. 3–4, und ihm folgend Habscheid, aaO., S. 385, eine gewohnheitsrechtliche Rechtsfortbildung contra legem verstehen, so inhaltlich dann auch das „derogative Gewohnheitsrecht“ bei Fabricius, aaO., S. 216.
A. Grundfrage: Wie kann der „nicht rechtsfähige Verein“ Rechtssubjekt sein?
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durch aus ihm eine Körperschaft in der „abstrahierten vorgestellten Welt“ des Rechts, eine Körperschaft im rechtlichen Sinn. 26 Sobald sich die (zukünftigen) Vereinsmitglieder (als einzelne Menschen) in der phänomenalen Welt zu einer Körperschaft, zu einem menschlichen Verband, vereinigen, entsteht der Verein nicht nur real als „soziales Gebilde“ (in der sinnlich wahrnehmbaren Welt), vielmehr ist er von sich aus (ipso iure) auch sofort rechtsfähig (und damit in der Welt des Rechts ein Rechtssubjekt und eine Person).
III. Der Wille des historischen Gesetzgebers Der historische Gesetzgeber hatte sich im Gegensatz zur heutigen h. M. bewusst gegen das System der freien Körperschaftsbildung entschieden. Er führt hierzu in den Motiven zum BGB aus: „Die Persönlichkeit kann selbstverständlich den in Rede stehenden Vereinen nicht in der Weise zugänglich gemacht werden, dass im Wege eines allgemeinen Rechtssatzes ausgesprochen wird, ein solcher Verein erlange, wenn er korporativ angelegt sei und juristische Person sein wolle, mit seiner Begründung ohne Weiteres die Persönlichkeit. Ein solches Vorgehen würde (…) die misslichste Rechtsunsicherheit zur Folge haben. Die Tatsache, dass der Wille der zusammentretenden Personen auf die Gründung eines korporativen Vereines gerichtet ist, und dass der spezifische Korporations organismus vorliegt, (…) lässt sich oft erst im Laufe der Zeit auf Grund seiner Lebensbetätigung mit Sicherheit erkennen. Die Frage, ob eine Gesellschaft oder eine juristische Person zustande gekommen (ist), muss aber von Anfang an klargestellt sein; jede mit dem Mangel äußerlicher Erkennbarkeit verbundene Ungewissheit schädigt den Verkehr.“27
Der Wille der Mitglieder, eine juristische Person zu sein, und die körperschaftliche Verfassung der Personenvereinigung reichen in den Augen der Verfasser des BGB also nicht aus, damit sich Dritte sicher sein können, dass nicht die Mitglieder, sondern die Personenvereinigung als solche (Assoziation) berechtigt und verpflichtet wird. Und das gilt eben auch für die Figur der realen Verbandsperson, da die juristische Person nicht allein als eine römisch-rechtliche Anstalt, sondern auch als eine deutsch-rechtliche Körperschaft (d. h. reale Verbandsperson) rechtlich gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigt ist. Selbst die Gesamtheit der Mitglieder ist daher im Unterschied zu einer Gesellschaft als Gesamthand zumindest rechtlich nicht die juristische Person (und das gilt eben auch für die Verbandsperson). Jene ist sowohl als eine Anstalt des römischen Rechts als auch als eine Körperschaft des deutschen Rechts ein bloß gedachtes und in diesem Sinn ideales Gebilde, das als „Abstraktion“ real für 26 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103 (Zitate). 27 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 400–401.
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
Dritte nicht als selbständiges Rechtssubjekt zu erkennen ist („weder greifbar noch sichtbar“).28 Für Außenstehende ist deshalb nicht deutlich, dass nicht die Mitglieder, sondern die juristische Person (als Verbandsperson) als solche Träger der Rechte und Pflichten ist und aus diesem Grund allein ihr Vermögen dem zwangsweisen Zugriff der Gläubiger unterworfen ist (und nicht auch das Privatvermögen ihrer Mitglieder). Für das Entstehen einer Gesellschaft (als einer zur gesamter Hand) ist das unschädlich, da die Gesellschafter die Gesellschaft sind und daher nicht allein in Gemeinschaft als kollektive Einheit (d. h. als eine Gesamthand), sondern auch als unverbundene Subjekte (für sich) Schuldner der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten sind. Die Verfasser des BGB sahen deswegen die Trennlinie bei den Personenvereinigungen (Assoziationen) zu Recht zwischen juristischer Person (d. h. Anstalt und Körperschaft) und Gesellschaft (Gesamthand und societas). Damit Dritte nun mit Gewissheit erkennen können, dass sie es im Rechtsverkehr mit einer juristischen Person zu tun haben, muss der Staat die Existenz der juristischen Person oder ihr Dasein als selbständiges Rechtssubjekt erst noch durch die Eintragung in ein öffentliches Register oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit als öffentlichen Akt beglaubigen. So heißt es in der Denkschrift zum Entwurf eines BGB: „Gegen die Annahme des Systems der freien Körperschaftsbildung sprechen (…) Erwägungen, welche die praktische Anwendbarkeit und die Sicherheit des Rechtsverkehrs betreffen. Diese Erwägungen fordern ein leicht erkennbares Unterscheidungsmerkmal zwischen rechtsfähigen Vereinen und anderen Vereinen; als solches kann aber der Umstand nicht dienen, dass der Wille der zusammentretenden Personen auf Gründung eines rechtsfähigen Vereins gerichtet und eine körperschaftliche Verfassung hergestellt ist. Vielmehr erscheint es notwendig, die Entstehung eines rechtsfähigen Vereins an einen öffentlichen Akt zu binden.“29
Der historische Gesetzgeber greift damit inhaltlich auf die Überlegungen Savignys zum Entstehen der juristischen Person zurück: „Die Notwendigkeit der Staatsgenehmigung zur Entstehung jeder juristischen Person hat (…) einen durchgreifenden juristischen Grund. Der einzelne Mensch trägt seinen Anspruch auf Rechtsfähigkeit schon in seiner leiblichen Erscheinung mit sich. (…) Wird nun die natürliche Rechtsfähigkeit des einzelnen Menschen durch Fiktion auf ein ideales Subjekt übertragen, so fehlt eine natürliche Beglaubigung gänzlich; nur der Wille der höchsten Gewalt kann dieselbe ersetzen, indem er künstliche Rechtssubjekte schafft, und wollte man diese Macht der Privatwillkür überlassen, so würde unvermeidlich die höchste Ungewissheit des Rechtszustandes entstehen.“30 28 Gierke, Deutsches Privatrecht, 29 Denkschrift, in: Mugdan, Die
Bd. 1, 1895, S. 268, 470. gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 827. 30 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 277, 278 (Hervor-
A. Grundfrage: Wie kann der „nicht rechtsfähige Verein“ Rechtssubjekt sein?
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Da für Dritte ohne einen derartigen Publizitätsakt das Dasein des nichtrechtsfähigen Vereins als Rechtssubjekt, das sich in den Rechtsbeziehungen zu Dritten vor seine Mitglieder schiebt und sie demgemäß vor deren Forderungen abschirmt, nicht sicher zu erkennen ist, kann der nichtrechtsfähige Verein per se nicht eine juristische Person sein, er muss stattdessen eine Gesellschaft und damit eine Gesamthand sein. Der Verweis für den nichtrechtsfähigen Verein auf die Vorschriften über die Gesellschaft in § 54 Satz 1 BGB ist daher nur konsequent, sofern man nicht seine Existenz als Personenvereinigung (Assoziation) gänzlich leugnen wollte, da neben der juristischen Person nur noch die Gesellschaft als Rechtsform in Betracht kommt.31
IV. Der Gegensatz zwischen „Gesellschaft“ und „juristischer Person“ 1. Der Ausgangspunkt im BGB Der Gegensatz von Gesellschaft und juristischer Person ist einer von deutscher Gesamthand und Anstalt des römischen Rechts. Die Gesellschaft, im ersten Entwurf des BGB noch eine (römisch-rechtliche) societas, ist seit dem zweiten Entwurf eine Gemeinschaft zur gesamten Hand, die juristische Person des BGB eine Anstalt des römischen Rechts.32 Denn ebenso wie die Stiftung als Anstalt (§ 80 Abs. 1 BGB) erlangt auch der „rechtsfähige Verein“ erst durch einen staatlichen Akt seine Rechtsfähigkeit (§§ 21, 22 Satz 1 BGB). Die juristische Person des BGB ist aus diesem Grund sowohl als Stiftung (= Anstalt) als auch als Verein (Körperschaft) eine „Schöpfung des objektiven Rechts“ (creatio ex nihilo).33 Die Körperschaft des deutschen Rechts, die aus ihrem menschlichen Verband hervorgeht und das objektive Recht nur noch als juristische Person (d. h. als Verbandsperson) anerkennt, gibt es im BGB daher nicht.
hebung nicht im Original). Selbst Raiser, AcP 199 (1999), 104, 143–144, erkennt, dass zumindest „Grundbuchfähigkeit und Parteifähigkeit grundsätzlich die natürlichen Eigenschaften des Menschen voraussetzen, nämlich seine infolge seiner körperlichen Erscheinung wahrnehmbare Identität. Das Fehlen dieser Eigenschaft kann bei juristischen Personen durch die Publizität der Registereintragung kompensiert werden“. Fehlt diese, will Raiser die Rechtsfähigkeit lediglich einschränken, sie aber nicht davon abhängig machen. 31 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 640–641: „Es gehe nicht an, die tatsächlich existierenden nicht rechtsfähigen Vereine als Rechtsgebilde einfach zu ignorieren. Versage man diesen Vereinen die weitergehenden Rechte der jur. Personen, so liege es nahe, sie den Grundsätzen der Gesellschaft zu unterwerfen, da sich eine andere Rechtsform für ihre rechtlichen Beziehungen (…) nicht finden lasse.“ 32 Hinter den §§ 705–740 BGB stehen daher sowohl die römisch-rechtliche societas (Innengesellschaft) als auch die „deutsche Gesellschaft“ (als Gesamthand) (dazu § 7). 33 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 471 (Zitat).
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
2. Die Ansicht der h. M. Für die h. M. lauten die wahren Gegensätze indes nicht „Gesellschaft und juristische Person“, sondern „Gesellschaft und Verein“ (Stoll).34 Der Begriff der Gesellschaft steht an dieser Stelle zunächst einmal noch für die deutsche Gesamthand, der des Vereins jetzt aber schon für die Körperschaft des deutschen Rechts und nicht mehr für die juristische Person als eine Anstalt des römischen Rechts, und zwar, weil der staatliche Akt (§§ 21, 22 Satz 1 BGB) nicht mehr konstitutiv wirkt, er ist vielmehr nur noch rein deklaratorisch. Das Attribut, „juristische Person“ zu sein, geht vom rechtsfähigen mit auf den nichtrechtsfähigen Verein über, da für die h. M. beide, d. h. „nichtrechtsfähiger Verein“ (§ 54 BGB) und „rechtsfähiger Verein“ (§§ 21, 22 BGB) „wesensgleich“ (K. Schmidt) und damit beide gleichermaßen Körperschaften des deutschen Rechts sind.35 Der Verein und mit ihm die deutsche Körperschaft erhalten so die Bezeichnung „juristische Person“, die demnach jetzt für ein Rechtssubjekt steht, das seine Rechtsfähigkeit nicht mehr durch ein staatlichen Akt erhält, sondern aus sich selbst heraus rechtsfähig ist und insofern für ein System der freien Körperschaftsbildung steht. Dem Namen nach besteht die Dichotomie zwischen Gesellschaft und juristischer Person daher zwar weiterhin fort, inhaltlich verwandelt sie sich jedoch in einen Gegensatz von Gesamthand (= Gesellschaft) und Körperschaft (= Verein). Diese Rechtsentwicklung setzt sich nun mit der Gruppenlehre fort, indem sie (als h. M.) die Gesellschaft und damit das, was sie als Gesamthand bezeichnet, jetzt auch noch als ein Rechtssubjekt fehldeutet, sodass für sie aus der Gesellschaft als einer Gesamthand eine Körperschaft des deutschen Rechts wird. Da aber der Verein ebenfalls eine Körperschaft des deutschen Rechts ist und mit ihm das, was die h. M. juristische Person nennt, wird aus der Gesellschaft und aus der Gesamthand der h. M. eine juristische Person.36 Mit anderen Worten ebnet die h. M. (Gruppenlehre) die „unüberbrückbare begriffliche Kluft“, die zwischen deutscher Gesamthand und deutscher Körperschaft (Genossenschaft) besteht,37 ein; beide verschmelzen gleichsam (wieder) miteinander,38 und zwar indem die h. M. auf der einen Seite die (römisch-rechtliche) juristische Person des BGB zu einer deutsch-rechtlichen Körperschaft (Genossen34
S. 49.
35 36
Stoll, in: Schreiber, Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. 2, 1929,
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 I 2 (S. 733) (Zitat). Bergmann, ZGR 2005, 654, 669, Raiser, AcP 199 (1999), 104, 107, 143; Timm, NJW 1995, 3209, 3210, denken die h. M. nur konsequent zu Ende, wenn sie die Gesamthand (Gesellschaft) ausdrücklich als eine juristische Person einordnen. Für Raiser, AcP 194 (1994), 495, 512, „sieht es so aus, als ob die Gesamthand als dogmatische Kategorie jedenfalls des Gesellschafts- und Verbandsrechts überholt wäre“. Wandt, Das Innenrecht der (teil-)rechtsfähigen BGB‑Gesellschaft, 2009, S. 167–179 (179). 37 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339. 38 Dazu § 4 (Genossenschaft des älteren Rechts).
B. Der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein
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schaft) herab- und auf der anderen Seite die Gesamthand zu einem Rechtssubjekt und damit zu einer Körperschaft heraufstuft. Auch hier offenbart sich, welche fatalen Folgen es hat, dass die h. M. sowohl den Charakter der juristischen Person als Anstalt (des römischen Rechts) als auch der Gesellschaft als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand verkennt, weil sie in beiden (zu Unrecht) Körperschaften des deutschen Rechts sieht.
3. Die Ansicht Flumes Anders als die heute ganz h. M. (Gruppenlehre) sah Flume als Urheber der Gruppenlehre indes den wahren Gegensatz noch zwischen Gesellschaft und juristischer Person.39 Er verstand die Gesellschaft und damit das, was er und ihm folgend die h. M. als Gesamthand bezeichnet, zwar, wenn auch unbewusst, als eine Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. als eine reale Verbandsperson), gleichzeitig erkannte er jedoch in der juristischen Person des BGB eine Anstalt des römischen Rechts. Denn auch für Flume war die juristische Person des BGB ein „ideales Ganzes“ (Savigny), das losgelöst von seinen Mitgliedern existiert und deshalb ihnen gegenüber verselbständigt ist, und daher eben nicht eine Verbandsperson, die sich real aus ihren Mitgliedern zusammensetzt (Gierke).40 Was er freilich dabei übersah, war, dass seine Gesamthand, d. h. die Mitglieder oder Gesellschafter als Gruppe („Wirkungsgemeinschaft“), in Wirklichkeit die zusammengesetzte Person mit einer realen Verbandspersönlichkeit ist, die er für die juristische Person noch ausdrücklich abgelehnt hatte. Der nichtrechtsfähige Verein (§ 54 BGB) ist deshalb für ihn ebenso wie die Gesellschaft als (vermeintliche) Gesamthand eine Körperschaft des deutschen Rechts (= reale Verbandsperson), der rechtsfähige Verein (§§ 21, 22 BGB) hingegen eine juristische Person („Wirkungseinheit“) und demgemäß beide Vereine im Gegensatz zur heute h. M. gerade nicht „wesensgleich“.41
B. Der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein I. Die Auffassung der h. M. Auch „ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist“, der aber die „Rechtsfähigkeit (noch) nicht durch staatliche Verleihung“ erlangt hat (§ 22 Satz 1 BGB), ist eine Körperschaft. Denn auch ein solcher nichtrechtsfähiger wirtschaftlicher Verein (§ 54 BGB) ist „wie ein rechtsfähiger Verein mit einer körperschaftlichen Verfassung und einem Ge39
Flume, ZHR 148 (1984), 503, 504.
40 Flume, ZHR 148 (1984), 503, 504. 41 Flume, ZHR 148 (1984), 503, 504–505.
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
samtnamen ausgestattet“.42 Weil auch er (ebenso wie der nichtrechtsfähige ideelle Verein) „eine auf Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks (ist), die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt“ ist, ist er „keine Gesellschaft“.43 Dennoch sollen, so die h. M., auf ihn (im Gegensatz zum nichtrechtsfähigen ideellen Verein) die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung finden. Nach einem Teil der h. M. folgt die Anwendung des Gesellschaftsrechts daraus, dass ein derartiger Verein kein nichtrechtsfähiger Verein, sondern eine Gesellschaft ist, d. h. er ist eine OHG oder KG, sofern er ein Handelsgewerbe betreibt (vgl. § 105 Abs. 1 HGB), anderenfalls eine GbR.44 Das Gesellschaftsrecht findet hiernach unmittelbare Anwendung, sodass es der Verweisung in § 54 Satz 1 BGB nicht bedarf. Ein anderer Teil folgt dem nur für die Vereine, die ein kaufmännisches Gewerbe ausüben. Während diese eine OHG oder KG sind (vgl. § 105 Abs. 1, § 1 Abs. 2; § 161 Abs. 1 HGB) und daher für sie die §§ 105–177a HGB direkt gelten, bleibt es für die nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereine, die ein Handelsgewerbe i. S. des § 1 Abs. 2 HGB nicht betreiben, bei der Anwendbarkeit des § 54 Satz 1 BGB.45 Eine weitere Ansicht innerhalb der h. M. begreift dagegen jeden nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein als nichtrechtsfähigen Verein i. S. des § 54 BGB und kommt daher in allen Fällen ausschließlich vermittelt über § 54 Satz 1 BGB zum Gesellschaftsrecht.46
II. Eigener Ansatz Zwar wenden sämtliche Ansichten innerhalb der h. M. gleichermaßen die Vorschriften über die Gesellschaft auf den nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein an, doch nur für diejenigen, welche den Wirtschaftsverein als „nicht rechtsfähigen Verein“ i. S. des § 54 BGB einordnen, ist das Gesellschaftsrecht zusätzlich um § 54 Satz 2 BGB (Handelndenhaftung), § 50 Abs. 2 ZPO (Parteifähig42
BGH, NJW 1979, 2304, 2305 (Zitat). RGZ 143, 212, 213; bereits RGZ 113, 125, 127–128, definiert in dieser Weise den nichtrechtsfähigen Verein (§ 54 BGB), ohne zwischen Vereinen mit ideellem und wirtschaftlichem Zweck zu differenzieren. 44 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 I 2 b) (S. 734). 45 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 3, 23, 25; Flume, ZHR 148 (1984), 503, 517–518; siehe auch BGHZ 22, 240, 244: „Es ist anerkannt, dass ein nichtrechtsfähiger Verein in Wirklichkeit offene Handelsgesellschaft ist (…), wenn er ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreibt.“ 46 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 54 Rn. 13, 15, 44; Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 79–81, 202, 518; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, S. 94; Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 14–17. 43
B. Der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein
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keit), § 735 ZPO (Zwangsvollstreckung gegen den nicht rechtsfähigen Verein) und §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 19 InsO (Überschuldung als Eröffnungsgrund) zu ergänzen. Da es mit diesen Vorschriften Sonderregeln für den nichtrechtsfähigen Verein gibt, ist an sich zwischen Verein und Gesellschaft begrifflich zu differenzieren. Ein Unterschied zwischen beiden lässt sich jedoch nicht finden. Denn auch eine Gesellschaft (d. h. als GbR, OHG oder KG) kann die Eigenschaften eines nichtrechtsfähigen Vereins aufweisen. Nicht nur ein (nichtrechtsfähiger) Verein, sondern auch eine Gesellschaft kann auf Dauer angelegt sein. Die Gesellschafter verfolgen ebenso wie die Mitglieder eines Vereins einen gemeinsamen Zweck (§ 705 BGB). Der Kreis der Gesellschafter kann sich zudem durchaus aus einer größeren Anzahl von Personen zusammensetzen. Obschon die Gesellschaft nicht eine Körperschaft ist, kann sie körperschaftsähnlich verfasst sein, indem die Gesellschafter die weitgehend dispositiven Vorschriften über die Gesellschaft ausdrücklich oder auch konkludent abändern. Das Gesellschaftsrecht ist daher derart flexibel, dass die Gesellschafter eine Körperschaft, hier einen (nichtrechtsfähigen) Verein, nachbilden können: Die Gesellschaft kann ebenso wie ein (nichtrechtsfähiger) Verein unter einem Gesamtnamen auftreten und vom Wechsel seiner Gesellschafter unabhängig sein (vgl. § 736 Abs. 1 BGB). Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft können die Gesellschafter auf einen oder mehrere von ihnen übertragen (vgl. §§ 710, 714 BGB) und dadurch einen organähnlichen Vorstand der Gesellschaft bilden.
III. Ein Sonderrecht für den nichtrechtsfähigen Verein? Die Schwierigkeit oder vielmehr sogar die Unmöglichkeit, den nichtrechtsfähigen Verein von der Gesellschaft abzugrenzen, umgeht der Teil der h. M., der in einer Personenvereinigung, die wirtschaftliche Zwecke verfolgt, stets und daher unabhängig von § 54 Satz 1 BGB eine Gesellschaft sieht, sodass die Sondervorschriften der § 54 Satz 2 BGB, §§ 50 Abs. 2, 735 ZPO sowie §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 19 InsO für sie auf den nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein keine Anwendung finden. Für die Auffassungen innerhalb der h. M., die zumindest zum Teil auf § 54 Satz 1 BGB abstellen, um darüber den nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein als eine Gesellschaft einordnen zu können, scheint es allerdings weiterhin für den nichtrechtsfähigen Verein ein Sonderrecht zu geben. Mit § 54 Satz 2 BGB, §§ 50 Abs. 2, 735 ZPO und §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 19 InsO existiert jedoch in Wahrheit, so die These, ausschließlich formal ein Sonderrecht für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB), da materiell bereits das Gesellschaftsrecht, zumindest heute, zu denselben Rechtsfolgen führt, sodass es einer Abgrenzung von Gesellschaft und Verein zunächst einmal nicht bedarf, wenn der Verein nicht rechtsfähig ist und einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt.
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1. Prozess- und Zwangsvollstreckungsrecht Nach § 50 Abs. 2 ZPO kann ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, klagen und verklagt werden. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die Gesellschaft, die unter ihrem gemeinschaftlichen Namen vor Gericht klagen und verklagt werden kann (vgl. § 124 Abs. 1 HGB analog), auch sie ist aktiv und passiv parteifähig.47 Da eine Gesellschaft als GbR ebenso wie eine OHG und KG im Rechtsverkehr unter ihrem Gesamtnamen auftreten kann, genügt zur Zwangsvollstreckung in das gesamthänderisch gebundene Vermögen auch bei ihr ein Titel gegen die Gesellschaft (vgl. § 124 Abs. 2 HGB). Die Gesellschafter sind die Gesellschaft. Materiell ist daher der Titel „gegen die Gesellschaft“ ein solcher „gegen alle Gesellschafter“ i. S. des § 736 ZPO, hier lediglich unter ihrem Gesamtnamen. Deshalb ist auch das Urteil gegen den nichtrechtsfähigen Verein (§ 735 ZPO) ein Schuldtitel gegen alle Mitglieder als Gemeinschaft zur gesamten Hand.
2. Insolvenzrecht Für das Insolvenzverfahren stellt § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO den „nicht rechtsfähigen Verein“ der juristischen Person gleich, sodass nicht erst die Zahlungsunfähigkeit des nichtrechtsfähigen Vereins Eröffnungsgrund (§ 17 InsO) ist, sondern bereits dessen Überschuldung (§ 19 Abs. 1 InsO). Der „Vorstand“ des nichtrechtsfähigen Vereins hat aus diesem Grund schon dann „ohne schuldhaftes Zögern“ einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO), wenn das Vereinsvermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO) und nicht erst, wenn der nichtrechtsfähige Verein nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Sinn und Zweck, den Zeitpunkt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei einer juristischen Person von der Zahlungsunfähigkeit auf den der Überschuldung vorzuverlegen, ist ausschließlich die fehlende persönliche Haftung ihrer Mitglieder; diese Regelung ist „notwendiges Korrelat zur alleinigen Haftung des Gesellschaftsvermögens“.48 Aus diesem Grund ordnet § 19 Abs. 3 Satz 1 InsO selbst für eine GbR, OHG und KG (Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, an, dass auch hier bereits der Eintritt der Überschuldung Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren ist (und nicht wie sonst bei einer Gesellschaft erst der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit). Denn lediglich formal existiert bei einer solchen Gesellschaft ein persönlich haftender Gesellschafter, tatsächlich bildet jedoch ebenso wie bei einer juristischen Person, die ausschließlich mit ihrem eigenen Ver47 48
BGHZ 146, 341, 347–357. Drukarczyk/Schüler, in: MünchKomm-InsO, 3. Aufl. 2013, § 19 Rn. 1.
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mögen haftet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG; § 2 GenG), allein ein beschränkter Vermögensbestand das Haftungsobjekt, das dem zwangsweisen Zugriff der Gesellschaftsgläubiger unterworfen ist. Steht hinter dem persönlich haftenden Gesellschafter allerdings seinerseits eine natürliche Person, besteht in Gestalt dieser Person mittelbar eine persönliche Mitgliederhaftung der „Dachgesellschaft“, sodass für eine derartige Gesellschaft der Sinn und Zweck des § 19 Abs. 1 InsO nicht greift und daher erst die Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund ist (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 InsO). Für den nichtrechtsfähigen Verein verweist § 54 Satz 1 BGB auf die §§ 718, 719 BGB, sodass ein solcher Verein eine Gesamthand ist, bei der die Mitglieder nicht nur als verbundene Subjekte (Einheit), sondern auch als Gesellschafter (Vielheit) Schuldner der (gemeinschaftlichen) Vereinsverbindlichkeiten sind. Die Mitglieder eines wirtschaftlichen Vereins, der nicht rechtsfähig ist, haften in diesem Sinn persönlich (mit ihrem Privatvermögen). Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 InsO findet daher auf den nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein keine Anwendung, sodass die Überschuldung hier noch nicht einen Eröffnungsgrund darstellt, sondern erst die Zahlungsunfähigkeit.49 Da die Gesellschaft in der gleichen Weise wie der nichtrechtsfähige Verein insolvenzfähig ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) und bei ihr erst dann ein Eröffnungsgrund besteht, wenn sie zahlungsunfähig i. S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist, ist „die Abgrenzung zwischen nicht rechtsfähigem Verein und Gesellschaft bürgerlichen Rechts insolvenzrechtlich bedeutungslos“.50
3. Die Handelndenhaftung (§ 54 Satz 2 BGB) a) Beim Dauerverein aa) Die Ansicht der h. M. Damit bleibt nur noch die Handelndenhaftung des § 54 Satz 2 BGB als Sonderrecht für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein. Gemäß § 54 Satz 2 BGB haftet der Handelnde aus einem Rechtsgeschäft, das er im Namen des nichtrechtsfähigen Vereins vorgenommen hat, persönlich. Handelnder kann auch sein, wer nicht Mitglied des Vereins ist.51 Während nach einem engen Begriff nur Organvertreter (Vorstand, § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB) Handelnde i. S. des § 54 Satz 2 BGB sein können,52 haften nach einem weiten Begriff nicht nur Organvertreter, sondern alle Personen als Handelnde, die gegenüber außenstehenden Dritten für den Verein als dessen Stellvertreter auftreten.53 War 49 Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl. 2019, § 11 50 Ott/Vuia, in: MünchKomm-InsO, 3. Aufl. 2013, § 11 Rn. 21. 51 52
Rn. 231.
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 III 3 b) (S. 748). Beuthien, GmbHR 2013, 1, 2; Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 60; siehe auch BGHZ 66, 359, 360–361 (für die Vorgesellschaft); Beuthien, ZIP 1996, 360, 368. 53 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 54 Rn. 13; Schöpflin, in: Prütting/
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die Person zur Vertretung befugt, hat sie nicht nur den Verein verpflichtet (§ 164 Abs. 1 BGB), sondern auch sich selbst, sodass sie über § 54 Satz 2 BGB neben dem Verein persönlich (mit ihrem Privatvermögen) haftet.54 Es entstehen dadurch zwei Verbindlichkeiten, die akzessorisch derart miteinander verknüpft sind, dass die Verpflichtung des Handelnden von der des Vereins abhängt.55 Die Haftung i. S. des § 54 Satz 2 BGB entspricht demgemäß vom Inhalt her der des Gesellschafters gemäß §§ 128, 129 HGB, sodass der Handelnde in derselben Weise wie der Verein als Hauptschuldner zu Erfüllung oder Schadensersatz verpflichtet ist.56 Nach h. M. soll diese Haftung des § 54 Satz 2 BGB selbst dann einschlägig sein, wenn der Handelnde ohne die erforderliche Vertretungsmacht aufgetreten ist.57 Hiernach verdrängt § 54 Satz 2 BGB insoweit als lex specialis § 179 BGB.58
bb) Die Auffassung des historischen Gesetzgebers und eigene Lösung Für die Gesellschaft existiert eine derartige Handelndenhaftung nicht. Entgegen der h. M. findet § 54 Satz 2 BGB aber auf den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Dauerverein, d. h. den Verein der den Erwerb der Rechtsfähigkeit i. S. des § 22 BGB im Gegensatz zum Vorverein nicht anstrebt, keine Anwendung. Der historische Gesetzgeber sah in § 54 Satz 2 BGB eine Kompensation für die alleinige Haftung des Vereinsvermögens: „Es gehe nicht an, darin, dass der andere Teil sich mit dem im Namen des Vereins Handelnden als dem Vertreter eines nicht rechtsfähigen Vereins eingelassen habe, die Vereinbarung zu finden, dass die Haftung des für den Verein Handelnden sich auf das Vereinsvermögen beschränken solle. Der Bestand des Vereinsvermögens sei für Dritte nicht erkennbar, und es fehle an jeder Gewähr dafür, dass dieses Vermögen nicht ohne Rücksicht auf die Gläubiger verteilt werde; ebenso fehle es an dem Schutze, welchen die Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl. 2018, § 54 Rn. 18; so bereits Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 641: „Die persönliche Haftung sei endlich nicht (…) auf die Vorstandsmitglieder zu beschränken; sie müsse vielmehr auch dann eintreten, wenn andere Personen, ohne zum Vorstande zu gehören, als Vertreter des Vereines in dessen Namen mit Dritten kontrahiert hätten.“ 54 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 26; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 54 Rn. 13, wonach die Handelndenhaftung „keine Ersatzhaftung, sondern zusätzliche Haftung“ ist. 55 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 III d) (S. 749); Beuthien, GmbHR 2013, 1, 11; siehe auch BGHZ 53, 210, 214; BGHZ 69, 95, 104. 56 Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 61; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 III c) (S. 749); Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 54 Rn. 11; Beuthien, GmbHR 2013, 1, 11; so auch für die Vorgesellschaft Ulmer/Habersack, in: GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 128; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 123, 125. 57 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 III 3 b) (S. 748). 58 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 26.
B. Der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein
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Vorschrift des § 39 Abs. 2 (= § 42 Abs. 2 BGB; Anm. d. Verf.) im Fall der Überschuldung des Vereinsvermögens den Gläubigern gewähre.“59
Der nichtrechtsfähige Verein ist aber gemäß §§ 54 Satz 1, 718, 719 BGB eine Gemeinschaft zur gesamten Hand. Die Mitglieder sind als Gesellschafter der Verein (d. h. die Gesellschaft) und infolgedessen nicht nur als Einheit, sondern auch als Vielheit (d. h. als unverbundene Einzelpersonen) Schuldner der Vereinsverbindlichkeiten. Sie haften demnach auch mit ihrem Privatvermögen gegenüber Dritten, die mit dem Verein im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu tun haben. Das bedeutet aber auch, dass es, anders als es noch der historische Gesetzgeber des BGB annahm, beim nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein eine ausschließliche Haftung des Vereinsvermögens, die durch eine Handelndenhaftung ausgeglichen werden müsste, gar nicht gibt. Aus demselben Grund scheidet es im Gegensatz zum rechtsfähigen Verein (§ 42 Abs. 2 BGB) auch aus, das Insolvenzverfahren bereits bei Überschuldung des nichtrechtsfähigen Vereins zu eröffnen. Stattdessen ist beim nichtrechtsfähigen Verein die Zahlungsunfähigkeit maßgeblich. Denn aufgrund der persönlichen Mitgliederhaftung muss das Vereinsvermögen nicht zum Schutz der Gläubiger noch zusätzlich (durch eine Handelndenhaftung) abgesichert werden. Die ursprüngliche Zielsetzung der Verfasser des BGB ist bereits durch die Haftung der Vereinsmitglieder (d. h. Gesellschafter) mit ihrem Privatvermögen anderweitig erreicht, sodass einer Handelndenhaftung i. S. des § 54 Satz 2 BGB zumindest für den Dauerverein der Boden entzogen ist.60
b) Beim Vorverein aa) Die Vorgesellschaft (1) Befugt Handelnde Auf den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein, der die Verleihung der Rechtsfähigkeit i. S. des § 22 BGB anstrebt (Vorverein), findet § 54 Satz 2 BGB dagegen durchaus Anwendung. Die Vorschrift des § 54 Satz 2 BGB ist im Kontext zu § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 11 Abs. 2 GmbHG zu sehen. Tritt ein Geschäftsführer bzw. ein Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats entweder im Namen der zukünftigen juristischen Person oder aber der Vorgesellschaft auf, haftet er persönlich.61 Da in der Vorgesellschaft die Gründer als Gesellschafter persönlich für die Verbindlichkeiten von Vor-AG oder Vor-GmbH 59 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 641. 60 Nach Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 58, soll das jedoch ausschließlich für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein gelten, der ein Handelsgewerbe betreibt (OHG, KG). 61 Dazu sogleich.
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einzustehen haben, dient auch bei ihnen die Handelndenhaftung von Geschäftsführer, Vorstand und Aufsichtsrat nicht dem Schutz der Gläubiger (Sicherungsfunktion). Vielmehr übernimmt die persönliche Handelndenhaftung von Geschäftsführer, Vorstand und Aufsichtsrat, die Dritte sind und daher nicht per se persönlich haften, die Aufgabe, diese dazu anhalten, die Eintragung der angestrebten GmbH oder AG in das Handelsregister mit Erfolg zu betreiben (Druckfunktion).62 Die Vorgesellschaft ist zwar eine Gemeinschaft zur gesamten Hand, gleichwohl wirken die Regeln der zukünftigen juristischen Person bereits auf dieses Stadium vor.63 Geschäftsführer, Vorstand und Aufsichtsrat sind an sich erst Organe der fertigen juristischen Person, dennoch müssen sie die AG oder GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anmelden (§ 36 Abs. 1 AktG; §§ 7 Abs. 1, 78 GmbHG). Die Vorgesellschaft als Gesamthand (im Gegensatz zu einer Körperschaft des deutschen Rechts) hat aber keine Organe. Geschäftsführer, Vorstand und Aufsichtsrat sind daher Stellvertreter der Gesamtheit der Gründer (d. h. der Gesamthand). Ihre Stellung ist dabei jedoch organähnlich, da sie eine verdrängende Vertretungsmacht haben, soweit dies für das Entstehen der angestrebten juristischen Person erforderlich ist.64 In der fertigen juristischen Person können nun aber auch Nichtmitglieder Organträger sein, es gilt hier der Grundsatz der Fremdorganschaft. Dementsprechend können in der Vorgesellschaft auch Dritte Geschäftsführer oder Mitglieder in Vorstand und Aufsichtsrat sein, die als Dritte anders als die Vorgesellschafter (d. h. als die Gründer), nicht von vornherein persönlich für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft haften. Für sie gilt gewissermaßen nicht § 128 Satz 1 HGB (analog). In der Vorgesellschaft sind die Gründer (Gesellschafter) nicht nur als verbundene Subjekte (Einheit), sondern auch jeder für sich (d. h. als Vielheit) Schuldner gegenüber den Gläubigern der Vorgesellschaft und haben deshalb auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten einzustehen. Diese persönliche Außenhaftung ist wegen des transitorischen Charakters der Vorgesellschaft jedoch vorläufig suspendiert 62 Nach Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 26, soll statt des gesetzlichen Drucks, die Eintragung herbeizuführen, der Gläubigerschutz im Vordergrund stehen, dennoch erkennt auch er, dass wegen der anderweitigen persönlichen Haftung der Gründer (als Gesellschafter der Vorgesellschaft) die Haftung des Handelnden insoweit „praktisch nur noch von geringem Gewicht“ ist. Für Beuthien, GmbHR 2013, 1, 5, fußt die Handelndenhaftung darauf, den Gläubigern überhaupt einen (Ersatz-) Schuldner zu verschaffen, weil die Mitglieder und Vorgesellschafter seiner Ansicht nach selbst nicht persönlich haften. Der nichtrechtsfähige Verein ist jedoch eine Gesamthand, sodass seine „Mitglieder“ als Gesellschafter auch persönlich (mit ihrem Privatvermögen) Schuldner der „Vereinsverbindlichkeiten“ sind. 63 Dazu § 13. 64 Dazu § 13.
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und erlischt endgültig, sobald die angestrebte juristische Person durch Eintragung in das Handelsregister entstanden ist (§ 1 Abs. 2 AktG; § 13 Abs. 2 GmbHG).65 Scheitert allerdings die Eintragung, verliert die Vorgesellschaft ihre Eigenschaft als Vorstufe zur zukünftigen juristischen Person und aus der echten wird eine unechte Vorgesellschaft, sodass die persönliche unmittelbare Außenhaftung der Gesellschafter wieder auflebt (Rechtsgedanke des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB).66 Die Gründer haben deshalb ein signifikantes Eigeninteresse, dass die angestrebte juristische Person auch tatsächlich durch die Eintragung (als staatlichen Akt) entsteht. Damit besteht für sie schon von vornherein ein Anreiz, die Registereintragung herbeizuführen.67 Diesen Druck, der auf den Gründern lastet, erstreckt die Handelndenhaftung (§ 41 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 11 Abs. 2 GmbHG) nun auf Vorstand, Aufsichtsrat und Geschäftsführer. Diese müssen nicht Gesellschafter sein und deshalb nicht automatisch (ipso iure) persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Schulden der Vorgesellschaft einstehen. Dennoch haben sie es letztlich in der Hand, ob die angestrebte juristische Person überhaupt entsteht (vgl. § 36 Abs. 1 AktG; §§ 7 Abs. 1, 78 GmbHG).68 Um in dieser Situation auch für Vorstand, Aufsichtsrat und Geschäftsführer einen effektiven Anreiz zu schaffen, die beabsichtigte juristischen Person in das Handelsregister eintragen zu lassen, ist es angezeigt, dass sie zumindest immer dann persönlich als Handelnde haften, wenn sie direkt oder aber indirekt (durch Bevollmächtigte) rechtsgeschäftlich gegenüber Dritten für die Vorgesellschaft (auf deren Rechnung) auftreten.69 Entscheidend ist dabei nicht, unter welchem Namen (der Vorgesellschaft oder der künftigen Gesellschaft) sie auftreten.70 Selbst wenn Vorstand, Aufsichtsrat und Geschäftsführer bereits im Namen der noch nicht existierenden juristischen Person handeln, liegt hier in der Regel ein unternehmensbezogenes Geschäft vor.71 Der Vertretene ist lediglich falsch bezeichnet, sodass die Handelnden in Wirklichkeit für die Vorgesellschaft eine Willenserklärung abgegeben haben (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), ein Vertrag kommt deshalb auch mit ihr zustande.72 Sofern Vorstand, Aufsichtsrat und Geschäftsführer jedoch die fertige juristische Person binden wollen (und dies für den Dritten ersichtlich ist), ist ein geschlossener Vertrag erst wirksam, wenn die künftige Gesellschaft entstanden ist. Weil auch hier eine Handelndenhaftung Druck auf Vorstand, 65
Dazu § 13. Dazu § 13. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 103. 68 Dazu sogleich. 69 Vgl. Beuthien, GmbHR 2013, 1, 8, 10. 70 So ausdrücklich Beuthien, GmbHR 2013, 1, 10; vgl. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 48; anders noch BGHZ 65, 378, 380–381; BGHZ 66, 359, 360. 71 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 111. 72 Schubert, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 179 Rn. 13. 66 67
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Aufsichtsrat und Geschäftsführer ausübt, die angestrebte Gesellschaft (d. h. AG oder GmbH) in das Handelsregister eintragen zu lassen, haften die Organvertreter aus § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG oder § 11 Abs. 2 GmbHG.73 Denn sobald GmbH und AG entstanden sind, erlischt die Handelndenhaftung, da sie durch die Registereintragung ihr Ziel erreicht hat.74 Scheitert aber die Eintragung, bleibt die Handelndenhaftung weiterhin bestehen.75 Da allein Geschäftsführer bzw. Vorstand und Aufsichtsrat die Gesellschaft anmelden können, kann die Handelndenhaftung (§ 11 Abs. 2 GmbHG; § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG) ausschließlich ihnen gegenüber die dadurch angestrebte Druckfunktion entfalten. Aus diesem Grund sind sonstige Vertreter der Vorgesellschaft von der Handelndenhaftung nicht erfasst.76 Eine persönliche Haftung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG gegenüber den Gläubigern der Vorgesellschaft ist schon deswegen geboten, weil die Gründer auf den Aufsichtsrat, der bei der Anmeldung der AG mitwirken muss (§ 36 Abs. 1 AktG), nur dadurch Einfluss nehmen können, dass sie deren Mitglieder abberufen und neue bestellen. Auf den Vorstand können die Gründer sogar allein über den Aufsichtsrat einwirken, da der Aufsichtsrat den ersten Vorstand bestellt (§ 30 Abs. 4 AktG) und dessen Tätigkeit lediglich überwacht (§ 111 Abs. 1 AktG). Der Aufsichtsrat kann nicht in die Leitungsfunktion des Vorstands eintreten und ist auch nicht befugt, dem Vorstand bindende Weisungen zu erteilen (§ 76 Abs. 1 AktG). Er kann nur die Mitglieder des Vorstands abberufen und an ihrer Stelle neue bestellen (§ 84 AktG). Die Gesellschafter einer Vor-GmbH haben als Gesellschafterversammlung im Gegensatz dazu zwar ein Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer (entsprechend §§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG),77 sodass die Gesellschafter einer Vor-GmbH anders als die einer Vor-AG unmittelbar auf den Geschäftsführer dahingehend einwirken können, dass dieser die GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anmeldet. Gleichwohl können sie die Anmeldung nicht selbst vornehmen, sondern stets der Geschäftsführer (§§ 7, 78 GmbHG). Deshalb ist es auch bei der Vor-GmbH durchaus geboten, den Geschäftsführer über die Handelndenhaftung des § 11 Abs. 2 GmbHG unmittelbar zu moti73 A. A. Beuthien, GmbHR 2013, 1, 11; Ulmer/Habersack, in: GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 137; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 48. 74 BGHZ 69, 95, 103; BGHZ 70, 132, 142; BGHZ 80, 182, 183; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 41 Rn. 25; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 117; a. A. Beuthien, GmbHR 2013, 1, 13–14. 75 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 11 Rn. 53. 76 BGHZ 66, 359, 360–361; Blath, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 91. Für Beuthien, GmbHR 2013, 1, 2, ist die Handelndenhaftung deswegen auch eine „besondere Organvertreterhaftung“. 77 Beuthien, GmbHR 2013, 1, 3.
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vieren, die Registereintragung der Gesellschaft schnellstmöglich zu betreiben (d. h. er ist gehalten, die Gesellschaft alsbald ordnungsgemäß zum Handelsregister anzumelden).78
(2) Unbefugt Handelnde Durch die Handelndenhaftung erhalten die Gläubiger der Vorgesellschaft zwar neben den Gründern, die als Vorgesellschaft zusammen (d. h. als Gesamthand) und als unverbundene Einzelpersonen (jeder für sich) und in diesem Sinn persönlich haften, einen zusätzlichen Schuldner. Dieser Gläubigerschutz ist jedoch lediglich ein Rechtsreflex der Druckfunktion. Die Handelndenhaftung hat deshalb selbst bei der Vorgesellschaft keine Sicherungsfunktion und dient auch nicht dem Schutz des Vertrauens des Rechtsverkehrs.79 Dies gilt sowohl für den Fall, dass der Geschäftsführer oder Vorstand ohne die erforderliche Vertretungsmacht im Namen der Vorgesellschaft auftritt, als auch für den, dass er im Namen der tatsächlich noch nicht existenten juristischen Person rechtsgeschäftlich handelt, obwohl er auch hier nicht die nötige Vertretungsmacht hat oder sich sogar nur als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied geriert. Denn in beiden Fällen haften Geschäftsführer und Vorstand nicht als Handelnde i. S. des § 11 Abs. 2 GmbHG bzw. des § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG (so aber die h. M.),80 sondern über § 179 BGB lediglich als vollmachtlose Vertreter. Die Handelndenhaftung erfasst, anders als es die h. M. annimmt, eben nicht die Konstellation, dass der Geschäftsführer oder Vorstand im Namen der Vorgesellschaft auftritt, ohne die dazu erforderliche Vertretungsmacht zu haben.81 Wie auch sonst trägt hier ausschließlich der Dritte das Risiko, dass seinem Gegenüber die behauptete, nötige Vertretungsmacht fehlt, sodass der vermeintliche Geschäftsherr, hier also die Gründer als Gemeinschaft zur gesamten Hand (Einheit) und als persönliche Schuldner (Vielheit), nicht verpflichtet werden. Stattdessen haften ihm Geschäftsführer und Vorstand als vollmachtlose Vertreter gemäß § 179 Abs. 1 BGB, und zwar wahlweise auf Erfüllung 78 Anders die h. M., da der Geschäftsführer nach der ordnungsgemäßen Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister kaum Möglichkeiten hat, auf Dauer und Gang des Eintragungsverfahrens Einfluss zu nehmen (so Blath, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 87, weshalb die Druckfunktion heute nur noch geringe Bedeutung habe. Ulmer/Habersack, in: GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 124). Das entlastet einen Eintragungspflichtigen aber auch sonst nicht (Vossler, in: Oetker, HGB, 5. Aufl. 2017, § 25 Rn. 39). 79 So aber BGH, NJW 2004, 2519. 80 BGH, NJW 1980, 287, 287; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 35 Rn. 117; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 41 Rn. 20; Ulmer/Habersack, in: GroßKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 128. 81 So auch Beuthien, GmbHR 2013, 1, 8; ders., GmbHR 1996, 561, 565.
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oder Schadensersatz, es sei denn, Geschäftsführer und Vorstand weisen dem Dritten ihre Vertretungsmacht nach.82 Tritt jemand als Geschäftsführer oder Vorstand im Namen der fertigen juristischen Person (GmbH oder AG) auf, obwohl er dazu nicht die erforderliche Vertretungsmacht hat oder er tatsächlich gar nicht Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied ist (faktisches Organmitglied), erweckt er zwar den Rechtsschein, er handle für die (vermeintlich) bereits existierende GmbH oder AG. Bei einer fertigen GmbH bzw. AG ist die Vertretungsmacht des Geschäftsführers bzw. Vorstands gegenüber Dritten unbeschränkt (§ 37 Abs. 2 GmbHG; § 82 Abs. 1 AktG), d. h. es besteht der Anschein, der Handelnde könne die GmbH oder die AG in vollem Umfang rechtsgeschäftlich verpflichten, sodass er sich als (faktischer) Geschäftsführer oder Vorstand einer nicht existenten GmbH bzw. AG behandeln lassen muss, sofern Dritte hierauf gutgläubig vertraut haben.83 Hier geht es also um die Rechtsscheinshaftung eines vollmachtlosen Vertreters, nicht um eine Handelndenhaftung (§ 41 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 11 Abs. 2 GmbHG).84 Es findet deshalb auch an dieser Stelle „nur“ § 179 BGB Anwendung.85 Die ratio des § 179 BGB besteht darin, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht bei seinem Gegenüber Vertrauen hervorruft, dieses aber enttäuscht (vgl. § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB).86 Es handelt sich hier demnach ebenso wie bei der Rechtsscheinshaftung um eine Vertrauenshaftung; anders die Handelndenhaftung, die gerade nicht darauf abzielt, das Vertrauen des Rechtsverkehrs zu schützen, sie hat ausschließlich die Aufgabe, Vorstand, Aufsichtsrat und Geschäftsführer dazu anzuhalten, die Gesellschaft im Handelsregister eintragen und so als juristische Person entstehen zu lassen (Druckfunktion).
bb) Der Vorverein Da die Regeln des angestrebten wirtschaftlichen Vereins (§ 22 BGB) auf dessen Vorstufe vorwirken, kann der Vorstand schon im Stadium des Vorvereins mit Dritten besetzt sein, die deshalb anders als die Vereinsmitglieder (d. h. als Gesellschafter) für die Verbindlichkeiten des Vorvereins nicht persönlich einzustehen haben. Der Vorstand vertritt bereits den Vorverein gerichtlich und außergerichtlich (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BGB), sodass es auch hier die Aufgabe 82 83
Beuthien, GmbHR 2013, 1, 8. Blath, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 11 Rn. 90. 84 Beuthien, GmbHR 2013, 1, 9; ders., ZIP 1996, 360, 367; auch für K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 105, ist die Handelndenhaftung „keine Rechtsscheinshaftung“. 85 Beuthien, GmbHR 2013, 1, 9. 86 BGHZ 147, 381, 390: § 179 BGB als „einen im Interesse der Verkehrssicherheit eingeführten Fall der Vertrauenshaftung“; BGH, NJW‑RR 2005, 268; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 179 Rn. 1.
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des Vorstands ist, die Voraussetzungen für eine Verleihung der Rechtsfähigkeit i. S. des § 22 BGB herbeizuführen.87 Die Situation ist damit dieselbe wie bei Vor-AG und Vor-GmbH. Auch beim Vorverein kommt der Handelndenhaftung und insofern § 54 Satz 2 BGB die Funktion zu, die Verantwortlichen dazu anzuhalten, das Entstehen der angestrebten juristischen Person ernsthaft und schnellstmöglich zu verfolgen (Druckfunktion). Die Handelndenhaftung des § 54 Satz 2 BGB erfasst deshalb ausschließlich den Vorverein. Eine Anwendung des § 54 Satz 2 BGB auf den nichtrechtsfähigen Verein, der dauerhaft eine Rechtsfähigkeit i. S. des § 22 BGB nicht anstrebt, lässt sich auch nicht mit der vermeintlichen Funktion rechtfertigen, einen Ausgleich für die fehlende Registerpublizität und das daraus resultierende Fehlen transparenter Vertretungsverhältnisse zu schaffen.88 Das Fehlen der erforderlichen Vertretungsmacht und das damit verbundene Risiko für Dritte wird wie auch sonst durch die Regelung des § 179 BGB kompensiert.89 Eine Druckfunktion scheidet selbst für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein aus, auf den die Vorschriften über die OHG Anwendung finden und der daher in das Handelsregister einzutragen ist (§ 106 Abs. 1 HGB). Denn weil der nichtrechtfähige Wirtschaftsverein eine Gemeinschaft zur gesamten Hand ist (§§ 54 Satz 1, 718, 719 BGB), können ausschließlich die Vereinsmitglieder (Gesellschafter) und nicht Dritte den Verein organschaftlich vertreten. Eine Handelndenhaftung hat aber nur für Dritte als Organhaftung einen Sinn, weil sie als Nichtgesellschafter nicht per se für die Schulden des Vereins haften, sondern allein über § 54 Satz 2 BGB.
c) Zwischenergebnis Die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Wirtschaftsvereins sind nicht nur gemeinschaftliche, sondern auch individuelle Schuldner der Vereinsverbindlichkeiten. Sie haften deshalb sowohl mit dem gemeinschaftlichen Vereinsvermögen (§§ 54 Satz 1, 718 Abs. 1 BGB) als auch mit ihrem jeweiligen Privatvermögen persönlich. Dies und die Tatsache, dass ein solcher Verein eine Gesamthand ist und demgemäß allein Mitglieder den Vereinsvorstand (§§ 710, 714 BGB) bilden können, lässt die ursprüngliche Zielsetzung des § 54 Satz 2 BGB für den Dauerverein entfallen, eine fehlende persönliche Mitgliederhaftung zu kompensieren. Anders ist das beim Vorverein. Da hier die Regeln der fertigen juristischen Person (d. h. des rechtsfähigen Vereins, der wirtschaftliche Zwecke verfolgt, § 22 BGB) auf den Vorverein vorwirken, können selbst 87
Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, §§ 21, 22 Rn. 49.
88 So aber Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 58. 89 Auch Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 486–489, lehnt
eine Anwendung des § 54 Satz 2 BGB bei fehlender Vertretungsmacht des Handelnden ab (S. 488), da in diesem Fall auch für ihn stattdessen § 179 BGB einschlägig ist (S. 489).
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Nichtmitglieder Teil des Vorstands sein und die Gründer (d. h. die Mitglieder des Vorvereins) gegenüber Dritten verpflichten (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Handelndenhaftung i. S. des § 54 Satz 2 BGB ist deshalb im Vorverein notwendiges Korrelat für die sonst fehlende persönliche Einstandspflicht dieser Fremdorganmitglieder. Demgemäß ist § 54 Satz 2 BGB systematisch (d. h. im Kontext mit § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 11 Abs. 2 GmbHG) dahin auszulegen, dass die Handelndenhaftung für den nichtrechtsfähigen Verein gilt, der die Rechtsfähigkeit i. S. des § 22 BGB anstrebt (Vorverein), und deswegen teleologisch derart zu reduzieren, dass § 54 Satz 2 BGB ausschließlich auf den Vorverein, nicht jedoch (auch) auf den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Dauerverein Anwendung findet.
C. Der nichtrechtsfähige Idealverein I. Die Verweisung in § 54 Satz 1 BGB 1. Die Ansicht der h. M. Obwohl ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, in diesem Sinn also ideelle Zwecke verfolgt (Idealverein), die Rechtsfähigkeit erst durch seine Eintragung in das Vereinsregister erlangt (§ 21 BGB), wendet die h. M. auf ihn bereits vor seiner Eintragung und damit vor seiner Rechtsfähigkeit (i. S. des § 21 BGB) die Vorschriften über den rechtsfähigen Verein an, sofern jene Vorschriften nicht die Rechtsfähigkeit – für die h. M. heißt das, die Eintragung in das Vereinsregister – voraussetzen. Die h. M. sieht auf diese Weise im nichtrechtsfähigen Idealverein eine Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. eine reale Verbandsperson), die bereits als solche ein Rechtssubjekt ist, das der Staat durch den rein formalen Akt der Eintragung nur noch anerkennt, das hierdurch aber nicht ein Mehr an Rechtsfähigkeit erlangt. Nun hat sich der historische Gesetzgeber im Gegensatz dazu bewusst gegen ein derartiges System der freien Körperschaftsbildung und demnach gegen die Rechtsfigur der Körperschaft (des deutschen Rechts) entschieden und stattdessen die Anstalt (des römischen Rechts) als juristische Person für das BGB ausgewählt. Die Eintragung ist infolgedessen für das Erlangen der Rechtsfähigkeit konstitutiv. Der Wortlaut des § 54 Satz 1 BGB unterscheidet deshalb auch nicht zwischen nichtrechtsfähigen Vereinen mit einem wirtschaftlichen oder ideellen Zweck, sodass § 54 Satz 1 BGB insgesamt und daher auch für den nichtrechtsfähigen Idealverein auf das Recht der Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) verweist. Die h. M. setzt demgemäß § 54 Satz 1 BGB zu Unrecht für den nichtrechtsfähigen Idealverein außer Kraft (so hier die These).
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2. Der Wille des historischen Gesetzgebers und die h. M. Den maßgeblichen Ansatz hierfür liefert der h. M. der Umstand, dass die Entscheidung des historischen Gesetzgebers gegen ein System der freien Körperschaftsbildung nicht nur der Rechtssicherheit dienen sollte, sondern auch (!) politisch motiviert war.90 Vereine, die einen (sozial-) politischen oder religiösen Zweck verfolgten, sollten nach der Vorstellung der Verfasser des BGB in ihrer Betätigung behindert werden, indem ihnen die Rechtsfähigkeit i. S. des § 21 BGB und darüber die Eigenschaft als juristische Person versagt wurde und sie über den Verweis des § 54 Satz 1 BGB auf die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) in eine für sie nicht geeignete Rechtsform gedrängt werden sollten.91 Hatte der Vorstand den Verein zur Eintragung bei dem zuständigen Amtsgericht angemeldet (§§ 55, 59 BGB), war das Amtsgericht verpflichtet, dies der Verwaltungsbehörde mitzuteilen (§ 61 Abs. 1 BGB a. F.).92 Die Verwaltungsbehörde konnte nun den Erwerb der Rechtsfähigkeit unterbinden, indem sie gegen die Eintragung des Vereins Einspruch erhob, wozu sie generell bei (sozial-) politischen und religiösen Vereinen berechtigt war (§ 61 Abs. 2 BGB a. F.).93 Da der satzungsgemäße Zweck des Vereins nicht mit dem tatsächlich verfolgten übereinstimmen muss, sich der Vereinszweck jedoch bei der Anmeldung allein aus der Satzung ergibt (§ 57 Abs. 1 BGB) und der Verein diese der Anmeldung beifügen muss (§ 59 Abs. 2 BGB), konnte (sozial-) politischen und religiösen Vereinen die Rechtsfähigkeit wieder entzogen werden, wenn sie zwar nicht nach ihrer Satzung (sozial-) politische oder religiöse Zwecke verfolgten, das aber tatsächlich taten (§ 43 Abs. 3 BGB a. F.).94 Zudem konnte das zuständige Amtsgericht jederzeit bei jedem Idealverein vom Vorstand verlangen, ein Verzeichnis mit den Namen der Vereinsmitglieder einzureichen (§ 72 BGB a. F.).95 90 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 827, 828. 91 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 831; so auch Protokolle, aaO., S. 640. 92 „Wird die Anmeldung zugelassen, so hat das Amtsgericht sie der zuständigen Verwaltungsbehörde mitzuteilen.“ (abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. LXVIII). 93 „Die Verwaltungsbehörde kann gegen die Eintragung Einspruch erheben, wenn der Verein nach dem öffentlichen Vereinsrechte unerlaubt ist oder verboten werden kann oder wenn er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt.“ (abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. LXVIII–LXIX). 94 „Einem Vereine, der nach der Satzung einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck nicht hat, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt.“ (abgedruckt, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. LXIV). 95 „Der Vorstand hat dem Amtsgerichte auf dessen Verlangen jederzeit ein Verzeich-
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Der Status eines (sozial-) politischen oder religiösen Vereins als nichtrechtsfähiger Verein, auf den die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung finden (§ 54 Satz 1 BGB), und der daher eine Gemeinschaft zur gesamten Hand ist (§§ 718, 719 Abs. 1 BGB), beruhte deshalb nicht darauf, dass der Verein freiwillig auf seine Eintragung und hierdurch darauf verzichtete, die Rechtsfähigkeit als juristische Person zu erlangen (§ 21 BGB).96 Vielmehr zwang der Staat den (sozial-) politischen und religiösen Vereinen, insbesondere den politischen Parteien und den Gewerkschaften, die Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins auf. Heute verstößt eine derartige Diskriminierung (sozial-) politischer und religiöser Vereine gegen das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie speziell für politische Parteien gegen Art. 21 GG, der den Charakter der Parteien als zentrales Element der deutschen repräsentativen Demokratie ausdrücklich anerkennt, für Gewerkschaften gegen die in Art. 9 Abs. 3 GG verbürgte Koalitionsfreiheit und bei religiösen Vereinen gegen die Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG). Es war demnach an sich durchaus gerechtfertigt, dass die h. M. zumindest (sozial-) politischen und religiösen Vereinen auch ohne deren Eintragung in das Vereinsregister bereits aufgrund ihrer Eigenschaft als deutsch-rechtliche Körperschaften ipso iure die Rechtsfähigkeit i. S. des § 21 BGB zusprach. Die h. M. dehnte jedoch das System der freien Körperschaftsbildung auf alle nichtrechtsfähigen Idealvereine aus, obschon die Verfasser des BGB ausdrücklich allein (sozial-) politische und religiöse Vereine, vor allem über das Einspruchsrecht der Verwaltung (§ 61 Abs. 2 BGB a. F.) und über den Entzug der Rechtsfähigkeit (§ 43 Abs. 3 BGB a. F.), vom Erwerb der Rechtsfähigkeit i. S. des § 21 BGB ausschließen wollten. Diese Differenzierung blendet die h. M. demnach zu Unrecht aus, wenn sie § 54 Satz 1 BGB (auch heute noch) für sämtliche nichtrechtsfähige Idealvereine außer Kraft setzt.
3. Veränderung der ursprünglichen Rechtslage Die Vorschriften, die es (sozial-) politischen und religiösen Vereinen unmöglich machten oder zumindest erschwerten, durch ihre Eintragung die Rechtsfähigkeit zu erlangen (§ 21 BGB), sind indes weggefallen und damit auch der Zwang, über § 54 Satz 1 BGB die Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins als Gesellschaft (d. h. Gesamthand) wählen zu müssen. Bereits das Vereinsgesetz von 1908 änderte § 72 BGB dahingehend ab, dass der Verein nicht mehr eine Bescheinigung über die Namen, sondern lediglich über die Zahl der Vereinsmitglieder auf Verlangen des Amtsgerichts jederzeit einreichen musste, nis der Vereinsmitglieder einzureichen.“ (abgedruckt in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. LXXX). 96 Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 47.
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was auch heute noch gilt.97 Durch Art. 124 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung traten dann § 43 Abs. 3 und § 61 Abs. 2 BGB a. F. faktisch außer Kraft, da es nunmehr jedem Verein und ausdrücklich auch den (sozial-) politischen und religiösen Vereinen garantiert war, die Rechtsfähigkeit nach den Vorschriften des BGB zu erwerben.98 Schließlich hob der bundesdeutsche Gesetzgeber 1953 auch formal beide Vorschriften auf und beseitige 1998 mit der Aufhebung der §§ 61–63 BGB zudem den letzten Rest des öffentlichen Vereinsrechts im BGB.99 Die staatliche Kontrolle der Vereine erfolgt deshalb ausschließlich nur noch durch das Vereinsgesetz, und zwar „ohne Rücksicht auf die Rechtsform“ (§ 2 Abs. 1 VereinsG), sodass auch der nichtrechtsfähige Verein dem öffentlichen Vereinsrecht unterliegt, d. h. ein Verein kann sich auch dann nicht der staatlichen Kontrolle entziehen, wenn er auf die Eintragung und damit auf die Rechtsfähigkeit i. S. des § 21 BGB verzichtet. Jeder Verein, der einen ideellen Zweck verfolgt, kann daher heutzutage ohne Weiteres den Status eines eingetragenen Vereins (e. V.) erlangen und ist deshalb nicht mehr gezwungen, in der Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins und demgemäß in der einer Gesellschaft (d. h. Gesamthand) zu verharren (§§ 54 Satz 1, 718, 719 Abs. 1 BGB).100 Somit ist § 54 Satz 1 BGB aber auch nicht mehr geeignet, (sozial-) politische und religiöse Vereine in ihrer freien Betätigung zu behindern, indem ihnen das BGB die Rechtsfähigkeit i. S. des § 21 BGB verweigert und sie bloß als nichtrechtsfähiger Verein und deshalb über § 54 Satz 1 BGB als Gesellschaft bestehen können. Da insoweit die Zielsetzung des § 54 Satz 1 BGB entfallen ist, soll für den nicht rechtsfähigen Idealverein die Norm des § 54 Satz 1 BGB selbst außer Kraft getreten sein („cessante ratione legis cessat lex ipsa“).101 Die h. M. übersieht hier jedoch, dass die Entscheidung des historischen Gesetzgebers gegen das System der freien Körperschaftsbildung, die sich in der Gesetzesnorm des § 54 Satz 1 BGB manifestiert, lediglich auch (!) und eben nicht nur politisch motiviert war, im Vordergrund stand vielmehr der Aspekt der Rechtssicherheit im Dienst des Verkehrsschutzes.102 Die reale Verbandsperson als Körperschaft des deutschen Rechts ist ebenso wie die juristische Person (als eine Anstalt des römischen Rechts) eine ideale, weil gedankliche Abs97 98
Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 53. Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 54. 99 Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 63–64. 100 So auch Meyer, ZGR 2008, 702, 721; Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 58, 75–76, wonach das Bestehen eines nichtrechtsfähigen Vereins „ein Ausdruck freier Rechtsformwahl“ ist. 101 So ausdrücklich Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 5. Wenn für Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 2, zwar „eine berichtigende Auslegung“ genügt, setzt doch auch er § 54 Satz 1 BGB zumindest faktisch außer Kraft. 102 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 827; so auch schon Motive, aaO., S. 400–401.
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traktion, die sich als solche gleichsam vor ihre Mitglieder stellt und sie so davor schützt, von ihren Gläubigern in Anspruch genommen zu werden. Schuldner einer Verbindlichkeit sind bei der Verbandsperson (d. h. der Körperschaft des deutschen Rechts) deshalb nicht die Mitglieder (d. h. weder in Gemeinschaft noch jeder für sich wie bei einer Gesamthand), stattdessen ist ausschließlich die reale Verbandsperson als Rechtssubjekt selbst die Schuldnerin (und haftet deshalb allein mit ihrem Vermögen). Auch wenn sich die Körperschaft anders als die juristische Person (als eine römisch-rechtliche Anstalt) real aus ihren Mitgliedern zusammensetzt, bleibt sie doch rechtlich eine Abstraktion, die als solche für Dritte nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbar ist.103 Sie bedarf deshalb der Beglaubigung durch einen öffentlichen (d. h. staatlichen) Akt (Publizität), um Dritten die nötige Gewissheit zu verschaffen, dass eine Körperschaft als selbständiges Rechtssubjekt neben ihren Mitgliedern existiert. Das gilt gleichermaßen für Vereine mit wirtschaftlicher oder ideeller Zweckverfolgung und ist auch unabhängig davon, ob der Verein die Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung (§ 22 BGB) oder Registereintragung (§ 21 BGB) erlangt. Demzufolge ist aber der Sinn und Zweck des § 54 Satz 1 BGB lediglich zum Teil überholt, die eigentliche Zielsetzung des § 54 Satz 1 BGB tritt so wieder in den Vordergrund, sodass entgegen der h. M. die Gesetzesnorm des § 54 Satz 1 BGB selbst nicht entfällt und daher § 54 Satz 1 BGB auch für den nichtrechtsfähigen Verein, der einen ideellen Zweck verfolgt, auf die Vorschriften über die Gesellschaft verweist. Der nichtrechtsfähige Idealverein ist deshalb ebenso wie der nichtrechtsfähige wirtschaftliche Verein eine Gemeinschaft zur gesamten Hand (§§ 54 Satz 1, 718, 719 Abs. 1 BGB) und nicht, wie das die h. M. annimmt, freilich ohne sich dessen bewusst zu sein, eine Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. eine reale Verbandsperson).
4. Derogatives Gewohnheitsrecht? Die Anerkennung des nichtrechtsfähigen Idealvereins als Rechtssubjekt und demgemäß als deutsch-rechtliche Körperschaft soll nach h. M. jedoch mittlerweile Gewohnheitsrecht sein, das deshalb den Verweis in § 54 Satz 1 BGB insoweit außer Kraft setze.104 Selbst wenn man die Richtigkeit dieser Annahme unterstellen wollte,105 ist gleichwohl der Sinn und Zweck dieses „derogativen Gewohnheitsrechts“ dadurch entfallen, dass die Vorschriften im BGB 103
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 470. ausdrücklich Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 10. Aufl. 2012, § 17 Rn. 136; Hübner, Allgemeiner des Bürgerlichen Gesetzbuches, 2. Aufl. 1996, Rn. 263, 270. 105 Nach Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 136–139, insb. S. 139, kann im Bereich des nichtrechtsfähigen Vereins ein „derogierendes Gewohnheitsrecht“ nicht festgestellt werden. 104 So
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aufgehoben sind, die es ursprünglich einem (sozial-) politischen oder religiösen Verein erschwerten oder unmöglich machten, die Rechtsfähigkeit i. S. des § 21 BGB zu erlangen, und über § 54 Satz 1 BGB einen solchen nichtrechtsfähigen Verein in die für ihn unpassende Rechtsform einer Gesellschaft drängten.106 Hier richtet sich demnach der von der h. M. für ihre Ansicht ins Feld geführte Grundsatz gegen sie selbst. Da somit die ratio des „derogativen Gewohnheitsrechts“ der h. M. entfallen ist, muss § 54 Satz 1 BGB auch für den nichtrechtsfähigen ideellen Verein (wieder) voll zur Geltung kommen („cessante ratione legis cessat lex ipsa“),107 sodass auch unter diesem Aspekt entgegen der heute immer noch h. M. der nichtrechtsfähige ideelle Verein eine Gemeinschaft zur gesamten Hand ist (§§ 54 Satz 1, 718, 719 Abs. 1 BGB).
II. Der nichtrechtsfähige Idealverein als BGB‑Gesellschaft 1. Dispositive Natur der Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) Bereits der historische Gesetzgeber des BGB war sich bewusst, dass die „Gesellschaft (…) nicht die passende Rechtsform für einen Verein“ ist, „vielmehr allein die juristische Person“.108 Gerade deswegen hat er aber den nichtrechtsfähigen Vereinen ganz gezielt, über § 54 Satz 1 BGB „die für sie nicht passende Rechtsform der Gesellschaft“ aufgezwungen, um sie auf diese Weise zur Eintragung in das Vereinsregister zu bewegen.109 Gleichzeitig erkannte er, dass die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins als Gesellschafter die §§ 705– 740 BGB durch die Satzung („Statut“), die in Wirklichkeit ein Gesellschafts106 Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 214–215, der dem derogativen Gewohnheitsrecht als „geltendem Recht“ gleichwohl den Vorrang vor § 54 Satz 1 BGB einräumt, weil man „das Gewicht des geschichtlich Gewordenen, das als richtig erkannt worden ist, nicht unterschätzen“ dürfe (S. 216); ähnlich bereits Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. 2, Abt. 2, 1952, S. 172, und Habscheid, AcP 155 (1956), 375, 386: „Da es (d. h. das derogative Gewohnheitsrecht, Anm. d. Verf.) als die jüngere Norm der älteren (d. h. dem § 54 Satz 1 BGB, Anm. d. Verf.) vorgeht, ist es vom Richter statt ihrer anzuwenden“; nach Fenn, JuS 1965, 175, 181, zwingt nur noch die „soziale Wirklichkeit“ dazu, den nichtrechtsfähigen Verein weitgehend einem rechtsfähigen Verein anzunähern. 107 Brand, AcP 208 (2008), 490, 504–505; für Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 359, beruht die h. M. auf einer bloßen „Anhänglichkeit gegenüber einer zur Zeit der deutschen Kaiser gebildeten Tradition“; siehe auch Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 74–76, 517–520. Wenn aber ein Gesetz als geschriebene Rechtsnorm (hier § 54 Satz 1 BGB) durch ungeschriebenes Gewohnheitsrecht verdrängt werden kann und demgemäß Gewohnheitsrecht und Gesetz (lex) einander insofern gleichgestellt sind, muss auch für ein solches derogative Gewohnheitsrecht derselbe Grundsatz gelten, dass zusammen mit seinem Sinn und Zweck (ratione legis) das Gewohnheitsrecht selbst (lex ipsa) wegfällt. 108 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 640. 109 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 640, 642.
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vertrag (§ 705 BGB) ist, ausschließen können, soweit die Vorschriften über die Gesellschaft dispositiver Natur sind.110
2. Wechselnder Mitgliederbestand Der nichtrechtsfähige Verein ist auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt,111 die Gesellschaft löst sich indes grundsätzlich durch das Ausscheiden eines Gesellschafters auf, was sich im Umkehrschluss ausdrücklich aus § 736 Abs. 1 BGB ergibt. Die Gesellschafter und daher auch die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins können im Gesellschaftsvertrag (Satzung) freilich bestimmen, dass die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern selbst dann fortbesteht, wenn ein Gesellschafter kündigt (§§ 723, 724 BGB) oder stirbt (§ 727 BGB) oder das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters eröffnet wird (§ 728 Abs. 2 BGB). Der betreffende Gesellschafter oder das Vereinsmitglied scheidet deshalb in diesen Fällen lediglich aus der Gesellschaft oder dem nichtrechtsfähigen Verein aus (§ 736 Abs. 1 BGB). Da Abschluss und Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 705 BGB) formfrei möglich sind, vermögen die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins, ihrer Satzung auch konkludent einen solchen Inhalt zu geben. Beim nichtrechtsfähigen Verein bildet eine derartige Auslegung sogar den Regelfall, da sein (Fort-) Bestand nach dem Willen der Gesellschafter (Mitglieder) vom Wechsel der Vereinsmitglieder unabhängig sein soll.112
3. Vorstand und Mitgliederversammlung Obwohl der nichtrechtsfähige Verein eine Gesellschaft und damit Gesamthand ist, können ihm seine Mitglieder also eine körperschaftsähnliche Struktur verleihen.113 Dies gilt auch für das Handeln des nichtrechtsfähigen Vereins durch einen Vorstand, indem die Gesellschafter die Geschäftsführung und Vertretung des nichtrechtsfähigen Vereins, d. h. der Gesamtheit der Mitglieder, im Gesellschaftsvertrag (als Satzung) auf einen oder mehrere Gesellschafter als Vereinsvorstand übertragen (§§ 710, 714 BGB). Im Gegensatz zum rechtsfähigen Verein als juristischer Person können hier nur Gesellschafter Mitglieder eines derartigen Vorstands sein. Es gilt für den nichtrechtsfähigen Verein wie auch sonst bei einer Gesellschaft (Gesamthand) in diesem Sinn der Grundsatz der Selbstorganschaft. Dritte können deshalb ausschließlich als 110 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 642; daher können, so Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 14, die Vorschriften über die Gesellschaft „durch die Vereinssatzung im Sinne des Körperschaftsrechts abgeändert werden“. 111 So ausdrücklich bereits RGZ 143, 212, 213, 215; Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 400. 112 RGZ 143, 212, 213. 113 Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 13–14.
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rechtsgeschäftliche Stellvertreter für den nichtrechtsfähigen Verein handeln (§ 164 BGB). Da der nichtrechtsfähige Verein eine Gesellschaft ist, hat er auch nicht wie der rechtsfähige Verein eine Mitgliederversammlung als (zentrales) Organ der juristischen Person, vielmehr bildet die Gesamtheit der Mitglieder eine Gesellschafterversammlung. Aber auch hier in der Gesellschafterversammlung stehen sich die Gesellschafter anders als die Mitglieder in einem rechtsfähigen Verein als unverbundene Subjekte (Vielheit) gegenüber, da sich die Einheit der Gesellschafter nach außen (d. h. als Gesamthand) auch hier nach innen (wieder) in die Vielheit der Gesellschafter auflöst.114
4. Die Aufnahme neuer Mitglieder Die Aufnahme eines neuen Mitglieds in den nichtrechtsfähigen Verein ist eine Änderung des Gesellschaftsvertrags und bedarf deshalb der Zustimmung aller Gesellschafter (§ 311 Abs. 1 BGB).115 Sofern die Entscheidung über den Beitritt durch die Satzung auf den Vorstand übertragen ist, handelt der Vorstand deswegen nicht für die Gesellschaft (Einheit), sondern als Stellvertreter für die einzelnen Gesellschafter (Vielheit). Da der nichtrechtsfähige Verein gerade auf die Aufnahme neuer Mitglieder angelegt ist, bevollmächtigen die Gesellschafter den Vorstand stillschweigend (§ 167 BGB), für sie, und zwar jeden Einzelnen von ihnen, als Stellvertreter (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB) insoweit den Gesellschaftsvertrag abzuändern, d. h. den Gesellschaftsvertrag um das Neumitglied als zusätzlichen Vertragsteil zu erweitern.
5. Das Mehrheitsprinzip Während im rechtsfähigen Verein Beschlüsse auch durch die Mehrheit der Mitglieder gefasst werden können (§ 32 Abs. 1 Satz 3 BGB), gilt in der Gesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB). Das Mehrheitsprinzip 114
Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 30. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 16. Auch der Wechsel in der Gesellschafterstellung ist eine Vertragsänderung (§ 311 Abs. 1 BGB). Es handelt sich hierbei um eine Vertragsübernahme, bei der der neu eintretende Gesellschafter als neue Partei des Gesellschaftsvertrags (§ 705 BGB) vom ausscheidenden Gesellschafter dessen gesamte Stellung als Beteiligter des Schuldverhältnisses übernimmt, sodass alle Beteiligten, d. h. auch die Mitgesellschafter, dieser Vertragsänderung zustimmen müssen (Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 719 Rn. 14). Die „Mitgliedschaft“ in der Gesamthand (Gesellschaft) kann deshalb, anders als die h. M. dies annimmt (so jedoch Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 32), nicht als subjektives Recht durch Abtretung (§§ 413, 398 BGB) vom bisherigen auf den neuen Gesellschafter übertragen werden. Selbst die h. M. erkennt dies, wenn sie die Wirksamkeit der Abtretung wegen des „höchstpersönlichen Charakters des Zusammenschlusses zu einer Personengesellschaft“ von der Zustimmung der übrigen Gesellschafter abhängig macht, was aber „aus dem Gesetz nicht erklärbar“ ist (so Hadding/Kießling, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2012, § 719 Rn. 13). Offengelassen in BGH, NZG 2014, 1296 Rn. 18, aber mit einer Tendenz zur Einordnung als Vertragsänderung. 115
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ist beim rechtsfähigen Verein aber nicht Ausdruck der Rechtspersönlichkeit i. S. der §§ 21, 22, 54 BGB und auch nicht der körperschaftlichen Verfassung, sondern der zumindest potenziellen Größe der Mitgliederzahl geschuldet.116 Der Verein ist im Gegensatz zur Gesellschaft typischerweise auf eine Vielzahl von Mitgliedern angelegt, die in der Regel zudem persönlich nicht miteinander verbunden sind.117 Nimmt die Anzahl der Personen zu, die im Streitfall einen Konsens erzielen müssen, sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine derartige Einigung.118 Der BGH gesteht aus diesem Grund selbst Gesellschaftern zu, bereits im Gesellschaftsvertrag das Einstimmigkeitsprinzip durch das Prinzip der Mehrheitsentscheidung zu ersetzen, um dadurch „die Flexibilität und die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft in Streitfällen sicherzustellen“.119 Das Einstimmigkeitsprinzip ist dabei nach Ansicht des BGH nicht nur in Angelegenheiten der Geschäftsführung dispositiv (§ 709 Abs. 2 BGB; § 119 Abs. 2 HGB), vielmehr ist selbst eine Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 311 Abs. 1 BGB) durch eine Mehrheitsentscheidung im Grundsatz möglich, was allerdings vorausgesetzt, dass sich die Gesellschafter zuvor im Gesellschaftsvertrag darauf einstimmig geeinigt haben.120 Eine solche Mehrheitszuständigkeit können die Gesellschafter auch konkludent vereinbaren.121 Demgemäß können die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins die Satzung, hier den Gesellschaftsvertrag, vergleichbar mit einem rechtsfähigen Verein (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BGB) ebenfalls durch Mehrheitsbeschluss abändern. Da die Regelung in § 33 Abs. 1 BGB nicht auf der Eigenschaft des rechtsfähigen Vereins als juristische Person beruht, kann sie dabei auch für den nichtrechtsfähigen Verein als Auslegungshilfe dienen (§§ 133, 157 BGB), sofern im Gesellschaftsvertrag (Satzung) eine ausdrückliche Mehrheitsklausel fehlt.122
6. Die Vermögensrechte Das Vereinsvermögen ist zwar ein gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (§§ 54 Satz 1, 718 Abs. 1 BGB), d. h. es gehört allen Gesellschaftern 116 Ähnlich für das antike römische Recht Ernst, ZRG RA 132 (2015), 1, 66, wonach der Vorzug der Mehrheitsmeinung (maior pars) vor der Mindermeinung darauf beruht haben soll, dass man sich für den Fall, dass nur einer Meinung gefolgt werden konnte, „selbstverständlich“ für die maior pars entschied. 117 Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 2; siehe auch RGZ 143, 212, 215, weshalb § 708 BGB zwar auf die Gesellschaft, nicht aber auf den nichtrechtsfähigen Verein Anwendung findet. 118 BGHZ 85, 350, 358. 119 BGHZ 170, 283 Rn. 6; BGH, NZG 2014, 1296 Rn. 16. 120 BGH, NZG 2014, 1296 Rn. 16; BGHZ 170, 283 Rn. 6; BGH, NZG 2014, 302 Rn. 23; so bereits BGHZ 85, 350, 358; Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 18. 121 BGH, NZG 2014, 1296 Rn. 14, 16; K. Schmidt, ZIP 2009, 737, 738. 122 Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 18.
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zusammen (in Gemeinschaft), das bedeutet aber nicht, dass ein (ehemaliger) Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft einen Anspruch auf dasjenige haben muss, was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt (vgl. § 717 Satz 2 BGB). Verfolgt der nichtrechtsfähige Verein einen ideellen Zweck, hat ein Gesellschafter, der aus dem Verein, oder der Gesellschaft, ausscheidet, deshalb nicht einen Auseinandersetzungsanspruch i. S. des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB.123 Das Mitglied hat keine eigenen wirtschaftlichen Interessen, vielmehr stellt es sich hier gleichsam in den Dienst des gemeinsamen ideellen Zwecks (§ 705 BGB). Das gemeinschaftliche Vereinsvermögen (§§ 54 Satz 1, 718 Abs. 1 BGB) soll daher allein diesem Zweck dauerhaft erhalten bleiben.124 Die Vorschrift des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ist deshalb insoweit durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen. Aus demselben Grund hat ein Mitglied während seiner Zugehörigkeit zum nichtrechtsfähigen Verein auch keinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung (§ 721 BGB). Ein Privatgläubiger eines Gesellschafters kann deshalb auch nicht den „Anteil“ des Mitglieds am gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter pfänden lassen und die Gesellschaft kündigen (§ 725 BGB).125 Das Kündigungsrecht des Privatgläubigers dient ausschließlich dazu, den erst zukünftigen Abfindungsanspruch (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB) durch eine Auflösung des nichtrechtsfähigen Vereins oder hier stattdessen durch das Ausscheiden des Gesellschafters entstehen zu lassen (§ 736 Abs. 1 BGB).126 Da das Mitglied in der Zukunft keinen solchen Abfindungsanspruch hat, er also auch schon zuvor nicht bloß „schlummert“, kann der Privatgläubiger eines Mitglieds ebenso wenig wie das einzelne Mitglied selbst auf das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) zugreifen. Die h. M. folgert hieraus (zu Unrecht), dass das Vereinsvermögen als Sondervermögen allein dem nichtrechtsfähigen Vereins als selbständigem Rechtssubjekt zugeordnet sein muss.127 Doch anders als beim rechtsfähigen Verein gehört das Vermögen nicht dem Verein selbst als juristischer Person, sondern allen Gesellschaftern (Mitgliedern) zusammen. Die Gesellschafter selbst (Einheit) und nicht der nichtrechtsfähige Verein als eine ihnen gegenüber verselbständigte Entität (deutsch-rechtliche Körperschaft) sind Rechtsträger, und zwar gemeinschaftlich als eine Gesamthand (Gesellschaft).
33.
123
Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 32–
124
So schon RGZ 113, 125, 135.
125 Ähnlich Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902,
S. 35.
126 127
Vgl. BGH, NJW 1979, 2304, 2305. BGH, NJW 1979, 2304, 2305.
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IV. Die persönliche Haftung der Mitglieder selbst im nichtrechtsfähigen Idealverein 1. Die These Auch der nichtrechtsfähige Idealverein ist eine Gesellschaft und daher eine Gemeinschaft zur gesamten Hand (§§ 54 Satz 1, 718, 719 Abs. 1 BGB). Die Mitglieder sind in ihrer Gesamtheit (d. h. als Gesellschafter) der nichtrechtsfähige Verein (d. h. die Gesellschaft) und demgemäß gemeinschaftliche und individuelle Schuldner der Vereinsverbindlichkeiten. Sie nehmen als Gesamthänder im Recht einen gemeinsamen status ein, der ihnen als Zuordnungsendpunkte (Rechtsträger) die Rechte und Pflichten vermittelt, und werden darum als ganze Person durch die Vereinsverbindlichkeit gebunden. Sie sind als solche Schuldner und haften daher zum einen in Gemeinschaft mit dem Vereinsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) und zum anderen jeweils persönlich mit ihrem Privatvermögen. Das gilt gleichermaßen für rechtsgeschäftliche und gesetzliche Verbindlichkeiten. Treten ein oder mehrere Mitglieder (Gesellschafter) befugt für den nichtrechtsfähigen Verein (Gesellschaft) auf, so bilden sie in ihrer Person den Verein (d. h. die Gesamtheit der Mitglieder) ab (Identitätsrepräsentation).128 Ihr rechtsgeschäftliches oder tatsächliches Handeln ist dann das Handeln sämtlicher Gesellschafter in Gemeinschaft und ausschließlich in diesem Sinn des nichtrechtsfähigen Vereins.
2. Die Ansicht der h. M. Im Gegensatz dazu lehnt es die heute ganz h. M. ab, die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Idealvereins für dessen Schulden persönlich mit ihrem Privatvermögen einstehen zu lassen.129 Dabei stützten sich Rechtsprechung und Schrifttum anfangs in erster Linie auf die von ihnen behauptete Möglichkeit der Mitglieder, ihre persönliche Haftung einseitig auszuschließen, indem sie die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Vorstands (§ 714 BGB) durch die Satzung ausdrücklich oder auch lediglich stillschweigend auf eine reine Verpflichtung des Vereinsvermögens (§ 718 Abs. 1 BGB) beschränkten.130 Dem lag die Vorstellung zugrunde, der Gesellschafter werde nicht als ganze Person Schuldner, sondern jeweils als (Mit-) Träger des ge128 Dazu § 9. 129 BGH, NJW‑RR
2003, 1265, 1265; Koch, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 28 Rn. 10; Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 42; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 42. Aufl. 2018, § 34 Rn. 54; Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 51; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl. 2017, § 8 Rn. 65. 130 RGZ 63, 62, 65; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 14. Aufl. 1952, S. 464; so bereits Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 39; BGH, NJW 1979, 2304, 2306; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 54 Rn. 12.
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meinschaftlichen Vermögens oder seines Privatvermögens. Er wird doppelt verpflichtet und dadurch zweifacher Schuldner. Der Vorstand kann deshalb den einzelnen Gesellschafter in dessen Eigenschaft (Personenrolle) als (Mit-) Träger des Vereinsvermögens oder seines Privatvermögens vertreten, im letzteren Fall also persönlich, weil das Privatvermögen dem Gesellschafter allein zugeordnet ist. Die Befugnis, die anderen Gesellschafter gegenüber Dritten persönlich zu vertreten, besteht gemäß § 714 BGB jedoch nur „im Zweifel“, d. h. die Gesellschafter können in der Satzung (d. h. im Gesellschaftsvertrag) abweichend von § 714 BGB eine solche Vertretungsmacht des Vorstands ausschließen. Der Vorstand ist dann nur noch berechtigt, die Gesellschafter als Mitträger des gemeinschaftlichen Vermögens i. S. des § 718 Abs. 1 BGB zu verpflichten. Weil aber die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Idealvereins für die Vereinsschulden nicht mit ihrem Privatvermögen haften wollen und dies, so die h. M., für Dritte, die mit dem Verein rechtsgeschäftlichen Kontakt haben, in der Regel auch ersichtlich sei, soll die Vermutung des § 714 BGB entkräftet und der Vorstand bloß befugt sein, den nichtrechtsfähigen Verein, d. h. die Gesellschafter in Gemeinschaft, zu vertreten, sodass ausschließlich rechtsgeschäftliche Schulden entstehen können, für die dann allein das gemeinschaftliche Vermögen haftet.131 Eine persönliche Haftung der Vereinsmitglieder für gesetzliche, insbesondere für deliktische Verbindlichkeiten, scheiterte zunächst daran, dass sich ein Verein i. S. des § 54 BGB und daher auch seine Mitglieder eine unerlaubte Handlung des Vorstands anfangs nicht über § 31 BGB zurechnen lassen mussten, sondern allenfalls nach § 831 BGB dafür einzustehen hatten,132 was in der Regel aber ausschied, da die Vereinsmitglieder untereinander nicht weisungsbefugt waren. Damit gab es im nichtrechtsfähigen Idealverein ebenso wenig wie im rechtsfähigen Verein eine persönliche Haftung der Mitglieder mit ihrem Privatvermögen. Der nichtrechtsfähige Verein war so dem rechtsfähigen angenähert, er wurde selbst zum Rechtssubjekt, das sich als solches gleichsam vor seine Mitglieder schiebt und sie auf diese Weise vor der Inanspruchnahme durch außenstehende Dritte (Gläubiger) bewahrt. Die Schulden des Vereins sind demzufol131 RGZ 63, 62, 65, das ausdrücklich Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 39, folgt; dem hat sich auch der BGH, NJW 1979, 2304, 2306, angeschlossen. 132 So ausdrücklich Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 19; RGZ 143, 212, 214: Sofern ein Schuldverhältnis bereits vor der unerlaubten Handlung bestand, sollten die Mitglieder für ein Verschulden ihres Vorstands „nicht nach § 31, aber nach § 278 BGB“ haften; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 14. Aufl. 1952, S. 464–465 mit Fn. 43; für eine analoge Anwendung des § 31 BGB auf den nichtrechtsfähigen Verein dann aber schon Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 15. Aufl. 1959, S. 708–711.
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ge solche eines anderen Rechtssubjekts, hier des nichtrechtsfähigen Vereins selbst (als Körperschaft des deutschen Rechts). Für fremde Verbindlichkeiten müssen die Vereinsmitglieder aber per se nicht einstehen. Eine persönliche Haftung der Mitglieder (mit ihrem Privatvermögen) bedarf deshalb der besonderen Begründung, sei es aus Gesetz oder Vertrag.133 Für den nichtrechtsfähigen Idealverein gilt daher eine „institutionelle Haftungsbeschränkung“ (so jedenfalls die h. M.);134 Haftungsbeschränkung deshalb, weil die Mitglieder allein mit dem Vereinsvermögen, nicht aber mit ihrem Privatvermögen für die Vereinsschulden einzustehen haben. Auch hier offenbart der Begriff der Haftungsbeschränkung wieder die Fehlvorstellung der h. M., das Vermögen des nichtrechtsfähigen Vereins, der in ihren Augen als Rechtssubjekt gegenüber seinen Mitgliedern an sich (rechtlich) verselbständigt ist, sei ein Sondervermögen, und zwar dann doch der Mitglieder, obwohl es gleichzeitig dem Verein selbst zugeordnet sein soll. Die Mitglieder sollen hier also nun doch Schuldner sein und ihre Haftung lediglich auf ihr gemeinschaftliches Vereinsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) begrenzen, das, um es nochmals ausdrücklich zu betonen, an sich dem nichtrechtsfähigen Verein selbst gehören soll, der nach h. M. zudem der alleinige Schuldner der Vereinsverbindlichkeiten ist. Die h. M. erkennt nicht, dass für sie der nichtrechtsfähige Verein ebenso wie der rechtsfähige Verein eine Körperschaft des deutschen Rechts ist. Weil der (nichtrechtsfähige) Verein in den Augen der h. M. eine Körperschaft ist, handelt der Vorstand als Organ für den Verein (agere per se); er steht als Teil für das Ganze (pars pro toto).135 Seine Willenserklärung ist eine des Vereins (als Körperschaft) und nicht der Gesamtheit der Mitglieder (so bei der Gesamthand), das gilt gleichfalls für eine unerlaubte Handlung (vgl. § 31 BGB). Deshalb und nicht weil die Mitglieder ihre Haftung auf das gemeinschaftliche Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) beschränkt haben, ist eine persönliche Mitglie133 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 25 II 2 b) (S. 747); ihm folgend Bergmann, ZGR 2005, 654, 675; Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 53; vgl. auch BGHZ 163, 154, 174. 134 So ausdrücklich Bergmann, ZGR 2005, 654, 674–675; Reiff, ZGR 2003, 550, 567. Aus diesem Grund soll nach Schöne, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 714 Rn. 44, die Haftung einer Ideal-GbR ebenfalls auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt sein und demgemäß die Gesellschafter einer GbR, die einen gemeinnützigen Zweck verfolgt, nicht persönlich mit ihrem Privatvermögen haften; so ausführlich auch schon Jacobs, Die institutionelle Haftungsbeschränkung bei atypischen Erscheinungsformen der Außen-GbR, 2007, S. 131–171, vor allem S. 161–171: Der handelnde Gesellschafter soll entsprechend § 54 Satz 2 BGB persönlich und unbeschränkt mit seinem Privatvermögen neben der GbR haften. Für Schulze, Die akzessorische Haftungsverfassung der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, 2006, S. 138–139, ist umgekehrt in jeder Ideal-GbR ein nichtrechtsfähiger Verein zu sehen, sodass auch bei ihm neben dem Vereinsvermögen allein der handelnde Gesellschafter persönlich haftet. 135 Dazu § 9.
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derhaftung beim nichtrechtsfähigen Verein, so wie die h. M. ihn versteht, bereits von vornherein ausgeschlossen.136
3. Gleichlauf mit dem nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein Der nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein ist nach h. M. indes ebenso wie der nichtrechtsfähige Idealverein „Verein“ und damit eine Körperschaft (des deutschen Rechts). Als Rechtssubjekt ist auch er selbständiger Träger der Rechte und Pflichten, sodass an sich eine persönliche Haftung seiner Mitglieder auch hier ausgeschlossen sein müsste. Die h. M. bejaht gleichwohl mit Verweis auf den wirtschaftlichen Zweck eine persönliche Mitgliederhaftung und erstreckt dementsprechend das Akzessorietätsmodell der §§ 128, 129 HGB auf den nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein.137 Sie beruft sich auf den vom BGH aufgestellten „allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt oder mit dem Vertragspartner keine Haftungsbeschränkung vereinbart wird“.138 Die h. M. setzt implizit die Formulierung „Geschäfte betreiben“ mit einer wirtschaftlichen Zweckverfolgung gleich, und weil sie den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein als „Gemeinschaft“ der Mitglieder versteht, haben diese mit ihrem gesamten Vermögen, d. h. auch persönlich mit ihrem Privatvermögen, für die Verpflichtungen des wirtschaftlichen Vereins einzustehen.139 Hat der nichtrechtsfähige Verein im Gegensatz dazu lediglich einen ideellen Zweck, sollen dessen Mitglieder nicht „in Gemeinschaft (mit anderen) Geschäfte betreiben“.140 Weil der vom BGH aufgestellte „allgemeine Grundsatz“ beim Idealverein demzufolge nicht eingreife, scheide eine persönliche Haftung von vornherein aus.141 Nun bestreitet selbst die h. M. nicht, dass eine Einzelperson für ihre Verbindlichkeiten mit ihrem gesamten Vermögen haftet, und zwar unabhängig davon, ob sie einen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verfolgt. Auch der BGH stellt ausdrücklich fest, dass eine Einzelperson bei Abschluss eines Vertrags nicht einseitig, d. h. ohne Zustimmung des Vertragspartners, festlegen 136 So auch Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, § 54 Rn. 24; Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 51. 137 BGH, NJW 2001, 748, 750; Bergmann, ZGR 2005, 654, 674; Leuschner, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 54 Rn. 48; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 54 Rn. 12. 138 BGHZ 142, 315, 319, so bereits BGHZ 134, 333, 335. 139 Bergmann, ZGR 2005, 654, 675; siehe auch Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 55. 140 So (im Umkehrschluss) ausdrücklich Bergmann, ZGR 2005, 654, 675; a. A. Meyer, ZGR 2008, 702, 704. 141 Bergmann, ZGR 2005, 654, 674–675.
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
könne, sie verpflichte sich zwar zur Zahlung des vereinbarten Entgelts, hafte dafür aber nicht mit ihrem Vermögen oder nur einem Teil davon.142 Wenn der BGH in seinem „allgemeinen Grundsatz“ Einzelperson und Gemeinschaft gleichstellt, die Einzelperson aber auch bei ideeller Zweckverfolgung mit ihrem gesamten Vermögen haftet, muss das auch für ein Handeln in Gemeinschaft gelten. Auch derjenige, der in Gemeinschaft mit anderen einen ideellen Zweck verfolgt und dabei Verbindlichkeiten begründet, haftet hierfür mit seinem gesamten Vermögen. Der vom BGH formulierte Grundsatz hat demgemäß den Inhalt, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Schuldner ist, hierfür mit seinem gesamten Vermögen und deshalb stets auch persönlich (mit seinem Privatvermögen) einzustehen hat. Der BGH folgt hier der römischen Auffassung vom Schuldverhältnis, nach der das Subjekt als solches (d. h. die Person im Recht) Schuldner ist, nicht aber bloß in seiner Personenrolle als Vermögensinhaber. Denn „eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen“.143 Das Schuldverhältnis ist ein iuris vinculum, weil es gleichsam Gläubiger und Schuldner als Personen aneinander „fesselt“.144 Der Schuldner haftet lediglich in dem Sinn mit seinem Vermögen, als er sich damit von seiner Bindung an den Gläubiger („Fesselung“) wieder lösen („freikaufen“) kann. Aus demselben Grund haben die Gesellschafter einer GbR, die einen gemeinnützigen (d. h. ideellen) Zweck verfolgt (Ideal-GbR), gleichermaßen für die Gesellschaftsverbindlichkeiten persönlich (mit ihrem Privatvermögen) einzustehen wie die Gesellschafter einer wirtschaftlich tätigen BGB‑Gesellschaft.145 Weil, anders als es die h. M. annimmt, selbst die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Idealvereins persönlich (mit ihrem Privatvermögen) für die Schulden des Vereins (d. h. die gemeinschaftlichen Schulden) haften, ist es auch unschädlich, dass sich Gesellschaft und nichtrechtsfähiger Verein nicht voneinander abgrenzen lassen. Demgemäß erfordert auch nicht eine Gleichbehandlung von Ideal-GbR und nichtrechtsfähigem ideellem Verein, die angebliche „institutionelle Haftungsbeschränkung“ vom nichtrechtsfähigen Verein auf die Ideal-GbR zu übertragen.146 Es gilt vielmehr umgekehrt: Wenn man zwischen GbR und nichtrechtsfähigen Verein nicht sicher differenzieren kann, die Mitglieder des Vereins i. S. des § 54 BGB aber nicht nur mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) für die Vereinsschulden ein142 143
BGHZ 142, 315, 320. BGHZ 146, 341, 345. 144 Bachmann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 1 mit Fn. 1. 145 A. A. aber Schöne, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 714 Rn. 44; Reiff, ZGR 2003, 550, 567–569; Bergmann, ZGR 2005, 654, 675–677; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2017, § 714 Rn. 61; wie hier Reuter, NZG 2004, 217, 219–220; Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 441, 443, 445. 146 Anders Schöne, in: BeckOK, BGB, 48. Ed. 2018, § 714 Rn. 44; Reiff, ZGR 2003, 550, 567–568; Bergmann, ZGR 2005, 654, 676.
C. Der nichtrechtsfähige Idealverein
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stehen müssen, sondern auch persönlich mit ihrem Privatvermögen, gilt das (erst recht) auch für die Ideal-GbR, zumal der nichtrechtsfähige Verein eine Gesellschaft (Gesamthand) ist (§§ 54 Satz 1, 718, 719 BGB). Auch hier macht es sich wieder bemerkbar, dass die h. M. (Gruppenlehre) die Rechtsnatur der Gesellschaft als deutsche Gesamthand verkennt. Stattdessen folgt für sie die persönliche Haftung der BGB‑Gesellschafter aus einer Analogie zu § 128 Satz 1 HGB, und zwar, weil GbR und OHG gleich zu behandeln sind.147 Eine BGB‑Gesellschaft, die ein Gewerbe betreibt (und damit wirtschaftlich tätig ist), ist automatisch eine OHG, sobald ihr Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§§ 105 Abs. 1, 1 Abs. 2 HGB).148 Demgemäß kann aber ausschließlich eine wirtschaftlich tätige GbR ipso iure (von Gesetzes wegen) in eine (ebenfalls wirtschaftlich tätige) OHG übergehen.149 Weil auf diese Weise die Regelung des § 128 Satz 1 HGB (d. h. die persönliche Haftung der Gesellschafter) als Ausdruck der wirtschaftlichen Zweckverfolgung (und nicht des Wesens als Gesamthand) erscheint und zugleich, zumindest nach h. M., die Haftung der Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Idealvereins auf das Vereinsvermögen beschränkt ist, provoziert die h. M. geradezu die Fehlvorstellung, § 128 Satz 1 HGB finde auf eine ideelle (gemeinnützige) GbR von Natur aus keine Anwendung. Die persönliche Haftung der Gesellschafter hängt jedoch richtigerweise mit dem Begriff der Gesellschaft (GbR, OHG und KG) als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand zusammen. Weil die Gesellschafter zwar einen gemeinsamen status im Recht miteinander teilen, sie selbst aber Rechtsträger der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind, wird jeder Gesellschafter als solcher gebunden und ist deshalb als (ganze) Person Schuldner der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er haftet daher sowohl zusammen mit seinen Mitgesellschaftern in Gemeinschaft mit dem Gesellschaftsvermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) als auch für sich mit seinem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB). Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum derjenige, der zusammen mit anderen einen ideellen Zweck verfolgt, gegenüber demjenigen privilegiert sein sollte, der dies allein unternimmt.150 Auch deshalb sind nichtrechtsfähiger Ideal- und Wirtschaftsverein bei der Mitgliederhaftung gleich zu behandeln. Damit verweist aber § 54 Satz 1 BGB unterschiedslos für beide auf die Vorschriften über die Gesellschaft. Auch der nichtrechtsfähige Idealverein ist deswegen als Gesellschaft eine Gemeinschaft zur gesamten Hand. Da die Gesellschafter als eine kollektive Einheit die Gesellschaft sind, ist das Handeln der Gesellschaft ein solches der Gesellschafter in Gemeinschaft (d. h. als Ge147 148
BGHZ 146, 341, 346. BGHZ 146, 341, 346. 149 BGHZ 146, 341, 346. 150 So auch Meyer, ZGR 2008, 702, 718.
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
samthand). Die Mitglieder des nichtrechtsfähigen Vereins haften demzufolge für die daraus entstehenden gemeinschaftlichen Schulden mit ihrem gesamten Vermögen, d. h. sowohl mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) als auch jedes einzelne Mitglied mit seinem Privatvermögen (vgl. § 128 Satz 1 HGB analog).151 Dieser persönlichen Haftung können die Mitglieder aber entgehen, indem sie als Verein die Rechtsfähigkeit als juristische Person (e. V.) durch Eintragung in das Vereinsregister erlangen (§ 21 BGB), was ihnen heutzutage ohne Weiteres möglich und zumutbar ist.152 Die staatliche Kontrolle durch das öffentliche Vereinsrecht erfolgt „ohne Rücksicht auf die Rechtsform“ (§ 2 Abs. 1 VereinsG) und erfasst deshalb bereits den nichtrechtsfähigen Verein (§ 54 BGB). Durch die Eintragung in das Vereinsregister verstärkt sich also nicht mehr die staatliche Kontrolle in Gestalt des öffentlichen Vereinsrechts. Die Eintragungshindernisse für (sozial-) politische und religiöse Vereine in Form der §§ 61 Abs. 2, 43 Abs. 3 BGB a. F. sind überdies weggefallen. Der ursprüngliche Sinn und Zweck des „derogativen Gewohnheitsrechts“ (Fabricius), d. h. seine ratio, jenen Vereinen auch ohne Registereintragung die Rechtsfähigkeit zu verleihen und die Verweisung in § 54 Satz 1 BGB auf das für den nichtrechtsfähigen Idealverein unpassende Gesellschaftsrecht außer Kraft zu setzen, ist dadurch überholt. Der bewussten und ausdrücklichen Entscheidung des historischen Gesetzgebers gerade gegen ein System der freien Körperschaftsbildung und daher gegen eine Rechtsfähigkeit des nichtrechtsfähigen Vereins, so wie sie in § 54 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommt, ist dementsprechend wieder oder vielmehr endlich Folge zu leisten.
4. Ein Sonderrecht für den nichtrechtsfähigen Idealverein? a) Die Ansicht Reuters und deren Bewertung Für Reuter folgt der Ausschluss der persönlichen Mitgliederhaftung im nichtrechtsfähigen Idealverein daraus, dass die Vereinsgläubiger hier in der gleichen Weise vermögensrechtlich geschützt sind wie beim rechtsfähigen Idealverein. Ebenso wie der rechtsfähige Idealverein sei der nichtrechtsfähige bereits bei Überschuldung (und nicht erst bei Zahlungsunfähigkeit) insolvenzreif (§§ 11 Abs. 1 Satz 2, 19 InsO), unterliege bei seiner Auflösung einer zwingenden Liquidation (§ 47 BGB analog) mit vorrangiger Befriedigung seiner Gläubiger (§ 49 Abs. 1 Satz 1 BGB analog) und lasse vor der Auflösung keine (unentgeltliche) Vermögensverteilung an seine Mitglieder zu (§ 4 AnfG; § 134 InsO).153 Reuter vertauscht an dieser Stelle jedoch Ursache und Wirkung. Die von ihm 151
152 153
Meyer, ZGR 2008, 702, 719–721. Meyer, ZGR 2008, 702, 721. Reuter, in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 54 Rn. 42; ders., NZG 2004, 217, 219.
C. Der nichtrechtsfähige Idealverein
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ins Feld geführten Argumente sind Kompensation und deshalb erst Folge einer fehlenden Mitgliederhaftung, d. h. sie setzen voraus, dass die Mitglieder eines nichtrechtsfähigen ideellen Vereins nicht persönlich haften, und demnach das, was erst noch zu begründen ist.154 Es gilt stattdessen umgekehrt: Weil der Sinn und Zweck des § 54 Satz 1 BGB weiterhin gilt, und zwar durch die Registereintragung des Vereins Rechtssicherheit zu erreichen, verweist § 54 Satz 1 BGB auf die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB). Der nichtrechtsfähige Idealverein ist demzufolge eine Gesellschaft und als solche eine Gemeinschaft zur gesamten Hand. Die Mitglieder des nichtrechtsfähigen Idealvereins haften deshalb auch persönlich mit ihrem Privatvermögen für die Vereinsverbindlichkeiten (vgl. § 128 Satz 1 HGB analog). Hieraus folgt dann, anders als es Reuter behauptet, dass nicht schon eine Überschuldung des Vereins Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren ist, sondern erst die Zahlungsunfähigkeit, der Verein bei seiner Auflösung nicht einer zwingenden Liquidation nach den §§ 47–53 BGB analog unterliegt und durchaus auch schon vor der Auflösung des Vereins eine Verteilung des gemeinschaftlichen Vermögens (§§ 54 Satz 1, 718 Abs. 1 BGB) an die Mitglieder (d. h. als Gesellschafter) zulässig ist.
b) Eigene Lösung Da die Vereinsmitglieder als Gesellschafter auch im nichtrechtsfähigen Idealverein für dessen Schulden persönlich haften, führt entgegen §§ 11 Abs. 1 Satz 2, 19 Abs. 1 InsO auch hier erst die Zahlungsunfähigkeit des Vereins (Gesamthand) und nicht schon dessen Überschuldung zur Insolvenzreife.155 Die Handelndenhaftung i. S. des § 54 Satz 2 BGB erfasst aus demselben Grund nicht den Dauerverein, vielmehr findet sie ausschließlich auf den nichtrechtsfähigen Idealverein, der die Rechtsfähigkeit i. S. des § 21 BGB anstrebt (Vorverein), Anwendung. Ein Sonderrecht für den nichtrechtsfähigen Verein besteht für den Idealverein ebenso wenig wie für den Wirtschaftsverein in Gestalt der §§ 50 Abs. 2, 735 ZPO. Beide sind Gesellschaften und können demgemäß unabhängig von §§ 50 Abs. 2, 735 ZPO unter ihrem gemeinschaftlichen Namen im Rechtsverkehr auftreten (vgl. § 124 Abs. 1 HGB: „unter ihrer Firma“; § 105 Abs. 1 HGB: „unter gemeinschaftlicher Firma“).156 Damit ist es aber auch ohne Bedeutung, dass sich Gesellschaft und nichtrechtsfähiger Verein nicht voneinander abgrenzen lassen, da auf beide allein die Vorschriften über die 154 Dazu
Brand, AcP 208 (2008), 490, 495. Das ist für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein einhellige Ansicht (Hirte, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl. 2019, § 11 Rn. 231), muss dann aber auch für den Idealverein gelten, da bei diesem die Mitglieder ebenfalls persönlich mit ihrem Privatvermögen haften. 156 Dazu § 8. 155
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
Gesellschaft Anwendung finden. Der Verweis in § 54 Satz 1 BGB hat demnach für den nichtrechtsfähigen Verein lediglich klarstellende Bedeutung.157
5. Der nichtrechtsfähige Verein als körperschaftsähnliche Gesellschaft Für die konkrete Gesellschaft ist gleichwohl im Einzelfall zu prüfen, ob, und wenn ja, welche nachgiebigen Vorschriften der §§ 705–740 BGB die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder auch stillschweigend abbedungen und dadurch ihrer Gesellschaft intern (!) eine körperschaftsähnliche Struktur verliehen haben.158 So erstreckt sich die dispositive Natur der §§ 705– 740 BGB ausschließlich auf die inneren Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander. Die Gesellschafter können daher von der äußeren Gestalt der Gesellschaft und deswegen auch des nichtrechtsfähigen Vereins als einer Gemeinschaft zur gesamten Hand, bei der die Gesellschafter nicht nur Einheit, sondern stets auch Vielheit sind und die deshalb für die gemeinschaftlichen Schulden (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) auch persönlich mit ihrem Privatvermögen haften, nicht abweichen. Für Dritte besteht demzufolge vor allem als Gläubiger der Gesellschaft Rechtssicherheit in den Beziehungen zur Gesellschaft unabhängig von den Vereinbarungen, die die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag und damit im Innenverhältnis getroffen haben. Weil die Mitglieder den nichtrechtsfähigen Verein lediglich körperschaftsähnlich ausgestalten können, hat der Vorstand hier schon von vornherein auch nicht die Stellung eines Organs. Anders als es die h. M. vertritt,159 findet deshalb auf den nichtrechtsfähigen Verein § 31 BGB (analog) insofern keine Anwendung, sondern allenfalls, sofern man § 31 BGB (analog) auch als Ausdruck der Grundsatzes der Identitätsrepräsentation bei der Gesamthand auffasst. Denn während das Organ als Teil für das Ganze steht (pars pro toto), aber nicht das Ganze ist, gilt bei der deutschen Gesamthand das Prinzip der Identitätsrepräsentation.160 Ein Gesellschafter, der befugt für die Gesamthand (d. h. die Gesamtheit der Gesellschafter) auftritt, bildet in seiner Person die 157 So im Ergebnis auch bereits eine „abweichende Meinung“ in der Zweiten Kommission (Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 643), wonach man auch ohne die Regelung des § 54 Satz 1 BGB in vielen Fällen annehmen müsse, dass „der Verein mit der Geltung der Vorschriften des Gesellschaftsrechts unter Ausschließung der nicht passenden dispositiven Rechtssätze einverstanden sei“. 158 Vgl. BGH, NJW 1979, 2304, 2305, der hier zumindest im Ansatz erkennt, dass die Flexibilität des Gesellschaftsrechts „Mischformen“ zwischen Gesellschaft und nichtrechtsfähigem Verein ermöglicht, und daher im Einzelfall prüfen will, welche Normen des Gesellschaftsrechts oder des Vereinsrechts auf die konkrete „Mischform“ Anwendung finden. 159 Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, § 54 Rn. 71; Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 54 Rn. 10; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 42. Aufl. 2018, § 34 Rn. 56; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 54 Rn. 12. 160 Dazu § 9.
C. Der nichtrechtsfähige Idealverein
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Gesamtheit der Gesellschafter ab; er ist das Ganze und steht nicht nur dafür. Weil alle Gesellschafter in Gemeinschaft die Gesamthand sind, d. h. sie einen gemeinsamen status im Recht einnehmen, sie aber die Rechtsträger (Endpunkte) der gemeinschaftlichen Rechte und Pflichten sind, werden sie als solche (d. h. als ganze Person) gebunden. In diesem Sinn haften sie als (ganze) Person für die gemeinschaftlichen Schulden (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 718 Abs. 1 BGB) und jeder für sich mit seinem Privatvermögen. Nur weil Gierke nicht erkannte, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter zum „Wesen“ der deutschen Gesamthand gehört und daher zwingend ist, konnte er den nichtrechtsfähigen Verein nicht nur nach innen, sondern auch nach außen zu einer Körperschaft (des deutschen Rechts) umdeuten. Der Verein ist darum für Gierke, unabhängig davon, ob der Verein bereits Rechtsfähigkeit i. S. der §§ 21, 22, 54 BGB besitzt oder (noch) nicht, stets eine Körperschaft und daher ein Rechtssubjekt.161 Gleichwohl verweist § 54 Satz 1 BGB für den Verein, der noch nicht rechtsfähig ist, auf die Vorschriften über die Gesellschaft, sodass der nichtrechtsfähige Verein eine Gesamthand ist.162 Der nichtrechtsfähige Verein ist demgemäß seinem „Wesen“ nach für Gierke eine Körperschaft, dem Gesetz nach aber eine Gesamthand. Nun besteht zwischen Körperschaft und Gesamthand und deshalb zwischen (nichtrechtsfähigem) Verein und Gesellschaft eine „unüberbrückbare begriffliche Kluft“.163 Eine Gesamthand kann sich allerdings einer Körperschaft durchaus annähern, da die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705–740 BGB) „zum großen Teile nicht zwingender, sondern nachgiebiger Natur“ sind. Aus diesem Grund kann Gierke die Verschiedenheit beider Rechtsfiguren dann doch überbrücken, indem er die Vorschriften über die Gesellschaft so anwendet, wie es „sich am besten mit dem in Wahrheit körperschaftlichen Wesen des Vereins verträgt“.164 Und weil die „Satzung“ (als die Verfassung) des nichtrechtsfähigen Vereins in Wirklichkeit ein Gesellschaftsvertrag ist, jener aber „formfrei ist, kann die Vereinbarung von Abweichungen“ von den §§ 705–740 BGB „nicht bloß ausdrücklich, sondern auch stillschweigend erfolgen“,165 sodass trotz des Verweises in § 54 Satz 1 BGB auf den nichtrechtsfähigen Verein schließlich im 161 Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 9, 12: „Der Verein ist keine Gesellschaft. Er ist vielmehr seinem wirklichen Wesen nach eine Körperschaft. (…) Vereine mit und ohne Rechtsfähigkeit sind Vereine.“ 162 Nach Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 13, stellt die Rechtsordnung „bewusst das widerspruchsvolle Gebot auf, ihn (= den nichtrechtsfähigen Verein; Anm. d. Verf.) so zu beurteilen, als wenn er etwas wäre, was er nicht ist“, und zwar eine Gesamthand. 163 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339. 164 Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 13– 14. 165 Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 13.
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§ 14 Der nichtrechtsfähige Verein
Wesentlichen die Vorschriften über den rechtsfähigen Verein und nicht über die Gesellschaft Anwendung finden, zumal das nach Gierke, jedoch zu Unrecht, selbst für die persönliche Haftung der Mitglieder (Gesellschafter) für die Verbindlichkeiten des (nichtrechtsfähigen) Vereins gelten soll.166 Das Reichsgericht und mit ihm (später) die derzeit h. M. sind Gierke hier vollumfänglich gefolgt und haben sich damit seiner Auffassung angeschlossen, dass „ein nicht rechtsfähiger Verein (…) eine von der Rechtsordnung nicht als Körperschaft anerkannte Körperschaft (ist), ein Gebilde, das Körperschaft wäre, wenn das System freier Körperschaftsbildung gälte“.167 Auf diese Weise hat sich das Reichsgericht von Anfang an über die Entscheidung des historischen Gesetzgebers hinweggesetzt, der das „System der freien Körperschaftsbildung“ ausdrücklich abgelehnt hatte.168 Obwohl § 54 Satz 1 BGB „auf die Grundsätze der Gesellschaft“ verwies, knüpfte das Reichsgericht (weiterhin) an die vor Inkrafttreten des BGB „in der Judikatur vielfach aufgetretene Ansicht“ an, welche die „nicht rechtsfähigen Vereine als freiere genossenschaftliche Verbände nach deutschrechtlichem Systeme“ (d. h. als Körperschaften des deutschen Rechts) auffasste.169 Anlass für diese Rechtsprechung gab dem Reichsgericht sicherlich der Umstand, dass bei Inkrafttreten des BGB bereits eine Vielzahl dieser „nicht rechtsfähigen Vereine“ i. S. des § 54 BGB vorhanden waren und gewiss seit geraumer Dauer. Weil diese Vereine also schon über Jahre existierten, bestand an ihrer körperschaftlichen „Natur“ kein Zweifel. Die „Natur des Verbands“ als Körperschaft des deutschen Rechts ließ sich hier „auf Grund seiner Lebensbetätigung mit Sicherheit erkennen“.170 Auch wenn dies begreiflich macht, warum das Reichsgericht und mit ihm die h. M. den nichtrechtsfähigen Verein entsprechend seinem körperschaftlichem Wesen wie einen rechtsfähigen Verein behandelten und dadurch den Verweis in § 54 Satz 1 BGB faktisch außer Kraft setzten (derogatives Gewohnheitsrecht), ist es heute nicht mehr gerechtfertigt, sich über § 54 Satz 1 BGB und die daraus folgende Rechtsnatur des nichtrechtsfähigen Vereins als Gesamthandsgemeinschaft hinwegzusetzen (§§ 54 Satz 1, 718, 719 BGB).
166
Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 38. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, 2. Aufl. 1902, S. 11–12; siehe auch Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 47, wonach „vor allem Gierke die weitere Entwicklung durch seine im Jahre 1902 erschienene Schrift ‚Vereine ohne Rechtsfähigkeit‘ (beeinflusst hat)“. 168 Denkschrift, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 827. 169 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 641. 170 Vgl. Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1, 1899, S. 401. 167
D. Resümee
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D. Resümee Für die h. M. ist der nichtrechtsfähige Verein eine Körperschaft des deutschen Rechts. Er ist selbst Rechtssubjekt und deshalb Gläubiger und Schuldner der (an sich gemeinschaftlichen) Forderungen und Verbindlichkeiten. Ihm gehört das Vereinsvermögen, nicht den Mitgliedern, umgekehrt scheidet eine persönliche Haftung der Mitglieder (mit ihrem Privatvermögen) für die Vereinsschulden aus. Das soll indes allein für den nichtrechtsfähigen ideellen Verein gelten. Denn obschon auch der nichtrechtsfähige wirtschaftliche Verein ein „Verein“ und damit eine Körperschaft des deutschen Rechts (d. h. eine Verbandsperson) ist, behandelt die h. M. ihn als Gesellschaft (d. h. als Gesamthand), sodass hier die Mitglieder als Gesellschafter persönlich für die Vereinsverbindlichkeiten einzustehen haben. Für das Wesen des Vereins (egal, ob als Körperschaft oder als Gesamthand) ist es völlig unerheblich, ob die Mitglieder einen ideellen oder wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Der Zweck ist das Ziel, auf das sich der Verein fortwährend zubewegt. Da der Zweck, unabhängig davon, ob er ideeller und wirtschaftlicher Natur ist, dem Verein insofern vorausliegt, bestimmt er nicht den Verein als „Rechtsgebilde“, befindet er sich, was das betrifft, außerhalb davon. Aus diesem Grund ist der nichtrechtsfähige Verein ausnahmslos, daher auch der, der einen ideellen Zweck verfolgt, eine Gesellschaft, bilden die Vereinsmitglieder als Gesellschafter eine Gemeinschaft zur gesamten Hand. Die Vereinsmitglieder sind in Gemeinschaft Gläubiger und Schuldner und haften deshalb auch persönlich mit ihrem Privatvermögen. Ihnen und nicht dem Verein gehört gemeinschaftlich das Vereinsvermögen, oder genauer: das „Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB). Denn einen Verein als selbständiges Rechtssubjekt gibt es hier (noch) nicht. Dem Verweis in § 54 Satz 1 BGB ist daher (wieder) Folge zu leisten. Das gilt selbst für Vereine, die (sozial-) politische oder religiöse Ziele haben. Auch sie können sich jetzt ohne Weiteres in das Vereinsregister eintragen lassen (e. V.) und dadurch Rechtsfähigkeit, die Eigenschaft, eine juristische Person zu sein, erlangen (§ 21 BGB). Verzichten sie jedoch darauf und bleiben sie weiterhin ein nichtrechtsfähiger Verein (§ 54 BGB), ist das heute nur noch „ein Ausdruck freier Rechtsformwahl“ (Schöpflin).171 Ein derogatives Gewohnheitsrecht, das den Verweis in § 54 Satz 1 BGB außer Kraft setzen könnte, gibt es demzufolge heute nicht mehr („cessante ratione legis cessat lex ipsa“). Nur wenn Eintragung und Verleihung der Rechtsfähigkeit stets konstitutive Wirkung haben, erst und allein durch sie als staatliche Akte die juristische Person, der Verein, ein „Dasein“ hat, und nicht schon zuvor, ist und bleibt die juristische Person des BGB die, auf die sich, zumindest indirekt, die Verfas171
Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 76.
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ser des BGB festgelegt haben, und zwar die Savignys als eine „fingierte Person“, eine ausschließlich gedankliche Einheit (universitas). Soll der „Verein“ auch schon zuvor im Recht eine Bedeutung haben, kann er demzufolge nur eine Gesamthand sein. Seine Vereinsmitglieder sind dann als Gesellschafter kollektiv rechts- und auch handlungsfähig und entsprechend in der Lage, zumindest zusammen „Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ (§ 14 Abs. 2 BGB). Auch an dieser Stelle wird erneut der Nutzen offenbar, den die Rechtsfigur der deutschen Gesamthand (Gierke) in das geltende Recht einbringt und dabei insbesondere für die Figur der juristischen Person im BGB besitzt. Am insoweit bestehenden Dualismus von Gesamthand und juristischer Person ist dementsprechend festzuhalten. Er darf nicht einfach zugunsten eines monistischen Ansatzes aufgegeben werden. Das mag freilich nur der zu erkennen, der sich darüber bewusst ist, dass die Gesamthand des BGB dieselbe ist, die Gierke in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „deutsch-rechtliche Gesamthandslehre“ ausgearbeitet hat, und die deswegen, anders als die ganz h. M. es heute als Gruppenlehre jedoch annimmt, eben nicht ein Rechtssubjekt ist (dann wäre sie eine reale Verbandsperson), sondern ein Rechtsverhältnis, das den Gesellschaftern bloß die (kollektive) Fähigkeit verleiht, Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten zusammen, insofern als eine Gemeinschaft, und nicht jeder für sich pro rata (wie bei der societas), innezuhaben. Auch darin zeigt sich abermals der Vorzug des germanistischen Gesamthandsmodells Gierkes, insofern der eigenen Lösung, vor der Gruppenlehre Flumes und der heute ganz h. M., die ihm darin gefolgt ist.
§ 15
Dritte Zwischenbilanz Die juristische Person des BGB existiert als Rechtsbegriff (nomen iuris) in der „vorgestellten Welt“ des Rechts, und zwar völlig losgelöst und getrennt von ihrem menschlichen Verband in der „wirklichen Welt“, der sinnlich wahrnehmbaren Welt.1 Als Körperschaft ist ihr „Dasein“, ihre „bloße Rechtsexistenz“, deswegen unabhängig von dem Wechsel ihrer einzelnen Mitglieder (als reale Menschen) und als Stiftung (Anstalt) von dem der sie verwaltenden Menschen.2 Da ihr menschlicher Verband, ihre „zweckgebundene Organisation“ (so die ganz h. M.),3 nicht ihr Substrat, ihre „tatsächliche Unterlage“ in der sinnlich wahrnehmbaren Welt ist,4 handelt es sich bei ihr um eine skeptische res incorporalis, eine gedankliche Einheit (universitas), ein „ideales Ganzes“ (Savigny), und damit um die „juristische Person“, die Savigny im Kern als universitas bereits in der Rechtslehre der klassischen römischen Jurisprudenz vorgefunden und, darauf aufbauend, zu seiner „fingierten persona“ ausgebaut hat.5 Die germanistische Verbandsperson Gierkes, die im Gegensatz dazu aus ihrem menschlichen Verband, als einem corpus ex distantibus, hervorgeht und, dem stoischen Immanenzdenken gemäß, in ihm existiert, vermochte sich demnach im BGB nicht durchzusetzen.6 Dennoch ahmt das BGB die Verbandsperson insofern in Bezug auf seine juristische Person nach, als hier, über eine fictio iuris, so getan wird, als ob die juristische Person des BGB mit ihren Mitgliedern (als Körperschaft) oder den sie verwaltenden Menschen (als Anstalt, Stiftung) über den Träger eines „einheitlichen Gemeinwillens“ (volonté gé1 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103 (Zitate). 2 Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 17 (Zitate). 3 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 2; Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2000, vor § 21 Rn. 6; ähnlich auch Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff Rn. 8: „Dass eine Organisation juristische Person ist, bedeutet, dass sie rechtsfähig ist.“ Für den BGHZ 25, 134, 144, ist die juristische Person eine „mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Organisation“. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 21 Rn. 1; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, vor § 21 Rn. 1. 4 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22 (Zitat). 5 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 236, 241, Fn. (h), 243. 6 Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 43.
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nérale) verfügt.7 Dadurch wird erreicht, dass die juristische Person des BGB, obgleich sie als gedankliche Einheit (universitas), als „bloße Fiktion“, gänzlich handlungsunfähig ist,8 genauso wie eine Verbandsperson schon von selbst imstande wäre, aus sich heraus zu wollen und danach zu handeln. Insofern wird verständlich, warum die h. M. der Ansicht ist, in der „zweckgebundenen Organisation“, dem menschlichen Verband, das Substrat, den Begriff der juristischen Person des BGB zu erkennen, dadurch aber die Rechtsnatur der juristischen Person im BGB verfehlt, ausschließlich ein Rechtsbegriff zu sein, der als solcher seine „soziale Realität“, den menschlichen Verband, in der „wirklichen Welt“ zurücklässt, seine Vielheit „wie Staub von den Füßen“ schüttelt (Buchda),9 und nicht, wie die Verbandsperson als eine „Einheit in der Vielheit“, in sich aufnimmt.10 Aber nicht nur allein in Bezug auf die Handlungsfähigkeit ist die juristische Person des BGB, zumindest als Körperschaft („Verein“), Gierkes realer Verbandsperson als eine Körperschaft des deutschen Rechts nachgebildet. Die juristische Person des BGB entsteht als „Verein“ durch ihre Eintragung in ein öffentliches Register (§ 21 BGB) oder staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB). Erst und allein auf diese Weise hat sie ein „Dasein“. Wenn die juristische Person, auch als „Verein“, in diesem Sinn also uno actu entsteht, kann sie an sich schon von vornherein einen Werdeprozess nicht durchlaufen. Dennoch sieht das Gesetz vor, dass die juristische Person des BGB, obschon noch gar nicht zum „Dasein“ gelangt, sich selbst, durch ihre Organe, zumeist durch den Vorstand, zur Eintragung anmeldet (§ 59 Abs. 1 BGB; § 36 Abs. 1 AktG; §§ 7 Abs. 1, 78 GmbHG; § 11 Abs. 1 GenG) und in der Regel sogar bereits ein Vermögen bildet (so bei AG und GmbH), um dadurch die Voraussetzungen für ihre Entstehung als juristische Person zu schaffen. Das „Dilemma“, dass die juristische Person des BGB schon vor ihrer „Geburt“ ein „Vorleben“ haben muss, es an sich jedoch nicht haben kann, lässt sich nur darüber auflösen, dass, wie auch immer, das „Vorleben“ einer Körperschaft des deutschen Rechts simuliert wird.11 Denn, anders als die juristische Person Savignys und damit die des BGB, besitzt die deutsche Körperschaft Gierke zufolge deshalb auch schon vor ihrer „Geburt“ ein „Vorleben“, weil sie in ihrem menschlichen Verband, ihrem Substrat in der „wirklichen Welt“ (ens physicum), bereits angelegt ist.12 Sobald sich die anfangs unverbundenen, einzelnen Menschen zur Einheit des einen 7 8
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 474. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 282–283 („ideales Wesen“). 9 Buchda, Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, 1936, S. 258–259. 10 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 31–34 (Zitat: S. 31). 11 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 307 (Zitat). 12 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486.
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menschlichen Verbands zusammenschließen, sich mit dem „Willen zur Gemeinschaft“ eine Verfassung (d. h. eine Satzung) geben und dadurch dem menschlichen Verband selbst einen „Gemeinwillen“ (volonté générale) verleihen, existiert die reale Verbandsperson schon latent im menschlichen Verband als seiner „tatsächlichen Unterlage“, seinem Substrat.13 Durch diesen „sozialrechtlichen Konstitutivakt“, in dem sich der Akt der Konversion der vorsozialen Einzelnen zum sozialen Ganzen des menschlichen Verbands vollzieht, wird jener zum „Träger eines einheitlichen Gemeinwillens“ und ist in der Folge davon aus sich allein heraus „geeignet, als Person anerkannt“ zu werden.14 Demgemäß wird nicht erst die fertige, da als solche anerkannte Verbandsperson (persona moralis), sondern schon der menschliche Verband (ens physicum) im „verfassungsgemäßen, gemeinschaftsbezogenen Handeln“ der einzelnen Menschen (Mitglieder) „als eine von ihnen abstrahierte Einheit sinnfällig“.15 Da die Körperschaft des deutschen Rechts im Keim bereits vor ihrer „Geburt“ im menschlichen Verband enthalten ist, kann der menschliche Verband im Voraus für die spätere Verbandsperson Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, die sich allerdings erst und auch nur dann „als von Anfang an wirksam“ herausstellen, wenn die reale Verbandsperson als Körperschaft des deutschen Rechts auch tatsächlich entstanden ist, anderenfalls jedoch, wenn die Verbandsperson nicht zustande kommt, erweisen sich sie „als unfruchtbar“.16 Die Rechtsfigur der germanistischen Verbandsperson (Gierke) gibt es jedoch nicht im BGB. Die Aufgabe, als Rechtsträger für die noch nicht existente juristische Person, gewissermaßen stellvertretend, schon vor ihrer „Geburt“ zu fungieren, übernimmt deswegen die Gesellschaft als eine Gesamthandsgemeinschaft (BGB‑Gesellschaft, OHG). Sie ahmt das „Vorleben“ einer Körperschaft des deutschen Rechts, einer Verbandsperson, nach und verschafft dadurch, als eine „werdende juristische Person“, der juristischen Person des BGB ein „Werdestadium“, über das sie als eine ausschließlich gedankliche Einheit (universitas), als ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris), eigentlich nicht verfügt. Die Gesamthand erwirbt als Vorgesellschaft (GbR oder OHG) stellvertretend, allein mit Blick auf die angestrebte juristische Person, Rechte und geht Verbindlichkeiten ein, die, ebenso wie das gemeinschaftliche Vermögen der Vorgesellschafter (§ 718 Abs. 1 BGB), ipso iure auf die fertige juristische Person übergehen, sobald jene durch Eintragung oder staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit entstanden ist. Da auf diese Weise der „vereinbarte 13 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 22 (Zitat). 14 Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza, Der fiktive Staat, 2007, 66, sowie Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268, 484–487. 15 Hofmann, Repräsentation, 1974, S. 147. 16 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486, Fn. 18.
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Zweck“ der Vorgesellschaft erreicht ist, „endigt“ sie sogleich von selbst (§ 726 1. Alt. BGB). Obschon sie sich also ipso iure „auflöst“, findet unter den Vorgesellschaftern eine Auseinandersetzung in Ansehung des Gesellschaftsvermögens nicht statt (§ 730 Abs. 1 BGB), da jenes mit der „Auflösung“ der Vorgesellschaft automatisch von den Vorgesellschaftern auf die juristische Person übergeht. Als „Vorstufe“ zur juristischen Person ist die Vorgesellschaft (als Gesamthand) freilich insofern modifiziert, als die persönliche und unmittelbare Haftung der Vorgesellschafter (§ 128 Satz 1 HGB), zunächst einmal vorläufig, suspendiert ist. Die Vorgesellschaft fungiert lediglich als ein „Platzhalter“ für die künftige juristische Person. Die „Gesellschaftsverbindlichkeiten“ sind zwar die „gemeinschaftlichen Schulden“ der Vorgesellschafter (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) und daher auch sie die Schuldner, gleichwohl sollen die „Gesellschaftsverbindlichkeiten“ ja an sich allein die Verpflichtungen der juristischen Person sein. Deshalb gehen auch später die Schulden, zusammen mit dem „Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) von den Vorgesellschaftern auf die dann vorhandene juristische Person über. Die vorläufige Aussetzung der persönlichen und unmittelbaren Haftung der Vorgesellschafter ist insofern dem „transitorischen Charakter“ ihrer Vorgesellschaft (Gesamthand) geschuldet.17 Demgemäß erlischt die persönliche Haftung auch erst dann endgültig, wenn die juristische Person entstanden ist. Scheitert die Eintragung jedoch und entsteht deshalb niemals die angestrebte juristische Person, wird aus der echten eine „unechte“ Vorgesellschaft, eine reine BGB‑Gesellschaft oder, sofern die Gesellschafter ein Handelsgewerbe betreiben, eine pure OHG (§ 105 Abs. 1, § 1 HGB), sodass die persönliche Haftung der Vorgesellschafter jetzt wieder voll auflebt. Erst und allein durch die Rechtsfigur der Gesamthand ist demzufolge sichergestellt, dass die juristische Person des BGB als Körperschaft, insofern als „Verein“, allein durch ihre Eintragung (§ 21 BGB) oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) und nicht schon zuvor entsteht. Nur so bleibt sie als „Verein“ die juristische Person Savignys (universitas) und damit die juristische Person, auf die sich die Verfasser des BGB, zumindest mittelbar, als geltendes Recht festgelegt haben. Gleichzeitig ist aber trotzdem gewährleistet, dass die juristische Person als „Verein“, wie vom Gesetz angeordnet, einen „Werdeprozess“ durchläuft, indem die Gesamthand das „Vorleben“ einer Körperschaft des deutschen Rechts, einer germanistischen Verbandsperson, imitiert. Die juristische Person des BGB ist insofern also auf die Gesamthandsfigur Gierkes angewiesen. Schon allein deswegen darf in der Gesamthand nicht eine „dogmatische Kategorie“ gesehen werden, die „jedenfalls“ im 17
Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, §§ 21, 22 Rn. 82 (Zitat).
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Gesellschafts- und Verbandsrecht „überholt wäre“.18 Stattdessen ist am Dualismus von Gesamthand und juristischer Person im geltenden Recht festzuhalten. Dazu passt es dann auch, wenn der „rechtsfähige Verein“ erst durch seine Eintragung (§ 21 BGB) oder die staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit (§ 22 Satz 1 BGB) als eine „juristische Person“ existiert, zuvor aber als „Verein, der nicht rechtsfähig ist“, über § 54 Satz 1 BGB eine Gesellschaft zur gesamten Hand (GbR oder OHG) ist. Nur wenn der Verweis in § 54 Satz 1 BGB befolgt wird und man nicht, wie die heute ganz h. M., durch vermeintlich „derogatives Gewohnheitsrecht“ außer Kraft setzt, bewahrt die Eintragung in ein öffentliches Register und die staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit (Konzession) als hoheitliche Akte ihre konstitutive Wirkung. Allein dadurch bleibt die juristische Person des BGB die „fingierte Person“ Savignys, eine universitas des römischen Rechts, und wird nicht zu einer Körperschaft des deutschen Rechts, zur realen Verbandsperson Gierkes. Diese Auswirkung hat es jedoch, wenn die heute ganz h. M. selbst in dem „Verein, der nicht rechtsfähig ist“ (§ 54 Satz 1 BGB), ein Rechtssubjekt sehen will, das sich als ein „einheitliches Ganzes“ von der Gesamtheit seiner Mitglieder, der „Summe der verbundenen Personen“, abhebt (Gierke).19 Dadurch aber, dass die einzelnen Menschen, die sich selbst als einen menschlichen Verband, als einen „Verein“, verstehen und im Recht, wenn auch nicht ein Rechtssubjekt, zumindest eine Gesamthandsgemeinschaft sind, besitzen sie die kollektive Fähigkeit, in Gemeinschaft Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (§ 14 Abs. 2 BGB). Sie haben auf diese Weise ein „gemeinschaftliches Vermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB), über das nur alle zusammen verfügen können (so § 719 Abs. 1 BGB). Der menschliche Verband hat als „Verein, der nicht rechtsfähig ist“, insofern zumindest ein „geschlossenes Gesellschaftsvermögen“, 20 das einzig und allein dazu bestimmt ist, ja sogar ausschließlich dazu in der Lage ist, die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern, auf den sich die einzelnen Menschen verständigt haben (§ 705 BGB). Die Gesamthandsfigur, erfasst als Gierkes germanistische Gesamthand, ist demzufolge für die juristische Person des BGB geradezu unentbehrlich, soll sie dauerhaft im geltenden Recht die juristische Person Savignys sein, für die sich, wenn auch indirekt, die Verfasser des BGB entschieden haben. Die Gesamthand ist daher auch heute als Rechtsfigur neben der der juristischen Per18 So aber Raiser, AcP 194 (1994), 495, 512; sowie ders., in: FS Zöllner, 1998, 469, 505, wonach die Gesamthandsgesellschaft als „rechtsdogmatische Kategorie funktionslos und überflüssig geworden ist. Ihre Geschichte ist am Ende.“ 19 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 469. 20 Motive, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 330 (Zitat), sowie Protokolle, aaO., S. 990: „Das ganze Gesellschaftsvermögen ist zur Deckung der Lasten und Schulden der Gesellschaft gebunden.“
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son weder „funktionslos“ noch „überflüssig geworden“.21 Davon, dass „ihre Geschichte“ nunmehr „am Ende“ sei, kann deshalb nicht ernsthaft die Rede sein.22 Demgemäß ist es gelungen, eine zentrale Aufgabe dieser Schrift zu erfüllen, und zwar den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Gesamthand nicht bloß damals, sondern auch heute noch ein unverzichtbarer Bestandteil des positiven Rechts ist.
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So aber Raiser, in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 486. A. A. Raiser, in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 486.
Schlussbetrachtung A. Der Ansatz dieser Arbeit oder die Notwendigkeit, die Gesamthandsfigur des BGB dogmengeschichtlich zu betrachten Die Unfähigkeit der heute h. M., in ihrem Gesamthandsmodell das geltende Recht umfassend abzubilden, gab den Anlass, sich in dieser Schrift erneut mit dem Gesamthandsbegriff im BGB auseinanderzusetzen. Wenn die Gesamthand als „Gruppe“ ein Rechtssubjekt ist, das sich aus ihren Gesellschaftern zusammensetzt und in ihnen existiert, wie es die momentan ganz h. M. im Anschluss an Werner Flume, dem Begründer der sog. Gruppenlehre, annimmt, bewahrt die Gesamthand zwar als ein Rechtssubjekt, insofern als ein Ganzes, ihre Identität im Wechsel der Teile, sodass ein Gesellschafterwechsel auch keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat. Als Rechtssubjekt ist die Gesamthand jedoch die alleinige Trägerin der Rechte und Pflichten, die bei ihr enden und nicht jeweils bis zum einzelnen Gesellschafter als dem „Mitglied der Gesamthand“ durchdringen.1 Wenn sich aber die Gesamthand als Rechtssubjekt auf diese Weise vor ihre Gesellschafter schiebt, schirmt sie jene vor den Gesellschaftsschulden ab. Dem Gesamthandsmodell der h. M. zufolge haften die Gesellschafter dann an sich nicht für die Gesellschaftsschulden persönlich und unmittelbar mit ihrem Privatvermögen, dem aber § 128 Satz 1 HGB entgegensteht, der das ausdrücklich für die OHG anordnet und dessen Regelungsmodell die h. M. über eine Analogie auf die BGB‑Gesellschaft überträgt. Der Gesamthandsfigur des BGB mangelt es deswegen im Gruppenmodell der h. M. an der „systematischen Stimmigkeit“, sodass die h. M. das Ziel jeder „guten Rechtsdogmatik“ verfehlt, „Transparenz im Rechtssystem“ herzustellen.2 Das Gesamthandsmodell der ganz h. M. ist jedoch nicht nur außerstande, seine „darstellende Aufgabe“ zu erfüllen, das geltende Recht in sich abzubilden und so „Ausdruck“ und „Schlüssel“ zu dessen Verständnis zu sein,3 sodass es eines Rückgriffs auf das positive Recht nicht mehr bedarf, sondern führt außerdem noch zu Verwerfungen in der Rechtsanwendung. Dafür steht paradig1 2 3
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 90 (Zitat). Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 134 (Zitate). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 III 1 a) (S. 197) (Zitate).
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Schlussbetrachtung
matisch der faktische Ausschluss der Außen-GbR vom Grundstücksverkehr. Der h. M. entsprechend ist die Gesamthand selbst, als ein Rechtssubjekt, die alleinige Eigentümerin der Grundstücke, die zum „Gesellschaftsvermögen“ gehören (§ 718 Abs. 1 BGB), und nicht ihre Gesellschafter in Gemeinschaft. Die Gesellschafter können infolgedessen nur als Stellvertreter für die Gesamthand auftreten (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB) und deswegen nicht selbst, sondern ausschließlich für jene ein Grundstück erwerben oder veräußern. Von einer Gesamthand, die durch die Gesellschafter vertreten wird, die im Grundbuch eingetragen und insofern scheinbar verfügungsbefugt sind, kann ein Dritter zwar gutgläubig das Eigentum erwerben (§§ 899a, 892 BGB), doch ist dieser sachenrechtliche Erwerb nicht kondiktionsfest. Das Kausalgeschäft, in der Regel der Kaufvertrag, ist unwirksam, wenn und weil diejenigen, die für die GbR auftreten, im Grundbuch zwar als deren Gesellschafter eingetragen sind, sie aber nicht über die nötige Vertretungsmacht für den Abschluss des Kaufvertrags verfügen. Dadurch fehlt es dann für den gutgläubigen Eigentumserwerb des Dritten an der notwendigen causa i. S. des § 812 BGB. Die erforderliche Relevanz, das Gesamthandsprinzip aus dem positiven Recht herauszuarbeiten, obwohl mit der Gruppenlehre eine ganz h. M. dazu vorhanden ist, war damit gegeben. Die Verfasser des BGB wollten es allerdings vermeiden, sich auf das „Wesen der gesamten Hand“ für das positive Recht festzulegen, und meinten, stattdessen allein die „Bestimmungen“ auswählen zu können, die „sachlich den Vorzug“ verdienten.4 Für die Aufgabe dieser Schrift, den Begriff der Gesamthand im BGB aufzuzeigen, war es unabdingbar, über eine Analyse des positiven Rechts hinauszugehen. Es galt infolgedessen, ganz besonders das dogmengeschichtliche Umfeld zu erhellen, in dem das BGB von heute im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden war. Zu diesem Zweck war die „deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts“ aufzugreifen und in der „begrifflichen Prägung“, die sie bei Gierke gefunden hatte, herauszuarbeiten.5 Diesen Ansatz hatte zwar auch schon zuvor Flume gewählt, doch hatte er dabei mit seiner Ansicht, die Gesamthand sei Gierke zufolge „als Gruppe“ selbst ein Rechtssubjekt, das „Wesen“ von Gierkes Gesamthandsfigur verfehlt. Mit Rücksicht darauf waren Gierkes Ausführungen zu seiner deutschen Gesamthand erneut und umfassend zum Gegenstand dieser Arbeit zu machen.
4 Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 990. 5 Zitate aus Lepsius, in: Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, 2013, §§ 705–740 Rn. 62; BGHZ 146, 341, 344.
B. Die Dogmengeschichte der Gesamthandsfigur des BGB
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B. Die Dogmengeschichte der Gesamthandsfigur des BGB I. Die reale Verbandsperson als Zentralfigur im Rechtsdenken Gierkes 1. Die Schwierigkeit ihrer Rekonstruktion in Gierkes Rechtsdenken Dieses Vorhaben stieß allerdings auf die nicht unerhebliche Schwierigkeit, dass Gierke seine Vorstellungen in Bezug auf seine Gesamthand nicht wirklich offengelegt hatte, sodass Gierkes Gesamthandsfigur allein dadurch rekonstruiert werden konnte, dass die Fragmente, die sich hierzu in seinen zahlreichen und umfangreichen Schriften (allen voran jedoch zum deutschen Genossenschaftsbegriff) auffinden ließen, zu seinem Gesamthandsbegriff zusammengefügt wurden. Gierke beschäftigte „sein ganzes Leben lang“ indes nicht so sehr die Gesamthand, sondern die deutsche Genossenschaft,6 insofern die Rechtsfigur der realen Verbandsperson. „Sein Lebenswerk“ galt aus diesem Grund in erster Linie der juristischen Durchdringung des Rechts der Genossenschaft, nicht der Gesamthand.7 Erst und allein als Abgrenzungsfigur zur Genossenschaft war daher die Gesamthand für Gierke von Bedeutung. Sie nahm deshalb bei ihm eher eine Nebenrolle ein. Der Blick führte infolgedessen in dieser Arbeit, gleichsam Gierke folgend, zunächst einmal weg von der Gesamthand hin zur Verbandsperson (= Genossenschaft) und damit zugleich zur juristischen Person Savignys. Denn Gierke sah in seiner realen Verbandsperson den bewussten germanistischen Gegenentwurf zur juristischen Person des Romanisten Savigny.
2. Pufendorfs Lehre von den entia moralia und der stoische Immanenzgedanke als Schlüssel zu Gierkes Rechtsdenken Aber auch hier stand dem Vorgehen erneut das Hindernis entgegen, dass auch die Konturen von Gierkes „Genossenschaft“ in seinen Ausführungen dazu nicht wirklich offen zutage traten. Auch die Verbandsperson musste deshalb erst mühsam aus Gierkes zahlreichen Werken geradezu herausdestilliert werden. Und selbst das allein versprach noch keinen Erfolg. Erst, ja allein Pufendorfs Lehre von den entia moralia bot schließlich den Schlüssel zum Verständnis von Gierkes Verbandsperson, später auch zu dem seiner Gesamthand. Pufendorf differenziert in seiner Lehre von den entia moralia, und im Anschluss daran dann auch Gierke, zwischen der sinnlich wahrnehmbaren Welt, insofern der „wirklichen Welt“ (entia physica), und der davon „abstrahierten vorgestellten Welt“ des Rechts (entia moralia).8 Während die Verbandsperson 6 7
Mertens, JuS 1971, 508, 509. Dilcher, Genossenschaftstheorie und Sozialrecht: Ein „Juristensozialismus“ Otto v. Gierkes?, in: Quaderni Fiorentini 3/4 (1974/75), S. 319, 326. 8 Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 1883, S. 1097, 1103.
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Schlussbetrachtung
(Gierke) und ebenso auch die juristische Person (Savigny) ausschließlich in die ideale, weil lediglich ausgedachte Welt des Rechts (entia moralia) gehört, ist der einzelne Mensch (ens physicum) allein Teil der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Für Gierke ist, anders als für Savigny, so zumindest Gierke zufolge, nicht nur der einzelne Mensch ein ens physicum, sondern auch der menschliche Verband. Denn für Gierke ist auch der menschliche Verband ein „wirklicher Körper“, ein corpus ex distantibus, ein „Gesamtkörper“ im Sinn der „stoischen Philosophie“.9 Der menschliche Verband kann zwar, im Gegensatz zum einzelnen Menschen, als solches nicht unmittelbar gesehen und angefasst werden, dennoch ist er vermittelt über die einzelnen Menschen, aus denen er besteht, deshalb sinnlich wahrnehmbar, weil die einzelnen Menschen als eine Einheit agieren. Sie weisen insofern eine Gesamtbeschaffenheit auf und affizieren darüber als eine Einheit die menschlichen Sinne. Da aber alles, was auf die Sinne einwirkt, für die Stoiker und deswegen auch für Gierke ein „wirklicher Körper“ (σῶμα, lat. corpus) ist, ist es auch der menschliche Verband, ist er ein corpus ex distantibus (nicht aber ein einzelner Mensch). Als corpus ist der menschliche Verband aber ein ens physicum und daher geeignet, Träger in der sinnlich wahrnehmbaren Welt für die Verbandsperson (persona moralis), insofern deren Substrat und „tatsächliche Unterlage“, zu sein.10 Die reale Verbandsperson geht Gierke zufolge aus dem menschlichen Verband hervor, existiert infolgedessen in und mit ihm, ist ihm immanent. Sie ist insofern eine „wirkliche Person“, als sie das Recht aus dem menschlichen Verband und damit aus der „wirklichen Welt“ bloß abstrahiert und nur noch als Rechtssubjekt, als „Person“ (persona moralis), anerkennt. Die Lehre Pufendorfs von den entia moralia war demgemäß durch das stoische Immanenzdenken zu ergänzen, die Auffassung also, wonach das Ganze weder dasselbe wie die Summe seiner Teile ist, aber auch nicht etwas anderes, insofern zwar von der Summe seiner Teile verschieden, nicht aber davon getrennt ist.
3. Rousseaus Konzeption einer volonté générale als komplementärer Zugang zu Gierkes Rechtsdenken Aber auch das reichte noch nicht aus, um Gierkes Verbandsperson wirklich vollumfänglich zu erfassen. Für Gierke ist ein menschlicher Verband nur deswegen überhaupt erst geeignet, als eine „Person“, als ein Rechtssubjekt, anerkannt zu werden, weil er „Träger eines einheitlichen Gemeinwillens“ ist.11 Was Gierke unter diesem „Gemeinwillen“ verstand, blieb jedoch in seinen 9 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 32–33. 10 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung,
(Zitat). 11 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268.
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B. Die Dogmengeschichte der Gesamthandsfigur des BGB
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Schriften recht unscharf, sodass es auch an dieser Stelle erforderlich war, den Begriffsinhalt von Gierkes „Gemeinwillen“ über einen Rückgriff auf Vorstellungen anderer Denker zu diesem Punkt zu vervollständigen. Der Begriff des Gemeinwillens verwies dabei nicht nur dem Namen, sondern, zumindest insofern, auch der Sache nach auf Rousseaus Konzeption einer volonté générale, als sich dort erneut das stoische Immanenzdenken wiederfand, und zwar sowohl in Bezug auf den menschlichen Verband als einem corpus ex distantibus als auch in Bezug auf einen „Gemeinwillen“ (volonté générale), von dem der menschliche Verband beherrscht wird. Die einzelnen Menschen, die sich zu einem menschlichen Verband (corpus ex distantibus) als einem sozialen Ganzen zusammengeschlossen haben, trennen in der Terminologie Gierkes dabei zugleich „Stücke“ ihrer „Persönlichkeit, einzelne Willenssplitter“ von sich ab, vereinigen diese vielen Einzelwillen zu einem „Gemeinwillen“, einer volonté générale, und bilden auf diese Weise eine „höhere Gesamtpersönlichkeit“.12 Der „Gemeinwille“ existiert deshalb zwar in und mit den einzelnen Menschen, aus denen er sich gewissermaßen zusammensetzt. Insofern ist er als Ganzes einerseits die Summe seiner Teile, andererseits aber auch mehr als das, mehr als die bloße Summe der Einzelwillen, ist der „Gemeinwille“ (volonté générale) nicht der „Wille aller“ (volonté de tous), der lediglich die Einzelinteressen der Mitglieder summiert. Vielmehr ist der „Gemeinwille“ deswegen ein „allgemeiner Wille“ (volonté générale), weil es den einzelnen Menschen als Gliedern des sozialen Ganzen nicht mehr nur um sich selbst geht, sondern um den menschlichen Verband (corps moral et collectif) an sich, das Gemeinwohl. Durch diesen „Willen zur Gemeinschaft“, kraft dieses „Gemeinschaftsgefühls“ (l’esprit social), durch das sich die einzelnen Menschen erst als ein soziales Ganzes (corps politique) verstehen,13 verfügt der menschliche Verband über ein „gemeinschaftliches Ich“ (moi commun),14 über eine „subjektive Einheit“, einen „rechtlich relevanten Willen“.15 Und weil dem menschlichen Verband dadurch eine „selbständige Persönlichkeit“ innewohnt,16 er eine „höhere Gesamtpersönlichkeit“ besitzt, ist er geeignet, als eine Verbandsperson (= Genossenschaft) vom Recht anerkannt zu werden, um in der Folge davon eine „Person“ (persona moralis), ein Rechtssubjekt, in der „vorgestellten Welt“ des Rechts zu sein.
12
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 36 (Zitate).
15 16
Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3, 1881, S. 33.
13 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 7 (S. 47). 14 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 1, Kap. 6 (S. 18).
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Schlussbetrachtung
4. Gierkes reale Verbandsperson als germanistischer Gegenentwurf zu Savignys romanistischer juristischer Person Dadurch erschloss sich dann auch der Unterschied zwischen Gierkes germanistischer realer Verbandsperson und Savignys juristischer Person, zumindest so wie Gierke sie auffasste. Für Savigny ist allein der einzelne Mensch ein ens physicum, da ausschließlich er, nicht aber auch der menschliche Verband, unmittelbar gesehen und angefasst werden kann. Der menschliche Verband ist deswegen in den Augen Savignys nicht (mehr) ein stoischer corpus ex distantibus, sondern (nur noch) eine skeptische res incorporalis, eine ausschließlich gedankliche, insofern unsichtbare Einheit (universitas). Das menschliche Denken erfasst danach den menschlichen Verband nicht bloß, abstrahiert ihn nicht einfach nur aus der Welt, die dem Menschen seine Sinne vermitteln, sondern erschafft ihn erst als ein Bild im Geiste, als ein Gedankenbild (ἐννόημα), oder auch als ein Begriff (nomen). Es ordnet den menschlichen Verband als eine unsichtbare und ausgedachte, insofern fingierte Einheit (universitas) den einzelnen Menschen zu, die sich als diese Einheit, als den einen menschlichen Verband (als „soziale Realität“) begreifen. Da der menschliche Verband demzufolge nicht ein corpus ex distantibus und deswegen auch kein ens physicum ist, vermag er weder ein „Träger von freiem Willen“ noch ein Rechtssubjekt in der „vorgestellten Welt“ des Rechts zu sein.17 Das kann für Savigny von sich aus allein der einzelne Mensch sein. Das Recht muss deswegen die juristische Person zunächst einmal als ein nomen iuris (Rechtsbegriff) als eine rein gedankliche Einheit (universitas) erschaffen und kann jenes erst anschließend den einzelnen Menschen, die sich selbst als ein menschlicher Verband verstehen, zuordnen. Obschon auch für Savigny seine juristische Person als nomen iuris in den einzelnen Menschen eine „soziale Realität“ vorfindet, existiert sie doch vollkommen losgelöst und getrennt, ja unabhängig von ihnen. Während der juristischen Person demgemäß ein Substrat, ein Träger, in der „wirklichen Welt“ nicht zukommt, sie in diesem Sinn in der Tat eine „fingierte Person“ (Savigny)18 oder eine „bloß erdichtete Person“ (Gierke)19 ist, handelt es sich bei Gierkes realer Verbandsperson um eine „wirkliche Person“, da sie im menschlichen Verband, in den Mitgliedern oder in den sie verwaltenden Menschen, über einen Träger, eine „tatsächliche Unterlage“, in der sinnlich erfahrbaren, insofern „wirklichen Welt“ verfügt, aus der sie erwächst und in der sie fortwährend existiert.
17 18 19
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 265 (Zitat). Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 241. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470.
B. Die Dogmengeschichte der Gesamthandsfigur des BGB
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II. Gierkes germanistische Gesamthandsfigur 1. Gierkes Gesamthand im Unterschied zu seiner realen Verbandsperson War es so gelungen, den „Begriff“ der Verbandsperson und dadurch, in der Entgegensetzung dazu, auch den der juristischen Person zu erhellen, konnte nunmehr aufgezeigt werden, worin Gierke zufolge die „unüberbrückbare begriffliche Kluft“ konkret besteht, durch die die Verbandsperson (= Genossenschaft) so „scharf“ von der Gesamthand getrennt ist:20 Auch die Gesamthand ist, ähnlich (!) der Verbandsperson, eine Vielheit von einzelnen Menschen in der „wirklichen Welt“ (entia physica), der Welt also, die dem Menschen seine Sinne vermitteln. Bei der Verbandsperson formieren sich die einzelnen Menschen bereits in der sinnlich erfahrbaren Welt zu einem menschlichen Verband (ens physicum) und sind infolgedessen nicht mehr eine Vielheit, sondern eine Einheit, ein (soziales) Ganzes. Während der menschliche Verband hier also ein corpus ex distantibus ist, der zudem über einen „einheitlichen Gemeinwillen“ (volonté générale) verfügt, bleibt dieser Akt der Konversion zu einem sozialen Ganzen, zu dem einen menschlichen Verband, bei der Gesamthand in der „wirklichen Welt“ aus. Die einzelnen Menschen sind in der sinnlich erfahrbaren Welt völlig unverbunden (entia physica) und bilden deshalb nicht einen menschlichen Verband (ens physicum), den das Recht als Rechtssubjekt, als „Person“ (persona moralis), anerkennen könnte. Stattdessen gehen sie zunächst jeder für sich allein in die „vorgestellte Welt“ des Rechts ein und sind infolgedessen, anders als die reale Verbandsperson, nicht ein Rechtssubjekt (persona moralis), sondern mehrere Rechtssubjekte (personae morales). Nach Pufendorfs Lehre von den entia moralia ist eine persona moralis aber nicht unmittelbar Träger von Rechten und Pflichten, insofern also ein Rechtssubjekt, sondern erst vermittelt über einen status, einen Raum in der „vorgestellten Welt“ des Rechts, eine Hülle, die die persona moralis gleichsam umgibt. Der status übermittelt die Rechte und Pflichten, die von außen auf ihn treffen, an die persona moralis in seinem Inneren. Bei der Gesamthand nehmen nun nicht bloß eine, sondern mehrere personae morales zusammen einen gemeinsamen status ein, der an sie alle in Gemeinschaft die Rechtsbeziehungen, die dinglichen Rechte und Forderungen sowie die Verbindlichkeiten weiterleitet. Die personae morales vereinigen sich demgemäß erst in der „vorgestellten Welt“ des Rechts zu einer Gesamthandsgemeinschaft, zu einer persona moralis composita (Pufendorf), und zwar, indem sie gemeinsam einen status annehmen. Die Gesamthand ist insofern durch den einen gemeinsamen status zwar eine Einheit, dennoch ist sie zugleich, ja vor allem eine Vielheit, sind es doch auch weiterhin mehrere Rechtssubjekte (personae morales), die als „Mitträ20 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339 (Zitate).
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Schlussbetrachtung
ger“ den einen gemeinsamen status, die „Gemeinsphäre“, (Gierke), ausfüllen.21 Die „unüberbrückbare begriffliche Kluft“ zwischen Verbandsperson und Gesamthand besteht demzufolge darin, dass die Verbandsperson als ein Rechtssubjekt eine Einheit und die Gesamthand demgegenüber als mehrere Rechtssubjekte eine Vielheit ist.
2. Gierkes „deutsche Gesamthand“ im Unterschied zur römischen societas Da die Rechtsbeziehungen über den einen gemeinsamen status an die Gesellschafter als Zuordnungsendpunkte (personae morales) vermittelt werden, haben sie Rechte und Pflichten in Gemeinschaft, ist ihr Vermögen ein „gemeinschaftliches“ (so § 718 Abs. 1 BGB), über das deshalb auch nur alle zusammen verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB); in diesem Sinn ist die gesamthänderische Bindung des „Gesellschaftsvermögen“ (§ 718 Abs. 1 BGB) also bloß Ausdruck, dass die Gesellschafter zusammen einen kollektiven status einnehmen. Das unterscheidet die deutsche Gesamthand („Außengesellschaft“) von der römischen societas („Innengesellschaft“). Anders als bei einer Gesamthand teilen sich die Gesellschafter einer societas gerade nicht einen gemeinsamen status miteinander, stattdessen nimmt jeder für sich allein seinen eigenen status ein. Die societas besteht demnach nicht nur aus mehreren Rechtssubjekten (personae morales), sondern zudem auch noch aus mehreren status. Sie ist deswegen ausschließlich eine Vielheit und nicht, wie die Gesamthand, zumindest auch eine Einheit. Die dogmengeschichtliche Betrachtung ergab deshalb vier Assoziationsformen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Vorabend des BGB zur Disposition standen: universitas (= Savignys juristische Person) und societas als „römische Gedankenschablonen“ sowie Verbandsperson und Gesamthand als Gierkes germanistische Gegenentwürfe dazu.22
III. Vier Assoziationsformen als dogmengeschichtlicher Hintergrund des BGB: universitas und societas sowie reale Verbandsperson und Gesamthand Die juristische Person existiert als skeptische res incorporalis, als ausschließlich gedankliche Einheit (universitas), oder wie Savigny es ausdrückt: als ein „ideales Ganzes“, 23 insofern als ein reiner Rechtsbegriff (nomen iuris), vollkommen losgelöst und getrennt von ihrer „sozialen Realität“, von den einzelnen Menschen, die sich in der „wirklichen Welt“ als ein menschlicher Verband verstehen, und ist daher eine „fingierte Person“ (Savigny). Die reale Verbands21 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 22 Gierke, Die Genossenschaftstheorie
1895, S. 664 (Zitate). und die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 339
(Zitat). 23 Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, 1840, S. 243.
B. Die Dogmengeschichte der Gesamthandsfigur des BGB
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person Gierkes (persona moralis) ist dagegen in ihrem menschlichen Verband (ens physicum) bereits angelegt, geht daher aus ihm hervor und existiert in ihm, hat in ihm einen Träger, ein Substrat in der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Und weil der menschliche Verband als stoischer corpus ex distantibus, vermittelt über die einzelnen Menschen, aus denen er besteht, oder genauer: über ihr aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken, als eine Einheit sinnlich wahrnehmbar ist, ist die Verbandsperson eine davon abstrahierte „wirkliche, nicht bloß erdichtete Person“.24 Die Gesamthand fußt im Gegensatz zur realen Verbandsperson nicht auf einem menschlichen Verband in der „wirklichen Welt“, sie hat deshalb dort weder ein corpus ex distantibus noch in der „vorgestellten Welt“ des Rechts eine „Person“ (persona moralis), ein Rechtssubjekt. Die Gesellschafter gehen, was das betrifft, vielmehr jeder für sich allein als einzelne Menschen in die Welt des Rechts ein und sind dort mehrere personae morales, die sich erst hier zu einer Gesamthand (persona moralis composita) verbinden. Sie nehmen einen gemeinsamen status ein und werden so zu „Mitträgern“ einer „Gemeinsphäre“, verschmelzen aber nicht zu einem Rechtssubjekt, da sie in der „wirklichen Welt“ weiterhin mehrere einzelne Menschen bleiben und nicht einen menschlichen Verband bilden. Sie verfügen infolgedessen auch nur über einen „Gemeinschaftswillen“, einen „Gesamtwillen“, 25 insofern also über einen „Willen Aller“ (volonté de tous), nicht aber, wie der menschliche Verband und mit ihm in der Folge davon auch seine reale Verbandsperson („Genossenschaft“), über einen „Gemeinwillen“ (volonté générale), den „Willen zur Gemeinschaft“ (l’esprit social), der einzig und allein auf den menschlichen Verband an sich gerichtet ist, insofern „auf das öffentliche Wohl abzielt“.26 Die Gesamthand ist demnach erst und ausschließlich aufgrund des einen gemeinsamen status in der „vorgestellten Welt“ des Rechts eine Einheit in der Vielheit, „ein Rechtsverhältnis“, aber „kein Rechtssubjekt“, sondern mehrere Rechtssubjekte. 27 Die reale Verbandsperson ist dagegen sowohl in der „vorgestellten Welt“ des Rechts als auch schon in der „wirklichen Welt“ eine Einheit, da sich die einzelnen Menschen bereits dort, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, zu einem menschlichen Verband (ens physicum) zusammengesetzt haben und deswegen auch im Recht ein „Rechtssubjekt“ (persona moralis), eine „zusammengesetzte Person“ (Gierke), sind.28
24
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 664. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762 (2011), Buch 2, Kap. 3 (S. 31). 27 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. 28 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 470. 25 26
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Schlussbetrachtung
C. Die Gesamthand im BGB I. Die Weg der Gesamthandsfigur in das BGB und ihr (erst) später Durchbruch: von einer modifizierten societas zur germanistischen Gesamthand Gierkes Während der gemeinsame status die „Rechtssubjektivität“ der Gesellschafter „selbst in einen besonderen Zustand versetzt“, indem er ihnen nach außen eine „kollektive Rechtsfähigkeit“ verleiht (§§ 718 Abs. 1, 719 Abs. 1 BGB), haben die Gesellschafter einer societas nach außen bloß jeder für sich allein ihre je eigene Rechtsfähigkeit, sodass der Gesellschaftsvertrag auch allein Rechte und Pflichten unter den socii zu erzeugen vermag, insofern also „bloß äußere Beziehungen zwischen Rechtssubjekten herstellt“.29 In dieser Ausgestaltung bildeten Gierkes deutsche Gesamthand und römisch-rechtliche societas als konkurrierende Rechtsfiguren den dogmengeschichtlichen Hintergrund für die gegenwärtigen Vorschriften über die Gesellschaft im BGB (§§ 705–740 BGB). Im ersten Entwurf zum BGB war die Gesellschaft zunächst einmal noch eine reine societas, ein Schuldverhältnis ausschließlich unter den Gesellschaftern, dem nach außen, im Rechtsverkehr mit Dritten also, keinerlei Bedeutung zukommt. Erst im zweiten Entwurf überformten die Verfasser des BGB schließlich die societas durch das germanistische Gesamthandsprinzip, indem sie das „Gesellschaftsvermögen“ als ein Gesamthandsvermögen ausgestalteten (§§ 718 Abs. 1, 719 Abs. 1, 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gesellschaft des BGB wurde dadurch aber an sich, zumindest zunächst einmal, nicht zu einer echten Gesamthand im Sinn Gierkes, sondern lediglich zu einer modifizierten societas, da jetzt allein das Vermögen ein „gemeinschaftliches“ der Gesellschafter sein sollte (§ 718 Abs. 1 BGB), nicht aber die Gesellschaft selbst eine zur gesamten Hand. Nun kann es aber ein Gesamthandsvermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB nur dort geben, wo die Gesellschafter einen gemeinsamen status einnehmen, der ihnen als Zuordnungsendpunkte die Rechte und Pflichten vermittelt, jene insofern „gemeinschaftlich“ macht, sodass allein in der Folge davon die Gesellschafter mit Notwendigkeit auch nur alle zusammen darüber verfügen können (§ 719 Abs. 1 BGB). Und weil demgemäß eine Vermögensgemeinschaft zur gesamten Hand immer erst Ausfluss einer Personengemeinschaft zur gesamten Hand ist, ja überhaupt nur sein kann, haben sich die Verfasser des BGB, wenn auch unbewusst, dann doch für die Gesellschaft des BGB auf das „Wesen zur gesamten Hand“ festgelegt, aus der „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ insofern eine „deutsche Gesellschaft“, weil eine Gesamthand,30 gemacht, als sie das „Gesellschaftsvermögen“ 29
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 660. Protokolle, in: Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 2, 1899, S. 991 (Zitat). 30
C. Die Gesamthand im BGB
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der societas im ersten Entwurf zum BGB, die communio, zu einem gemeinschaftlichen der Gesellschafter im Sinn der gesamten Hand im zweiten Entwurf und damit im BGB umgestalteten (§§ 718 Abs. 1, 719 BGB). Indem die Verfasser des BGB Gierkes Gesamthandsfigur auf diese Weise für die Gesellschaft des BGB übernahmen, ist jene „die ‚Urfigur‘ der Gesamthand“ im BGB geworden, sodass in der Tat „das Recht der Gesellschaft als Gesamthand paradigmatisch für die Gesamthand an sich“ steht.31 Die Gesamthand sind demnach im geltenden Recht die Gesellschafter, die „mit der Fähigkeit ausgestattet“ sind, in Gemeinschaft „Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ (§ 14 Abs. 2 BGB). Weil die Gesellschafter einen gemeinsamen status innehaben, der an sie als mehrere Rechtssubjekte, als „Mitträger“, die gemeinschaftlichen Rechte, Forderungen und Verbindlichkeiten weiterleitet, sind sie kollektiv rechts- und handlungsfähig (§ 14 Abs. 2 BGB). Als solche Gesamthand können die Gesellschafter unter einem gemeinschaftlichen Namen („unter ihrer Firma“) gegenüber Dritten im Rechtsverkehr auftreten, darunter also „Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen“ (so § 124 Abs. 1 HGB; § 14 Abs. 2 BGB). Während die Handelsgesellschaften (als OHG und KG) „unter ihrer Firma“ auch „Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben“ können (so ausdrücklich § 124 Abs. 1 HGB), sind die Gesellschafter einer BGB‑Gesellschaft dazu nicht befugt. Zumindest insofern gilt demzufolge selbst heute noch die von Gierke getroffene Feststellung, dass „ein der Firma ähnlicher Gesellschaftsname“, den die Gesellschafter einer BGB‑Gesellschaft zusammen führen, „niemals aber im Grundbuchrecht (…) die der Firma durch HGB § 124 zugewiesene Rolle spielen“ kann.32 Demzufolge zeichnen sich die Handelsgesellschaften auch aktuell durch ein „Plus von gesamter Hand“ aus.33 Sie, „in erster Linie die OHG“, stellen daher immer noch den „Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesamten Hand in vollkommenster Durchbildung“ dar, sodass sich, zumindest weitgehend, das Regelungsmodell der OHG, vor allem das der §§ 128–130 HGB, ergänzend auf die BGB‑Gesellschaft übertragen lässt.34
II. Gierkes Gesamthandsmodell als „gute Rechtsdogmatik“ 1. Die Gesellschafterhaftung Dass Gierkes Gesamthand als „Rechtsprinzip“ dem BGB (und darüber hinaus) zugrunde liegt, zeigte sich sodann darin, dass sich die persönliche und akzessorische Gesellschafterhaftung, so wie sie in den §§ 128–130 HGB für 31 32
Flume, Die Personengesellschaft, 1977, S. 2 (Zitat). Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, 1917, S. 841. 33 Gierke, Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 19 (1901), 114, 119. 34 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 670.
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Schlussbetrachtung
die OHG (und KG) zum Ausdruck kommt, mit Gierkes Gesamthandstheorie abbilden lässt (nicht aber mit dem Gruppenmodell der h. M.). Weil die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft, die Gesamthand selbst, die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen sind, jene aber erst und allein vermittelt über den gemeinsamen status an alle weitergeleitet werden, haben nicht nur alle in Gemeinschaft, als eine Gesamthand, mit ihrem gemeinschaftlichen Vermögen i. S. des § 718 Abs. 1 BGB für die „gemeinschaftlichen Schulden“ (vgl. § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB), allein in diesem Sinn für die „Gesellschaftsschulden“, einzustehen, sondern außerdem auch persönlich und unmittelbar mit ihrem Privatvermögen (§ 128 Satz 1 HGB). Tritt ein Gesellschafter aus der Gesamthand aus, verlässt er zwar den gemeinsamen status und hört deshalb ipso iure auf, gemeinschaftlicher Schuldner zu sein. Da er aber abgeleitet davon, akzessorisch, auch persönlich und unmittelbar mit seinem Privatvermögen für die „Gesellschaftsschulden“ haftet (§§ 128 Satz 1, 129 HGB), er insofern als ganze Person über seinen eigenen status gebunden ist, diesen aber, anders als den gemeinsamen status, nicht einfach ablegen kann, hat sein Ausscheiden allein aus dem gemeinsamen status keinen Einfluss auf den Fortbestand seiner „Gesellschafterschuld“ (vgl. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 736 Abs. 2 BGB). Kommt umgekehrt ein Gesellschafter neu zur Gesamthand hinzu, tritt er in den gemeinsamen status ein, der deshalb jetzt auch an ihn die „gemeinschaftlichen Schulden“ übermittelt, sodass akzessorisch, weil abgeleitet davon, über seinen eigenen individuellen status (Einzelrechtsfähigkeit) dafür eine „Gesellschafterschuld“ entsteht. Der Neugesellschafter haftet daher zusammen mit den übrigen Gesellschaftern für die „Gesellschaftsschulden“, insofern „mit dem Gesellschaftsvermögen für (die) Altschulden“,35 und außerdem persönlich und unmittelbar mit seinem Privatvermögen auch noch „für die vor seinem Eintritte begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ (§ 130 Abs. 1 HGB).
2. Der Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse trotz eines Gesellschafterwechsels a) Der stoische Immanenzgedanke bei Gierkes Gesamthand Auch wenn die Gesellschafter die Zuordnungsendpunkte der gemeinschaftlichen Rechte und Verpflichtungen sind, sind sie es doch nur vermittelt über den einen gemeinsamen status. Erst der status macht die Gesellschafter zu der einen Gesamthand, indem er sie mit der Fähigkeit ausstattet, in Gemeinschaft „Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen“ (so § 14 Abs. 2 BGB). Der gemeinsame status ist dementsprechend in der stoischen Terminologie die individuelle Eigenschaft (ἰδία ποιότης), die den Gesellschaftern, als eigen35
BGHZ 146, 341, 345 (Zitat).
C. Die Gesamthand im BGB
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schaftslose Materie (ὓλη), eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) verleiht, die einzig und allein allen zusammen als eine Gemeinschaft und nicht jedem für sich, auch nicht in ihrer bloßen Summe, zukommt. Die Gesamthand existiert insofern als ein Ganzes zwar in ihren Gesellschaftern, ist ihnen insofern immanent. Aufgrund ihrer Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) ist sie aber zugleich auch mehr als die Summe ihrer Teile. Auch bei der germanistischen Gesamthandsfigur drückte sich also in dieser Relation des Ganzen zu seinen Teilen das stoische Immanenzdenken Gierkes aus, sodass zumindest insofern auch an dieser Stelle erst und allein die „stoische Philosophie“ einen Zugang zu Gierkes Verständnis von seiner deutschen Gesamthand eröffnete. Über die Gesamtbeschaffenheit, die der gemeinsame status erzeugt, wirkt die Gesamthand zwar als eine Einheit auf das menschliche Bewusstsein ein (nicht auf die menschlichen Sinne), dennoch ist sie insofern vor allem eine Vielheit, als sie sich aus vielen Rechtssubjekten, ihren Gesellschaftern, zusammensetzt, und daher, im Gegensatz zur realen Verbandsperson, „kein Rechtssubjekt“ ist. Der gemeinsame status macht die Gesamthand in Analogie zur stoischen corpus-Lehre für das menschliche Denken als Einheit, nicht aber für die menschlichen Sinne wahrnehmbar, da die Gesamthand allein in der „vorgestellten Welt“ des Rechts existiert und daher als ein ens morale außerstande ist, die menschlichen Sinne zu affizieren, das kann nur ein ens physicum in der „wirklichen Welt“. Die Gesamthand ist deshalb als ein ens morale auch nicht ein stoischer corpus ex distantibus. Das ist allein der menschliche Verband als ein ens physicum. Demzufolge ist die Gesamthand, anders als die Verbandsperson, die in der sinnlich wahrnehmbaren, „wirklichen Welt“ auf einem menschlichen Verband (ens physicum) und nicht wie die Gesamthand auf mehreren einzelnen Menschen (entia physica) basiert, nicht bloß ein, sondern mehrere Rechtssubjekte, die lediglich einen gemeinsamen status in der „vorgestellten Welt“ des Rechts miteinander teilen (und dadurch eine Vielheit in der Einheit sind).
b) Der stoische Immanenzgedanke bei Gierkes realer Verbandsperson in der Gegenüberstellung dazu Bei Gierkes Rechtsfigur der realen Verbandsperson spielt sich das stoische Immanenzdenken demnach bereits in der „Erscheinungswelt“ ab.36 Der menschliche Verband, der in und mit den einzelnen Menschen, aus denen er sich zusammensetzt, existiert, ihnen also immanent ist, wirkt über sie auf die menschlichen Sinne ein und ist deshalb für die Stoiker, und im Anschluss daran auch für Gierke, somatisch verfasst ein corpus ex distantibus, ein „wirklicher Körper“. Im Gegensatz dazu vollzieht sich das stoische Immanenzdenken bei der Gesamthandsfigur erst und ausschließlich in der „vorgestellten Welt“ des 36
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 268 (Zitat).
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Schlussbetrachtung
Rechts. Die Gesamthand ist aus diesem Grund zwar nicht wirklich ein corpus ex distantibus, dennoch setzt auch sie sich, ähnlich (!) einem corpus ex distantibus, aus ihren vielen Gesellschaftern (entia moralia) zusammen, und demgemäß erscheint auch sie deswegen als eine Einheit, weil sie durch den gemeinsamen status eine Gesamtbeschaffenheit (ποιόν) aufweist, der ihr Individualität und Identität verleiht. Der stoische Immanenzgedanke stimmt demzufolge bei Verbandsperson und Gesamthand insofern vollkommen überein, als es bei beiden um dieselbe Relation des Ganzen zu seinen Teilen geht, nur fügen sich die Teile gewissermaßen in zwei voneinander zu unterscheidenden Welten zu einem Ganzen zusammen: das eine Mal in der „wirklichen Welt“, das andere Mal in der „vorgestellten Welt“ des Recht. Die reale Verbandsperson ist deshalb ein Rechtssubjekt, weil sie (schon) aus einem menschlichen Verband, aus einem ens physicum in der „wirklichen Welt“ hervorgeht. Die Gesamthand sind dagegen immer noch mehrere Rechtssubjekte, da sie auf mehreren einzelnen Menschen (entia physica) in der „Erscheinungswelt“ basiert.
c) Die Stärke von Gierkes Gesamthandsmodell gegenüber dem der „ganz h. M.“ Da sich demnach die Individualität und daher auch die Identität einer Gesamthand aus ihrem gemeinsamen status speisen, bewahrt die Gesamthand solange ihre Identität im Wechsel der Teile (ihrer Gesellschafter), kann sie „einen Wechsel der verbundenen Personen überdauern und somit als dieselbe Personeneinheit mit veränderter Trägerschaft fortbestehen“, wie der gemeinsame status und insofern die dadurch erzeugte Gesamtbeschaffenheit, die „kollektive Rechtsfähigkeit“,37 dieselben sind. Werden die Gesellschafter zum Teil oder auch insgesamt ausgetauscht, scheidet ein Gesellschafter aus der Gesamthand aus oder kommt ein neuer zu ihr hinzu, lässt dieser Gesellschafterwechsel den Fortbestand der mit ihr schon bestehenden Rechtsverhältnisse völlig unberührt. Die Gesamthand muss also, anders als es die heute ganz h. M. als Gruppenlehre behauptet, nicht „als eine Gruppe ein Rechtssubjekt“ sein, damit ein „Wechsel im Mitgliederbestand“, d. h. der Gesellschafter, auf die mit der Gesellschaft bereits bestehenden Rechtsverhältnisse keinen Einfluss hat.38 Allein Gierkes Gesamthandsmodell ist demgemäß in der Lage, sowohl die persönliche Gesellschafterhaftung (§ 128 Satz 1 HGB) als auch den Fortbestand der mit der Gesamthand bestehenden Rechtsverhältnisse im Fall eines Gesellschafterwechsels in sich umfassend abzubilden und damit der „darstellenden Aufgabe“ jeder „guten Rechtsdogmatik“ gerecht zu werden. Sie allein erreicht die nötige „systematische Stimmigkeit“ der Gesamthandsfigur und stellt insoweit erst die geforderte „Transparenz des Rechtssystems“ her, um die Ge37 38
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 691. BGHZ 146, 341, 345 (Zitat).
D. Der unverzichtbare Dualismus von Gesamthand und juristischer Person
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samthand zu einer für den Rechtsanwender „handhabbaren Kategorie“ zu machen.39
D. Der unverzichtbare Dualismus von Gesamthand und juristischer Person Die selbstgesetzte Aufgabe, den „Begriff“ der Gesamthand im BGB aufzuspüren und in einem rechtsdogmatischen Modell zu erfassen, war damit erfüllt. Bei der vermeintlichen Gesamthand der h. M., die als Rechtssubjekt in ihren Gesellschaftern, „als Gruppe“, existiert, insofern eine „zwar selbständige, aber immanente Einheit“ ist, war jedoch in der Sache Gierkes deutsche Verbandsperson.40 Die juristische Person des BGB wiederum war für die „heute ganz hM“ „eine zweckgebundene Organisation, der die Rechtsordnung die Rechtsfähigkeit“ bloß noch „verliehen hat“.41 Sie existiert demnach „in ihren Mitgliedern oder in den sie verwaltenden Menschen“,42 d. h. in einem menschlichen Verband. Die juristische Person hat demzufolge in ihnen, im menschlichen Verband, einen Träger in der sinnlich wahrnehmbaren, „wirklichen Welt“, ihre „tatsächliche Unterlage“, ihr Substrat. Da die Rechtsordnung der zweckgebundenen Organisation lediglich die Rechtsfähigkeit verleiht, den menschlichen Verband also lediglich als Rechtssubjekt, als Person, anerkennt, ist die juristische Person des BGB, zumindest der heute ganz h. M. zufolge, die germanistische Verbandsperson Gierkes. Ein Unterschied zwischen der vermeintlichen Gesamthand der h. M. (als Gruppenlehre) und der juristischen Person des BGB bestand demnach nicht mehr. Angesicht dieser Identität von vermeintlicher Gesamthand und juristischer Person haben deshalb die Stimmen im Schrifttum zugenommen, die die Aufgabe des bestehenden Dualismus von Gesamthand und juristischer Person forderten. Stattdessen wollten sie jede Mehrheit von einzelnen Menschen, die als eine Einheit agieren, als ein Rechtssubjekt und damit als eine juristische Person im BGB einordnen. Die juristische Person des BGB ist jedoch die „fingierte Person“, die Savigny als universitas, als eine skeptische res incorporalis, aus dem klassischen römischen Recht übernommen und zu seiner juristischen Person weiterentwickelt hatte. Als Rechtsbegriff (nomen iuris) existiert die juristische Person Savignys, und deshalb auch die des BGB, völlig losgelöst und getrennt von der „wirklichen Welt“. Anders als Gierkes reale Verbandsperson geht sie nicht aus einem menschlichen Verband hervor und wohnt ihm deshalb auch nicht inne. Die Stiftung, allgemein die Anstalt, ist daher die juristische 39 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 8 II 1 (S. 186) (Zitat). 40 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 825 (Zitat). 41 Reuter, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, vor § 21 Rn. 2. 42 Weick, in: Staudinger, BGB, 2005, Einleitung zu §§ 21 ff. Rn. 8.
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Schlussbetrachtung
Person „in Reinkultur“.43 Demgemäß entsteht die juristische Person des BGB auch erst mit ihrer Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit, ist der staatliche Akt für das „Dasein“ der juristischen Person im BGB „konstitutiv“ und nicht, wie bei der Verbandsperson, bloß „deklarativ“. Damit die Gesamthandsfigur des BGB nicht einem monistischen Ansatz weichen musste, der, wie gesagt, in jeder Mehrheit von Menschen sofort und ausschließlich eine juristische Person sieht, war der Gegenstand der Arbeit um den der juristischen Person zu erweitern. Dass der staatliche Akt für die heute ganz h. M. nur noch „deklarativ“ ist, die juristische Person des BGB also nicht erst mit ihrer Eintragung oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit „da“ ist, „nicht einen Augenblick früher“,44 sondern auch schon zuvor, zeigte sich an dem, wie die h. M. Vorgesellschaft und nichtrechtsfähigen Verein i. S. des § 54 BGB auffasste: als Rechtsgebilde, die auch schon vor ihrer Eintragung rechtsfähig und insofern juristische Personen sind. Es galt daher zunächst einmal zu erkennen, dass die Vorgesellschaft als eine „werdende juristische Person“ dem „Vorleben“ einer Verbandsperson vor ihrer „Geburt“ nachgebildet ist.45 Da die juristische Person des BGB nun aber nicht Gierkes Verbandsperson, sondern die juristische Person Savignys, nicht corpus, sondern universitas war, musste dargelegt werden, dass die deutsche Gesamthandsfigur als Vorgesellschaft die Aufgabe übernimmt, das Vorleben einer realen Verbandsperson nachzuahmen, um so der juristischen Person des BGB das Vorleben zu verschaffen, das ihr an sich als einer „fingierten Person“ nicht zukommt, das positive Recht ihr aber dennoch zuschreibt. Auf diese Weise zeigte sich, dass die juristische Person als Vorgesellschaft sehr wohl ein „Vorleben“ haben und doch erst mit ihrer Eintragung zur Entstehung gelangen kann, der staatliche Akt also durchaus „konstitutiv“ ist. Dafür muss aber die Gesamthand als Rechtsfigur im geltenden Recht und deshalb der Dualismus von germanistischer Gesamthand und romanistischer juristischer Person erhalten bleiben. Allein so bleibt auch die juristische Person des BGB das, was sie ist: ein „ideales Ganzes“ (Savigny), das das Recht nicht bloß erfasst, sondern als juristische Person, als eine universitas, erst erschafft. Nur dann kann die Rechtsfigur der juristischen Person auch die Stiftung des BGB als eine Anstalt mitumfassen und damit gleichermaßen für „Verein“ und „Stiftung“ die „juristische Person“ des BGB sein (so „Titel 2. Juristische Personen“, der „Vereine“ und „Stiftungen“ als Untertitel 1 und 2 umfasst). Damit die Eintragung der juristischen Person stets ihren konstitutiven Charakter vollumfänglich bewahrt, war außerdem nachzuweisen, dass der nichtrechtsfähige Verein, anders als es die h. M. heute jedoch annimmt, in der 43
Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 233.
44 Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 200 Anm. I a) (S. 100) (Zitat). 45 Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, 1895, S. 486 (Zitate).
D. Der unverzichtbare Dualismus von Gesamthand und juristischer Person
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Tat kein Rechtssubjekt ist, sondern eine Gesellschaft, eine Gesamthand (§ 54 Satz 1 BGB). Nur so kann § 54 BGB seine „Druckfunktion“ voll entfalten, ist es doch in der Gegenwart selbst den Vereinen, die (sozial-) politische oder religiöse Ziele verfolgen, bedenkenlos möglich, sich in das Vereinsregister eintragen zu lassen (e. V.) und dadurch „Rechtsfähigkeit“, die Eigenschaft also, eine juristische Person zu sein, zu erlangen (§ 21 BGB). Sehen jene Vereine dennoch davon ab und bleiben sie insofern ganz bewusst ein nichtrechtsfähiger Verein (§ 54 BGB), ist das heutzutage deshalb nur noch „ein Ausdruck freier Rechtsformwahl“.46 Ein derogatives Gewohnheitsrecht, das den Verweis in § 54 Satz 1 BGB außer Kraft setzen könnte, gibt es, spätestens in der Gegenwart, nicht mehr („cessante ratione legis cessat lex ipsa“). Wenn die Gesamthandsfigur im BGB daher weder „funktionslos“ noch „überflüssig geworden“ ist,47 es sich bei ihr vielmehr um einen unerlässlichen Baustein des positiven Rechts handelt, ist am Dualismus von Gesamthand und juristischer Person auch zukünftig festzuhalten und damit die Geschichte der Gesamthand noch längst nicht an ihrem Ende angelangt.48 Auch das zweite Ziel dieser Arbeit, den Wert der Gesamthandsfigur Gierkes de lege lata, aber auch de lege ferenda aufzuzeigen, ist auf diese Weise erreicht. Eine wirkliche, „grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts“, die die Gesellschaft selbst zum alleinigen Rechtssubjekt umgestaltete, wie es die ganz h. M. als Gruppenlehre fordert, empfiehlt sich demzufolge nicht, ja sie verbietet sich für alle, die nicht bloß an der Gesamthandsfigur im BGB festhalten wollen, sondern auch an Savignys Konzeption der „juristischen Person“, so wie sie im BGB, aber auch darüber hinaus geltendes Recht geworden ist und sich damit insofern gegen „Gierkes Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit“ hat „durchsetzen können“.49 Wer demgegenüber, wie die heute ganz h. M., aus der Gesamthand des BGB ein Rechtssubjekt machen will, formt sie zu Gierkes Verbandsperson, zu einer germanistischen juristischen Person, um und verwischt dadurch die Grenze zwischen Personengesellschaft und juristischer Person, was am Ende nicht nur zur Aufgabe der Gesamthand, sondern auch der juristischen Person Savignys führte. Das Einheitsmodell einer juristischen Person des BGB, das auch die Personengesellschaften umfasste, wäre dann die so heftig von der h. M. bekämpfte reale Verbandsperson Gierkes und bedeutete eine geradezu tiefgreifende Umwandlung des geltenden Rechts (und nicht nur des BGB). Demgemäß sind allenfalls behutsame, klarstellende Änderungen im BGB, insbesondere in den §§ 705–740 BGB angezeigt, vor allem um den Gesamthandsbegriff des geltenden Rechts auch im Gesetz selbst sichtbar zu ma46 Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 76. 47 So aber Raiser, in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 486. 48 49
A. A. Raiser, in: FS Zöllner, 1998, S. 469, 486. Meder, Doppelte Körper im Recht, 2015, S. 43.
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Schlussbetrachtung
chen. Dazu gehört ganz besonders das Nebeneinander von „deutscher Gesellschaft“ (als Gesamthand) und societas als den beiden Erscheinungsformen der „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“. Dafür wäre es sinnvoll, beide in den „Vorschriften über die Gesellschaft“ jeweils für sich zu erfassen und dadurch voneinander abzugrenzen.50 Soll die Außen-GbR („deutsche Gesellschaft“) ebenso wie eine OHG oder KG dazu fähig sein, in sämtlichen Angelegenheiten unter einem gemeinschaftlichen Namen („unter ihrer Firma“) im Rechtsverkehr aufzutreten, darunter also auch, „Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben“ (vgl. § 124 Abs. 1 HGB), ist ihr eine „fakultative Registereintragung“ zu ermöglichen.51 Eine kollektive Rechtsfähigkeit kommt der Außen-GbR als Gesamthandsgemeinschaft dagegen schon von selbst (ipso iure) zu, bedarf deswegen auch nicht der Eintragung und sollte daher, ebenso wie bei einer OHG oder KG (§ 123 Abs. 2 HGB), von einer solchen, anderenfalls dann doch konstitutiven Registereintragung auch nicht abhängig gemacht werden.52
50 So auch Deutscher Juristentag e. V., Beschlüsse des 71. Deutschen Juristentages Essen 2016, S. 22: „Die Rechtsfähigkeit und die Abgrenzung von Außen- und Innengesellschaft sollte gesetzlich geregelt werden.“ (angenommen 44:3:3). 51 Deutscher Juristentag e. V., Beschlüsse des 71. Deutschen Juristentages Essen 2016, S. 22: „Es sollte – insbesondere im Interesse des Gutglaubensschutzes – eine fakultative Registereintragung ermöglicht werden.“ (angenommen 48:1:3). 52 Der 71. Deutsche Juristentag hat es mit überwiegender Mehrheit abgelehnt, die Rechtsfähigkeit der BGB‑Gesellschaft von ihrer Eintragung in einem erst noch zu schaffenden öffentlichen GbR‑Register abhängig zu machen (Deutscher Juristentag e. V., Beschlüsse des 71. Deutschen Juristentages Essen 2016, S. 22: abgelehnt 11:35:5).
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Personen- und Sachverzeichnis Abwachsung 159–160, 294, 296, 304 actio pro socio 417, 424 (mit Fn. 61), 425, 444 agere per alios 220–221, 228, 230, 234, 239, 358, 370, 373, 376–377, 388 Fn. 129, 393 Fn. 152, 395 Fn. 157, 400, 403–404, 452, 467, 471, 473, 477–478, 485, 497, 500 agere per se 219–220, 228–229, 231, 234, 241, 357, 360, 374, 376–378, 387, 393 Fn. 152, 400, 403–406, 452, 467, 471, 477–478, 485, 498, 500–501, 558, 600 Aktiengesellschaft 105, 380 Fn. 93, 484, 490, 491–492, 500, 504, 520, 522–523, 535, 581–585, 612 Akzessorietät 60–61 (mit Fn. 81), 64–67, 68, 245–246, 315 Fn. 131, 317–319 (mit Fn. 149), 325, 326, 333–334, 335, 425– 428, 435, 458, 580, 601, 628 allgemeiner Wille siehe volonté générale amour de soi (Selbstliebe) 76, 77 Fn. 160, 383 (mit Fn. 108) amour-propre (Selbstsucht) 77 (mit Fn. 160), 383 Fn. 108 Amt siehe Kompetenz Anleger 105 Anstalt 25, 34, 118 Fn. 7, 121, 123–126, 216, 234, 359, 377–378, 403–405, 469– 474, 479–486, 497–500, 573–575, 631– 634 Anwachsung 90, 102, 159–160, 258, 263, 273, 287–288, 293–300, 448, 450 Attribut siehe modus Aufgabenkreis siehe Kompetenz Auflösung der Gesellschaft 291–292, 296, 298–299, 401, 429–434, 436, 438, 495, 597, 614 Aufsichtsrat 391, 486, 581–586
Auseinandersetzung 83, 253–254, 292 Fn. 61, 296, 302, 337, 351 Fn. 282, 401, 427, 429–434, 434–437, 495, 532 Fn. 216, 597, 614 Außengesellschaft 101, 110, 264 Fn. 51, 265–270, 273–274, 399–400, 624 Außenhaftung 482, 490, 520–529, 548, 582–583 Autonomie 503 Fn. 103, 505–507, 508– 510 (mit Fn. 125), 513–515, 517–519 Behrends, Okko 69, 187 Beseler, Georg 11 Fn. 21, 31 Fn. 112, 34 Fn. 129, 118 Fn. 8, 119–120 (mit Fn. 11), 153 Fn. 171, 173, 216–217, 251, 275 Besitz – gemeinschaftlicher Besitz siehe gesamthänderischer Mitbesitz – Gemeinschaftsbesitz siehe gesamt händerischer Mitbesitz – gesamthänderischer Mitbesitz 368, 370–373 – schlichter Mitbesitz 370 Brecher, Fritz 15 Fn. 32, 22 Fn. 74, 25 Fn. 94, 26 Fn. 96, 34 Fn. 126, 168 Fn. 222, 193–194, 324 Fn. 171, 315 Fn. 173, 536 Fn. 229 causa 97, 98, 100, 103, 107, 341, 346 Fn. 255, 348, 356, 365, 411, 460, 618 communio 246–247, 253, 255, 267–269, 276, 280–284, 286–288, 288–292 (mit Fn. 61), 367 Fn. 39, 423, 429, 432–434, 447, 627 consortium 328 corporation sole 535 Fn. 225 und 226 corps – corps moral et collectif 75–76 (mit
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Personen- und Sachverzeichnis
Fn. 152 und 153), 79–80 (mit Fn. 170), 361 Fn. 18, 374 Fn. 74, 378 Fn. 87, 480 Fn. 10, 506 Fn. 111, 511 (mit Fn. 133), 621 – corps politique 75, 78, 506 Fn. 111, 621 corpus – corpus ex distantibus 18–20, 47–59, 63–64, 68–73, 74–81, 148–150, 185– 188, 202–205, 227–228, 374–376, 465– 467, 511 mit Fn. 134, 619–622 – corpus mysticum 76 Fn. 154, 124, 374– 376 (mit Fn. 77), 451, 480, 507, 511, 535 Dauerverein 579–581, 587–588, 605 Delikt 171, 221–222 (mit Fn. 195), 301 mit Fn. 84, 363–365, 388, 393–395, 402– 403, 439, 444, 453–454, 499, 599 deutsche Gesellschaft 82 Fn. 180, 110– 112, 255, 260, 262–265, 270, 273–274, 400, 411–412, 461, 529, 626, 634 Differenzhaftung siehe Vorbelastungshaftung Differenzprinzip 15, 35, 69 Fn. 115, 133, 180, 185, 187 Fn. 22, 191, 198, 224, 230 dominium plurium in solidum 280–281 (mit Fn. 16 und 17), 284–286, 287–289, 293, 295, 352 Druckfunktion 582, 584, 585–587, 633 Eigenhandeln siehe agere per se Einheit – gedankliche Einheit siehe universitas – ideale Einheit siehe universitas – immanente Einheit 18–20, 22–26, 33–37 (mit Fn. 127), 134 Fn. 83, 631 – kollektive Einheit 76, 82, 242–246 (mit Fn. 37), 329, 332–333, 351 Fn. 279, 389– 392, 410, 440 – körperliche Einheit 19, 47–55, 204, 228, 232–233 – unsinnliche Einheit siehe universitas Einzelwillen siehe volonté particulière entia moralia 15, 35–36, 70 Fn. 122, 73– 74, 140–157, 200–202, 374, 619–620 entia physica 15, 23–26, 35, 55–59, 140– 157, 200–202, 214, 217, 374, 619–620, 623–624 Erbengemeinschaft 1, 81–82, 83 mit
Fn. 183, 174, 292 Fn. 61, 341 Fn. 227, 351–352 (mit Fn. 282), 450–451 (mit Fn. 10) Erfüllungstheorie 333 fictio iuris 221, 229, 234–235, 239, 370– 371, 377–378, 388 Fn. 129, 393 Fn. 152, 395 Fn. 157, 403–406, 451–454, 477– 478, 479, 497–499, 525–526 Flume, Werner 7–9 (mit Fn. 7 und 8), 17–26, 36, 42 Fn. 12, 60, 62–64, 82, 97, 106, 117–121, 123, 126–127, 136–137, 152–153, 162, 179 (mit Fn. 269), 183– 184, 217, 251, 256, 264 Fn. 51 und 52, 289 Fn. 50, 328 Fn. 188, 338 Fn. 220, 342, 394 Fn. 155, 400 Fn. 176, 406 Fn. 202, 423 Fn. 56, 437 Fn. 82, 448, 454 Fn. 20, 466, 481 Fn. 13, 490, 509 Fn. 126, 543 Fn. 263, 550 Fn. 290, 575, 610, 617–618 Fremdorganschaft 403–406, 582, 588 Ganerben 328 Ganzes – ideales Ganzes 18 mit Fn. 44, 23, 34 mit Fn. 128, 69 mit Fn. 115, 188–189 (mit Fn. 27), 206–208 (mit Fn. 117), 215–217, 221, 222–223, 224–225, 511 Fn. 134, 624, 632 – reales Ganzes 18, 34, 35, 147 – soziales Ganzes 46, 75 Fn. 148, 210, 215, 227, 230, 511 Fn. 133, 513, 535, 621 gegenseitiger Vertrag 89, 412–413, 455, 523 gemeinsamer status 8, 16, 36, 147–148, 151–157, 158–159, 164–167, 278, 330– 333, 335–336, 411, 431–432, 440–441, 628–629 Gemeinschaft nach Bruchteilen siehe communio gemeinschaftliche Firma 40–41, 98, 99 mit Fn. 257, 160–161, 163–164, 273, 329 mit Fn. 196, 332–333, 350–352, 421, 451, 459–461, 605, 627, 634 gemeinschaftlicher Name 41, 84, 85, 88, 98, 99, 103, 160–161, 163, 329, 332, 350–352, 364, 367, 421, 459–461, 605, 627, 634
Personen- und Sachverzeichnis
gemeinschaftliches Vermögen 82–84, 87, 89, 101, 139, 167, 178, 244, 256, 258, 263, 278, 289, 291–292, 321 Gemeinschaftsgefühl siehe l’esprit social Gemeinschaftswille siehe volonté de tous Gemeinsphäre 46, 152–153, 165, 411, 417, 624–625 Gemeinwille siehe volonté générale Gemeinwohl 77 Fn. 156, 78, 226, 240– 241, 378–384, 505–507, 621 Genossenschaft 1–2, 11 Fn. 21, 12 Fn. 23, 13 Fn. 25, 18, 36, 82, 112, 118 Fn. 7 und 8, 119 Fn. 11, 124, 127–136, 165, 172– 174, 174–181, 224, 608, 619 Genossenschaftstheorie 12 Fn. 23, 13 Fn. 25, 119 Germanisten 22, 25, 30–37, 110, 183–190, 232–235 Gesamtbeschaffenheit 47–55, 79, 178, 228, 231, 245, 331, 335, 355, 440, 496, 620, 628–631 Gesamteigenschaft, individuelle 331, 336, 355 Gesamteigentum 280 Fn. 16, 281 Fn. 17, 289 Fn. 50 gesamthänderisches Eigentum 342, 344, 349 Gesamtkörper siehe corpus ex distantibus Gesamtkörperschaft siehe corps moral et collectif Gesamtperson 76, 79–80, 131, 135, 142, 147–151, 158, 330 Fn. 198, 350 Fn. 275 Gesamtpersönlichkeit siehe Verbandspersönlichkeit, reale Gesamtwille siehe volonté de tous Geschäftsführer 484–486, 492, 494, 497– 500, 540–542, 546, 581–586 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 491–493, 500, 504, 520, 522–524, 535, 581–586 Gesellschafterklage siehe actio pro socio Gesellschaftsregister 99–100 (mit Fn. 257), 334, 460–461 (mit Fn. 27), 634 (mit Fn. 51 und 52) Gesellschaftsvermögen siehe gemeinschaftliches Vermögen
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Gesellschaftsvertrag 89, 156–157, 253– 255, 360–363, 384–386, 396–398, 410– 413, 513–515 Gewohnheitsrecht 138, 507 Fn. 119, 518 mit Fn. 163, 570, 592–593, 604, 608, 609, 633 Grundbuch 96–101, 103, 107, 303, 340– 350, 543–544, 618, 627 Grundstück siehe Grundbuch Gütergemeinschaft, eheliche 2, 41, 82–83, 156, 174, 291 Fn. 60, 292 Fn. 61, 351– 352 (mit Fn. 282), 450–451 gutgläubiger Erwerb 96–101, 103, 340– 350, 460 Haftung – Gesellschafterhaftung 44, 59–67, 179 mit Fn. 269, 246, 333–336, 426 Fn. 64, 627–628, 630 – Handelndenhaftung 576, 579–588, 605 Handelsgeschäft 297–299, 324–327 (mit Fn. 185) Handelsregister 99, 298–300, 460–461, 484, 582–585 Hausgemeinschaft, fortgesetzte 328–329 (mit Fn. 193) Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 13 Fn. 25, 33 Fn. 122, 149 Fn. 153, 475 Fn. 50 ideales Wesen siehe ideales Ganzes Identität im Wechsel der Teile 53–55 (mit Fn. 56), 57–59, 129, 139–157, 178, 188 Fn. 27, 355 Identitätsrepräsentation 357 Fn. 3, 389– 398, 401–402, 498–499, 606 Immanenz 13 Fn. 25, 18–20, 22–26, 33– 37, 47–55, 68–81, 134 Fn. 83, 140, 180, 186, 215–216, 225, 361 Fn. 18, 364, 375 Fn. 74, 611, 619–621, 628–630 individualistische Gesamthandslehre 7, 62, 110, 261, 275–277, 279–304, 370 Innengesellschaft 33 Fn. 124, 262–270, 279, 398–401, 529, 532, 534 Fn. 223, 573 Fn. 32, 624, 634 Innenhaftung 481–482, 522–524, 525 mit Fn. 187, 527–529
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Personen- und Sachverzeichnis
Insolvenzverfahren 43, 526–529, 578– 579, 581, 594, 605 institutionelle Haftungsbeschränkung 600, 602 John, Uwe 220 Fn. 185, 472–473, 486 Fn. 25 Kant, Immanuel 243 Kaufmann 95–96, 168 Fn. 222, 324–327, 332 Kelsen, Hans 190 mit Fn. 33, 193, 507 kollektive Gesamthandslehre 110, 277, 305–327, 329–330, 336, 353–354, 448– 450 Kommanditgesellschaft 64–67, 84, 92, 95–96, 99, 160–164, 168–169, 176 Fn. 259, 297–300, 313–315, 401–402, 421, 433–434, 526 Kompetenz 231, 387–389, 395, 397, 402, 405 Fn. 191 kondiktionsfest 96–101 (mit Fn. 243), 103, 107, 340–350, 618 Konfusion 417, 439, 441–442 (mit Fn. 93), 444, 457, 539–540, 545 Körperschaft 46, 74–81, 117–120, 122– 123, 127–139, 172–174, 373–386, 386– 392 l’esprit social 74–81 (mit Fn. 156), 511– 512, 621, 625 Materie, eigenschaftslose 48, 50–55, 57, 79, 178, 188 Fn. 27, 245, 331, 335, 337, 355, 440, 496, 628–629 Meder, Stephan 18 Fn. 44, 29 Fn. 108, 53 Fn. 56, 69 mit Fn. 115, 73 Fn. 142, 75 Fn. 152, 184 mit Fn. 6, 186, 187 mit Fn. 22, 193, 375 Fn. 77, 508 Fn. 125 Mehrheitsentscheidung 363, 380–386 (mit Fn. 98), 595–596 Miteigentum 85–88, 218, 255, 263, 268, 280–284, 286–288, 398–401 Mitgliederwechsel 45–59, 83, 129–130, 135 Mitgliedschaft 131–133, 172 Fn. 246, 337, 384, 459, 505, 595 Fn. 115
Mitträger 56, 132, 155, 159, 167, 170, 173, 177–178, 243–245, 295–296, 299, 335, 397, 417, 423, 434, 443–445, 627 modus 24, 46–47, 56, 138, 140–151, 155, 166, 206, 225, 505 moralischer Körper siehe corps moral et collectif Naturrecht 140–151, 201, 280 Fn. 16 nomen iuris siehe Rechtsbegriff objektives Schuldverhältnis 538–544 offene Handelsgesellschaft 21–22, 39–43, 59–60 (mit Fn. 75), 64–65, 84, 160–161, 168–172, 317–319, 332, 350–352 Organ 357–359, 363, 373–374, 376–377, 379 Fn. 88, 386–392, 401–406, 406– 408, 452–454, 477–478, 497–500 Organisationsvertrag 410–412, 501–503, 513–515 Organmitglied 387–389, 391, 406, 474, 586, 588 Organperson siehe Organmitglied Organschaft siehe Organ Organtheorie 406, 477 Organwalter siehe Organmitglied Parteifähigkeit 162, 351, 421–425, 578 Person – Einzelperson 122, 140–142, 198–202, 225 – fingierte Person 18 Fn. 44, 23–26, 71, 185, 189 mit Fn. 29, 210–219, 405, 622, 624, 631–632 – juristische Person siehe fingierte Person – natürliche Person 91–95, 190 Fn. 33, 192–200, 198, 211, 225, 339–340, 376, 473 – physische Person siehe natürliche Person – Rechtsperson 62, 134, 138, 193, 472– 473 – wirkliche Person 24, 69, 71, 122, 200, 202–205, 214–215, 225–230, 620, 622 persona moralis – persona moralis composita 141, 142, 147–148, 161, 176, 181, 201, 202 mit
Personen- und Sachverzeichnis
Fn. 97, 242, 244, 441, 462, 537, 549, 623, 625 – persona moralis simplex 74, 141, 142, 147, 148 Fn. 149, 197 Fn. 68, 201 Personeneinheit 13, 16, 57, 82, 90 Fn. 207, 120, 139–140, 148, 152–153, 155–156, 160–174, 264, 331, 336, 357, 395, 396 Fn. 161, 411, 416 Personengemeinschaft 11 Fn. 21, 83, 84, 88–89, 140–160, 164–167, 255, 261, 267, 278, 327–352, 400–401, 429, 626 Personenmehrheit 13–17, 18, 41, 95, 120– 121, 152–153, 156–158, 164–174, 242, 396 Fn. 161, 450 Fn. 10 Persönlichkeit 24, 70–72, 124–125, 137– 139, 141, 148–153, 155–156, 157–158, 166, 167–170, 179, 191, 199, 621 politischer Körper siehe corps politique Privatautonomie 505, 508–510 (mit Fn. 125), 513, 515, 517–520 Pufendorf, Samuel 2, 15–16, 17, 20, 23– 24, 34–36, 57, 59, 73–74, 140–151, 154, 180–181, 185, 197 Fn. 68, 200–202, 440–441, 619–620, 623 Radbruch, Gustav 193 Raiser, Thomas 11 Fn. 21, 26–27, 238, 462, 470 Fn. 29, 615–616, 633 Rawls, John 381 Fn. 97, 382 Fn. 105 Recht der Persönlichkeit 24, 138–139, 166 Rechtsbegriff 24–26, 45, 70, 126, 137, 185, 191, 193, 197–200, 205, 215–217, 232– 235, 358, 369, 377–378, 483, 497–498, 553–554 Rechtsfiktion siehe fictio iuris Rechtsgeschäft 259–260, 340, 410, 439, 484, 503, 504 Fn. 107, 518–519, 537 Rechtsgrund siehe causa Rechtshandlung 270, 279, 365–366, 388 Fn. 128, 392–401, 453, 472, 494 Rechtsschein 311 mit Fn. 118, 346, 366, 586 Relation des Ganzen zu seinen Teilen siehe Immanenz res incorporalis 69 mit Fn. 115, 70 Fn. 122, 112, 186–190, 207, 209, 211 mit Fn. 144, 217–219, 222, 232–235, 239–240, 377, 453, 511 Fn. 134, 622, 624, 631
665
Reuter, Dieter 123 Fn. 35, 422 Fn. 54, 493, 505 Fn. 110, 559, 604–605, 614 Richtigkeitsvermutung 380–384 (mit Fn. 98) Rittner, Fritz 25, 28 mit Fn. 103, 34, 112, 121, 240, 403, 474–476, 480, 483, 487 Fn. 30, 490 Fn. 56, 499 Fn. 86, 553, 562 Romanisten 2, 18, 22–26, 30–37, 68 mit Fn. 113, 71, 112, 181, 183–190, 232–235, 238, 619, 622, 631–634 römische Gesellschaft siehe societas Rousseau, Jean-Jacques 74–81, 361 Fn. 18, 374 Fn. 74, 378–384, 505–507, 510–513, 620–621 Samtsphäre siehe Gemeinsphäre Satzung 386, 500–520, 529–534, 536–537, 568, 593–596 Schäfer, Carsten 21, 62, 102 Schäfer, Frank 31–32, 118 Fn. 8 Schleier des Nichtwissens 381 Fn. 97, 382 Fn. 105 Schmidt, Karsten 9–10 (mit Fn. 19), 21– 22, 65, 91, 101, 273, 318, 477, 490, 568, 574 Selbstorganschaft 338 mit Fn. 220, 358, 373–374, 407 Fn. 204, 459, 498, 594 Sicherungsfunktion 582, 585 skeptische Akademie 53 Fn. 56, 69 mit Fn. 115, 70 Fn. 122, 185–190 (mit Fn. 22, 24, 27), 233–234, 511 Fn. 134 societas 11–12, 33 Fn. 124, 178, 243, 251–258, 262–270, 275–276, 279, 301–304, 389–390, 398–401, 624, 626–627, 634 Sondersphäre 165, 417 Sondervermögen 22 Fn. 74, 88, 98 mit Fn. 251, 161–164, 261, 277 Fn. 3, 300 mit Fn. 81, 301–305, 327 mit Fn. 187, 538–550, 552–553, 597 Sonderwillen siehe volonté particulière sozialer Körper 218, 223, 375–376, 451, 507 soziale Realität 70, 71, 206, 208–209, 210, 211–213, 215–217, 239–240, 470, 484, 512, 519, 557, 622 spatium 142–146, 154, 166, 330
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Personen- und Sachverzeichnis
Stoa 47–55, 57–59, 68–81, 140, 185–190, 202–205, 209, 240, 361 Fn. 18, 511 Fn. 134 Substrat 18, 20, 24–25, 47–55, 70, 122– 123, 147, 150, 194, 198, 199, 201, 205, 374, 377, 467–476, 504, 518–519, 535 mit Fn. 225, 553–557 Synallagma 412–413, 455, 523 tatsächliche Unterlage siehe Substrat Träger siehe Substrat transitorischer Charakter 493, 494–497, 500, 515, 517, 525, 526, 531, 532–534, 542–544, 559, 582, 614 Trennungsprinzip 217–219 (mit Fn. 176), 230 Ulmer, Peter 8 Fn. 8, 21 mit Fn. 67 und 69, 37 mit Fn. 136 unerlaubte Handlung siehe Delikt universitas 12 mit Fn. 22, 69 mit Fn. 115, 70 Fn. 122, 112, 186 Fn. 21, 187 mit Fn. 21 und 22, 188 Fn. 24, 189 mit Fn. 28, 206–209, 211–213 (mit Fn. 144), 377–378, 465–467, 469–474, 511 Fn. 134, 624–625, 631–634 Verbandspersönlichkeit, reale 27 Fn. 99, 46, 124, 126, 136–139, 150, 205 mit Fn. 110 und 112, 470–471, 476–478, 570, 575, 633 Verfassung 229–230, 231, 357–358, 386– 387, 391, 500–520, 536–537 Vermögensfähigkeit 196, 209–211, 468 Vermögensgemeinschaft 83, 157–160, 167–172, 255, 258–262, 267, 278, 305, 327–330, 416, 429 Vertretertheorie 406 Vielheit 13–17, 18–20, 22–26, 30–37, 41, 45–46, 58, 69 Fn. 115, 87, 94, 127–133, 135, 147, 151, 187 Fn. 22, 222–225, 229–230, 254–255, 279, 328, 333, 360–361, 402–403, 410, 438–439, 623–624 volonté de tous 74–81 (mit Fn. 156), 241, 361–362 (mit Fn. 18), 378 mit Fn. 87, 380 mit Fn. 95, 500, 503, 511–512, 625
volonté générale 74–81 (mit Fn. 156), 148–150, 225–226, 229–230, 240–242, 378–384, 505–510, 536, 620–621, 625 volonté particulière 77 Fn. 158, 226, 380– 384 (mit Fn. 105), 511–512, 536 Vorbelastungshaftung 522–529 vorläufige Rechtsfähigkeit 490 Fn. 56, 491 mit Fn. 62, 548, 559 Vorstand 387, 391, 403–406, 477–478, 485–486, 497–500, 540–542, 581–588 Vorstiftung siehe werdende Stiftung Vorverein 484, 492, 581–588 Weber, Max 193 Welt – Erscheinungswelt siehe sinnlich wahrnehmbare Welt – ideale Welt siehe Welt des Rechts – intelligible Welt siehe Welt des Rechts – Körperwelt siehe sinnlich wahrnehmbare Welt – moralische Welt siehe Welt des Rechts – noumenale Welt siehe Welt des Rechts – phänomenale Welt siehe sinnlich wahrnehmbare Welt – sinnlich erfahrbare Welt siehe sinnlich wahrnehmbare Welt – sinnlich wahrnehmbare Welt 15, 23–26, 35, 47–59, 122–123, 127–128, 140–151, 191–192, 200–205, 229–230, 232–235, 376–377, 619–620, 624–625, 629–630 – Tatsachenwelt siehe sinnlich wahrnehmbare Welt – Welt des Rechts 15–16, 24–26, 35, 56–59, 65, 70 Fn. 122, 71, 140–157, 166, 190–192, 197–200, 200–205, 217–219, 222–231, 330–333, 376–378, 515, 518, 529, 570–571, 619–620 werdende Stiftung 550–557, 562 Wiedemann, Herbert 468–469 Wille Aller siehe volonté de tous Wirklichkeit 24, 27 Fn. 101, 35, 137, 140– 142, 184, 190–200, 205, 225, 374–376 zusammengesetzte Person 19, 25, 57, 74, 122, 123–126, 147, 161, 222–225, 229, 241, 575, 625
Personen- und Sachverzeichnis
Zwangsvollstreckung 161–164, 253, 256, 258, 286–288, 323, 351, 367, 578 Zweck – Abwicklungszweck 430–431 – gemeinsamer Zweck 83, 253, 256–257, 258, 260, 269, 271, 362–364, 372–373, 385–386, 412–413, 415, 430–432, 434, 492–497, 514–515, 523, 525–526 – ideeller Zweck 93–94, 339, 355, 588, 592, 602, 609
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– Gesellschaftszweck siehe gemeinsamer Zweck – wirtschaftlicher Zweck 339 mit Fn. 222, 577, 587 – Zweckänderung 429–432, 496 – Zweckbindung 86, 542–545 – Zweckverfolgung 157, 257, 258, 271, 362, 364, 592, 601-604