Gesamthand und Gesellschaft: Geschichte einer Begegnung 9783161541773, 9783161541766

Die besonderen Merkmale heutiger Gesamthandgemeinschaften sind auf den altdeutschen Gesamthandgedanken zurückzuführen -

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
1. Teil: Gesellschaft und Gesamthand vor ihrer Begegnung
1. Kapitel. Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: Verselbständigungsmerkmale in historischen Gesellschaftsformen
§ 1. Die Grundlagen des römischen Rechts
I. Die altrömische societas ercto non cito
II. Personenzusammenschlüsse der klassischen römischen Rechtswissenschaft
1) Communio und societas
a) Die communio
b) Die societas
aa) Das individualistische Konzept der societas
bb) Ansätze einer Verselbständigung der societas?
2) Die Korporation
a) Die tatbestandlichen Gründungsvoraussetzungen der Korporationen
b) Die rechtliche Ausstattung der Korporationen
c) Die Korporation als juristische Person oder als Gesamthand?
§ 2. Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
I. Das Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse
1) Mittelalterliche Quellen
a) Quellen zur italienischen commenda
b) Der fehlende direkte Zugriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen bei Paulus de Castro (Anfang 15. Jahrhundert)
2) Neuzeitliche Quellen
a) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger im italienischen Handelsrecht
aa) Das genuesische Gesellschaftsrecht (16. Jahrhundert)
bb) Italienische Autoren
b) Impulse iberischer Autoren aus dem 17. Jahrhundert
aa) Francisco Salgado de Somoza
bb) Juan Pedro Fontanella
c) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger im französischen Ancien droit
aa) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der Rechtsprechung der Parlamentshöfe
bb) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der französischen Literatur bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
cc) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der Gesellschaftsvertragspraxis
II. Gesellschafter und Gesellschaft als separate Aufrechnungsadressaten
1) Gelehrte Quellen des Mittelalters zur Aufrechnung gegenüber Studentenbursen
a) Jacobus de Ravanis’ Aufrechnungsverbot durch Zweckwidmung bestimmter Vermögensgüter
b) Baldus de Ubaldis’ Identifizierung separater Aufrechnungsadressaten
2) Neuzeitliche Entwicklungen zur Aufrechnung gegenüber Handelsgesellschaften
§ 3. Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht bis zum Ende des Usus modernus
I. Rechtliche Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht des Mittelalters?
II. Die Verselbständigung der Gesellschaft als weithin ignorierte Idee in frühneuzeitlichen Quellen
1) Das Schweigen statutarischer Quellen
2) Das Schweigen in Deutschland tätiger Autoren
3) Gesellschaften mit Merkmalen einer faktischen Verselbständigung?
III. Ansätze einer Verselbständigung der Gesellschaft in deutschen Quellen
1) Literaturstimmen zum Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse
a) Johann Michael Beuther (ca. 1600)
b) Die bevorzugte Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen als Diskussionsthema im Usus modernus
aa) Autoren des 17. Jahrhunderts
bb) Autoren bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts
2) Naturrechtliche Ansätze der Personifizierung der Gesellschaft
a) Entstehung und Entwicklung der naturrechtlichen Lehre der persona moralis
aa) Entia moralia und personae morales compositae bei Pufendorf
bb) Societas und persona moralis bei Wolff und Nettelbladt
b) Der Begriff der juristischen Person weniger ein Produkt der naturrechtlichen persona moralis als der gemeinrechtlichen universitas?
IV. Rezeption der Verselbständigungsansätze in der Gesetzgebung
1) Die Hamburger Fallitenordnung (1753)
2) Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756)
3) Die preußischen Kodifikationen
a) Das PrALR (1794)
aa) Ansätze einer Personifizierung in den Gesetzesmaterialien
bb) Gesellschaften zum Zwecke des Gemeinwohls, insbesondere Erlaubte Privatgesellschaften
cc) „Besondere“ Gesellschaften und Handelsgesellschaften
dd) Haltung der frühen preußischen Literatur zum PrALG
b) Die Allgemeine Gerichts-Ordnung (1793/95)
aa) Die Handelsgesellschaft als parteifähiges Subjekt?
bb) Das Separationsrecht der Gesellschaftsgläubiger
4) Die französischen Kodifikationen und ihre Nachbildungen
a) Der Code civil
b) Der Code de commerce
c) Das Badische Landrecht
5) Die österreichischen Kodifikationen bis zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1811)
a) Der Codex Theresianus (1766)
b) Das Westgalizische Gesetzbuch (1797)
c) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811)
§ 4. Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht des 19. Jahrhunderts
I. Gesellschaftsrechtliche Verselbständigungsmerkmale bis Einführung des ADHGB
1) Die Anerkennung von Gläubigerprivilegien als Grundlage einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens
2) Die Diskussion über die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft
a) Die Wegbereiter der Handelsgesellschaft als juristische Person
aa) Frühe Stimmen zugunsten einer Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften
bb) Gelpckes Plädoyer für die Handelsgesellschaft als juristische Person (1852)
cc) Die Anerkennung der Persönlichkeit französischer Handelsgesellschaften
b) Rezeption der Idee der eigenen Persönlichkeit von Handelsgesellschaften in der deutschen Literatur
aa) Die Diskussion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
bb) Die Diskussion unter dem Eindruck Gelpckes Plädoyer
cc) Bluntschlis Idee der Vermögensverschiedenheit als Kompromisslösung?
3) Die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften in der Rechtsprechung
4) Die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften in Entwürfen und Gesetzen
a) Frühere Entwürfe
aa) Der Entwurf eines württembergischen HGB (1839)
bb) Der Frankfurter Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (1849)
b) Die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft in der preußischen Konkursordnung von 1855
II. Die verselbständigte OHG im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch
1) Die OHG als juristische Person im preußischen Entwurf von 1857
2) Die OHG in den Beratungen zum ADHGB
a) Die Ablehnung der eigenen Rechts- und Parteifähigkeit der OHG
b) Die Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse
c) Einführung der Anwachsungslösung bei Ausscheiden von Gesellschaftern?
d) Das Gesellschaftsrecht des ADHGB und seine Ratifikation in Preußen
3) Das Handelsgesellschaftsrecht des ADHGB in Literatur und Rechtsprechung
a) Die Frage der Subjektivierung der OHG
aa) Die Diskussion im Schrifttum
bb) Die Entwicklung in der Rechtsprechung
b) Die Frage des Vermögens der OHG
III. Merkmale der Verselbständigung „herkömmlicher“ Gesellschaften
1) „Herkömmliche“ Gesellschaften und besondere parteifähige Vereinigungen
2) Entwicklung in Literatur und Rechtsprechung
a) Die französische société civile als Vorbild?
b) Die Entwicklung bei deutschen Autoren und Gerichten
3) Die bürgerlichrechtliche Gesellschaft in den neuen Kodifikationen und Entwürfen
a) Die BGB-Entwürfe und Kodifikationen der Länder
aa) Der Hessische Entwurf (1842–1853)
bb) Der Bayerische Entwurf (1861–1864)
cc) Das sächsische BGB von 1865
b) Der Dresdner Entwurf von 1866
aa) Einsetzung und Vorgehensweise der Dresdner Kommission
bb) Die „Gemeine Gesellschaft“ (Art. 769 ff. DrsdE)
cc) Die Collectivgesellschaften
2. Kapitel. Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: alte Figuren der gesamten Hand
§ 1. Anfänge des Begriffs der gesamten Hand
I. Abwesenheit von Quellen zur gesamten Hand aus der Antike und dem frühen Mittelalter
II. Frühe Quellen
III. Die Bedeutungsvielfalt der Bezeichnung „gesamte Hand“ in alten Quellen
§ 2. Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850)
I. Die „gesamte Hand“ des Lehnrechtsbuchs des Sachsenspiegels
1) Verwendung des Begriffs „mit gesamter Hand“
2) Die rechtliche Regelung der Belehnung mit gesamter Hand im Lehnrechtsbuch
II. Verbreitung und Weiterentwicklung des Begriffs der gesamten Hand im mittelalterlichen Lehnrecht
III. Die neuzeitliche Entwicklung der gesamten Hand im Lehnrecht
1) Das sächsische Lehnrecht im 16. und 17. Jahrhundert
a) Bedeutung und Verbreitung der sächsischen gesamten Hand
b) Die sächsische gesamte Hand als Instrument der Lehnnachfolge
2) Die lehnrechtliche gesamte Hand im 18. und 19. Jahrhundert
3) Das Ende des Lehnrechts als positives Recht
§ 3. Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500)
I. Gebrauch des Begriffs im Mittelalter
1) Die schuldrechtliche gesamte Hand in den Quellen
2) Dogmatische Einordnung der schuldrechtlichen gesamten Hand
3) Ursprung und Verbreitung der schuldrechtlichen gesamten Hand
II. Das Ende des Begriffs in der Neuzeit
§ 4. Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung
I. Die gesamte Hand des fränkischen Eherechts (bis etwa 1500)
1) Die gesamte Hand im Bamberger Stadtrecht des 14. Jahrhunderts
a) Die betreffenden Vorschriften des Bamberger Stadtrechts
b) Bedeutung der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts
2) Die eherechtliche gesamte Hand in anderen Rechtstexten und in der weiteren Entwicklung
II. Eheliches Grundstückseigentum in gesamter Hand nach österreichischem Recht (bis 18. Jahrhundert)
1) Die österreichische gesamte Hand als Instrument der Ehegattenversorgung
2) Entwicklung und Niedergang der österreichischen gesamten Hand
Zusammenfassung des 1. Teils
2. Teil: Die Gestaltung der modernen Gesamthandtheorieund ihre Rolle im deutschen Gesellschaftsrecht bis 1900
1. Kapitel. Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie
§ 1. Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums
I. Entstehung und Verbreitung der Figur des dominium plurium in solidum bzw. des Gesamteigentums (1681 bis 1811)
1) Das eheliche Güterrecht als Nährboden des alternativen Verbandskonzepts des Justus Veracius
2) Herausbildung der Theorie des Gesamteigentums im 18. Jahrhundert
II. Diskussion und Niedergang der Figur des Gesamteigentums im 19. Jahrhundert
1) Die Kritik des Gesamteigentums Anfang des 19. Jahrhunderts
2) Das Gesamteigentum im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
3) Niedergang des Gesamteigentums im Einfluss der Genossenschaftstheorie
III. Die heutige Stellung der Figur des Gesamteigentums
§ 2. Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre
I. Die Genossenschaftslehre Beselers
1) Ansätze der Genossenschaftslehre in Beselers Schrift zu den Erbverträgen (1835)
2) Beselers ausgereifte Genossenschaftslehre
a) Universitas, Stiftung, Corporation und Genossenschaft als juristische Personen
b) Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit
II. Die Genossenschaftslehre Gierkes
1) Gierkes „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“ (1868)
2) Gierkes „Geschichte des deutschen Körperschaftsbegriffs“ (1873) und „Staats- und Korporationslehre“ (1881)
3) Gierkes „Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung“ (1887)
III. Das Vermächtnis der Genossenschaftslehre
1) Das Schicksal des germanistischen Genossenschaftsbegriffs
2) Wirkung der Genossenschaftslehre auf die Gesamthandlehre
2. Kapitel. Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs in der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts
§ 1. Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur
I. Die „gesamte Hand“ als Quellenzitat
1) Das Quellenstudium älterer Autoren
2) Die Untersuchung Zoepfls der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts (1839)
3) Homeyers Untersuchung der lehnrechtlichen gesamten Hand des Sachsenspiegels (1842)
II. Die Gesamthand als quellenunabhängiger Sammelbegriff der rechtsgeschichtlichen Wissenschaft
1) Die Gesamthand des alten fränkischen Ehegüterrechts
a) Die Ausgestaltung zum Begriff der alten fränkischen Güterrechtsfigur durch Euler (ab 1841)
aa) Eulers Studie zum „Güter- und Erbrechte der Ehegatten“
bb) Eulers nachfolgende Schriften
b) Die Rezeption von Eulers Begriffsbildung in der Literatur
2) Die historische schuldrechtliche gesamte Hand
a) Die Untersuchung der schuldrechtlichen gesamten Hand durch Stobbe (1855)
b) Die Rezeption Stobbes Begriffsbildung in der Literatur
§ 2. Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts (ab 1863)
I. Kuntze und Stobbe als Begründer eines modernen Gesamthandbegriffs
1) Der Diskussionsstand im Gesellschaftsrecht Mitte des 19. Jahrhunderts
2) Der Beitrag Kuntzes zu den Handelsgesellschaften (1863)
a) Bedeutung und Vorgehensweise im Beitrag
b) Kuntzes Thesen zur allgemeinen Rechtsnatur der gesamten Hand
c) Die gesamte Hand Kuntzes zur Deutung der Besonderheiten der Handelsgesellschaften
3) Der Beitrag Stobbes zur allgemeinen rechtshistorischen Gesamthand (1864)
a) Bedeutung und Vorgehensweise Stobbes Beitrags
b) Stobbes Feststellungen zu den allgemeinen Merkmalen der Gesamthand
c) Stobbes Anwendung der Gesamthandgrundsätze auf verschiedene Personenzusammenschlüsse
aa) Gesamthand und Ehegemeinschaft
bb) Gesamthand und Gesamtbelehnung
cc) Gesamthand und Erbengemeinschaft
dd) Gesamthand und andere Rechtsfiguren
II. Meilensteine der modernen Gesamthandtheorie in der Literatur
1) Das Wohlwollen Beselers (1866)
2) Gierkes Gesamthandbegriff im zweiten Band des „Genossenschaftsrechts“ (1873)
3) Heuslers Gesamthandtheorie in seinem Institutionenlehrbuch (1885/86)
4) Gierkes Gesamthand in seiner „Genossenschaftstheorie“ (1887)
a) Gierkes allgemeine Grundsätze der Gesamthand
b) Gierkes Gesamthand des ehelichen Güterrechts
c) Gierkes Gesamthand der Handelsgesellschaft
aa) Subjektives und objektives Element der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand
bb) Anwendung der Gesamthandtheorie auf die Handelsgesellschaft im Rechtsverkehr
III. Rezeption der Theorie der Gesamthand vor Inkrafttreten des BGB
1) Das Gesellschaftsrecht des ADHGB und die Gesamthandtheorie
2) Die Rezeption der Gesamthandtheorie in der Rechtsprechung
3) Die Rezeption der Gesamthandtheorie in der Literatur
4) Ergebnis
3. Kapitel. Gesamthand und Personengesellschaft in der Kodifikation des deutschen Privatrechts
§ 1. Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB
I. Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand in den Vorarbeiten
1) Die Vorlagen zum bürgerlichen Gesellschaftsrecht
2) Die Vorlagen zum Sachenrecht
II. Merkmale gesellschaftsrechtlicher Verselbständigung im Ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs
1) Die Bestimmungen zum Miteigentum und zur Gemeinschaft
2) Die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen
a) Die „herkömmliche“ BGB-Gesellschaft
b) Die Erwerbsgesellschaft
III. Die Gesellschaft im Zweiten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs
1) Die Kritik am Ersten Entwurf
a) Die Kritik Gierkes
b) Die Kritik Boyens’
2) Die inhaltlichen Veränderungen des Zweiten Entwurfs
a) Die Einführung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand als neues Prinzip
aa) Die Gesamthand der BGB-Gesellschaft
bb) Die Gesamthand des nicht rechtsfähigen Vereins
cc) Die Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in den Bestimmungen zur Gemeinschaft und zum Miteigentum
b) Dogmatik der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand im Zweiten Entwurf
aa) Gebundenes Quoteneigentum oder eigenes Sondervermögen?
bb) Die BGB-Gesellschaft als eigenes Rechtssubjekt?
IV. Die inhaltlichen Veränderungen bis zum Inkrafttreten des BGB
1) Verfügungs- und Teilungsverbot in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen
2) Die Streichung der Vorschrift über die Eintragungsfähigkeit von Erwerbsgesellschaften
§ 2. Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB
I. Die Ausarbeitung des Entwurfs des Reichsjustizamts von 1895 (HGB-E1)
1) Das Gutachten Jakob Friedrich Behrends
2) Der Entwurf von 1895
a) Rechtsfähigkeit der OHG
b) Gesellschaftsvermögen der OHG
c) Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft
II. Fertigstellung und Inkrafttreten des HGB
§ 3. Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien
I. Gierkes Reaktion auf die „kodifizierte“ gesellschaftsrechtliche Gesamthand
II. Der Platz des Gesamthandbegriffs in der deutschen Rechtswissenschaft
1) Der Gesamthandbegriff in der Literatur
a) Die Anerkennung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand
b) Die rechtshistorische Legitimität der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in der Literatur
2) Die Anerkennung des Gesamthandbegriffs in der Rechtsprechung
3) Ergebnisse
Zusammenfassung des 2. Teils
Ergebnisse der Untersuchung
§ 1. Kein terminologischer Zusammenhang zwischen alten Figuren der gesamten Hand und dem modernen Personengesellschaftsrecht
§ 2 Verbindungslinien zwischen dem modernen Personengesellschaftsrecht und alten Figuren der gesamten Hand
I. Allgemeine Betrachtungen
II. Der inhaltliche Vergleich mit alten Figuren der gesamten Hand
1) Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ als Bezeichnung einer solidarischen Verpflichtung
2) Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ des Eherechts
3) Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ des Lehnrechts
III. Konstruktive Einflüsse alter Gesamthandfiguren auf die Gesamthand des modernen Gesellschaftsrechts?
1) Das Gesellschaftsvermögen
a) Gesellschafts- und Privatvermögen als separate Aufrechnungsadressaten
b) Gesellschafts- und Privatvermögen als separate Haftungsmassen
c) Die Anwachsung bei Ausscheiden eines Gesellschafters
d) Das dinglich wirkende Verfügungsverbot über „Anteile“ an den Gesellschaftsgegenständen
2) Die Subjektivität der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand
§ 3. Die gesellschaftsrechtliche „Gesamthand“ ist die historisierende Fassade einer in verschiedenen Epochen zusammengetragenen Konstruktion
Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis
Quellen, Rechtsnormen, Materialien u. s. w
Veröffentlichungen
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Gesamthand und Gesellschaft: Geschichte einer Begegnung
 9783161541773, 9783161541766

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J US PR I VAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 209

Francis Limbach

Gesamthand und Gesellschaft Geschichte einer Begegnung

Mohr Siebeck

Francis Limbach, geboren 1970; Studium der Rechtswissenschaft in Saarbrücken, Freiburg und Toulouse; 2003 Promotion in Saarbrücken und Toulouse; 2002–04 Rechtsanwalt in einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt a. M.; seit 2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; 2015 Habilitation in Kiel; seit 2015 Privatdozent; im WS 2015/16 und im SS 2016 Lehrstuhlvertreter an der Ruprecht-­ Karls-Universität Heidelberg; seit WS 2016/17 Lehrstuhlvertreter an der Ludwig-Maximi­ lians-Universität München.

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. e-ISBN PDF 978-3-16-154177-3 ISBN 978-3-16-154176-6 ISSN  0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi­ kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungs­beständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Otters­weier gebunden.

À Georges Boyer

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Römisches Recht, Bürgerliches Recht, Europäische Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und Rechtsvergleichung entstanden und wurde im Wintersemester 2015/16 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Habilitationsschrift angenommen. Sie wäre nicht möglich gewesen ohne das Vertrauen und die jederzeit freundliche und verlässliche Betreuung meines Lehrers Professor Dr. Rudolf Meyer-Pritzl, welchem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Dank gebührt auch Professor Dr. Werner Schubert für seine wertvollen Anregungen und die zügige Anfertigung des Zweitgutachtens. An dieser Stelle seien insbesondere seine umfassenden Arbeiten an den Quelleneditionen gewürdigt, die gerade für das vorliegende Werk von erheblichem Nutzen waren. Zu danken habe ich nicht zuletzt dem Verlag Mohr Siebeck und im Besonderen Herrn Dr. Franz-Peter Gillig für die freundliche Aufnahme in die Reihe Jus Privatum sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Übernahme der Druckkosten. Das berücksichtigte Schrifttum befindet sich auf dem Stand von Oktober 2015. Die kürzlich erschienene Dissertation von Andreas Groten (corpus und universitas) sowie zitierte Neuauflagen konnten noch in den Fußnoten berücksichtigt werden. Saarbrücken, im August 2016

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1. Teil Gesellschaft und Gesamthand vor ihrer Begegnung 1. Kapitel. Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: Verselbständigungsmerkmale in historischen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 §  1. Die Grundlagen des römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 17 §  2 . Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 §  3. Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht bis zum Ende des Usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 §  4. Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Kapitel. Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: alte Figuren der gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . 179 §  1. Anfänge des Begriffs der gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . 180 §  2 . Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850) . 184 §  3. Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 §  4. Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung . . . . . . . . . 210 Zusammenfassung des 1. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

X

Inhaltsübersicht

2. Teil Die Gestaltung der modernen Gesamthandtheorie und ihre Rolle im deutschen Gesellschaftsrecht bis 1900 1. Kapitel. Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie . . 239 §  1. Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 §  2 . Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre . . . . . . . . . . . . 257 2. Kapitel. Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs in der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . 273 §  1. Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur . 273 §  2 . Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts (ab 1863) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3. Kapitel. Gesamthand und Personengesellschaft in der Kodifikation des deutschen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 §  1. Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 §  2 . Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 §  3. Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Zusammenfassung des 2. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 §  1. Kein terminologischer Zusammenhang zwischen alten Figuren der gesamten Hand und dem modernen Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 §  2 Verbindungslinien zwischen dem modernen Personengesellschaftsrecht und alten Figuren der gesamten Hand . . . . . 392 §  3. Die gesellschaftsrechtliche „Gesamthand“ ist die historisierende Fassade einer in verschiedenen Epochen zusammengetragenen Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 409 Quellen, Rechtsnormen, Materialien u. s. w. . . . . . . . . . . . . . . 409 Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1. Teil Gesellschaft und Gesamthand vor ihrer Begegnung 1. Kapitel. Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: Verselbständigungsmerkmale in historischen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 §  1. Die Grundlagen des römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Die altrömische societas ercto non cito . . . . . . . . . . . . 18 II. Personenzusammenschlüsse der klassischen römischen Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1) Communio und societas . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 a) Die communio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b) Die societas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 aa) Das individualistische Konzept der societas . . . . . 21 bb) Ansätze einer Verselbständigung der societas? . . . 25 2) Die Korporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Die tatbestandlichen Gründungsvoraussetzungen der Korporationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Die rechtliche Ausstattung der Korporationen . . . . . . 32 c) Die Korporation als juristische Person oder als Gesamthand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 §  2 . Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Das Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse . . . 35 1) Mittelalterliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Quellen zur italienischen commenda . . . . . . . . . . . 35

XII

Inhaltsverzeichnis

b) Der fehlende direkte Zugriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen bei Paulus de Castro (Anfang 15. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2) Neuzeitliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger im italienischen Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Das genuesische Gesellschaftsrecht (16. Jahrhundert) 40 bb) Italienische Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Impulse iberischer Autoren aus dem 17. Jahrhundert . . 42 aa) Francisco Salgado de Somoza . . . . . . . . . . . . 42 bb) Juan Pedro Fontanella . . . . . . . . . . . . . . . . 42 c) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger im französischen Ancien droit . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der Rechtsprechung der Parlamentshöfe . . . . . 44 bb) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der französischen Literatur bis zum Ende des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der Gesellschaftsvertragspraxis . . . . . . . . . . 50 II. Gesellschafter und Gesellschaft als separate Aufrechnungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1) Gelehrte Quellen des Mittelalters zur Aufrechnung gegenüber Studentenbursen . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Jacobus de Ravanis’ Aufrechnungsverbot durch Zweckwidmung bestimmter Vermögensgüter . . . . . . 51 b) Baldus de Ubaldis’ Identifizierung separater Aufrechnungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2) Neuzeitliche Entwicklungen zur Aufrechnung gegenüber Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 §  3. Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht bis zum Ende des Usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Rechtliche Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht des Mittelalters? . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Die Verselbständigung der Gesellschaft als weithin ignorierte Idee in frühneuzeitlichen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . 61 1) Das Schweigen statutarischer Quellen . . . . . . . . . . . 61 2) Das Schweigen in Deutschland tätiger Autoren . . . . . . . 65 3) Gesellschaften mit Merkmalen einer faktischen Verselbständigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

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III. Ansätze einer Verselbständigung der Gesellschaft in deutschen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1) Literaturstimmen zum Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Johann Michael Beuther (ca. 1600) . . . . . . . . . . . 70 b) Die bevorzugte Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen als Diskussionsthema im Usus modernus . . . 73 aa) Autoren des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . 73 bb) Autoren bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts . . . . . 75 2) Naturrechtliche Ansätze der Personifizierung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Entstehung und Entwicklung der naturrechtlichen Lehre der persona moralis . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Entia moralia und personae morales compositae bei Pufendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Societas und persona moralis bei Wolff und Nettelbladt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Der Begriff der juristischen Person weniger ein Produkt der naturrechtlichen persona moralis als der gemeinrechtlichen universitas? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Rezeption der Verselbständigungsansätze in der Gesetzgebung 84 1) Die Hamburger Fallitenordnung (1753) . . . . . . . . . . . 84 2) Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) . . . . 85 3) Die preußischen Kodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Das PrALR (1794) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Ansätze einer Personifizierung in den Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Gesellschaften zum Zwecke des Gemeinwohls, insbesondere Erlaubte Privatgesellschaften . . . . . 88 cc) „Besondere“ Gesellschaften und Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 dd) Haltung der frühen preußischen Literatur zum PrALG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Die Allgemeine Gerichts-Ordnung (1793/95) . . . . . . 93 aa) Die Handelsgesellschaft als parteifähiges Subjekt? . 93 bb) Das Separationsrecht der Gesellschaftsgläubiger . . 95 4) Die französischen Kodifikationen und ihre Nachbildungen . 96 a) Der Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Der Code de commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Das Badische Landrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

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5) Die österreichischen Kodifikationen bis zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1811) . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Der Codex Theresianus (1766) . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Das Westgalizische Gesetzbuch (1797) . . . . . . . . . . 101 c) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) . . . . . 103 §  4. Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Gesellschaftsrechtliche Verselbständigungsmerkmale bis Einführung des ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1) Die Anerkennung von Gläubigerprivilegien als Grundlage einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens . . . . 106 2) Die Diskussion über die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Die Wegbereiter der Handelsgesellschaft als juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Frühe Stimmen zugunsten einer Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Gelpckes Plädoyer für die Handelsgesellschaft als juristische Person (1852) . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Die Anerkennung der Persönlichkeit französischer Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Rezeption der Idee der eigenen Persönlichkeit von Handelsgesellschaften in der deutschen Literatur . . . . 116 aa) Die Diskussion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Die Diskussion unter dem Eindruck Gelpckes Plädoyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Bluntschlis Idee der Vermögensverschiedenheit als Kompromisslösung? . . . . . . . . . . . . . . . 121 3) Die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4) Die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften in Entwürfen und Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Frühere Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Der Entwurf eines württembergischen HGB (1839) . 126 bb) Der Frankfurter Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (1849) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft in der preußischen Konkursordnung von 1855 . . . . . . 128 II. Die verselbständigte OHG im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

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1) Die OHG als juristische Person im preußischen Entwurf von 1857 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2) Die OHG in den Beratungen zum ADHGB . . . . . . . . . 133 a) Die Ablehnung der eigenen Rechts- und Parteifähigkeit der OHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Die Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Einführung der Anwachsungslösung bei Ausscheiden von Gesellschaftern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Das Gesellschaftsrecht des ADHGB und seine Ratifikation in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3) Das Handelsgesellschaftsrecht des ADHGB in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Die Frage der Subjektivierung der OHG . . . . . . . . . 145 aa) Die Diskussion im Schrifttum . . . . . . . . . . . . 145 bb) Die Entwicklung in der Rechtsprechung . . . . . . . 148 b) Die Frage des Vermögens der OHG . . . . . . . . . . . 156 III. Merkmale der Verselbständigung „herkömmlicher“ Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1) „Herkömmliche“ Gesellschaften und besondere parteifähige Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2) Entwicklung in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . 159 a) Die französische société civile als Vorbild? . . . . . . . . 159 b) Die Entwicklung bei deutschen Autoren und Gerichten . 163 3) Die bürgerlichrechtliche Gesellschaft in den neuen Kodifikationen und Entwürfen . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Die BGB-Entwürfe und Kodifikationen der Länder . . . 167 aa) Der Hessische Entwurf (1842–1853) . . . . . . . . 167 bb) Der Bayerische Entwurf (1861–1864) . . . . . . . . 169 cc) Das sächsische BGB von 1865 . . . . . . . . . . . . 170 b) Der Dresdner Entwurf von 1866 . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Einsetzung und Vorgehensweise der Dresdner Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Die „Gemeine Gesellschaft“ (Art.  769 ff. DrsdE) . . 172 cc) Die Collectivgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Kapitel. Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: alte Figuren der gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . 179 §  1. Anfänge des Begriffs der gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . 180 I. Abwesenheit von Quellen zur gesamten Hand aus der Antike und dem frühen Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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II. Frühe Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Die Bedeutungsvielfalt der Bezeichnung „gesamte Hand“ in alten Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 §  2 . Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850) . 184 I. Die „gesamte Hand“ des Lehnrechtsbuchs des Sachsenspiegels 184 1) Verwendung des Begriffs „mit gesamter Hand“ . . . . . . 185 2) Die rechtliche Regelung der Belehnung mit gesamter Hand im Lehnrechtsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Verbreitung und Weiterentwicklung des Begriffs der gesamten Hand im mittelalterlichen Lehnrecht . . . . . . . . 189 III. Die neuzeitliche Entwicklung der gesamten Hand im Lehnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1) Das sächsische Lehnrecht im 16. und 17. Jahrhundert . . . 192 a) Bedeutung und Verbreitung der sächsischen gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Die sächsische gesamte Hand als Instrument der Lehnnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2) Die lehnrechtliche gesamte Hand im 18. und 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3) Das Ende des Lehnrechts als positives Recht . . . . . . . . 200 §  3. Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Gebrauch des Begriffs im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . 202 1) Die schuldrechtliche gesamte Hand in den Quellen . . . . . 202 2) Dogmatische Einordnung der schuldrechtlichen gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3) Ursprung und Verbreitung der schuldrechtlichen gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Das Ende des Begriffs in der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . 208 §  4. Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung . . . . . . . . . 210 I. Die gesamte Hand des fränkischen Eherechts (bis etwa 1500) 210 1) Die gesamte Hand im Bamberger Stadtrecht des 14. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Die betreffenden Vorschriften des Bamberger Stadtrechts 211 b) Bedeutung der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2) Die eherechtliche gesamte Hand in anderen Rechtstexten und in der weiteren Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Eheliches Grundstückseigentum in gesamter Hand nach österreichischem Recht (bis 18. Jahrhundert) . . . . . . . . . 224

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1) Die österreichische gesamte Hand als Instrument der Ehegattenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2) Entwicklung und Niedergang der österreichischen gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Zusammenfassung des 1. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

2. Teil Die Gestaltung der modernen Gesamthandtheorie und ihre Rolle im deutschen Gesellschaftsrecht bis 1900 1. Kapitel. Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie . . 239 §  1. Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I. Entstehung und Verbreitung der Figur des dominium plurium in solidum bzw. des Gesamteigentums (1681 bis 1811) . . . . 240 1) Das eheliche Güterrecht als Nährboden des alternativen Verbandskonzepts des Justus Veracius . . . . . . . . . . . 241 2) Herausbildung der Theorie des Gesamteigentums im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Diskussion und Niedergang der Figur des Gesamteigentums im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1) Die Kritik des Gesamteigentums Anfang des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2) Das Gesamteigentum im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3) Niedergang des Gesamteigentums im Einfluss der Genossenschaftstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Die heutige Stellung der Figur des Gesamteigentums . . . . . 255 §  2 . Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre . . . . . . . . . . . . 257 I. Die Genossenschaftslehre Beselers . . . . . . . . . . . . . . . 257 1) Ansätze der Genossenschaftslehre in Beselers Schrift zu den Erbverträgen (1835) . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2) Beselers ausgereifte Genossenschaftslehre . . . . . . . . . . 260 a) Universitas, Stiftung, Corporation und Genossenschaft als juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit . 262 II. Die Genossenschaftslehre Gierkes . . . . . . . . . . . . . . . 264

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1) Gierkes „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“ (1868) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2) Gierkes „Geschichte des deutschen Körperschaftsbegriffs“ (1873) und „Staats- und Korporationslehre“ (1881) . . . . 266 3) Gierkes „Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung“ (1887) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Das Vermächtnis der Genossenschaftslehre . . . . . . . . . . 269 1) Das Schicksal des germanistischen Genossenschaftsbegriffs 269 2) Wirkung der Genossenschaftslehre auf die Gesamthandlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Kapitel. Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs in der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . 273 §  1. Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur . 273 I. Die „gesamte Hand“ als Quellenzitat . . . . . . . . . . . . . 273 1) Das Quellenstudium älterer Autoren . . . . . . . . . . . . 273 2) Die Untersuchung Zoepfls der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts (1839) . . . . . . . . . . . . . . 274 3) Homeyers Untersuchung der lehnrechtlichen gesamten Hand des Sachsenspiegels (1842) . . . . . . . . . . . . . . 276 II. Die Gesamthand als quellenunabhängiger Sammelbegriff der rechtsgeschichtlichen Wissenschaft . . . . . . . . . . . . 278 1) Die Gesamthand des alten fränkischen Ehegüterrechts . . . 278 a) Die Ausgestaltung zum Begriff der alten fränkischen Güterrechtsfigur durch Euler (ab 1841) . . . . . . . . . 278 aa) Eulers Studie zum „Güter- und Erbrechte der Ehegatten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 bb) Eulers nachfolgende Schriften . . . . . . . . . . . . 280 b) Die Rezeption von Eulers Begriffsbildung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2) Die historische schuldrechtliche gesamte Hand . . . . . . . 283 a) Die Untersuchung der schuldrechtlichen gesamten Hand durch Stobbe (1855) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Die Rezeption Stobbes Begriffsbildung in der Literatur . 285 §  2 . Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts (ab 1863) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 I. Kuntze und Stobbe als Begründer eines modernen Gesamthandbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1) Der Diskussionsstand im Gesellschaftsrecht Mitte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

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2) Der Beitrag Kuntzes zu den Handelsgesellschaften (1863) . 288 a) Bedeutung und Vorgehensweise im Beitrag . . . . . . . 288 b) Kuntzes Thesen zur allgemeinen Rechtsnatur der gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 c) Die gesamte Hand Kuntzes zur Deutung der Besonderheiten der Handelsgesellschaften . . . . . . . . 292 3) Der Beitrag Stobbes zur allgemeinen rechtshistorischen Gesamthand (1864) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Bedeutung und Vorgehensweise Stobbes Beitrags . . . . 293 b) Stobbes Feststellungen zu den allgemeinen Merkmalen der Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 c) Stobbes Anwendung der Gesamthandgrundsätze auf verschiedene Personenzusammenschlüsse . . . . . . . . 296 aa) Gesamthand und Ehegemeinschaft . . . . . . . . . 296 bb) Gesamthand und Gesamtbelehnung . . . . . . . . . 298 cc) Gesamthand und Erbengemeinschaft . . . . . . . . 299 dd) Gesamthand und andere Rechtsfiguren . . . . . . . 300 II. Meilensteine der modernen Gesamthandtheorie in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1) Das Wohlwollen Beselers (1866) . . . . . . . . . . . . . . 301 2) Gierkes Gesamthandbegriff im zweiten Band des „Genossenschaftsrechts“ (1873) . . . . . . . . . . . . 304 3) Heuslers Gesamthandtheorie in seinem Institutionenlehrbuch (1885/86) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4) Gierkes Gesamthand in seiner „Genossenschaftstheorie“ (1887) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Gierkes allgemeine Grundsätze der Gesamthand . . . . 309 b) Gierkes Gesamthand des ehelichen Güterrechts . . . . . 310 c) Gierkes Gesamthand der Handelsgesellschaft . . . . . . 311 aa) Subjektives und objektives Element der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand . . . . . . . . 312 bb) Anwendung der Gesamthandtheorie auf die Handelsgesellschaft im Rechtsverkehr . . . . . . . . 313 III. Rezeption der Theorie der Gesamthand vor Inkrafttreten des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 1) Das Gesellschaftsrecht des ADHGB und die Gesamthandtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 2) Die Rezeption der Gesamthandtheorie in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 3) Die Rezeption der Gesamthandtheorie in der Literatur . . . 320 4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

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3. Kapitel. Gesamthand und Personengesellschaft in der Kodifikation des deutschen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 §  1. Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I. Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand in den Vorarbeiten . . 332 1) Die Vorlagen zum bürgerlichen Gesellschaftsrecht . . . . . 332 2) Die Vorlagen zum Sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . 333 II. Merkmale gesellschaftsrechtlicher Verselbständigung im Ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs . . . . . . . 336 1) Die Bestimmungen zum Miteigentum und zur Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 2) Die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . 337 a) Die „herkömmliche“ BGB-Gesellschaft . . . . . . . . . 337 b) Die Erwerbsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 III. Die Gesellschaft im Zweiten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1) Die Kritik am Ersten Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . 341 a) Die Kritik Gierkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 b) Die Kritik Boyens’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 2) Die inhaltlichen Veränderungen des Zweiten Entwurfs . . . 347 a) Die Einführung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand als neues Prinzip . . . . . . . . . . . . . . 348 aa) Die Gesamthand der BGB-Gesellschaft . . . . . . . 348 bb) Die Gesamthand des nicht rechtsfähigen Vereins . . 349 cc) Die Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in den Bestimmungen zur Gemeinschaft und zum Miteigentum . . . . . . . . 350 b) Dogmatik der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand im Zweiten Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 aa) Gebundenes Quoteneigentum oder eigenes Sondervermögen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Die BGB-Gesellschaft als eigenes Rechtssubjekt? . . 356 IV. Die inhaltlichen Veränderungen bis zum Inkrafttreten des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1) Verfügungs- und Teilungsverbot in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 2) Die Streichung der Vorschrift über die Eintragungsfähigkeit von Erwerbsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

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§  2 . Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 I. Die Ausarbeitung des Entwurfs des Reichsjustizamts von 1895 (HGB-E1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 1) Das Gutachten Jakob Friedrich Behrends . . . . . . . . . . 365 2) Der Entwurf von 1895 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 a) Rechtsfähigkeit der OHG . . . . . . . . . . . . . . . . 366 b) Gesellschaftsvermögen der OHG . . . . . . . . . . . . 368 c) Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 II. Fertigstellung und Inkrafttreten des HGB . . . . . . . . . . . 371 §  3. Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 I. Gierkes Reaktion auf die „kodifizierte“ gesellschaftsrechtliche Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 II. Der Platz des Gesamthandbegriffs in der deutschen Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 1) Der Gesamthandbegriff in der Literatur . . . . . . . . . . 375 a) Die Anerkennung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 b) Die rechtshistorische Legitimität der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in der Literatur . . . . . . . . . 377 2) Die Anerkennung des Gesamthandbegriffs in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 3) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Zusammenfassung des 2. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 §  1. Kein terminologischer Zusammenhang zwischen alten Figuren der gesamten Hand und dem modernen Personengesellschaftsrecht . . 391 §  2 Verbindungslinien zwischen dem modernen Personengesellschaftsrecht und alten Figuren der gesamten Hand . . . . . 392 I. Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 II. Der inhaltliche Vergleich mit alten Figuren der gesamten Hand 393 1) Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ als Bezeichnung einer solidarischen Verpflichtung . . . . . . . 393 2) Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ des Eherechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 3) Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ des Lehnrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

XXII

Inhaltsverzeichnis

III. Konstruktive Einflüsse alter Gesamthandfiguren auf die Gesamthand des modernen Gesellschaftsrechts? . . . . . . . 397 1) Das Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Gesellschafts- und Privatvermögen als separate Aufrechnungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 b) Gesellschafts- und Privatvermögen als separate Haftungsmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 c) Die Anwachsung bei Ausscheiden eines Gesellschafters . 399 d) Das dinglich wirkende Verfügungsverbot über „Anteile“ an den Gesellschaftsgegenständen . . . . . . . . . . . . 401 2) Die Subjektivität der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand . 403 §  3. Die gesellschaftsrechtliche „Gesamthand“ ist die historisierende Fassade einer in verschiedenen Epochen zusammengetragenen Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 409 Quellen, Rechtsnormen, Materialien u. s. w. . . . . . . . . . . . . . . 409 Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

Abkürzungsverzeichnis Anmerkung: abgekürzte Quellen und Veröffentlichungen befinden sich in den jeweiligen Verzeichnissen. a. auch a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABlKR Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland (Zeitschrift) Abs. Absatz Abt. Abteilung AcP Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch a. E. am Ende AGH Appellationsgerichtshof AGH Rhein. Rheinischer Appellationsgerichtshof Anm. Anmerkung Anon. Anonymus Arch. bürg. R. Archiv für bürgerliches Recht (Zeitschrift) Arch. th. pract. Rgel. Archiv für die theoretische und practische Rechtsgelehrsamkeit (Zeitschrift) Art. Artikel Bad. Ann. Annalen der Großherzoglichen Badischen Gerichte (Zeitschrift) Bad. VGH Badischer Großherzoglicher Verwaltungsgerichtshof BayGVBl. Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt (Zeitschrift) BayObGH Oberster Gerichtshof für Bayern Bearb. Bearbeiter Bd. Band BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland (Zeitschrift) BGBl. NB Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes (Zeitschrift) BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (ZeitBGHZ schrift) Bl. Blatt BOHG Bundesoberhandelsgericht (ab 02.09.1870 Reichsoberhandelsgericht) BOHGE Entscheidungen des Bundesoberhandelsgerichts, ab 3.  Bd. Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts (Zeitschrift) Buchst. Buchstabe

XXIV Bull.

Abkürzungsverzeichnis

Bulletin des arrêts de la Cour de cassation rendus en matière civile (Zeitschrift) Busch Arch. Buschs Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Zeitschrift) BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Zeitschrift) bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise C. cass. Cour de cassation, Frankreich Code civil, Frankreich C. civ. C. com. Code de commerce, Frankreich Calm WSchr Calm’s Wochenschrift für Deutsches Handels- und Wechselrecht nach den Entscheidungen des Oberhandelsgerichtes in Leipzig (Zeitschrift) Cap. Caput Civ. Chambre civile de la Cour de cassation, evtl. nummeriert CMBC Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis Concl. Conclusio Cons. Consilium Wetzlarische Nebenstunden, worinnen auserlesene beym Cramer Wetzl. Nbstd. höchstpreislichen Cammergericht entschiedene Rechts-Händel zur Erweiter- und Erläuterung der teutschen in Gerichten üblichen Rechts-Gelehrsamkeit angewendet werden, hrsg. Johann Ulrich Freyherr von Cramer (Zeitschrift) d. h. das heißt Dec. Decisio Def. Definitio ders. derselbe Diss. Dissertation Dist. Distinctio DP Dalloz périodique, Recueil périodique et critique de jurisprudence, de législation et de doctrine (Zeitschrift) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGBGB evtl. eventuell Exc. Exceptio Exerc. Exercitium f. und der/die/das Folgende ff. und die Folgenden Fn. Fußnote Frhr. Freiherr GBl. DDR Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik (Zeitschrift) Großherzoglich-Badisches Regierungs-Blatt (Zeitschrift) GhBad. RegBl. Gruchots Beiträge Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Zeitschrift) Hamb. GerZ Hamburgische Gerichts-Zeitung (Zeitschrift) Hanseat. OLG Hanseatisches Oberlandesgericht HAppG Hof- und Appellationsgericht

Abkürzungsverzeichnis

XXV

HGB Handelsgesetzbuch HGZ-B Beiblatt zur Hamburgischen Handelsgerichts-Zeitung, ab Bd. 13 Beiblatt zur Hanseatischen Gerichtszeitung (Zeitschrift) hrsg. herausgegeben h. L. herrschende Lehre i. S. d. im Sinne der/des im Übrigen i. Ü. insbes. insbesondere Jahrb. Jahrbuch Jahrb. Dogm. röm. Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deut  dt. PrivatR schen Privatrechts, ab 1893: Jher. Jahrb. (Zeitschrift) Jahrb. gem. dt. Rechts Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts (Zeitschrift) Jahrb. preuß. Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissen  Gesetzgbg. schaft und Rechtsverwaltung (Zeitschrift) Jh. Jahrhundert Jher. Jahrb. Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, vor 1893: Jahrb. Dogm. röm. dt. PrivatR (Zeitschrift) J. O. Journal officiel de la République française (Zeitschrift) Journ. Pal. Journal du Palais, Contenant les Arrêts de la Cour de Cassation et des Cours d’Appel de Paris et des Départements (Zeitschrift) Journ. Pal. Rec. Journal du Palais ou Recueil des principales décisions de tous les Parlemens & Cours souveraines de France (Zeitschrift) JW Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Kap. Kapitel KG Kommanditgesellschaft kgl. königlich Kierulff Slg. Kierulffs Sammlung der Entscheidungen des Ober-Appellationsgerichts der freien Hansestädte zu Lübeck (Zeitschrift) krit. kritisch Kritische Jahrbücher für deutsche Rechtswissenschaft (ZeitKritJBRW schrift) KritVJS Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Wissenschaft (Zeitschrift) Krit. Z. ges. RWiss. Kritische Zeitschrift für die gesamte Rechtswissenschaft (Zeitschrift) Labeo Labeo. Rassegna di diritto romano (Zeitschrift) li. links Liefg. Lieferung m. w. N. mit weiteren Nachweisen membr. membrum NG Niedergericht NJ Neue Justiz (Zeitschrift) Nr. Nummer Nürnb. HAG Handelsappellationsgericht zu Nürnberg o. oben o. Ä. oder Ähnliche(s) OAG Oberappellationsgericht

XXVI Ob.-Trib. E.

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Entscheidungen des Königlichen Geheimen Ober-Tribunals (Zeitschrift) Ob.-Trib. Stuttgart Ober-Tribunal Stuttgart OG Obergericht OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht P. Pars Parlmt. Parlement (französische Berufungsinstanz des Ancien droit) PrALR Preußisches Allgmeines Landrecht Preußisches Königliches Geheimes Ober-Tribunal Preuß. Ob.-Trib. PrGS Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten (Zeitschrift) Pseud. Pseudonym Qu. Fior. Quaderni Fiorentini – per la storia del pensiero giuridico moderno (Zeitschrift) re. rechts Req. Chambre des requêtes de la Cour de cassation RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt (Zeitschrift) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Zeitschrift) RGZ Rh. RevKassHof Königlicher Revisions- und Kassationshof für die Rheinprovinzen, Berlin Rhein. Arch. Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen (Zeitschrift) Revue Internationale des droits de l’antiquité (Zeitschrift) RIDA Rn. Randnummer ROHG Reichsoberhandelsgericht, vor 02.09.1871: Bundesoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts, bis einschl. ROHGE 2.  Bd Entscheidungen des Bundes-Oberhandelsgerichts (Zeitschrift) s. siehe S. Seite s. d. sine dato (ohne Datumsangabe) s. l. sine loco (ohne Ortsangabe) Sächs. Arch. Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Zeitschrift) Sächs. OAG Sächsisches Oberappellationsgericht SächsGVBl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen (Zeitschrift) Schles. Arch. Schlesisches Archiv für die praktische Rechtswissenschaft (Zeitschrift) [Schmollers] Jahrbücher für Gesetzgebung, Verwaltung und SchmJB Volkswirtschaft im Deutschen Reich (Zeitschrift) SDHI Studia et documenta historiae et iuris (Zeitschrift) Sec. Section Seuff. Arch. J. A. Seuffert’s Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Zeitschrift)

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Sirey

XXVII

Recueil général des lois et des arrêts en matière civile, criminelle, commerciale et de droit public, par J.-B. Sirey (Zeitschrift) sog. sogenannt Sp. Spalte Speculum Speculum, A Journal of Medieval Studies (Zeitschrift) Stichw. Stichwort Teilbd. Teilband Themis-ZPRW Themis – Zeitschrift für praktische Rechtswissenschaft (Zeitschrift) Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen ThürGVBl. (Zeitschrift) Tit. Titel TR Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis – Revue d’histoire du droit (Zeitschrift) u. unten u. a. und andere / unter anderem u. Ä. und Ähnliche und so weiter u. s. w. u. U. unter Umständen Urk. Urkunde Urt. Urteil v. von/vom v. a. vor allem vgl. vergleiche VO Verordnung Vorw. Vorwort VSWG Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Zeitschrift) weitere Nachweise w. Nachw. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des ZiWarneyer vilrechts, hrsg. von Otto Warneyer (Zeitschrift) WBl. Rechtsfälle Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle in actenmäßigen Darstellungen aus dem Gebiete der Justizpflege und Verwaltung zunächst für das Königreich Sachsen (Zeitschrift) WHRArch Archiv für deutsches Wechselrecht und Handelsrecht (Zeitschrift) WSB Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Zeitschrift) Z. Zeile z. B. zum Beispiel ZBl. freiw. Ger. Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit, Notariat und Zwangsversteigerung (Zeitschrift) Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche RechtswissenZdRWiss schaft Zeitschr. frz. ZivR Zeitschrift für französisches Zivilrecht ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesam(m)te Handelsrecht Ziff. Ziffer

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zit. zitiert ZpreußHR Zeitschrift für Handelsrecht mit Hinblick auf die Handelsrechts-Praxis in Preußen und auf die Grundsätze des Königlichen Ober-Tribunals zu Berlin in Handelssachen ZRG Zeitschrift für Rechtsgeschichte (ab 14.   Bd. ZRG-GA oder ZRG-RA) ZRG-GA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (bis 13.  Bd. ZRG) ZRG-RA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung (bis 13.  Bd. ZRG)

Einführung Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand als Rechtsquellenprob­ 1 lem. Seit Inkrafttreten des BGB werden BGB-Gesellschaft und Gesamthand in einem Atemzug genannt. Letztere wird sogar so sehr als kennzeichnend für die vermögens- bzw. rechtsfähigen Personengesellschaften des bürgerlichen und des Handelsrechts gesehen, dass Werner Flume kurzerhand von „Gesamthandgesellschaften“ spricht.1 Legt man die seit dem BGH-Urteil vom 29. Januar 20012 geltende Rechtsprechung zugrunde, macht die Gesamthand aus der BGB-Gesellschaft freilich nicht ganz das, was die Vorschriften der §§  705 ff. BGB auf den ersten Blick nahelegen. Auch zuvor waren sich Rechtsprechung und Literatur darin einig, dass die Gesamthand die von ihr betroffenen Personengesellschaften in einer Weise ausgestaltet, die sich mit einer unbefangenen Lektüre der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des BGB und des HGB nicht ganz deckt. Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand kommt ohne gesetzliche Vorschriften aus, die sie detailliert regeln oder auch nur beim Namen nennen. Erst die Schuldrechtsreform von 2002 hat mit der Einführung von Paragrafenüberschriften dem Ausdruck „Gesamthand“ eine amtliche Geltung im BGB verschafft. So stehen lediglich die veröffentlichten Protokolle der Zweiten BGB-Kommission3 und einige Einzelvorschriften des bürgerlichen Gesellschaftsrechts, darunter insbesondere §§  718, 719, 738 BGB, als Zeichen dafür, dass der ursprüngliche Gesetzgeber die Absicht hatte, der BGB-Gesellschaft den Gesamthandgedanken zugrunde zu legen. Die Gesamthand induziert somit ein Kraftfeld, das die von ihr gestalteten Rechtsfiguren – über Gesetzeswortlaut und -systematik hinaus – nicht unerheblich zu beeinflussen vermag und mit bloßem Auge nicht auf Anhieb sichtbar ist. Das Gesetz erklärt nicht, wie das fragliche Kraftfeld aussieht, da eine allgemeine Regelung der Rechtsfigur der Gesamthand fehlt. Schwer zu ermitteln ist damit auch, wie sich das Kraftfeld auf die von ihm betroffene Rechtsfigur konkret auswirkt – jedenfalls soweit entsprechende Auswirkungen nicht in besonderen gesetzlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden haben.

1 

Flume, BGB AT I.1 (1977), §  1, S.  1 ff. BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 3  S. u., Rn.  4 43 ff. 2 

2 2

Einführung

Die rechtliche Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens als tragendes Merkmal der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand nach den Gesetzesmaterialien des BGB. Manche Erkenntnisse können aus den Gesetzesmaterialien des BGB gewonnen werden. Man erfährt dort, dass es Absicht der Zweiten BGB-Kommission war, die BGB-Gesellschaft4 , die eheliche Gütergemeinschaft5 und die Erbengemeinschaft6 dem Prinzip der gesamten Hand zu unterwerfen. Danach setzt die Gesamthand eine Personen­ gemeinschaft voraus, die in einer rechtlichen Beziehung zu bestimmten Vermögensgegenständen und Verpflichtungen steht und die in den Mate­rialien bzgl. der Gesellschaft wie folgt charakterisiert wird: 7 Die Gestaltung des Verhältnisses nach dem Grundsatze der gesammten Hand hat neben den obligatorischen auch dingliche Wirkungen. Die in die Gemeinschaft gelangenden Vermögensstücke werden unmittelbar ihrem Zwecke dienstbar gemacht, indem aus ihnen ein selbständiges Gesellschaftsvermögen gebildet wird. Die Bestandtheile dieses Gesellschaftsvermögens sind nicht nach festen Bruchtheilen getheilt; es bestehen nur Grundsätze über die Vertheilung des Gewinnes und über die Auseinandersetzung. Das ganze Gesellschaftsvermögen ist zur Deckung der Lasten und Schulden der Gesellschaft gebunden. Die Verfügung über die einzelnen Stücke des Gesellschaftsvermögens ist nur gemeinschaftlich möglich, die Führung von Prozessen kann nur gemeinschaftlich erfolgen, die Zwangsvollstreckung in Stücke des Gesellschaftsvermögens kann nur auf Grund eines gegen alle Gesellschafter vollstreckbaren Titels erfolgen. Gegen Gesellschaftsforderungen können nur Gesellschaftsschulden zur Aufrechnung gebracht werden. Aus dem Gesellschaftsvermögen werden zunächst die Gesellschaftsgläubiger befriedigt. Die Privatgläubiger eines Gesellschafters können nur in dasjenige die Zwangsvollstreckung betreiben, was ihrem Schuldner nach Berichtigung der Gesellschaftsschulden an Gewinn oder bei der Auseinandersetzung zukommt.

Die „Beschränkung der Verfügungsfreiheit des Gesellschafters“ wird von der Mehrheit der Mitglieder der Zweiten Kommission „als das charakteristische Merkmal der gesammten Hand hervorgehoben“.8 Hier liegt also einer der wesentlichen Unterschiede zwischen der Gesamthand und der Bruchteilsgemeinschaft, welche in §  747 Satz  1 BGB gerade regelt, dass jedes Mitglied seinen Anteil veräußern kann. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder sieht auch die Regel der Anwachsung des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters zugunsten der verbleibenden Gesellschafter als „eine nothwendige Konsequenz der von der Komm[ission] zu Grunde gelegten Konstruktion des Gesellschaftsverhältnisses als eines Verhältnisses zur gesammten Hand. Sei dem einzelnen Gesellschafter die Verfügung über seinen Antheil entzogen, so passe es auch nicht, ihn zur Uebertragung seines Antheiles an die übrigen Gesellschafter zu 4 

Mugdan, Materialien II (1899), S.  990. Mugdan, Materialien IV (1899), S.  801. 6  Mugdan, Materialien V (1899), S.  495. 7  Mugdan, Materialien II (1899), S.  988 ff. 8  Mugdan, Materialien II (1899), S.  988 ff. 5 

Einführung

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verpflichten“.9 Ab hier wird die inhaltliche Charakterisierung der Gesamthand in den Protokollen zwar diffuser; so wollte die Kommission nicht klären, ob die Gesamthand „ein Quoteneigenthum der Gesellschafter an den einzelnen Vermögensstücken“ voraussetze oder ob „von Antheilen der Gesellschafter“ hieran „nicht die Rede sein“ könne.10 Unabhängig davon vermitteln die Protokolle der Zweiten Kommission aber Sicherheit in einem Punkt: Das Gesamthandprinzip führt bei der BGB-Gesellschaft jedenfalls zur (in den Protokollen graduell nur grob umrissenen) rechtlichen Absonderung eines Gesellschafts-„Vermögens“ von den Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter. Über den Weg des §  105 Abs.  3 HGB sollte derselbe Rechtsgedanke, so der HGB-Gesetzgeber, auch „zur Erklärung der Eigenthümlichkeiten der offenen Handelsgesellschaft“ und insbesondere als Grundlage für die „rechtliche Trennung des Gesellschaftsvermögens von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter“ herangezogen werden.11 Rechtliche Verselbständigungsansätze auf der Subjektseite als 3 weiteres Merkmal der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand. Die Figur der Gesamthand hat im Recht der Personengesellschaften aber eine Tragweite, die über die Gestaltung der Vermögenszuordnung möglicherweise hinausgeht. Bei der OHG hat die Regelung des §  124 Abs.  1 HGB, wonach die OHG „unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen“ kann, Raum für die Überlegung gelassen, dass das „Kraftfeld“ des Gesamthandprinzips auch auf personenrechtlicher Ebene zu wirken imstande ist: Offenbar vermag es die Gesellschafter in eine monolithische Struktur zu fassen, die den Erwerb von Rechten und das Eingehen von Verpflichtungen in Gesellschaftsangelegenheiten nur einheitlich zulässt. Nicht weit davon entfernt ist damit der Gedanke, dass das Gesamthandprinzip die Erschaffung eines eigenen Rechtssubjekts zu bewirken kann.12 Letztere Auffassung ist bekanntlich von Flume ab den 1970er Jahren nicht nur für die OHG, sondern auch für die BGB-Gesellschaft verfochten worden; 13 der BGH hat sie sich schließlich in seinem Urteil vom 29. Januar 2001 zu eigen gemacht.14 Auf die dogmatische Diskussion zu dieser Frage soll hier nicht eingegangen werden, festzuhalten ist jedoch, dass auch der Aspekt der Verselbständigung auf Subjektseite als typisches Gesamthandmerkmal heute eine Rolle spielt. Historisches Selbstverständnis der gesellschaftsrechtlichen 4 Gesamthand. Als die Zweite BGB-Kommission die Entscheidung traf, das 9 

Mugdan, Materialien II (1899), S.  1001. Mugdan, Materialien II (1899), S.  990. 11 Denkschrift HGB-E1, S.   68, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  68. 12 Vgl. Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  28. 13  Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 187 ff. = Flume, BGB AT I.1 (1977), §  4, S.  54 ff. 14  BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 10 

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Recht der BGB-Gesellschaft auf die Grundlage des Gesamthandprinzips zu stellen, tat sie dies in der Annahme, sich von einem römischrechtlich inspirierten Modell der societas der Ersten Lesung des BGB zu verabschieden: Die Kommissionsmitglieder wähnten den Gedanken der Gesamthand nicht als Konstruktion des römischen Rechts, sondern als einen „auf deutschen Rechtsanschauungen beruhenden Grundsatz“.15 Man ging offenbar davon aus, dass die als altrechtliche Figur identifizierte Gesamthand im deutsche Gesellschaftsrecht auch in vorkodifikatorischer Zeit präsent war, da, so die Denkschrift des Reichsjustizamts zum BGB-Entwurf, jener „deutschrechtlichen Auffassung […] im Grundgedanken das Preußische und das Französische Recht sowie bei der Regelung der offenen Handelsgesellschaft das Handelsgesetzbuch gefolgt sind“.16 Das erweckt den Eindruck, man sei bei der Gestaltung des BGB-Gesellschaftsrechts von zwei Prämissen ausgegangen: 1) Die besonderen Merkmale der BGB-Gesellschaft gehen auf die altdeutsche Rechtsfigur der Gesamthand zurück und 2) die altdeutsche Rechtsfigur der Gesamthand hat das deutsche Gesellschaftsrecht – trotz Rezeption des römischen Rechts in der Neuzeit – bis zum Vorabend der Einführung des BGB noch geprägt, so dass die BGB-Gesellschaft in der Gestalt der Zweiten Lesung durchaus in einer weitgehend ununterbrochenen Kontinuität mit altdeutschen Konstruktionen des Gesellschaftsrechts steht. Ein solches historisches Selbstverständnis der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand verträgt sich gut mit der Lehre Gierkes, der die Wurzeln dieser Figur im germanischen Familienrecht, genauer in der „unter Brüdern nach dem Tode des Hausvaters fortgesetzten Hausgemeinschaft“ sieht,17 welche Rechtsfigur sich in ihrer Weiterentwicklung von ihren familienrechtlichen Bezügen insoweit gelöst habe, als „zuletzt ein auch unter Fremden möglicher Vereinigungsvertrag als ihre Rechtsgrundlage erschien“18 und als mögliche Erscheinungsformen letztlich die Erwerbs- und Handelsgesellschaften zuließ.19 Nach Inkrafttreten des BGB ist diese historische Interpretation von zahlreichen Autoren übernommen worden; 20 auch in der heutigen Literatur ist sie nach wie vor populär.21 So stellt etwa Wertenbruch fest, das Gesamt15 

Mugdan, Materialien II (1899), S.  991. BGB Denkschrift (1896), S.  87; entsprechend auch die BGB-Mot. I, S.  599, in: Mugdan, Materialien II (1899), S.  335, wonach das Prinzip der „Einheit oder Geschlossenheit des Gesellschaftsvermögens“ im preußischen, im (linksrheinisch-badischen) französischen und im Recht des ADHGB ihren Niederschlag gefunden habe. 17  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  664. 18  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  665. 19  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  666. 20  Dazu u., Rn.  472. 21 Exemplarisch Lepsius in: HRG II 2 (2012), „Gesamthand, Gesamte Hand“, Sp.   265: „Konkrete hist. Anwendungsfälle für Rechtsverhältnisse zur gesamten Hand waren in älterer Zeit […] Zusammenschlüsse der Kaufleute (societas ad unum panem et vinum, compagnia), in denen man seit dem 19. Jh. die Wurzel der offenen Handelsgesellschaft sieht“; entsprechend bereits Buchda in: HRG I1 (1971), „Gesamthand, gesamte Hand“, Sp.  1588; s. 16 

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handprinzip habe schon für die OHG des ADHGB von 1861 gegolten und sei deshalb bei der Kodifikation der BGB-Gesellschaft keine Neukonstruktion gewesen.22 Die „Gesamthand“ ist keine historische Bezeichnung besonderer 5 gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse des alten Rechts. Bei diesem rechtshistorischen Selbstverständnis fällt auf, dass Gierke selbst kaum konkrete Hinweise zur Entwicklung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand vom Mittelalter bis vor Inkrafttreten des BGB liefert. Geradezu aufhorchen lässt demgegenüber seine Bemerkung, er halte es für zulässig, den Gedanken der Gesamthand „auch für ganz moderne Bindungen“ zu gebrauchen, 23 jenen also auch auf Rechtskonstruktionen anzuwenden, die nicht über eine althergebrachte Rechtstradition verfügen. Es ist sinnvoll, bereits an dieser Stelle hervorzuheben, dass die „gesamte Hand“ als Rechtsbegriff die Organisationsform der Gesellschaft bis Mitte des 19. Jahrhunderts nicht geprägt hat.24 Außerhalb des Lehnrechts verwenden den Ausdruck weder der Sachsenspiegel 25 noch der Schwabenspiegel26 . Auch in anderen mittelalterlichen Quellen fehlt die Bezeichnung „gesamte Hand“ im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht.27 Im neuzeitlichen Gesellschaftsrecht wird der Terminus „gesamte Hand“ ebenfalls nicht verwendet. Soweit ersichtlich gilt dies im 16. und 17. Jahrhundert sowohl für die Literatur28 als auch für statutarische Regelungen 29. In den weauch Schücking in: MünchHdB GesR I4 (2013), §  1, Rn.  38 f.; ferner Köbler, Privatrechtswortschatz (2010), S.  294 f.; Röh, ALR-Gesellschaften (1995), S.  16 f.; Windbichler, Gesellschaftsrecht 23 (2013), §  1, Rn.  27; vorsichtiger jedoch Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB V6 (2013), §  705, Rn.  289, mit Bezug auf Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  37 ff., 205 ff. 22  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.45; differenzierend dagegen Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  160: „Erst unter dem Einfluß der Handelsrechtler Lastig, Gierke und Cosack wurde das Gesamthandseigentum als Leitprinzip in die Bestimmungen der OHG [des ADHGB] hineingelesen“. 23  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  664, Fn.  3. 24  So auch die Feststellung bei Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  61 f. 25  S. die Passagen zum Erbrecht des Sachsenspiegels (LandR, I, 4 bis I, 20), insbesondere SSp. LandR, I, 12, welche die unabgeteilte Erbengemeinschaft durchaus regeln, sie aber eben nicht mit dem Stichwort „Gesamthand“ bezeichnen, dazu auch ausführlich Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  21 ff. 26  Zur Erbengemeinschaft, s. insbesondere SchwSp., I, 34, entsprechend im Deutschenspiegel: DtSp., I, 34. 27  S. z. B. SlfStat, Art. CLIV, in: Walch, Beyträge I (1771), S.  51; auch das Verhältnis zwischen den Miterben wird anders bezeichnet, s. Saalfelder Statuten aus dem 13. Jahrhundert „Von kindern di ungesundert sint“, SlfStat, Art. CLXIX, in: Walch, a. a. O., S.  55 f.; zur Teilung der Erbmasse zwischen zwei Erben, s. ferner ErfStat, XIX, in: Walch, a. a. O., S.  107. 28  Pölman, Handtbuch1 (1574), zu SSp. LandR, I, 12, Dist. 1–8; Pölman, Handtbuch 2 (1576), zu SSp. LandR, I, 12, Dist. 1–8 (anders als von F. G. A. Schmidt, Handelsgesellschaften (1883), S.  60, behauptet, verwendet jene Passage den Ausdruck „in samender hant hebben“ nicht); s. weiter Perneder, Keyserlichen Rechten I (1600), S.  259 f.; G. A. Struve, Jurisprudenz3 (1711), III, 14, 8 (S.  579). 29  S. FftRef 1578, II, 23, in: Franckfurt ernew. Ref. (1611), Bl. 140 ff.

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nigen gesellschaftsrechtlichen Texten, in denen der Begriff vorkommt, bezeichnet er keine genuin gesellschaftsrechtliche Konstruktion, sondern bezieht sich auf das Institut der schuldrechtlichen Verpflichtung mehrerer Personen „mit gesamter Hand“, ähnlich einer solidarischen Verpflichtung.30 Das Standardwerk Marquards zum Handelsrecht aus dem Jahre 1662 verwendet die Bezeichnung nicht.31 Auch in späteren Schriften wird die Gesellschaft behandelt, ohne dass die „gesamte Hand“ als Begriff Erwähnung findet.32 Das Attribut „gesamte Hand“ ist tatsächlich erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts in Zusammenhang mit Gesellschaftsverhältnissen gebracht worden.33 Es kann daher festgestellt werden, dass das von Gierke im Gesellschaftsrecht verfolgte Ideal einer Rückbesinnung auf alte deutsche Rechtskonzepte jedenfalls in terminologischer Sicht nicht erreicht wird. Historische Rechtsfiguren der gesamten Hand als Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand? Hat der Ausdruck „gesamte Hand“ historische Gesellschaften nicht terminologisch geprägt, so ist freilich unbestreitbar, dass es sich um einen alten deutschen Begriff handelt, der bereits im Mittelalter verschiedene Rechtsfiguren bezeichnet hat. Von ihnen ausgehend muss also im 19. Jahrhundert ein Begriffstransfer zur nachträglichen Qualifizierung der spezifischen Merkmale einer besonderer Bindung der Gesellschafter innerhalb einer Personengesellschaft eingetreten sein. Immerhin bilden die alten Figuren der gesamten Hand damit insoweit die terminologischen Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand. Ungeklärt bleibt hingegen die Frage, warum und wie es zu diesem Begriffstransfer gekommen ist. Folgt man der von Gierke propagierten Idee,34 dass es sich bei der Entwick30  So ist etwa das Hamburger Stadtrecht zu verstehen, das unter dem Titel „Gesellschaft oder Mascopey“ (HbgStR 1603, II, 10, 1) den Fall regelt, dass mehrere Geschwister nach dem Tod ihrer Eltern deren ungeteiltes Handelsgeschäft fortführen: „So sollen sie mit gesamter Hand den Gewinn und Verlust tragen / bis dass sie rechtmäßig geteilt haben“. Deutlicher erkennbar ist der Sinn der Bezeichnung „gesamte Hand“ im reformierten Lüneburger Stadtrecht von 1577/1583, welche die Haftung aller Gesellschafter („Marschkoper“) vorsieht, wenn einer von ihnen für die Gesellschaft („Marschkopey“) rechtsgeschäftlich tätig geworden ist; dieser Fall sei nämlich „gleich als hätte er“ – d. h. der nicht handelnde Gesellschafter – „mit einer ungescheidenen gesammten Hand dafür gelobet“, s. LünbStRef, II, 23, Abs.  8, abgedruckt in: F. E. Pufendorf, Observationes IV (1770), Appendix, S.  624, 698. 31  Marquard, De Iure Mercatorum (1662), S.  296 ff. (Liber II, Caput XI: „De Societate, Mandato, Fidejussione Mercatorum“). 32  Folgende Werke behandeln die Gesellschaft, ohne den Ausdruck „gesamte Hand“ zu gebrauchen: Stein, Rechtsgelehrsamkeit (1751), S.  359 ff., §§  297 ff.; Estor, Rechtsgelehrsamkeit II (1758), S.  763 ff.; G. A. Struve, Jurisprudenz3 (1771), III, 14, S.  575 ff; Scheidlein, östPrivR (1814), S.  545 ff. 33  Dazu u., Rn.  361 ff. 34  Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  832: „Im deutschen Recht rief der germanische Assoziationstrieb eine Fülle vertragsmässiger Gesellschaften hervor, die nicht bloss schuldrechtliche, sondern zugleich personenrechtliche Gebilde waren. Denn sie begründeten eine Gemeinschaft zur gesamten Hand […]. Unter ihnen kommt für die Geschichte des bürgerlichrechtli-

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lung jener Merkmale der Personengesellschaft um eine in deutschen Ländern entstandene rechtliche Eigenentwicklung gehandelt hat, und nimmt man sogar an, dass alte Figuren der gesamten Hand das alte Gesellschaftsrecht maßgeblich beeinflusst haben, dann ließe sich gut begründen, warum im 19. Jahrhundert der Gesamthandbegriff zur Bezeichnung der besonderen Gesellschaftsmerkmale herangezogen wurde. Möglich ist aber auch, dass jene Merkmale einen ganz anderen Ursprung haben, sodann einer Entwicklung gefolgt sind, die nicht im Zusammenhang mit alten Figuren der gesamten Hand stehen und im 19. Jahrhundert nur deswegen mit dem Begriff „Gesamthand“ versehen wurden, weil jene Merkmale inhaltliche Übereinstimmungen mit denen alter Rechtsfiguren der gesamten Hand aufwiesen. Es ist sogar denkbar, dass selbst eine solche inhaltliche Verbindung nicht oder nur teilweise gegeben ist und die Bezeichnung „Gesamthand“ im gesellschaftsrechtlichen Kontext damit nicht mehr als einen Kunstbegriff darstellt. Historisches Gewicht der Gesamthand in der heutigen Diskussion 7 zur Dogmatik der Personengesellschaft. Die Gründe und Hintergründe der Einführung der Theorie der Gesamthand in das deutsche Gesellschaftsrecht sind nicht nur von kontemplativ rechtshistorischem Interesse. Unter Berufung auf die Idee der eigenen Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft ist in den 1990er Jahren insbesondere von Thomas Raiser vorgeschlagen worden, die Gesamthand als das den Personengesellschaften zugrunde liegende Prinzip aufzugeben und anstelle dessen die Figur der juristischen Person heranzuziehen.35 In Reaktion auf das Urteil vom 29. Januar 2001 hat diese Idee an Zulauf gewonnen.36 Durchgesetzt hat sie sich bisher jedoch nicht37 und es ist nicht ausgeschlossen, dass dies auch mit der angenommenen historischen Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand im Zusammenhang steht. Es ist denkbar, dass ein Abschied vom Gesamthandprinzip im Recht der Personengesellschaften als abrupter Traditionsbruch verstanden wird und aus diechen Gesellschaftsvertrages hauptsächlich die auf gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb durch alle Teilhaber gerichtete Gesellschaft in Betracht“. 35 S. Raiser, AcP 194 (1994), S.  495, 504 ff.; Raiser in: FS Zöllner (1998), S.  469, 484 ff.; Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Gesamthandlehre im Gesellschaftsrecht finden sich bereits bei Zimmermann, Law of Obligations (1990/1996), S.  472; s. ferner Timm, NJW 1995, 3209, 3210; Timm, ZGR 1996, 247, 251; Hadding in: FS Kraft (1998), S.  137, 145 f. (welcher aber gleichzeitig für die Beibehaltung der Figur der Gesamthand eintritt). 36 Vgl. Hadding, ZGR 2001, 712, 718 f.; Kießling in: FS Hadding (2004), S.  477, 478; K. Schmidt, AcP 209 (2009), S.  181, 201 f.; s. auch K. Schmidt in: MünchKomm-HGB II3 (2011), §  105, Rn.  7; Brodyagin, Personengesellschaft (2012), S.  96 ff., 99 ff. 37  Grunewald, Gesellschaftsrecht9 (2014), §   1, Rn.   106; Roth in: Baumbach/Hopt, HGB36 (2014), Vor §  105, Rn.  14; Kilian in: Henssler/Strohn, GesellschaftsR 3 (2016), §  718 BGB, Rn.  2 ; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht6 (2006), §  4, Anm. IV.2, S.  32; Reuter, AcP 207 (2007), S.  673, 687 ff.; C. Schäfer in: HGB GroßKomm III5 (2009), §  105, Rn.  39; Steitz in: Henssler/Strohn, GesellschaftsR3 (2016), §  124 HGB, Rn.  1 f.; Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB V6 (2013), §  705, Rn.  307 ff.; Weitemeyer in: Oetker, HGB 4 (2015), §  105, Rn.  7.

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sem Grund einer besonderen Rechtfertigung bedarf. So sieht Karsten Schmidt in seinem Gesellschaftslehrbuch die dogmengeschichtliche Entwicklung der Gesamthandlehre als Hindernis für den „Mutsprung“ einer Anerkennung der Rechtspersönlichkeit der Personengesellschaft.38 Peter Ulmer identifiziert die gesellschaftsrechtliche Gesamthand als „Teil einer seit Jahrhunderten gewachsenen […] Rechtstradition“, so dass es schon einer besonders klaren Positionierung des Gesetzgebers bedürfe, um sich von ihr zu verabschieden.39 Sogar Thomas Raiser selbst gibt zu bedenken, dass es immerhin um die Alternative geht, ob „die Figur der Gesamthand […] als geschichtsmächtiges juristisches Modell festgehalten oder zurückgedrängt werden soll“.40 Auch vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, jene „Geschichtsmacht“ genauer zu quantifizieren, um ggf. das erforderliche Maß an dogmatisch-gestalterischer oder rechtspolitischer Willenskraft zu ermessen, die notwendig wäre, um das Gesamthandmodell zugunsten eines Modells der juristischen Person „zurückzudrängen“. Dogmengeschichtliche Aufarbeitung der besonderen Merkmale der Verselbständigung historischer Gesellschaftsformen. Um die Frage zu klären, wie die Gesamthandidee Einzug in das Gesellschaftsrecht gefunden hat, ist zu ermitteln, wie es bei Vorläuferfiguren der heutigen Personenaußengesellschaften zu den betreffenden rechtlichen Verselbständigungstendenzen auf der Objekt- sowie auf der Subjektseite gekommen ist. Einer solchen Vorgehensweise folgt bereits Susanne Lepsius in ihren Ausführungen zu §§  705–740 BGB im Historisch-Kritischen Kommentar.41 Nur gestreift wird jener Aspekt jedoch von Autoren, die die Gesamthand historisch aufgearbeitet haben.42 Gerhard Buchda widmet der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in seiner „Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre“ zwar ein gutes Dutzend Seiten, setzt jedoch erst ab dem 17. Jahrhundert an, kann bis Ende des 18. Jahrhunderts in den Quellen Spuren einer gesellschaftsrechtlichen Verselbständigung weder auf Objekt- noch auf Subjektseite erkennen und konzentriert sich deshalb auf Fragen der Haftung, Vertretung, der Firma und der Stellung des Erben verstorbener Gesellschafter.43 Annette Ascheuer behandelt keine altrechtlichen Gesellschaftsformen, sondern beschränkt ihre gesellschaftsrechtli38 

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 (2002), §  80, S.  185. Ulmer, AcP 198 (1998), S.  113, 120; vorsichtiger zum historischen Gewicht der Gesamthandfigur aber Ulmer/Schäfer in: MünchKomm-BGB V6 (2013), §  705, Rn.  289. 40  Raiser, AcP 194 (1994), S.  495, 499. 41  Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  47 ff. 42 In Gierke, GenossenschR II (1873), S.   923 ff., finden sich zwar einzelne Passagen zu historischen Personengesellschaften (etwa S.  934 ff., 943), die aber nicht mit Quellenzitaten belegt sind; Gierke, GenossenschR III (1881), S.  818 ff., berücksichtigt deutsche Statuten der frühen Neuzeit, findet dort aber keine deutlichen Merkmale einer Verselbständigung; Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  832, spricht kurz die Sachsenspiegelstelle SSp. I, 12, an, verweist im Einzelnen aber auf andere Autoren. 43  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  101 ff. 39 

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chen Untersuchungen auf die römische societas und auf die Ausgestaltung des deutschen Gesellschaftsrechts im und nach dem deutschen Kodifikationsprozess zum BGB.44 Die Arbeit Thomas Wächters ist von vornherein auf die Frage der „Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch“ ausgerichtet, so dass sich seine Ausführungen zu den spezifischen Verselbständigungsansätzen bei bestimmten Gesellschaftsformen erst mit der Zeit ab dem 19. Jahrhundert befassen.45 Mehr Erkenntnisse liefern hingegen Werke, die der Geschichte des Gesellschaftsrechts gewidmet sind. Zum antiken römischen Recht ist Franz Wieackers Schrift aus den 1930er Jahren zu nennen,46 in neuerer Zeit stechen die Arbeiten Franz-Stefan Meissels47 und Andreas M. Fleckners48 hervor, zum Gesellschaftsrecht der mittelalterlichen Hanse die Schrift von Albrecht Cordes49. Johannes Wertenbruch liefert wiederum eine umfassende historische Untersuchung des deutschen Gesellschaftsrechts ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.50 Von großem Wert für die vorliegende Bearbeitung ist außerdem die Dissertation Ralf Mehrs über die inhaltlichen Annäherungen zwischen den rezipierten römischrechtlichen Figuren der societas und universitas,51 die Merkmale der Verselbständigung der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern behandelt und insofern als Pionierleistung anzuerkennen ist, an welche es anzuknüpfen gilt. Als hilfreich erweisen sich ferner Einzeldarstellungen zu bestimmten Aspekten historischer Gesellschaftsformen.52 Dessen ungeachtet fehlt es an einer linearen Untersuchung von Entstehung und Entwicklung der hier interessierenden Verselbständigungsansätze in der Geschichte des Gesellschaftsrechts bis zur Einführung des BGB und des 44 

Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  34 ff., 207 ff., 226 ff. Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  8 ff., 41 ff., 55 ff.; beachte aber die kurze historische Einführung in S.  31 ff. 46  Wieacker, Societas, Hausgemeinschaft und Erwerbsgesellschaft – Untersuchungen zur Geschichte des römischen Gesellschaftsrechts, Erster Teil, Weimar, 1936. 47  Meissel, Societas, Struktur und Typenvielfalt des römischen Gesellschaftsvertrages, Frankfurt u. a., 2004. 48  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, Ein Beitrag zu den konzeptionellen und historischen Grundlagen der Aktiengesellschaft, Köln u. a., 2010. 49  Cordes, Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, Köln u. a., 1998. 50  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  45 ff. 51  Mehr, Societas und universitas, Römischrechtliche Institute im Unternehmensgesellschaftsrecht vor 1800, Köln u. a., 2008. 52  Monografische Darstellungen: E. Lutz, Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der Fugger, 1.  Bd., Tübingen, 1976; Riebartsch, Augsburger Handelsgesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts, Bergisch-Gladbach, 1987; F. Thomas, Die persönliche Haftung von Gesellschaftern von Personengesellschaften in der historischen Entwicklung der Neuzeit, Berlin, 2003; Kischka, Todesbedingtes Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personenhandelsgesellschaft, Münster, 2005; v. Ciriacy-Wantrup, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen der Renaissance, Berlin, 2007; Söhnchen, Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen von Handelsund Aktiengesellschaften, Berlin, 2005; weitere Darstellungen: Cordes in: FS Graßmann (2005), S.  517; Schmoeckel, WirtschaftsRG (2008), Rn.  241 ff. 45 

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HGB. Auch die Rolle des Naturrechts und der von ihr vorgebrachten Theorie der moralischen und später der juristischen Person bei der konzeptionellen Erfassung herausgebildeter Verselbständigungstendenzen im alten Gesellschaftsrecht53 bedarf einer in diesen Zusammenhang gesetzten Erörterung. Alte Figuren der gesamten Hand. Die Untersuchung von Entstehung und Entwicklung der Verselbständigungsansätze bei historischen Gesellschaftsformen ermöglicht deren Gegenüberstellung mit den charakteristischen Merkmalen historischer Figuren der gesamten Hand. Letztere sind in der Vergangenheit durchaus monografisch aufgearbeitet worden, namentlich in den bereits zitierten Werken Buchdas und Ascheuers.54 Zur Identifizierung entsprechender alter Gesamthandfiguren sind jene Autoren, wie zuvor auch schon Gierke, strukturbezogen vorgegangen: Sie haben in verschiedenen Arten von Personenzusammenschlüssen des alten Rechts – darunter etwa auch in der Gesamtbelehnung mehrerer Vasallen55, der Erbverbrüderung56 und der ritterlichen Ganerbschaft57 – nach Merkmalen gesucht, die sich dem Gesamthandprinzip zuordnen ließen. Für die vorliegende Arbeit erscheint dieser Weg nicht zielführend, da als Verbindung zwischen solchen historischen Personengemeinschaften und der Gesellschaft lediglich die je nach Konstruktion variabel ausgestalteten und damit nur grundsätzlich als Gesamthandmerkmale identifizierten Eigenschaften stehen. Jene historischen Rechtsfiguren haben aber andere Bedürfnisse erfüllt und beruhten auf dementsprechend unterschiedlichen tatbestandlichen Grundlagen. Ein genetischer Zusammenhang zwischen ihnen und der heutigen Personengesellschaft liegt daher nicht nahe.58 Einen größeren Erkenntniswert verspricht demgegenüber die Auswertung alter Rechtskon­ strukte, welche die heutige gesellschaftsrechtliche Gesamthand terminologisch geprägt haben, also diejenigen Figuren des alten Rechts, die bereits in zeitgenössischen Quellen mit der Bezeichnung „gesamte Hand“ oder einer (lateini53  Nach wie vor grundlegend Gierke, GenossenschR IV (1913), S.  415 ff., 508 ff.; s. auch Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217 ff.; Brauneder, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  263 ff.; Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  152; Wächter, Gesamthandsgemeinschaften, S.  35 f.; beide Letzte jeweils zur Qualifizierung der Ehegemeinschaft als „mystische Person“ durch Johann Christian Hasse. 54  S. o., Rn.  8. 55  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.   35  ff.; Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  66 ff. 56  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  87 ff. 57  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.   54 ff.; Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  79 ff. 58 Die Feststellung in Gierke, DPR I (1895), §   80, S.  666, Fn.  12, mit Bezug auf SSp. LandR, I, 12 (zu dieser Sachsenspiegelstelle, s. u., Rn.  73), der Ursprung der Gewerbegemeinschaft aus der Ganerbschaft zeige sich „deutlich“ in der Brüdergemeinschaft des Sachsenspiegels, ist vorschnell getroffen; weder belegt Gierke den historischen Zusammenhang zwischen der Ganerbschaft und der Brüdervereinigung noch zwischen der Brüdervereinigung und der Erwerbsgesellschaft – falls er diese mit dem Ausdruck „Gewerbegemeinschaft“ gemeint hat.

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schen) Entsprechung hiervon belegt wurden. Diese begründen überhaupt die historische Legitimität des heutigen Gesamthandbegriffs, sind aber bisher nicht Gegenstand zu einer zusammenhängenden Untersuchung gemacht worden, welche hier unternommen werden soll. Die „Begegnung“ zwischen Gesellschaft und Gesamthand. Zu er- 10 forschen ist weiter, warum und in welcher Weise die moderne Gesamthandtheorie dem Recht der Personengesellschaften zugrunde gelegt wurde, es also zu der „Begegnung“ zwischen Gesellschaft und Gesamthand gekommen ist. Notwendig sind dafür zunächst Erkenntnisse zur Entstehung und Entwicklung der modernen Gesamthandtheorie. Hierbei kann teilweise auf die Arbeiten Buchdas, Ascheuers und Wächters zurückgegriffen werden. Weitere Autoren haben sich zudem in Aufsätzen zu dem Thema geäußert, darunter Jan Schröder59 und Ulrike Seif60. Klärungsbedürftig bleibt, wie Vorläuferkonstruktionen auf die Gesamthandtheorie Einfluss genommen haben. Zu ergänzen und teilweise zu korrigieren ist aber vor allem der Forschungsstand zur frühen Phase der Gesamthandtheorie: Wenig erörtert wurden bisher die Verbindungslinien zwischen den namensgebenden alten Figuren der Gesamthand und der Entstehung der Gesamthandlehre. Kritisch zu hinterfragen ist die Rolle derjenigen Autoren bei der Gestaltung der modernen Gesamthand, die heute allgemein als deren Impulsgeber angesehen werden. Einer Neubewertung bedarf außerdem die Rezeption der Gesamthandtheorie in Rechtsprechung und Lehre vor Inkrafttreten des BGB. Besser erforscht ist zwar schließlich die Bedeutung der Gesamthandtheorie im Kodifikationsprozess des BGB und des neuen HGB, doch erscheint auch hier eine kritische Überprüfung des bisherigen Forschungsstands, insbesondere aber eine umfassendere Berücksichtigung der Vorarbeiten zum BGB geboten.

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J. Schröder, Qu. Fior., 11/12, 1 (1982/83), S.  399. Seif, ZRG-GA Bd. 118 (2001), S.  302.

1. Teil

Gesellschaft und Gesamthand vor ihrer Begegnung Kennzeichnend für die gesellschaftsrechtliche Gesamthand sind zum einen die 11 Verselbständigungsmerkmale, die die Personenaußengesellschaft von anderen Personengemeinschaften abgrenzt, und zum anderen ihre Bezeichnung als „gesamte Hand“. Im ersten Kapitel werden daher historische Gesellschaftskon­ struktionen nach Merkmalen der Verselbständigung von den jeweiligen Gesellschaftern untersucht. Das zweite Kapitel behandelt sodann diejenigen Figuren des alten Rechts, die in verschiedenen Epochen ihrer Existenz mit dem Begriff der „gesamten Hand“ in Verbindung standen.

1. Kapitel

Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: Verselbständigungsmerkmale in historischen Gesellschaftsformen Bevor historische Gesellschaftsstrukturen nach möglichen Merkmalen der 12 Verselbständigung von den sie bildenden Gesellschaftern untersucht werden, müssen zwei Fragen geklärt werden. Zum einen ist darzulegen, welcher Gesellschaftsbegriff einer entsprechenden Prüfung überhaupt zugrunde zu legen ist. Zum anderen ist genauer darauf einzugehen, was unter den Verselbständigungsmerkmalen der Gesellschaft verstanden werden soll. In der Frage nach dem zugrunde zu legenden Gesellschaftsbegriff müssen 13 Gesellschaftskonstruktionen mehrerer verschiedener Rechtssysteme oder Regelwerke berücksichtigt werden, darunter die römische societas, gemeinrechtliche Rezeptionen derselben und evtl. von einer Rezeption unberührt gebliebene, spontan entwickelte sowie in der Folge kodifizierte Strukturen. Auch innerhalb eines bestimmten gesetzlichen Rahmens sind meistens verschiedene Konstruktionsmodelle zu beachten. Die römische societas bildete lediglich ein begriffliches Dach für zahlreiche Gesellschaftstypen, welche teilweise abweichenden Regeln folgten. Die gleiche Beobachtung trifft auch auf die meisten Kodifikationen bis hin zum heutigen deutschen Gesellschaftsrecht zu. Den Ausgangspunkt der Untersuchung sollten jedenfalls diejenigen Gesellschafts­ typen des geltenden Rechts bilden, welche die hier interessierenden Merkmale der Verselbständigung aufweisen, also die als Gesamthandgesellschaft ausgeprägte BGB-Gesellschaft sowie die gemäß §§  105 Abs.  3, 161 Abs.  2 HGB nach ihrem Beispiel konstruierten Personengesellschaften des Handelsrechts. Das bedeutet, dass insbesondere jene historischen Strukturen von Interesse sind, die auf einen gemeinsamen Willensentschluss ihrer Teilnehmer begründet sind, welche sich zur Erreichung eigener Zwecke verbunden haben. Dies kann ein wirtschaftliches Ziel sein, so etwa bei den sich im Mittelalter herausbildenden Handelsgesellschaften, aber evtl. auch bei anderen „Erwerbs‑“Gesellschaften. Einen geringen Aufschlusswert haben hingegen Personenzusammenschlüsse, welche zwar wirtschaftliche Ziele verfolgen, in ihrer Konstruktion aber obrigkeitlich-staatliche („öffentlich-rechtliche“) Elemente integrieren, die den privatrechtlichen Charakter des Verbands und damit auch die Vergleichbarkeit zu den heute bestehenden Personenaußengesellschaften des bürgerlichen und des

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Handelsrechts reduzieren. Auch Zusammenschlüsse zu nichtwirtschaftlichen Zielen können evtl. interessant sein, jedoch vor allem dann, wenn es sich gleichwohl um eigene, private Ziele (weniger: Ziele des Gemeinwohls) ihrer Mitglieder handelt. Gleichzeitig wird der Fokus insbesondere auf diejenigen Gebilde gerichtet, welche ein gewisses Maß an Verselbständigung in Bezug auf ihre Mitglieder erreicht haben. Es handelt sich also um solche Strukturen, deren rechtliche Gestalt heute mit dem Begriff „Gesamthand“ in Verbindung gebracht wird. Von geringerem Interesse sind somit einerseits rein schuldrechtlich geprägte Konstruktionen und andererseits korporatistisch organisierte Vereinigungen, bei welchen das Individuum ganz oder beinahe ganz von der betreffenden Struktur zurücktritt („Vereine“ oder „Genossenschaften“). Nicht ausgeschlossen ist freilich, dass auch die Untersuchung solcher Strukturen zweckmäßig sein kann, wenn sie eine gewisse Rolle in der Entwicklung hier eher interessierender Personenzusammenschlüsse gespielt haben könnten. Das trifft etwa zu für die römische universitas, welche die deutsche Konzeption der juristischen Person maßgeblich mitgeprägt hat. Auch die weitgehend schuldrechtlich organisierte societas römischen Rechts kann im Rahmen dieser Prüfung nicht fehlen. Oft wird man sich bei der Suche nach geeigneten Quellen von verwendeten Bezeichnungen leiten lassen. Die Ausdrücke societas, Gesellschaft, Maskopey, Compagnie u. a. stellen in dieser Hinsicht hilfreiche Anhaltspunkte dar.1 In Bezug auf die Verselbständigungsmerkmale, nach denen die historischen Gesellschaftskonstruktionen zu untersuchen sind, orientieren sich die nachfolgenden Ausführungen an den Eigenschaften, die gemeinhin der Gesamthand nach modernem Verständnis zugeschrieben werden. Diese Charakteristika reichen je nach Grad der Verselbständigung mehr oder weniger weit. Sie können auf die objektive Seite beschränkt sein, also nur die der Gesellschaft zugewiesenen Vermögensgüter betreffen, oder auch die subjektive Seite erfassen, also die Personenvereinigung als solche zu einem Rechtsakteur ausgestalten. Ausgehend etwa von den Protokollen der Zweiten BGB-Kommission 2 ist eine dingliche Bindung jener Gegenstände denkbar, so dass ein einzelner Gesellschafter über seinen Anteil an ihnen nicht verfügen und, wie es vielleicht praxisrelevanter ist, der Privatgläubiger eines Gesellschafters den betreffenden Anteil auch nicht pfänden kann. Einen Schritt weiter ginge die Feststellung, dass den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit ein Sondervermögen mit Gesellschaftsaktiva und -passiva zugeordnet ist, welches von den Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter mehr oder weniger durchdringend geschieden wäre. In Beziehung dazu steht außerdem der Mechanismus der Anwachsung, wie er heute in §  738 Abs.  1 Satz  1 BGB zum Ausdruck kommt. Der stärkste Grad der Verselb1 Vgl. 2 

Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  42. S. u., Rn.  4 44 ff.

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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ständigung ist schließlich bei einer Subjektivierung der Gesellschaft erreicht, wie sie von Werner Flume vertreten3 und letztendlich vom BGH in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2001 anerkannt worden ist4. Nicht im Schwerpunkt berücksichtigt werden hingegen rein schuldrechtlich wirkende, an die Gesellschafter gerichtete Verbote, über die Gesellschaftsgüter anteilig zu verfügen; ein solches Verbot erscheint selbstverständlich, soweit eine entsprechende Verfügung gegen den Gesellschaftszweck verstieße. Ebenfalls nicht zum Kern der berücksichtigten Eigenschaften gehören Beschränkungen der einzelnen Gesellschafter in Bezug auf Nutzungs- und Verwaltungsrechte an den Gesellschaftsgütern. Zu den hier untersuchten charakteristischen Merkmalen der heutigen Gesamthand zählen schließlich auch solche Eigenschaften nicht, die dem Gesellschaftsverhältnis zwar zu einer gewissen Außenentfaltung verhelfen, aber weder das Gesellschaftsvermögen noch die eigene Subjektqualität betreffen. Dazu gehört insbesondere das Merkmal der etwa bei Handelsgesellschaften anzutreffenden solidarischen Haftung der Gesellschafter für Verpflichtungen der Gesellschaft, welches in der Folge allenfalls nebenbei berücksichtigt werden kann. Vier Aspekte sind nachfolgend zu behandeln. Impulse für das deutsche Gesellschaftsrecht bilden das römische Recht (§  1) sowie, in Bezug auf bestimmte Merkmale der Gesellschaftsverselbständigung, kontinentaleuropäische Quellen des Mittelalters und der Neuzeit (§  2). Hierauf aufbauend ist die Herausbildung entsprechender Merkmale in deutschen Quellen bis Ende des Usus modernus (§  3) und des 19. Jahrhunderts (§  4) zu untersuchen.

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts Bei der Gesamthand wird seit jeher der altdeutsche Ursprung hervorgehoben 15 und von römischen Rechtskonstruktionen abgegrenzt.5 Besonders Gierke sah im römischen Recht eine scharfe Abgrenzung zwischen der individualistischen societas und der zu einer einzigen juristischen Person verschmolzenen universitas, wohingegen das altdeutsche Recht eine Vielzahl von Zwischenformen zugelassen habe.6 Einige Autoren des 20. Jahrhunderts haben hingegen versucht, Gemeinsamkeiten zwischen römischen Personenzusammenschlüssen und altdeutschen Gesamthandgemeinschaften herauszuarbeiten.7 In der heuti3 

S. u., Rn.  4 48. BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 5  S. etwa M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  12. 6  Gierke, GenossenschR II (1873), S.   924; s. bereits auch schon Beseler, Volksrecht (1843), S.  163 ff. 7  Zur Gesamthand als Thema der Romanistik des 20. Jahrhundert s. Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  19. 4 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

gen Forschung wird die Rechtslage im antiken Rom differenzierter betrachtet, was sich in der Untersuchung der altrömischen societas ercto non cito zeigt (I), sich in manchen Punkten aber auch noch aus den klassischen Formen römischer Personenzusammenschlüsse ergibt (II).

I.  Die altrömische societas ercto non cito 16

Die Ursprünge der societas ercto non cito8 liegen im Dunkeln. Es ist vermutet worden, dass diese Rechtsform bereits im letzten Jahrhundert der Republik außer Übung geraten ist,9 spätestens aber zu Zeiten des Gaius im 2. Jahrhundert n. Chr. war sie nicht mehr in Gebrauch.10 Die Quellen zu dieser Rechtskonstruktion sind spärlich und konzentrieren sich hauptsächlich auf eine 1933 entdeckte Gaiushandschrift aus dem beginnenden 6. Jahrhundert n. Chr. (Fragmenta Florentina).11 Dementsprechend gering sind die Informationen über diese Institution. Nach Gaius handelte es sich um eine „societas“, die nach dem Tod des Familienvaters von seinen Hauserben (heredes) gebildet wurde und in alter Zeit „ercto non cito“ hieß, was Gaius – wohl fälschlich12 – mit „dominio non diviso“ übersetzt,13 auf Deutsch etwa: „mit ungeteiltem Eigentum“. Im gleichen Fragment wird weiter beschrieben, dass eine solche societas auch unabhängig von einer Erbkonstellation mittels Prätorspruchs gegründet werden konnte, wenn sich mehrere Personen zu diesem Zweck zusammenschließen wollten.14 Für diese beiden Formen war kennzeichnend, dass ein einziger der Gesellschafter („unus ex sociis“) mit Wirkung für und gegen alle Mitglieder des Zusammenschlusses einen gemeinschaftlichen Sklaven freilassen oder eine gemeinschaftliche Sache manzipieren, also förmlich übereignen konnte.15 Zu der eigentlichen Struktur jener societas, insbesondere zu den möglichen Bindungswirkungen in Bezug auf gemeinschaftliche Vermögensgegenstände, schweigt die Passage. Eine andere, nichtjuristische Quelle scheint zu bezeugen, die Gesellschaft sei ursprünglich unteilbar gewesen („societas inseparabilis“).16 Nimmt man diese Formulierung beim Wort, stellt sich freilich 8 In der modernen Literatur wird auch der Ausdruck „consortium ercto non cito“ gebraucht, dazu Nelson/Manthe, Gai III 88–181 (1999), S.  536 ff. 9 So Meissel, Societas (2004), S.  54, m. w. N.; s. auch Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), S.  331. 10  So ausdrücklich Gaius, Inst. III, 154a. 11 Dazu Manthe, Gaius Institutiones (2004), S.   17; auch „Gaiusfund von Antinoe“ genannt, s. Meissel, Societas (2004), S.  22. 12 Dazu Nelson/Manthe, Gai III 88–181 (1999), S.  334, 531 ff.; Flach, Zwölftafelgesetz (2004), S.  19, 202. 13  Gaius, Inst. III, 154a. 14  Gaius, Inst. III, 154b. 15  Gaius, Inst. III, 154b; vgl. Babusiaux, Röm. ErbR (2015), S.  86. 16  Gellius, Noctes atticae, 1, 9, 12; abgedruckt in: Herz, Noct. Attic. I (1861), S.  50; auch abgedruckt in: Meissel, Societas (2004), S.  79, und in Flach, Zwölftafelgesetz (2004), S.  94.

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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das Problem, wie die Verwaltung der societas bei immer wachsender Nachkommenzahl im Verlauf der nachfolgenden Generationen aufrecht erhalten werden konnte. Vielleicht schloss „inseparabilis“ auch gar nicht die Teilbarkeit der Gesellschaft an sich aus, sondern bezeugte nur das Fehlen quotenmäßig gedachter Anteile in der Zeit des Bestehens der societas ercto non cito.17 Möglicherweise hatte der – nichtjuristische – Autor auch nicht die Absicht, Ausdrücke mit rechtlich präziser Tragweite zu gebrauchen. In der modernen Literatur ist man sich jedenfalls darüber einig, dass zumindest mit Einführung der XIITafel-Gesetzgebung eine klageweise Durchsetzung der Teilung (actio familiae erciscundae18 ) möglich war.19 Die Gaiusfragmente zur societas ercto non cito sind nach ihrem Fund in der 17 Lehre umfassend untersucht worden.20 Einige Autoren setzen jene Gesellschaftsform mit der Gesamthand in Beziehung,21 mit der Begründung, sie habe ein gemeinschaftliches Gesamtvermögen entstehen lassen, welches ein persönliches Vermögen der jeweiligen Gesellschafter verhindert habe.22 Es seien weiter keine ideellen Anteile der Einzelnen gebildet worden, sondern alles habe allen gemeinsam gehört.23 Ferner habe das Ausscheiden einer der Sozien die Anwachsung seines Anteils zugunsten der verbleibenden Mitglieder bewirkt.24 Nun soll hier die Berechtigung eines Vergleichs mit der Gesamthand über indirekte Rückschlüsse aus anderen römischen Rechtsfiguren nicht grundsätzlich bestritten werden. So erscheint etwa die Bildung eines einheitlichen Vermögens in Anlehnung an die exklusive Rechts- und Vermögensfähigkeit des Hausvaters durchaus plausibel. Freilich sollte auch die dünne Quellengrundlage nicht aus den Augen gelassen werden. Es existieren keine zeitgenössische Quellen, vielmehr berichtetet nur eine einzige juristische Quelle aus der klassischen Zeit von der societas ercto non cito und auch diese gibt nicht unmittelbar darüber Auskunft, wie das vermögensrechtliche Verhältnis zwischen den Sozien aussah. Genauere Aussagen über die Teilbarkeit, über mögliche Verfügungsberechti17 So

Meissel, Societas (2004), S.  80. V, 10, zitiert in Gaius, Dig. 10, 2, 1 pr.; hierzu auch Flach, Zwölftafelgesetz (2004), S.  202 f. 19  Babusiaux, Röm. ErbR (2015), S.   86; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), S.  332; Kaser, RPR I 2 (1971), §  24, S.  100; Meissel, Societas (2004), S.  79; Wieacker, Societas (1936), S.  105 f., Fn.  2 . 20 Etwa Arangio-Ruiz, Società (1950), S.   3 ff., m. w. N.; zuletzt noch Meissel, Societas (2004), S.  78 ff.; Nelson/Manthe, Gai III 88–181 (1999), S.  329 ff.; Flach, Zwölftafelgesetz (2004), S.  202 f. 21  Wieacker, Societas (1936), S.  128 ff.; Kaser, RPR I 2 (1936), §  24, S.  100; ders., SDHI 61 (1975), S.  278, 286; Meissel, Societas (2004), S.  53, 83; in diese Richtung neigend wohl auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  32. 22  Wieacker, Societas (1936), S.  129; Kaser, RPR I 2 (1971), §  24, S.  99. 23  Wieacker, Societas (1936), S.  129; Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  24; Meissel, Societas (2004), S.  83; vgl. auch Zimmermann, Law of Obligations (1990/1996), S.  452. 24  Kaser, RPR I 2 (1971), §  180, S.  730. 18 Tab.,

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

gung in Bezug auf Anteile am Gesamtgut und über die Anwachsung fehlen. Sich anbietende Vergleiche mit der Figur der Gesamthand können daher nur unter Vorbehalt stehen.25

II.  Personenzusammenschlüsse der klassischen römischen Rechtswissenschaft 1)  Communio und societas 18

Das klassische römische Recht sah verschiedene Momente vor, die dazu führen konnten, dass mehrere Personen Eigentümer einer Sache wurden. Nach Gaius entstand ein solches Gemeinschaftsverhältnis (communio) aufgrund eines Sozietätsverhältnisses oder aber deswegen, weil mehrere Parteien eine Sache gemeinschaftlich gekauft oder geerbt haben.26 Die communio (a) stellte damit die Grundlage des gemeinschaftlichen Habens von Eigentum dar, auf die ggf. ein Sozietätsverhältnis (b) aufbauen konnte. a)  Die communio

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Soweit keine spezielleren gesellschafts- oder erbrechtlichen Regelungen eingriffen, bestimmte sich das Rechtsverhältnis zwischen Miteigentümern nach den Grundsätzen der communio. In der modernen Literatur wird besonders ihr individualistischer Charakter hervorgehoben, welcher sich von den Eigenschaften der Gesamthandgemeinschaft abgrenzt. Tatsächlich ist für die communio kennzeichnend, dass jedes Mitglied der Gemeinschaft Inhaber eines rechnerischen Bruchteils an dem Gegenstand war, über welchen er auch frei verfügen konnte.27 Auch stand es jedem Mitglied zu, durch besondere Klage (communi dividundo) 28 die Aufhebung der Gemeinschaft und Realteilung der betreffenden Vermögensgegenstände zu bewirken. Diese Befugnis konnte zwar vertraglich ausgeschlossen werden, jedoch nur zeitlich befristet, nicht für die Ewigkeit.29 Damit bestand keine besonders ausgeprägte persönliche Bindungswirkung in der Art einer Gesamthandgemeinschaft. Ganz war sie davon jedoch auch nicht frei: Die Dereliktion eines Anteils 25  Vorsichtig etwa Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), S.  476, die die Gesamthand als Vergleich nicht heranziehen; zu den Gefahren einer zu großen Entfernung von den Quellen überzeugend Meissel, Societas (2004), S.  27 ff. 26  Gaius, Dig. 10, 3, 2 pr.; Ulpian, Dig. 17, 2, 31; zu der Diskussion, ob der gemeinschaftliche Kauf in Wirklichkeit der Fall einer societas darstellt, s. Drosdowski, Pro socio (1997), S.  17 f. 27  Ulpian (mit Bezug auf Julian), Dig. 10, 3, 6, 8 f. (Verpfändung des Anteils); Ulpian, Dig. 10, 3, 7, 13 (Verpfändung und Veräußerung des Anteils); Ulpian (mit Bezug auf Celsus), Dig. 19, 1, 13, 17 (Veräußerung des Anteils), weitere Digestenstellen zur Verfügungsbefugnis bei Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  39. 28  Dig. 10, 3; Meyer-Pritzl in: HKK III.2 (2013), §§  741–758, Rn.  13. 29  Paulus, Dig. 10, 3, 14, 2.

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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durch eines der Mitglieder bewirkte, dass sich die Anteile der verbleibenden Mitglieder automatisch entsprechend erhöhten.30 Es kam also zu einer Übertragung von Rechtspositionen, die mit der Anwachsung, wie sie im Zusammenhang mit einer Gesamthand typisch ist, vergleichbar war. Diese Eigenheit der römischen communio gilt es zu unterstreichen, da sie unter Geltung des ADHGB möglicherweise zum Vorbild für den Mechanismus der Anwachsung im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer OHG genommen wurde.31 b)  Die societas Die klassischrömische societas wird traditionell als ein Institut angesehen, des- 21 sen individualistische Ausgestaltung im Gegensatz zu den Verbandsformen auf Grundlage des Gesamthandprinzips steht. Tatsächlich finden sich in der societas auf den ersten Blick kaum Merkmale, die auf Tendenzen einer Verselbständigung etwa eines eigenen Vermögens schließen lassen (aa). Ganz frei von solchen Merkmalen war die societas möglicherweise aber auch nicht (bb). aa)  Das individualistische Konzept der societas Das klassische römische Recht kannte zahlreiche Gesellschaftstypen, darunter 22 verschiedene Spezialformen.32 Zwei Kategorien können nachfolgend untersucht werden: die Universalsozietäten, die darauf abzielten, die Sozien grundsätzlich an jedem Erwerb und Verlust aller anderen Sozien zu beteiligen, und die partiellen Sozietäten, die ihre vermögensrechtlichen Wirkungen nur im Rahmen eines bestimmten Gesellschaftszwecks entfalteten.33 Die partiellen Sozietäten zerfielen in eine Vielzahl kasuistisch ausgebildeter 23 Unterarten zum Zweck einer Tätigkeit im Bereich des Handels, des Handwerks, der Finanzwirtschaft, der Schifffahrt oder der Landwirtschaft; andere hatten nur die Ausführung eines einzelnen Geschäfts zum Ziel.34 Ihnen war gemeinsam, dass die societas nicht nur einvernehmlich aufgehoben werden konnte, 35 sondern jeder der socii grundsätzlich frei war, die societas aufzukündigen.36 Selbst bei einer Aufkündigung zur Unzeit soll den verbleibenden socii lediglich 30 

Modestin, Dig. 41, 7, 3. S. u., Rn.  202. 32  Meissel, Societas (2004), S.  266; Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  49 f. 33  Gaius, Inst., III, 148, spricht von societates totorum bonorum und den societates unius alicuius negotii; in den Digesten wird auch die sogenannte Steuerpachtgesellschaft (societas vectigalis) hinzugezählt, die jedoch vermögensrechtlich nicht auf die communio aufbaut, sondern einen körperschaftlichen Charakter hat, s. Meissel, Societas (2004), S.  205 ff., 209 f.; Wieacker, ZRG-RA 69 (1952), S.  302, 332 f. 34  Meissel, Societas (2004), S.  131 ff. 35  Ulpian, Dig. 17, 2, 65, 3. 36  S. Gaius, Inst., III, 151; dazu Wieacker, ZRG-RA 69 (1952), S.  302, 314 ff., m. w. N.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), S.  333. 31 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

ein Schadensersatzanspruch im Rahmen der actio pro socio gewährt, die Beendigung des Sozietätsverhältnisses aber unberührt gelassen worden sein.37 Eine Vertragsklausel, die die einseitige Beendigung des Sozietätsverhältnisses durch einen der socii dauerhaft ausschloss, war unwirksam; 38 es konnte keine societas für die Ewigkeit eingegangen werden.39 Selbst ein zeitlich begrenzter Ausschluss der Aufkündigung war möglicherweise nicht unproblematisch.40 Ein eigenes Gesellschaftssubjekt sowie ein abgesondertes Gesellschaftsvermögen waren nicht vorhanden. Zum einen richteten sich Drittforderungen nicht gegen die societas als solche oder auch nur gegen die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit, sie waren vielmehr von vornherein als Teilforderungen gegen die einzelnen Gesellschafter ausgestaltet.41 Individualistisch inspiriert war zum anderen die Art und Weise, wie den Sozietäten Vermögenswerte zugeordnet wurden. Dass einzelne Güter überhaupt vergemeinschaftet werden konnten, war möglich, entweder durch Beiträge der socii,42 weil die societas von vornherein zur Bewirtschaftung eines bestimmten gemeinsamen Guts begründet wurde,43 oder vielleicht auch durch gemeinsamen Erwerb von Sachen durch eine im Bereich des Handels tätige societas; 44 jedenfalls folgte die Zusammenlegung von Vermögenswerten für Gesellschaftszwecke – soweit sie nicht nur zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden – den Regeln der communio.45 Vom Grundsatz, dass jeder Teilhaber einer communio über seinen Anteil verfügen konnte,46 wurde auch dann nicht abgewichen, wenn die betreffenden Vermögenswerte die Basis für eine societas bildeten. Die gesellschaftsrechtliche Verbindung ist auf die dingliche Verfügungsbefugnis der Gesellschafter also ohne Wirkung; die Gesellschafter konnten damit ohne Weiteres ihre jeweiligen Anteile an den gemeinschaftlichen Vermögenswerten wirksam veräußern. Das ergibt sich nicht nur aus den Digestenpassagen über die communio, sondern wird auch in einer 37 So Wieacker, ZRG-RA 69 (1952), S.  302, 314 ff., insbesondere unter Bezugnahme auf Ulpian, Dig. 17, 2, 14; beachte aber Ulpian 17, 2, 65, 3, wonach der ausscheidende Gesellschafter bei treuwidriger Kündigung einen Gewinn teilen muss, der vor Kündigung zu erwarten gewesen, aber erst danach angefallen ist; vgl. auch Ulpian 17, 2, 65, 4–6. 38  Ulpian (mit Bezug auf Pomponius), Dig. 17, 2, 14. 39  Paulus, Dig. 17, 2, 70. 40 Dazu Litewski, RIDA 25 (1978), S.  279, 280 ff. 41  Paulus, Dig. 17, 2, 3 pr.; zu den Besonderheiten bei den societates auf dem Gebiet der Finanzwirtschaft („Argentariergesellschaften“), s. Meissel, Societas (2004), S.  160 ff. 42  Ulpian, Dig. 17, 2, 29 pr.; s. auch Meissel, Societas (2004), S.  271 ff., m. w. N.; umstritten ist in der modernen Literatur lediglich, ob die socii zur Beitragsleistung auch verpflichtet waren, dazu Meissel, Societas (2004), S.  268 f. 43  Wieacker, ZRG-RA 69 (1952), S.  302, 333. 44  Meissel, Societas (2004), S.  269 ff. 45  Gaius, Dig. 10, 3, 2 pr.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), S.  332 f.; Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  346 ff.; Meyer-Pritzl in: HKK III.2 (2013), §§  741–758, Rn.  10; Zimmermann, Law of Obligations (1990/1996), S.  465. 46  S. etwa zur Verpfändung eines solchen Anteils, Ulpian, Dig. 10, 3, 7, 13; zur Veräußerung des Anteils, s. Ulpian (mit Bezug auf Celsus), Dig. 17, 1, 13, 17.

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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Gaiusstelle im Zusammenhang mit der societas deutlich: Keiner der Gesellschafter kann mehr als seinen Anteil veräußern („nemo ex sociis plus parte sua potest alienare“).47 Die individualistische Ausgestaltung der römischen partiellen Sozietät ging also offenbar so weit, dass auch hinkende Sozietätsverhältnisse in Kauf genommen wurden, in denen einer der socii in der Sozietät verblieb, obwohl er seinen Anteil an der eigentlich dem Zweck der societas gewidmeten Sache veräußert hatte.48 Immerhin waren die Gesellschafter gegenseitig „schuld­ rechtlich“ verpflichtet, eine Verfügung ihrer Anteile an den Gesellschaftsgütern zu unterlassen; bei Zuwiderhandlung drohte die Gesellschafterklage.49 Eine gesonderte Untersuchung erfordern die sogenannten Universalsozietä- 25 ten. Meissel unterscheidet unter ihnen die societas omnium bonorum von der societas universorum quae ex quaestu veniunt, wobei er mehrere Zwischenformen identifiziert.50 Gemeinsam sei ihnen, dass sie darauf abzielen, die Sozien grundsätzlich an jedem Erwerb und Verlust aller übrigen Sozien teilhaben zu lassen; doch während sich die societas universorum quae ex quaestu veniunt regelmäßig auf zukünftige Einkünfte und Verluste der Sozien beschränke, umfasse die societas omnium bonorum auch das zum Zeitpunkt der Eingehung der Sozietät gegenwärtige Vermögen der socii.51 Der Begriff „societas omnium bonorum“52 („Sozietät aller Güter“) findet sich in den Digesten vor allem bei den spätklassischen Autoren Paulus und Ulpian,53 aber auch bei Hochklassikern wie Cervidius M. Scaevola54 und Gaius55. Der allumfassende Charakter der societas omnium bonorum lässt den Vergleich mit der alten societas ercto non cito naheliegend erscheinen. Die Frage, ob sich jene aus dieser entwickelt hat, ist in der modernen Literatur umstritten,56 wird hier aber auf sich beruhen müssen.57 47  Gaius, Dig. 17, 2, 68 pr., dazu Meissel, Societas (2004), S.  262 f.; andere Digestenstellen zur Verfügungsbefugnis der Gesellschafter: Paulus, Dig. 12, 1, 16; 17, 2, 17 pr.; weitere Fundstellen bei Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  356 f., Fn.  99. 48  S. dazu Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  356 f. 49  Paulus, Dig. 17, 2, 17 pr.; zum obligatorisch wirkenden Veräußerungsverbot auch Knoke, Gesellschaft (1901), S.  3. 50  Meissel, Societas (2004), S.  105 ff. 51  Meissel, Societas (2004), S.  106 ff. 52  Inhaltsgleich auch „societas totorum bonorum“ und „societas universorum bonorum“, dazu Meissel, Societas (2004), S.  105. 53  Etwa Paulus, Dig. 17, 2, 1 pr.; 17, 2, 3, 1; 17, 2, 67, 1 („societas totorum bonorum“); Ulpian, Dig. 17, 2, 5 („societas universorum bonorum“); 17, 2, 52, 16–18; 17, 2, 63 pr. („societas universorum bonorum“); 54  Scaevola, Dig. 34, 1, 16, 3; zu möglichen nachklassischen Verfälschungen der Scaevola zugeschriebenen Digestenstellen, s. jedoch Kunkel, Juristen 2 (1967), S.  217; zu C. M. Scaevola s. auch Liebs, ZRG-RA 93 (1976), S.  291, 294 ff. 55  Gaius, Inst III, 148; Gaius, Dig. 17, 2, 68 pr. 56  Zum Streitstand Meissel, Societas (2004), S.  102 ff.; s. auch Kaser, SDHI 61 (1975), S.  278, 288. 57  Ohne Antwort auch Nelson/Manthe, Gai III 88–181, S.  331 f.; vorsichtige Mutmaßungen bei Meissel, Societas, S.  103.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Wenn eine Ulpianstelle zu bezeugen scheint, dass auch eine societas omnium bonorum, so wie eine partielle societas, einseitig aufgekündigt werden konnte,58 so ist in der modernen Literatur umstritten und bei aktueller Quellenlage vielleicht auch nicht mit Sicherheit zu klären, in welcher Art und Weise die Vergemeinschaftung der Vermögensgegenstände bei der societas omnium bonorum praktisch durchgeführt wurde. Theoretisch denkbar ist, dass diese Konstruktion zu einer rechtlichen oder faktischen Verschmelzung der Vermögen der socii zu einem einzigen Vermögen geführt hat59 – ähnlich wie bei der heutigen Gütergemeinschaft im ehelichen Güterrecht und möglicherweise wie bei der societas ercto non cito nach dem von den oben zitierten Autoren60 geäußerten Verständnis. Eine solche Konstruktion hätte erhebliche Folgen: Die persönlichen Vermögen der socii würden zugunsten eines neuen Verbandsvermögen untergehen, die bis dahin den einzelnen socii zustehenden Vermögenswerte würden allen gemeinsam zugestanden und sich jeglicher zukünftige Erwerb und Verlust sachenrechtlich ipso iure auf alle gemeinsam auswirken. Die Gegenposition wäre die, dass die societas omnium bonorum lediglich ein Schuldverhältnis begründete, das die socii zwar verpflichtete, ihre vorhandenen und zukünftigen Vermögenswerte sachenrechtlich mit den anderen zu teilen, die persönliche Vermögensfähigkeit der socii aber nicht berührte und auch nicht zum automatischen Miteigentum der zu erwerbenden Gegenstände führte. Wenn in der Lehre der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts manche Autoren mehr in Richtung der einen,61 andere mehr in Richtung der anderen Position tendierten,62 geben in der neueren deutschsprachigen Literatur vor allem vermittelnde Stimmen den Ausschlag. So soll die societas omnium bonorum über den Weg einer symbolischen, stillschweigenden oder fiktiven Übergabe der Vermögensgüter zwar unmittelbar zu einer sachenrechtlichen Vergemeinschaftung der vorhandenen Vermögensgegenstände nach Bruchteilen geführt haben, dadurch sei aber weder die eigentliche Vermögensfähigkeit der socii angetastet worden noch habe dies die automatische – sachenrechtliche – Vergemeinschaftung zukünftig erworbener Vermögenswerte zur Folge gehabt. Vielmehr sei es bei einer Innengesellschaft zwischen den socii verblieben, die somit lediglich 58 

S. Ulpian, Dig. 17, 2, 65, 3. Eine solche Interpretation ließe sich unbedarft etwa aus Paulus, Dig. 17, 2, 1, 1, Dig. 17, 2, 3, 1, und Ulpian, Dig. 17, 2, 73, herleiten. 60  S. o., Rn.  17. 61 Etwa Wieacker, Societas (1936), S.  131 ff., 138 ff., 149 ff.; in die gleiche Richtung zielend bereits Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  9. 62  Für die societas omnium bonorum als reine Innengesellschaft etwa Riccobono, ZRGRA 34 (1913), S.  159, 186 ff.: „Der Gesellschaftsvertrag kommt allein durch die Einigung zustande, welche natürlich, im klassischen Recht, nur die Verpflichtung zwischen den einzelnen Beteiligten begründen kann, sich gegenseitig die Güter zu übertragen, die sich in deren Vermögen befinden oder befinden werden“ (übersetzt aus dem Italienischen); s. im Einzelnen Meissel, Societas (2004), S.  231 ff. 59 

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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verpflichtet waren, ihre nach Gesellschaftsgründung getätigten Erwerbungen nachfolgend auszugleichen.63 Nimmt man an, dass die betreffenden (nachklassischen) Digestenpassagen 27 die klassische Rechtslage in Bezug auf die societas omnium bonorum nicht verfälscht darstellen, dann kann man zumindest davon ausgehen, dass diese Konstruktion nicht zu einer Verschmelzung der Vermögen der socii führte, dass gemeinschaftliche Vermögenswerte den socii nach Anteilen zustand und diese grundsätzlich hierüber verfügen durften. So musste etwa bei einer societas omnium bonorum unter bestimmten Voraussetzungen nicht die Gemeinschaft, sondern der socius selbst für die Verbindlichkeiten aus einer ihn betreffenden iniuria-Klage aufkommen.64 Eine solche Einzelverpflichtung des be­ troffenen socius wäre aber nicht denkbar, wenn ihm kein eigenes Vermögen zugewiesen ist. Auch konnte – selbst bei einer societas totorum bonorum – keiner der socii „mehr“ als seinen Anteil veräußern.65 Das lässt wiederum darauf schließen, dass die socii auch bei einer societas omnium bonorum die Rechtsmacht hatten, jedenfalls diesen Anteil frei zu veräußern. Damit kommt man zu dem Ergerbnis, dass die societas omnium bonorum in 28 ihrer Organisation wahrscheinlich gar nicht so weit entfernt von derjenigen der partiellen societas war: Beide konnten einseitig aufgekündigt werden und den einzelnen socii wurde das rechtliche Können zugestanden, ihre Bruchteile an der eigentlich der jeweiligen societas gewidmeten communio an Dritte zu übertragen. Von einer Gemeinschaft in der Art einer Gesamthand nach heutigem Verständnis war somit die societas omnium bonorum wohl ähnlich weit entfernt wie die partiellen societates. bb)  Ansätze einer Verselbständigung der societas? Die Merkmale der klassischen römischen societates, die dieselbe von denen der 29 heutigen Gesamthand entfernen, täuschen aber nicht darüber hinweg, dass durchaus einige Parallelen zu finden sind, die die Grenzen zumindest aufweichen. In der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts ist behauptet worden, es sei unzweifelhaft („incontestable“), dass die römische societas als moralisches Wesen („être moral“) in Erscheinung getreten und insofern einer korporativen Stadtgemeinde gleichgesetzt worden sei.66 Mit einer abstrakten Persönlichkeit („personnalité abstraite“) und einem moralischen Körper („corps moral“) seien insbesondere auch die einfachen und privaten Sozietäten versehen

63  Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  350, 360; Meissel, Societas (2004), S.  250 ff., 255 ff., 264 f.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), S.  333; Kaser, SDHI 61 (1975), S.  278, 302 f.; s. auch die vielfach kommentierte Passage des Paulus, Dig. 17, 2, 1, 1. 64  Ulpian, Dig. 17, 2, 52, 18. 65  Gaius, Dig. 17, 2, 68 pr. 66 S. Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Anm.  59, S.  7 7.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

gewesen. Das ergebe sich aus der Digestenstelle, 67 wonach derjenige Gesellschafter, der in dieser Eigenschaft einen Schaden erlitten habe, nicht etwa gegen alle anderen, sondern nur gegen denjenigen Gesellschafter vorgehen könne, bei welchem sich das gemeinsame Geld befinde.68 Nun war es das erklärte Ziel des betreffenden Autors, die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit französischer Handelsgesellschaften durchzusetzen, welche er durch historische Vorbilder zu untermauern suchte. Aus der betreffenden Digestenstelle eine eigene Rechtssubjektivität römischer Privatgesellschaften herzuleiten, war daher einer ergebnisorientierten allgemeinen Apologie der gesellschaftsrechtlichen „personne morale“ geschuldet und strapazierte jene Stelle zweifellos über Gebühr.69 Von der deutschen Rechtswissenschaft wurde dies von Anfang an als rechtshistorische Fehldeutung erkannt und daher als Grundlage für das deutsche Gesellschaftsrecht grundsätzlich abgelehnt.70 Ganz ohne Bedeutung ist die Digestenstelle aber nicht. Überhaupt erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass mit der dort bezeichneten societas nicht nur korporativ ausgestaltete gesellschaftliche Sonderformen, etwa Steuerpachtsozietäten,71 sondern auch private Gesellschaften gemeint waren.72 Dann ist aber das Argument nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die fragliche Digestenstelle eine insofern zweckorientierte Identifizierung des Gesellschaftsvermögens aufzeigt und daraus eine besondere Rechtsfolge ableitet. Es ist richtig, dass nach der Logik eines rein schuld­ rechtlich aufgebauten Gesellschaftsverhältnisses grundsätzlich alle Gesellschafter nach ihrem jeweiligen Anteil für einen von einem Gesellschafter erlittenen Schaden aufkommen müssten. Die Digestenstelle möchte dies aber vermeiden und weist den betroffenen Gesellschafter zunächst einmal dorthin, wo sich das gemeinsame Geld befindet. Eine solche pragmatische, von theoretischen Modellen losgelöste Vorgehensweise erstaunt in römischrechtlichen Quellen nicht.

67 

Paulus, Dig. 17, 2, 65, 14. Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Anm.  61, S.  79 f. 69 Unabhängig davon sieht Géneviève Dufour Ansätze der Rechtspersönlichkeit („personnalité juridique“) darin verwirklicht, dass auch eine einfache römische societas einen actor haben bzw. zu Zeiten der Republik auch nach dem Tod eines der Gesellschafter fortbestehen konnte, s. Dufour, RIDA 57 (2010), S.  145, 176 f. 70 S. Zachariae/Anschütz, Frz. CivilR II 5 (1853), §  377, S.  458, Fn. *; s. insbesondere zuletzt noch Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  364 f., Fn.  125, S.  371 f.; zur Aufnahme der französischen Lehre der Rechtspersönlichkeit von Gesellschaften in Deutschland, s. auch u., Rn.  212; im rheinischen Recht wurde die Rechtspersönlichkeit der Personengesellschaften des Handelsrechts freilich zunächst bejaht, s. u., Rn.  154. 71  Dazu u., Rn.  34. 72  So auch Meissel, Societas (2004), S.  48, der darauf hinweist, dass nicht etwa der für korporativ verfasste Gesellschaft typische Ausdruck der gemeinsamen Kasse („arca communis“), sondern die neutrale Bezeichnung des gemeinsamen Geldes („pecunia communis“) verwendet wird. 68 

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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Eine weitere Anomalie im individualistisch ausgestalteten römischen Gesell- 30 schaftsrecht bildet vielleicht eine Papinian zugeschriebene, in Ursprung und Inhalt freilich sehr umstrittene Digestenstelle.73 Danach gilt grundsätzlich, dass einer der Gesellschafter von seinem (in Angelegenheiten der Gesellschaft rechtsgeschäftlich tätigen) Mitgesellschafter (gegenüber Dritten) grundsätzlich nicht verpflichtet werde. Ausnahmsweise trete eine derartige Verpflichtung des nicht tätigen Gesellschafters aber dann ein, wenn „die Gelder“ in die gemeinsame Kasse („arcam communem“) geflossen seien. Möchte man in Betracht ziehen, dass die Passage bei Abfassung der Digesten in nachklassischer Zeit nicht verfälscht wurde74 und nicht nur auf körperschaftlich organisierte societates publicanorum, sondern auch auf privatrechtlich organisierte Gesellschaften anwendbar war,75 so erscheint die von ihr vorgeschlagene Lösung zwar im Ergebnis vernünftig, sie lässt sich aber aus einem rein schuldrechtlich ausgestalteten Gesellschaftsverhältnis nicht herleiten; auch hier findet vielmehr eine rechtlich relevante Bestimmung – und insofern auch Abgrenzung – des Gesellschaftsvermögens statt. Mit einer puristischen Anwendung individualistischer Grundsätze könnte eine Verpflichtung des nicht tätigen Gesellschafters nicht entstehen. Bei aller gebotenen Vorsicht in Bezug auf den betreffenden Text ist zu würdigen, dass der Wortlaut die Regelausnahme nicht auf bestimmte Gesellschaftsarten reduziert, die einfache, privatrechtliche societas also nicht von ihr ausnimmt, und dass dieser Wortlaut jedenfalls zu Zeiten Justinians feststand. Dies musste für die Autorität dieser Passage auf das spätere deutsche gemeine Recht ausreichen. Am bedeutsamsten aber ist, dass eine auch gegenüber Dritten verbindliche 31 Bindung der in der communio der socii stehenden Vermögensgegenstände möglicherweise durch ein rechtsgeschäftliches Verbot erzielt werden konnte, die Teilung der den socii zustehenden und der societas gewidmeten communio zu verlangen. Dies ergibt sich aus einer von Ulpian stammenden Digesten­ stelle: 76

73 

Papinian, Dig. 17, 2, 82. Noch mit der Annahme, die Stelle sei interpoliert, Kaser, RPR I 2 (1971), §  133, S.  574, Fn.  24, m. w. N.; unter Berücksichtigung von Serrao in: Studi Volterra V (1971), S.  743, 744 ff., Fn.  5, aber als klassisch anerkannt in Kaser, RPR II 2 (1975), §  204, S.  107, Fn.  53, i. V. m. §  267, S.  410, Fn.  9 ; ebenfalls für Anerkennung als klassisch, Meissel, Societas (2004), S.  170; vorsichtig wiederum Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  254, Fn.  46. 75 So Meissel, Societas (2004), S.  170; offenbar als für alle privatrechtlichen Gesellschaften grundsätzlich anwendbar anerkennend, Kaser, RPR II 2 (1975), §  267, S.  410, Fn.  9 ; zweifelnd hingegen Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  254, Fn.  47. 76  Ulpian, Dig. 17, 2, 16, 1; Übersetzung nach Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corp. Iur. Civ. III (1999), S.  405 f. Die Möglichkeit des Teilungsausschlusses wird auch in Ulpian, Dig. 17, 2, 14, angesprochen. 74 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Dig. 17, 2, 16, 1 Qui igitur paciscitur ne dividat, nisi aliqua iusta ratio intercedat, nec vendere poterit, ne alia ratione efficiat, ut dividatur. 2 sed sane potest dici venditionem quidem non impediri, sed exceptionem adversus emptorem locum habere, si ante dividat, quam divideret is qui vendidit. 1

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Wer also vereinbart, die Teilung auszuschließen, es sei denn, dass ein rechtfertigender Grund vorliegt, kann auch nicht veräußern,77 damit er nicht auf andere Weise bewirkt, dass es zur Teilung kommt. 2 Man kann aber durchaus sagen, dass die Veräußerung selbst nicht gehindert ist, dass aber der Käufer sich eine Einrede entgegenhalten lassen muss, wenn er die Teilung früher verlangt, als der Verkäufer sie hätte herbeiführen dürfen. 1

Dieser Auszug aus Ulpians Kommentar zu einer Schrift des Sabinus ist in der Vergangenheit vielfach kritisch untersucht worden.78 Das Fragment legt fest, dass das Recht der einzelnen socii, die Teilung der gemeinschaftlichen Sachen zu verlangen, rechtsgeschäftlich ausgeschlossen werden kann; zu berücksichtigen ist dabei, dass der Teilungsausschluss zeitlich begrenzt sein muss.79 Interessant ist die Gegenüberstellung von Satz  1 und Satz  2 . Der erste Satz regelt, dass im Fall einer Vereinbarung über einen Teilungsausschluss keiner der socii an Dritte veräußern kann, was den Verdacht weckt, dass eine solche Veräußerung dann nicht einfach schuldrechtlich verboten, sondern dass vielmehr der sachenrechtliche Übertragungsakt unwirksam war. Für einen solchen Schluss spricht insbesondere auch der zweite Satz des Fragments: In Abschwächung des eingangs Gesagten plädiert Ulpian dafür, die Veräußerung an sich nicht in Frage zu stellen, den verbliebenen socii aber eine dem Käufer gegenüber wirksame Einrede zu gewähren, die vorzeitige Teilung zu verhindern. Dass sich beide Sätze insoweit widersprechen, wird der Tatsache zugeschrieben, dass der erste Satz der ursprünglichen Sabinusschrift entnommen sei, während es sich beim zweiten Satz um die eigentliche Kommentierung Ulpians handele.80 Nimmt man an, dass als Gegenstand der Veräußerung nur der Bruchteil an den gemeinschaftlichen und dem Gesellschaftszweck gewidmeten Sachen gemeint ist,81 dann stellt diese Regelung im Ansatz die rechtliche Verselbständi77

77  Dass „vendere“ im Sinne von „veräußern“ und nicht von „verkaufen“ zu verstehen ist, wird damit begründet, dass Paulus (Dig. 17, 2, 17 pr.; Dig. 50, 17, 26) im Zusammenhang mit derselben Sabinusstelle den Begriff „alienare“ verwendet, s. Wieacker, Societas (1936), S.  199. 78 Zur Literatur, s. Bretone, Labeo 6 (1960), S.   163, 196 ff.; Kaser, SDHI 61 (1975), S.  278, 306 ff. 79  Paulus, Dig. 10, 3, 14, 2. 80 So Wieacker, Societas (1936), S.  4 4 ff.; Bretone, Labeo 6 (1960), S.  163, 196 f.; Kaser, TR 64 (1976), S.  233, 286. 81 So Kaser, SDHI 61 (1975), S.  278, 307; Bretone, Labeo 6 (1960), S.  163, 197; zweifelnd Wieacker, Societas (1936), S.  199, der für möglich hält, dass damit auch die Veräußerung des gesamten gemeinschaftlichen Vermögen wie bei der societas ercto non cito gemeint war.

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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gung eines eigenen Gesellschaftsvermögens her.82 Die socii hätten es in der Hand gehabt, über den Weg des rechtsgeschäftlichen Teilungsverbots eine sachenrechtlich wirkende Bindung der gemeinschaftlichen Vermögensgegenstände zu bewirken, die an die des §  719 Abs.  1 BGB zwar nicht heranreicht, aber in diese Richtung weist. Der Text sieht das dingliche Veräußerungshindernis freilich nur als „Kollateralfolge“ eines Teilungsverbots an; bei einer Übertragung des Bruchteils an den gemeinschaftlichen Vermögensgegenständen wird lediglich die Umgehung dieses Teilungsverbots befürchtet. Folgerichtig stellt Ulpian die Übertragungsfähigkeit des Bruchteils auch wieder her, als er die nicht gewollte Teilung auf anderem Weg zu verhindern meint. Interessant wären Erkenntnisse darüber, wie die römischen Autoren auf ein unmittelbares Veräußerungsverbot reagiert hätten. Vielleicht meint eine Paulusstelle genau diesen Fall, indem sie von einer vertragswidrigen Veräußerung („alienaverit contra pactionem“) spricht, an welche sie die Rechtsfolge einer Gesellschafterklage oder einer Teilungsklage in Bezug auf die communio knüpft.83 Es wird allerdings nicht ganz klar, ob es sich bei der betreffenden Vertragsklausel tatsächlich um ein Veräußerungsverbot oder eben nicht doch wieder um ein Teilungsverbot handelt.84 Auch wenn man annimmt, es handelte sich um ein Veräußerungsverbot, lässt sich aus der Rechtsfolge, die Gewährung einer Gesellschafter- oder einer Teilungsklage gegen den vertragsbrüchigen socius, nicht herleiten, ob das Verbot dingliche Wirkung hat oder nicht.85 Ferner sagt die Passage des spätklassischen Paulus nichts darüber aus, wie die Rechtslage in der Zeit der Hochklassik und davor gewesen sein mag. Zu berücksichtigen ist weiter die Existenz bestimmter zweckgebundener Ge- 34 sellschaftsformen, die im römischen Recht eine Ausgestaltung erfahren haben, welche teilweise über den Rahmen einer reinen Innengesellschaft hinausgeht. Dies ist etwa bei den auf gewisse Geldtransaktionen spezialisierten86 Argenta82 So auch die Beobachtung Boyens in: Gutachten aus dem Anwaltstande II (1890), S.  1034 f., der aus ihr den Schluss zieht, dass das Gesellschaftsrecht des Ersten Entwurfs des BGB noch individualistischer ausgestaltet sei als das römische Recht selbst; a. A. offenbar Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  356, Fn.  99, welcher in der Passage im Gegenteil einen Nachweis für die fehlende Außenwirkung von Verfügungsverboten sieht. 83  Paulus, Dig. 17, 2, 17 pr. 84  Für erstere Lösung, Meissel, Societas (2004), S.  279, für letztere Lösung, Drosdowski, Pro socio (1998), S.  84 ff. 85  Für eine dingliche Wirkung, Meissel, Societas (2004), S.  280, mit dem Argument, der vertragsbrüchige socius müsse nach der so vereitelten Veräußerung noch Miteigentümer sein, weil sonst die Teilungsklage gegen ihn leerliefe; für die dinglich wirkende Einrede der übrigen Gesellschafter gegen den Erwerber des Anteils am Vermögensgut der Gesellschaft bereits Kohler, Abhandlungen (1883), S.  183 f.; Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  17 ff.; wohl auch Dernburg, Pandekten I 2 (1888), §  196, S.  451, Fn.  2 ; krit. hingegen Joerges, ZHR 49 (1900), S.  140, 149, und Knoke, Gesellschaft (1901), S.  3 ; für Wirkung lediglich im Innenverhältnis i. Ü. Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  356, Fn.  98. 86  Ein Betätigungsfeld war etwa die Durchführung von Privatauktionen, die insofern mit einer Kreditdienstleistung verbunden war, als der argentarius dem Verkäufer den Kaufpreis

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

riergesellschaften festgestellt worden. Manche Autoren vertreten, dass Verträge, die von mehreren Gesellschaftern mit einem Dritten geschlossen wurden, die Gesellschafter nicht – wie es das römische Recht normalerweise vorsah – als Teil-, sondern als Gesamtschuldner verpflichteten.87 Andere Stimmen vermuten, dass der Gesellschafter auch ohne eigenes rechtsgeschäftliches Mitwirken, kraft einer quasi gesetzlichen Vertretungsmacht seines Mitgesellschafters in die Solidarhaft genommen wurde.88 Weitere Digestenstellen89 werden ferner teilweise sogar dahin interpretiert, dass Vermögensgüter, die ein gesellschaftlich organisierter Argentarier in Ausübung dieser Eigenschaft erwarb, nicht in dessen Privatvermögen, sondern unmittelbar in die gemeinsame Kasse der Gesellschaft gelangten,90 was zumindest den Ansatz einer gesellschaftsrechtlichen Vermögensabsonderung darstellen würde. Deutlicher in Richtung einer Personifizierung geht die Verfassung der Steuerpachtgesellschaften (societates vectigalium) und anderer Gesellschaften,91 die sich durch die Wahrnehmung von der öffentlichen Hand erteilter Aufgaben freilich von dem Typus der privaten Sozietäten entfernen und den „öffentlich-rechtlichen“ Korporationen annähern,92 zumal ihre Gründung, wie bei den anderen Korporationen, ebenfalls eine staatliche Erlaubnis voraussetzte.93 2)  Die Korporation 35

Zeichnen sich die römischrechtlichen Personenzusammenschlüsse auf der Grundlage der communio durch ihren individualistischen Charakter aus, der lediglich manche Berührungspunkte zu den Merkmalen der modernen Gesamthand aufweist, so erzielte die klassische Korporation, als Unterkategorie der – etwa auch die Munizipien umfassende94 – universitas,95 eine ungleich sofort ausbezahlte, vom Käufer aber erst später erhielt, s. Bürge, ZRG-RA 104 (1987), S.  465, 481, 521. 87 S. Meissel, Societas (2004), S.  160 f., mit Bezug auf Rhet. ad Her. 2, 3, 19, und auf Dig. 45, 2, 9 pr; so bereits auch schon Girard/Senn, Dt. rom.8 (1927), S.  614, Fn.  2 . 88 S. Arangio-Ruiz, Società (1950), S.  82 f., 144; Gröschler, Urkunden (1997), S.  113 ff. 89  Ulpian, Dig. 17, 2, 52, 5; u. U. auch Papinian, Dig. 17, 2, 82. 90 So Meissel, Societas (2004), S.  168 ff. 91  Zu den societates vectigalium und anderen societates publicanorum, s. Groten, corpus und universitas (2015), S.  346 f.; Meissel, Societas (2004), S.  205 ff.; Mehr, Societas (2008), S.  291 ff.; s. ferner Duff, Personality (1938), S.  159 ff.; zur zeitlichen Einordnung der Herausbildung der eigenen Rechtsfähigkeit der societas publicanorum, s. Dufour, RIDA 57 (2010), S.  145, 174 f. 92  Zu den Korporationen, s. u., Rn.  35 ff. 93 Gaius, Dig. 3, 4, 1 pr.; dazu Meissel, Societas (2004), S.   209 f.; Dufour, RIDA 57 (2010), S.  145, 154 ff. 94  Ulpian, Dig. 3, 4, 2. 95  Gaius, Dig. 3, 4, 1 pr. i. V. m. der Überschrift von Dig. 3, 4.; es wird in der Literatur freilich daran gezweifelt, dass es sich in klassischer Zeit bei der „universitas“ um einen technischen Rechtsbegriff handelte, s. Kaser, RPR I 2 (1971), §  72, S.  304, der von einem untechnischen „Ausdruck für Personen- und Sachgesamtheiten aller Art“ ausgeht; strenger noch

§  1.  Die Grundlagen des römischen Rechts

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stärkere Bindungswirkung. Gerade für die spätere Entwicklung, insbesondere auch für die im 19. Jahrhundert in Deutschland erfolgten Weichenstellungen, sind sowohl die tatbestandlichen Gründungsvoraussetzungen (a) als auch die Merkmale in den Rechtsfolgen (b) von Interesse. Eine besondere Betrachtung verdient weiter die in der Literatur oft aufgegriffene Frage nach der rechtlichen Qualifizierung der Korporation als juristische Person oder als Gesamthand (c). a)  Die tatbestandlichen Gründungsvoraussetzungen der Korporationen Eine Korporation konnte nach römischem Recht nicht einfach auf Grundlage 36 eines gemeinsamen Willens ihrer Gründer gebildet werden.96 Ihr Status war vielmehr einem kleinen Kreis von Personenzusammenschlüssen vorbehalten, welcher hinsichtlich Mitgliederstruktur und Daseinszwecks stark eingegrenzt war. Gaius zählt zu ihnen bestimmte Pachtgesellschaften zur Steuereinziehung, zum Betrieb von Gold- und Silberbergwerken und in der Salzgewinnung, weiter von bestimmten zunftähnlichen Berufsverbänden,97 wobei Letztere unter die Kategorie der „collegia“ zu fassen sind. Die Korporationen zeichnen sich somit durch ihren besonderen öffentlich-rechtlichen Einschlag aus: Die Pachtsozietäten folgen dem Modell einer staatlichen Konzessionierung,98 die Berufsverbände bilden regulierte Interessenvertretungen der betroffenen Berufsträger. Dazu passt auch, dass Gaius ausdrücklich erklärt, entsprechende Gebilde funktionierten nach dem Vorbild des staatlichen Gemeinwesens.99 Mag insbesondere die Bildung der Kollegien in vorklassischer Zeit möglicherweise frei gewesen sein,100 ändert sich dies offenbar zu Beginn des Prinzipats, aus welcher Epoche die Lex Iulia de collegiis die Gründung entsprechender Gebilde unter einen staatlichen Genehmigungsvorbehalt zu stellen scheint.101 Das grundsätzliche Erfordernis einer staatlichen Sanktion zur Gründung einer Korporation kommt möglicherweise bei Gaius zum Ausdruck, wenn er erklärt, nicht jedem sei die Bildung einer Korporation gestattet („conceditur“), jener Gegenstand sei durch Gesetze und andere staatliche Anordnungen geregelt („coercetur“), außer den Steuerpachtgesellschaften seien noch andere Arten Carolsfeld, Geschichte d. jurist. Person (1933), S.  59 ff., 136 ff., der zu dem Ergebnis kommt, der Ausdruck universitas sei im Titel Dig. 3, 4, stets interpoliert; ausführlich zum Begriff der universitas Groten, corpus und universitas (2015), S.  60 ff., 350 ff. 96  Gaius, Dig. 3, 4, 1 pr. 97  Gaius, Dig. 3, 4, 1 pr.; vgl. auch Dig. 47, 22, 4, dazu Coing, EuPR I (1985), S.  263. 98  Zur privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Qualifizierung des Verhältnisses zwischen den Pachtsozietäten und dem staatlichen Gemeinwesen, Malmendier, Soc. Public. (2002), S.  65 ff. 99  Gaius, Dig. 3, 4, 1, 1: „[…] ad exemplum rei publicae“. 100 So Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), §  36, S.  78; Kaser, RPR I 2 (1971), §  72, S.  308, mit Berufung auf die XII Tafeln (Tab., VIII, 27). 101  S. die Inschrift in Bruns, Fontes I7 (1909), Nr.  174, S.  388; dazu ausführlich Groten, corpus und universitas (2015), S.  247 ff; s. ferner Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), §  36, S.  78 f.; Kaser, RPR I 2 (1971), §  72, S.  308.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

von Korporationen erlaubt worden („permissum est“), insbesondere bestimmte Kollegien seien durch Senatsbeschlüsse oder Kaiserkonstitutionen anerkannt worden („confirmatum est“).102 Nun mag man darüber spekulieren, welchen Wert diese Aussagen in Hinblick auf einen daraus herzuleitenden allgemeinen Genehmigungsvorbehalt in klassischer Zeit hatten.103 Sie sind jedenfalls prägend für die Weichenstellungen, die in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts zur dogmatischen Erfassung der juristischen Person erfolgen werden. Großen Einfluss wird Savignys Satz ausüben, es „erscheint denn auch in unsren Rechtsquellen die bleibende Regel, kein Verein dürfe ohne obrigkeitliche Erlaubniß gestiftet werden“.104 b)  Die rechtliche Ausstattung der Korporationen 37

Gaius konstruiert die Korporation nach dem Modell des Staates (res publica).105 Kennzeichnend ist für jene zum einen die Absonderung ihres Vermögens von den Privatvermögen ihrer Mitglieder. Sie kann gemeinsame Vermögens­ güter und eine gemeinsame Kasse haben.106 An diesen Gegenständen haben die Mitglieder keine Anteile: Ein Sklave der Korporation gehört nicht den sie bildenden Mitgliedern; 107 wird der Sklave freigelassen, schuldet er nur der Korporation, nicht deren Mitgliedern die dem früheren Herrn zustehende Ehrerbietung.108 Demgemäß haben die Mitglieder auch keinen Anteil an den der Korporation zustehenden Forderungen gegen Dritte: Was der universitas geschuldet wird, wird den Einzelnen nicht geschuldet.109 Umgekehrt gilt auch der Satz, dass die Mitglieder nicht für die Schulden der universitas einstehen müssen.110 Die Verselbständigung der Korporation berührt weiter die Ebene des Rechtssubjekts, was sich aus einer eigenen Parteifähigkeit im Zivilprozess ergibt: Derjenige, der sie im Verfahren vertritt, darf nicht angesehen werden als jemand, der von „Mehreren“ bestellt wurde, vielmehr tritt er für die universitas auf.111 Weitere Ulpianstellen bestätigen diesen Befund.112

102 

Gaius, Dig. 3, 4, 1 pr.; vgl. auch Marcian, Dig 47, 22, 1 pr. Zweifelnd insoweit Malmendier, Soc. Public. (2002), S.  253 ff. 104  Savigny, System II (1840), §  88, S.  257, mit Verweis u. a. auf Dig. 3, 4, 1 pr.; vgl. Savigny, a. a. O., S.  258, wonach „überhaupt ein Verein nicht ohne öffentliche Genehmigung zur juristischen Person werde“. 105  Gaius, Dig. 3, 4, 1, 1: „[…] ad exemplum rei publicae“. 106  Gaius, Dig. 3, 4, 1, 1. 107  Ulpian, Dig. 48, 18, 1, 7. 108  Ulpian, Dig. 2, 4, 10, 4. 109  Ulpian, Dig. 3, 4, 7, 1. 110  Ulpian, Dig. 3, 4, 7, 1. 111  Ulpian, Dig. 3, 4, 7, 3. 112  Ulpian, Dig. 10, 4, 7, 3; Dig. 12, 2, 34, 1; Dig. 37, 1, 3, 4. 103 

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c)  Die Korporation als juristische Person oder als Gesamthand? Traditionell als antike Form der juristischen Person identifiziert,113 wird die 38 Korporation in der Literatur ab dem 20. Jahrhundert auch als gesamthandähnliche Konstruktion gedeutet.114 Die Frage bedarf möglicherweise keiner endgültigen Antwort; beide Theorien stammen aus späteren Epochen und waren als solche dem römischen Recht unbekannt.115 Festzuhalten ist, dass die Korporation mit Merkmalen versehen ist, die heute auch in juristischen Personen zu finden sind, aber auch in manchen Gesamthandgemeinschaften, zumal in der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand, soweit diese als eigens rechts- und parteifähig angesehen wird. Von Bedeutung ist, dass die Korporation eine Rechtsfigur war, die bis in das 19. Jahrhundert durchweg für in hohem Grad institutionalisierte und mit staatlichem Privileg ausgestattete Personenverbände herangezogen wurde, so etwa für kirchliche Gemeinschaften116 , Gemeinden117, Universitäten118 und halbstaatliche Handelskompanien aus der Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert.119 Die universitas und mit ihr auch die Korporationen werden im 19. Jahrhundert in dem Begriff der juristischen Person aufgehen120 und sich bei dessen dogmatischer Gestaltung gegen die flexibleren Modelle der moralischen Person des Naturrechts in Deutschland letztlich durchsetzen.121

113 

S. etwa Dernburg/Sokolowski, System II8 (1912), §  48, S.  97 ff. Bär in: HKK I (2003), §§  21–79, Rn.  3 ; v. Beseler, Miniaturen (1929), S.  132 ff.; Kaser, RPR I 2 (1971), §  72, S.  303; v. Lübtow in: Mem. Koschaker II (1954), S.  467, 478 ff.; Schnorr v. Carolsfeld, Geschichte d. jurist. Person I (1933), S.  202, 320; dazu neigend auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  41 ff. 115  Zum Problem der nachträglichen Qualifizierung römischer Korporationen als juristische Personen, s. Malmendier, Soc. Public. (2002), S.  256. 116  Zu den christlichen Kirchengemeinschaften als Korporationen in spätrömischer Zeit, s. Loehning, KirchenR I (1878), S.  207 ff.; zum Verständnis der Glossatoren, s. Gierke, GenossenschR III (1881), S.  193 ff., mit ausführlichen Quellennachweisen. 117 S. etwa, Mittermaier, PrivatR1 (1824), S.   121, der die Gemeinden unter der Überschrift „Korporationen“ behandelt. 118 Dazu Gierke, GenossenschR III (1881), S.  817. 119  Marquard, De Iure Mercatorum (1662), III, 1, 64 (S.  367 f.) bezeichnet etwa die holländischen Ost- und Westindischen Kompanien als collegia. Jene Korporationen verdankten ihre Existenz einem staatlich bewilligten Gründungsakt, so dass sie auch als „octroyierte Handelsgesellschaften bezeichnet wurden, so etwa Musäus, Handlungsrecht (1785), S.  28, oder v. Martens, Handelsrecht (1789), §  26, S.  30 f.; s. auch Coing, EuPR I (1985), S.  525 ff. 120 S. bereits Boehmer, Principia iuris feudalis (1795), S.   37, 66 („persona mystica“), grundlegend aber vor allem Savigny, System II (1840), §  86, S.  243 ff.; s. auch Gerber, System I1 (1848), §  49, S.  101 ff., der zwar das Konzept der juristischen Person gerade nicht als Erfindung des römischen Rechts sieht, aber dennoch verschiedene Arten der Korporation darunter fasst, s. insbesondere die Qualifizierung von Zünften, S.  117 ff; s. ferner Beseler, Volksrecht (1843), S.  163, der die universitas „als die reine Durchführung des Begriffs der juristischen Person“ auffasst. 121  S. u., Rn.  101 ff. 114 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Als Ergebnis dieser kurzen Darstellung kann man festhalten, dass die von Gierke122 kritisierte „Alles-oder-Nichts-Position“ des römischen Rechts in Bezug auf die Individualität der Mitglieder einer societas, einerseits, und einer Korporation, andererseits, zumindest nicht als ideologische Richtungsentscheidung gewertet werden muss. Die Quellen geben durchaus Anlass zur Annahme, dass die römischen Autoren in pragmatischer Weise zu Ausnahmen von einem rein schuldrechtlich organisierten Gesellschaftsverhältnis bereit waren. Auch die Akkreszenz war eine Idee, die bereits von römischen Juristen formuliert worden ist. Diese Vorstöße gehen freilich nicht sehr weit. Es erscheint, dass die Verselbständigung der Gesellschaftsstrukturen eine spätere Entwicklung ist, die sich freilich nicht auf deutsche Territorien beschränkt und dort wohl noch nicht einmal ihren Ursprung findet, sondern auf kontinentaleuropäische Impulse des Mittelalters und der Neuzeit beruht, die sich insbesondere im Handelsgesellschaftsrecht niedergeschlagen haben.

§  2 .  Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 40

Der Moraltheologe Thomas von Aquin hat erklärt, der investierende Kapitalgeber im Rahmen eines mit einem Kaufmann oder Handwerker betriebenen Unternehmens sei vom biblischen Wuchervorwurf freizusprechen, weil sich der Kapitalgeber in geringerem Maß seiner Einlage entäußere, als es bei einem Darlehen der Fall wäre; diese setze nämlich einen Eigentumsübergang am geliehenen Geld voraus.123 Damit scheint sich Thomas von Aquin dem Standpunkt zu nähern, der Gesellschafter bleibe Eigentümer seiner Einlagen, so dass insoweit keine Entäußerung zugunsten eines abgeschiedenen Gesellschaftsvermögens erfolge.124 Wirklich ernst kann man eine solche Erklärung jedoch nicht nehmen. Thomas von Aquin war kein Jurist und es kam ihm bei der Frage des Wuchervorwurfs vermutlich nicht darauf an, ob die Einlagen in sachenrecht­ lichem oder, aus seiner Gesellschafterstellung heraus, in einem mittelbaren, wirtschaftlichen Eigentum des Kapitalgebers verblieben. Tatsächlich finden sich im Mittelalter durchaus Merkmale einer Verselbständigung bestimmter Gesellschaften von ihren Mitgliedern, worauf in jüngerer Zeit Ralf Mehr hingewiesen hat.125 Vor allem zwei Eigenschaften lassen sich in historischen 122 

Gierke, GenossenschR II (1873), S.  924. Aquin, Summa theologiae II, 2, 78, Art.  2, in: Gilby, Aquinas Summa XXXVIII, S.  240. 124  So offenbar W. Endemann, Studien I (1874), S.  367; zu den Einflüssen der Wucherlehre auf das mittelalterliche Gesellschaftsrecht, s. auch W. Endemann, a. a. O., S.  343 ff. 125  Mehr, Societas (2008), S.   207 ff., 299 ff., s. dazu insbesondere den sehr nützlichen Quellenanhang nebst Übersetzungen in der beiliegenden CD-ROM. 123 

§  2 .  Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

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Schriften ausmachen: die Ausgestaltung des Gesellschaftsvermögens als separater Haftungsmasse zugunsten bestimmter privilegierter Gläubiger (I) und die Identifizierung von Gesellschaft und Gesellschafter als unterschiedliche Aufrechnungsadressaten (II).

I.  Das Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse 1)  Mittelalterliche Quellen a)  Quellen zur italienischen commenda Der Erwähnung bedarf die mittelalterliche, vornehmlich italienische126 com- 41 menda, auch wenn diese Vertragskonstruktion in der Neuzeit möglicherweise keine tragende Rolle mehr gespielt hat.127 Ihre Ursprünge liegen im Dunkeln,128 das römische Recht kannte die Figur in dieser Form offenbar nicht.129 Sie wird als vertragliches Verhältnis bezeichnet, durch welches ein Kaufmann (Kapitalgeber) einem seefahrenden Händler (Kapitalführer) Gelder oder Waren überantwortete, die an einem bestimmten Ort gewinnbringend zu veräußern waren. Nach geglückter Rückkehr sei der Erlös zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalführer in einer bestimmten Quote aufzuteilen gewesen.130 Die Qualifizierung eines solchen Rechtsverhältnisses als Sozietät erscheint unter jenen Vorgaben nicht zwingend; es bewegte sich auch in die Nähe des Darlehens, der Verwahrung und des Mandats.131 Auf dieser Grundlage waren jedoch weitere Spielarten denkbar, etwa dass der Händler nicht nur Waren eines einzigen, sondern mehrerer Kapitalgeber entgegennahm oder dass der Kapitalführer auch eigene Mittel in das Unternehmen einbrachte. Solche Fälle stellten eindeutiger eine societas dar („societas maris“).132 Die Beziehungen zwischen den Beteiligten sind in erster Linie als schuldrechtliches Verhältnis qualifiziert 126  Zur geographischen Ausbreitung der commenda, s. M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  26 ff. 127 So M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  31. 128  Zum Vergleich mit griechischen, römischen, hebräischen und islamischen Figuren, s. Pryor, Speculum 52 (1977), S.  5, 19 ff.; zu den Ursprüngen der commenda im Frühmittelalter s. Cordes, Gesellschaftshandel (1998), S.  21 ff.; Goldschmidt, HdB HandelsR I.1.13 (1891), S.  254 ff.; Silberschmidt, Commenda (1884), S.  9 ff. 129  In den antiken Quellen bezieht sich „commendare“, als Synonym für „deponere“ auf einen Verwahrungsvertrag, s. Papinian, Dig. 16, 3, 24; Ulpian, Dig. 50, 16, 186. 130  Mehr, Societas (2008), S.  76 f.; J. Meyer, Haftungsbeschränkung (1999), S.  48; Hilaire, droit commercial (1986), Rn.  93. 131  Demgemäß war die Einordnung der commenda als societas nicht immer unumstritten, dazu Mehr, Societas (2008), S.  80 ff.; s. auch Lastig, ZHR 24 (1879), S.  387, 414 f.; Silberschmidt, Commenda (1884), S.  100 ff. 132 S. Mehr, Societas (2008), S.   83 f.; J. Meyer, Haftungsbeschränkung (1999), S.  51 f.; M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  22 ff.; Silberschmidt, Commenda (1884), S.  106 ff.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

worden.133 Eine Sonderstellung der betreffenden Waren wurde allerdings darin gesehen, dass dem Kapitalgeber in Bezug auf die von ihm eingebrachten oder die mit seinem Geld erworbenen Waren gegenüber den Privatgläubigern des Kapitalführers ein Vorzugsrecht eingeräumt wurde.134 Dabei ist unterstrichen worden, dass dieses Privileg nicht galt, soweit der Kapitalgeber mit Geschäftspartnern des Kapitalführers in Bezug auf die übertragenen Waren und Geldmittel konkurrierte.135 Ansätze einer besonderen Behandlung von Gütern, die dem Kapitalführer im Rahmen einer commenda anvertraut wurden, lassen sich möglicherweise bei der societas maris des Constitutum Usus aus Pisa entnehmen.136 Dort als „hentica“ bezeichnet,137 erfahren die betreffenden Gegenstände im Übrigen eine sprachliche Personifizierung: Streiten Gesellschafter mit anderen Gläubigern des Kapitalführers um Befriedigung eigener Forderungen aus Gütern der Gesellschaft, werden Gesellschafter gegenüber den anderen Gläubigern nur dann bevorzugt, wenn Letztere keine „Gläubiger derselben Hentica“ sind; 138 offenbar differenzierten die pisanischen Gewohnheiten somit zwischen den nicht privilegierten Privatgläubigern des Kapitalführers und den „Gläubigern der Gesellschaft“, die in gleicher Weise wie die ihre Einlage zurückfordernden Mitgesellschafter vorzugsweise Befriedigung aus den Gütern der „hentica“ verlangen durften. Ähnliche Regelungen sind in der Sekundärliteratur auch in anderen mittelalterlichen Quellen Italiens identifiziert worden, etwa in Statuten Sienas von 1292139 und Florenz’ von 1301140 , außerdem in der Gesetzgebung Kataloniens141, die wiederum auf eine aus Genua stammende Regelung aufbauen soll142 . 133  Cordes, Gesellschaftshandel (1998), S.  17 f.; M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  32 f. 134  M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  33 f., mit Hinweis auf die in der genuesischen Kolonie Pera geltenden Regelungen; krit. dazu Cordes, Gesellschaftshandel (1998), S.  17, Fn.  30. 135  M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  35. 136  M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.   103 ff.; Goldschmidt, HdB HandelsR I.1.13 (1891), S.  269; Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  25. 137  S. Const. Usus, Cap.  2 2, in: Bonaini, Statuti inediti II (1870), S.  884 ff.; zur Bedeutung des Begriffs Goldschmidt, HdB HandelsR I.1.13 (1891), S.  256. 138  So ein jüngerer Zusatz in Const. Usus, Cap.  5, in Bonaini, Statuti inediti II (1870), S.  839, Fn.  2 : „Si vero inter socios societatis maris vel terre, et creditores alios de bonis socii questio fuerit, socii in rebus societatis aliis creditoribus qui non sint creditores eiusdem hentice, licet creditores sint priores tempore, preferantur“; dazu M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  103 f.; s. aber auch Silberschmidt in: Studi Albertoni III (1938), S.  397, 413, der aufgrund der besonderen Commendastruktur nicht von einem „Gesellschafts‑“Vermögen ausgeht. 139  Sicard, Moulins (1953), S.  329, Fn.  19. 140  Sicard, Moulins (1953), S.  329, Fn.  19. 141  Silberschmidt, Commenda (1884), S.  123. 142  Silberschmidt, Commenda (1884), S.  123 f.

§  2 .  Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

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b)  Der fehlende direkte Zugriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen bei Paulus de Castro (Anfang 15. Jahrhundert) Immer wieder zur Rechtfertigung einer Absonderung des Gesellschaftsvermö- 43 gens als eigene Haftungsmasse wird von Autoren der nachkommenden Jahrhunderte eine Gutachtenaussage von Paulus de Castro (* 1360/62, † 1441) herangezogen.143 In der Sache ging es um zwei Personen, die eine Bankgesellschaft gegründet und mit Kapital ausgestattet hatten. Nachfolgend erwarb der vornehmlich mit der Geschäftsführung betraute Gesellschafter (als „factor“ bezeichnet144 ) Rückzahlungsansprüche verzinster Darlehen, welche in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fielen, so dass dem mehr im Hintergrund verbleibenden Mitgesellschafter (als „principalis“ bezeichnet145) die Hälfte der entsprechenden Beträge zustand. Nun war der Faktor auch an weiteren Rechtsgeschäften beteiligt gewesen und insbesondere Verpflichtungen eingegangen, die sich, wie es sich herausstellte, nicht mehr in dem Rahmen der Gesellschaft bewegten, den Faktor also lediglich als Privatperson verpflichteten.146 Sein unmittelbares persönliches Vermögen reichte zur Befriedigung jener Verbindlichkeiten aber nicht aus, so dass sich die Frage stellte, ob und inwieweit seine Privatgläubiger darüber hinaus Befriedigung ihrer Ansprüche erlangen konnten. Das Privatvermögen des anderen Gesellschafters, des Prinzipals, musste je- 44 denfalls außer Reichweite bleiben, da es sich nicht um eine Gesellschaftsverpflichtung, sondern um eine private Angelegenheit des Faktors handelte.147 In Betracht zieht Paulus de Castro aber, dass die Bank selbst haften könnte.148 Diese Überlegung bildet den eigentlichen Ansatz Paulus’ in Richtung einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens. Paulus hält seine Aussage, die Bank könne „selbst“ haften, offenbar für ungewöhnlich genug, um sie damit zu rechtfertigen, dass die Bank eine „gewisse Gesamtheit“ („quoddam universale“) darstelle, in der Art, wie sie das römische Recht auch in anderen Konstellationen kenne, etwa beim Handelsgeschäft149 oder beim römischen peculi-

143 

Zu Paulus de Castro, Lange/Kriechbaum, RömR im MA II (2007), S.  813 ff. Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  3 („Tertium dubium“), Bl. 164 verso; Gutachten auch abgedruckt und übersetzt in Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  137 ff. (CD-ROM). 145  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  4 („Circa primum“), Bl. 164 verso. 146  Der Faktor war nur zur Vergabe von Darlehen an Dritte, nicht aber zur Aufnahme eigener Darlehen der Gesellschaft mandatiert gewesen, Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  5 („Breviter istud“), Bl. 164 verso. 147  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  5 („Breviter istud“), Bl. 164 verso. 148  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  2 („Secundo quaeritur“), Bl. 164 verso: „an saltem ipsum banchum, quod est quoddam universale, sicut haereditas, sicut mensa & peculium […] & vocatur in iure calendarium […] teneatur“. 149 Mit Bezug auf Papinian, Dig. 31, 77, 16 („negotium mensae“), wonach eine Bank einschließlich Aktiva und Passiva den Gegenstand eines Erwerbs durch Fideikommiss bilden kann. 144 

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um.150 Der Autor verdeutlicht dies mit einem Beispiel, aus dem hervorgeht, dass in der Bank einerseits eine bestimmte Geldsumme vorhanden sein („re­ mansisse“), dieselbe Bank andererseits aber auch Schulden haben könne.151 In dem ihm zur Entscheidung vorgelegten Fall schließt Paulus die Haftung der Bank zugunsten der Gläubiger des Faktors aber aus, mit dem bereits geäußerten Hinweis, es handele sich um reine Privatschulden des Faktors.152 Damit verwehrt Paulus den Privatgläubigern des Faktors den (unmittelbaren) Zugriff auf das Vermögen der Gesellschaft, die dieser mit dem Prinzipal gegründet hatte. Ein solches Ergebnis wäre mit einer rein schuldrechtlichen societas und auf den Grundsätzen der communio aufbauenden, für die Zwecke der Gesellschaft vergemeinschafteten Vermögensgütern nicht zu erzielen gewesen, da in diesem Fall die Gläubiger nichts davon hätte abhalten können, den dinglichen Anteil ihres Schuldners an den Gesellschaftsgegenständen zu pfänden. Auf den ersten Blick scheint dunkel, aus welchem Rechtssatz Paulus de Castro seine Lösung herleitet.153 Es fällt aber auf, dass er das von Prinzipal und Faktor begründete Gesellschaftsverhältnis zwar durchaus als „societas“ bezeichnet, an zahlreichen Stellen aber auch den Ausdruck „banchum“ verwendet; es ist daher denkbar, dass Paulus de Castro seine Argumentation auf diesen spezifischen, den römischen Argentariergesellschaften154 nicht unähnlichen Gesellschaftstyp beschränken wollte. Die von Paulus de Castro insofern verteidigte Absonderung einer eigenen gesellschaftlichen Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger findet in der Folge eine weitere, nicht weniger erhebliche Schranke. Es hatten sich die Privatgläubiger des Faktors offenbar Hoffnungen auf die eingangs angesprochenen Rückzahlungsansprüche der Darlehen gemacht, die der Faktor dritten Personen namens der Gesellschaft gewährt hatte. Hier wird deutlich, dass Paulus de Castro jedenfalls diese Ansprüche nicht als Teil des „Bankvermögens“ versteht, welches er zuvor als „quoddam universale“ vom Zugriff der Privatgläubiger entzogen erklärt hatte. Vielmehr erkennt er an, dass die Gläubiger des Faktors eigentlich den vollen Zugriff auf jene Darlehensforderungen haben müssten: Wenn gleichzeitig der Prinzipal seinen Anteil auf die Hälfte der Rückzahlungssumme heraus verlange, so erscheine es zunächst, als konkurriere des150  An anderer Stelle führt Paulus außerdem an, dass die Bank deshalb selbst hafte, weil die ihr gewährten Darlehen eher ihr selbst und in Ansehung ihres Warenbestands, weniger aber den betreffenden Personen gewährt wurden, Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  6 („Quantum ad“), Bl. 164 verso. 151  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  2 („Secundo quaeritur“), Bl. 164 verso: „[…] cum in bancho dicantur remansisse quatuor millia, & debita ascendere ad septem millia“. 152  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  6 („Quantum ad“), Bl. 164 verso. 153  Paulus de Castro zitiert in diesem Zusammenhang Gaius, Dig. 17, 2, 68, deren Standardglosse sowie C. 2, 25, 1. 154  Zu den Argentariergesellschaften, s. o., Rn.  34.

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sen Anspruch insoweit mit den Forderungen der Privatgläubiger des Faktors, so dass er sich letztlich nur mit einer Quote zufrieden geben müsse; 155 sein Anspruch wäre damit gegenüber den Forderungen der Privatgläubiger des Faktors in keiner Weise privilegiert, sondern mit ihnen gleichrangig. Allein liege die Besonderheit aber darin, dass der Anspruch auf die Rückzahlung ausbezahlter Darlehen ziele und dass in dieser Konstellation die Darlehensverträge des Faktors im Namen der Gesellschaft und damit im Namen aller Gesellschafter abgeschlossen wurden: 156 Damit stehen, so Paulus de Castro, die entsprechenden Rückzahlungsforderungen bereits von vornherein jedem Gesellschafter nur anteilig zu.157 Die Privatgläubiger des Faktors können also nur den verbleibenden, diesem selbst zustehenden Anteil zur Befriedigung ihrer Ansprüche heranziehen, nicht aber den anderen, dem Prinzipal zustehenden Anteil. In Bezug auf die Darlehensrückzahlungsansprüche vollzieht der Gedanken- 46 gang des Paulus de Castro damit nicht den Schritt eines sich verselbständigenden Gesellschaftsvermögens, auch nicht ansatzweise. Er zielte nicht darauf ab, jene der Gesellschaft gewidmeten Ansprüche von den Privatvermögen der Gesellschafter in der Art abzusondern, dass sie zunächst dem Zugriff der Privatgläubiger entzogen und erst nach Auflösung der Gesellschaft und Auszahlung der verbleibenden Kapitals an die Gesellschafter anteilig „frei“ würden. Die Argumentation bleibt vielmehr auf dem Boden der Grundsätze der individualistischen communio: Entsprechend der jeweiligen Gesellschaftsquoten teilte sich die Forderung von vornherein in eine Teilforderung zugunsten des Faktors und in eine Teilforderung zugunsten des Prinzipals auf. Auf den Anteil des Faktors auf die Rückzahlungsansprüche hatten dessen Gläubiger vollen Zugriff; auf die Teilforderung des Prinzipals konnten sie lediglich deshalb nicht zugreifen, weil sie deren Schuldner schlicht zu keinem Zeitpunkt dinglich zustand. Damit erscheint der von Paulus de Castro geäußerte Gedanke einer abgeson- 47 derten gesellschaftlichen Haftungsmasse von einer Tragweite, die relativiert werden muss: Zum einen war er möglicherweise auf den bestimmten Typ der Bankgesellschaft beschränkt und zum anderen umfasste das „Gesellschaftsver155  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  7: „Super tertio“ (Bl. 164 verso): „[…] videtur dicendum, q[uod] d. Musetus non debeat, nec possit percipere sua duo millia librarum. Sed debeat una cu[m] aliis creditoribus venire in tributum & in contributionem pro rata, licet sit anterior te[m]pore“. 156  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  8 („Breviter contrarium“), Bl. 164 recto, 165 verso: „mutua facta fuerunt nomine societatis, & sic co[mmun]i no[m]i[n]e omniu[m] socioru[m]“; Paulus de Castro beruft sich dabei ausdrücklich auf Ulpian, Dig. 12, 1, 9, 8, wonach bei einem Darlehen, das im Namen eines anderen ausgezahlt wird, dieser auch ohne Kenntnis des Sachverhalts einen Rückzahlungsanspruch gegen den Darlehensnehmer erhält. 157  Paulus de Castro, Consilia II (1581), Nr.  345, Abs.  8 („Breviter contrarium“), Bl. 164 verso, 165 recto.

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mögen“ offenbar nicht alle Vermögensgegenstände, die man der Gesellschaft eigentlich hätte zuordnen müssen. Dessen ungeachtet werden sich in der Folge zahlreiche Autoren auf das Gutachten Paulus’ de Castro stützen, um das Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse zu identifizieren.158 2)  Neuzeitliche Quellen a)  Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger im italienischen Handelsrecht aa)  Das genuesische Gesellschaftsrecht (16. Jahrhundert) 48

Als prominentes Beispiel einer Absonderung des Gesellschaftsvermögens als eigene Haftungsmasse aus der frühen Neuzeit sind die Genueser Statuten von 1588/89 zu sehen. Dort ist geregelt, dass Gläubiger einer Handelsgesellschaft bzgl. der Güter der Gesellschaft allen anderen Gläubigern vorgezogen werden, dass sie diesbezüglich als die stärkeren und früheren Gläubiger anzusehen sind und insbesondere auch den Vorzug gegenüber Ansprüchen der Ehefrauen auf Rückzahlung einer Mitgift genießen; allein jene, die eine dingliche Berechtigung an bestimmten Vermögenswerten haben, gehen ihrerseits den Gesellschaftsgläubigern vor.159 Diese Bestimmung wird bis in das 19. Jahrhundert als Autorität für eine entsprechende besondere Behandlung der Gesellschaftsgüter immer wieder herangezogen werden,160 auch in jüngerer Zeit.161 bb)  Italienische Autoren

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Den wirtschaftlichen Bedürfnissen der beginnenden Neuzeit folgend, haben vornehmlich italienische Autoren das Handelsrecht einer wissenschaftlichen Bearbeitung unterzogen.162 Auch das Phänomen einer spezialisierten Handelsgesellschaft geriet in den Fokus der Autoren. Bereits Paulus de Castro163 und Benvenuto Stracca (* ca. 1509, † 1578) 164 hatten sich in ihren Schriften dafür ausgesprochen, die Vermögen zweier Niederlassungen eines Kaufmanns als 158 

S. u., Rn.  51 (Salgado de Somoza), 91 (Carpzov), 94 (Green), 137 (v. Gmelin). Stat. 1588/89, IV, 12, [Abs.  4] („Creditores huiusmodi“), in: Stat. Reip. Gen. (1597), S.  109 f.; Fundstelle mit Übersetzung auch in: Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  341 (CD-ROM). 160 So von Scaccia, De Comm. (1648), VI, 1, Rn.   94, S.  439; Toubeau, Dt. consulaire (1682), S.  504 f.; Frémery, Droit commercial (1833), S.   32; Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Anm.  78 (S.  97 f.). 161  Sicard, Moulins (1953), S.  329, Fn.  19; Mehr, Societas (2008), S.  213. 162  Zur aufkeimenden Handelsrechtswissenschaft in Italien im 16. und 17. Jahrhundert, s. R. Meyer, Bona fides (1994), S.  60 ff. 163  Paulus de Castro, Lectura (1495), Dig. 14, 4, 5, 15 („si plures“), Bl. 251 verso, 252 recto. 164  Stracca, De Mercatura (1669), Tractatus de decoctoribus, ult. (8a) pars, (3a) ult. pars, Nr.  20, S.  469; abgedruckt und übersetzt bei Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  229 (CD-ROM); zu den Lebensdaten Straccas, Bergfeld in: Stolleis, Juristen 2 (2001), S.  605 f. 159 Gen.

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verschiedene Haftungsmassen zugunsten der Gläubiger der jeweiligen Niederlassungen anzusehen. Diesen Gedanken griff der italienische handelsrechtliche Autor Sigismundus Scaccia (* ca. 1595, † 1665) auf und stimmte ihm zu.165 Auf Grundlage der Bestimmung IV, 12 [Abs.  4] der Statuten Genuas sah er sich aber veranlasst, diese Aussage so zu erweitern, dass die Gläubiger einer Gesellschaft an allen Sachen und Gütern der Gesellschaft gegenüber jeglichen anderen Gläubigern der einzelnen Gesellschafter vorgezogen werden und dass die Güter den genannten Gläubigern als speziell mit Privileg verpfändet gelten und daher gegenüber Dotalforderungen und allen anderen Forderungen den Vorzug genießen, mit Ausnahme desjenigen, der eine eigene Sache oder ein eigenes Recht fordert.166 Auch Scaccia ist in späteren Schriften als Autorität für die von ihm vertretene Unterscheidung des Gesellschaftsvermögens als eigene Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger herangezogen167 und in der Sekundärliteratur entsprechend gewürdigt worden.168 Anzumerken ist, dass Hector Felicius’ offenbar 1606 erstmals erschienenes 50 Traktat zum Gesellschaftsrecht169 auf das von Paulus de Castro behandelte Problem der Haftungsmasse der Privatgläubiger eines Gesellschafters Bezug nimmt.170 Felicius greift freilich Paulus’ Idee der Bank als „quoddam universale“171 nicht auf. Mit Blick auf die besondere darlehensrechtliche Konstellation, welche dem Gutachten des Paulus zugrunde lag, stellt Felicius lediglich fest, dass die vom betreffenden Gesellschafter (dem Faktor) erworbenen Rückzahlungsansprüche von vornherein zur Hälfte seinem Mitgesellschafter (dem Prinzipal) dinglich zustanden, auf dessen Anteil die Privatschuldner des Faktors daher nicht zugreifen können.172 Felicius zitiert also nur die Passagen des Paulus de Castro, die gerade keine abgesonderte gesellschaftliche Haftungsmasse identifizieren. Gleichwohl wird Felicius später von Autoren als Autorität für ihre eigene Position zitiert werden, die von einer separaten Haftungsmasse ausgehen.173 165  Scaccia, De Comm. (1648), VI, 1, Rn.   93, S.  439; zu Geburts- und Todesjahr, s. Schmoeckel, WirtschaftsRG (2008), Rn.  169. 166  Scaccia, De Comm. (1648), VI, 1, Rn.  94, S.  439.: „[…] ut creditores societatem [sic] […] in rebus et bonis societatum […] praeferantur quibuscunque aliis creditoribus sociorum singulorum […] & bona intelligantur dictis creditoribus hypothecata speciali pignore cum privilegio, ita ut praeferantur dotibus, & aliis quibuscunque, excepto eo, qui rem suam, vel quondam suam praetenderet“; Übersetzung eng an Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  244 (CD-ROM), angelehnt. 167  Toubeau, Dt. consulaire (1682), S.   504 f.; Troplong, Société I (1843), Art.   1832, Anm.  78 (S.  97 f.); Troplong, Société II (1843), Art.  1862–1864, Rn.  858, S.  336. 168  Mehr, Societas (2008), S.  213. 169  Die Schrift ist in Form einer Zusammenstellung durch Felicius’ Sohn Angelo offenbar erstmals in Frankfurt erschienen, s. Felicius, De Societate (1606), nicht paginierte Widmungsseite. 170  Felicius, De Societate (1606), Cap.  31, Nr.  24 f. (S.  376). 171  S. o., Rn.  4 4. 172  Felicius, De Societate (1606), Cap.  31, Nr.  25 (S.  376). 173  S. u., Rn.  91 (Carpzov), 137 (v. Gmelin).

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b)  Impulse iberischer Autoren aus dem 17. Jahrhundert aa)  Francisco Salgado de Somoza 51

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Für eine besondere Behandlung des Gesellschaftsvermögens im Verhältnis der Privatvermögen der Gesellschafter tritt der spanische Autor Francisco Salgado de Somoza (* ca. 1595, † 1665) 174 ein. Er trennt im Falle eines „Wettbewerbs“ zwischen den Gläubigern eines Gesellschafters die Gläubiger des Gesellschafters von den Gläubigern der Gesellschaft; tatsächlich repräsentiere der betreffende Schuldner zwei „Personen“: seine eigene und die, welche Gegenstand seiner Geschäftsführung sei.175 Diese Trennung bewirke, dass die Privatgläubiger des Gesellschafters in Bezug auf die Gesellschaftssachen nicht mit den Gesellschaftsgläubigern konkurrieren können; bereits Paulus de Castro habe entschieden, dass die Gläubiger der Gesellschaft in Bezug auf deren Güter den Gläubigern der Gesellschafter zu bevorzugen seien.176 In späterer Zeit werden sich Gerichte und Autoren gerne auf Salgado de Somoza berufen, um sich ihrerseits für eine Absonderung des Gesellschaftsvermögens als eigene Haftungsmasse auszusprechen. Seine Positionen werden vom Pariser Parlamentshof in seinem Urteil vom 15. Januar 1677 herangezogen177 und nachfolgend in der deutschen178 und französischen179 Literatur aufgegriffen. bb)  Juan Pedro Fontanella

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In seinem Traktat zu den Eheverträgen vertritt der spanisch-katalanische Autor Juan Pedro Fontanella (* 1576) 180 für den Fall des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters, dass selbst den ungesicherten Gesellschafts174  Zu Leben und Wirken Salgados de Somoza, s. Forster, Konkurs als Verfahren (2009), S.  7 ff. 175  Salgado de Somoza, Labyrinthus Creditorum Concurrentium (1663), Pars I, Cap. IX, Nr.  48, S.  70: „[…] illius, qui habet administrationem, vel diversas administrationes, seu societates, aut diversas negociationes, et enim si formaverit concursum inter suos creditores, separandi sunt à creditoribus administrationis, quam gerit, & societatis; iste namque debitor duas repraesentat personas, suam scilicet, & administrationis […]“. 176  Salgado de Somoza, Labyrinthus Creditorum Concurrentium (1663), Pars I, Cap. IX, Nr.  55 f., S.  71: „[…] creditores socii non posse concurrere cum creditoribus societatis in rebus ad societatem pertinentibus, quod etiam resolvit Paulus de Castro cons. 345. lib. 2 ubi quod creditores societatis praeferuntur in bonis illius creditoribus socii […]“; zur entsprechenden Passage bei Paulus de Castro, s. o., Rn.  43. 177  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125, 130 f. (Berichterstatter Portail), S. u., Rn.  58. 178  Green, De solutione nominum (1769), S.   7 f., 10; v. Gmelin, Gantprocess5 (1813), §  62, S.  181 f. 179  Troplong, Société II (1843), Art.  1862–1864, Rn.  858 (S.  336), Rn.  860 (S.  346 f.). 180  Zum Todesjahr Fontanellas finden sich in der Literatur widersprüchliche Angaben; nach Reichardt in: Stolleis, Juristen 2 (2001), S.  216, soll er 1680 (also 104jährig!) verstorben sein; glaubwürdiger erscheint das Jahr 1649, s. Forster, Konkurs als Verfahren (2009), S.  184.

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gläubigern gegenüber den Privatgläubigern ein bevorzugter Zugriff auf die Gesellschaftsgüter einzuräumen sei.181 Stützt der Autor diese Auffassung auch auf die Passagen bei Baldus und Cinus zum Aufrechnungsverbot,182 argumentiert er insbesondere, es seien die Privatgläubiger des Gesellschafters – genauso wie die Erben desselben nach dessen Tod – nicht in der Lage, mehr zu verlangen als dem Gesellschafter bei Teilung des Gesellschaftsvermögens selbst zustünde.183 Dieses Argument hat freilich eine gewichtige Schwachstelle: Es greift nicht durch, soweit der Gesellschafter, etwa auf Grundlage der römischen communio, an den betreffenden Gesellschaftsgütern selbst sachenrechtlich berechtigt ist. Für den Zugriff der Privatgläubiger auf das betreffende Vermögensgut ist allein dieser Gesichtspunkt entscheidend. Zwar mag der Schuldner aus dem Gesellschaftsvertrag gegenüber den übrigen Gesellschaftern verpflichtet sein, sich der Verfügung über das betreffende Vermögensgut zu enthalten, doch ist diese Verpflichtung rein schuldrechtlicher Natur und setzt sich gegen die – ebenfalls schuldrechtlichen – Forderungen der Privatgläubiger gegen den Gesellschafter eigentlich nicht durch. Besonders deutlich wird die Problematik auch in den Fällen, in denen der Schuldner mittelbar für die Gesellschaft rechtsgeschäftlich tätig geworden ist und auf diese Weise eine Geldsumme erlangt hat, diese also zunächst einmal in sein Eigentum übergegangen ist. Dann ist er zwar aufgrund des Gesellschaftsvertrags verpflichtet, jene Geldsumme mit den anderen Gesellschaftern zu teilen, diesen also die ihnen jeweils zustehenden Anteile zu zahlen. Doch auch hier handelt es sich nur um eine schuld­ rechtliche Verpflichtung; die Ansprüche der Mitgesellschafter – und der Gesellschaftsgläubiger – unterscheiden sich insofern nicht von den Ansprüchen der Privatgläubiger und stehen somit grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander. Das Argument Fontanellas, die Privatgläubiger des Gesellschafters könnten nicht mehr Rechte geltend machen als der Gesellschafter selbst, schlägt insofern fehl, als es nicht die Konsequenz aus dem Unterschied zwischen dinglicher und schuldrechtlicher Berechtigung zieht. Die von Fontanella gelieferte Erklärung kann also dogmatisch nicht überzeugen und es ist zu vermuten, dass

181  Fontanella, De pact. nupt. I (1627), IV, 9, 2, Nr.  52, S.  147: „[…], ut defenderem in eadem hac materia concursus creditorum rei socialis, seu communis, & creditorum alterius ex sociis, praefere[n]dos fore creditores sociales etiam chyrographarios aliis creditoribus unius ex sociis hypothecariis, quando sese res habebat prout in casu causae praedictae, cuius facti speciem, quia pulchram, hîc libuit inserere“. 182  Fontanella, De pact. nupt. I (1627), IV, 9, 2, Nr.  57, S.  147, dazu u., Rn.  66 ff. 183  Fontanella, De pact. nupt. I (1627), IV, 9, 2, Nr.  53, S.  147: „[…], certum esse quod creditores socii non poterant plus praetendere quam praetenderet socius si viveret, quia ut eius successores veniebant ad illius bona: ipse autem nihil aliud, si vivèret, praetendere posset, quàm suam partem, & portionem in illis mercibus, vel praetio earundem ut de se patet ergo nec aliud possunt creditores ipsius socii praete[n]dere, quàm partem, & portionem socii debitoris ut in eis satisfiant per divisionem bonorum communium“.

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sie eher zur nachträglichen Rechtfertigung einer Regelung gedacht war, für die offenbar ein praktisches Bedürfnis bestand. Fontanellas Lösung des privilegierten Zugriffs der Gesellschaftsgläubiger ist in der Folge in Frankreich und in Deutschland bis in das 19. Jahrhundert rezipiert worden.184 c)  Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger im französischen Ancien droit

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Die französische Ordonnance du commerce von 1673185 wird zwar die Vertretungsmacht der einzelnen Gesellschafter und die solidarische Haftung aller Gesellschafter für Gesellschaftsschulden festschreiben,186 doch es findet sich dort nichts, was auf eine Verselbständigung von Gesellschaftssubjekt oder Gesellschaftsvermögen schließen lässt, auch nicht in den konkursrechtlichen Vorschriften.187 Die Idee eines privilegierten Zugriffs der Gesellschaftsgläubiger auf die Gesellschaftsgüter ist aber in die Rechtsprechung der Parlamentshöfe des Ancien Régime eingegangen188 (aa), sie wurde in der Folge von der französischen Literatur, insbesondere des Handelsrechts, rezipiert (bb) und findet sich auch in der Gestaltungspraxis der Gesellschaftsverträge wieder (cc). aa)  Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der Rechtsprechung der Parlamentshöfe

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Französische Parlamentshöfe haben bei Handelsgesellschaften eine Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Privatgläubigern der Gesellschafter im 17. und 18. Jahrhundert wiederholt anerkannt.189 Insbesondere zwei Entscheidungen aus dem 17. Jahrhundert werden als Beispiele für eine Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse ge184  Für Frankreich etwa Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.   125, 130; Julien, Élém. jurisp. (1785), S.   330; Troplong, Société II (1843), Art.   1862–1864, Rn. 858 (S. 336), Rn.  860 (S.  346); für Deutschland: Bluntschli, DPR II1 (1854), §  136, S.  101 f.; Laband, ZHR 31 (1885), S.  1, 9 f.; Zachariae/Crome, Frz. CivilR II8 (1894), §  363, S.  617 f. 185  Offiziell „Édit du roi servant de règlement pour le commerce des négociants et marchands tant en gros qu’en détail“, abgedruckt in: Recueil IV (1785). 186  Ord. comm. 1673, IV, 7, in: Recueil IV (1785), S.  17 f. ; dazu Guyader in: Doctrine juridique (1993), S.  77, 97 ff. 187  Ord. comm. 1673, XI, 1–13, in: Recueil IV (1785), S.  45 ff. 188 Zu Stellung und Funktion der Parlamentshöfe des Ancien Régime, s. Royer/Jean/ Durand/Dubois, Justice (2010), Rn.  17 ff. 189 Parlmt. (Paris?) v. 14.07.1762, zit. in Denisart, Coll. de décisions (1771), Stichw. „Dot“, Rn.  46, S.  208; Lévy-Bruhl, Sociétés de commerce (1938), S.  271, zitiert außerdem ein Urteil des Pariser Parlementshofs v. 11.06.1692, das dieselbe Lösung vertreten soll; s. außerdem Parlmt. Paris v. 02.01.1704, in: Augeard, Arrests notables I (1756), S.  736, Nr.  232, das gegenüber den Gesellschaftsgläubigern allerdings nur diejenigen Privatgläubiger benachteiligt, deren Forderungen nach Beendigung der Gesellschaft entstanden sind.

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nannt: Das Urteil des Parlement du Dauphiné vom 22. August 1637, vor allem aber das Urteil des Parlement de Paris vom 15. Januar 1677. Die Entscheidung des in Grenoble ansässigen Parlement du Dauphiné stützt 57 sich auf folgenden Sachverhalt.190 Drei Händler aus Marseille hatten eine Gesellschaft gegründet, die darauf zielte, ein Schiff mit Kapital auszustatten, um im Orient Waren zu erwerben. Einer der Gesellschafter, François Bedarrides, hatte seine Einlage aus eigenen Mitteln geleistet, hingegen konnten die beiden anderen Gesellschafter, darunter François Piquet, ihre Beiträge nur mit Hilfe eines von dritter Seite gewährten Darlehens aufbringen, für welches aber Bedarrides als Bürge zur Verfügung stand. Der Gesellschaftsfundus sollte zum Kauf der Waren verwendet werden, welche sodann „nach Begleichung aller Ausgaben“ unter den Gesellschaftern zu verteilen waren.191 Als nach geglücktem Unternehmen das Schiff mit entsprechend erworbener Ladung in Mar­seille einfuhr, wurden die Güter jedoch von Gläubigern des François Piquet gepfändet, wogegen sich dessen Mitgesellschafter gerichtlich zur Wehr setzten. Das Urteil des Gerichtshofs gab ihnen Recht: Sie genießen Vorrang gegenüber den Privatschuldnern Piquets, soweit es um die Summe gehe, welche sich Piquet von dritten Gläubigern mit der Bürgschaft des Bedarrides zur Leistung seiner Einlage geliehen habe.192 Die für die Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten seien nämlich den Schulden vorzuziehen, die ein Gesellschafter im eigenen Namen aufgenommen habe; das gelte auch dann, wenn es sich um Schulden handele, die vor Entstehung der Gesellschaft begründet wurden, und sogar dann, wenn Piquet seinen Gläubigern eine Hypothek auf alle Waren eingeräumt habe, die er aus dem Orient einführen sollte.193 Dass der Parlamentshof die für die Aufbringung der Beiträge des François Piquet gemachten Schulden als Gesellschaftsschulden versteht, irritiert auf den ersten Blick, da sich Piquet das Kapital schließlich persönlich geliehen hatte, es sich in dieser Hinsicht also zunächst auch um nichts anderes als eine Privatschuld handelt. Der Gerichtshof lässt aber die Privatschuld Piquets dadurch zu einer Gesellschaftsschuld werden, dass sie in Form seiner Einlage in die „gemeinsame Kasse“ geflossen ist, 190 Parlmt. Dauphiné v. 22.08.1637, in: Basset, Notables arrests II (1681), V, 2, 11 (S.  306 ff.); Zusammenfassung in: Louet/Brodeau, Arrests notables II (1712), Buchst. „S“, Sommaire 13 (S.  629 ff, 631); zu der Entscheidung s. auch Mehr, Societas (2008), S.  211 f. 191 Parlmt. Dauphiné v. 22.08.1637, in: Basset, Notables arrests II (1681), V, 2, 11 (S.  306 ff.): „[…] sous la caution de Bedarrides, auquel le tout demeureroit affecté pour son asseurance, pour aprés estre ledit fonds employé en achept de marchandises au profit de la societé, lesquelles marchandises seroient partagées aprés avoir levé toute la dépence“. 192 Parlmt. Dauphiné v. 22.08.1637, in: Basset, Notables arrests II (1681), V, 2, 11 (S.  306, 307). 193 Parlmt. Dauphiné v. 22.08.1637, in: Basset, Notables arrests II (1681), V, 2, 11 (S.  306, 307 f.): „[…] les debtes faites pour la societé sont preferables aux estrangers, que l’un de la societé a contractées en son propre ores qu’anterieures à la societé, & de cette qualité furent jugées les debtes des intimez ores qu’ils eussent prestez à Piquet sous l’hypothèque principale sur les marchandises que Piquet rapporteroit du levant“.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

was nach der Regel Papinians die anderen Gesellschafter ebenfalls verpflichtet.194 So handeln die Gesellschafter, insbesondere Bedarrides, nicht in der Funktion des Bürgen von François Piquet, sondern als Gesellschafter, die berechtigt seien, die Gläubiger Piquets daran zu hindern, dessen Anteil aus dem Gesellschaftsfonds abzuziehen, solange Letzteres nicht zur Begleichung der Gesellschaftsschuldnen herangezogen worden sei.195 Auf welche Grundlage der Gerichtshof eine solche Sonderbehandlung der Gesellschaftsgüter stützt, wird nicht erörtert. Die Formulierung, „Piquet und seine Gläubiger“ seien an der vorzeitigen Entnahme zu hindern, lässt naheliegend erscheinen, dass der gleiche Gesichtspunkt herangezogen worden ist, wie ihn zuvor Fontanella vertreten hatte: dass die Gläubiger nicht mehr Rechte haben können als der Gesellschafter selbst.196 Deutlich fundierter und in der Folge auch einflussreicher war die Entscheidung des Pariser Parlamentshofs.197 In der Sache ging es um eine Kommanditgesellschaft, welcher die Kommanditisten über ihre eingebrachte Einlage hinaus ein Darlehen von 100.000 Pfund gewährten; die Komplementärgesellschafter erfüllten jedoch ihre eingegangenen Einlageverpflichtungen nicht. Als nach dem Tod eines Komplementärs die Gesellschaft aufgelöst wurde, stellte sich heraus, dass das Gesellschaftsvermögen nicht ausreichte, um das von den Kommanditisten gewährte Darlehen zurückzuzahlen. Die überlebende Ehefrau des verstorbenen Komplementärs schlug die Erbschaft ihres Ehemannes aus, forderte aber aus dessen Gütern, einschließlich dessen Rechten am Gesellschaftsvermögen, die Rückzahlung ihrer Mitgift. Es stellte sich nun die Frage, ob die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger bevorzugt aus dem Gesellschaftsvermögen zu erfüllen waren. Der Entscheidungsvorschlag des Berichterstatters Portail, auf dem das Urteil beruht, bejaht eine solche Privilegierung: Es seien die Gläubiger der Gesellschaft gegenüber den Gläubigern des Gesellschafters stets zu bevorzugen, da die Güter der Gesellschaft ihnen zugeordnet und die anderen hiervon ausgeschlossen seien.198 Die Passagen stützen sich hierbei ausdrücklich auf Fontanella199 und Salgado de Somoza200. Auch der zweite Teil des Entscheidungsvorschlags, welcher der Frage gewidmet ist, ob Ehefrauen in Bezug auf ihre Mitgift nur Gläubiger ihrer Ehemänner oder aber auch der Gesellschaft seien, enthält Gedanken, die in mancher Hin194 

Papinian, Dig. 17, 2, 82; zu dieser Regel, s. o., Rn.  30. Dauphiné v. 22.08.1637, in: Basset, Notables arrests II (1681), V, 2, 11 (S.  306, 308). 196  S. o., Rn.  53. 197  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125 ff. 198  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125, 130: „Ainsi les creanciers de la société sont toûjours preferez aux creanciers de l’associé, puisque les effets de la societé leur sont affectez, & que les autres en sont ecxlus“. 199  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125, 130. 200  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125, 130. 195 Parlmt.

§  2 .  Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

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sicht ihrer Zeit voraus sind. Es wird erklärt, die Gesellschaftsgüter stehen nicht im Eigentum des Ehegatten (und Gesellschafters), sondern der Gesellschaft: Denn indem alle Gesellschafter die Ware kaufen, werden sie solidarisch zur Zahlung des Preises verpflichtet und müssen daher hiervon solidarisches und ungeteiltes Eigentum daran haben.201 Dazu passt auch, dass der Autor des Vorschlags letztlich den Gedanken als absurd verwirft, wonach die Gesellschafter jeweils anteilig ihrer Quote Eigentümer der Waren der Gesellschaft seien.202 Tatsächlich gehören, so die Passage weiter, die Gesellschaftsgüter wie bei den Gütern einer Gütergemeinschaft niemandem im Besonderen, sondern allen, die die Gemeinschaft bilden.203 Schließlich wird Stellung zu der Behauptung genommen, ein Gesellschafter könne nicht auch gleichzeitig Gläubiger der Gesellschaft sein, da dies darauf hinausliefe, dass der Gesellschafter gleichzeitig Schuldner und Gläubiger seiner selbst wäre: Tatsächlich sei es im Handel möglich, dass jemand verschiedene Personen in verschiedener Hinsicht „repräsentiert“,204 also bald in der Eigenschaft seiner eigenen Person, bald für die Gesellschaft auftritt. Damit gebraucht der Autor eine ähnliche Formulierung, wie vorher Salgado de Somoza,205 der an dieser Stelle jedoch nicht zitiert wird. Berücksichtigt man die Epoche, aus der diese Ausführungen stammen, so 60 zeugen sie von einem vergleichsweise hohen dogmatischen Entwicklungsstand. Die Idee des „solidarischen Eigentums“ („proprieté solidaire“) greift dem Konzept des dominium plurium in solidum des Justus Veracius206 nicht nur in begrifflicher, sondern auch in konstruktiver Weise vor. Der Satz, nicht der Gesellschafter, sondern die Gesellschaft sei Eigentümer der Gesellschaftssachen, hätte auch im 19. Jahrhundert von Gierke und im 20. Jahrhundert von Flume stammen können. Der Gedanke schließlich, dass der Gesellschafter sehr wohl Gläubiger der Gesellschaft sein könne, weil er insoweit zwei verschiedene „Personen“ repräsentiere, hätte im 19. Jahrhundert bei den Anhängern sowohl der Theorie der Gesellschaft als moralischer Person als auch der Theorie der Gesamthand Anerkennung gefunden. Vielleicht lässt sich so der Satz eines späteren deutschen Autoren erklären, das französische Gesellschaftsrecht habe im 201  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125, 133: „[…] la proprieté des effets de la societé, n’est pas au mary, mais à la société; parce qu’en achetant des marchandises pour la societé, tous les associez sont solidairement obligez au payement du prix [et] par consequent ils en doivent avoir la proprieté solidaire & indivise“. 202  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125, 133. 203 Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.   125, 133: „[…] les effets d’une societé appartiennent à cette societé, de la mesme manière que les biens des communautez n’appartiennent à personne en particulier, mais à tous ceux qui composent la communauté“. 204  Parlmt. Paris v. 25.01.1677, Journ. Pal. Rec. 5 (1682), S.  125, 133: „[E]n matiere de commerce, unus potest diversas personas, diversis respectibus repraesentare“, mit Bezug auf Paulus, Dig. 17, 2, 67, 2. 205  S. o., Rn.  51. 206  S. u., Rn.  299.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

18. Jahrhundert das Prinzip der gesamten Hand „uneingeschränkt übernommen“.207 bb)  Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der französischen Literatur bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 61

Die Rechtsprechung der genannten Gerichte ist in der nachfolgenden französischen Literatur bis zum Ende des Ancien Régime, und auch danach, rezipiert worden.208 Jacques Savary, der an der Ausarbeitung der Ordonnance du commerce maßgeblich beteiligt war,209 wird in der 1675 erschienenen Auflage seines Lehrbuchs zum französischen Handelsrecht210 keine eindeutigen Nachweise eines rechtlich verselbständigten Gesellschaftsvermögens erbringen, sondern allenfalls Hinweise einer faktischen Trennung der Gesellschaftsgüter von den persönlichen Gesellschaftervermögen liefern.211 Doch in der 4. Auflage von 1697 berücksichtigt er das Pariser Urteil vom 15. Januar 1677 und erkennt an, dass die Gesellschaftsgläubiger aus dem Gesellschaftsvermögen vorzugsweise zu befriedigen sind.212 Zahlreiche französische Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts machen sich diese Lösung ebenfalls zu eigen, 213 auch im 19.  Jahrhundert, nach Inkrafttreten des Code civil, beruft sich die Literatur auf das Urteil,214 selbst in Deutschland war dieses offenbar bekannt und wurde in einem anwaltlichen Schriftsatz zitiert,215 der zur Entscheidung des ­Königlichen Revisions- und Kassationshofs für die Rheinprovinzen vom 5. Ja-

207 

Wildt, Gesellschaftsschulden (1900), S.  12. Zu französischen handelsrechtlichen Literatur nach Inkrafttreten der Ordonnance du commerce, s. Guyader in: Doctrine juridique (1993), S.  77, 80 ff. 209  Zum Beitrag Savarys zur Ordonnance du commerce, s. Lammel in: Coing, Quellen II.2 (1976), S.  801. 210  Zum Einfluss des Lehrbuchs in Europa, s. Scherner in: Coing, Quellen II.1 (1977), S.  907; s. auch Guyader in: Doctrine juridique (1993), S.  77, 78 ff. 211 S. Savary, Negociant1 (1675), Livre 1, chapitre 40, S.  351 f., in Auszügen abgedruckt und übersetzt bei Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  301 f. (CD-ROM). 212  Savary, Negociant4 (1697), Livre 5, chapitre 16, S.  93. 213  Toubeau, Dt. consulaire (1682), S.  504 f. (mit Verweis auf die Genueser Statuten und Scaccia); de la Ville, Ordre alphab. (1692), Stichw. „Dot“, S.  418, Rn.  3920; Du Puy, Lettre de change (1693), S.  283 ff., 288; Toubeau, Dt. consulaire II 2 (1700), S.  101 (mit Zusammenfassung von Parlmt. Dauphiné v. 22.08.1637); Paganucci, Manuel des négocians III (1762), Stichw. „Société“, S.  250, Art.  15; Brillon, Arrests III (1711), Stichw. „Société“, Rn.  30, S.  589 (mit Verweis auf Parlmt. Dauphiné v. 22.08.1637); Ferrière, Dict. droit. prat. II (1779), Stichw. „Société“, S.  639; Julien, Élém. jurisp. (1785), S.  329 f. (mit Verweis auch auf Fontanella). 214  Tessier, Traité de la dot II (1835), S.   314 ff., Rn.  137; Troplong, Société II (1843), Art.  1862–1864, Rn.  860, S.  344 ff. (mit Berücksichtigung von Fontanella und Salgado de Somoza). 215  S. die Einredeschrift des Justizrats Kunowsky, Ziff.  4, in: Rhein. Arch. 22, 2 (1835), S.  24, 27. 208 

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nuar 1833 geführt hat, in der die Handelsgesellschaft als „moralische Person“ anerkannt wurde.216 Jean Domat hat die Rechtsprechung der Parlamentshöfe in Paris und Greno- 62 ble offenbar nicht gekannt. Die Frage einer Bevorzugung der Gesellschaftsgläubiger in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen erscheint in den gesellschaftsrechtlichen Ausführungen seines Werks „Les Loix civiles“ nicht. Zwar spricht Domat vom „gemeinschaftlichen Fonds“ der Gesellschaft („fonds commun“ oder „fonds de la société“).217 Auch erfährt die Gesellschaft bei ihm durchaus eine sprachliche Personifizierung; so kann eine Sache der „Gesellschaft“ zugehörig sein („chose de la société“) 218 , der Gesellschafter kann ein Geschäft der „Gesellschaft“ ausführen („l’affaire de la société“) 219 und die „Gesellschaft verpflichten“ („engager la société“) 220. Doch bei aller faktischer Herausbildung eines abgesonderten Gesellschaftsobjekts und ‑subjekts bleibt Domat bei der römischen Regelung, dass jeder Gesellschafter zwar nicht mehr als seinen Anteil an den Vermögensgegenständen, aber doch immerhin diesen wirksam veräußern kann; 221 freilich seien die Gesellschafter gegenseitig verpflichtet, die von ihnen jeweils eingebrachten Vermögensgüter der Gesellschaft zu belassen.222 Letzten Endes wird die Regel des privilegierten Zugriffs der Gesellschaftsgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen erst in späteren Auflagen Domats Werk unter Mitwirkung nachfolgender Autoren berücksichtigt werden.223 Bei Robert-Joseph Pothier findet sich die Regel des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse an der etwas versteckten Stelle, in der er den Grund dafür erklärt, dass der Gesellschaftsvertrag nur durch notarielle Beurkundung drittwirksam wird. Tatsächlich könne andernfalls ein rückdatierter Gesellschaftsvertrag verhindern, dass die Privatgläubiger auf das vermeintliche Gesellschaftsgut zurückgriffen.224 Doch ebenso wie Domat hält er an der römischen Regelung fest, dass jeder Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Teilha-

216 Rh. RevKassHof v. 05.01.1833, Rhein. Arch. 22, 2 (1835), S.   24, 28 f., dazu u., Rn.  160. 217  Domat, Loix civiles (1705), I, 1, 8, 3, 11 (S.  86); I, 1, 8, 3, 13 (S.  86); I, 1, 8, 4, 11 (S.  87); I, 1, 8, 4, 14 (S.  88). 218  Domat, Loix civiles (1705), I, 1, 8, 4, 6 (S.  87). 219  Domat, Loix civiles (1705), I, 1, 8, 4, 12 (S.  87). 220  Domat, Loix civiles (1705), I, 1, 8, 4, 16 (S.  88). 221  Domat, Loix civiles (1705), I, 1, 8, 4, 16 (S.  88): „Les associez même de tous leurs biens, ne peuvent aliener que leur portion du fonds commun, & ne peuvent pas de leur fait engager la societé […]“. 222  Domat, Loix civiles I (1705), I, 1, 8, 4, 17 (S.  88): „Les associez ne peuvent tirer du fonds de la societé ce qu’ils y ont mis, parce que le total du fonds est à la societé, & ne peut être diverti ni diminué que du consentement de tous pendant qu’elle dure“. 223  Domat, Loix civiles (1777), I, 1, 8, 5, 16 (S.  149), mit Bezug auf das Urteil des Pariser Parlement v. 25.01.1677. 224  Pothier, Société (1827), Rn.  81, S.  478.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

ber der eingebrachten Vermögensgegenstände immerhin seinen Anteil an ihnen veräußern kann.225 Bekämpft wird die Idee der Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in Bezug auf die Gesellschaftsgüter schließlich von Thomas Cottereau, der diese Frage einer umfassenden dogmatischen Untersuchung unterzieht.226 Er macht geltend, dass ein entsprechendes Privileg von allgemeinen Regeln abweicht und daher eines Gesetzes oder einer beständigen Gewohnheit bedurft hätte, die er aber nicht als vorhanden sieht.227 Es müsse vielmehr beim Grundsatz „qui prior tempore, potior jure“ bleiben; der Gesellschafter könne dem Gläubiger seine Haftungsmasse nicht dadurch schmälern, dass er seine eigenen Vermögensgüter der Gesellschaft widme.228 Dem etwa von Fontanella229 vorgebrachten Argument, der Gläubiger des Gesellschafters könne nicht mehr Rechte geltend machen als der Gesellschafter selbst, entgegnet Cottereau, dass der Privatgläubiger in diesem Fall nicht ein Recht des Gesellschafters, sondern ein eigenes Recht geltend mache, welches durch eine (schuldrechtliche) Verpflichtung desselben nicht abgeschwächt werden könne.230 cc)  Die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger in der Gesellschaftsvertragspraxis

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Das Recht der französischen Handelsgesellschaften des 18. und 19. Jahrhunderts ist insbesondere von Henri Lévy-Bruhl aufgearbeitet worden. Dieser zitiert zwei beachtenswerte Beispiele der gesellschaftsrechtlichen Vertragsgestaltung: 231 Art.  13 Gesellschaftsvertrag „Julien et Compagnie“ von 1775 Toutes les dettes qui auront été contractées avant ou après la présente société ne pourront être regardées que comme dettes personnelles sans que les fonds de la présente société puissant lui [sic] être affectées sous aucun prétexte que ce soit et qu’ [sic] aucun de ses créanciers ne pourra demander de compte à la société ni la forcer à se dénantir de sa mise […].

Alle Verbindlichkeiten, die vor oder nach der vorliegenden Gesellschaft eingegangen sein werden, können nur als persönliche Verbindlichkeiten angesehen werden, ohne dass ihm [eigentlich: „ihnen“] die Gelder der vorliegenden Gesellschaft unter welchem Vorwand auch immer zugeordnet werden könnten und [dass] keiner dessen Gläubiger wird weder von der Gesellschaft Rechenschaft fordern noch die Herausgabe dessen Einsatzes erzwingen können […].

225  Pothier, Société (1827), Rn.   89: „Un associé ne peut aliéner ni engager les choses dépendantes de la société, si ce n’est que pour la part qu’il y a“, mit Bezug auf Dig. 17, 2, 68. 226  Cottereau, Droit général I (1778), Rn.  3592, S.  302 ff. 227  Cottereau, Droit général I (1778), Rn.  3592, S.  302. 228  Cottereau, Droit général I (1778), Rn.  3592, S.  302 f. 229  S. o., Rn.  53; Cottereau zitiert Fontanella in diesem Zusammenhang aber nicht. 230  Cottereau, Droit général I (1778), Rn.  3592, S.  303 f. 231  Lévy-Bruhl, Sociétés de commerce (1938), S.  120 f.

§  2 .  Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

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Art.  20 Gesellschaftsvertrag „Gothier de St-Hilaire et Laurenson“ von An VI (1797/98) L’intérêt des coassociés ne pourra être saisi et arrêté par aucun de leurs créanciers et toutes saisies et oppositions ne pourront produire d’autre effet que celui d’arrêter uniquement entre les mains du caissier ce qui reviendrait à l’associé débiteur à titre de remboursement de fonds d’avance, intérêt ou bénéfice qui seraient réellement répartis d’après les états arrêtés […].

Die Anteilsrechte der Mitgesellschafter können von keinem ihrer Gläubiger gepfändet werden und jede Pfändung und jeder Widerspruch kann einzig zur Folge haben, dass dasjenige in Arrest des Kassenwarts gehalten wird, das dem Schuldnergesellschafter als Erstattung von Vorschüssen, Anteilsrechten und Gewinn nach tatsächlicher Verteilung auf Grundlage der Rechnungslegung zusteht […].

Beide Gesellschaftsvertragsbestimmungen zielen darauf, den Zugriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen zu verhindern. Würde man eine römischrechtliche Auffassung der societas und communio zugrunde legen, würde es sich bei diesen Regelungen um unzulässige Verträge zulasten Dritter handeln: Durch Vertrag zwischen zwei Personen würde einem Dritten die Pfändung von Vermögensgütern verboten werden, die aber noch im Vermögen der vertragsschließenden Parteien stehen. Eine solche Benachteiligung wäre unter Geltung römischrechtlicher Regelungen daher nicht wirksam, woraus folgt, dass das römische Recht offenbar nicht ohne (unausgesprochene) Modifikationen Anwendung finden konnte, wie es auch aus der französischen Rechtsprechung der Parlamente des 17. und 18. Jahrhunderts hervorging.232

II.  Gesellschafter und Gesellschaft als separate Aufrechnungsadressaten 1)  Gelehrte Quellen des Mittelalters zur Aufrechnung gegenüber Studentenbursen a)  Jacobus de Ravanis’ Aufrechnungsverbot durch Zweckwidmung bestimmter Vermögensgüter Den Ausgangspunkt einer folgenreichen Entwicklung bildet die Bearbeitung 65 einer Codexstelle durch Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny),233 ein im 13. Jahrhundert wirkender Vertreter der Schule von Orléans.234 Die kommentierte Quelle ist eine Konstitution des Kaisers Alexander Severus,235 in der die 232 

S. o., Rn.  56 ff. Jacobus de Ravanis, Lectura (1519), Cod. 4, 31, 3 (Bl. 192 verso); Kommentarstelle und Übersetzung auch in Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  33 (CD-ROM); dazu Mehr, Societas (2008), S.  300. 234  Zur Person von Jacobus de Ravanis, s. Bezemer, What Jacques saw, Thirteen century France through the eyes of Jacques de Revigny, professor of Law in Orleans, Frankfurt, 1997; s. auch Lange/Kriechbaum, RömR im MA II (2007), S.  519 ff. 235  Cod. 4, 31, 3. 233 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Aufrechnung der Aktivforderung einer Privatperson gegen die Passivforderung des Staats („res publica“) geregelt wird. Unter anderem verbietet sie es der Privatperson, seine Aktivforderung gegen eine Forderung des Staats aufzurechnen, die auf „Unterhalt“ („ex alimentorum“) lautet. Die Privilegierung solcher Forderungen bezweckte offenbar, die Leistungsfähigkeit des Staates aufrecht zu erhalten. Entsprechend war auch ein gleiches Aufrechnungsausschluss gegenüber Steuerschulden vorgesehen. Diese Konstitution wendet Ravanis im Verhältnis mittelalterlicher Studentenbursen zu ihren Mitgliedern an. Bei solchen Bursen handelte es sich um Untereinheiten der mittelalterlichen Universität, für die eine gemeinsame Kasse kennzeichnend war, in welche die ihr angehörenden Studenten Geldbeiträge leisteten und im Gegenzug in einem gemeinsam gemieteten Haus Kost und Logis erhielten, teilweise auch Studienleistungen absolvieren konnten.236 Zwar bezeichnet Ravanis die Mitglieder als „socii[s]“ der Burse, indes entfernt sich diese Art des Zusammenschlusses in Hinblick auf dessen halböffentlichen Charakters von privatrechtlichen „Gesellschaften“. Die Burse war Teil der Verwaltungsstruktur der Universität, unterlag insbesondere ihrer Kontrolle237 und bedurfte zu ihrer Gründung evtl. der Lizenz des Universitätsrektors238 . Die betreffende Codexstelle möchte Ravanis zugunsten von Studentenbursen anwenden: Es könne das zur Alimentierung der gemeinsamen Kasse aufgeforderte Mitglied nicht einwenden, ihm stehe eine aufrechenbare Gegenforderung gegen den Kassenwart zu.239 Tatsächlich sei, so Ravanis, die Verpflichtung des Studenten eine Unterhaltsverpflichtung im Sinne der anwendbaren Konstitution.240 Auch sei die Studentenburse „quasi“ als eine „res publica“ anzusehen.241 Der Gedankengang Ravanis’ ist damit offenbar nicht der, dass Aktiv- und Passivposten in jeweils voneinander gänzlich getrennten Vermögensmassen fallen oder sogar verschiedene Rechtssubjekte betreffen. Vielmehr ging es Ravanis um die Zweckbindung der Beitragsforderung. Er erklärt, dass die Beitragspflicht des Studenten als Unterhaltsverpflichtung zu werten sei und damit einen der Tatbestände treffe, die eine „res publica“ in dieser Eigenschaft privilegiert. Durch diese Privilegierung erlangt die Beitragsforderung also eine andere Natur als die Aktivforderung des Studenten. Auf eine Zuordnung zu einem verselbständigten Vermögen oder einem besonderen Subjekt beruft sich Ravanis hingegen nicht.

236  Zu Zweck und Struktur der mittelalterlichen Studentenbursen, s. Schwinges in: Vorträge und Forschungen XXX (1986), S.  527, 530 ff.; s. auch Mayer, Studentenbursen (1926), S.  52 ff. 237  Mayer, Studentenbursen (1926), S.  2 2 f. 238 S. Schwinges in: Vorträge und Forschungen XXX (1986), S.  527, 534. 239  Jacobus de Ravanis, Lectura (1519), Cod. 4, 31, 3 (Bl. 192 verso). 240  Jacobus de Ravanis, Lectura (1519), Cod. 4, 31, 3 (Bl. 192 verso). 241  Jacobus de Ravanis, Lectura (1519), Cod. 4, 31, 3 (Bl. 192 verso).

§  2 .  Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

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Ähnlich sieht auch die Kommentierung des italienischen Juristen Cinus de 66 Pistoia (* ca. 1270, † 1336242 ) aus, der unter Zugrundelegung einer inhaltlich vergleichbaren Codexstelle243 ebenfalls zu einem Aufrechnungsverbot zwischen dem Gesellschafter und der gemeinsamen Kasse bzw. dem Kassenwart gelangt.244 Zwar beschränkt er seine Lösung nicht auf Studentenbursen, doch wie Ravanis nimmt er Bezug auf die Qualifizierung des geschuldeten Beitrags als Unterhaltspflicht, so dass auch hier das Aufrechnungsverbot eher auf die Privilegierung der Gesellschaft als auf eine Trennung der Vermögensmassen gestützt erscheint.245 b)  Baldus de Ubaldis’ Identifizierung separater Aufrechnungsadressaten Im Zusammenhang mit der Aufrechnung geschuldeter Bursenbeiträge beruft 67 sich der italienische Kommentator Baldus de Ubaldis246 (* 1320 oder 1327, † 1400) auf einen ganz anderen Gedanken.247 Wie Ravanis und Cinus untersucht Baldus den Fall, in dem auf der einen Seite eine Beitragsforderung der gemeinsamen Kasse gegen ein Mitglied der Studentenburse und auf der anderen Seite eine Aktivforderung desselben Mitglieds gegen den Kassenwart einander gegenüberstehen.248 Anders als seine Vorgänger zieht Baldus für seine Lösung aber nicht die Privilegierung von Unterhaltsforderungen der res publica (C. 4, 31, 4, bzw. C. 4, 31, 1) heran. Vielmehr stützt er sich auf die Regel, wonach für Aktiv- und Passiforderung Personengleichheit bestehen muss, eine Aufrechnung also dann nicht erfolgen kann, wenn die Aktivforderungen gerade nicht gegen den Inhaber der Passivforderung, sondern gegen einen Dritten gerichtet ist (C. 4, 31, 9).249 Baldus erklärt: Wenn derjenige Sozius, der seinen Mitgliedsbeitrag leisten muss, dem Kassenwart („qui praesit ille bursae“) entgegne, er verfüge gegen diesen über eine Forderung, so könne er eine Aufrechnung deshalb nicht erklären, weil er umgekehrt vom „corpus societatis“, also nicht von demselben Rechtsträger in Anspruch genommen werde. Dasjenige, was der Gesellschaft geschuldet werde, könne nicht mit einer Forderung gegen einen Gesellschafter aufgerechnet werden. Baldus schiebt nach, dass das Geld der Gesellschaft dem Gebrauch der Gesellschaft gewidmet sei: „Illa pecunia statuta est ad usus societales“. Dabei verweist er auf die oben zitierte 242 

Zu dem Wirken von Cinus de Pistoia, Horn in: Coing, Quellen I (1973), S.  269 f. Cod. 4, 31, 1. 244  Cinus, Lectura (1547), Cod. 4, 31, 1 (Bl. 172 recto). 245 Anders Sicard, Moulins (1953), S.  329, Fn.  19, der den Grund des Aufrechnungsverbots darin sieht, dass es keine Aufrechnung zwischen Forderungen der Gesellschaft gegen einen Dritten und Privatforderungen dieses Dritten gegen einen Gesellschafter geben könne. 246  Zu dem Wirken von Baldus de Ubaldis, s. Horn in: Coing, Quellen I (1973), S.  269 f. 247 Dazu Mehr, Societas (2008), S.  300. 248  Baldus, Commentaria (1599), Cod. 4, 31, 9, Anm.  5 (Bl. 86 verso); Kommentarstelle und Übersetzung auch in: Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  90 f. (CD-ROM). 249  Baldus, Commentaria (1599), Cod. 4, 31, 9, Anm.  5 (Bl. 86 verso). 243 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Kommentierung des Cinus, obwohl dieser den Aufrechnungsausschluss umgekehrt mit dem Gedanken der Privilegierung der „res publica“ zu begründen scheint.250 Die Kommentierung des Baldus zu C. 4, 31, 9, kann durchaus als Meilenstein in der Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens gegenüber den Privatvermögen der Gesellschafter angesehen werden. Es gibt zwar keine Gewissheit darüber, dass die dort dargestellte Lösung zuvor unbekannt war und auch nicht darüber, dass sie sich danach zügig durchgesetzt hat. Es ist auch nicht anzunehmen, dass Baldus diese Regelung auf alle Gesellschaftstypen, insbesondere auf Gesellschaften des Handels, ausgedehnt wissen wollte.251 Tatsächlich weist die Studentenburse, deren Gründung offenbar einer Lizenz des Universitätsrektors als höhere Autorität bedurfte252 und im Übrigen in der Universitätsverwaltung integriert war253 , typologische Elemente einer römischrechtlichen Korporation auf. Von Bedeutung ist aber die Ausstrahlungskraft der Passage, die sich dank der Autorität des Baldus auf die europäische Rechtswissenschaft auswirken wird und gerade wegen ihrer Allgemeinheit und ihrer verwendeten Terminologie geeignet war, zukünftig auch handelsrechtliche Personengesellschaften zu gestalten.254 In der Folge haben sich weitere Autoren mit der Frage der Aufrechnung von Gesellschaftsforderungen gegen Gesellschafterforderungen auseinander gesetzt, so Salicetus255, ebenfalls italienischer Kommentator († 1411) 256 . Wie bei Baldus handelt es sich bei seinen Ausführungen um eine Kommentierung von C. 4, 31, 9, und wie jener bezieht er sich auf die oben zitierte Passage des Cinus. Die Absonderung des Gesellschaftsvermögens findet bei Salicetus besonderen Ausdruck durch den Vergleich mit dem peculium, dem Hauskinder oder Sklaven zugewiesenen Sondervermögen. Auch eine sprachliche Subjektivierung der Gesellschaft dringt bei Salicetus an mehreren Stellen durch; es werde der „Gesellschaft“ geschuldet („quod debeatur societate“) und in dessen Namen gefordert („cuius nomine petitur“). Auffallend ist schließlich, dass sich Salicetus ausdrücklich auf die Figur der universitas beruft, was darauf hindeutet, dass die noch im römischen Recht vorhandenen Grenzen zwischen societas und universitas von den Kommentatoren flexibler gehandhabt wurden.257 Ent-

250 

S. o., Rn.  66; zur Baldusstelle auch Mehr, Societas (2008), S.  207 f. den Beiträgen des Baldus im Recht der Handelsgesellschaften, s. Lange/Kriechbaum, RömR im MA II (2007), S.  776 ff. 252 S. Schwinges in: Vorträge und Forschungen XXX (1986), S.  527, 534. 253  Mayer, Studentenbursen (1926), S.  8 ff. 254  Zur Heranziehung der Autorität Baldus’ in dieser Frage, s. u., Rn.  69 (Rota Genuensis), 70 (Scaccia), 208 (Troplong). 255  Salicetus, Opera omnia II (1615), zu C. 4, 31, 9, Rn.  3 (Sp.  857); Passage auch abgedruckt und übersetzt bei Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  118 (CD-ROM) 256  Zum Wirken des Salicetus, s. Horn in: Coing, Quellen I (1973), S.  270 ff. 257  Dazu ausführlich Mehr, Societas (2008), S.  282 ff., 300 f. 251  Zu

§  2 .  Kontinentaleuropäische Impulse bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

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sprechende Positionen vertreten Tyndarus Alphanus († 1449) 258 und Petrus de Ubaldis († 1405) 259. 2)  Neuzeitliche Entwicklungen zur Aufrechnung gegenüber Handelsgesellschaften War bei Baldus und seinen Nachfolgern die Unterscheidung des Aufrechnungs- 69 adressaten im Zusammenhang mit studentischen Bursengemeinschaften erörtert worden, wird die Rechtsprechung der Rota Genuensis de Mercatura260 diese Lösung auf Handelsgesellschaften übertragen.261 In manchen Entscheidungen begnügt sich die Rota damit, auf Cod. 4, 31, 9, Bezug zu nehmen, um etwa eine Handelsgesellschaft als „corpus mysticum“ zu bezeichnen 262 oder um den Gesellschafter als Privatperson von seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Gesellschaft zu unterscheiden 263. Explizit Stellung zur Frage der Aufrechenbarkeit von Gesellschafts- mit Gesellschafterforderungen bezieht die Rota aber in einer Entscheidung, in der sie Baldus’ Idee des Bursenmitglieds und der Bursenkasse als verschiedene Aufrechnungsadressaten für den Fall einer Handelsgesellschaft anwendet: 264 So wird der Unterschied zwischen einer Gesellschaftsschuld („debitum sociale, & commune“) und einer Gesellschafterforderung („creditum […] particolare“) hervorgehoben, woraus folge, dass eine Aufrechnung zwischen beiden Forderungen nicht zulässig sei.265 Eine Verpflichtung, die im Namen des Petrus alleine eingegangen wird, sei nämlich etwas anderes als eine Verpflichtung, die auf den Namen Petrus & Christopho-

258  Tyndarus, De comp. (1574), Art. VII, Anm.  6 f. (S.  309). Zur Person des Tyndarus, Lepsius, Zweifeln (2003), S.  345. 259  Petrus de Ubaldis, Duobus fratribus (1524), V, 32 (Rn.  35, Bl. 31 recto), mit Hinweis auf Cinus und Baldus zu C. 4, 31, 9 („eius“, „de co[m]pen.“); zum Todesjahr von Petrus de Ubaldis, Kleinheyer/Schröder, Juristen5 (2008), S.  567. 260  Zur Rota Genuensis und zu der Entscheidungssammlung des Bellonius, Ascheri in: Coing, Quellen II.2 (1976), S.  1153 f. 261  Zur Rolle der Rota Genuensis zur Verselbständigung der Handelsgesellschaft von ihren Gesellschaftern, s. Frémery, Droit commercial (1833), S, 30 ff.; Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Anm.  384 (S.  462 ff.); Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Anm.  71, Fn.  1 (S.  93); Goldschmidt, HdB HandelsR I.1.13 (1891), S.  269, Fn.  121; Weber, Handelsgesellschaften (1889), S.  161 ff.; Sicard, Moulins (1953), S.  329. 262  Dec. Rot. Gen. (1592), Dec. 7, Anm.  9 (mit Bezug auf die Kommentierungen des Baldus und des Salicetus); dazu Mehr, Societas (2008), 295 f., sowie dessen Übersetzung der Quelle im Quellenanhang, S.  180 f. (CD-ROM); zum „corpus societatis“ bei Baldus, s. auch Lange/Kriechbaum, RömR im MA II (2007), S.  777. 263  Dec. Rot. Gen. (1592), Dec. 31, Anm.  8 , dazu und zur Lehre der „duplex persona“, s. Mehr, Societas (2008), 107., sowie dessen Übersetzung der Quelle im Quellenanhang, S.  208 f. (CD-ROM). 264 Dazu Troplong, Société I (1843), Art.  1831, Rn.  71, Fn.  1. 265  Dec. Rot. Gen. (1592), Dec. 26, Anm.  29 f.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

rus laute.266 Aus diesem Grund sei eine Aufrechnung einer persönlichen Verpflichtung mit einer Gesellschaftsverpflichtung unstatthaft.267 Die Idee der Identifizierung des Gesellschafters und der Gesellschaft als zwei verschiedene Aufrechnungsadressaten wird in der Folge in den Statuten Genuas von 1588/89 eingeführt. Diese bestimmen, dass ein Gesellschafter, der Schuldner eines seinerseits in der Pflicht der Gesellschaft stehenden Dritten ist, nicht selbst als Gläubiger angesehen werden und daher auch nicht aufrechnen kann, solange nicht alle Gesellschaftsgläubiger befriedigt wurden.268 Diese Regel wird in der Folge von Sigismundus Scaccia anerkannt: 269 Er führt an, ein Gesellschafter, der seine Einlage in die Gesellschaft zu leisten habe, könne diese Verpflichtung nicht mit einer Forderung aufrechnen, die er gegen den Geschäftsführer der Gesellschaft habe, denn die Gesellschaft müsse nicht für die Verpflichtung eines anderen einstehen; 270 Scaccia beruft sich hierbei u. a. auf Baldus, Salicetus, die Rota Genuensis und die Genueser Statuten.271 Auch weitere italienische Autoren 272 und ein Autor aus den Niederlanden 273 stimmen dem zu. In Frankreich, wo die Idee der Identifizierung des Gesellschafts- und des Gesellschaftervermögens als zwei verschiedene Haftungsmassen seit der Pariser Entscheidung von 1677 in die Literatur durchgedrungen war,274 wird die fehlende Aufrechenbarkeit zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterforderungen ebenfalls anerkannt.275

266 

Dec. Rot. Gen. (1592), Dec. 26, Anm.  30. Dec. Rot. Gen. (1592), Dec. 26, Anm.  30. 268  Gen. Stat. 1588/89, IV, 14, [Abs.  2 2] („Si unus habet“), in: Stat. Reip. Gen. (1597), S.  118 f.: „[…] non possit dictus creditor, & debitor respectivè ut supra compensare […], nisi prius fuerit satisfactu[m] omnibus creditoribus dictae societatis […]“. 269 Dazu Holdsworth, Juridical Review 28 (1916), S.  305, 313. 270  Scaccia, Tract. de Com. (1648), §  1, quaestio 1, Nr.  450, S.  76, Übersetzung in: Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  235 (CD-ROM); entsprechend auch Scaccia, a. a. O., §  6, gloss. 1, Nr.  95, S.  439, Übersetzung in: Mehr, a. a. O., S.  244. 271  Scaccia, Tract. de Com. (1648), §  1, quaestio 1, Nr.  450, S.  76. 272  Cavalcani, Tract. tut. (1572), Nr.   220, S.  99 (mit Bezug auf Baldus und Petrus de Ubaldis); de Grassis, Tract. except. (1602), Exc. 16, Nr.  40, S.  280 (mit Bezug auf Baldus, Petrus de Ubaldis und Cavalcani); Caballo, Consilia II (1615), Cons. 121, Rn.  16, S.  327 (mit Bezug auf Baldus, Petrus de Ubaldis und die Rota Genuensis). 273 S. Leeuwen, Censura (1662), I, 4, Cap.  36 (De comp.), Anm.  24 (S.  672). 274  S. o., Rn.  61 ff. 275  Toubeau, Dt. consulaire (1682), S.  504 f.; Toubeau, Dt. consulaire II 2 (1700), S.  101. 267 

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht bis zum Ende des Usus modernus I.  Rechtliche Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht des Mittelalters? Eine systematische Aufarbeitung des deutschen und europäischen Gesell- 71 schaftsrechts des Mittelalters fehlt bisher. Sie wäre für die Zwecke dieser Arbeit sehr hilfreich, da sie Hinweise darüber liefern könnte, auf welcher Grundlage sich das frühneuzeitliche Gesellschaftsrecht herausgebildet hat, welches seinerseits die Voraussetzungen für die spätere Entwicklung setzen wird. Eine entsprechende Studie könnte ein genaueres Bild darüber liefern, ob gesellschaftsrechtliche Strukturen des Mittelalters mit Merkmalen einer auch nach außen hin wirkenden Vermögensbindung existiert und die nachfolgende neuzeitliche Entwicklung beeinflusst haben. Jedoch wäre für eine solche Untersuchung bereits für sich eine eigene monografische Bearbeitung notwendig, welche insbesondere auch nicht gedruckte Quellen berücksichtigen müsste. Ein solches Vorhaben kann innerhalb des abgesteckten Rahmens dieser Arbeit nicht realisiert werden, so dass eine endgültige Antwort auf die Frage ausbleiben muss, ob und inwieweit eigene rechtliche Verselbständigungsprozesse des Mittelalters in Deutschland zumindest mitursächlich für die prägenden Gesellschaftsmerkmale waren. Es fehlt in der Literatur hingegen nicht an Studien des mittelalterlichen Ge- 72 sellschaftsrechts, welche thematisch, zeitlich und/oder geografisch eingegrenzt sind. Damit ist zwar eine lückenlose Kontinuität in der Entwicklung des Gesellschaftsrechts bis in die Neuzeit nicht nachzuweisen, möglicherweise lassen sich aber Indizien dazu finden, ob eine rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft auf Objekt-, vielleicht sogar auch auf Subjektseite zumindest in Betracht gezogen wurde. In dieser Beziehung wird immer wieder eine Sachsenspiegelstelle zitiert, die als Keim oder zumindest als Zeugnis eines sich entwickelnden mittelalterlichen Gesellschaftsrechts betrachtet worden ist: 276

276  Entnommen aus Eckhardt, SSp. LandR (1995), S.  81; Übersetzung nach Schott, SSp. 2 (1991), S.  45 f.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

SSp. LandR, I, 12 Swar brudere oder andere lude er gut to samene hebbet, verhoget se dat mit erer kost oder mit erme denste, de vrome is er aller gemene; dat selve is de scade. Swat aver en man mit sime wive nimt, des ne delt he mit sinem brudere nicht. Verspelt aver en man sin gut, oder verhuret he’t, oder verguftet he’t mit gift oder mit kost, dar sine brüdere oder de ere gut mit eme gemene hebbet nicht to geplicht ne hebbet; de scade den he dar an nimt scal sin enes sin, unde nicht siner brudere noch siner geverden, de er gut mit eme gemene hebbet.

Wenn zwei Brüder oder andere Leute ihr Gut gemeinsam haben, vermehren sie es durch Aufwand oder Arbeit, so ist der Nutzen allen gemeinsam; dasselbe gilt für den Schaden. Was aber ein Mann mit seiner Frau erheiratet, das braucht er mit seinem Bruder nicht zu teilen. Wer aber sein Gut verspielt oder verhurt oder durch Geschenke und Aufwand vertut, dem die Brüder oder diejenigen, die mit ihm das Gut gemeinsam haben, nicht zugestimmt haben: Der Schaden, den er dadurch nimmt, ist sein Schaden allein und nicht der seiner Brüder oder Gefährten, die ihr Gut mit ihm gemeinsam haben.

Diese Quelle ist oft als frühes Beispiel einer gesellschaftsrechtlichen Gesamthand identifiziert worden. Max Weber sieht in ihr immerhin ein Indiz, welches offenlasse, ob die Konstruktion der OHG des 19. Jahrhunderts nicht nur auf eine italienische Abstammung zurückblickt, sondern auch auf eine germanische Rechtstradition zurückgeführt werden kann.277 Stobbe versteht die Passage als Beleg dafür, dass bei der beschriebenen Gemeinschaft „die Nutzungen nicht nach einem bestimmten Verhältniß“ aufgeteilt werden, sondern „Jeder erhält, was er braucht, gleichviel ob die Andern mehr oder weniger gebrauchen“.278 Gierke erklärt, man sehe in dieser Sachsenspiegelstelle „deutlich“ den „Ursprung der Gewerbegemeinschaft aus der Ganerbschaft“,279 und folgert daraus, dass das Prinzip der Gesamthand, welches in der „unter Brüdern nach dem Tod des Hausvaters fortgesetzte[n] Hausgemeinschaft“ seinen Ursprung gefunden habe, spätestens durch die Sachsenspiegelstelle auch bei der Erwerbsgesellschaft anerkannt worden sei.280 Buchda und Ascheuer lesen aus ihr, dass den Gemeinschaftsmitgliedern keine quotalen Anteile an den Gemeinschaftsgütern zustanden, welche infolgedessen auch nicht zum Gegenstand einer individuellen Verfügung gemacht werden konnten.281 Andere interpretieren die Stelle hingegen so, dass die betreffenden Güter den Gesellschaftern in Quo277  M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.   165, mit Verweis auf S.  54, Fn.  14. 278  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 229 f. 279  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  666, Fn.  12, mit vergleichendem Hinweis auf M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  4 4 ff., 53 ff., welcher die Sachsenspiegelstelle freilich nur als Beleg dafür sieht, dass sich Handwerksgemeinschaften, anders als die commenda, in Analogie zur Hausgemeinschaft gestanden hat. 280  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  664 ff. 281  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  23 f., Fn.  7; Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  56 f.

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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tenanteilen zustanden, über welche sie trotz Gesellschaftswidmung weiterhin frei verfügen konnten.282 Aus dem Text geht jedenfalls hervor, dass sich nicht nur Brüder, sondern auch „andere Leute“ zu einer Gemeinschaft zusammenschließen und eigene Vermögensgüter zusammenlegen konnten. Keine ausdrücklichen Hinweise finden sich dort aber über eine mögliche Bindungswirkung auf die gemeinsam gehaltenen Vermögensgüter. Weder die Existenz noch das Fehlen quotaler Anteile und einer individuellen Verfügungsbefugnis lässt sich unmittelbar aus der Textstelle entnehmen. Der Wortlaut lässt sowohl eine Ausgestaltung zu, welche man aus heutiger Sicht als rein schuldrechtliche Gesellschaft qualifizieren würde, als auch eine solche, die zu einer Verdichtung zu einem abgetrennten Gemeinschaftsvermögen führen kann. Ein sicheres Beispiel eines frühen Belegs einer Gesamthandgemeinschaft ist in dieser Sachsenspiegelstelle damit nicht zu sehen.283 Im heutigen Schrifttum besteht nach wie vor ein breiter Konsens darüber, 73 dass Vorläuferfiguren der heutigen Personenhandelsgesellschaften den Grundsätzen der gesamten Hand folgten.284 Mittelalterliche Gesellschaftsformen in deutschen Gebieten sind jedoch nicht oft danach untersucht worden, ob ihre Struktur die betreffenden Verselbständigungsmerkmale aufwiesen. Gustav Lastig geht hauptsächlich Fragen der Gesellschaftskategorienbildung 285 und Haftungsfragen nach 286 . Max Weber behandelt zwar auch die Problematik der Absonderung des Gesellschaftsvermögens, legt seiner Studie aber nur südeuropäische, vor allem italienische Rechtsquellen zugrunde.287 Diejenigen Autoren, die sich zu der Frage der Verselbständigung geäußert haben, scheinen sie eher zu verneinen. Friedrich G. A. Schmidt meint, es könne aus mittelalterlichen Quellen die Erkenntnis gewonnen werden, dass der Gesellschaftsfonds von den Privatvermögen nicht so streng geschieden sei wie im ADHGB des 19. Jahrhunderts, da eine Vollstreckung der Privatgläubiger in das Gesellschaftsvermögen zulässig gewesen sei.288 Auch bei den insbesondere von Albrecht Cordes aufgearbeiteten hanseatischen Handelsgesellschaften des Mittelalters wird eine größtenteils rein schuldrechtliche Struktur vermutet, die sich nur wenig von den Gesellschaftern emanzipiert hat. Als charakteristisch wird die hanseati282 

F. G. A. Schmidt, Handelsgesellschaften (1883), S.  60 f., 76 ff. Neutral offenbar auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  31. 284 Exemplarisch Buchda in: HRG I1 (1971), „Gesamthand, gesamte Hand“, Sp.   1588, und Lepsius in: HRG II 2 (2012), „Gesamthand, Gesamte Hand“, Sp.  265, wonach „[k]onkrete hist. Anwendungsfälle für Rechtsverhältnisse zur gesamten Hand […] in älterer Zeit“ auch „Zusammenschlüsse der Kaufleute (societas ad unum panem et vinum, compagnia)“ gewesen seien, „in denen man seit dem 19. Jh. die Wurzel der offenen Handelsgesellschaft sieht“. 285  Lastig, ZHR 24 (1879), S.  387, 388 ff., 407 ff. 286  Lastig, ZHR 24 (1879), S.  387, 391 ff., 430 ff. 287 S.  M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  32 f., 63 f., 103 ff., 138 f. 288  F. G. A. Schmidt, Handelsgesellschaften (1883), S.   55, mit verschiedenen Quellennachweisen. 283 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

sche „Widerlegung“ beschrieben, eine Gesellschaftsform, die ihren Namen möglicherweise daraus ableitete, dass der Einlage des einen Gesellschafters eine oft gleich hohe Einlage des anderen Gesellschafters gegenüberstand.289 Typisch für diese Figur sei gewesen, dass damit auch der seefahrende Händler an der Unternehmung mit Vermögenswerten beteiligt gewesen sei; der Gewinn sei nach Köpfen geteilt worden.290 Wie die commenda soll auch die Widerlegung grundsätzlich als rein schuldrechtliches Verhältnis ausgestaltet gewesen sein.291 Es wird aber angemerkt, dass der Kapitalgeber unabhängig von seiner Einlage dem seefahrenden Händler auch weitere Vermögenswerte auf die Reise geben konnte, sog. „sendeve“ (Sendegut), an deren Verlust und Gewinn nur der Kapitalgeber beteiligt war und welche – nach einer mittelalterlichen Quelle292 – nicht als Haftungsmasse für Schulden des Kapitalführers zur Verfügung standen.293 Aus den nachfolgenden Untersuchungen geht hervor, dass Ansätze einer rechtlichen Verselbständigung von Gesellschaftsvermögen oder gar eines Gesellschaftssubjektes in der frühen Neuzeit zumindest aus den hier zugrunde gelegten Quellen nicht zu entnehmen ist, 294 dass entsprechende Verselbstän­ digungsansätze erst später, ab Ende des 16., insbesondere aber im 17. und 18. Jahrhundert diskutiert worden sind.295 Das beweist zwar nicht, dass entsprechende Ansätze in deutschen Gesellschaftskonstruktionen des Mittelalters unbekannt waren, lässt diesen Gedanken aber plausibel erscheinen.296 Dass die zu Beginn der Neuzeit abgeschlossene Rezeption des römischen Rechts und der römischen Rechtssätze der societas dazu geführt hätten, dass verselbständigte Formen mittelalterlicher Gesellschaftsstrukturen gewichen sind, 297 kann man nicht ausschließen.298 Dagegen spricht aber, dass ein verselbständigtes Gesellschaftsvermögen und -subjekt gut zu den Bedürfnissen der an Komplexität gewinnenden Wirtschaft der Neuzeit gepasst hätte. Eine auf römischrechtliche 289 

Cordes, Gesellschaftshandel (1998), S.  121 ff. Cordes, Gesellschaftshandel (1998), S.  80 ff., s. insbesondere die Aufstellung der statutarischen Regelungen auf S.  82. 291 So Cordes, Gesellschaftshandel (1998), S.  312; ders. in: Gesch. d. Gesellschaftsrechts (2003), S.  34; Schmoeckel, WirtschaftsRG (2008), Rn.  249. 292  Zweite Nowgoroder Schra von 1295 (NowgSchr II), Art.  49, abgedruckt in: Schlüter, Nowgoroder Schra (1911/1914), S.  100, digitalisierte Fassung in CD-ROM zu Jenks in: FS Graßmann (2005), S.  393. 293  Cordes, Gesellschaftshandel (1998), S.  277, 316; ders. in: LMA VII (2003), Sp.  1748 f. 294  S. u., Rn.  76 ff. 295  S. u., Rn.  88 ff. 296  Ähnlich bereits Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  157. 297 So im Tenor Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.   24 ff. zu den „romanistischen“ Glossen zu SSp., I, 12, und S.  101 ff. zu den Handelsgesellschaften bis Anfang des 19. Jahrhunderts. 298 Vgl. Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  20, 61, welche feststellt, dass sich eine eindeutige Etwicklung ausgehend von „umfassenden familiären Gesamthandverhältnissen“ hin zu jüngeren Konstruktionen des Gesellschaftsrechts nicht nachweisen lässt. 290 

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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Quellen gestützte Abschaffung derselben wäre daher wohl nicht ohne Widerstand erfolgt.

II.  Die Verselbständigung der Gesellschaft als weithin ignorierte Idee in frühneuzeitlichen Quellen In deutschen statutarischen Quellen der frühen Neuzeit finden sich in den hier 75 zugrunde gelegten Quellen praktisch keine Hinweise auf eine Verselbständigung betreffender Gesellschaftsverbände von ihren Gesellschaftern (1). Das trifft auch für den großen Teil der Literatur dieser Epoche zu (2). Das schließt freilich eine von außen betrachtete „faktische“ Verselbständigung der Gesellschaft von ihrer Gesellschaft nicht aus (3). 1)  Das Schweigen statutarischer Quellen Aus der Zeit um das 16. Jahrhundert stammen zahlreiche Stadt- und Landrech- 76 te als neu geschaffene Regelwerke. Sie umfassen insbesondere auch privatrechtliche Gebiete, stützen sich teils mehr, teils weniger auf römischrechtliche Grundsätze und haben sich gegenseitig beeinflusst.299 Manche behandeln das Gesellschaftsrecht gar nicht, wie etwa das Freiburger Stadtrecht von 1520, 300 genauso wenig das von ihm beeinflusste württembergische Landrecht von 1555.301 Zum Teil durchaus umfassende gesellschaftsrechtliche Vorschriften finden sich jedoch etwa in den Nürnberger Reformationen von 1479302 und von 1564303 , in der Wormser Reformation von 1498304 , in der Frankfurter Reformation von 1578305, in der Lüneburger Reformation von 1577 bis 1583306 , im revidierten Lübecker Stadtrecht von 1586307, im Hamburger Stadtrecht von 1603308 und im Württembergischen Landrecht von 1610309. Die dort übernommenen Regelungen haben oft den gleichen Gegenstand und sehen 299 Dazu Wieacker, PRG2 (1967), S.   189 ff., s. insbesondere auch dessen Schaubild auf S.  199. 300 So auch Hingst, soc. leonina (2003), S.   170; s. die Regelung des Vertragsrechts in FrbStR (1520), II, 1–9, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1 (1936), S.  241, 246 ff.; zu den Verträgen im Freiburger Stadtrecht, s. Knoche, Zasius (1957), S.  75 ff. 301  Hingst, soc. leonina (2003), S.   174; s. die Regelung des Vertragsrechts in WürtLR (1555), II, 1–9, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.2, S.  79, 90 ff. 302  NüRef 1479, XXX, 1–10, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1 (1936), S.  1, 73 ff. 303  NüRef 1564, II, 18, 1–7, in: Nürmberg verneut. Ref., Bl. 105 (verso) ff. 304  WmsRef (1498), III, 1, 15 (mit Formular einer Klage auf Teilung des Gesellschaftsgewinns), in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1 (1936), S.  95, 104. 305  FftRef (1578), II, 23, in: Franckfurt ernew. Ref. (1611), Bl. 140 (verso) ff. 306  LünbStRef, II, 23, in: F. E. Pufendorf, Observationes IV (1770), Appendix, S.   624, 697; zur Datierung, Stobbe, Quellen II (1864), S.  328. 307  LübStR 1586, III, 9, 1–5, in: Lübeck Statuta, Bl. 33. 308  HbgStR 1603, II, 10, 1–14, in: Hamburg GerichtsO (1842), S.  342 ff. 309  WüLR 1610, II, 6, in: Württemberg ern. LandtR (1626), S.  252 ff.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

meist auch ähnliche Rechtsfolgen vor. Häufig finden sich Bestimmungen, die die Verteilung des Gewinns in dem Verhältnis der Beteiligungen der Gesellschafter vorsehen,310 andere vertragliche Verteilungsregelungen aber grundsätzlich erlauben,311 sofern sie nicht zu einer societas leonina führen.312 Beiträge können regelmäßig in Form von Kapital oder Dienstleistungen erbracht werden,313 Gesellschafter werden zu Dienst- und Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft angehalten314 und zur Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verpflichtet.315 Beim Tod eines Gesellschafters kann eine Gesellschaft mit den Erben weitergeführt werden, wenn dieselben und die verbleibenden Gesellschafter dem zustimmen.316 Im Übrigen findet sich die Unterscheidung zwischen Universalgesellschaften, im Sinne einer societas omnium bonorum, und den auf einen bestimmten Gegenstand beschränkten Partikulargesellschaften.317 Bestimmungen, die auf Ansätze einer Rechtsfähigkeit oder einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens hindeuten, finden sich in den gesichteten Texten jedoch nicht. Wie Otto Gierke durchaus zu Recht hervorhebt,318 gehen die Regelungen immerhin oft über solche einer einfachen Innengesellschaft hinaus. Am auffälligsten sind die Vorschriften, die auf eine Vertretungsmacht der Gesellschafter in Gesellschaftsangelegenheiten schließen lassen,319 sowie solche, die die solidarische Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverpflichtungen gegenüber Dritten vorsehen.320 Die Tatsache, dass der Tod ei310  NüRef 1479, XXX, 2; NüRef 1564, II, 18, 1; FftRef (1578), II, 23, 2 f.; LünbStRef, II, 23, Abs.  1; HbgStR 1603, II, 10, 4; anders anscheinend WüLR 1610, II, 6, Abs.  6. 311  NüRef 1479, XXX, 1 f.; NüRef 1564, II, 18, 1; FftRef (1578), II, 23, 1 f.; LünbStRef, II, 23, Abs.  1; HbgStR 1603, II, 10, 6; WüLR 1610, II, 6, Abs.  7. 312  NüRef 1479, XXX, 3; NüRef 1564, II, 18, 1; WüLR 1610, II, 6, Abs.  7; in der Frankfurter Reformation wird kein ausdrückliches Verbot der societas leonina bestimmt, doch wird diese auch dort aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zulässig gewesen sein, dazu Hingst, Societas leonina (2003), S.  172; zur Hamburger Regelung s. Hingst, a. a. O., S.  173 f. 313  NüRef 1479, XXX, 3; NüRef 1564, II, 18, 1; LübStR 1586, III, 9, 1; HbgStR 1603, II, 10, 5; WüLR 1610, II, 6, Abs.  5. 314  NüRef 1479, XXX, 9; NüRef 1564, II, 18, 2; FftRef (1578), II, 23, 8; LünbStRef, II, 23, Abs.  7; HbgStR 1603, II, 10, 13; WüLR 1610, II, 6, Abs.  8. 315  NüRef 1479, XXX, 9; NüRef 1564, II, 18, 2; FftRef (1578), II, 23, 8; LünbStRef, II, 23, Abs.  7; HbgStR 1603, II, 10, 13; WüLR 1610, II, 6, Abs.  8 (arg. e contrario). 316 NüRef 1479, XXX, 4 und 8; NüRef 1564, II, 18, 7; FftRef (1578), II, 23, 6  f.; LünbStRef, II, 23, Abs.  4 ff.; HbgStR 1603, II, 10, 9. 317  LübStR 1586, III, 9, 5 („gemeine Geselschafft aller Güter“); HbgStR 1603, II, 10, 2; WüLR 1610, II, 6, Abs.  1; wohl auch NüRef 1479, XXX, 5 („gemeine geselschaft“), und NüRef 1564, II, 18, 2 („gemainer gesellschafft“); zu den Universal- und den Partikularsozietäten im römischen Recht, s. o., Rn.  23 ff. 318  Gierke, GenossenschR III (1881), S.  818 ff. 319  NüRef 1479, XXX, 5 (bei gemeinen Gesellschaften); NüRef 1564, II, 18, 3 (bei gemeinen Gesellschaften); FftRef (1578), II, 23, 9; LünbStRef, II, 23, Abs.  8 (jedoch nur „mit Wissen und Willen der andern“ Gesellschafter); HbgStR 1603, II, 10, 8; LübStR 1586, III, 9, 3 und 5 (bei gemeinen Gesellschaften). 320  NüRef 1479, XXX, 6; NüRef 1564, II, 18, 4 (bei gemeinen Gesellschaften); FftRef (1578), II, 23, 9; LünbStRef, II, 23, Abs.  8.

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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nes Gesellschafters die Gesellschaft nicht unbedingt beendet, sondern auch Raum für die Fortführung mit den Erben des Verstorbenen lässt, ist im 19. Jahrhundert außerdem als Abkehr von römischrechtlichen Grundsätzen und als Zeichen einer Verdichtung der Gesellschaft zu einer juristischen Person gesehen worden.321 Interessant in diesem Zusammenhang wären Informationen darüber, welche Auswirkungen das Ausscheiden eines Gesellschafters (oder seines Erben) auf dessen Anteil an den Gesellschaftsgegenständen hatte. Besondere Regelungen finden sich zu dieser Frage kaum. Wenn etwa die Nürnberger Reformation von 1564 vorsieht, dass in Bezug auf den ausscheidenden Erben binnen Jahresfrist die „Endrechnung“ erfolgen müsse,322 so sind darin keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf eine „Anwachsungslösung“ nach dem Gedanken des §  738 BGB hindeuten könnten. Vielmehr wird man vermuten müssen, dass das Ausscheiden des Erben zunächst nichts an dessen dingliche Berechtigung an den Gesellschaftsgegenständen änderte, dass also gemäß gemeinrechtlichen Grundsätzen eine rechtsgeschäftliche Übertragung von evtl. bestehenden Miteigentumsanteilen an den betreffenden Gegenständen notwendig gewesen sein muss, um die Trennung von dem ausscheidenden Gesellschafter zu vollenden. Dass die Gesellschaft im Übrigen als eine gewisse Einheit gefühlt wurde, 78 wird an bestimmten Formulierungen deutlich, die die Gesellschaft sprachlich personifizieren. Im Zusammenhang mit der Vertretungsmacht der Gesellschafter sieht etwa die Nürnberger Reformation von 1479 vor, dass das Handeln eines Gesellschafters „ir aller gemeine geselschaft“ bindet.323 Der Frankfurter Text bestimmt sogar: „Was dann im Namen deren Gesellschaft“ an Verträgen abgeschlossen werde, das „obligirt und verpflicht die Ganze Gesellschaft“,324 wobei jedoch vermutlich nur gemeint ist, dass jeder Gesellschafter als Solidarschuldner in Anspruch genommen werden kann.325 Hinsichtlich einer rechtlichen Berücksichtigung des Gesellschaftsvermögens können weiter Bestimmungen genannt werden, die in die Richtung der heutigen Kommanditgesellschaft weisen. In mehreren Texten wird die Möglichkeit eingeräumt, sich wirtschaftlich an einer Gesellschaft zu beteiligen, ohne aktiv in ihren Geschäften mitzuwirken und ohne – über die zu leistende Einlage hinaus – in die solidarische Gesellschafterhaftung mit einbezogen zu werden.326 Insbesondere die Formu321 

Tabor, Handels-Firma (1826), S.  10 f., mit Bezug auf FftRef (1578), II, 23, 7. NüRef 1564, II, 18, 7. 323  NüRef 1479, XXX, 5; diese Formulierung findet sich entsprechend wieder in NüRef 1564, II, 18, 3 („So verpindet Er die Gesellschafft“). 324  FftRef (1578), II, 23, 9; eine entsprechende Formulierung auch in LünbStRef, II, 23, Abs.  8: „Was auch im Namen der Marschkopey“ versprochen werde, „das ist die ganze Marschkopeye zu halten, schuldig“. 325  Davon gehen die Passagen bei Orth, Abhandlungen III (1742), zu II, 23, 9 (S.  424), aus. 326  NüRef 1564, II, 18, 4; FftRef (1578), II, 23, 12; LünbStRef, II, 23, Abs.  10. 322 

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lierung der Nürnberger Reformation lässt aufhorchen: „So aber der Gesellschaft vermügen / zu völliger bezahlung nit raichen oder gnugsam sein wurde / So soll doch der / so zu gewyn oder verlust zugelegt het [= nach heutiger Lesart: der Kommanditist] weiter nicht verpflichtet sein / dann so weit sich sein hauptgut erstreckt“.327 Gierke zählt dies zu den „Abweichungen“ vom römischen Recht, welche „vom mittelalterlichen Verkehr auf deutschrechtlicher Grundlage allgemein oder doch für Handelsgesellschaften“ ausgebildet worden seien.328 Aus einer neueren Untersuchung Cordes geht indes hervor, dass jene Haftungsbeschränkung des „Kommanditisten“, die ein Privileg des Kaisers Friedrichs III. vom 23. Juni 1464 kodifiziert, möglicherweise nicht aus deutschen Gewohnheiten des Mittelalters herrührt, sondern eine auf deutschem Territorium neuzeitliche Innovation darstellt.329 Tatsächlich war eine entsprechende Regelung bereits 1408 im florentinischen Recht eingeführt worden; 330 auch stand die als „Kommanditgesellschaft“ organisierte Medici-Bank Mitte des 15. Jahrhunderts mit Nürnberger Kaufleuten in geschäftlichem Kontakt, für welche, in Anbetracht einschneidender Konkurserfahrungen aus der Vergangenheit, das Kommanditmodell attraktiv gewesen sein konnte.331 So erscheint es durchaus plausibel, dass sich jene in der Folge in Nürnberg eingeführte Regelung in Wirklichkeit als Rezeption einer florentinischen Rechtsentwicklung darstellt.332 Bei der in manchen Statuten vorgesehenen alle Güter umfassenden Universalgesellschaft erscheint ein in sich abgeschlossenes Gesellschaftsvermögen auf den ersten Blick zwar naheliegend, doch handelt es sich hier lediglich um eine buchhalterische, nicht um eine rechtliche Einheit: Die individuelle Vermögensfähigkeit der Gesellschafter bleibt durch die Gründung einer solchen Gesellschaft unberührt. Das ergibt sich daraus, dass Verschwendungshandlungen eines Gesellschafters nicht von der Gemeinschaft zu tragen waren, sondern von „seinem Theil allein bezahlet werden“.333 Manche Statuten nähern die „gemeine Gesellschaft“ sowieso an die Partikulargesellschaft an: Sie umfasse etwa nicht auch geerbte Güter eines ihrer Mitglieder,334 welche somit in dessen eigenem Vermögen verbleiben. Außerdem werde sie nicht durch Geschäfte verpflichtet, die ein Gesellschafter „ausserhalb gemainer Gesellschafft“ tätige.335 Entscheidend ist aber, dass bei der Universalgesellschaft der von einem Gesell327 

NüRef 1564, II, 18, 4. Gierke, GenossenschR III (1881), S.  818 f. (dazu Fn.  194). 329  Cordes, in: FS Schott (2001), S.  243, 244 ff. 330  Cordes, in: FS Schott (2001), S.   243, 246; zur florentinischen „Kommanditgesellschaft“ von 1408 s. ferner Hilaire, droit commercial (1986), Rn.  111. 331  Cordes, in: FS Schott (2001), S.  243, 252 ff. 332  Cordes, in: FS Schott (2001), S.  243, 333  S. LübStR 1586, III, 9, 3; entsprechend auch NüRef 1564, II, 18, 1. 334  LünbStRef, II, 23, Abs.  11. 335  NüRef 1564, II, 18, 3. 328 

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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schafter erworbene Gewinn nicht automatisch in die Gemeinschaft fällt, die übrigen Gesellschafter vielmehr nur („schuldrechtlich“) fordern können, den betreffenden Gewinn unter allen Mitgliedern aufzuteilen.336 Der schuldrechtliche Charakter der Gesellschaft kann auch darin gesehen werden, dass Aufwendungen, die ein Gesellschafter in Angelegenheiten der gemeinen Gesellschaft tätigt, lediglich einen Ersatzanspruch gegen die anderen Gesellschafter begründen.337 2)  Das Schweigen in Deutschland tätiger Autoren Im Schrifttum gestaltet sich die Suche nach Zeugnissen einer Gesellschaftsab- 80 sonderung für die frühe Neuzeit ebenfalls als wenig fruchtbar. Ulrich Zasius schreibt zwar über die Solidarität der Gesellschafter von Argentariergesellschaften.338 Ausführungen, die im Aufrechnungsfall auf ein abgeschlossenes Gesellschaftsvermögen hindeuten würden, fallen hingegen nicht auf, ebenso wenig solche, die den Gesellschaftsgläubigern Privilegien gegenüber Privatgläubigern der Gesellschafter in Bezug auf Vermögensgüter der Gesellschafter einräumen würden.339 Matthaeus Wesenbeck wirft die Frage eines abgesonderten Gesellschaftsvermögens in seinen Paratitla weder im Zusammenhang mit der actio pro socio340 noch mit den Gläubigerprivilegien341 noch bei der Aufrechnung342 auf. Melchior Kling spricht eine mögliche Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern in seinen Enarrationes jedenfalls nicht im Zusammenhang mit der Gesellschaft an.343 Auch andere zeitgenössische Autoren nehmen zu den Fragen keine Stellung.344 Im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelt sich die deutsche Rechtsliteratur 81 zwar zunehmend, insbesondere rückt das Partikularrecht zunehmend in den

336  LübStR 1586, III, 9, 3 (arg. e contrario): „Doch mag der Beschüldigte wiederumb den andern Brüdern und Schwestern herauß geben was er will, soferrn er schweren [schwören] würde, daß er nichts mehr auß der Gesellschafft zu geben pflichtig ist“. 337  NüRef 1564, II, 18, 4. 338  Zasius, Opera I (1590), De pactis, Si unus (D. 2, 14, 27 pr.), S.  246 ff. 339  Zasius erwägt insbesondere auch nicht ein mögliches Privileg der Separation für Gesellschaftsgläubiger in Analogie zu der Rechtsstellung eines Nachlassgläubigers, s. Zasius, Opera III (1590), De separationibus, Dig. 42, 6, 1 (S.  295 ff.). 340  Wesenbeck, Paratitla (1595), Dig. 17, 2 (S.  434 ff.). 341  Wesenbeck, Paratitla (1595), Dig. 42, 6 (S.  7 74 ff.). 342  Wesenbeck, Paratitla (1595), Dig. 16, 2 (S.  419 ff.). 343  Kling, Enarrationes (1545), Bl. 121 (recto) ff. 344  Donellus, Comment. Codicis (1599), Cod. 31, 4, 9, Anm.  2 (S.  207), behandelt lediglich den Fall, dass die Forderung eines Dritten gegen einen Gesellschafter mit der Gegenforderung des anderen Gesellschafters gegen den Dritten aufgerechnet wird; Khraisser, Tractatus (1646), S.  246 ff., belässt bei der societas omnium bonorum Erbschaften und Schenkungen dem Gesellschafter persönlich; s. ferner Dobberzin/v. Reyger, Promptuarium iuris (1589), S.  509 ff.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Fokus der Autoren,345 etwa das lübische Recht. Regelungen, die auf eine rechtliche Verselbständigung von Privatgesellschaften gegenüber ihren Gesellschaftern deuten würden, finden sich dort in aller Regel aber ebenfalls nicht. Me­ vius’ Kommentar zum lübischen Recht erörtert die Vertretungsmacht und die Solidarhaftung der Gesellschafter.346 Auf den ersten Blick mag zwar der in den Erläuterungen zu den Geschwistergesellschaften befindliche Satz auffallen, wonach alle von den Gesellschaftern erwirtschafteten Vermögensgüter der Gemeinschaft zufallen („in communionem caeterorum vergit“), egal ob der Betreffende im Namen der Gesellschaft gehandelt habe.347 Doch auch diese Regelung lässt sich, wenn es darauf ankommt, über eine römischrechtlich konstruierte Bruchteilsgemeinschaft nachvollziehen. Ähnliche Themen werden auch in einer von Samuel Stryk geleiteten Dissertation zu den Unterschieden zwischen dem lübischen und dem römischen Privatrecht behandelt, ohne Hinweis auf eine mögliche Absonderung eines Gesellschaftsvermögens.348 In der Literatur zu den Hamburger Statuten finden sich ebenfalls keine Anzeichen einer sich von den Gesellschaftern verselbständigenden Gesellschaft.349 Johann Marquard, dessen Autorität bis Ende des 18. Jahrhunderts nicht nachlässt,350 wird in den gesellschaftsrechtlichen Ausführungen seines 1662 erschienenen handelsrechtlichen Traktats keine Indizien zu einem Sondervermögen im Handelsgesellschaftsrecht liefern.351 Die der Aufrechnung gewidmeten Passagen Samuel Stryks „Usus modernus Pandectarum“ stellen zwar klar, dass die Verpflichtung einer Gemeinde (civitas) oder einer sonstigen universitas nicht mit der Forderung eines ihrer Bürger aufgerechnet werden könne, weil die Verpflichtung der universitas nicht dasselbe sei wie eine Verpflichtung ihres Bürgers.352 Sie werfen aber nicht die Frage auf, ob die gleiche Lösung gilt, wenn anstelle der universitas eine societas steht. Andere Autoren scheinen sich von der Idee einer rechtlichen Verselbständigung der Privatgesellschaft zu entfernen. In den Erläuterungen Peter Müllers zum Syntagma von Georg Adam Struve wird erklärt, dass der im Namen der Gesellschaft auftretende Gesellschafter grundsätzlich die Forderung und das 345 

Zum Schrifttum dieser Epoche, F. L. Schäfer, Germanistik, S.  52 ff. Mevius, Commentarius (1664), III, S.  199 ff., zu III, 9, 5 (S.  213 ff.): lediglich Ausspruch zur Vertretungsmacht und Solidarhaftung der Gesellschafter bei Gesellschaften aller Güter (societates omnium bonorum) (Rn.  12 ff., S.  214), die bei Gesellschaften, die nur auf bestimmte Güter begrenzt sind, aber nicht gelte (Rn.  18 f., S.  214 f.). 347  Mevius, Commentarius (1664), III, 9, 3, Anm.  17 (S.  207). 348  Stryk, Jus Lubecense (1674), XI, Rn.  52 ff. (S.  128 ff.), insbes. Rn.  58 (S.  129). 349  S. etwa im Kommentar zum Hamburger Stadtrecht von 1603: J. Schulte in: Thesaurus iuris I.2 (1756), S.  337, 441 f., zu HbgStR 1603, II, 10, 1–13. 350  Scherner in: Coing, Quellen II.1 (1977), S.  841; zum Einfluss Marquards auf das preußische Allgemeine Landrecht, Servos, Personenhandelsgesellschaften (1984), S.  15. 351  Marquard, De Iure Mercatorum (1662), II, 11, Anm.  1–43 (S.  299 ff.); in Auszügen abgedruckt und übersetzt bei Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  291 f. (CD-ROM). 352  Stryk, Usus modernus II (1710), zu D. 16, 2, §  14 (S.  181 f.). 346 

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Klagerecht gegen den Vertragspartner persönlich erwerbe, die anderen Gesellschafter diese Rechte also ohne besondere Abtretung nicht geltend machen können.353 Das spricht nicht dafür, die Gesellschaft als selbständigen Träger dieser Rechte anzusehen. In seiner Schrift „Juris-Prudenz oder Verfassung der Land-üblichen Rechte“354 scheint derselbe Autor außerdem von einer grundsätzlich freien Verfügungsbefugnis der Gesellschafter über ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen auszugehen: So sei zwar die Verfügung über die gemeinsamen Güter ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter nicht möglich, allein über den Anteil des betreffenden Gesellschafters hingegen wohl.355 Nicht besonders gut mit einem abgesonderten Gesellschaftsvermögen vertragen sich auch die Ausführungen, wonach der Gesellschafter verpflichtet sei, alle von ihm im Namen der Gesellschaft erwirtschafteten Vermögenswerte mit den anderen Gesellschaftern zu teilen.356 Das deutet darauf hin, dass jene Vermögenswerte zunächst in die persönlichen Gesellschaftervermögen gelangen und dass ein zusätzlicher Verfügungsakt notwendig ist, um die anderen Gesellschafter hieran teilhaben zu lassen. Der mit Verweis auf C. 4, 31, 9, noch von Baldus und anderen mittelalterlichen Juristen der Kommentatorenschule vertretene Ausschluss der Aufrechnung von Gesellschafts- mit Gesellschafterforderungen ist weit davon entfernt, allgemein rezipiert zu werden. Ebenso wie Donellus357 wird Johann Brunnemann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lediglich die Konstellation behandeln, in der die Forderung eines Dritten gegen einen Gesellschafter mit der Gegenforderung des anderen Gesellschafters gegen den Dritten zu einer Aufrechnungslage führen kann.358 Die deutschsprachige Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird 83 ebenfalls nicht viele Indizien liefern, die auf Ansätze einer rechtlichen Unabhängigkeit der Privatgesellschaft hindeuten. Glücks Pandektenkommentar zieht weder eine Verbindung zwischen Handelsgesellschaft und Rechtspersönlichkeit359 noch finden sich dort Anzeichen von Gläubiger- bzw. Aufrechnungsprivilegien im Zusammenhang mit Gesellschafts- und Gesellschafterschulden.360 In seinen Schriften zum lübischen Recht liefert Joachim Lucas Stein 353  Müller in: G. A. Struve, Syntagma (1692), 17, 2 (pro socio), Exerc. 22, §  4 4, Anm. γ, S.  1486; abgedruckt und übersetzt bei Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  284 (CDROM). 354  Zu dem Werk und zu der Frage, in welchem Verhältnis es zu Struves „Jurisprudentia Romano-Germanica Forensis“ steht, s. Finzel, Struve (2003), S.  42 ff. 355  G. A. Struve, Jurisprudenz3 (1711), II, 34, §  7, S.  435 (Verpfändung des Anteils), III, 11, §  12, S.  539 (Verkauf des Anteils); freilich muss die Aussagekraft dieser Stellen insofern relativiert werden, als dort abwechselnd von „Gesellschafft“ und „socio“, einerseits, und dem Miteigentum („Haab und Güter / die er mit den andern gemein hat“) die Rede ist. 356  G. A. Struve, Jurisprudenz3, III, 14, §  5 (S.  577). 357  S. o., Rn.  80. 358  Brunnemann, Comm. in Cod. (1672), Cod. 31, 4, 9, Anm.  2 (S.  4 45). 359  Glück, Pandecten II1 (1791), §  113, S.  55 f. 360  Glück, Pandecten XV.11 (1811), §§  961 ff., S.  371 ff., §  970, S.  460 ff.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

keine Hinweise auf ein unabhängiges Gesellschaftsvermögen,361 genauso wenig von Martens zum Handelsrecht362 und zahlreiche andere Autoren363 , die sich auch nicht zu der Problematik der Aufrechnung zwischen Gesellschaftsund Gesellschafterforderungen äußern.364 3)  Gesellschaften mit Merkmalen einer faktischen Verselbständigung? 84

In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben verschiedene Autoren historische Gesellschaftsstrukturen untersucht, zeitgenössische Urkunden, insbesondere Gesellschaftsverträge ausgewertet und dabei verschiedene Ansätze einer nach außen hin gewollten Verselbständigung bestimmter Gesellschaften von ihren Gesellschaftern aufgezeigt. Es wird festgestellt, dass Quellen auf eine gesonderte Buchführung der Gesellschaft hinweisen, welche von den Gesellschaftern als Privatpersonen getrennt gewesen sei.365 Auch zeitgenössische Gesellschaftsvertragsklauseln werden hervorgehoben, die dem Gesellschafter eine vorzeitige Entnahme seiner Einlage auch im Falle seines Bankrotts verbieten sollten.366 Im Außenverhältnis habe außerdem der Gesellschaftsname, als Vorläufer der heutigen „Firma“, eine besondere Rolle gespielt.367 Da dieser ab Mitte des 16. Jahrhunderts in den Gesellschaftsverträgen zunehmend ausdrücklich vermerkt worden sei,368 habe die Handelsgesellschaft im Rechtsverkehr als „selbständige rechtliche Einheit“ auftreten können,369 selbst wenn sie damit noch 361  Stein, Lübisches Recht III (1745), §§   201 ff., S.  302 ff.; Stein, Rechtsgelehrsamkeit (1751), §§  297 ff., S.  359 ff. 362  v. Martens, Handelsrecht (1798), §§  20 ff., S.  25 ff. 363  Engau, Elementa4 (1752), III, §§  104 ff., S.  562 ff.; Estor, Rechtsgelehrsamkeit II (1758), §§  4769 ff., S.  762 ff.; Heineccius, Acad. Red. 2 (1758), III, 26, S.  722 ff.; Cramer, Anf.-Grde. (1766), III, 14, S.  503 ff.; Dabelow, System I 2 (1796), §§  2308 ff., S.  532 ff.; Thibaut, Pandekten II1 (1803), §§  1083 ff., S.  277 ff.; Harlos, Compendium (1804), S.  104 ff.; Wittich, CivilR (1805), S.  394 ff. 364  Keine Hinweise auf einen Aufrechnungsausschluss bei Gesellschafts- und Gesellschafterforderung bei: Engau, Elementa4 (1752), III, §  221, S.  620; Estor, Rechtsgelehrsamkeit II (1758), §  4886 f., S.  798; Heineccius, Acad. Red. 2 (1758), III, 30, S.  767 f.; Cramer, Anf.Grde. (1766), III, 21, S.  558 ff.; Thibaut, Pandekten II1 (1803), §  1184, S.  360 f. (im Gegenteil für ausdrückliche Zulässigkeit der Aufrechnung, wenn ein Gesellschafter einem Dritten eine Zahlung schuldet, ein Mitgesellschafter aber gegen denselben Dritten eine Forderung hat); Kermes, Handbuch (1804), S.  8 ff., 25 ff. 365  Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  157; E. Lutz, Handelsgesellschaften I (1976), S.  259; F. Thomas, Persönliche Haftung (2003), S.  63; in gewisser Weise auch Riebartsch, Handelsgesellschaften (1987), S.  259 ff. 366  Riebartsch, Handelsgesellschaften (1987), S.  253; v. Ciriacy-Wantrup, Unternehmen (2007), S.  234 f.; hier stellt sich natürlich die Frage, inwieweit eine solche Klausel den Gläubigern des Gesellschafters gegenüber wirksam sein konnte. 367  v. Ciriacy-Wantrup, Unternehmen (2008), S.  237 f.; Kischka, Gesellschafter (2005), S.  51 f.; Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  29; E. Lutz, Handelsgesellschaften I (1976), S.  4 43 ff.; Peterka, ZHR 73 (1913), S.  387, 398 f. 368  E. Lutz, Handelsgesellschaften I (1976), S.  451. 369  E. Lutz, Handelsgesellschaften I (1976), S.  4 45.

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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nicht „als abstraktes Rechtssubjekt“ anerkannt gewesen sei.370 Jedenfalls sei der Gesellschaftsname, unter dem die Gesellschafter im Rechtsverkehr teilnahmen, der Schlüssel für die solidarische Haftung aller Gesellschafter gewesen.371 Von Bedeutung seien weiter besondere Handels- und Gesellschaftszeichen gewesen, welche Waren markierten, um deren Zugehörigkeit zu kennzeichnen; 372 diese konnten so nicht nur vom Eigentum Dritter, sondern auch von eventuell vorhandenen Gütern der Gesellschafter persönlich unterschieden werden. Hervorgehoben werden schließlich alte Wendungen, wonach die „Gesellschaft“ etwas schulde, einen Schaden erleide oder einen Gewinn erziele.373 Man kann durchaus annehmen, dass dieses Vorgehen eine faktische Verkör- 85 perung der Handelsgesellschaft zur Folge hatte; eine rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft von ihren Mitgliedern hat es indes nicht hergestellt. In der täglichen Handhabung gab es hierfür vielleicht auch nicht unbedingt ein Bedürfnis. War eine physisch sichtbare Trennung der der Gesellschaft gewidmeten Güter und Rechte gewährleistet, konnte die Frage nach der rechtlichen Qualifizierung ihrer Zuordnung meist zweitrangig bleiben. Sie musste erst dann beantwortet werden, wenn sie praktisch relevant wurde.

III.  Ansätze einer Verselbständigung der Gesellschaft in deutschen Quellen Ansätze einer Verselbständigung der Gesellschaft sind in den meisten deut- 86 schen Quellen der frühen und auch der späteren Neuzeit nicht zu finden. Es existieren aber spätestens gegen Ende des 16. Jahrhunderts durchaus Schriften, in denen eine abgesonderte gesellschaftliche Haftungsmasse anerkannt wird (1). Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Gesellschaftsrechts im 19. Jahrhundert sind außerdem die Arbeiten der naturrechtlichen Autoren zur Theorie der moralischen Person (2).

370 

v. Ciriacy-Wantrup, Unternehmen (2008), S.  237. E. Lutz, Handelsgesellschaften I (1976), S.  453 f., 460 ff. 372  Cordes in: FS Graßmann (2005), S.  517, 527, der i. Ü. die sprachliche Personifizierung einer neuzeitlichen Hansegesellschaft im Gesellschaftsvertrag hervorhebt („Güter der Maskopey“); zu den Handelszeichen auch E. Lutz, Handelsgesellschaften I (1976), S.  455 ff.; v. Ciriacy-Wantrup, Unternehmen (2008), S.   238 f.; grundlegend Dietzel, Jahrb. gem. dt. Rechts 4 (1860), S.  227, mit umfassenden Quellenzitaten besonders italienischer Autoren des Mittelalters; s. ferner die Nachweise bei Silberschmidt, Arch. bürg. R. 25 (1905), S.  129 ff., 136, 144 (Gesellschaftsmarken). 373 S. Rehme, ZRG-GA 47 (1927), S.  487, 560 f., welcher jedoch darauf hinweist, dass die alten Quellen in ähnlichen Zusammenhängen sogar noch öfter die Gesellschafter im Plural („die Herren“) bezeichnen. 371 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

1)  Literaturstimmen zum Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse 87

Die Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse findet sich spätestens in einer 1598 erschienenen Schrift Johann Michael Beuthers. Das muss nicht heißen, dass andere deutsche Quellen die Problematik nicht bereits zuvor behandelt haben,374 Beuthers Stellungnahme zeichnet sich aber insofern aus, als sie als Autorität in späteren Werken Eingang findet. a)  Johann Michael Beuther (ca. 1600)

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Die offenbar erstmals im Jahre 1598 vom Straßburger Professor Johann Michael Beuther veröffentlichte Schrift zu den Gläubigerprivilegien erscheint als eines der ersten deutschen Werke, in denen die Frage der Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als besondere Haftungsmasse aufgeworfen wird.375 Ausgangspunkt des Autors ist, dass ein gemeinschaftliches Gut (als Ganzes) nicht ohne Einverständnis aller Mitglieder der Gemeinschaft belastet oder veräußert werden könne; geschehe dies dennoch, so können die von der Verfügung überraschten Mitglieder das Gut „vendiciren unnd demselben nachsetzen“.376 Aus dieser Beobachtung zieht er einen für die weitere Entwicklung des Gesellschaftsrechts folgenreichen Erst-recht-Schluss: Haben mehrere Personen eine Gesellschaft (societas) gegründet, so müsse den Gesellschaftern ein Vorzugsrecht auf die Gesellschaftsgüter zur Durchsetzung derjenigen Ansprüche gewährt werden, die ihnen aus dem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis jeweils gegen die übrigen Gesellschafter zustehen.377 Anscheinend billigt Beuther somit allen Gesellschaftern eine insoweit dingliche Berechtigung an den wirtschaftlich der Gesellschaft zukommenden Vermögensgegenständen zu. Eine Unterscheidung zwischen denjenigen Gütern, die bereits im Miteigentum aller 374  Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in den Protokollen der Redaktionskommission für ein ADHGB angedeutet wird, das Reichskammergericht habe „in einem zur Zeit berühmten Prozesse über die Kompensation“ die Aufrechnung zwischen zwei Forderungen abgelehnt, wenn die eine aus dem Verhältnis gegenüber der Gesellschaft, die andere aus dem Verhältnis gegenüber einem Gesellschafter herrührte; s. J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1138; eine Fundstelle oder allein die Datierung des Vorgangs findet sich dort leider nicht (ebenfalls ratlos: Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  76, S.  532, Fn.  1), vermutlich stammt er aber nicht aus dem 16., sondern eher aus dem 17. oder sogar dem 18. Jahrhundert. 375  Das Leben Johann Michael Beuthers (* 1566, † 1618) ist in der biografischen Literatur bisher wenig berücksichtigt worden; zu Beuthers Geburts- und Sterbejahr sowie zu dessen Schrift über die Gläubigerprivilegien, s. Forster, Konkurs als Verfahren (2009), S.  152 f. 376  Beuther, Praelation (1598), I, 64 (S.  136): „Gleich wie ein gemein gutt / ohne des andern vorwissen / bewilligung und consens nit mag versetzet oder verpfändet werden / sonder wo das geschicht / solches der non consentiens vor allen anderen Creditorn, und ohne einige widerred vendiciren unnd demselben nachsetzen mage“. 377  Beuther, Praelation (1598), I, 64 (S.  136 f.): „Also auch unnd vil mehr würdt der vorzug gestattet / den sociis un[d] gemeindern / wass diese einander aus der gemeinschafft etwas zuthun schuldig geblieben / und deren einer / anderer ursachen halben verdorben unnd undergangen / das also hernacher wegen der zhalung / und wer an deroselben ahm ersten sein solle / streit unnd disputation ervolget wäre“.

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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Gesellschafter nach ihren Quoten stehen und denjenigen, die sich in dinglicher Hinsicht noch im Vermögen einzelner Gesellschafter befinden und erst auf Grundlage des Gesellschaftsvertrags – also auf Grundlage einer schuldrechtlichen Verpflichtung – mit den anderen Gesellschaftern evtl. noch geteilt werden müssen, findet offenbar nicht statt. Beuther liefert verschiedene Gründe für das von ihm vertretene Vorzugsrecht. So sei denkbar, dass dieses die Gestalt einer allgemeinen Hypothek auf alle gegenwärtigen und zukünftigen Vermögensgegenstände der Gesellschafter einnehme, auf welche sich die Gesellschafter bereits im Vorfeld durch ausdrückliche vertragliche Bestimmung geeinigt haben; doch auch ohne ausdrückliche Bestimmung müsse eine entsprechende Hypothek stillschweigend und von Rechts wegen angenommen werden.378 Ferner stützt er sich auf die Autorität des Negusantius,379 um den Satz aufzustellen, dass der Gegenstand, den der eine Gesellschafter klageweise oder durch Pfandbesitz erlangt hat „dem andern auch gelten soll“ und dass in diesem Fall der Grundsatz keine Anwendung finden dürfe, wonach demjenigen das stärkere Recht an einem Vermögensgegenstand zukomme, der dessen Besitz erwerbe.380 Um seine Position zu untermauern, stützt sich Beuther auch auf Tiberio Deciano,381 welcher in der zitierten Schrift freilich nur erklärt hatte, die Forderung aus einem Schuldanerkenntnis sei gegenüber einer Forderung aus einem Vertrag (in diesem Fall: aus einem Gesellschaftsvertrag) immer nachrangig, da Schuldanerkenntnisse leicht rückdatiert werden könnten.382 Schließlich erklärt Beuther, es müsse die dingliche Berechtigung der Gesellschafter an den Gesellschaftsgütern gegenüber der Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger zurücktreten, denn „die gemeinschafften geltten zu gewinn unnd verlust“.383 Der Vorzug der Gesellschaftsgläubiger wird auch an der Stelle deutlich, an der Beuther die Gesellschaftsgläubiger ausdrücklich aus dem Kreis jener ausschließt, gegen die ein Gesellschafter auf Grundlage seines Separationsrechts oder seines Ei378  Beuther, Praelation (1598), I, 64 (S.   137): „So ist nuhn billich das ihenen auch ius hypothecae expressae vergünnet und zugelassen werde […] oder wo das nit außtrucklichen geschehen / jedoch tacite & ipso iure ein solches ratione indemnitatis, quae vel maxime hic inspicitur, begriffen / verstanden / unnd ingehalten seyen: Dahero abermalen ius tacitae hypothecae ihnen keins wegs denegirt und abgesagt werden woll“. 379 S. Negusantius, De Pignoribus (1549), Pars 5, membr. 2, Nr.  38. 380  S. die in Beuther, Praelation (1615), I, 64, Bl. 102 (recto), hinzugefügte Passage: „also daß / was der eine socius in persecutione aut possessione pignoris ihme erlangt / dem andern auch gelten soll / und nicht wie sonsten possidentis potior conditio sein möge“. 381  S. die in Beuther, Praelation (1615), I, 64, Bl. 102 (verso), hinzugefügte Passage: „Imò semper creditum proveniens ex societate, anteponitur credito confessato, quamvis hoc prius esset in tempore”. 382  Deciano, Responsorum III (1589), Resp.   22, Nr.   2: „[…] quia esset in facultate cuiuscun­que excludere priores creditores faciendo instrumentum de confessione debiti antea contracti […]. Solent enim saepe debitores, ut priores creditores excluda[n]t ex instrumentis factis cum posteriori, confiteri debitum repetito die ante debitum prioris creditoris“. 383  Beuther, Praelation (1598), I, 64 (S.  137).

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gentumsrechts in Bezug auf dem, was ihm nach den gesellschaftlichen Abzügen gebührt, vorgehen kann.384 Beuther ist von einem Autor als einer „der schlechtesten Schriftsteller“ qualifiziert worden, „welche in Deutschland je zu Ruf und Ehre gekommen sind“.385 Man wird zumindest sagen können, dass Beuthers Aussagen in der Rückschau schwer zu erfassen sind. Sie legen den Verdacht eines robusten Gebrauchs der in den zitierten Fundstellen belegten Lehrsätze nahe. Auch scheint der Autor nicht vor aus heutiger Sicht kühnen Analogien zurückzuschrecken, durch welche die Grenzen zwischen einer dinglichen und einer schuldrecht­ lichen Berechtigung aufgeweicht werden. Insbesondere aber fallen Beuthers Ausführungen nicht durch besondere Klarheit auf. Wenig Verwertbares findet sich zu der zentralen Frage, welches Schicksal er einerseits für die unmittelbar dinglich den Gesellschaftern zustehenden Vermögensgüter bereithält und andererseits für jene Güter, die in das Eigentum einzelner Gesellschafter gelangt sind und auf die nur ein (schuldrechtlicher) Teilungsanspruch besteht. Doch die dünne dogmatische Grundlage der Gedanken Beuthers sowie seine ausweichenden Formulierungen sind vielleicht ein Zeichen dafür, dass es dem Autor in erster Linie darum ging, eine aufgrund praktischer und wirtschaftlicher Bedürfnisse der damaligen Zeit gewünschte Lösung zu ermöglichen, welche aus den ihm zur Verfügung stehenden tradierten Grundsätzen aber schwer herzuleiten war. Über die inneren Motive Beuthers lässt sich aus heutiger Perspektive nur noch spekulieren. Immerhin kann der Verdacht geäußert werden, dass Beuthers Ausführungen einer ergebnisorientierten Linie gefolgt sind und dass die etwas willkürlich anmutende Auswahl herangezogener Literatur in erster Linie die Funktion hatte, die Lösung zu einer Autorität zu verhelfen, die sie möglicherweise nicht verdient hat. Für die nachfolgende Entwicklung von Bedeutung ist jedenfalls, dass Beuther immer wieder von Autoren zitiert wird, die sich in gleicher Weise für eine Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger auf die Gesellschaftsgüter gegenüber den Privatgläubigern der Gesellschafter aussprechen.386 Hätte ein praktisches Bedürfnis nach einer entsprechenden Privilegierung vor allem der Gesellschaftsgläubiger nicht fortgedauert, wäre Beuther in Hinblick auf die geringe dogmatische Belastbarkeit seiner Ausführungen eine entsprechende Berücksichtigung vermutlich nicht zuteil geworden.

384  Beuther, Praelation (1598), I, 64 (S.  138): „Warumb solte dann der socius nitt guet und fueg macht haben / uff deme so ihme nach abzug ex societate gebürth / unnd nuhn mehr / iure tam separationis quam dominii proprii constituti in seiner eigenen unn keines anderen gewaltsamb ist / des vorzugs gegen andern / ausser der gemeinschafft gemachten Creditorn / sich zugebrauchen?“ 385  Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  6 4. 386  S. u., Rn.  91 (Carpzov), 94 (Green), 137 (v. Gmelin).

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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b)  Die bevorzugte Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen als Diskussionsthema im Usus modernus aa)  Autoren des 17. Jahrhunderts Rechtsfragen, welche Rückschlüsse auf ein rechtlich anerkanntes eigenes Ge- 90 sellschaftsvermögen zulassen, werden in der Masse der Rechtsliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts in einzelnen Schriften angesprochen. Mitte des 17. Jahrhunderts veröffentlicht Christoph Philipp Richter ein Traktat zu den Gläubigerprivilegien, in dem er offenbar an der Regel festhält, jeder Gesellschafter könne über seinen Anteil an den gemeinschaftlichen Sachen verfügen.387 Er beschreibt aber auch den Fall, dass ein Gesellschafter ein Gesellschaftsgut ohne Einverständnis des anderen Konsorten verpfändet habe, der so belastete Gegenstand nach Teilung der Gesellschaft aber Letzterem zugefallen sei: Dann solle dieser „auff den übrigen Theil seines Bruders oder Mitconsorten / vor den ersten Creditori den Vorzug haben“.388 Nicht ganz klar wird freilich, ob sich das Vorzugsrecht auf diejenigen Güter des Ersatzpflichtigen beschränkt, die dieser infolge der Teilung der Gesellschaft erhalten hat oder ob es alle Güter des Ersatzpflichtigen umfasst. Einen deutlich größeren Einfluss auf die spätere Entwicklung übt ein Gut- 91 achten Benedikt Carpzovs aus den 1640er Jahren zu einem Fall aus, in dem ein Gesellschafter persönlich zahlungsunfähig wird. Carpzov verteidigt die Ansicht, dass in einer solchen Konstellation die Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Privatgläubigern des betreffenden Gesellschafters privilegiert seien. Die dahinter stehende Argumentation erscheint undurchsichtig.389 Zwar gelte der Satz Ulpians,390 dass Korrealschuldner solidarisch verpflichtet seien, so dass sich (allein) hieraus eine Privilegierung des Gläubigers einer Solidarverpflichtung gegenüber Gläubigern, die nur gegen einen Schuldner berechtigt sind, (noch) nicht ergebe391. Zum einen beruft sich Carpzov aber darauf, dass bereits von Paulus de Castro, Johann Michael Beuther, Tiberio Deciano und Hector Felicius festgestellt worden sei, den Gesellschaftsgläubigern gebühre der Vorzug,392 was freilich weder bei Deciano393 noch bei Felicius394 so stimmt. Zum anderen leitet Carpzov das Vorzugsrecht der Gesellschaftsgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen vom Vorzugsrecht der Gesellschafter ab: Diese könnten 387  Richter, De jure et priv. cred. 2 (1656), Cap.   2 , membr. 1, Rn.  71 (S.  130 f.): „Socius enim de re communi ultra partem suam non potest disponere“. 388  Richter, De jure et priv. cred. 2 (1656), Cap.  2 , membr. 1, Rn.  70 f. (S.  130 f.). 389  So auch Mehr, Societas (2008), S.  213. 390  Dig. 45, 2, 3, 1. 391  Carpzov, Op. Decisionum (1729), Dec. 54 (Uno ex sociis), Rn.  5 ; Dec. 54 in Auszügen abgedruckt und übersetzt bei Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  288 (CD-ROM). 392  Carpzov, Op. Decisionum (1729), Dec. 54 (Uno ex sociis), Rn.  6 ff., 21 (S.  99 f.); dazu Mehr, Societas (2008), S.  213. 393  S. o., Rn.  88. 394  S. o., Rn.  50.

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nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Gläubiger vindizieren,395 dieselben also am dinglichen Recht der Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen teilhaben lassen. Die Argumentation Carpzovs lehnt sich damit am ehesten an jene Beuthers an.396 Von Bedeutung ist jedenfalls, dass nun Carpzov selbst die Rolle einer Autorität übernimmt, die in der Folge zur Verteidigung der Vorrechte der Gesellschaftsgläubiger Pate stehen wird.397 In nicht ganz die gleiche Richtung weist eine Stelle in Samuel Stryks „Usus modernus“. Stryk berichtet dort von einem Gutachten, das er im Jahre 1674 für die Stadt Frankfurt erstellt hat. Ihm lag folgender Fall zugrunde: Zwei Personen bildeten eine (zumindest auch) auf Kommissionsgeschäfte ausgelegte Gesellschaft, die als Partikulargesellschaft, nicht als eine societas omnium bonorum ausgestaltet war. Im Rahmen des Geschäftsunternehmens gingen die Gesellschafter bei Dritten Verpflichtungen ein. Gleichzeitig betrieb einer der Gesellschafter einen Eisenwarenhandel für sich alleine. Es stellte sich die Frage, inwieweit die Gesellschaftsgläubiger Befriedigung ihrer Ansprüche nicht nur durch Verwertung der Gesellschaftsgüter, sondern auch des Vermögens erreichen können, das dem Eisenhandel des einen Gesellschafters zugeordnet ist. Die Antwort Stryks ist Folgende: Auf der Grundlage, dass im betreffenden Fall keine societas omnium bonorum bestehe und damit nicht jede Verbindlichkeit eines Schuldners auch eine gemeinschaftliche Verbindlichkeit darstelle, sei „Uberdem Rechtens / daß dem Creditori societatis keine Actio realis in bonis alterius socii zukommen kann / auch ferner Rechtens / daß wann einer unterschiedene Handlungen führet / und ein Creditor in specie zu einer gewissen Handlung creditiret / derselbe respectu dieser Handlung anderen Creditoren, so hierzu nicht creditiret / vorzuziehen ist / und zwar jure quodam separationis […]. Daß dahero die Handlungen nicht zu confundiren / und können ohnedem die Creditores, welche der Commissions-Societät vorgeschossen / an den Eisen-Handel nicht kommen / bevor diejenigen Creditores, welche zu dem Eisen-Handel in specie Geld hergegeben / gänzlich befriediget worden“.398 Eine Vermögensabsonderung findet bei Stryk also durchaus statt, doch bedeutet sie keine Trennung von Gütern der Gesellschaft von den Gütern der Gesellschafter, sondern eine Trennung von Gütern, die jeweils verschiedenen Handelsgeschäften zugeordnet sind; es war hier wichtig, diejenigen Gläubiger zu bevorzugen, die gegen den Schuldner in Ansehung eines bestimmten Unternehmens und der ihm zugeordneten Vermögensgüter vertragliche Ansprüche 395  Carpzov, Op. Decisionum (1729), Dec. 54 (Uno ex sociis), Rn.  7, in Auszügen abgedruckt und übersetzt bei Mehr, Societas (2008), Quellenanhang, S.  288 (CD-ROM). 396  S. o., Rn.  88. 397  S. etwa Koch, Forderungen I1 (1836), §  48, S.  487, Fn.  61; Leyser, Meditationes VII 2 (1737), Specimen 489, Nr.  11 (S.  547), stellt fest, dass Carpzovs Ansicht von vielen anderen („multi alii“) mit Bezug auf Carpzov übernommen wurde. 398  Stryk, Usus modernus II (1710), Zu Dig. 17, 2: §  42 (S.  268 f.).

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erworben haben. Diese Lösung, welche bereits Paulus de Castro und Stracca vertreten hatten,399 konkretisiert damit keine rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft, sie bildet aber vielleicht einen Lösungsansatz, der für die Zukunft einen entsprechenden Gedanken erleichtert. bb)  Autoren bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts Im 18. Jahrhundert ist die Idee des bevorzugten Zugriffs der Gesellschaftsgläu- 93 biger auf die Gesellschaftsgüter ein Thema, das durchaus vereinzelt aufgegriffen und auch kontrovers diskutiert wird. Schwankend scheint die Position Augustin Leysers gewesen zu sein. Mit Hinweis auf Carpzov erklärt er zwar, jene Regel sei aus den (römischen) Rechtstexten kaum herzuleiten, dafür aber gerecht und imstande, endlose Streitigkeiten zu entwirren, und somit von den Gerichten anerkannt.400 An anderer Stelle offenbart Leyser freilich eine kri­ tischere Haltung, die den Mangel eines (römischen) Rechtssatzes in den Vordergrund stellt, ohne diesmal die Gerechtigkeit, die Zweckmäßigkeit und die Gerichtspraxis als Argumente für die vorzugsweise Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zu erörtern.401 Es bestehe keine zugunsten der einzelnen Gesellschafter stillschweigend erteilte Hypothek auf das Gesellschaftsgut und selbst wenn eine solche Hypothek bestünde, gäbe es keinen Grund, dass deren Inhaber anderen hypothekarisch gesicherten Gläubigern der Gesellschafter vorzuziehen seien.402 Unzweideutig für den privilegierten Zugriff der Gesellschaftsgläubiger auf die Gesellschaftsgüter spricht sich hingegen 1754 der Leipziger Professor Lüder Mencke aus: Es sei den aufgrund der Gesellschaft eingegangenen Verpflichtungen der Vorzug vor den gesellschaftsfremden Schulden eingeräumt, da die Gläubiger – so Dig. 17, 2, 27 und 28 – aus den Gesellschaftssachen zu befriedigen seien.403 Mencke beruft sich hierbei auch auf zwei Entscheidungen der Leipziger Rechtsfakultät vom November 1703 und Januar 1724.404 Eine Dissertation aus dem Jahre 1769 widmet sich ganz der Problematik der 94 Befriedigung der Gesellschaftsschulden vor den anderen (persönlichen) Ver-

399 

S. o., Rn.  49. Leyser, Meditationes III/IV (1735), Specimen 185, Corollarium (S.  380): „Quae sententia, etsi ex legibus deduci vix queat, aequa tamen est & extricandis infinitis litibus apta atque in foro teste Carpzovio dec. 54. recepta“. 401  Leyser, Meditationes VII 2 (1737), Specimen 489, Nr.  11 (S.  547 f.). 402  Leyser, Meditationes VII 2 (1737), Specimen 489, Nr.  11 (S.  547 f.): „Ajunt deinde, socios jus tacitae hypothecae in bonis socii habere. Falsum hoc est. Sed si verum esset, num propterea alii creditores parem vel fortiorem hypothecam habentes excluduntur?“. 403  Mencke, Systema iuris (1754), XVII, 2, §  8 (S.  286): „debitis ratione societatis con­ tractis, praerogativa tribuitur prae nominibus extra societatem solvendis, ut creditoribus ex rebus societatis f. ex communi satisfiat. a. l. 27. l. 28.“. 404  Mencke, Systema iuris (1754), XVII, 2, §  8 (S.  286). 400 

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bindlichkeiten der Gesellschafter.405 Diese Arbeit berücksichtigt frühere Stimmen, die zuvor für eine entsprechende Privilegierung eingetreten waren, darunter Paulus de Castro406 , Salgado de Somoza407, Beuther408 , Carpzov409 und Leyser410. Der Autor wendet sich gegen die von Beuther und Carpzov geäußerte Ansicht, den Mitgesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern stünde eine stillschweigende Hypothek an den Gesellschaftssachen zu.411 An dem Ergebnis der vorzugsweisen Befriedigung der Gesellschafter zweifelt aber auch Green nicht, nur leitet er dieselbe von den Digestenstellen ab, wonach die Gesellschaftsschulden von der Gemeinschaft („de communi“) zu begleichen sind.412 Diese Lösung ergebe sich außerdem aus der „Natur des Gesellschaftsvertrags“: 413 Der Gewinn sei nur nach Abzug der Ausgaben zu bestimmen, genauso wie evtl. der Verlust nur nach Abzug der Einkünfte.414 Daraus folge, dass dem Gesellschafter nichts an Gewinn zukommen könne, soweit nicht vorher die Verluste abgezogen worden seien; 415 soweit der Gewinn zur Befriedigung des Verlustes aber nicht ausreiche, müssen hierfür die Einlagen herangezogen werden, die somit ebenfalls nur nach entsprechenden Abzügen von den jeweiligen Gesellschaftern zurückverlangt werden können.416 Weitere Stellungnahmen finden sich durchgehend bis Ende des Usus modernus. Leysers Ablehnung der Vorzugsrechte der Gesellschaftsgläubiger wird in späterer Zeit von Christoph Dabelow geteilt.417 Johann Philipp Orth stellt fest, dass die Frage der Privilegierung von Gesellschaftsgläubigern in der Literatur umstritten und es daher besonders wichtig sei, dass sich die Gesellschafter von vornherein auf eine Klausel verständigen, die den Gesellschaftern verbietet, außerhalb derselben andere Handelsgeschäfte zu betreiben.418 Betrachtet man schließlich die Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts zu der Frage der Einrichtung einer separaten gesellschaftlichen Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger, so sind zusammenfassend zwei Punkte festzuhalten: Zum einen berufen sich diejenigen Autoren, welche diese Ansicht 405  Green, De solutione nominum societatis ex communi prae aliis socii obaerati debitis, Leipzig, 1769. 406  Green, De solutione nominum (1769), S.  10; zu Paulus de Castro, s. o., Rn.  43. 407  Green, De solutione nominum (1769), S.  7 f., 10; zu Salgado, s. o., Rn.  51. 408  Green, De solutione nominum (1769), S.  8 , 10; zu Beuther, s. o., Rn.  88. 409  Green, De solutione nominum (1769), S.  8 , 10. 410  Green, De solutione nominum (1769), S.  10. 411  Green, De solutione nominum (1769), S.  8 f. 412  Green, De solutione nominum (1769), S.  10 ff., mit Verweis auf Paulus, Dig. 17, 2, 27 f. 413  Green, De solutione nominum (1769), S.  12 f. 414  Green, De solutione nominum (1769), S.  12. 415  Green, De solutione nominum (1769), S.  12. 416  Green, De solutione nominum (1769), S.  12. 417  Dabelow, Concurs2 (1801), S.  354. 418 S. Orth, Abhandlungen III (1742), zu II, 23, 1 (S.  509 f.), unter Bezugnahme auf die Lehrmeinungen Carpzovs, Leysers und Stryks.

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vertreten, gerne auch auf gemeinrechtliche Schriften aus ganz Europa, an erster Stelle auf Paulus de Castro, aber auch auf Salgado de Somoza. Zum anderen wird offenbar, dass die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger keineswegs allgemein anerkannt war, dass sich vielmehr einige Autoren wegen der dünnen positivrechtlichen Grundlage mit ihr schwertun. Berücksichtigt man ferner, dass in den meisten Quellen diese Frage nicht problematisiert wird,419 liegt der Verdacht nicht ganz fern, dass die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger eine in Deutschland erst in der Neuzeit aufgekommene und damit vergleichsweise neue Idee ist. 2)  Naturrechtliche Ansätze der Personifizierung der Gesellschaft Das heute im Gesellschaftsrecht gängige Modell der autonomen Rechtsfähig- 97 keit steht im engen Zusammenhang mit der Anerkennung einer eigenen gesellschaftlichen Rechtspersönlichkeit. Die Lehre der juristischen Person, die erst im 19. Jahrhundert zu ihrer modernen Ausprägung reifen wird, findet eine ihrer Quellen in der naturrechtlichen Lehre der persona moralis, welche sich im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelt und gegen Ende der Epoche des Usus modernus auch mit der Konzeption der Erwerbsgesellschaften in Verbindung gebracht wird. a)  Entstehung und Entwicklung der naturrechtlichen Lehre der persona moralis aa)  Entia moralia und personae morales compositae bei Pufendorf Als prominenter Rechtsbegriff erscheint die persona moralis offenbar zunächst 98 in Samuel Pufendorfs Schrift „De jure naturae et gentium“.420 Dessen in­ haltliche Prägung ist das Ergebnis eines Gedankengangs, wonach die persona moralis nicht als eigenes Rechtssubjekt, sondern als Konkretisierung mora­ lischer Wesen („entia moralia“) verstanden wird,421 worunter eine moralphilosophische Sphäre zu verstehen ist, welche auf die menschliche Vernunfts­ fähigkeit und Willensfreiheit aufbaut und die gesamte körperliche Welt ordnet.422 Aus heutiger Sicht ungewohnt erscheint Pufendorfs Verständnis der persona moralis: Moralische Personen seien sowohl einzelne als auch durch ein moralisches Band in ein einheitliches System verbundene Menschen, die unter dem Blickwinkel ihres Status oder ihres Amts betrachtet werden, mit welchem sie sich im Rahmen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens bewe419 

S. o., Rn.  75 ff. S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §§  12 ff., S.  10 ff. 421  S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §  12, S.  10. 422  Dazu ausführlich Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 223 f.; s. auch M. Auer, in: Person und Rechtsperson (2015), S.  81, 84 ff.; Wenzel, Naturrechtslehre Pufendorfs (1958), S.  19 ff. 420 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

gen.423 Entsprechend der Statuslehre ist die persona moralis bei Pufendorf da­ mit nicht die Grundlage einer allgemeinen Rechtsfähigkeit, sie bestimmt sich vielmehr umgekehrt als Folge einer in vielfältiger Weise variablen und von dem jeweiligen Status oder Amt des betreffenden Menschen abhängigen Rechtsfähigkeit.424 Aus diesem Grund können einzelne Personen in ihren jeweiligen Rechtsverhältnissen, etwa in Ausübung eines öffentlichen Amts oder einer privatrechtlichen Funktion, moralische Personen sein.425 Pufendorf nimmt dabei an, dass darüber hinaus auch Personenvereinigungen sogenannte zusammengesetzte moralische Personen begründen können („persona moralis composita“). In seiner Terminologie seien dies „societates“, welche jedoch nicht auf dem römischrechtlichen Sozietätsbegriff begründet sind, sondern praktisch alle Personenzusammenschlüsse öffentlicher und privater Art umfassen, also etwa kirchliche Organisationen, republikanisch verfasste Staatsstrukturen, aber auch Armeen, Familien, Stadtgemeinden, Kaufmannsgilden und Handwerkszünfte.426 Bei aller Vorsicht mit Vergleichen zwischen Rechtsfiguren aus früheren Epochen427 kann man bei der persona moralis composita durchaus eine Konstruktion erkennen, die die spätere Lehre der juristischen Person vorbereitet. Richtig ist aber, dass bei Pufendorf die Frage nach der allgemeinen Rechtsfähigkeit einer moralischen Person nicht gestellt wird, weil dieses Konzept selbst erst im 19. Jahrhundert die Statuslehre verdrängen wird.428 Immerhin stellt Pufendorf klar, dass einer zusammengesetzten persona moralis Vermögensgüter zustehen können, auf welche die einzelnen Mitglieder selbst keine Ansprüche haben.429 Im Vordergrund seiner Qualifizierung der persona moralis composita steht aber die Feststellung der durch die Vereinigung neu gewonnenen Handlungsfähigkeit; eine Feststellung, die eher einen philosophischen als juristischen Charakter hat und an das von Rousseau geprägte Idealbild des „Gesellschaftsvertrags“ („contrat social“) denken lässt.430 So entstehe eine persona moralis composita, wenn sich mehrere menschliche Wesen in der 423  S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §  12, S.  10; vgl. Ch. Hattenhauer in: Person und Rechtsperson (2011), S.  39, 50 f. 424 Vgl. Wenzel, Naturrechtslehre Pufendorfs (1958), S.  29. 425  S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §  12, S.  10 ff.; dazu Gierke, GenossenschR IV (1913), S.  417. 426  S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §   13, S.  12 f.; die Aufzählung ist zwar ausdrücklich nicht abschließend, es fällt aber doch auf, dass Erwerbsgesellschaften, insbesondere Handelsgesellschaften nicht genannt sind; a. A. jedoch M. Auer, in: Person und Rechtsperson (2015), S.  81, 93, welche offenbar „collegia, puta mercatorum, opificum et similia“ nicht als Kaufmannsgilden und Handwerkszünfte, sondern als „Handels- und Handwerksgesellschaften“ versteht. 427  Krit. zur Annahme der naturrechtlichen persona moralis als Vorgängerfigur der modernen juristischen Person etwa Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 233 ff.; vorsichtig auch Coing, EuPR II (1989), S.  336. 428  So auch Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 233 f. 429  S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §  13. 430 Vgl. H. Hattenhauer, Grundbegriffe2 (2000), S.  27.

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Weise vereinigen, dass kraft dieser Union deren Wollen und Handeln als der Wille und das Handeln eines Einzelnen und nicht von Mehreren gelte.431 bb)  Societas und persona moralis bei Wolff und Nettelbladt Der Begriff der moralischen Person wird im Verlauf des 18. Jahrhunderts wei- 99 ter aufgegriffen. Ohne auf den bestimmenden Charakter des jeweils anwendbaren Status zu verzichten,432 unterstreicht Christian Wolff die Subjektivität der persona moralis. So sei der Mensch eine moralische Person, soweit er als das Subjekt bestimmter Verbindlichkeiten und bestimmter Rechte angesehen werde.433 Wie Pufendorf geht auch Wolff von einem weiten Societasbegriff aus, unter welchen er alle Arten von Personengemeinschaften fasst,434 im Übrigen auch ausdrücklich Handelsgesellschaften.435 Anders als Pufendorf zieht Wolff jedoch keine Verbindung zwischen der societas und dem Begriff der moralischen Person; 436 allenfalls bei der universitas stellt er ausdrücklich fest, dass diese wie eine Person gelte.437 Maßgebliche Schritte in Richtung der modernen Vorstellung der juristischen Person geht schließlich Daniel Nettelbladt.438 Er identifiziert Personen im allgemeinen Sinn, welche nichts anderes als die einzelnen Menschen seien.439 Von diesen unterscheidet er Personen im besonderen Sinn, als Menschen in Anbetracht eines bestimmten Status, d. h. einer Eigenschaft, aus welcher sich verschiedene Rechte und Pflichten ergeben,440 wie es bereits Pufendorf erklärt hatte.441 Solche Personen im besonderen Sinn können

431  S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §  13, S.  12: „Persona moralis composita con­ stituitur, quando plura individua humana ita inter se uniuntur, ut quae vi istius unionis volunt aut agunt, pro una voluntate, unaque actione, non pro pluribus censeantur” (Hervorhebung im Original). 432  Im Einzelnen Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 237 ff. 433  Ch. Wolff, Inst. (1754), §  96, S.  50: „Homo persona moralis est, quatenus spectatur tanquam subjectum certarum obligationum atque jurium certorum“. 434  Ch. Wolff, Jus naturae VII (1742), I, §§  1 ff. (S.  1 ff.), s. auch Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 244. 435  Ch. Wolff, Jus naturae VII (1742), I, §  2 (S.  2 ). 436  Ch. Wolff, Inst. (1754), §   836, S.  524; Ch. Wolff, Jus naturae VII (1742), I, §§  1 ff. (S.  1 ff.); so auch bereits die Feststellung von H. Hattenhauer, Grundbegriffe2 (2000), S.  29; s. ferner Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 244 f. 437  Ch. Wolff, Jus naturae II (1742), II, §  113 (S.  113 f.): „[U]niversitas quoad finem conjunctim persequendum in oppositione ad alios homines spectatur instar unius personae, consequenter hoc respectu personam unam repraesentat“ (kursiv im Original). 438 Zum Beitrag Nettelbladts zur Theorie der Rechtspersönlichkeit, s. Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 250 ff.; s. aber auch Gierke, GenossenschR IV (1913), S.  510 ff. 439  Nettelbladt, Systema elementare (1767), §  43 (S.  31): „Persona in sensu general idem est ac homo“. 440  Nettelbladt, Systema elementare (1767), §  43 (S.  31): „In sensu speciali vero sub personae nomine venit, homo consideratus cum certo statu. Status autem hoc loco est qualitas, secundum quam homines diversis iuribus et obligationibus utuntur“. 441  S. o., Rn.  98.

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sowohl physische, d. h. einzelne Personen sein als auch moralische Personen.442 Er stellt klar, dass er von einer „physischen Person“ ausgeht, wenn er einen Menschen meint und dass er von der „moralischen Person“ spricht, wenn damit ein menschliches Individuum gerade nicht gegeben ist, die betreffende Konstruktion aber wie ein solches gelten solle.443 Gleichzeitig qualifiziert Nettel­ bladt ausdrücklich die societas als moralische Person,444 wobei aber auch bei ihm die societas, dem naturrechtlichen Gesellschaftsbegriff entsprechend, weit zu verstehen ist.445 Dem heutigen Verständnis der Rechtspersönlichkeit durchaus nahe kommt er schließlich, wenn er angibt, dass sich die Regeln über die Verpflichtungen, über die Rechte und über den Besitz ohne Weiteres auch auf Gesellschaften als moralische Personen anwenden lassen.446 Alles in allem werden die theoretischen Grundlagen der Rechtspersönlichkeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durchaus sichtbar. Es stimmt zwar, dass bis zur Publikation von Savignys Thesen zur allgemeinen Rechtsfähigkeit447 die Idee der Rechtsfähigkeit wissenschaftlich noch nicht umfassend aufgearbeitet war, ohne welche wiederum die Idee der Rechtspersönlichkeit und damit die der juristischen Person jedenfalls in ihrer modernen Gestalt noch nicht existieren konnte.448 Der Begriff der „Rechtsfähigkeit“ war allerdings schon in den Jahrzehnten vor Savigny in Gebrauch.449 Wenn ein ausdrück­ licher Ausspruch über die Idee der Rechtspersönlichkeit noch fehlte, so schim442  Nettelbladt, Systema elementare (1767), §   45 (S.  31): „Personae in sensu generali sumtae vero, sunt vel personae physicae seu singulares, vel personae morales, quae etiam compositae, ut et mysticae appellantur“. 443  Nettelbladt, Systema elementare (1767), §  45 (S.  31): „Dicitur autem physica persona, si est individuum humanum, moralis vero, si quidem unum individuum humanum non est, ast tamen pro uno habetur. Ut itaque plura individua humana simul sumta moralem personam constituant“. 444  Nettelbladt, Systema elementare (1767), §   407 (S.  154): „Quoad primum societatis essentiale speciatim notandum, I) eos qui in societate sunt simul sumtos personam moralem esse (§. 46.); 2) quodlibet horum individuorum quae hanc personam moralem constituunt, dici membrum societatis seu socium, et reliquos homines in relatione ad societatem extraneos appellari“; s. auch Nettelbladt, a. a. O., §  49 (S.  33). 445 S. Nettelbladt, Systema elementare (1767), §  405 (S.  153). 446  Nettelbladt, Systema elementare (1767), §   410 (S.   155): „Quae de obligationibus §. 165 seqq. de iuribus §. 226 seqq. nec non de possessione §. 355. seqq. dicta sunt, facile ad societates, quippe quae morales personae sunt (§. 407.), applicari possunt“; Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 252 f., sieht in dieser Passage die Ausgestaltung der Gesellschaft als Gesamthandverhältnis, nicht aber bereits den Ritterschlag einer allgemeinen Rechtsfähigkeit; je nach betreffender Ausgestaltung des der moralischen Person zugrunde liegenden Status handele es sich vielmehr um eine Vielzahl „besonderer“ in Frage kommender Rechtsfähigkeiten, vgl. auch Gierke, GenossenschR IV (1913), S.  510. 447 S. Savigny, System II (1840), §§  60 ff., S.  1 ff. 448  So im Tenor Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217, 255 ff. 449  S. etwa Krüll, Handbuch II (1807), §   396, S.  15: „In der Regel ist ein jeder des Eigenthums fähig, welcher überhaupt rechtsfähig ist“, mit Verweis auf PrALR I, 8, §  6 ; zur Genese des Begriffs der Rechtsfähigkeit s. insbesondere Ch. Hattenhauer in: Person und Rechtsperson (2011), S.  39, 56 ff.

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merte diese durch die bis Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend dünner werdende Membran der Statuslehre bereits hervor. Die Passagen Nettelbladts bezeugen, dass nach seinem Verständnis eine moralische Person jedenfalls eigene Rechte und Pflichten haben konnte, diese Fähigkeit freilich je nach dem jeweiligen Status, also der jeweiligen Eigenart der moralischen Person einen engeren oder weiteren Raum einnahm. Die Lehre der moralischen und später juristischen Person wird allerdings mehrere Jahrzehnte brauchen, um in der Weise in die Literatur einzuwirken, dass sie konkret in Berührung mit der Gesellschaft im engeren Sinne, insbesondere mit der Handelsgesellschaft kommt. b)  Der Begriff der juristischen Person weniger ein Produkt der naturrechtlichen persona moralis als der gemeinrechtlichen universitas? Die Entwicklung zu untersuchen, die von der „Gesellschaft“ als naturrechtliche 101 moralische Person zur „Gesellschaft“ als juristische Person im modernen Sinn geführt hat, wird dadurch erschwert, dass jeweils von anderen Gesellschaftsund anderen Personenbegriffen ausgegangen wird. Der naturrechtliche Gesellschaftsbegriff ist umfassend zu verstehen. Er trifft praktisch alle rechtlich relevanten Personenvereinigungen, vom Staat bis hin zur Ehegemeinschaft. Die Handelsgesellschaft bildet darin nur eine kleine, oft noch nicht einmal ausdrücklich genannte Teilkategorie. Dass aber auch solche Gesellschaften ohne Weiteres als naturrechtliche moralische Personen qualifiziert werden konnten, erscheint aus heutiger Sicht – und vielleicht noch mehr aus der Sicht der Autoren des 19. Jahrhunderts – nicht als selbstverständlich. Tatsächlich waren seit der Rezeption des römischen Rechts bereits die universitas und, als Unterkategorie, die Korporation als Konstruktionen bekannt, die über eigene, von ihren einzelnen Mitgliedern unabhängige Rechte verfügten. Als Korporationen kam aber nur eine begrenzte Zahl bestimmter Personenzusammenschlüsse in Frage, welche regelmäßig einen hoheitlichen oder kirchlichen Einschlag hatten und vor allem der obrigkeitlichen Genehmigung bedurften, um wirksam gegründet werden zu können.450 Dennoch konnten die naturrechtlichen Autoren mit der Qualifizierung aller Arten von Gesellschaften als moralische Personen schnell bei der Hand sein, weil der Begriff der moralischen Person die notwendige Flexibilität mitbrachte, um nicht gegen die althergebrachten Grundsätze der universitas zu verstoßen. Denn solange die „Rechtsfähigkeit“ der naturrechtlichen moralischen Person nicht allumfassend, sondern noch unter dem Vorbehalt des jeweils anwendbaren „Status“ gestellt ist, die naturrechtliche moralische Person eine allgemeine Rechtsfähigkeit also weder voraussetzt noch zur Folge hat, bleibt eine Kollision zwischen der naturrechtlichen und der römischrechtlichen Lehre aus. Dementsprechend werden bis um 1800 häufig auch solche Personenzusammenschlüsse als moralische Personen bezeichnet, bei denen aus heutiger 450 

S. o., Rn.  36 f.

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Sicht die Annahme einer Rechtspersönlichkeit eher fernliegend erscheint. Dazu gehört das Beispiel der Ehegemeinschaft, welche von Hasse als moralische (bzw. juristische oder mystische) Person qualifiziert wurde.451 Die Idee der moralischen Person ist ferner im verfahrensrechtlichen Schrifttum auf fruchtbaren Boden gefallen. Anfang des 18. Jahrhunderts war anerkannt, dass Klagen, die sich gegen mehrere Klagegegner richten, aber den gleichen Gegenstand haben („quae sunt specie eaedem“), zu einer einzigen Klage zusammengefasst werden können.452 Johann Ludewig Schmidt zieht daraus den Schluss, dass „so wohl der Kläger, als der Beklagte […] entweder aus einer einzeln würklichen Person, oder aus mehreren Menschen, welche zusammen eine moralische Person ausmachen, bestehen“.453 Voraussetzung sei, dass jene Streitgenossen „zugleich, wegen einerley Sache, aus einerley Grunde, vor einerley Richter gemeinschaftlich streiten“.454 Schmidt zieht hier in Bezug auf die moralische Person offenbar nicht die Terminologie Pufendorfs oder Wolffs heran, sondern Nettelbladts.455 Die Konsequenzen aus dieser Qualifizierung werden von Schmidt freilich nicht weiter erläutert. Denkbar ist, dass mit ihr lediglich klargestellt werden sollte, dass die Streitgenossen mit einer Stimme zu sprechen hatten bzw. nur in ihrer Gesamtheit Adressaten von Verfahrensakten sein konnten. Ein abgesondertes Vermögen der Streitgenossenschaft als solcher wird man kaum annehmen können, ein solches war für das flexible Institut der naturrechtlichen moralischen Person aber auch nicht erforderlich und der Autor konnte eine entsprechende Qualifizierung weitgehend bedenkenlos vornehmen. Die Streitgenossenschaft als moralische Person findet sich später auch bei Danz wieder.456 Je weiter die Konstruktion der moralischen Person zu ihrer Reifung gelangte und je mehr die Idee der allgemeinen Rechtsfähigkeit in den Vordergrund rückte, desto offensichtlicher mussten auch die Berührungspunkte der Theorie der moralischen bzw. juristischen Person mit der universitas werden. Nachdem im 18. Jahrhundert das Prädikat „persona moralis“ noch vergleichsweise großzügig auf verschiedene Personengruppierungen verteilt wurde, findet gegen Ende des Usus modernus ein Umdenken statt. So untersucht Christian Wilhelm Schweitzer in seiner 1803 verteidigten Dissertation, ob eine Handelsgesellschaft, die an einem Rechtsstreit beteiligt ist, als persona moralis gilt; die Bezeichnungen persona ficta, civile, mystica oder iuris verwendet die Schrift dabei als Synonyme.457 Schweitzer scheint der erste Autor zu sein, der ernsthaft 451 Dazu

Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217 ff., 261 f.; s. auch u., Rn.  307. Böhmer, Doctr. de act. (1725), III, §  12 (S.  735). 453 S.  J. L. Schmidt, Klagen3 (1786), §  16, S.  16. 454  J. L. Schmidt, Klagen3 (1786), §  16, S.  16; s. auch §  105, S.  81 f., Fn. m. 455 Insbesondere qualifiziert er den Menschen selbst als „physikalische“ Person, s. J. L. Schmidt, Klagen3 (1786), §  16, S.  16. 456  Danz, bürg. Proz.1 (1791), §  40, S.  108. 457  Schweitzer, De firma merc. (1803), S.   45 ff.; zu Schweitzers Fragestellung s. auch Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  111. 452 

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die Frage aufwirft, ob Handelsgesellschaften eine Art Rechtspersönlichkeit zukommt und wird in der Literatur des 19. Jahrhunderts daher immer wieder zitiert.458 Zu der Problematik gelangt er überhaupt erst über den Umweg des Verfahrensrechts, nachdem er feststellt, im Schrifttum werde vertreten, mehrere Streitgenossen würden eine moralische Person bilden. Für Schweitzer wird die mystische (d. h. moralische) Person aber dadurch charakterisiert, dass sie ihrer Natur nach den natürlichen Personen gleichgestellt sei,459 woraus folge, dass die einzelnen Mitglieder aus Verträgen der zivilen (d. h. moralischen) Person nicht haften, damit auch nicht Gegner einer entsprechenden Klage sein und auch nicht gezwungen werden können, einem Urteil gegen die moralische Person Folge zu leisten.460 Es wird offenbar, dass Schweitzers Verständnis der moralischen Person gegenüber den Gedanken der naturrechtlichen Autoren an Schärfe gewonnen und zugleich auch an Flexibilität verloren hat. Tatsächlich kündigen die betreffenden Passagen die Verschmelzung der Figur der moralischen (bzw. juristischen) Person mit der der römischen universitas an, wie sie spätestens bei Savigny erfolgen wird.461 Ob die Mitglieder einer Personenvereinigung für Verträge jener Vereinigung haften oder nicht, war von den naturrechtlichen Autoren nicht weiter erörtert worden, weil diese Frage im Zusammenhang mit der naturrechtlichen persona moralis irrelevant war. Für die römische Korporation (als Unterkategorie der universitas) stellte sie hingegen eines ihrer wesensbestimmenden Merkmale dar.462 Bei Schweitzer bilden offenbar nicht die naturrechtlichen Theorien die Grundlage der moralischen Person. Tatsächlich verwendet er selbst den Begriff der universitas als Synonym für moralische Person, indem er angibt, die Mitglieder der „universitas“ seien nicht Teileigentümer der Vermögensgüter derselben.463 Von diesem römischrechtlich geprägten Persönlichkeitsbegriff ausgehend, stellt Schweitzer fest, die Handelsgesellschaft sei anders konzipiert, da es sich hier nicht um eine gedachte einzelne Person, sondern um eine Personenmehrheit handele, auf die die Figur der zivilen (d. h. moralischen) Person nicht passe.464

458 

S. etwa Maurenbrecher, DPR II 2 (1855), S.  43; Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  85. Schweitzer, De firma merc. (1803), S.  46: „Est enim persona mystica eiusmodi, ut per omnia, quae hominibus singulis ob corporis usum non sunt propria, personis singulis naturalibus aequiparentur“. 460  Schweitzer, De firma merc. (1803), S.  47: „Unde fit, ut ex pacto personae civilis singuli plane non teneantur, nec recte conveniantur […], nec rem iudicatam facere cogantur“. 461 S. Savigny, System II (1840), §§  85 ff., S.  235 ff. 462  S. o., Rn.  37. 463  Schweitzer, De firma merc. (1803), S.  47: „[S]inguli […] nec dominii particulam in rebus universitatis habeant“; dass „die“ juristische Person von der römischen universitas gebildet wird, stellt außerdem H. Hattenhauer, Grundbegriffe2 (2000), S.  31, am Beispiel des Pandektenlehrbuchs Thibauts fest. 464  Schweitzer, De firma merc. (1803), S.  47: „Quae omnia, quoniam non similiter in sociis mercatoribus obtinent idque adeo, ut nunquam unius, sed in omnibus duarum, aut plu459 

84 103

1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Die Schrift Schweitzers bildet den Auftakt für die Schwierigkeiten der rechtlichen Einordnung der Handelsgesellschaften als juristische Personen im Laufe des 19. Jahrhunderts. Nimmt man an, dass die juristische Person den Grundsätzen der universitas folgt, dann bedeutet das angesichts der anwendbaren römischrechtlichen Vorgaben, dass für die eingegangenen Verpflichtungen nur die juristische Person selbst haftet, nicht aber auch ihre Mitglieder belangt werden können. Von Bedeutung ist außerdem, dass eine universitas seit jeher der staatlichen Sanktionierung bedurfte, um wirksam entstehen zu können, und dass gerade Savigny in seiner systematischen Darstellung der allgemein rechtsfähigen juristischen Person dieses Erfordernis ausdrücklich hervorhebt.465 Beide Gesichtspunkte werden die Anerkennung der Handelsgesellschaft als juristische Person letztendlich verhindern.

IV.  Rezeption der Verselbständigungsansätze in der Gesetzgebung 104

Dass sich infolge der veränderten wirtschaftlichen Bedürfnisse das Handelsgesellschaftsrecht vom justinianischen Vorbild emanzipieren musste, hat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts offenbar einen schnelleren Niederschlag in der Gesetzgebung als in der gelehrten Literatur gefunden. 1)  Die Hamburger Fallitenordnung (1753)

105

Eine der frühesten Quellen der deutschen Gesetzgebung, welche eine klare Tendenz der Absonderung eines Gesellschaftsvermögens aufzeigt, ist die am 31.   August 1753 verkündete Hamburger Fallitenordnung. Tatsächlich hat Art.  64 Abs.  4 HbgFallO 1753 folgenden Wortlaut: Contrahirt ein Compagnon Schulden für sich, und die Gelder fliessen nicht in die Compagnie, so kann sich der Creditor an die Massa nicht halten; jedoch bleiben des Compagnons, der die Schuld contrahirt hat, eigne Güter, z. E. liegende Gründe und Meublen, zu seiner Sicherheit, und haben seine Privat-Creditores an denenselben ein vorzügliches Recht vor den Societäts-Creditoribus.

Diese Vorschrift ist insofern neu, als sie die seit Jahrhunderten tatsächlich gelebte und buchhalterisch verwirklichte Trennung zwischen den privaten Vermögen der Gesellschafter und dem gemeinschaftlich eingesetzten Gesellschaftsvermögen auf eine juristische Ebene erhebt, die sich nicht an tradierte Grundsätze der justinianischen Gesetzgebung hält. Dass die Hamburger Fallitenordnung so zwei voneinander getrennte Vermögensmassen schafft, wird freilich entschieden verneint: Dem Gesellschafter stehe es zwar frei, „Theile seines Vermögens von denen seiner Handlung gänzlich zu trennen“, ein „Pririum personarum iure utantur, consequitur, societatem mercatoriam civilem personam non esse“. 465  Savigny, System II (1840), §  89, S.  275 ff.

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vat-Vermögen“ entstehe dadurch aber nicht und „wenn er in einer Eigenschaft Concurs erklärt, so wird alles herbey gezogen, was zur Befriedigung der Gläubiger dienen kann“.466 Die Frage, wie es zu dieser Vorschrift kam und insbesondere ob sie bestimm- 106 ten Vorbildern folgte, muss hier unbeantwortet bleiben. Denkbar, aber in keiner Weise belegt, wäre die Rezeption der Ansichten Beuthers467 und insbesondere Carpzovs468 . Die Idee der in die „Compagnie“ fließenden Gelder lässt auch an die Papinianstelle denken, nach der die socii aus Geschäften eines aus ihrer Mitte verpflichtet werdem, wenn die erworbenen Gelder in die arca communis geflossen sind.469 Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Vorschrift in der ab Mitte des 19. Jahrhunderts aufblühenden Debatte über die Rechtsnatur der Personenhandelsgesellschaft in das Blickfeld der Autoren gerät470 und auch bei der Redaktion des ADHGB präsent sein wird.471 2)  Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 sieht vergleichsweise 107 detaillierte Regelungen zum Gesellschaftsrecht vor,472 doch findet man in ihnen keine sicheren Hinweise darüber, ob das gemeinschaftliche Vermögen der Gesellschaft als anteilig den Gesellschaftern zustehendes Bruchteilsvermögen angesehen wird oder ob es sich, auch nur in Ansätzen, zu einer selbständigen Einheit emanzipiert hat. Zur Gesellschaftsgründung ist zwar vorgeschrieben, dass „zwey oder mehr mit ihrer Haab oder Mühewaltung (Re vel Opera) auf gemeinschaftlichen Gewinn und Verlust in Compagnie“ zusammentreten,473 doch die Rechtsnatur des gemeinsamen Habens der beigetragenen Vermögensgüter wird nicht näher erläutert.474 Geregelt ist weiter, dass nicht nur die Gesellschafterbeiträge, sondern auch die von den Gesellschaftern erzielten Gesellschaftseinnahmen „conferirt werden“ müssen,475 also gemeinschaftlich zu machen sind; 476 notwendig war hierfür jedenfalls ein rechtsgeschäftlicher 466 

Hasche, Hamb. PrivatR VII.3 (1805), S.  159. S. o., Rn.  88 ff. 468  S. o., Rn.  91; Koch, Forderungen I1 (1836), §  48, S.  487, vertritt die Ansicht, die der Hamburger Bestimmung teilweise entsprechende preußische Regelung habe die von Carpzov geprägte „Praxis“ rezipiert. 469  Papinian, Dig. 17, 2, 82, dazu o., Rn.  30. 470  S. etwa Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  70 f. 471 S.  J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), S.  4522. 472  CMBC IV, 8. 473  CMBC IV, 8, §  1. 474  S. aber Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen (2005), S.  60 f., der in der Regelung des CMBC IV, 8, §  1, die Existenz eines „Sondervermögens“ identifiziert. 475  CMBC IV, 8, §  4. 476  Die gleiche Vorschrift nennt in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung „Collation“, CMBC IV, 8, §  4. 467 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Übertragungsakt.477 Eine andere Regelung spricht vom „gemeinschaftlichen Fundo“, aus dem die Gesellschaftsschulden bestritten werden.478 Sie schließt damit aber nicht aus, dass es sich lediglich um eine im Innenverhältnis geltende Verpflichtung zwischen den Gesellschaftern handelt, die Gesellschaftsverbindlichkeiten aus einer in Bruchteilsgemeinschaft stehenden Kasse zu zahlen. Eher gegen die Logik eines gebundenen Gesellschaftsvermögens spricht sogar die Regelung, wonach derjenige Gesellschafter, der nur seine Arbeitsleistung, nicht aber Kapital in die Gesellschaft eingebracht hat, „auch nicht von dem durch andere Compagnons conferirten Haupt-Gut, sondern nur von dem daran abgefallenen Nutzen“ Teil hat.479 Andererseits wird ausdrücklich geregelt, dass bei Verbindlichkeiten, die ein geschäftsführender Gesellschafter („Factor und Handlungsführer für die ganze Compagnie“) eingeht, jeder Gesellschafter vom Gläubiger „in solidum hierum belangt, und […] nicht nur in Bonis collatis & communibus, sondern auch in anderen eignen Vermögen salvo tamen pro Rata Regressu angegriffen werden“ kann.480 Damit wird sichtbar, dass für den Autor des CMBC eine Haftungsbeschränkung auf die Gesellschaftsgüter und so eine rechtliche Absonderung von „Bonis collatis & communibus“ zwar positivrechtlich nicht realisert wird,481 aber immerhin denkmöglich war. In der Literatur zum CMBC finden sich zu der Frage kaum Hinweise.482 Eine gewisse Personifizierung von Personenmehrheiten scheint hingegen an anderer Stelle vorgenommen worden zu sein, nämlich bei der Ausgestaltung des bayrischen Rechts des Miteigentums. So erklärt CMBC II, 2, §  16: „Wenn eine Sach mehr Herrn zugleich hat, so werden sie […] sammentlich für einen Mann gerechnet […]“. Diese Einordnung geht augenscheinlich auf den weiten naturrechtlichen Personenbegriff zurück. Tatsächlich beruft sich Kreittmayr bei der Feststellung, das „Condominium“ habe „die nemliche Wirkung contra tertium, wie das dominium solitarium“, u. a. auf Passagen bei Wolff und Nettelbladt.483 So ist es mit der Fusion der Miteigentümer zu einer „Person“ auch nicht weit her,484 denn: „Was auch […] ein Dritter mit ihnen insgesammt handelt, das verbindet sie zwar sämmtlich, jedoch jeden in particulari nur pro sua 477 

Kreittmayr, Anmerkungen IV (1821), IV, 8, §§  3 f., Anm.  4 (S.  500 f.). CMBC IV, 8, §  5. 479  CMBC IV, 8, §  6. 480  CMBC IV, 8, §  11. 481 So auch Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§   705–740, Rn.   66 („reine Innengesellschaft“). 482 S. Krüll, Handbuch III (1808), §§  912 ff. (S.  90 ff.), §  920 (S.  99); immerhin findet eine dingliche Surrogation für aus dem Gesellschaftsfonds erworbene Güter statt, s. §  916 (S.  93); im Zusammenhang mit der Aufrechnung wird lediglich darauf hingewiesen, dass eine „ganze Gemeine die individuelle Schuld, oder Forderung eines ihrer Mitglieder gegen ihren Gläubiger [nicht] in Gegenrechnung setzen“ könne, ohne dass erwähnt wird, ob diese Regel nicht nur für Gemeinden, sondern auch für Gesellschaften gültig wäre, Krüll, a. a. O., § 1037 (S. 268 f.). 483  Kreittmayr, Anmerkungen II (1821), II, 2, §  16, Anm.  2 , S.  243. 484  So auch Engländer, Rechtsgemeinschaft (1914), S.  46 ff., s. dort auch Fn.  86. 478 

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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rata vel portione, womit er in communione steht“.485 Insbesondere sei „keinem Theilhaber verwehrt, seinen Antheil an einen anderen ex Condominis, oder gar an einen Auswärtigen zu veräußern und zu überlassen“.486 3)  Die preußischen Kodifikationen a)  Das PrALR (1794) Beim preußischen Allgemeinen Landrecht muss einerseits zwischen den Mate- 109 rialien, die durchaus Ansätze einer gesellschaftsrechtlichen Personifizierung zeigen, und andererseits dem Regelwerk als fertiges Produkt unterschieden werden, in welchem Spuren solcher Ansätze getilgt wurden. aa)  Ansätze einer Personifizierung in den Gesetzesmaterialien Von besonderem Interesse sind Passagen aus der Feder von Carl Gottlieb Sva- 110 rez als maßgeblichem Autor des Gesetzeswerks487 aus seiner „Revisio monitorum“.488 Zu der Frage, gegen wen der Gläubiger einer „Besonderen Gesellschaft“ seine Forderung richten kann, wird überliefert, Svarez habe sich gegen die Teilschuld der Gesellschafter ausgesprochen und vielmehr die Lösung bevorzugt, „die ganze Societät“ haften zu lassen.489 Svarez habe weiter erklärt, „daß in allen Fällen derjenige, welcher mit sociis qua sociis kontrahire, sich eigentlich die Societät quam personam moralem obligiren wolle und daher stante societate sich principaliter nur an das Societätsvermögen halten könne“.490 Dementsprechend habe er (für Handelsgesellschaften491) folgende Regelungen vorgeschlagen (2. Teil, 14. Titel): 492 §  154. So weit Jemand einen Anderen, durch nützliche Besorgung seiner Geschäfte oder durch nützliche Verwendung, sich verpflichten kann, so weit kann auch eine ganze Gesellschaft solchergestalt verpflichtet werden. §  155. Wer auf vorstehende Art (§§. 147–154) ein gültiges Recht an die Societät erlangt hat, der ist wegen seiner Forderung an das gesammte Societätsvermögen sich zu halten wohl befugt. §  156. Wer sich solchergestalt mit der Gesellschaft eingelassen hat, der kann, so lange dieselbe besteht, das einzelne Vermögen einzelner Mitglieder, seiner Forderung wegen, nicht in Anspruch nehmen. 485 

Kreittmayr, Anmerkungen II (1821), II, 2, §  16, Anm.  2 , S.  243. Kreittmayr, Anmerkungen II (1821), II, 2, §  16, Anm.  4, S.  245. 487 Zur Rolle Svarez’ bei der Redaktion des ALR, s. Schwennicke, Entstehung ALR, S.  13 ff.; s. auch Kleinheyer in: Kleinheyer/Schröder, Juristen5 (2008), S.  429 ff. 488  Zur Revisio monitorum, s. Schwennicke, Entstehung ALR (1993), S.  43 f. (mit Archiv­ nachweis). 489  Bornemann, PrCivR IV2 (1844), §  251 (S.  33). 490  Bornemann, PrCivR IV2 (1844), §  251 (S.  33). 491  Bornemann, PrCivR IV2 (1844), §  251 (S.  34). 492  Zit. nach Bornemann, PrCivR IV2 (1844), §  251, S.  33. 486 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

§  157. Ist das Societätsvermögen zu seiner Befriedigung nicht hinreichend, so findet wegen der die einzelnen Mitglieder treffenden Vertretung eben das statt, was in der Folge, in dem Falle der aufgehobenen Societät verordnet wird.

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In diesen Einlassungen sind Ansätze einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens und sogar einer Subjektivierung der Gesellschaft zu erkennen.493 Die „persona moralis“ kann zu diesem Zeitpunkt freilich nicht mit der juristischen Person nach modernem Verständnis gleichgesetzt werden, sondern folgte insoweit der naturrechtlichen Begriffsbildung, sie stellt gleichwohl in Form eines „hilfsweise erdachten“ Rechtsteilnehmers eine Vorstufe zur juristischen Person dar, wie sie in §  154 des Vorschlags zum Ausdruck kommt. Konkreter und für die Aufspürung von Wesenszügen der Gesamthand besonders interessant sind die Regelungen, wonach der Gesellschaftsgläubiger zunächst nur aus den gemeinschaftlichen Vermögensgegenständen Befriedigung suchen und erst nach Erschöpfung derselben die einzelnen Gesellschafter persönlich in Anspruch nehmen kann. Damit wird durchaus eine rechtlich relevante Unterscheidung zwischen dem Gesellschaftsvermögen und den privaten Vermögen der Gesellschafter vorgeschlagen, die einen Ansatz für die spätere Entwicklung eines gesellschaftsrechtlichen Sondervermögens geliefert hätte. Diese Regelungen wurden in der Endfassung des PrALR jedoch nicht berücksichtigt. Warum das so ist, bleibt dunkel.494 bb)  Gesellschaften zum Zwecke des Gemeinwohls, insbesondere Erlaubte Privatgesellschaften

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Untersucht man die in Kraft getretenen Regelungen des Preußischen Allgemeinen Landrechts, so fällt die dort verwendete gesellschaftsrechtliche Terminologie und Systematik auf, die sich dem heutigen Leser nicht auf Anhieb offenbart.495 Allgemeine Vorschriften zum Begriff der Gesellschaft finden sich in PrALR II, 6, wo die Gesellschaft im weiten Sinne definiert wird: Es handele sich um „Verbindungen mehrerer Mitglieder des Staats zu einem gemeinschaftlichen Endzwecke“.496 Einige Vorschriften sind zunächst den „Unerlaubten Gesellschaften“ gewidmet.497 Unter den „Erlaubten Gesellschaften“ verstehen die Bestimmungen hingegen solche Zusammenschlüsse, deren „Zweck mit dem gemeinen Wohl bestehen kann“.498 Hierzu zählt das Landrecht die vom Staat „ausdrücklich genehmigten oder privilegirten“ Gesellschaften,499 welche 493  Ähnlich auch F. Thomas, Persönliche Haftung (2003), S.  141 f.; vorsichtiger Servos, Personenhandelsgesellschaften (1984), S.  29 f. 494  S. im Einzelnen Bornemann, PrCivR IV2 (1844), §  251 (S.  34); Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 67 f. 495  Zum Gesellschaftsrecht des ALR s. Schubel, Verbandssouveränität (2003), S.  51 ff. 496  PrALR II, 6, §  1. 497  PrALR II, 6, §§  3 –10. 498  PrALR II, 6, §  2 . 499  PrALR II, 6, §  2 2–24.

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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u. a. die rechtsfähigen „Corporationen und Gemeinen“ umfassen.500 Soweit eine Erlaubte Gesellschaft nicht „genehmigt oder privilegirt“ ist, handelt es sich um eine Erlaubte Privatgesellschaft, für welche eigene Vorschriften gelten.501 Nicht unmittelbar aus den Bestimmungen ergibt sich, welche Rolle die Gesellschaften mit Gewinnerzielungsabsicht in dieser Begriffssystematik spielen. Eine Unterkategorie der Erlaubten Gesellschaften bilden sie gemäß PrALR II, 6, §  2 , der bei ihnen das Gemeinwohl als Gesellschaftszweck vorzuschreiben scheint, offenbar nicht. „Handlungsgesellschaften“ werden von den Regelungen der Erlaubten Privatgesellschaften ausdrücklich ausgeschlossen.502 Das Reichsgericht wird später festhalten, dass auch sonstige Erwerbs- oder gewinn­ orientierte Gelegenheitsgesellschaften nicht als Erlaubte Gesellschaften im Sinne der betreffenden Vorschriften gelten.503 Für Erlaubte Gesellschaften, welche keine „genehmigte[n] oder privilegirte[n]“ Gesellschaften oder sogar rechts­ fähigen Corporationen und Gemeinen sind,504 finden sich keine Hinweise einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens. Die Bezeichnung „Gesamt­ eigentum“, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts zur Bezeichnung eines deutschrechtlichen, mehreren Personen gebunden zustehenden Eigentums durchaus populär war,505 wird nicht verwendet. Zum Außenverhältnis stellen die Vorschriften klar, dass eine solche Erlaubte Gesellschaft keiner „moralischen Person“ entspricht506 und dass Vermögensgegenstände, die der Gesellschaft zu­ fallen, „nur“ das „gemeinschaftliche Eigenthum der dermaligen Mitglieder“ werden.507 Allein im Innenverhältnis seien die Gesellschafter einander wie bei Corporationen und Gemeinen verpflichtet508 und können vereinbaren, dass ausscheidende Mitglieder ihren jeweiligen Anteil an die Gemeinschaft auf­ geben; 509 nicht klar wird dabei freilich, ob ein solcher Verbleib des Anteils ­dadurch erfolgte, dass der Anteil an den Vermögensgegenständen an die ver500 

PrALR II, 6, §§  25 ff. PrALR II, 6, §§  11–21. 502  PrALR II, 6, §  16, der für Handelsgesellschaften „lediglich“ PrALR I, 17, 3 (§§  169– 361), und PrALR II, 8, 7 (§§  475–712), für anwendbar erklärt. 503  S. RG v. 18.04.1883, I 159/83, RGZ 9, 108, 110, wonach die systematische Stellung und der Inhalt von PrALR II, 6 (§§  1–21) aufzeigen, dass der Zweck einer Erlaubten Gesellschaft „nicht die Beförderung des privatrechtlichen Vermögensinteresse [sic] der Gesellschaftsmitglieder als solcher sein kann, sondern die Förderung eines anderweiten objektiven Zweckes […], bei welchen etwaige Vermögensinteressen der Mitglieder nur nebenher in Betracht kommen“; unumstritten war diese Ansicht im preußischen Schrifttum freilich nicht, dazu Röh, ALR-Gesellschaften (1995), S.  22 ff.; rückblickend auch Knoke, Gesellschaft (1901), S.  15. 504  PrALR II, 6, §  81: „Corporationen und Gemeinen stellen in den Geschäften des bürgerlichen Lebens Eine moralische Person vor“. 505  S. u., Rn.  305. 506  PrALR II, 6, §  13. 507  PrALR II, 6, §  17. 508  PrALR II, 6, §  14. 509  PrALR II, 6, §§  18 f. 501 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

bleibenden Gesellschafter rechtsgeschäftlich übertragen werden oder ob der Anteil automatisch – entsprechend dem Gedanken des heutigen §  738 BGB – zuwachsen sollte. Gegen eine solche Anwachsungslösung spricht, dass die körperschaftliche Verfassung die Erlaubten Privatgesellschaften nur im Innenverhältnis prägen sollte, das dingliche Miteigentum an den Gesellschaftssachen aber erga omnes bestand. Alles in allem sind den Regelungen zu den Erlaubten Privatgesellschaften keine hinreichend sicheren Hinweise zu entnehmen, die den Schluss zuließen, die betreffenden Bestimmungen würden ein „gesamthänderisches Eigentum“ voraussetzen.510 cc)  „Besondere“ Gesellschaften und Handelsgesellschaften 113

Untersucht man die Gesellschaften, die andere Zwecke als lediglich den des Gemeinwohls verfolgen, so behandelt PrALR I, 17, §§  169–310, alle durch Vertrag zustande kommenden Gemeinschaften, darunter die „Allgemeinen Gesellschaften“, entsprechend einer römischen societas omnium bonorum, die der Ehegemeinschaft vorbehalten war,511 sowie die „Besonderen Gesellschaften“: Diese seien „nur auf einen bestimmten Gegenstand, oder auf ein bestimmtes Gewerbe oder Geschäft gerichtet“.512 Dazu zählen auch Handelsgesellschaften, die freilich außerdem weiteren Regeln an anderer Stelle unterworfen sind.513 Im Zusammenhang mit den Besonderen Gesellschaften spricht das PrALR von „mehreren Personen“, die „ihr Vermögen vereinigen“,514 von einem durch die Beiträge der Gesellschafter alimentierten „gesellschaftlichen Fonds“.515 Letzterer sei „von Zeit des geschlossenen Vertrags als gemeinschaftliches Eigenthum anzusehen“; 516 für einzubringende Grundstücke sei sogar die „förmliche Zuschreibung an die Gesellschaft im Hypothekenbuche“ erforderlich.517 Außerdem können bevollmächtigte Gesellschafter „im Namen der Societät“ rechtsgeschäftlich tätig werden.518 Soweit das PrALR den Handelsgesellschaften gewidmet ist, stechen ferner die Regelungen zur Firma519 und zur Publizität der Gesellschaft520 hervor, wobei in Bezug auf die „Beyträge zum gemeinschaftlichen Fonds“ die allgemeinen Regeln der Besonderen Gesell510  So aber Schmoeckel, WirtschaftsRG (2008), Rn.  259, mit Verweis auf PrALR II, 6, §§  12, 17. 511  PrALR I, 17, §§  176–182. 512  PrALR I, 17, §  183. 513  PrALR II, 8, §§  614–683. 514  PrALR I, 17, §  169. 515  PrALR I, 17, §§  189, 253, 259; s. auch §  242 („gemeinschaftlichen Vermögen“). 516  PrALR I, 17, §  198. 517  PrALR I, 17, §  199. 518  PrALR I, 17, §  232. 519  Etwa PrALR I, 17, §  185; PrALR II, 8, §§  617, 620 ff., 649 ff., 679 ff.; s. auch Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen (2005), S.  74 f. 520  PrALR II, 8, §  619 f., 627, 658 f., 677 f.; dazu im Einzelnen Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen (2005), S.  79 f.

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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schaften für anwendbar erklärt werden.521 Aus diesen Formulierungen lässt sich zwar die schon zu Beginn der Neuzeit gewohnte tatsächliche Unterscheidung zwischen den Vermögenswerten feststellen, die der gesellschaftlichen Unternehmung und der privaten Lebenshaltung gewidmet sind. Auch findet im PrALR durchaus eine sprachliche Personifizierung der Gesellschaft statt, wie sie bereits in Gesellschaftsverträgen des 16. Jahrhunderts zum Ausdruck kommt. Doch ebenso wie bei den Vorschriften zu den Erlaubten Privatgesellschaften wird man im Wortlaut der Bestimmungen zu den Besonderen Gesellschaften keine sicheren Hinweise einer rechtlichen Verselbständigung eines eigenen Gesellschaftssubjekts finden.522 Überraschend erscheint vielleicht, dass auch auf der Vermögensseite eine 114 Verselbständigung nicht klar zum Ausdruck kommt. Eindeutige Regelungen zu dinglich wirkenden Verfügungsverboten über Anteile an gemeinschaftlichen Vermögensgegenständen bzw. zu entsprechenden Aufrechnungsausschlüssen sucht man ebenso vergeblich wie Vorschriften, welche die vorzugsweise Befriedigung von Gesellschafts- oder Privatgläubigern vorsehen.523 Keine wirkliche Klarstellung bietet die Formulierung, wonach der „zum Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäfts zusammengetragene Fonds […] von Zeit des geschlossenen Vertrages als gemeinschaftliches Eigenthum anzusehen“ sei.524 Übrig bleiben immerhin Bestimmungen, die vielleicht mittelbar die Idee eines Verfügungsverbots aufzeigen, etwa die Vorschrift, wonach der Gesellschafter über „seinen Antheil am Gewinne […] frey zu verfügen“ berechtigt sei,525 woraus man später in einem Umkehrschluss ein dingliches Veräußerungsverbot in Bezug auf die Anteile an den sonstigen Gesellschaftsgegenständen lesen wird.526 Ein ähnlicher Umkehrschluss erscheint weiter in der Vorschrift durchaus naheliegend, wonach die „Gläubiger eines einzelnen Gesellschafters […] auch an seinen Antheil vom Gewinne sich halten“ können.527 Hingegen lassen sich kaum Hinweise einer Anwachsungslösung ausmachen. In Bezug auf Handelsgesellschaften ist zwar die Möglichkeit des Ausscheidens aus der Gesellschaft bei Weiterführung derselben vorgesehen und auch detailliert geregelt.528 Dass 521 

PrALR II, 8, §  630. ist, dass der Preußische Revisionsgesetzgeber nachträglich klarzustellen sucht, dass Grundstücke nicht auf dem Namen der Gesellschaft, sondern auf dem Namen der Gesellschafter einzutragen sind, da die Gesellschaft ohne Korporationsrechte keine moralische Person darstelle, s. u., Rn.  212. 523  A. A. Röh, ALR-Gesellschaften (1995), S.  57, welcher mit Verweis auf Gierke erklärt, beim Gesellschaftsvermögen der Besonderen Gesellschaft des ALR werde „das Miteigentum der Gesellschafter aber modifiziert und ist dem deutschrechtlichen Gesamthandseigentum angenähert“. 524  PrALR I, 17, §  198; vgl. dazu Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  159. 525  PrALR I, 17, §  263. 526  S. u., Rn.  138. 527  PrALR I, 17, §  266; vgl. dazu Röh, ALR-Gesellschaften (1995), S.  58. 528  S. PrALR II, 8, §§  658–676. 522  Bezeichnend

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

in einem solchen Fall die Gesellschaftsgegenstände aber automatisch den verbleibenden Gesellschaftern zufallen, wird dort nicht bestimmt. Gegen eine solche Auslegung spricht die Formulierung von PrALR II, 8, §  671, wonach die Gesellschafter sich darüber einigen müssen, „in wie fern der austretende Gesellschafter sein eingelegtes Capital sogleich zurück fordern könne; oder selbiges gegen kaufmännische Zinsen noch länger stehen lassen müsse“. Dies lässt es wahrscheinlich erscheinen, dass die Bereinigung der Vermögensverhältnisse im Wege einer Teilliquidation der Gesellschaft erfolgt und nicht im Wege einer gezahlten Abfindung bei Anwachsung des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters zugunsten der verbleibenden Gesellschafter.529 dd)  Haltung der frühen preußischen Literatur zum PrALG 115

Hinweise auf eine Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens sind in der frühen Literatur zum PrALR nicht immer zu finden,530 und wenn doch, dann selten an prominenter Stelle, sondern eher in inzidenten Bemerkungen und Anmerkungen. Als Grundsatz wird daran festgehalten, dass die Gesellschaft nur dann als „moralische Person“ gelte, wenn sie – wie der Staat selbst – „fortdauernd“ und „als gemeinnützig privilegirt“ sei und daher auch eine „Corpora­ tion“ darstelle.531 Sei sie nur herkömmlich „privilegirt“, werden die Gesellschafter jeder für sich „als besondere Subjekte und in Ansehung der gemeinschaftlichen Rechte als Miteigenthümer betrachtet“,532 handele es sich um Handelsgesellschaften, seien die Gesellschafter unter sich „nach den Rechten des gemeinschaftlichen Eigenthums zu beurtheilen“.533 An anderer Stelle findet sich die Feststellung, „das A. L. R. schreibt ausdrücklich vor, daß bloß erlaubte Gesellschaften keine moralische Person vorstellen und daher auch weder Grundstücke, noch Capitalien auf den Namen der Gesellschaft erwerben können. Die Eintragung des Besitztitels muß daher auf dem Namen der sämmtlichen Gesellschaftsglieder, als Miteigenthümer, geschehen“.534 Eine deutliche Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens lässt sich aber der Feststellung entnehmen, dass die Gläubiger eines Gesellschafters gemäß PrALR I, 17, §  266, zwar Zugriff auf dessen Anteil am Gesellschaftsgewinn haben, jedoch „[n]icht auch an seine Einlage, an seinen Antheil an dem Societätscapitale“, denn „solange contractmäßig die Gesellschaft dauert […] haben die übrigen Gesellschaftsglieder ein Jus quaesitum auf die Benutzung des gemeinschaftlichen 529  A. A. Röh, ALR-Gesellschaften (1995), S.  123, welcher einräumt, dass die Anwachsung im ALR „nicht so ausdrücklich geregelt war wie im BGB“, aber davon ausgeht, dass sie im ALR dennoch vorausgesetzt wurde. 530  S. etwa Eggers, PreußR II.1 (1797), §  399 ff. (S.  253 ff.); §§  419 ff. (S.  264 ff.). 531  Klein, PreußZivR (1801), §  766 (S.  450). 532  Klein, PreußZivR (1801), §  766 (S.  450 f.). 533  Klein, PreußZivR (1801), §  766 (S.  451). 534  Graevell, Lehre (1817), §  6 42 f. (S.  2 21), §  740 (S.  251 f.); entsprechend Bielitz, ALRKomm. III (1825), S.  753 (I, 17, §§  189–205).

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Fonds und ein fremder Socius darf ihnen nicht aufgezwungen werden […]. Nicht einmal ein Arrestschlag auf die Bestandtheile des Gesellschaftsvermögens findet statt […] wohl aber auf das Recht des Schuldners an dem Societätsvermögens mittels Inhibition“.535 Für ein abgesondertes Gesellschaftsvermögen steht auch die Passage, wonach bei Handelsgesellschaften zwar jeder Gesellschafter mit seinem ganzen Vermögen hafte, dass aber die „Exceptio ordinis“ dahin stattfinde, „daß die Execution zuförderst in das Societätsvermögen vollstreckt werden müsse, bevor das anderweitige Vermögen angegriffen werden könne“.536 Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass ein eindeutiges Bekenntnis einer 116 rechtlichen Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens in den Regelungen des PrALR fehlt. Aus den Materialien wird freilich deutlich, dass entsprechende Ansätze in dieser Epoche zumindest denkbar waren und sogar konkret in Betracht gezogen wurden. Die letztlich nicht zum Zuge gekommenen Vorschläge Svarez’ erscheinen damit als erste Anzeichen einer in Deutschland eingeführten gesetzlichen Personifizierung der Gesellschaft. Ob die Vorschläge Svarez’ auf das Vorbild anderer Autoren oder Quellen beruhten oder ob sie von ihm selbst erarbeitet wurden, muss einstweilen unbeantwortet bleiben. Er war der Naturrechtsdoktrin zugeneigt, wie es sich im Übrigen auch bei seinem sehr weit gefassten Gesellschaftsbegriff zeigt. Möglicherweise ließ sich Svarez von den Passagen Pufendorfs537, Christian Wolffs538 oder Daniel Nettelbladts539 zur moralischen Person leiten.540 b)  Die Allgemeine Gerichts-Ordnung (1793/95) Ein Ansatz zur Verselbständigung der Handelsgesellschaft von ihren Gesell- 117 schaftern kann in der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten in zwei Vorschriften gesehen werden. Die eine bildet möglicherweise die Vorstufe einer eigenen Subjektivität der Handelsgesellschaft (aa), die andere betrifft die Gestaltung einer separaten gesellschaftlichen Haftungsmasse (bb). aa)  Die Handelsgesellschaft als parteifähiges Subjekt? Preußens Allgemeine Gerichtsordnung enthält eine Bestimmung, die die Han- 118 delsgesellschaft in die Nähe eines eigenen verfahrensrechtlichen Subjekts zu rücken scheint: 541

535 

Graevell, Lehre (1817), §  681 (S.  232 f., Anm. *). Graevell, Lehre (1817), §  667 (S.  228, Anm. **). 537  S. Pufendorf, Jure naturae (1694), I, 1, §§  12 ff. (S.  10 ff.). 538  Ch. Wolff, Inst. (1754), §  96 (S.  50), §  850 (S.  533). 539  Nettelbladt, Systema elementare (1767), §  407 (S.  154). 540  Zur moralischen Person in der Naturrechtsdoktrin, Coing, EuPR I (1985), S.  170 ff. 541  PrAGO I, 2, §  38, in: Allg. GerichtsO Preuß. I (1795), S.  34. 536 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Wenn eine Handlungsgesellschaft aus Mitgliedern verschiedener Nationen besteht, so hat die Gesellschaft, wenn sie als solche unter der gemeinschaftlichen Firma belangt wird, ihren ordentlichen persönlichen Gerichtsstand da, wo derjenige Gesellschafter, nach welchem die Firma benannt ist, hingehört; und dieser Gerichtsstand bleibt ungeändert, so lange die Firma beybehalten wird, wenn gleich durch den Zutritt oder Abgang einzelner Mitglieder Veränderungen in den Personen entstehen. Sind in der Firma zwey oder mehr Gesellschafter verschiedener Nationen genannt, so muß, wenn die ganze Societät belangt werden soll, die Klage in dem persönlichen Gerichtsstande dessen, welcher zuerst genannt ist, angestellt werden. […]

119

Diese Vorschrift hat in erster Linie eine Gerichtsstandbestimmung zum Gegenstand und regelt den etwas speziellen Fall, dass eine beklagte Handelsgesellschaft aus Gesellschaftern besteht, die verschiedenen „Nationen“ angehören. Sie übernimmt ein preußisches Reskript an das Kammergericht vom 13. Februar 1793,542 welches eine Vereinbarung zwischen dem preußischen und dem französischen Justizdepartement umsetzte, nachdem widersprüchliche Regelungen zur internationalen Gerichtszuständigkeit in der preußischen und französischen Gerichtspraxis zu Problemen geführt hatten.543 Hier von Bedeutung ist der Nebensatz, der den Fall vorsieht, dass die Gesellschaft „als solche unter der gemeinschaftlichen Firma belangt wird“. Diese Formulierung setzt eine Regelung voraus, die möglicherweise weiter reichte als eine rein faktische Verselbständigung der Gesellschaft. Es hier geht offenbar nicht mehr nur darum, dass mehrere Gesellschafter geschlossen unter einer Firma, einer Marke oder einem Siegel im Wirtschaftsverkehr auftreten, sondern darum, dass eine Gesellschaft „als solche“ rechtlich in einem gerichtlichen Verfahren belangt werden kann. Die preußische Gerichtsordnung war damit der gesamtdeutschen Regelung des ADHGB ein halbes Jahrhundert voraus. Der weitere Schritt zu einer eigenen passiven Parteifähigkeit der Gesellschaft ist damit nicht mehr groß. Zu beachten ist freilich, dass sich mit dieser Formulierung auch eine Auslegung vereinbaren lässt, nach der nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter Klagegegner sind, welche dann in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter belangt werden. Tatsächlich wird dieser Vorschrift ein dogmatischer Hintergrund gefehlt haben. Es ist denkbar, dass der preußische Gesetzgeber den Faden der vertrauten (aber eben noch faktischen) Absonderung zwischen der Gesellschafts- und den privaten Angelegenheiten der Gesellschafter lediglich weitergesponnen hat. Offenbar wird dies dadurch, dass einer echten Parteifähigkeit eine entsprechende Rechtsfähigkeit und ein eigenes, abgesondertes Vermögen der Gesellschaft gegenüberstehen müssten, welche einer sehr viel detaillierteren Regelung bedürfte als des kurzen Nebensatzes in der Vorschrift. Die dogmatische Aufar542 Rescript v. 13.02.1793 an das Cammer-Gericht, wegen Regulirung der Jurisdictions-Streitigkeiten zwischen den Französischen Colonie- und ordinairen deutschen Gerichten, in: NCC IX (1796), Sp.  1453 ff. 543  So die Präambel des Reskripts, NCC IX (1796), Sp.  1453.

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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beitung der Grundsätze der allgemeinen Rechtsfähigkeit als Grundlage der Rechtspersönlichkeit war zum Zeitpunkt der Redaktion der AGO noch nicht erfolgt. Dessen ungeachtet ist es wahrscheinlich, dass die betreffende Bestimmung die weitere Rechtsentwicklung in Richtung einer Personifizierung der Gesellschaft gefördert hat. Sie erklärt möglicherweise auch – zumindest zum Teil – die Haltung Preußens im 19. Jahrhundert zugunsten einer Ausgestaltung der Handelsgesellschaft als juristische Person. bb)  Das Separationsrecht der Gesellschaftsgläubiger Die andere Vorschrift der AGO betrifft nicht die subjektive, sondern die objek- 120 tive Verselbständigung der Gesellschaft im Zusammenhang mit Gläubigerprivilegien im Konkursrecht. Sie folgt einem ähnlichen Leitbild wie die Hamburgische Fallitenordnung, weicht aber in einigen Punkten von ihr ab544 : Wenn der Gemeinschuldner mit andern in einer gemeinschaftlichen Handlung gestanden hat, und die Creditmasse, von den Handlungsgenossen, den dem Gemeinschuldner gebührenden Antheil der vorräthigen Waaren, Geräthschaften und ausstehenden Aktivschulden fordert; so sind diese die Passivschulden der Societät verhältnismäßig in Abzug zu bringen berechtigt, und daher nicht schuldig, sich dieserhalb in den Concurs einzulassen.

Diese Vorschrift betrifft den Fall eines Konkursverfahrens gegen den Gesellschafter einer Handelsgesellschaft. Sie setzt voraus, dass die Konkursgläubiger zur Befriedigung ihrer Forderungen auch auf den Anteil des betreffenden Gesellschafters an den Gesellschaftsgütern zurückgreifen können, „berechtigt“ aber die anderen Gesellschafter, vorher „die Passivschulden der Societät verhältnismäßig in Abzug zu bringen“. Eine Verwertung des Anteils des im Konkurs stehenden Gesellschafters an den Gesellschaftsgütern kann also solange verwehrt werden, wie der Anteil des betreffenden Gesellschafters an den Gesellschaftsschulden nicht beglichen ist. Bevor die Privatgläubiger auf die Vermögenswerte der Gesellschaft in Höhe des Anteils des betroffenen Gesellschafters zugreifen können, muss die Gesellschaft zunächst liquidiert und müssen in diesem Vorgang die Gesellschaftsgläubiger befriedigt werden. Erst der Erlös kann von den Privatgläubigern beansprucht werden.545 Im Vergleich zur Hamburger Regelung fällt auf, dass die Vorschrift aus der Perspektive der übrigen Gesellschafter formuliert ist. Diese können mit der Regelung verhindern, dass Gesellschaftsgegenstände anteilig in Anspruch genommen werden, solange die Gesellschaftsschulden nicht beglichen sind.546 Machen sie von diesem Separationsrecht Gebrauch, profitieren davon indirekt natürlich auch die Gesellschaftsgläubiger, da sie dann nicht mit den Konkursgläubigern des insolventen 544 

AGO I, 50, §  289. Graevell, AGO V (1830), §  214, S.  345; Koch, Forderungen I1 (1836), §  48, S.  487 f. 546  Zum Schutzbereich dieser Norm, ebenso Koch, Forderungen I 2 (1858), §  50, S.  510. 545 S.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Gesellschafters konkurrieren müssen. Die Idee des Schutzes der Gesellschaftsgläubiger über den Umweg einer Berechtigung der übrigen Gesellschafter ist nicht neu; er ist bereits im 16. Jahrhundert von Beuther und später von Carpzov geäußert worden.547 Möglicherweise geht die Regelung der AGO auf deren ­Ideen zurück. Des Weiteren fällt ein weiterer Unterschied zu der Regelung der Hamburger Fallitenordnung auf: Die „Separation“ der Gesellschaftsgüter weist nur in eine Richtung. Lediglich die Gesellschaftsgläubiger profitieren (indirekt) von dem Privileg gegenüber den privaten Gesellschaftergläubigern – nämlich dann, wenn das Gesellschaftsvermögen in Anspruch genommen wird. Für den umgekehrten Fall, dass der Gesellschaftsfonds zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht ausreicht und die Privatvermögen der Gesellschafter in Anspruch genommen werden, lässt sich dem Wortlaut hingegen keine Privilegierung der jeweiligen Privatgläubiger gegenüber den Gesellschafts­ gläubigern entnehmen. Letztere werden dann mit den konkurrierenden Gesellschaftsgläubigern auf die gleiche Stufe gehoben. 4)  Die französischen Kodifikationen und ihre Nachbildungen a)  Der Code civil 121

Das Gesellschaftsrecht des 1804 in Kraft getretenen Code civil gibt wenig Aufschluss über die konzeptuelle Ausgestaltung der Gemeinschaft der Gesellschafter in Bezug auf das Gesellschaftsgut. Art.  1832 C. civ. (1804) stellt lediglich fest, dass die Gesellschaft ein Vertrag sei, durch welchen eine oder mehrere Personen vereinbaren, eine Sache in die Gemeinschaft einzubringen, mit dem Ziel, den Gewinn zu teilen, der sich hieraus ergeben kann („de mettre quelque chose en commun, dans la vue de partager le bénéfice qui pourra en résulter“). Aus den nachfolgenden Vorschriften lässt sich keine begriffliche Konsequenz entnehmen, die eindeutig für oder gegen die Absonderung eines Gesellschaftsvermögens oder sogar für ihre Personifizierung sprechen würde. Die „société“ wird zwar als Gläubigerin548 , als Schuldnerin549 oder als Ziel der Gesellschafterbeiträge550 bezeichnet; es findet sich auch die Formulierung, wonach ihr Gegenstände gehören können („choses appartenant à la société“).551 An anderer Stelle bezieht sich der Gesetzestext hingegen auf eine gemeinschaftliche Forderung („créance commune“),552 also offenbar auf eine Forderung der Gesellschafter, nicht der Gesellschaft. Weiter sieht das Gesetz eine Vertretungsmacht des einzelnen Gesellschafters vor, durch die seine Mitgesellschafter verpflichtet 547 

Dazu o., Rn.  88 und 91. Art.  1845, 1848, 1850 C. civ. (1804). 549  Art.  1852 C. civ. (1804). 550  Art.  1846, 1847, 1851, 1867 C. civ. (1804). 551  Art.  1859 C. civ. (1804). 552  Art.  1849 C. civ. (1804). 548 

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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werden können („obliger ses associés“).553 Ein Beitrag wird ferner dann geleistet, wenn das Eigentum hieran gemeinschaftlich gemacht wird („mettre en commun la propriété d’une chose“).554 Bemerkenswert ist immerhin Art.  1864 C. civ., welcher die – vermutlich der 122 entsprechenden Papinianstelle nachempfundene555 – Regel aufstellt, wonach die von einem Gesellschafter auf Rechnung der Gesellschaft eingegangene Verpflichtung die anderen Gesellschafter grundsätzlich zwar nicht, ausnahmsweise aber dann verpflichtet, wenn „die Sache“ der Gesellschaft zugutegekommen ist („tourné au profit de la société“). Innerhalb einer im Übrigen rein schuld­ rechtlich konstruierten Gesellschaft stellt eine solche Vorschrift immerhin eine Anomalie dar. Es ist außerdem hervorgehoben worden, die Idee der Rechtspersönlichkeit habe bei der Kodifizierung unterschwellig eine Rolle gespielt und sei etwa in der Vorschrift des Art.  529 C. civ. zum Ausdruck gekommen, wonach die Anteile an „compagnies de finance, de commerce ou d’industrie“ auch dann als bewegliche Sachen gelten, wenn jene compagnies Eigentümer von Grundstücken seien.556 Tatsächlich findet sich in den Gesetzesmaterialien zu Art.  529 C. civ. die Erklärung des Berichterstatters, jede jener Kompanien sei eine moralische Person, welche handlungsfähig sei und die Angelegenheiten der Vereinigung verwalte und regele.557 Es erscheint aber zweifelhaft, dass mit dem Begriff „compagnies de finance, de commerce ou d’industrie“ tatsächlich Personengesellschaften gemeint waren. Der Ausdruck „compagnie“ war vielmehr zur Bezeichnung privilegierter Handelskompanien des Ancien droit geläufig,558 welche seit jeher nach dem Modell der Korporation über eine eigene Rechtsfähigkeit verfügten und zum Zeitpunkt der Redaktion – und auch der Ausfertigung – des Code civil noch nicht von den erst im Code de commerce von 1807 eingeführten Aktiengesellschaften ersetzt worden waren. In den Gesetzesmaterialien findet man ferner immerhin einen Hinweis dar- 123 auf, dass die Rechtspersönlichkeit der société civile zumindest theoretisch in Betracht gezogen wurde. So bedauert die Cour d’appel von Rouen in ihrer Äußerung zum Entwurf des Code civil, der Entwurf übergehe den Grundsatz, wonach die Gesellschaft eine fiktive und moralische Person („personne fictive et morale“) bilde, welche in der Weise von den Gesellschaftern geschieden werde, dass eine Pfändung des Gesellschaftsfonds für persönliche Schulden eines

553 

Art.  1859 C. civ. (1804). Art.  1867 C. civ. (1804). 555  Dig. 17, 2, 82, dazu o., Rn.  30; zur Vorbildfunktion dieses Satzes für Art.  1864 C. civ., s. Serrao in: Studi Volterra V (1971), S.  743, 745 (zu Fn.  5). 556 So Hilaire, droit commercial (1986), Rn.  123. 557 Rapport Goupil-Préfeln v. 20.01.1804, in: Locré, Législation VIII (1827), S.  60, 66: „Chacune de ces compagnies est une personne morale qui agit, administre et régit les affaires de l’association“, s. auch Hilaire, droit commercial (1986), Rn.  123. 558 S. Lévy-Bruhl, Sociétés de commerce (1938), S.  43 f. 554 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Gesellschafters ausgeschlossen sei.559 Nicht klar ist freilich, ob das Gericht bedauert, dass in seinen Augen der Gesetzgeber eine solche Gesellschaftskon­ struktion ausgeschlossen oder dass er sich diese zwar zu eigen gemacht, aber nicht klar genug formuliert habe. In den weiteren Beratungen wird jene Ein­ gabe offenbar nicht aufgegriffen. Den Materialien ist im Übrigen nicht viel Verwertbares zu entnehmen. In zwei Passagen wird der Unterschied zwischen einer société und einer nur zufälligen Gemeinschaft darin gesehen, dass erstere auf einer besonderen Absicht und einem Vertrag der Gesellschafter beruht.560 Unterschiede in der rechtlichen Ausgestaltung der Gemeinschaft in Bezug auf die eingebrachten Vermögensgüter werden nicht angesprochen, so dass der Schluss naheliegt, dass es nach der Idee des Gesetzgebers auch keine geben sollte. Dies würde auf die Feststellung hinauslaufen, dass die société des Code civil, wie im römischen Recht, auf Grundlage der communio aufgebaut ist. Erhellendes ergibt sich auch nicht aus der unmittelbar nach Inkrafttreten des Code civil veröffentlichten deutschsprachigen Literatur.561 b)  Der Code de commerce 124

Bei Handelsgesellschaften gibt der Code de commerce von 1807 wenig Aufschluss über die rechtliche Organisation der Gemeinschaft der Gesellschafter; er steht insofern seinem Vorgänger, der Ordonnance du commerce von 1673,562 nicht in viel nach. Die wenigen Artikel, welche die offene Handelsgesellschaft (société en nom collectif), die Kommanditgesellschaft (société en commandite) und die Aktiengesellschaft (société anonyme) näher beschreiben, konzentrieren sich auf die Publizität, die solidarische Haftung der Gesellschafter, die Abgrenzung zwischen offener Handels- und Kommanditgesellschaft, die staatliche Genehmigungspflicht für Aktiengesellschaften und die Beilegung von Streitigkeiten durch Schiedsgerichte.563 Die Gesetzesmaterialien geben ferner keinen Aufschluss über die rechtliche Ausgestaltung der Gesellschaft; 564 es ist davon auszugehen, dass insoweit die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des Code civil gelten sollten, die gemäß Art.  1873 C. civ. (1804) bei Handelsgesellschaften subsidiär anwendbar waren. Konkursrechtliche Bestimmungen, die im Falle der Insolvenz eine Separation des Gesellschaftsvermögens etwa nach dem

559 

Observations des trib. d’app. (1801), Rouen, S.  86. Bouteville v. 05.03.1804, in: Fenet, Recueil XIV (1827), S.  405; Discours Gillet v. 08.03.1804, in: Fenet, a. a. O., S.  419. 561  Zachariae, Frz. CivilR I1 (1808), §§  202 ff. (S.  320 ff.); Bergmann, Cod. Nap. (1810), §§  270 ff. (S.  424 ff.), §  272 (S.  429); Pfeiffer/Pfeiffer, Nap. GesetzB II (1810), S.  408 ff., 435 f.; Spangenberg, Commentar (1811), §  1001 (S.  210 f.). 562  S. o., Rn.  55. 563  S. Art.  18–64 C. com. (1807). 564 S. Exposé de motifs Regnaud v. 01.09.1807, in: Locré, Législation XVII (1829), S.  350; ebenfalls abgedruckt in: Code de commerce éd. orig., S.  11 ff. 560 Rapport

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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Vorbild der Hamburger Fallitenordnung oder der preußischen AGO vorsehen würden, finden sich im Code de commerce nicht.565 Letztlich spricht viel dafür, dass eine wesensbestimmende Verselbständigung 125 weder der Zivil- noch der Handelspersonengesellschaften vom napoleonischen Gesetzgeber gewollt war. Diese Haltung passt auch gut zu der noch aus der revolutionären Zeit geerbten Auffassung, welche selbständigen Personenvereinigungen aus Furcht vor einem „Staat im Staate“ eine gewisse Skepsis entgegenbrachte. Für eine kurze Zeit, bis zum Directoire-Regime, waren sogar alle Handelskompanien als solche verboten worden.566 Zwar erlaubten die Bestimmungen des Code de commerce wieder die Gründung von Aktiengesellschaften, also den Nachfolgern der früheren Kompanien, diese bedurften aber gemäß Art.  37 C. com. (1807) der staatlichen Genehmigung. Es ist davon auszugehen, dass die Gründung von Personengesellschaften, hätten diese mit der Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden sollen, ebenfalls einer entsprechenden staatlichen Zustimmung bedurft hätte. c)  Das Badische Landrecht Das Badische Landrecht von 1809, eine mit Ergänzungen versehene Überset- 126 zung des französischen Code civil,567 liefert in ihrem Wortlaut keine Erkenntnisse zu der Frage eines abgeschiedenen Gesellschaftsvermögens.568 Dabei scheint diese Idee dem badischen Gesetzgeber durchaus vorgeschwebt zu haben. Dafür sprechen mehrere Passagen aus der Feder von Johann Brauer, welcher bei der Anfertigung des Badischen Landrechts maßgeblich mitgewirkt 569 und dieses anschließend kommentiert hat: „Die Gesellschaft ist ein Gewinnoder Verlustbringendes Ganzes; das Gesellschaftsgut macht eine Gesammtheit (universitas juris) aus, ein Vermögen, das am Schluß der Gesellschaft gleich dem Erbvermögen oder dem Ehegemeinschaftsvermögen den Regeln der Theilung unterliegt“.570 Deutlicher noch ist die Feststellung im Zusammenhang mit der Bestimmung des Anspruchsgegners einer actio in rem verso: „Besteht die Gesellschaft noch zu der Zeit, da eine Verwendungsklage entsteht, so kann diese gegen keinen der Gesellschafter allein, sondern nur gegen die ganze Ge565 

S. Art.  437 ff., insbesondere Art.  542 ff. C. com. (1807). Lévy/Castaldo, Histoire2 (2010), Rn.  475. 567  Wieacker, PRG2 (1967), S.  345; Schubert in: Code Napoléon in Deutschland (2011), S.  87, 96 f. 568  Die eingefügten Vorschriften behandeln diese Frage jedenfalls nicht, s. Sätze 1854a, 1858a BadLR. 569  Wieacker, PRG2 (1967), S.  345. 570  Brauer, Erläuterungen III (1810), S.  6 41; es ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Passage im Zusammenhang mit dem Verbot der societas leonina geschrieben wurde und der Autor mit dem Ausspruch zeigen wollte, dass eine Klausel, durch die einem der Gesellschafter nur der Gewinn, nicht aber der Verlust zukommt, mit der Idee der Gesellschaft unvereinbar sei, wonach Gewinn und Verlust der Gesellschaft zunächst miteinander verrechnet und erst das Ergebnis den Gesellschaftern zugute oder zulasten kommt. 566 Dazu

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

sellschaft gerichtet werden, denn bis dahin ist ein jeder einzeln weder nach dem Kopf noch nach dem Antheil Besitzer des für die Verwendung haftenden Gesellschaftsvermögens“.571 Letzteres lässt den Schluss zu, dass die in die Gesellschaft eingebrachten Vermögensgüter dem individuellen Zugriff der Gesellschafter entzogen sein sollten. Auffallend ist, dass diese eigentlich konstruktiv folgenschwere Regel nicht als grundlegendes Prinzip vorgestellt, sondern nur zur Rechtfertigung anderer Regelungen inzident herangezogen wird. 5)  Die österreichischen Kodifikationen bis zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1811) a)  Der Codex Theresianus (1766) 127

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts initiierte Kaiserin Maria Theresia die Schaffung einer einheitlichen Kodifikation des Privatrechts, von der man sich die Festigung des noch losen Zusammenhalts der verschiedenen österreichischen Territorien versprach.572 Hierauf ist im Jahre 1766 der Codex Theresianus573 fertiggestellt worden, der aber im Stadium eines Entwurfs geblieben, also nie in Kraft getreten ist. Die Formulierungen lassen auch in diesem Regelwerk keine eindeutigen Rückschlüsse auf die konstruktive Ausgestaltung der Gemeinschaft der Gesellschafter im Verhältnis zu den von ihnen gehaltenen Vermögensgütern zu. Wie in den Motiven zum französischen Code civil findet sich im Codex der Ausspruch, die Gesellschaft unterscheide sich von der zufälligen Gemeinschaft durch ihren vertraglichen Charakter,574 woraus sich aber kein Hinweis auf eine Absonderung des Gesellschaftsvermögens ableiten lässt.575 Gut mit der römischrechtlichen communio zu vereinbaren ist auch die Regelvermutung, es sei bei eingebrachten Gütern und Geldsummen das Eigentum derselben „unter allen Theilhabern gemein gemacht worden“.576 Auf der anderen Seite ist eine gewisse Festigung des Zusammenhalts der Gesellschaftsgüter in der Vorschrift zu sehen, die eine dingliche Surrogation zugunsten der Gesellschaft regelt, wenn aus der gemeinschaftlichen Einlage etwas erworben wird.577 Nennenswert ist weiter die Bestimmung, die den Fall regelt, dass sich ein Gesellschafter nicht im Namen der Gesellschaft, sondern in eigenem Namen ­gegenüber einem Dritten verpflichtet hat: Der Dritte könne dann keinesfalls

571 

Brauer, Erläuterungen III (1810), S.  651. v. Harrasowski, CTher. I (1883), S.  1. 573  v. Harrasowski, CTher. I (1883), S.  7; zum „lehrbuchartigen Charakter“ des Codex, v. Stintzing/Landsberg, Gesch. dtsch. RWiss. III.1 (1898), S.  520; Wieacker, PRG2 (1967), S.  335 f. 574  CTher III, 14, 3 f.; CTher III, 19, 73. 575  So auch das Fazit von Brauneder in: Studien II (1994), S.  2 29, 232 f. 576  CTher III, 14, 37. 577  CTher III, 14, 41. 572 

§  3.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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gegen die übrigen Gesellschafter vorgehen.578 Es ist aber nicht anzunehmen, dass dem Dritten damit auch der Zugriff auf den Anteil des Schuldners an den gemeinschaftlichen Vermögensgegenständen verwehrt und insofern von einer Verselbständigung des gemeinschaftlichen Gesellschaftsvermögens auszugehen wäre. Tatsächlich lässt die Formulierung eher den Schluss zu, dass mit ihr der Grundsatz der Unzulässigkeit von Verträgen zu Lasten Dritter in Erinnerung gerufen werden sollte. b)  Das Westgalizische Gesetzbuch (1797) Nachdem der Codex Theresianus nicht in Kraft getreten ist, folgten Bemühun- 128 gen, auf dessen Grundlage ein schlankeres und moderneres Gesetzbuch zu schaffen. Diese mündeten in einen maßgeblich von Karl Anton Freiherr von Martini verfassten Entwurf, welcher 1797 fertiggestellt und probeweise im kurz zuvor von Österreich annektierten Westgalizien eingeführt wurde („Westgalizisches Gesetzbuch“).579 Zu einer Ausweitung auf die übrigen österreichischen Territorien kam es in der Folge jedoch nicht.580 Im Vergleich zum ursprünglichen Codex Theresianus erreicht Martinis Entwurf ein abstrakteres Niveau. In den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften581 findet sich außerdem eine deutliche Aussprache für eine Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens: WGalBGB III, 9, §  300. Von einer Person, die nur mit einem Theile ihres Vermögens in der Gesellschaft steht, läßt sich ein gemeinschaftliches und ein besonderes Vermögen annehmen: über jenes verfügt nur die Gesellschaft, über dieses nur die Person. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen die Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder unterschieden werden. WGalBGB III, 9, §  302. Was ein Dritter der Gesellschaft schuldig geworden ist, darf er einem einzelnen Mitgliede nicht abführen und umgekehrt; eben dieses muß auch von den Forderungen gelten, welche Jemand entweder an die ganze Gesellschaft oder aber nur an ein Mitglied derselben zu machen berechtigt ist.

Die Vorschrift des WGalBGB III, 9, §  300, sieht eine Unterscheidung zwischen 129 dem (besonderen) Vermögen jedes einzelnen Gesellschafters und dem (gemeinschaftlichen) Vermögen der Gesellschaft vor, wobei Letzteres an anderer Stelle als „Gesellschaftsfond oder Stock, das Capital und den Hauptstamm“ bezeichnet wird.582 Die Bestimmung sieht vor, dass über das gemeinschaftliche Vermögen nur die Gesellschaft, über das besondere Vermögen nur der betreffende Gesellschafter „verfügt“ und dass Rechte und Verbindlichkeiten eines Dritten danach „unterschieden werden“, ob sie sich gegen die Gesellschaft oder gegen 578 

CTher III, 14, 117. v. Stintzing/Landsberg, Gesch. dtsch. RWiss. III.1 (1978), S.  522. 580 S. Wieacker, PRG2 (1967), S.  336. 581  Abgedruckt in: Ofner, Entwurf I (1889), S. CXV ff. 582  WGalBGB III, 9, §  282. 579 

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einen einzelnen Gesellschafter persönlich richten. Zudem stellt WGalBGB III, 9, §  302, folgende Regeln auf: 1. der Gesellschaftsschuldner darf seine Verpflichtung nicht gegenüber einem einzelnen Gesellschafter erfüllen, 2. der Privatschuldner darf seine Verpflichtung nicht gegenüber der Gesellschaft erfüllen, 3. der Gesellschaftsgläubiger darf seine Forderung nicht gegenüber dem einzelnen Gesellschafter geltend machen und 4. der Privatgläubiger darf seine Forderung nicht gegenüber der Gesellschaft geltend machen. Auf den ersten Blick entsteht so der Eindruck, das Gesetzbuch erkenne den Grundsatz eines abgesonderten Gesellschaftsvermögens ausdrücklich an. Dieser scheint sogar mit besonderer Konsequenz angewendet, da die Formulierungen den erstaunlichen Schluss zulassen, dass die Gesellschaftsgläubiger offenbar keine Möglichkeit haben, auch auf das Privatvermögen der Gesellschafter zuzugreifen, was die Gesellschaft des WGalBGB praktisch zu einer „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ werden ließe. Dass dem nicht so war, ergibt sich aber aus der folgenden Vorschrift: WGalBGB III, 9, §  303. Betrifft es gemeinschaftliche Forderungen und Schulden; so kann jedes Mitglied der Gesellschaft den Schuldner nur für seinen Antheil belangen, oder von dem Gläubiger belangt werden: außer in dem Falle, welcher bei Handelsleuten vermuthet wird, daß Alle für Einen und Einer für Alle etwas zugesagt, oder angenommen haben.

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Diese Bestimmung überlagert die Regelungen der WGalBGB III, 9, §§  300, 302, mit einem Spiel zusätzlicher Anspruchs- und Verpflichtungsbeziehungen zwischen den einzelnen Gesellschaftern und den Gesellschaftsgläubigern. Man mag noch die Bestimmung, wonach die Gesellschaftsgläubiger die einzelnen Gesellschafter auch persönlich belangen können, als gebotene Ausweitung der Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger ansehen. Die Regelung hingegen, nach welcher die einzelnen Gesellschafter eine Gesellschaftsforderung auch persönlich gegen den Gesellschaftsschuldner geltend machen können, nimmt dem Grundsatz der Absonderung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen einen gewissen Teil seiner Substanz. Den Grundsatz selbst lässt jene Regelung aber unberührt: Es handelt sich wohl nur um eine zusätzliche Berechtigung des Gesellschafters, die die eigentliche Berechtigung der Gesellschaft nicht ersetzt, sondern nur ergänzt und möglicherweise als Ausgleich dafür steht, dass die einzelnen Gesellschafter nach derselben Vorschrift ebenfalls persönlich für Gesellschaftsverbindlichkeiten haften. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die einzelnen Gesellschafter über Sachen (im Sinne körperlicher Gegenstände), die im Eigentum der Gesellschaft stehen, nicht verfügen können. Da die einzelnen Gesellschafter aber Gesellschaftsforderungen auch persönlich geltend machen können, lässt sich vermutlich daraus schließen, dass sie jedenfalls hierüber selbst verfügen können.

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c)  Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) Auch das Westgalizische Gesetzbuch hat seine Bestimmung verfehlt, in ganz 131 Österreich zu geltendem Recht erhoben zu werden. Nachfolgende Kodifika­ tionsbemühungen wurden maßgeblich von Franz von Zeiller unternommen.583 Es erfolgten drei Lesungen, welche schließlich zu einem „superrevidierten“ Entwurf führten.584 Die Bestimmungen des WGalBGB III, 9, §§  300, 302, 303, gehen in folgende Vorschriften auf: 585 §  1190 ÖstSRevE. Von einer Person, die nur mit einem Theile ihres Vermögens in der Gesellschaft steht, läßt sich ein gemeinschaftliches, und ein besonderes Vermögen annehmen, über jenes verfügt nur die Gesellschaft, über dieses nur die Person. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein dritter gegen die Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder unterschieden werden. §  1191 ÖstSRevE. Was also Jemand an ein einzelnes Mitglied, und nicht an die Gesellschaft zu fordern, oder zu zahlen hat, kann er auch nur an das einzelne Mitglied und nicht an die Gesellschaft fordern, oder bezahlen. Eben so hat aber bei gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Antheil, ein Recht, oder Verbindlichkeit zur Zahlung; außer in dem Falle, welcher bey Handelsleuten vermuthet wird, daß alle für Einen, und Einer für Alle etwas zugesagt oder angenommen haben.

Im Ergebnis ändern die Vorschriften der §§  1190 f. ÖstSRevE nichts an denen der WGalBGB III, 9, §§  300, 302, 303. In §  1190 ÖstSRevE wird WGalBGB III, 9, §§  300, praktisch wortgleich übernommen, in §  1191 ÖstSRevE werden die Bestimmungen des WGalBGB III, 9, §§  302, 303, zusammengefasst. Deutlich wird, dass die Privatschuldner und -gläubiger der Gesellschafter in keinerlei Beziehung zum Gesellschaftsvermögen stehen, dass aber umgekehrt Gesellschaftsschuldner und -gläubiger sehr wohl Zugang zu den Privatvermögen der Gesellschafter haben und gegenüber den einzelnen Gesellschafter haften. Mit einer leichten Veränderung werden die Entwurfsvorschriften schließlich 132 geltendes österreichisches Recht: 586 §  1202 ABGB (1811). Ein Mitglied, welches nur mit einem Theile seines Vermögens in der Gesellschaft steht, kann ein von dem gemeinschaftlichen abgesondertes Vermögen besitzen, worüber es nach Belieben zu verfügen berechtigt ist. Rechte und Verbindlichkeiten, die ein Dritter gegen die Gesellschaft hat, müssen also von den Rechten und Verbindlichkeiten gegen einzelne Mitglieder unterschieden werden. §  1203 ABGB (1811). Was also jemand an ein einzelnes Mitglied, und nicht an die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen hat, kann er auch nur an das einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft fordern oder bezahlen. Eben so hat aber bey gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Antheil ein Recht oder eine

583 

Wieacker, PRG2 (1967), S.  336. Ofner Entwurf I (1889), Vorrede. 585  Abgedruckt in: Ofner, Entwurf II (1889), S.  790 f. (Orthographie beibehalten). 586  Nachfolgende Vorschriften abgedruckt in: Allg. bürg. Gesetzbuch II (1811), S.  343 f. 584 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in dem Falle, welcher bey Handelsleuten vermuthet wird, daß Alle für Einen und Einer für Alle etwas zugesagt oder angenommen haben.

133

Der Inhalt des §  1190 ÖstSRevE wurde in einer Weise verändert, die das Prinzip eines abgesonderten Gesellschaftsvermögens weniger offenbar werden lässt. Stand in §  1190 ÖstSRevE noch ausdrücklich, dass das Gesellschaftsvermögen dem persönlichen Zugriff des Gesellschafters entzogen ist, stellt §  1202 Satz  1 ABGB lediglich die eigentlich selbstverständliche Regel auf, dass der Gesellschafter nach Eingehen der Gesellschaft auch weiterhin über sein persönliches Vermögen verfügen kann. Eine Abkehr von dem Grundsatz, wonach der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen keinen unmittelbaren Zugriff hat, lässt sich aus der neuen Formulierung jedoch nicht herleiten; er bleibt im Umkehrschluss zu §  1202 Satz  1 ABGB (1811) vielmehr erhalten. Interessant ist, dass Franz von Zeiller selbst hervorhebt, dass es sich bei der Erlaubten Erwerbsgesellschaft im Sinne des §  1202 ABGB (1811) im Außenverhältnis um eine „moralische Person“ handele, welcher „gleiche Rechte und Verbindlichkeiten gegen andere physische und moralische Personen, wie den einzelnen, physischen Personen, gegen einander zu kommen“.587 Mit anderen Worten: Im Rechtsverkehr erscheint die Erwerbsgesellschaft in den Augen Zeillers wie eine natürliche Person. In diesem Zusammenhang wirft aber Zeiller die Frage auf, „wer für eine ganze Gesellschaft Rechte und Verbindlichkeiten gründen könne, und in wie weit dadurch jedes einzelne Mitglied berechtigt oder verpflichtet werde“.588 Wirklich ernst ist es von Zeiller mit der Vermögensabsonderung nämlich nur in eine Richtung. So sei das persönliche Vermögen des Gesellschafters „in seinem ganzen Umfange ein ausschließliches Eigenthum des Besitzers, worüber er nach Belieben verfügen, und neue Rechte erwerben, oder sich Verbindlichkeiten auflegen kann“.589 Umgekehrt gilt diese Regel – anders als es vielleicht im WGalBGB beabsichtigt war – dagegen nicht, da von Zeiller erklärt, den einzelnen Gesellschaftern stehen unmittelbar auch Anteile an den Vermögensgütern der Gesellschaft zu: „In Hinsicht auf das gemeinschaftliche Vermögen nimmt jedes Mitglied nach Maß seiner Einlage und der getroffenen Verabredung an den Rechten oder Verbindlichkeiten Theil“.590 Damit geht von Zeiller von einem insofern transparenten, vielleicht sogar untechnisch-beschreibenden Begriff der moralischen Person aus, der durchaus in der Linie der naturrechtlichen Persönlichkeitstheorie591 steht und nicht die Entwicklung hin zur moderneren „juristischen Person“ genommen hat. Die Qualifizierung als „moralische Person“ bedeutet damit möglicherweise lediglich, 587  v. Zeiller, Commentar III.2 (1813), S.   560; dazu Brauneder, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  263, 281. 588  v. Zeiller, Commentar III.2 (1813), S.  560. 589  v. Zeiller, Commentar III.2 (1813), S.  560 f. 590  v. Zeiller, Commentar III.2 (1813), S.  561. 591  S. o., Rn.  101 f.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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dass die Erwerbsgesellschaft in manchen Aspekten, namentlich darin, dass die Gesellschafter im Außenverhältnis mit einer Stimme sprechen, wie eine einzige Person erscheint. Dass die Erwerbsgesellschaft in den Augen von Zeillers über eine eigene „Rechtsfähigkeit“ verfügt, die von der der Gesellschafter zu trennen wäre, lässt sich daher aus der Qualifizierung als moralische Person nicht ableiten.592

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht des 19. Jahrhunderts Die Untersuchung der Entwicklung des 19. Jahrhunderts zeigt, dass der Be- 134 griff, aber insbesondere die unflexible Typisierung der juristischen Person in Hinblick auf neu entstehende Formen von Personenvereinigungen zu eng geworden ist. Um nicht auf die Exklusivität des Begriffs der juristischen Person verzichten zu müssen, werden die Rechtsakteure die Bildung von Zwischenformen tolerieren, die sich zum großen Teil wie juristische Personen verhalten, so aber nicht bezeichnet werden. Entsprechende Entwicklungen verlaufen nicht gleichmäßig. Sie sind abhängig von partikularrechtlichen Regelungen, vor allem aber vom Typ der jeweils betreffenden Personengruppierungen. Gemeinsam ist ihnen die Tendenz einer weitergeführten Verselbständigung der Gruppe als solcher von ihren Mitgliedern, welche im ausgehenden 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht. Die Zeit bis Einführung des ADHGB in den 1860er Jahren zeichnet sich aus 135 durch die an Bedeutung gewinnende Diskussion zur Anerkennung der Rechtspersönlichkeit sowie anderer gesellschaftsrechtlicher Verselbständigungsmerkmale (I). Bei Handelsgesellschaften wird diese Diskussion auch nach Einführung des ADHGB zwar gebremst, nicht aber gestoppt (II), „herkömmliche“ Gesellschaften werden hingegen bis Ende des 19. Jahrhunderts von diesen Debatten kaum erfasst (III).

I.  Gesellschaftsrechtliche Verselbständigungsmerkmale bis Einführung des ADHGB In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden die bereits in den Jahrhunder- 136 ten zuvor diskutierten Privilegien für Gesellschaftsgläubiger größtenteils Anerkennung finden und somit die Grundlage für ein insofern verselbständigtes Gesellschaftsvermögen bilden (1). Gleichzeitig greifen mehrere Autoren die Idee der juristischen Persönlichkeit zur Deutung der juristischen Konstruktion von Handelsgesellschaften auf, welche bis zur Einführung des ADHGB zu kon592 

Ähnlich auch Brauneder, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  263, 283.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

troversen Debatten in Literatur und Rechtsprechung führt (2), teilweise aber auch Eingang in die Gesetzgebung findet (3). 1)  Die Anerkennung von Gläubigerprivilegien als Grundlage einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens 137

Ungeachtet einer in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nur schmalen theoretischen Aufarbeitung der rechtlichen Natur der Gesellschaft, werden typische Merkmale immer wieder genannt, die sich von denen der allgemeinen Bruchteilsgemeinschaft abheben. Dazu zählt in erster Linie die Regel, dass der Gläubiger eines Gesellschafters im Wege der Vollstreckung keinen direkten – und auch keinen anteiligen – Zugriff auf gemeinschaftliche Güter der Gesellschaft hat. Dieser Gedanke, der in Deutschland spätestens seit Johann Michael Beuther Ende des 16. Jahrhunderts immer wieder aufgeworfen worden war, erhält im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiteren Zuspruch. Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang die 5. Auflage des Konkursrechtslehrbuchs Christian Gottlieb von Gmelins. Tatsächlich zählt er dort eine Vielzahl älterer Autoren auf, die sich in der Vergangenheit zu der Problematik der Anerkennung oder Ablehnung eines Privilegs der Gesellschaftsgläubiger geäußert haben und fasst die jeweils geltend gemachten­ Pro- und Gegenargumente zusammen.593 Unter den älteren Autoren, die für ein Gesellschaftsgläubigerprivileg eintreten, zitiert er Paulus de Castro594 , Beuther595, Felicius596 , Salgado de Somoza597, Mencke598 und nicht zuletzt Carpzov599. Im Ergebnis stellt von Gmelin fest, dass die Ansicht, wonach den Gesellschaftern und den Gesellschaftsgläubigern „auf dem Gesellschaftsvermögen ein Absonderungsrecht“ zustehe, „mit Recht in der Praxis mit mehrerem Beifall aufgenommen worden“ sei.600 Seiner Ansicht nach könne der Privatgläubiger nur den anteiligen „Gewinn“ des Gesellschafters beanspruchen, der jedoch als solcher solange noch nicht feststehe, wie der Verlust, also die Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, noch nicht in Abzug gebracht wurden; 601 zu diesem „Gewinn“ zählt er ausdrücklich auch die vom betroffenen Gesellschafter eingebrachten Einlagen, die damit dessen Verfügungsgewalt entkommen.602 593 

v. Gmelin, Gantprocess5 (1813), §  62, S.  179 ff. Zu Paulus de Castro in der Frage des Gesellschaftsgläubigerprivilegs, s. o., Rn.  43 ff. 595  Zu Beuthers Ansicht, s. o., Rn.  88 f. 596  Zu Felicius, s. o., Rn.  50. 597  Zur Ansicht Salgados de Somoza, s. o., Rn.  51. 598  Zur Ansicht Menckes, s. o., Rn.  93. 599  Zur Argumentation Carpzovs, s. o., Rn.  91. 600  v. Gmelin, Gantprocess5 (1813), §  62, S.  181 f. 601  v. Gmelin, Gantprocess5 (1813), §  62, S.  183. 602  v. Gmelin, Gantprocess5 (1813), §  62, S.  183. 594 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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Für den Gedanken der Privilegierung des Gesellschaftsgläubigers machen 138 sich auch weitere Stimmen stark, insbesondere dort, wo das Partikularrecht hierfür Anknüpfungspunkte zur Verfügung stellt.603 Dass es sich bei dieser oft als „Separationsgrundsatz“ bezeichneten Regelung aber nicht um ein seit unvordenklicher Zeit feststehendes allgemein akzeptiertes Prinzip, sondern tatsächlich um das Produkt einer sich weiterentwickelnden Rechtsordnung handelt, wird daran deutlich, dass sich wiederum andere Autoren mit ihr schwertun. Für den Fall, dass „sämmtliche Theilhaber einer Gesellschaft in Concurs fallen“, lehnt etwa Karl Georg Treitschke im Jahr 1825 ein Vorzugsrecht der Sozietätsgläubiger vor den Privatgläubigern grundsätzlich ab, weil – wie er wohl richtig feststellt604 – dieses in den römischen Rechtsquellen keine Stütze finde.605 Ansätze der Absonderung eines Gesellschaftsvermögens von den Privatvermögen der Gesellschafter finden sich in Treitschkes Schrift nicht; sogar die anteilige Aufrechnung einer Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft mit einer Forderung gegenüber einem der Gesellschafter wird dort als zulässig angesehen.606 In der Rechtsprechung gewinnt der Separationsgrundsatz aber zunehmend an Boden. So erkennt ihn das preußische Obertribunal in einem Urteil aus dem Jahre 1845 an,607 das Stuttgarter Obertribunal folgt dem wenige Jahre später, unter ausdrücklicher Berufung auf von Gmelin608 und unter Würdigung der von diesem zitierten „ältern Rechtsgelehrten“.609 Bereits 1839 sieht der württembergische Entwurf eines Handelsgesetzbuchs ausdrücklich die „Trennung des Gesellschaftsantheils von den übrigen Vermögen eines Gesellschafters vor“, mit der Folge, dass die Privatgläubiger das Gesellschaftsvermögen nicht in Anspruch nehmen können, sondern nur den Anteil am Gewinn oder am Liquidationserlös des betroffenen Gesellschafters.610 Unabhängig von Vollstreckungsgesichtspunkten wird zudem vertreten, dass überhaupt „Jeder nur seinen Antheil am Gewinne einem Fremden überlassen, aber nicht eine 603  Bielitz, ALR-Komm. III (1825), S.  761 f. (I, 17, §§  241–268): „Vor der Aufhebung der Societät können […] die Gläubiger eines einzelnen Gesellschafters ihre Befriedigung aus dem Handlungsfonds nicht verlangen“; s. auch Gräf/v. Rönne/Simon in: Ergänz. ALR II3 (1848), S.  336; v. Stubenrauch, ABGB III (1858), §§  1202, 1203, Anm.  1, S.  396. 604  Zum römischen Recht, s. o., Rn.  21 ff. 605 S. Treitschke, Erwerbsgesellschaft (1825), §  100, S.  147 f.; diese Auffassung wird auch in Treitschke, Gewerbegesellschaft (1844), §  100, S.  254 f., aufrecht erhalten. 606  Treitschke, Erwerbsgesellschaft (1825), §  60, S.  87; entsprechend auch Treitschke, Gewerbegesellschaft (1844), §  60, S.  159. 607 Preuß. Ob.-Trib. v. 25.10.1845, Ob.-Trib. E. 12, 262, 267 f.: „Ein Gläubiger, dem nicht die Societät, sondern nur ein einzelner Socius haftet, kann dessen Antheil am Societäts-Vermögen nur so weit angreifen und in Beschlag nehmen, als der Socius selbst frei über diesen Antheil zu verfügen befugt ist. Dieses Verfügungsrecht beschränkt sich aber gesetzlich auf den Antheil des Gesellschafters am Gewinne“. 608  Zu den Äußerungen v. Gmelins, s. o., Rn.  137. 609  Ob.-Trib. Stuttgart v. 11.03.1853, Seuff. Arch. 6 (1853), Nr.  302, S.  423 ff. 610  S. Art.  230 WüHGB-E.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Quote an einer bestimmten einzelnen Sache verkaufen kann“.611 Erwähnenswert ist auch der Hinweis, dass umgekehrt Gesellschaftsgläubiger sich zunächst an das Gesellschaftsvermögen halten müssen, bevor sie die einzelnen Gesellschafter belangen können.612 So findet sich im Entwurf des württembergischen Handelsgesetzbuches von 1839 die Vorschrift, dass der Anspruch eines Gesellschaftsgläubigers „gegen die Gesellschaft“ gerichtlich festgestellt sein muss, bevor jener die einzelnen Gesellschafter in Anspruch nehmen kann.613 2)  Die Diskussion über die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft 139

Den Anstoß zur Konstruktion der Handelsgesellschaft als juristische Person lieferten Stimmen aus der Literatur (a). Der Gedanke fand in der Folge Anhänger, aber vor allem auch Gegner (b). a)  Die Wegbereiter der Handelsgesellschaft als juristische Person

140

Der Gedanke der Handelsgesellschaft als Rechtsperson war von deutschen Autoren bereits in den 1820er Jahren vorgeschlagen worden (aa). Von maßgeblichem Einfluss war aber die Schrift Gelpckes aus 1852 zu diesem Thema (bb). Außerdem erlangte die Idee möglicherweise unter dem Einfluss der französischen Literatur und Rechtsprechung eine gewisse Resonanz in Deutschland (cc). aa)  Frühe Stimmen zugunsten einer Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften

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Ein frühes und erstaunliches Beispiel der Personifizierung der „Gewerbsgesellschaft“ liefert Theodor Hagemann in seinen „practischen Erörterungen“ aus dem Jahre 1818.614 Vor die Frage gestellt, welches Los die Verpflichtung einer Person gegenüber einer „Handels-Societät“ trifft, wenn die Gesellschaft vor Erfüllung jener Verpflichtung beendet wird, vertritt Hagemann, es werde „der Dritte in diesen Fällen von seiner gegen sie übernommenen Verbindlichkeit für die Zukunft befreiet“, denn die „Gesellschaft, als moralische Person, existirt dann nicht weiter, und mithin kann auch keiner der gewesenen Theilnehmer auf Fortsetzung der blos gegen die Gesellschaft übernommenen Leistungen ein Klagrecht wider Dritte, mit welchen sie als moralische Person contrahirten,

611  Koch, Forderungen III1 (1843), §  306, S.  540; entsprechend wohl auch Bornemann, Preuß. CivR IV2 (1844), §  250, S.  30. 612  Für Handelsgesellschaften, s. Schiebe, HandelsR (1838), Anm.  1026, S.  553 f., der die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit der Haftung des Bürgen für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners vergleicht. 613  S. Art.  213 Abs.  2 WüHGB-E, dazu Schubert, Entwurf HGB Württ. II, S.  194. 614  Hagemann, Practische Erörterungen VI (1818), S.  266 ff., dazu Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  112 f.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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mehr ausüben“.615 Ohne dass hier auf den dogmatischen Wert dieser Lösung eingegangen werden muss,616 ist jedenfalls festzuhalten, dass Hagemann die Handelsgesellschaft als „moralische Person“ ansieht und gleichzeitig ein vom Naturrecht emanzipiertes Bild der moralischen Person zeichnet, in welchem die Fähigkeit, Rechte zu haben, im Vordergrund steht. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtspersönlich- 142 keit der Handelsgesellschaften liefert A. Tabor 1826 in einer Schrift, in der er die Haftung des neuen Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu rechtfertigen sucht, die vor dessen Eintritt in die Handelsgesellschaft eingegangen worden sind.617 Grundlage seiner Argumentation ist die getroffene Feststellung, dass die Handelsgesellschaft in Wirklichkeit eine juristische Person sei. Zu diesem Schluss kommt er, nachdem er festhält, dass eine juristische Person „Alles“ sei, „was als Subjekt von Rechten und Verbindlichkeiten im Staat existirt“,618 dass eine Handelsgesellschaft über eine eigene Firma verfüge, welche als solche mit Dritten im Rechtsverkehr stehe,619 dass sie auf ihren Namen Hypotheken und Eigentum erwerbe,620 dass „ihr Inbegriff, die Firma, als streitender Theil“ in Anspruch genommen werde621 und insbesondere dass der Tod oder Austritt eines Gesellschafters nach verschiedenen von ihm zitierten Stadtrechten grundsätzlich keinen Einfluss auf den Fortbestand der Gesellschaft habe.622 Interessant ist, dass Tabor klarstellt, dass eine Handelsgesellschaft zwar eine juristische Person, nicht jedoch eine universitas sei, was er damit begründet, dass die juristische Person einen Überbegriff bilde, der beide Institute als Unterarten aufnehme. Dementsprechend sei etwa nur bei der universitas eine staatliche Verleihung notwendig, bei einer Handelsgesellschaft aber nicht.623 Kennzeichnend für die Handelsgesellschaft als juristische Person sei weiter der „ungetheilte Sozietätsfond, in welchen der neu Eintretende, gleich den Uebrigen, sukzedirt, und zu welchem die activa sowohl, als auch die passiva gehören“.624 Die Ausgestaltung der juristischen Person als Begriff, der die universitas umfasst, aber auch darüber hinausgeht, offenbart ein Verständnis der Rechtspersönlichkeit, das zwar noch unter dem Einfluss der naturrechtlichen moralischen Person steht, die Anknüpfung an der Statuslehre aber offen615  616 

nis“.

Hagemann, Practische Erörterungen VI (1818), S.  268. Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  113, qualifiziert dieses als „unhaltbares Ergeb-

617  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  3 ff.; eine Zusammenfassung der Schrift findet sich auch in Themis-ZPRW 1 (1828), S.  67 ff. 618  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  7 f. 619  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  8. 620  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  8 f. 621  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  9. 622  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  9 ff. 623  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  11 f. 624  Tabor, Handels-Firma (1826), S.  16.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

bar durch eine allgemeine Rechtsfähigkeit ersetzt.625 Es entspricht einem Zustand, in dem sich die nachfolgende Angleichung der juristischen Person an die Konstruktion der römischen universitas noch nicht durchgesetzt hat. Angemerkt sei, dass die Bezeichnung der juristischen Person als Überbegriff, der neben der universitas auch andere Konstruktionen umfasst, in der Nachwirkung des naturrechtlichen Erbes auch unter Vertretern der germanistischen Schule populär war, die in diese Kategorie neben der universitas auch die deutsch­rechtliche „Genossenschaft“ eingeordnet hat.626 Zwei Jahre später schlägt auch Ludwig Hassenpflug in einem kurzen, für diese Zeit aber beachtenswerten627 Aufsatz die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften vor, indem er diese als einheimische Entwicklung identifiziert, welche er von den römischen Regeln der communio abgrenzt.628 Nur wenige äußern sich zunächst zugunsten Hassenpflugs Idee,629 welche in der Folge entweder gar nicht beachtet oder ausdrücklich abgelehnt wird,630 u. a. bei Beseler, welcher die Handelsgesellschaft noch 1847 als modifizierte römische communio auffasst.631 bb)  Gelpckes Plädoyer für die Handelsgesellschaft als juristische Person (1852)

144

Grundlegend für die juristische Person zur Deutung der Handelsgesellschaft ist der 76 Seiten umfassende Artikel Gelpckes,632 in welchem erklärt wird, dass die Handelsgesellschaft „alle Eigenschaften und Erfordernisse einer juristischen Person an sich“ trage.633 Diesen Schluss zieht der Autor zunächst aus der Beobachtung, dass jeder sorgsame Kaufmann durch eine ordentliche Buchführung „sein Handelsgeschäft von seinen übrigen Vermögens-Verhältnissen“ sondere.634 Dies sei zunächst zwar nur ein „rein faktischer Zustand“, dafür aber auch „der erste natürliche Keim für die einer Handlung beizulegende Selbständigkeit“.635 Weitere Meilensteine in Richtung einer selbständigen Gesellschaft 625  Zur naturrechtlichen moralischen Person im Widerstreit zwischen Statuslehre und allgemeiner Rechtsfähigkeit, s. o., Rn.  101 f. 626  S. u., Rn.  319 ff. 627  Zum wegweisenden Charakter der These Hassenpflugs Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  84. 628 S. Hassenpflug, Themis-ZPRW 1 (1828), S.  59. 629  Mit Sympathie für die Konstruktion der juristischen Person Hassenpflugs etwa Koch, Forderungen I1 (1836), §  48, S.  486 ff., der insbesondere auf die Regelung des Konkursrechts verweist. 630  So von Treitschke, Gewerbegesellschaft (1844), S.  166, Rn.  5. 631 S. Beseler, System I1 (1847), §  68, S.  359 f.; gegen Hassenpflug auch Anon., ThemisZPRW 1 (1828), S.  498, 500 ff. 632  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3. 633  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 19. 634  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 19. 635  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 20.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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seien die Entwicklung der Firma und des Veröffentlichungszwangs gewesen.636 Den aus dem römischen Recht überlieferten staatlichen Genehmigungsvorbehalt zur Gründung juristischer Personen zieht Gelpcke zwar nicht in Zweifel, meint aber dazu, dass eine solche obrigkeitliche Anerkennung auch aus ab­ strakten gesetzlichen Vorschriften bestehen könne, „durch welche bestimmte Erfordernisse und Formen festgesetzt werden, unter deren Beobachtung diese oder jene lebendig werdende Einrichtung sich zu einem besonderen Rechts-Subjekt auszubilden, für fähig erklärt wird“.637 Kennzeichen der selbständigen Rechtspersönlichkeit von Gesellschaften sei jedenfalls die rechtliche Absonderung des Gesellschaftsvermögens von den Gesellschaftervermögen, solange die Gesellschaft besteht: 638 Den Gesellschaftern sei die Befugnis entzogen, „über irgend einen Bestandtheil des Vermögens der Societät für sich zu verfügen“, genauso wenig können die Gläubiger eines Gesellschafters „dieses Vermögen zu ihrer Befriedigung auf Höhe der Antheils-Rechte ihres Schuldners an der Gesellschaft in Anspruch“ nehmen; 639 ferner finde eine Aufrechnung „nur zwischen der Gesellschaft, als Gläubigerin und Schuldnerin, einerseits, und den Gläubigern und Schuldnern der Gesellschaft, andererseits, statt“.640 Wenn Gelpcke alles in allem eine recht genaue Dogmatik der Handelsgesell- 145 schaften als juristische Person liefert, so ist weniger klar, inwieweit er seine Theorie bereits als positives Recht, insbesondere als positives preußisches Recht oder nur als rechtspolitischen Wunsch versteht. Er bewegt sich hier auf einem schmalen Grat. Gelpcke sieht in den Handelsgesellschaften alle Merkmale einer juristischen Person verwirklicht, nur sei dies „noch nicht zur vollen, in den gesetzlichen Bestimmungen [Preußens] klar ausgeprägten Entwicklung gelangt“, wobei die Rechtspraxis hierauf hinwirken und darin „der Gesetzgebung vorarbeiten“ möge.641 In der Folge liefert er Anknüpfungspunkte in den Vorschriften des PrALR, auf die sich eine derartige Rechtspraxis aufbauen ließe. Damit hält Gelpcke die gesetzliche Ausgangslage immerhin für ausreichend, um sie einer Auslegung zuzuführen, die Handelsgesellschaften als juristische Personen anerkennt. Es ist interessant, dass Gelpcke diesen Schritt nicht selbst zu gehen wagt. Mit der Anerkennung juristischer Personen ohne ausdrückliche staatliche Genehmigung, bewegte er sich, vier Jahre nach der gescheiterten Märzrevolution, vielleicht auf einem Terrain nicht ohne politische Brisanz. Gelpcke war preußischer Geheimer Obertribunalsrat. Man kann darüber spekulieren, ob er in seiner engagiert geschriebenen Apologie der juristischen Per636 

Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 24 ff. Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 28; er bedauert dabei allerdings, dass die preußische Gesetzgebung diesen Schritt nicht getan habe, s. S.  29. 638  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 30 ff. 639  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 30; Gesellschaftsgläubiger müssen ferner in erster Linie gegen die Gesellschaft vorgehen, Gelpcke, a. a. O. 640  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 33. 641  Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 45 f. 637 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

son die Verantwortung gescheut hat, eine Verkürzung obrigkeitlicher Privilegien als positives Recht darzustellen, ohne dass die staatlichen Stellen hierzu nicht zumindest stillschweigend zugestimmt hätten. cc)  Die Anerkennung der Persönlichkeit französischer Handelsgesellschaften 146

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Aus Frankreich kommende und in deutsche Regionen einwirkende Impulse einer Verselbständigung der Gesellschaft lassen sich, nach dem Stand der hier zugrunde gelegten Quellen, bis Einführung der napoleonischen Kodifikationen nicht nachweisen. Die in der Ordonnance du commerce von 1673 vorgenommene Einteilung der verschiedenen Handelsgesellschaftstypen ist zwar auch im deutschen Schrifttum rezipiert worden,642 jedoch lieferte die Ordonnance gerade keine Hinweise einer Absonderung des Gesellschaftsvermögens oder gar einer Personifizierung der Gesellschaft.643 Die Urteile der Parlamentshöfe von Grenoble von 1622644 und Paris von 1677645, welche das Gesellschaftsvermögen als separate Haftungsmasse anerkannt hatten, scheinen ihrerseits das Gros des deutschen Schrifttums bis zum Ende des Usus modernus nicht erreicht zu haben.646 Demgegenüber musste das Interesse der deutschen Literatur und Rechtsprechung für das französische Privatrecht nach Einführung der französischen Kodifikationen im Rheinland und, in leicht abgeänderter Form, in Baden, naturgemäß steigen. Es war also naheliegend, dass französische Ansätze einer rechtlichen Verselbständigung von Gesellschaften auch in Deutschland beobachtet wurden. Auf den ersten Blick offensichtlich waren entsprechende Impulse aus Frankreich jedoch nicht. Wie die Ordonnance du commerce von 1673 lieferten auch der Code civil und der Code de commerce in ihrem Wortlaut keine eindeutigen Hinweise für Verselbständigungsansätze der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern.647 Auch scheint die französische Literatur zu Beginn des 19.  Jahrhunderts in diesen Fragen nicht auf Anhieb eine klare Linie gefunden zu haben. Im Lehrbuch zu den handelsrechtlichen Institutionen von Claude-Etienne Delvincourt stellt der Autor weder die Idee der Rechtspersönlichkeit der Personenhandelsgesellschaften (société en nom collectif und société en commandite) noch die Möglichkeit eines wesensbestimmenden Gesellschaftsvermögens zur Diskussion.648 Auf die Fähigkeit der société en nom collectif, eine Firma zu

642 

S. etwa von v. Martens, Handelsrecht (1798), §§  21 ff., S.  26 ff. S. o., Rn.  55. 644  S. o., Rn.  57. 645  S. o., Rn.  58 ff. 646 Umso interessanter wären in diesem Zusammenhang Erkenntnisse zum Urteil des Reichskammergerichts, auf welches die Gesetzesmaterialien des ADHGB verweisen, dazu u. Rn.  181. 647  S. o., Rn.  121, 124. 648  Delvincourt, Droit commercial I (1810), S.  10 ff., 17 ff. 643 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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führen, weist er hin, lässt diese Feststellung aber unkommentiert.649 Zwar erklärt er, der Gesellschafter könne ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter keine Gesellschaftsgegenstände veräußern, er stellt dabei aber nicht klar, ob es sich hierbei nur um eine schuldrechtliche Unterlassungspflicht gegenüber den anderen Gesellschaftern oder um ein dinglich wirkendes Verfügungsverbot handelt.650 Die Cour de cassation liefert hingegen früh Hinweise dafür, dass sie die Rechtsprechung des Pariser Parlamentshofs von 1677651 fortsetzen wird. Noch kurz vor Einführung des Code de commerce erklärt sie, dass die Gesellschaftsgüter nicht vom Privatgläubiger eines der Gesellschafter gepfändet werden dürfen; dies sei eine universell anerkannte und insbesondere von Art.  121 des niedergeschriebenen bretonischen Gewohnheitsrechts bestätigte Rechtsregel.652 Nach Inkrafttreten des Code de commerce hält die Cour de cassation wie selbstverständlich an dieser Lösung fest.653 Zwar betreffen beide Entscheidungen nicht den Wettbewerb zwischen Gesellschafts- und Privatgläubiger, sondern die Frage, ob und nach welchen Modalitäten die Mitgesellschafter gegenüber den Privatgläubigern des insolventen Gesellschafters den Zugriff auf ihre Einlagen behalten. Die allgemeinen Formulierungen des Gerichtshofs zum Gesellschaftsvermögen lassen aber erahnen, dass dieses als Haftungsmasse anerkannt wird, die den Privatgläubigern erst nach Liquidierung der Gesellschaft zur Verfügung steht. Zu einer Personifizierung der Gesellschaft gelangten die zitierten Entschei- 148 dungen indes nicht. Diese Idee ist offenbar zunächst in der Literatur vorgeschlagen worden. Von Bedeutung sind insbesondere die Ausführungen von Jean-Marie Pardessus in seinem bekannten Lehrbuch des Handelsrechts.654

649 

Delvincourt, Droit commercial I (1810), S.  23. Delvincourt, Droit commercial I (1810), S.  18. 651  S. o., Rn.  58 ff. 652  C. cass. Civ. v. 11.03.1806, Bull. 8, 2 (1806), Nr.  34, S.  82, 88 f.: „[…] il est de principe que le créancier d’un associé, pour une cause étrangère à la société, n’a pas le droit d’arrêter le paiement de ce qui est dû aux autres associés, parce que c’est une règle de droit universellement reconnue et spécialement consacrée par l’art. 121 de la coutume de Bretagne […] que le créancier ne peut saisir que ce qui est dû à son débiteur par un tiers“. 653  C. cass. Req. v. 13.03.1823, Journ. Pal. 17 (1822/1823), S.  963, 964: „[…] en contractant une société, même en nom collectif, chacun des associés peut conserver un patrimoine particulier et personnel tout-à-fait distinct et séparé de la société et du fonds social; […] dans ce cas, si la société est dissoute à cause de la faillite déclarée seulement sur le patrimoine particulier et personnel d’un des associés, les autres peuvent retirer leurs mises respectives dans le fonds social, lesquelles n’étant jamais devenues le gage des créanciers particuliers et personnels de l’associé failli“. 654  Pardessus, Dt. com. III1 (1815), Rn.  975, S.  14 ff. (betroffene Seitenzahlen jeweils in eckigen Klammern); zu Pardessus’ Anerkennung der Rechtspersönlichkeit der société en nom collectif, s. auch die zahlreichen Fundstellennachweise bei Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  365 f., Fn.  126 f. 650 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

[14] […] une société est une personne morale, qui, dans un grand nombre de circonstances, peut, par toutes sortes de contrats, ou quasi-contrats, s’engager ou engager à son égard. Ceux mêmes qui la composent ont quelquefois avec elle des [15] rapports qui les font considérer, à cet égard, comme des tiers, et acquérir les mêmes droits, ou subir les mêmes obligations que des tiers, en de sembla­ bles circonstances, sans que leur qualité d’associés opère aucune confusion. Il n’est point, en effet, contre la nature des choses qu’un associé ait des droits individuels distincts de ses droits communs, et que ces droits soient opposés les uns aux autres. Les créances qu’un associé acquiert contre la société, pendant qu’elle subsiste, ont même, dans certains cas, l’avantage particulier de porter intérêt de plein droit, parce qu’il est présumé avoir agi en qualité de mandataire.

[…] eine Gesellschaft ist eine moralische Person, welche in zahlreichen Fallgestaltungen durch Verträge oder Quasi-Verträge jeglicher Art sich – oder andere ihr gegenüber – verpflichten kann. Diejenigen, aus denen sie zusammensetzt ist, haben manchmal Beziehungen mit ihr, durch welche sie wie Dritte auftreten, die gleichen Rechte erwerben oder die gleichen Verpflichtungen wie Dritte unter ähnlichen Umständen erdulden, ohne dass ihre Eigenschaft als Gesellschafter zu jeglicher Konfusion führt. Es verstößt in der Tat nicht gegen die Natur der Dinge, dass ein Gesellschafter einzelne und von seinen gemeinschaftlichen Rechten getrennte Rechte hat und dass diese Rechte sich gegenseitig entgegenstehen. Die Forderungen, die ein Gesellschafter gegen die Gesellschaft, solange sie noch besteht, erwirbt, haben sogar, in manchen Fällen, den Vorteil, dass sie von Rechts wegen verzinst werden, weil er in der Eigenschaft eines Vertreters gehandelt zu haben gilt.

Un associé peut même acquérir les droits d’un tiers contre la société, et diriger contre elle les poursuites que ce tiers auroit pu exercer; il peut vendre à la société dont il fait partie, lui prêter, etc., comme il le pourroit à des tiers […].

Ein Gesellschafter kann sogar Rechte eines Dritten gegen die Gesellschaft erwerben und gegen diese diejenigen gerichtlichen Schritte unternehmen, die dem Dritten zugestanden hätten; er kann der Gesellschaft, der er angehört, verkaufen, ihr ein Darlehen gewähren u. s. w., wie er es einem Dritten gegenüber könnte […].

[17] Une autre conséquence de ce principe, est que le créancier ne pourroit venir faire saisir les effets et autres choses formant l’actif de la société, sous prétexte qu’une partie indivise appartient à son débiteur. Il doit attendre la liquidation, se borner aux oppositions capables de conserver ses droits, et exercer seulement ceux de ce débiteur, dans le partage des profits annuels. De même, celui qui seroit créancier d’un des associés, et débiteur de la société, ne pourroit, ni invoquer, dans son intérêt, la compensation, pour se libérer, ni être repoussé dans les poursuites qu’il exerceroit contre son débiteur, par l’exception de compensation que feroit valoir celui-ci.

Eine andere Folge dieses Grundsatzes ist, dass der Gläubiger nicht die Gegenstände und anderen Sachen, die das Vermögen der Gesellschaft bilden, unter dem Vorwand pfänden lassen kann, dass ein ungeteilter Anteil seinem Schuldner gehört. Er muss die Liquidation abwarten, sich auf Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zur Wahrung seiner Rechte beschränken und nur diejenigen ausüben, die jenem Schuldner bei der Teilung der jährlichen Gewinne zustehen. In gleicher Weise kann derjenige, der Gläubiger eines der Gesellschafter und Schuldner der Gesellschaft wäre, weder die Aufrechnung geltend machen, um sich zu befreien, noch in seinem Begehren gegen seinen Schuldner mit dem Einwand der von diesem geltend gemachten Aufrechnung zurückgewiesen werden.

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Hervorzuheben ist, dass Pardessus die Idee der Persönlichkeit der Handels- 149 gesellschaft nirgends aus positivrechtlichen Normen herleitet. Zwar weist er – jedoch kommentarlos – auf die Art.  882, 1166 und 1167 C. civ. hin,655 jedoch betrifft Art.  882 C. civ. die Rechte des Gläubigers eines Miterben bei der Auseinandersetzung der Erbmasse und die Art.  1166, 1167 C. civ. die „action oblique“, also die Befugnis des Gläubigers, zur Befriedigung seiner Forderung Ansprüche und Rechte seines Schuldners geltend zu machen bzw. auszuüben. Der mutmaßliche Wille des französischen Gesetzgebers, die Personengesellschaften des Handelsrechts gerade nicht mit einer Rechtspersönlichkeit auszustatten, hat somit jedenfalls in den Ausführungen Pardessus’ keine Spuren hinterlassen. Die Qualifizierung der Handelspersonengesellschaften (der société en nom 150 collectif und der société en commandite) als personnes morales setzt sich in französischer Literatur und Rechtsprechung schnell durch.656 Andere Autoren geben sich mehr Mühe, eine positivrechtliche Grundlage für die Idee der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft zu liefern. Frémery räumt ein, dass das Gesetz praktisch keine Hinweise liefere, welche auf die eigene Persönlichkeit der Personengesellschaften des Handelsrechts deuten; immerhin nimmt er auf Art.  529 C. civ. Bezug,657 welcher nach mutmaßlicher Absicht des Gesetzgebers allerdings nicht auf Gesellschaften, sondern auf korporatistisch organisierte Handelskompanien Anwendung finden sollte.658 Frémery zieht als Grund für die Anerkennung der Persönlichkeit von Handelsgesellschaften denn auch die Rechtsgeschichte und das Gewohnheitsrecht heran. Es habe sich die gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Gesellschaft als kollektives Wesen – als handelsrechtliche Besonderheit – zunächst in Genua und dann in italienischen Handelsstädten, mit Rücksicht auf das Allgemeinwohl, schnell durchgesetzt.659 Von da aus habe sich jene Regel unter den anderen Nationen verbreitet, welche sie durch Übernahme ohne weitere Prüfung der handelsrechtlichen Gewohnheiten Italiens anerkannt haben.660 Unter jenen anderen Nationen zählt Frémery offenbar auch Frankreich, obwohl er hierfür keine Nachweise liefert. Der Tatsache, dass zwischenteitlich die französischen Kodifikationen des Zivil- und des Handelsrechts in Kraft getreten waren und dass jene eine eigene Persönlich655 

Pardessus, Dt. com. III1 (1815), Rn.  975, S.  15. Anerkennung der société en nom collectif und der société en commandite simple jeweils als „être moral“, s. C. cass. v. 02.06.1834, Sirey 1834.1.608; C. cass. v. 08.11.1836, Sirey 1836.1.815 f.; s. auch Paillet, Droit français3 (1818), S.  817, Fn.  2 ; Bravard-Veyrières, Droit commercial 2 (1840), S.  49, 52, 56, 525, 557. 657  Frémery, Droit commercial (1833), S.  35. 658  Zu Sinn und Wortlaut von Art.  529 C. civ., s. o., Rn.  122. 659  Frémery, Droit commercial (1833), S.   30 ff., 35, mit zahlreichen Zitaten der Rota Genuensis und der genuesischen Statuten; zur genuesischen Haltung zur Verselbständigung der Handelsgesellschaft, s. o., Rn.  48. 660  Frémery, Droit commercial (1833), S.  35: „De là elle s’est répandue parmi les autres nations qui l’ont admise, parce qu’elles recevaient, toutes faites et sans autre examen, les habitudes commerciales de l’Italie“. 656  Zur

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

keit der Handelsgesellschaften gerade nicht vorsahen, entgegnet er, das einmal geltende Gewohnheitsrecht sei gleichwohl das Gesetz der Handelsleute geblieben, welches außerdem von anderen Autoren (Pardessus) und von der Rechtsprechung (ein Urteil der Cour d’appel von Paris aus dem Jahre 1831) anerkannt werde.661 Bei den Passagen bei Frémery wird deutlich, dass das Problem der positivrechtlichen Grundlage einer eigenen Persönlichkeit von Personengesellschaften des Handelsrechts gesehen und dass, anders als bei Pardessus, immerhin der Versuch unternommen wird, eine möglichst zufriedenstellende Begründung zu liefern, die sich allerdings nur am Rande auf das Gesetz und vielmehr hauptsächlich auf eine – letzlich lückenhafte – historische Tradition stützt. Auch hier drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um die nachträgliche Rechtfertigung eines gewünschten Ergebnisses handelt, nicht aber um eine ergebnisoffene Untersuchung der Rechtsquellen, welche nach Abwägung aller Gesichtspunkte zu der eigenen Persönlichkeit der Handelsgesellschaften geführt hätte. Es wird deutlich, dass sich dieser Gedanke wohl in erster Linie deswegen allgemein durchgesetzt hat, weil er ein praktisches Bedürfnis befriedigte, jedenfalls aber ein Denkmodell lieferte, das die Handhabung des französischen Gesellschaftsrechts vereinfachen konnte. Es liegt der Gedanke nahe, dass die Idee einer eigenen Persönlichkeit französischer Personengesellschaften des Handelsrechts nicht das Ergebnis einer Rechtsauslegung, sondern in Wirklichkeit der Vorschlag einer Rechtsfortbildung war. b)  Rezeption der Idee der eigenen Persönlichkeit von Handelsgesellschaften in der deutschen Literatur

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Die Lehre der Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften stieß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum auf Interesse in der Literatur (aa). Dies änderte sich freilich unter dem Eindruck von Gelpckes Schrift (bb). Exemplarisch für den schmalen Grat zwischen Rechtspersönlichkeit und Vermögensfähigkeit der Handelsgesellschaft ist der Beitrag Bluntschlis zu dem Thema (cc). aa)  Die Diskussion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

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Zahlreiche Autoren des gemeinen Rechts halten bis Mitte des 19. Jahrhunderts zumindest im Grundsatz daran fest, dass die gemeinschaftlichen Vermögensgüter einer Gesellschaft als „communio“ oder „Miteigentum“ anzusehen sind.662 Aus diesem Grund sei die richtige Klage auf Teilung der gemeinschaft661 

Frémery, Droit commercial (1833), S.  35. deutlich für Handelsgesellschaften bei Maurenbrecher, Deutsches Recht1 (1834), §  347, S.  434 f., der diese Ansicht auch in der 2. Auflage aufrecht erhält und erklärt, dass eine Handelsgesellschaft nur scheinbar zu einer juristischen Person wird, s. Maurenbrecher, Deutsches Recht II 2 (1855), §  398, S.  42 f.; s. auch Treitschke, Erwerbsgesellschaft (1825), §§  32 ff., S.  4 4 ff.; Berger, gem. R. (1826), §  325, S.  264; Kritz, Pandectenrecht II.1 662  Besonders

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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lichen Güter die der communio eigene actio communi dividundo.663 Solche Äußerungen finden sich bei Autoren zum preußischen Recht; 664 teilweise wird auch zum PrALR und zum Code civil darauf hingewiesen, dass der Unterschied zwischen Gesellschaft und einer zufälligen Gemeinschaft (allenfalls) darin liege, dass Erstere auf vertraglicher Grundlage beruhe.665 Dementsprechend wird die Frage der Rechtspersönlichkeit nicht nur bei „herkömmlichen“ Gesellschaften, sondern auch bei Handelsgesellschaften regelmäßig ausgeblendet oder abgelehnt, wobei auffällt, dass die Ablehnung oft in Schriften des gemeinen Rechts666 und in solchen der germanistischen Schule667 formuliert wird. Autoren, welche in allgemeinen zivilrechtlichen Abhandlungen den neueren Begriff der juristischen Person untersuchen, bringen ihn meist nur mit Instituten des Staates und seiner Untergliederungen sowie verschiedener öffentlich-rechtlicher und kirchlicher Korporationen und Stiftungen, ansonsten allenfalls mit staatlich privilegierten Handelskompanien in Verbindung.668 Auch bei vielen partikularrechtlichen Autoren ist die Ansicht verbreitet, dass 154 (Handels‑)Gesellschaften keine Rechtsperson bilden,669 jedoch finden sich unter ihnen eher Stimmen, die auch den Weg der personifizierten Handelsgesellschaft gehen. Insbesondere in Territorien, in denen preußisches, österreichisches und französisches Recht gilt, wird eine Subjektivierung von Gesellschaften gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend populärer. Christian Friedrich Koch legt den Handelsgesellschaften, welche „nicht nach Röm. Rechte sondern (1837), S.  29, 68; Puchta, Pandekten1 (1838), §  359, S.  396 f., und (deutlicher) Puchta, Pandekten 2 (1844), §  371, S.  506; H. C. Esmarch, Bürg. R. Schlswg. (1846), §  129, S.  483 („gemeinschaftliches Eigenthum“ mit Bezug auf das Husumer Stadtrecht); andererseits wird das gemeinschaftliche Gut auch schon als „Vermögen der Gesellschaft“ bezeichnet, Seuffert, PandektenR II1 (1825), §  350, S.  213, wobei damit augenscheinlich keine rechtstechnische Qualifizierung gemeint ist. 663 S. Seuffert, PandektenR II1 (1825), §  352, S.  217 f. 664  Temme, preussCivR (1832), §   360, S.  273; Bornemann, PrCivR IV2 (1844), §  250, S.  26; Koch, Forderungen III1 (1843), §  303, S.  622, 624. 665 S. Koch, Forderungen III1 (1843), §   302, S.  620; Zachariae, Frz. CivilR I1 (1808), §  202, S.  321, Fn.  1. 666  Anon., Themis-ZPRW 1 (1828), S.  498, 500 ff. (mit Bezügen zu kodifiziertem Recht); Thöl, HandelsR I1 (1841), §  39, S.  129 ff.; Treitschke, Gewerbegesellschaft (1844), S.  166, Fn.  5. 667  Eichhorn, PrivatR 3 (1829), §  387, S.  907 ff. (keine Erwähnung der Problematik); Mittermaier, PrivatR II4 (1843), §  501, S.  978; Beseler, System I1 (1847), §  68, S.  359 f. 668  Allen voran Savigny, System II (1840), §  86, S.  242 ff.; s. ferner Mühlenbruch, Pandekten I (1835), §§  197 ff., S.  366 ff., insbes. §  200, S.  373 f.; Roßhirt, AcP 10 (1827), S.  313; Pfeifer, Jur. Pers. (1847), S.  21 f., 162 ff. (welcher auch Aktiengesellschaften und Vereine auf Gegenseitigkeit nicht für juristische Personen hält). 669  Zum preußischen Recht: Temme, preussCivR (1832), §  362, S.  275; Koch, Forderungen III1 (1843), §  306, S.  540 f. (für nichthandelsrechtliche Gesellschaften); Bornemann, ­PrCivR IV2 (1844), §  250, Fn.  3, S.  26 f.; s. auch das Reskript des preuß. Justizministers v. 08.01.1836, Jahrb. preuß. Gesetzgbg. 67 (1836), S.  368; zum Hamburger Recht: Pöhls, Hamb. HandelsR (1828), §§  95 ff., S.  209 ff.

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nach deutschem Handelsrechte behandelt werden […], die Vorstellung von einer juristischen Person zum Grunde, welches vorzüglich wichtig im Concurse ist, wo die Masse für diese juristische Person abgesondert werden muß“; zwar sei umstritten, ob die Handelsgesellschaft nach gemeinem und nach preußischem Recht als juristische Person gelte, jedoch werde sie „in vielen rechtlichen Beziehungen, namentlich auch bei Concursen, als eine solche behandelt“.670 Zum österreichischen Recht wird von anderer Seite erklärt: „Hauptsächlich scheidet aber der Umstand die Gesellschaft von der Gemeinschaft des Eigenthums, daß die Gesellschaft eine moralische Person vorstellt, und im Verhältnisse gegen Dritte in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen genießt, und gleichen Verbindlichkeiten unterworfen ist. […] Die Gesellschaft hat ihr eigenes Vermögen – das Vermögen ihrer Mitglieder wird als ein vom Gesellschaftsvermögen abgesondertes betrachtet“; daraus folge, dass „das Gesellschaftsvermögen zunächst zur Befriedigung der Societäts-Creditoren verwendet werden muß[,] §. 1182 G. B.“, dass „der Gesellschafter Gläubiger der Societät werden kann“, dass „der Gesellschafter Schuldner der Societät werden kann“ und dass „zwischen den Forderungen der Gesellschaft und zwischen den Schulden der einzelnen Gesellschafter keine Compensation Statt findet; daß nämlich der Gläubiger eines Gesellschafters den Betrag, den dieser ihm schuldet, der Gesellschaft im Compensationswege nicht entgegensetzen kann“.671 In deutschen Schriften zum französischen Handelsrecht wird die Personifizierung der Handelsgesellschaft ebenfalls anerkannt.672 bb)  Die Diskussion unter dem Eindruck Gelpckes Plädoyer 155

Gelpcke war nicht der erste Autor, der für die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft eingetreten ist. Vor ihm hatte sich die Idee bereits bei Svarez angedeutet,673 in den 1820er Jahren hatten sich Tabor und Hassenpflug für sie ausgesprochen,674 später auch deutsche Autoren zum rheinischen Handelsrecht,675 welche zu dieser Frage aber offenbar keine wesentliche Rolle in der gesamtdeutschen Diskussion gespielt haben. Die Schrift Gelpckes scheint im Konzert der zeitgenössischen Autoren damit am einflussreichsten gewesen zu sein und wird sowohl von Anhängern als auch von Gegnern der Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften als maßgebliche Referenz gewürdigt.676 670 

Koch, Forderungen III1 (1843), §  306, S.  540. W., Handelsgesellschaften (1851), Rn.  4, S.  4. 672  Thilo, Frz. CivGB III (1841), Rn.  48, S.  40; Morstadt, HandelsR (1849), §  20, S.  61 („intellectuelle Collectivperson“). 673  S. o., Rn.  111 f. 674  S. o., Rn.  141 f. 675  S. o., Rn.  154. 676  Gelpckes Schrift wird gerade in der Entstehungsphase des ADHGB zitiert, etwa von Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  69, oder von Ladenburg, ZHR 1 (1858), S.  132, 138; Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  62, S.  4 43, Fn.  2 , schreibt dem Beitrag Gelpckes einen großen 671 

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Den Ausschlag gibt möglicherweise, dass Gelpcke die Frage der Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften quasi monografisch aufarbeitet, möglicherweise aber auch, weil er sie in den Kontext des preußischen Rechts stellt. Sein Beitrag ist von anderen Autoren durchaus freundlich aufgenommen worden, doch scheuen auch diese meist die Verantwortung, Handelsgesellschaften vorbehaltlos als juristische Personen darzustellen. Im handelsrechtlichen Lehrbuch Brinkmanns (fortgeführt von Endemann) wird eine pragmatische Vorgehensweise vorgezogen, die sich von romanistischen sowie germanistischen Vorgaben lossagt; doch wird dort die Handelsgesellschaft als „ein Ganzes“ gesehen, das „nach außen hin als solches und als Rechtssubjekt in der kollektiven Einheit der Gesellschafter und nicht getrennt von diesen“ auftritt; die „Rechts­ fähigkeit und Handlungsfähigkeit, welche mit dem Begriffe des einzelnen Menschen zusammen fallen, fallen auch zusammen mit dem Begriffe der Kollektivperson“, ferner sei das Vermögen der Gesellschaft „ein von dem Privatvermögen der Gesellschafter getrenntes, im Begriffe vereinigtes Ganzes“.677 Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Handelsgesellschaft jedenfalls keine Korporation nach römischem Vorbild sei,678 dem Begriff der juristischen Person steht das Werk (wohl deswegen) misstrauisch gegenüber.679 Der Rechtsanwalt Ferdinand Fischer wird im Jahre 1856 Gelpcke ausdrücklich zustimmen und sich auf die Entstehungsgeschichte der handelsgesellschaftlichen Vorschriften des PrALR und die Vorarbeiten von Svarez stützen,680 um zumindest die Rechtssubjektivität von Handelsgesellschaften auch ohne weitere Rechtsfortbildung als positives Recht darzustellen; den Begriff „juristische Person“ verwendet er selbst jedoch nicht, dieses erscheint allenfalls als Wortzitat.681 Auch Koch, welcher in einer Vorauflage zum preußischen Recht der Forderungen Sympathie für Hassenpflugs Konstruktion der juristischen Person als Grundlage der Handelsgesellschaften bekundet hatte,682 wird es in der Zweitauflage bei Sympathie belassen und letztendlich die Frage nicht beantworten, ob Handelsgesellschaften in seinen Augenen juristische Personen darstellen oder nicht.683 Goldschmidt hat im Jahre 1857 mit seiner Einschätzung stark untertrieben, dass insgesamt nur drei Stimmen für die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften eintreten.684 Man muss aber einräumen, dass sich deutsche Autoren Einfluss auf Preußen zu; zum Einfluss Gelpckes, s. auch Laband, ZHR 30 (1885), S.  469, 473 f., Fn.  6 ; Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  85. 677  Brinckmann/W. Endemann, HandelsR I (1860), §  36, S.  125 ff. 678  Brinckmann/W. Endemann, HandelsR I (1860), §  36, S.  129. 679  Brinckmann/W. Endemann, HandelsR I (1860), §  36, S.  129, Fn.  13. 680  Dazu o., Rn.  111 f. 681 S. F. Fischer, preuß. kaufm. R. (1856), §  493, S.  393 ff., mit Hinweis auf die Handelsgesellschaft als „Rechtssubjekt“ oder als „rechtsfähige Gesellschaft“, S.  396. 682  S. o., Rn.  143. 683 S. Koch, Forderungen I 2 (1858), §  50, S.  511 ff. 684  Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  84 f.

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mit der Anerkennung dieser Regel als unmittelbar geltendes Recht auch dann schwergetan haben, wenn sie sie rechtssystematisch und/oder -politisch für wünschenswert hielten. In der Literatur bleibt die Frage der Rechtsnatur der Personenhandelsgesellschaften vor Einführung des ADHGB umstritten. Manche Literaturstimme zieht die juristische Person als Grundlage des Handelsgesellschaftsrechts nach wie vor noch nicht einmal in Betracht685 bzw. lehnt sie ab.686 Wiederum andere weichen dem Problem aus, indem sie das Reizwort „juristische Person“ nicht gebrauchen, der Handelsgesellschaft aber über andere Formulierungen eine Art Persönlichkeit zusprechen.687 Gerne wird auch die unverfänglichere Feststellung getroffen, Handelsgesellschaften seien mit einem abgesonderten Vermögen versehen, welches von den persönlichen Gesellschaftervermögen zu trennen sei,688 was insofern der Vorgehensweise Bluntschlis nahe steht.689 Der Streit wird zunehmend akademischer Natur, denn in der Sache ist man sich ab den 1840er Jahren weitgehend einig, nämlich dass die Gesellschafter nicht über Anteile an dem Gesellschaftsvermögen verfügen können, dass den Gesellschaftergläubiger aus diesem Grund der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen verwehrt ist,690 dass eine Aufrechnung nur zwischen Gesellschaftsschulden und Gesellschaftsforderungen statthaft ist.691

685 

Seuffert, PandektenR II3 (1852), §§  348 ff., S.  244 ff. etwa Dernburg, Compensation (1854), S.  400; Thöl, HandelsR I3 (1854), §  19, S.  78, §  39, S.  178 f.; Beseler, System III1 (1855), §  221, S.  297 f.; Maurenbrecher, Deutsches Recht II 2 (1855), §  398, S.  43 (Handelsgesellschaften nur „scheinbar“ eine moralische Person); Walter, DPR (1855), Rn.  288, S.  329; Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  82 ff. (mit ausführlicher Begründung, S.  58 ff.); Goldschmidt, Kritik II (1857), S.  4 4 ff.; Gerber, System6 (1858), §  195, S.  477, Fn. *; Roesler, ZHR 4 (1861), S.  252, 255 ff. (welcher die Rechtsnatur der Handelsgesellschaft aus verschiedenen römischen Rechtsinstituten herzuleiten sucht). 687  S. etwa v. Stubenrauch, Öst. Priv.-HandelsR (1859), welcher einerseits vom „gemeinschaftlichen Eigenthum“ der Gesellschafter spricht (§  42, S.  83), aber ebenfalls feststellt: „Was das Verhältnis der Gesellschaft gegen Nichtmitglieder (gegen dritte Personen) betrifft, so genießt dieselbe im Allgemeinen gleiche Rechte mit einzelnen (physischen) Personen“ (§  47, S.  95). 688 S. Fischer/Ellinger/Blodig, Öst. HandelsR4 (1860), §  320, S.  376. 689  S. u., Rn.  157 ff. 690 S. Dernburg, Compensation (1854), S.   400; Walter, DPR (1855), Rn.  291, S.  332; Koch, Forderungen I 2 (1858), §  50, S.  511 f.; v. Stubenrauch, Öst. Priv.-HandelsR (1859), §  48, S.  96; Fischer/Ellinger/Blodig, Öst. HandelsR4 (1860), §  320, S.  376; a. A. freilich Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  64 ff. 691 S. Dernburg, Compensation (1854), S.  400, mit Verweis auf Baldus de Ubaldis; W., Handelsgesellschaften (1851), Rn.  4, S.  4 ; a. A. aber noch Thöl, HandelsR I3 (1854), S.  171: „Ein Gesellschafter ist berechtigt gegen seinen Privatgläubiger (welcher zugleich Societätsschuldner ist) zur Compensation mit der gegen diesen zustehenden Societätsforderung, aber nur pro rata seines Societätsantheils, denn weiter steht ihm diese Forderung nicht zu“. 686 S.

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cc)  Bluntschlis Idee der Vermögensverschiedenheit als Kompromisslösung? Johann Caspar Bluntschli hat in seinem 1853/54 erschienen Lehrbuch zum 157 deutschen Privatrecht die zuvor von Beseler systematisierte Genossenschaftslehre weiter entwickelt und Zusammenhänge mit der Personengesellschaft beobachtet.692 Er stellt zwei Grundarten von Gesellschaften gegenüber: die „Gelegenheitsgesellschaften“, einerseits, und die „wichtigeren Gesellschaften […] des neuern Lebens, namentlich die Handelsgesellschaften“.693 Erkennt Bluntschli für die erste Kategorie die traditionellen Grundsätze des römischen Rechts, insbesondere die Bruchteilsgemeinschaft, als eine durchaus zufriedenstellende Regelung an, seien die Gesellschaften der zweiten Kategorie hingegen von einem „andern Geiste beseelt“.694 Der präzisen Einordnung in eine vorgegebene Dogmatik weicht er aus. Zwar handele es sich bei der einfachen Handelsgesellschaft um ein „zusammengehöriges und fortdauerndes Ganzes“,695 sie habe auch „einen genossenschaftlichen Charakter und erscheint nach Innen und Aussen als eine zusammengesetzte Person“, sie sei aber „nicht wie eine Corporation noch wie eine corporationsähnliche Gesellschaft organisirt“.696 Wenn nach Bluntschli die Handelsgesellschaft immerhin als eine „Persönlichkeit“ erscheine,697 fällt der Begriff „juristische Person“ in diesem Zusammenhang nicht.698 Dagegen durchzieht der Vermögensbegriff Bluntschlis Erläuterungen wie ein 158 roter Faden: Die Beiträge gehen regelmässig in das Eigenthum der Gesellschaft über und ebenso vermehrt der Erwerb durch den Geschäftsbetrieb das Gesellschaftsvermögen, welches von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter wohl unterschieden wird.699 Das neuere Recht kennt […] eine Insolvenz der Gesellschaft, und einen Concurs über das Gesellschaftsvermögen. Da die Insolvenz der Gesellschaft auch die der Gesellschafter gewöhnlich – wenn auch nicht nothwendig – nach sich zieht, so sind dann ver­ schiedene Concursmassen zu unterscheiden: a) Das Gesellschaftsvermögen, b) die ­Privatmassen der Individuen. – Auf das erstere haben die Gesellschaftsgläubiger mit Ausschließung der Privatgläubiger Anspruch. Die letztern müssen desshalb hier zurück­ stehen, weil sie nur insofern auf den Antheil ihres Schuldners am Gesellschaftsgute ­einen Anspruch haben können, als auch er selbst, wäre er nicht insolvent, seinen Theil herausfordern dürfte. Da aber auch im solventen Zustande die Vertheilung des Gesell692 

Dazu u., Rn.  319 ff. Bluntschli, DPR II1 (1854), §  133, S.  86. 694  Bluntschli, DPR II1 (1854), §  133, S.  86. 695  Bluntschli, DPR II1 (1854), §  134, S.  87. 696  Bluntschli, DPR II1 (1854), §  135, S.  93; bereits im ersten Band seines Werks hatte er beobachtet, die Handelsgesellschaft sei der römischen societas näher als der Corporation, s. Bluntschli, DPR I1 (1853), §  39, S.  150 f. 697  Bluntschli, DPR II1 (1854), §  136, S.  95. 698 Die „Actiengesellschaft“ bezeichnet er hingegen als „Rechtssubject“, s. Bluntschli, DPR II1 (1854), §  139, S.  113. 699  Bluntschli, DPR II1 (1854), §  135, S.  91. 693 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

schaftsgutes unter die Gesellschafter die vorausgegangene Liquidation d. h. die vorherige Bezahlung der Gesellschaftsgläubiger voraussetzt und sich nur auf den activen Rest erstreckt, so können auch jetzt die Privatgläubiger eines Gesellschafters keine besseren Rechte geltend machen zum Nachtheil der Gesellschaftsgläubiger. – Zu den Privatmassen der Gesellschafter haben überdem die Gesellschaftsgläubiger neben den Privatgläubigern Zutritt, soweit dieselben nicht durch das Handelsvermögen befriedigt worden oder doch gedeckt werden.700

159

Bluntschli geht ferner auf die Rechtsposition der Gesellschaftsgläubiger ein, welche in erster Linie von der Gesellschaft die Erfüllung ihrer Ansprüche fordern müssen. Erst in zweiter Linie können sie sich an die Gesellschafter wenden, welche insoweit „als deren persönliche Garanten“ stehen.701 Außerdem stellt der Autor ausdrücklich klar, dass ein einzelner Gesellschafter „nicht seinen Antheil an dem Eigenthum der Gesellschaftssachen veräussern“ kann, sondern nur die Geschäftsführer „das ungetheilte Eigenthum derselben“ übertragen können.702 Bluntschlis Vorgehensweise war vielleicht einflussreicher, als es die vergleichsweise geringe Zahl der Zitate seines Werks vermuten lässt. In der Sache finden sich keine grundlegenden Unterschiede zwischen seinen Erläuterungen und den kurz zuvor von Gelpcke veröffentlichten Positionen. Doch anders als Gelpcke, den er übrigens nicht zitiert und möglicherweise auch nicht gelesen hat, weicht Bluntschli der Frage aus, ob die Handelsgesellschaft eine juristische Person darstellt. Dadurch bewahrt er die ihm zugeneigten Autoren davor, Position zu der brisanten Frage zu beziehen, ob eine juristische Person ohne obrigkeitliche Genehmigung gegründet werden kann. Diese pragmatische Herangehensweise ist bezeichnend für die nachfolgende und vielleicht auch bis heute geltende Entwicklung des deutschen Personengesellschaftsrechts. 3)  Die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften in der Rechtsprechung

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In der Rechtsprechung kam die deutlichste Hinwendung zur Subjektivierung der Handelsgesellschaft aus den Landesteilen des französischen Rechts auf Grundlage des Code de commerce. Bereits 1833703 gibt der Königliche Revi­ sions- und Kassationshof für die Rheinprovinzen diese Richtung vor: 705 700 

Bluntschli, DPR II1 (1854), §  136, S.  101 f. Bluntschli, DPR II1 (1854), §  136, S.  100. 702  Bluntschli, DPR II1 (1854), §  136, S.  102. 703  Möglicherweise hat auch schon das OAG Kassel fünf Jahre zuvor eine entsprechende Ansicht vertreten, wobei aber unklar ist, ob nicht etwa die Handelsgesellschaft, sondern das u. U. von einem Einzelkaufmann getragene Handelsgeschäft als das eigene Subjekt angesehen und ob die Rechtssache überhaupt auf Grundlage französischen Rechts entschieden wurde (für Letzteres spricht freilich der verwendete Urteilsstil), s. OAG Kassel v. 12.04.1824, Auszug in: Themis-ZPRW 1 (1828), S.  66 f.: „[W]enn eine Handlung unter einer gewissen Firma betrieben wird, [ist] diese selbst als das eigentliche RechtsSubjekt hinsichtlich aller Namens 701 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

123

I[n] E[rwägung], daß nach den Art.  18, 22, 43 des H. G. B. [Code de commerce], in Verbindung mit den Art.  1873, 1845, 1846, 1851, 1859, §. 1, 1860, 1862 des B. G. B. [Code civil] eine unter einer Firma eingegangene Handelsgesellschaft ein von ihren einzelnen Mitgliedern getrenntes und ganz verschiedenes Subject, von Rechten und Verbindlichkeiten bildet, und, sowie beiderlei Subjecte gegenseitig Gläubiger und Schuldner sein können, auch jedes sein eignes für sich abgeschlossenes Vermögen besitzt; daß demnach, wer einer solchen Gesellschaft Geld darleihet, hauptsächlich eben so wenig Gläubiger der einzelnen Gesellschafter, als wer diesen Geld vorschießt, Gläubiger der Gesellschaft wird; daß zwar die einzelnen Gesellschafter, außer dem Gesellschafts-Vermögen, noch solidarisch haftbar sind, dagegen aber auch deren Gläubiger ihre Forderung auf jenes Vermögen insoweit geltend machen können, als dessen, nach gänzlicher Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, noch vorhanden ist, indem sie alsdann auch nur die Rechte ihrer persönlichen Schuldner auf dieses übrig bleibende Vermögen in Wirksamkeit treten lassen; – daß die von dem Cassationskläger, als verletzt, resp[ective] falsch angewendet, angeführten Artikel des H. G. B. und des B. G. B. sich auf die Verbindlichkeiten und das Vermögen des Schuldners beziehen, sohin mit jener Ansicht im Einklange stehen. Daß aber der Cassationskläger vor Eingehung der fallierten Handelsgesellschaft dem Bernhard Cahen und dessen Sohn Ludwig Cahen 25000 Thaler verzinslich dargeliehen hat, folglich von dem rhein[ischen] Appellationsgerichtshofe mit Recht als Nichtgläubiger jener Gesellschaft von der Concurrenz mit deren Gläubigern ausgeschlossen betrachtet werden. […] 704

Dieses Urteil stützt sich weitgehend auf den Schriftsatz des Justizrats Kunow­ sky, der nicht nur die im Urteil zitierte Vorschriftenkette vorgibt, welche die Gesellschaft in sprachlicher Sicht personifiziert,705 sondern auch die französische Rechtsprechung als Stütze für die Anerkennung der Subjektivität der Gesellschaft vorträgt. Genannt werden das Urteil des Pariser Parlamentshofs von 1677706 sowie (nachrevolutionäre) Entscheidungen der Cour de cassation, darunter das Urteil vom 13. März 1823.707 Es ist außerdem zu vermuten, dass Kunowsky und die Richter die Position der französischen handelsrechtlichen Literatur zur Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft kannten. Dieselbe subjektfreundliche Linie verfolgt auch der Rheinische Appellations- 161 gerichtshof in Köln. In einem Urteil aus dem Jahre 1848 ging es um die Klage eines Privatgläubigers gegen einen Gesellschafter auf Zahlung geschuldeter der Handlung eingegangenen Rechtsgeschäfte anzusehen […], [so dass] alle aus dergleichen Geschäften entstandenen Rechte und Verbindlichkeiten auf den Uebernehmer einer solchen Handlung übergehen“. 704  Rh. RevKassHof v. 05.01.1833, Rhein. Arch. 22, 2 (1835), S.  24, 28 f. 705  Rhein. Arch. 22, 2 (1835), S.  24, 26. 706  S. o., Rn.  58. 707  C. cass. Req. v. 13.03.1823, Journ. Pal. 17 (1822/1823), S.  963 (s. auch o., Rn.  147); Kunowsky erwähnt außerdem das Urteil der Cour de cassation vom 18.10.1814, welches aber in Wirklichkeit nicht die Frage einer separaten Haftungsmasse der Handelsgesellschaft betrifft, sondern vielmehr separate Haftungsmassen für die in verschiedenen Niederlassungen eines Handelsgeschäfts belegenen Güter ablehnt, s. Cass. civ. v. 18.10.1814, Sirey 1815.1.78, 81.

124

1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Summen. Diese Klage war gegen den Gesellschafter persönlich gerichtet, aber auch gegen den Verwalter („Syndik“) der insolventen Handelsgesellschaft, an welcher der betreffende Schuldner beteiligt war. Das Gericht sah aber nur die Klage gegen den Schuldner persönlich begründet, nicht aber gegen den Syndik, da die von diesem vertretene „Societät selbst als eine von den Individuen ihrer Theilhaber durchaus getrennte, moralische Person“ anzusehen sei, dass insofern „Personen-Verschiedenheit“ vorliege, mit der Folge, dass die „Rechtsverhältnisse […] der Theilhaber jener Handlung […] dem appellatischen Syndik durchaus fremd, und die aus solchen Rechtsverhältnissen entspringenden Klagen nicht gegen ihn, sondern gegen die Person, die sie betreffen, zu richten sind“.708 Im Jahre 1862 entscheidet dasselbe Gericht über die Folgen einer Nichtbeachtung von Form und Publizität von Handelsgesellschaften und erklärt in diesem Zusammenhang, dass die nach dem Code de commerce aufgestellten Bedingungen „für die Begründung der rechtlichen Existenz und Persönlichkeit einer solchen Gesellschaft“ grundsätzlich erfüllt werden müssen.709 Eine entsprechende Haltung vertritt auch der großherzoglich Badische Verwaltungsgerichtshof in der transaktionssteuerrechtlich relevanten Frage („Liegenschaftsaccise“), ob im Ausscheiden eines Gesellschafters ohne Eintritt eines neuen Gesellschafters eine Übertragung von der Gesellschaft gehörendem Grundstückseigentum zu sehen ist. Der Gerichtshof verneint diese Frage – sowohl für das „alte“ badische Handelsrecht auf Grundlage des Code de commerce als auch für das neue Handelsrecht des ADHGB – mit dem Hinweis, „daß als Inhaberin des Gesellschaftsvermögens, als auch als Eigenthümerin der darunter befindlichen Liegenschaften die Gesellschaft als solche, d. h. als selbstständiges, von der Person der einzelnen Gesellschafter getrennt gedachtes Rechtssubjekt zu betrachten“ sei.710 Diese Ansicht ist bemerkenswert, da ein badisches Konstitutionsedikt aus dem Jahre 1807 vorsah, dass die Rechtspersönlichkeit einer Gesellschaft von der landesherrlichen Genehmigung abhängig war, dies galt allerdings nur soweit eine solche Gesellschaft einen „Staatszweck“ verfolgte.711 708 

AGH Rhein. v. 02.12.1848, Rhein. Arch. 44, 1 (1849), S.  39, 40. AGH Rhein. v. 16.12.1862, Rhein. Arch. 57, 1 (1862), S.  83, 86. 710  Bad. VGH v. 02.05.1866, Bad. Ann. 32 (1866), S.  114, 115. 711 S. §   9 des Zweiten Constitutionsedicts, die Verfassung der Gemeinheiten, Körperschaften und StaatsAnstalten betreffend, GhBad. RegBl. 1807, Nr.  26, S.  125, 129 f.: „Wenn mehrere Staatsbürger unter einer leitenden Gesellschaftsgewalt sich verbinden, um damit die Erreichung eines Lebenszwecks und den Genus der davon abquellenden Vortheile zu sichern, und wenn dabey für steten Nachwuchs neuer Glieder statt der Abgehenden gesorgt wird; so entsteht damit eine ewige Gesellschaft; ist nun der Zweck einer solchen Gesellschaft zugleich ein Theil des Staatszwecks, und in dieser Hinsicht einer besonderen StaatsEinwürkung empfänglich und bedürftig; ist also diese Gesellschaft eine ewige Gesellschaft: so bedarf sie eben wegen dieser ihrer engen Verbindung mit dem Staatszweck einer eigenen landesherrlichen Bestätigung und selbstbestimmten Beywürkung: ohne diese ist sie ein strafbares Unternehmen. Durch diese erst erlangt sie das Recht der Untheilbarkeit (nemlich, daß einzelne Glieder 709 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

125

In der Rechtsprechung der Gerichte außerhalb der Gebiete des französischen 162 Rechts hat die Idee der Subjektivierung der Handelsgesellschaften weniger Anklang gefunden. Immerhin scheint die Parteifähigkeit nach preußischem Prozessrecht in einem Urteil des OLG Ratibor zumindest faktisch anerkannt worden zu sein: 712 Die klagende Handlung ist als solche legitimirt, ohne daß erhellt, wer die Personen sind, welche die Handlung vertreten. Denn nach §. 38, Tit. 2 der Pr.-O kann eine Handlungsgesellschaft unter ihrer Firma belangt werden, folglich muß sie, damit keine Ungleichheit des Rechts entstehe, auch unter dieser Firma klagen können. Ganz dasselbe muß für einen Kaufmann gelten, dessen Firma sogar vielleicht anders lautet als sein Name, da diese ihn eben repräsentirt. Es wäre auch gar nicht einzusehen, warum das A. L.-R. die Handlungsfirmen mit so großer Sorgfalt spezialisirt: §. 617–622, Tit. 8, II, wenn die Kaufleute sich derselben nicht auch in Prozessen sollten bedienen dürfen. Die Geschäfte werden unter der Firma abgeschlossen. Sollte in der Klage nicht diese, sondern sollten die Personen, die Inhaber der Handlung genannt werden, so würde der Gegner immer einen, Weitläufigkeiten verursachenden Einwand haben, daß diese Personen mit der Firma nicht identisch wären. Diese Exzeption hat durch die Firma gerade beseitigt werden sollen.

Dieses Urteil spinnt den Gedankengang weiter, der in AGO I, 2, 89, dort freilich nur inzident in einem Nebensatz, angelegt war.713 Es sei die Handelsgesellschaft als solche nicht nur passiv, sondern auch aktiv parteifähig. Interessant ist hier die Brücke, die das Gericht von der faktischen Verselbständigung der Handelsgesellschaft im geschäftlichen Alltag zu einer rechtlich anerkannten Sonderstellung der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern baut: Aus der Tatsache, dass die Gesellschafter vertragliche Vereinbarungen regelmäßig unter Nennung der Firma ihrer Gesellschaft eingehen, leitet das Gericht ab, dass die Gesellschaft als solche unter ihrer Firma auch in Rechtsstreitigkeiten beteiligt sein könne. Die theoretische Grundlage über die Natur der Gesellschaft als eigene rechtliche Einheit bleibt freilich vage. Die das Wesen der Handelsgesellschaft als eigene Einheit bestimmende theoretische Grundlage wird von den Richtern nicht erschlossen. Diese belassen es bei ihrem ergebnisorientierten pragmatischen Ansatz, die Gesellschaft könne als solche unter ihrer Firma klagen und beklagt werden. Die Entscheidung aus Ratibor tendiert zwar in Rich-

auf die Aufhebung der Vereinigung und die Theilung des Gemein-Vermögens nicht dringen können) und der Sicherheit gegen geänderte künftige Ansichten der einzelnen Glieder, sodann das Recht der Persönlichkeit, nemlich die Befähigung der Gesellschaft im Ganzen zu allen Rechten und Vortheilen, welche ein einzelner Mensch als StaatsBürger zu geniesen hat und den Staatsschutz mit allen seinen Rechtswirkungen. […] Jede auf eine oder die andere Art bestätigte ewige Staatsgesellschaft ist eine Körperschaft […]“ (Hervorhebungen im Original). 712 OLG Ratibor v. 10.11.1840, Schles. Arch. 5 (1843), Nr.   36 (I), S.  426; dazu auch Koch, ADHGB1 (1863), Art.  111, S.  194, Fn.  40. 713  S. o., Rn.  118 f.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

tung einer Subjektivierung der Handelsgesellschaft, spricht aber den Begriff der juristischen oder auch nur der moralischen Person nicht aus. Andere Entscheidungen beziehen wiederum deutlich Position gegen eine Subjektivierung der Handelsgesellschaft. So sieht etwa das Stuttgarter Obertribunal im Konkursfall den betreffenden Gesellschafter als „das Subject des Concurses“ und nicht die Gesellschaft, „da sie ja keine juristische Person bildet, und kein Vermögen besitzt“.714 Das OAG zu Lübeck, das in einem Fall über eine Hamburger Rechtssache urteilt, spricht der unter ihrer Firma handelnden Handelsgesellschaft jeglichen Charakter eines „Rechtssubjects“ ab, ganz gleich, ob „man dasselbe unter dem Begriff einer juristischen Person subsumiren, oder einen anderen Ausdruck dafür wählen“ möge.715 4)  Die Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften in Entwürfen und Gesetzen

164

War die Idee der Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften in den Gesetzgebungsverfahren in früheren Entwürfen nicht aufgegriffen worden (a), änderte sich dies mit der Übernahme jener Idee innerhalb der preußischen Konkursordnung von 1855 (b). a)  Frühere Entwürfe aa)  Der Entwurf eines württembergischen HGB (1839)

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Der Entwurf eines HGB für das Königreich Württemberg aus dem Jahre 1839716 bezeichnet die Handelsgesellschaft nicht als moralische oder juristische Person, sondern sieht vielmehr vor, dass die Beiträge der Gesellschafter – soweit sie nicht im Eigentum des jeweiligen Gesellschafters verbleiben – „ge­ meinschaftliches Eigenthum der Gesellschaftsmitglieder“ werden (Art.   192 württHGBE). Etwas ambivalenter erscheinen zu dieser Frage auf den ersten Blick vielleicht die Motive des Entwurfs: „Die offene Gesellschaft ist nicht eine moralische Person im vollen rechtlichen Sinne des Wortes, wenn ihr auch mehrere Eigenschaften einer solchen zukommen“.717 Jedoch erschöpft sich jene „Rechtspersönlichkeit“ offenbar darin, dass Gesellschaftsgläubiger ein gerichtliches Urteil gegen die Gesellschaft erwirken und das Gesellschaftsvermögen in Anspruch nehmen müssen, bevor sie sich an die einzelnen Gesellschafter wenden.718 714 

715 

Ob.-Trib. Stuttgart. v. 03.03.1848, Seuff. Arch. 5 (1852), Nr.  91, S.  105. OAG Lübeck v. 19.01.1862 (Schröder gegen Hünicken), Hamb. GerZ 2 (1862), Nr.  7,

S.  48. 716 Zu Entstehungsgeschichte des Entwurfs und der Rolle Hofackers, s. Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2864 ff. 717  Schubert, Entwurf HGB Württ. II (1840), S.  171 f. 718  Schubert, Entwurf HGB Württ. II (1840), S.  194.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

127

bb)  Der Frankfurter Entwurf eines Handelsgesetzbuchs (1849) Nach dem anfänglichen Erfolg der bürgerlichen Revolution von 1848 war die 166 Schaffung eines einheitlichen Privatrechts eines der erklärten Ziele der Frank­ furter Nationalversammlung.719 Die zum Zweck der Schaffung eines deutschen Handelsgesetzbuchs eingerichtete Kommission erklärte in einer Denkschrift, das Handelsrecht sei „von denjenigen rein positiven Vorschriften des gewöhnlichen Civilrechts zu befreien, welche auf Gründen beruhen, die dem Handel fremd, und welche in Handelssachen nur deshalb angewendet worden sind, weil es nicht gelungen war, die Nothwendigkeit einer Ausnahme von der Regel oder vielmehr die Nichtanwendbarkeit der Regel auf die Verhältnisse des Handels bei den Rechtsgelehrten zur Anerkennung zu bringen“.720 Die Ausgestaltung der Collectiv-Gesellschaft des Entwurfs zur juristischen Person hätte gut dazu gepasst, sie wird gleichwohl nicht realisiert.721 Obwohl der französische Code de commerce ausdrücklich als gelungenes Beispiel zum Vorbild genommen wird,722 nehmen auch die Motive zur Anerkennung als Rechtssubjekt durch die französische Rechtsprechung und Lehre keine Stellung.723 In den Gesetzesvorschriften kommt es zwar stellenweise zu einer terminologischen Personifizierung der Gesellschaft,724 doch hat diese augenscheinlich nur eine sprachliche Vereinfachung zum Zweck. Nun waren drei der vier Kommissionsmitglieder in Regionen tätig, in denen das französische Recht anwendbar war.725 Eine Stellungnahme zur Rechtspersönlichkeit oder sogar die Aufnahme derselben als Grundlage des Handelsgesellschaftsrechts hätte daher nicht verwundert. Vielleicht trägt die schließlich beschlossene Regelung die Prägung des vierten Kommissionsmitglieds, des Rostocker Professors Heinrich Thöl,726 der in seinen Werken die Rechtssubjektivität der Handelsgesellschaft ablehnt.727 Die Möglichkeit einer unkontrollierten Gründung von juristischen Personen wird in den Motiven jedenfalls mit Misstrauen betrachtet.728 Die schon aus der Hamburger Fallitenordnung von 1753729 bekannten und 167 zuletzt in den württembergischen HGB-Entwurf von 1839730 aufgenommenen Separationsregeln finden hingegen Eingang in den Frankfurter Entwurf: Einer persönlichen Inanspruchnahme des Gesellschafters durch die Gläubiger der 719 Dazu

Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2928 f. Denkschrift abgedruckt in: Frankfurter Entwurf (1849), S. V. 721  AHGB-E III, Art.  4 ff. 722  S. Denkschrift, in: Frankfurter Entwurf (1849), S. VIII f. 723  S. Motive, in: Frankfurter Entwurf, S.  89 ff. 724  Etwa AHGB-E III, Art.  17 f.: „Eigenthum der Gesellschaft“. 725 S. Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2930 f. 726  S. Frankfurter Entwurf (1849), S. III. 727  S. etwa Thöl, HandelsR I 3 (1854), §  39, S.  178 f., Fn.  19. 728  S. die Passagen zur Aktiengesellschaft, Frankfurter Entwurf (1849), S.  131 ff. 729  S. o., Rn.  105 f. 730  S. o., Rn.  165. 720 

128

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Gesellschaft muss die Inanspruchnahme der Gesellschaft selbst vorausgehen; 731 die Privatgläubiger eines Gesellschafters haben keinen unmittelbaren Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen, sondern nur auf den Gewinn- und den Liquidationsanteil des betroffenen Gesellschafters nach Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger.732 Bzgl. der letzteren Vorschrift erklären die Motive, dass „das Gesellschaftsvermögen ein von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter getrenntes Ganzes so lange darstelle, bis die Zuweisung bestimmter Vermögensstücke an die einzelnen Gesellschafter Statt gefunden habe“.733 Zwar widerstrebe diese Regelung der Natur des Miteigentums, sie sei aber deshalb richtig, weil der Gesellschafter selbst auch keine Vermögenswerte aus dem Gesellschaftsfonds ziehen dürfe und dessen Privatgläubiger auch nicht mehr Rechte gegenüber der Gesellschaft haben könne als er selbst.734 Der Frankfurter Entwurf ist als solcher nie in Kraft getreten. Er wird aber für die ein gutes Jahrzehnt später erfolgende Kodifizierung des deutschen Handelsrechts eine gewisse Rolle spielen.735 b)  Die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft in der preußischen Konkursordnung von 1855

169

Zu einer Verselbständigung der Gesellschaft kommt es in der preußischen Konkursordnung von 1855. Deutlich wird dies in folgenden Bestimmungen: 736 §  35. Die Gläubiger einer unter gemeinschaftlicher Firma bestehenden Handelsgesellschaft sind berechtigt, aus dem gemeinschaftlichen Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen) ihre abgesonderte Befriedigung zu suchen. §  288. (1) An dem Konkurse über das Gesellschaftsvermögen sind nur die Gläubiger der Gesellschaft Theil zu nehmen berechtigt. (2) Dieselben können wegen des Ausfalls in diesem Konkurse gleichzeitig in den Konkursen über das Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter als Gläubiger auftreten. […]

Die Vorschrift des §  35 prKonkO erkennt den Grundsatz der Separation zugun­ sten der Gesellschaftsgläubiger an, wie er bereits in Art.  64 Abs.  4 Hbg­FallO 1753 zum Ausdruck kam. Gleichzeitig folgt aus §  288 Abs.  2 prKonkO, dass die Gesellschaftsgläubiger ihre Ansprüche in den Konkursverfahren der Gesellschafter persönlich nur soweit anmelden können, als das Gesellschaftsvermö-

731 

AHGB-E III, Art.  41. AHGB-E III, Art.  43. 733  Motive, in: Frankfurter Entwurf (1849), S.  114 f. 734  Motive, in: Frankfurter Entwurf (1849), S.  115. 735 S. Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2939. 736 §   35 PrKonkO abgedruckt in: Preuß. KonkO (1855), S.  126; §  288 PrKonkO abgedruckt in: Preuß. KonkO (1855), S.  383. 732 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

129

gen zu ihrer Befriedigung nicht ausreicht.737 Die preußische Konkursordnung übernimmt damit Regelungen, die in den deutschen Kodifikationen als etabliert gelten können. Sie geht allerdings auch noch einen bedeutenden Schritt weiter: Es wird nun ausdrücklich festgeschrieben, dass das Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Konkursverfahrens werden kann. Für das preußische Recht ist diese Regelung neu.738 Eine solche Auslegung wäre zwar auch bei Art.  213 Abs.  2 WüHGB-E möglich gewesen, diese Vorschrift ist aber nie in Kraft getreten und konnte so die nachfolgende Rechtspraxis nicht entscheidend prägen. Aus den Materialien geht hervor, dass den Redaktoren der Spagat zwischen 170 den beschlossenen Vorschriften und einer Ablehnung der juristischen Persönlichkeit der Handelsgesellschaft schwerfiel. Einerseits erklären sie sich dessen bewusst, dass das PrALR die Handelsgesellschaft nicht als juristische Person ansieht und dass es der Konkursordnung als Spezialgesetz nicht zusteht, diese Frage grundsätzlich zu entscheiden.739 Allein für die Zwecke der Konkursordnung soll aber die Handelsgesellschaft dennoch als juristische Person angesehen werden.740 Die Redaktoren erkennen also einerseits an, dass die Handelsgesellschaft keine juristische Person ist, andererseits soll der funktionierenden Praxis halber aber im Konkursverfahren so getan werden, als seien Handelsgesellschaften genau das. Den Redaktoren ist diese Ambivalenz bewusst und so beschränken sie Wirkungen dieser fiktiven konkursrechtlichen Rechtspersönlichkeit ausdrücklich auf drei Punkte: das Vorzugsrecht der Gesellschaftsgläubiger auf die Vermögenswerte der Gesellschaft, die Konkursfähigkeit der Handelsgesellschaft und der fehlende Zugriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen.741 Andere Rechtswirkungen, etwa auf die Entstehung einer Gesellschaftsschuld oder den Inhalt des Gesellschaftsvermögens, sollen dieser konkursrechtlichen Rechtspersönlichkeit nicht zukommen. Es wird allerdings der Wunsch geäußert, „daß das Rechtsinstitut: Handelsgesellschaft überhaupt zum Gegenstande eines den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechenden Gesetzes gemacht worden wäre“.742 Die preußische Konkursordnung von 1855 läutet eine resolut subjektfreund- 171 liche Haltung Preußens ein, die sich im preußischen HGB-Entwurf743 , bei der Gestaltung744 und der Ratifikation745 des ADHGB fortsetzen wird. Die preußische konkursrechtliche Literatur rezipiert sie ebenfalls.746 Diese Position des 737 

So die Materialien, Preuß. KonkO (1855), S.  385. Goltdammer, Preuß. KonkO2 (1855), §  35, S. 134. 739  S. Preuß. KonkO (1855), S.  127. 740  S. Preuß. KonkO (1855), S.  127, 383. 741  S. Preuß. KonkO (1855), S.  127 f. 742  S. Preuß. KonkO (1855), S.  128. 743  S. u., Rn.  173 ff. 744  S. u., Rn.  181 f. 745  S. u., Rn.  188 ff. 746  Goltdammer, Preuß. KonkO2 (1855), §  286, S 444. 738 

130

1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

preußischen Staates erscheint auf den ersten Blick erstaunlich, wenn man berücksichtigt, dass sie auf einen Machtverzicht der Obrigkeit vor der freien Gründung juristischer Personen in Form von Handelsgesellschaften hinausläuft. Die Gründe dieser Haltung können hier nicht erörtert werden. Dafür, dass das französische Vorbild eine entscheidende Rolle gespielt hätte, gibt es keine Anzeichen. So wird man die preußische Subjektfreundlichkeit zu einem großen Teil als Verdienst des preußischen Obertribunalsrat Gelpckes ansehen können, dessen Schrift zugunsten der Rechtspersönlichkeit nur wenige Jahre zuvor erschienen war.747

II.  Die verselbständigte OHG im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch 172

Die Diskussion um die rechtliche Verselbständigung bis hin zur Rechtspersönlichkeit der OHG erreichte im Zusammenhang mit der Erstellung und Einführung des ADHGB einen neuen Höhepunkt. Die besonders subjektfreundlichen Bestimmungen des preußischen HGB-Entwurfs (1), der als Vorlage für die Redaktion des ADHGB diente, wurden als solche nicht übernommen (2). Nach Einführung des ADHGB wurden subjektfreundliche Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung hiervon zwar gebremst, nicht aber gestoppt (3). 1)  Die OHG als juristische Person im preußischen Entwurf von 1857

173

Die Idee eines einheitlichen preußischen Handelsgesetzbuchs war bereits nach Einverleibung der Rheinprovinz nach den Napoleonischen Kriegen und der Weitergeltung der französischen Gesetzgebung in jenen Territorien zur Sprache gekommen.748 Zu der Ausarbeitung eines entsprechenden Entwurfs kam es jedoch erst, nachdem erste Schritte in Richtung einer deutschlandweiten Vereinheitlichung des Handelsrechts unternommen wurden und es im Interesse Preußens lag, diese Entwicklung mit einem eigenen Gesetzbuch oder zumindest einem Entwurf mit zu gestalten.749 Ein solcher wurde im Jahre 1857 vollendet. Im Bereich des Gesellschaftsrechts wird er für das vier Jahre später verabschiedete ADHGB von bestimmendem Einfluss sein. Bedeutsam sind folgende Vorschriften: Aus dem Titel „Von den Handelsgesellschaften im Allgemeinen“: Art.  87. Jede Handelsgesellschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermögen; sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden; sie kann auf ihren Namen Grundstücke und Forderungen erwerben. Art.  88. (1) Das Vermögen einer Handelsgesellschaft haftet den Gläubigern vorzugsweise. 747 

S. o., Rn.  144 ff. Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2880 ff. 749  Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2886 f. 748 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

131

(2) Die Privatgläubiger eines Gesellschafters haben nur auf dasjenige Anspruch, was demselben bei der Vertheilung des Gewinnes und der Auseinandersetzung zufällt. Aus dem Titel „Von der offenen Handelsgesellschaft“: Art.  117. Während des Bestehens einer Gesellschaft ist die Klage gegen einen Gesellschafter auf Erfüllung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft nur zulässig, wenn der Anspruch an die Gesellschaft bereits früher gerichtlich festgestellt war. Art.  127. Das Recht eines ausgeschiedenen oder ausgeschlossenen Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen bezieht sich auf den ihm zukommenden Antheil am Gesellschaftsvermögen; es bezieht sich nicht auf einen verhältnißmäßigen Antheil an den einzelnen Forderungen, Waaren oder anderen Vermögensstücken der Gesellschaft. Aus dem Buch „Von dem kaufmännischen Konkurse“: Art.  753. Was Jemand einer Handelsgesellschaft schuldet oder von ihr zu fordern hat, kann mit Demjenigen, was derselbe nur von einzelnen Gesellschaftern zu fordern hat oder ihnen schuldet, in Ansehung des Gesellschaftsvermögens nicht kompensirt werden. Art.  936. (1) An dem Konkurse über das Gesellschaftsvermögen sind nur die Gläubiger der Gesellschaft Theil zu nehmen berechtigt. (2) Dieselben können gleichzeitig in den Konkursen über das Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter als Gläubiger für den ganzen Betrag ihrer Forderungen auftreten […].

Die Bestimmung des Art.  87 PrHGB-E erscheint als der erste Kodifikationsver- 174 such, der die Rechts- und Parteifähigkeit der Handelsgesellschaft festschreibt. Insofern stellt er sich als konsequente Fortführung der bereits den Vorschriften der preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung von 1793/95750 und in der preußischen Konkursordnung von 1855751 zugrunde liegenden Grundsätze dar. Doch anders als in diesen Bestimmungen lässt sich die Partei- und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht mehr nur im Rückschluss zum eigentlichen Normzweck der jeweiligen Vorschrift herleiten. Bei Art.  87 PrHGB-E wird vielmehr die Absicht der Entwurfsredaktoren deutlich, die Partei- und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft als bestimmendes Grundprinzip des Handelsgesellschaftsrechts zu etablieren. Damit hat der Abnabelungsprozess der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern einen Höhepunkt erreicht. Die Regelungen aus den Vorschriften der Art.  88, 117, 753 und 936 PrHGB-E folgen zum Großteil dem in 87 festgeschriebenen Grundsatz und haben insofern nur klarstellende Art.   Funktion. Ein ausdrücklicher Ausspruch über die Rechtspersönlichkeit fehlt, doch wird diese in den Motiven als Grundlage der preußischen Regelung identifiziert: 752 Der rechtlichen Natur der Handelsgesellschaft entspricht in der That die Annahme einer juristischen Persönlichkeit derselben. Indessen kann füglich überhaupt davon Abstand genommen werden, die Handelsgesellschaft unter einen hergebrachten civilrecht750 

S. o., Rn.  118 ff. S. o., Rn.  169 ff. 752  Entwurf HGB Preuß. II (1857), S.  47. 751 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

lichen Rechtsbegriff unterzuordnen; der richtige Gesichtspunkt ist gewahrt, wenn die durch das Leben herausgebildete Anschauung, daß die Handelsgesellschaft selbstständig ihre Rechte und Pflichten, sowie ihr besonderes, von den Privatvermögen der Gesellschafter völlig getrenntes Vermögen hat, als Rechtssatz anerkannt wird.

175

Ausgehend von der französischen Praxis, die die Motive an dieser Stelle zitieren, erkennen die Redaktoren somit die Figur der juristischen Person als Grundlage der Handelsgesellschaft an.753 Damit folgen sie dem Wunsch des preußischen Gesetzgebers der Konkursordnung,754 die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft einzuführen. Der Begriff selbst wird alleine deswegen nicht im Gesetzestext verwendet, weil sich der Gesetzgeber nicht in der Rolle sieht, sich an Diskussionen über juristische Theorien zu beteiligen, sondern sich auf die konkrete rechtliche Ausgestaltung der von ihm ins Leben gerufenen Institutionen zu konzentrieren. Eine gewisse Sympathie scheinen die Redaktoren mit der pragmatischen, von romanistischen und germanistischen Ideologien losgelösten Vorgehensweise Brinckmanns zu haben, dessen Lehrbuch zum Handelsrecht sie als einzigen Vertreter des Schrifttums zitieren.755 Indem sich die Redaktoren im Hintergrund offen für die juristische Person als Grundlage der Handelsgesellschaft entscheiden, wenden sie sich jedenfalls ausdrücklich von der römisch-rechtlichen Grundlage der „Sozietät“ ab.756 Die im Entwurf anerkannte Rechtspersönlichkeit sei das Ergebnis einer gelebten Entwicklung: „[D]as Bedürfnis des Verkehrs [hat] einen so bestimmenden Einfluß ausgeübt, dass die Aehnlichkeiten mit der gewöhnlichen civilrechtlichen Gesellschaft nach und nach verwischt worden sind“ und wenn manche „Gesetzbücher dem ungeachtet die Handelsgesellschaften oft noch als bloße Unterarten der römischen Sozietät behandeln, so treten sie hierdurch in Widerspruch mit dem Leben und der Ansicht des Handelsstandes“.757 Für die weitere Gesetzesentwicklung von Bedeutung ist schließlich die Vorschrift des Art.  127 PrHGB-E. Auch diese wird in den Motiven als Konsequenz von Art.  87 gesehen: 758 Da dem Ausscheidenden „ein antheiliges Recht auf die einzelnen Sachen und Aktiva des Gesellschaftsvermögens nicht zusteht“, müsse 753 Zurückhaltender Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  87, welcher sinngemäß aus der Passage schließt, dass die Motive die Theorie der juristischen Person lediglich nicht ausgeschlossen haben; in der zeitgenössischen Literatur zweifelt aber selbst der entschiedene Gegner der juristischen Person Levin Goldschmidt nicht daran, dass der preußische Entwurf die juristische Person zur Grundlage genommen hat, s. Goldschmidt, Kritik I (1857), S.  59: „Der Entwurf bedient sich zwar des Ausdrucks juristische Person nicht, allein es unterliegt, weder nach dem Wortlaut und dem Inhalt des §. 87, noch nach den gezogenen Consequenzen irgend welchem Zweifel, daß die technisch sogenannte Handelsgesellschaft als solche gelten soll“; s. auch Brix, ADHGB (1864), Art.  85, Anm.  2 , S.  92. 754  S. o., Rn.  170. 755  Entwurf HGB Preuß. II (1857), S.  47. 756  Entwurf HGB Preuß. II (1857), S.  46 f. 757  Entwurf HGB Preuß. II (1857), S.  47. 758  Entwurf HGB Preuß. II (1857), S.  70.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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er erdulden, „in baarem Gelde befriedigt zu werden“.759 Eine „Anwachsungs738 BGB beabsichtigt war, stellte Art.   127 regelung“ wie sie später in §   PrHGB-E damit nicht dar, da sich letztere Vorschrift auf eine Handelsgesellschaft mit Rechtspersönlichkeit bezog und nicht auf einen – wie auch immer verstandenen – Gesamthandverband. Im Ergebnis laufen beide Vorschriften freilich gleich: In beiden Fällen steht dem ausscheidenden Gesellschafter kein Anteil an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft zu, sondern nur eine Entschädigung in Geld. 2)  Die OHG in den Beratungen zum ADHGB a)  Die Ablehnung der eigenen Rechts- und Parteifähigkeit der OHG Den Startpunkt für ein einheitliches deutsches Handelsrecht setzte der Bundes- 176 tag, der am 18. Dezember 1856 die Einsetzung einer Redaktionskommission beschloss, welche ab Januar 1857 in Nürnberg tagen sollte. Als Grundlage wurde von der Kommission der Entwurf eines preußischen HGB herangezogen.760 Damit war im Entstehungsprozess des ADHGB eine Ausgangsposition gegeben, die der juristischen Persönlichkeit als Grundlage des Handelsgesellschaftsrechts freundlich gesinnt war. Freilich war diese Position in der Redaktionskommission des ADHGB bereits ab der ersten Lesung äußerst umstritten. In der 19. Sitzung vom 18. Februar 1857 bildeten sich unter den anwesenden Teilnehmern drei Strömungen heraus. Ein Teil der Mitglieder wandte sich gegen die juristische Person als Grundlage des Handelsgesellschaftsrechts und beantragte, Art.  87 PrHGB-E nur in abgeschwächter Form („Jede Handelsgesellschaft kann vor Gericht klagen und verklagt werden; sie kann auf ihren Namen Grundstücke und Forderungen erwerben“) zu übernehmen.761 Ein anderer Teil sprach sich hingegen ausdrücklich für die juristische Persönlichkeit der Handelsgesellschaften aus und beantragte nur eine sprachliche Bereinigung der Vorschrift.762 Die dritte Auffassung ging schließlich dahin, dass es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sei, sondern der „Jurisprudenz“ überlassen werden müsse, den theoretischen Streit zu entscheiden. Aus diesem Grund sollten nur die konkreten Regelungen in die Vorschriften aufgenommen werden, „welche für das Wesen der Handelsgesellschaften nicht entbehrt werden könnten“.763 Unabhängig davon, was in das Gesetz ausdrücklich formuliert gehöre und was nicht, hält aber auch diese Meinung die Feststellung am treffendsten, die von

759 

Entwurf HGB Preuß. II (1857), S.  70. Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2952. 761  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  154. 762  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  154. 763  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  154 f. 760 

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der Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaften ausgeht, „mit der Zugabe der solidarischen und persönlichen Haftung ihrer Mitglieder“.764 Hervorzuheben ist die Begründung der Gegner der juristischen Person: 765 Diese können sich eine Handelsgesellschaft mit Rechtspersönlichkeit deshalb nicht vorstellen, weil die juristische Person für sie ein abstraktes Wesen sei, hinter welcher die sie evtl. zusammensetzenden natürlichen Personen vollends zurücktreten müssen. Genau dies sei bei einer Handelsgesellschaft aber nicht der Fall, „bei welcher gewiß nie von der Individualität der Personen, aus denen sie zusammengesetzt sei, abgesehen werde“. Es könne nicht anerkannt werden, „daß die Rechte der die juristische Person vertretenden Gesellschafter über ihr Vermögen in einer solchen Weise beschränkt würden, wie dies z. B. bei dem Vermögen einer Gemeinde der Fall sei“. Es wäre inkonsequent, wenn man der Regel folgte, „die Handelsgesellschaft ist eine juristische Person, aber die Gesellschafter sind die Personen, die mit ihrem Vermögen für die Schulden dieser Person einzustehen haben“. Die betreffenden Kommissionsmitglieder gehen somit offenbar von einem Begriff der juristischen Person im Sinne einer Korporation aus. Einem mehr typisierten denn konstruktiven Verständnis folgend, bleiben sie letztendlich der römischen Kasuistik treu, die in Korporationen Ausnahmefiguren sieht, welche die Rechtsfähigkeit als eine Vorzugsbehandlung rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund wird dem Begriff der juristischen Person eine gewisse Hochachtung zuteil, die sich schlecht mit dem Gedanken paart, jenen Begriff ohne Not als profanes technisches Werkzeug zur Deutung bestimmter Auffälligkeiten im Handelsgesellschaftsrecht heranzuziehen. Etwas undurchsichtig erscheint die weitere Vorgehensweise der Kommission. Offenbar wollte man über das kontroverse Thema nicht noch in der fraglichen Sitzung eine endgültige Entscheidung treffen und vertagte die Abstimmung zunächst. Sie kam zur 32. Sitzung am 9. März 1857 wieder auf die Tagesordnung. Es ist nicht klar, ob sich die Kommission an diesem Datum in der gleichen Zusammensetzung wiedergefunden hat wie am 18. Februar; jedenfalls ist die Position der Befürworter der juristischen Persönlichkeit offenbar deutlich geschwächt. Letztere scheinen nun eher zu Zugeständnissen gegenüber den Gegnern der juristischen Person bereit. Dennoch wurde mit zwölf gegen drei Stimmen beschlossen, die in Art.  87 PrHGB‑E proklamierte Vermögensfähigkeit der Handelsgesellschaften vollständig aufzugeben; damit fiel der gesamte erste Halbsatz („Jede Handelsgesellschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermögen“) weg.766 Das war eine deutlichere ­Distanzierung vom Konzept der juristischen Person, als noch in der 19. Sitzung vom 18. Februar 1857 beantragt gewesen war. In Bezug auf die im zweiten 764 

ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  158. ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  155 f. (alle Zitate im Absatz sind dieser Fundstelle entnommen). 766  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  276. 765 

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Halbsatz geregelte Parteifähigkeit der Handelsgesellschaften („sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden“) wurde entschieden, dass zum besseren Verständnis nun nicht mehr „sie“ klagen bzw. verklagt werden können, sondern „die Gesellschaft unter ihrer Firma“. Damit sollte offenbar deutlich gemacht werden, dass als Partei eigentlich die Gesellschafter stehen, es aber „einem allgemein gefühlten Bedürfnisse entspreche“, nicht jeweils „sämmtliche Gesellschafter mit Namen als die Kläger oder die Beklagten“ nennen zu müssen.767 Zwar ging selbst dieser Gesichtspunkt dem aus Mecklenburg-Schwerin abgeordneten Kommissionsmitglied zu weit, welcher der Firma der Gesellschaft keinen anderen Stellenwert als den der Firma des Einzelkaufmanns zubilligen wollte und befürchtete, es werde durch einen entsprechenden Wortlaut im Prozess nicht erkennbar, wer überhaupt Gesellschafter und damit in Wirklichkeit Anspruchsgegner sei.768 Die Mehrheit nahm den Passus gleichwohl an, mit dem Hinweis, es sei eine Klage gegen die Gesellschaft unter ihrer Firma jedenfalls dann unbedenklich, wenn „es sich um Ansprüche gegen den Gesellschaftsfonds handele“.769 Der Ausspruch des dritten Halbsatzes, dass die Gesellschaft gemäß Art.  87 prHGB-E Grundstücke und Forderungen erwerben könne, wurde als solcher insofern nicht beanstandet, als „Eigenthümer der auf den Namen der Firma eingetragenen Grundstücke […] immer die einzelnen Gesellschafter“ seien, „und wer diese seien, ergebe das Handelsregister“.770 Man entschied sich lediglich zu einer Formulierung, die sich nicht auf Forderungen beschränkte, sondern alle möglichen Rechte umfasste. Ausgehend von der ursprünglichen Vorschrift des Art.  87 prHGB-E verblieb damit die Regelung: „Die Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma vor Gericht klagen und verklagt werden“771 und: „Die offene Handelsgesellschaft kann unter der Firma der Gesellschaft Rechte erwerben und sich verpflichten; sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden“.772 In der zweiten Lesung wurde die nun in Art.  110 platzierte Regelung keinen nennenswerten Änderungen unterworfen.773 In der dritten Lesung wurden die Vorschriften nicht weiter in Frage gestellt. Insgesamt wird man nicht daran zweifeln können, dass die Mehrheit in der 179 Kommission der 32. Sitzung am 9. März 1857 die Absicht hatte, der OHG jegliche Rechtsfähigkeit abzusprechen.774 Die Erklärung, es seien Eigentümer eines unter der Firma einer OHG eingetragenen Grundstücks nicht etwa die 767  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  276; dazu auch Meier, Gesamtschulden (2010), S.  77. 768  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  276 f 769  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  277. 770  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  278. 771  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  277. 772  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  279. 773 Diskutiert wurde aber insbesondere die Fähigkeit, Grundstücke zu erwerben, s. ADHGB­-Prot. der 120. Sitzung vom 26.10.1857, in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1001 f. 774  So wohl auch Meier, Gesamtschulden (2010), S.  7 7; a. A. Wächter, Gesamthandsge-

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Gesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter,775 lässt kaum einen anderen Schluss zu. Ist im Zusammenhang mit der im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts geführten Debatte über die Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft geäußert worden, „[s]chon im ADHGB von 1861 war die OHG in Art.  111 I als eigener Rechtsträger anerkannt“,776 so stößt sich diese Feststellung jedenfalls an der Entstehungsgeschichte des ADHGB. Nicht völlig ausgeschlossen, tatsächlich aber eher fernliegend erscheint außerdem der Schluss, die Mehrheit in der Kommission habe der Gesellschaft zwar eine eigene Rechtsfähigkeit verweigern, ihr aber eine eigene Parteifähigkeit zubilligen oder eine entsprechende Gesetzesauslegung zumindest ermöglichen wollen. Wertenbruch erklärt, die ADHGB-Kommission habe das in Art.  87 PrHGB‑E verwendete Attribut „als solche“ nur deswegen gestrichen, weil sie dieses mit der von ihr abgelehnten Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft gleichgesetzt habe, so dass aus der Entfernung des Passus keine Ablehnung der Parteifähigkeit abzuleiten sei.777 An dieser Aussage ist richtig, dass die ADHGB-Kommission fürchtete, der Erwerb von Rechten, das Eingehen von Verbindlichkeiten und das Klagen und Verklagtwerden im Prozess der Gesellschaft „als solcher“ würde als eine Aner­ kennung der OHG als juristische Person verstanden werden. So erklärt sich auch umgekehrt, dass sich die Rechtspersönlichkeit der jeweiligen Gesellschaft aus den Formulierungen von Art.  87 PrHGB‑E778 sowie von Art.  213 Abs.  1 ADHGB779 entnehmen lässt. Daraus folgt aber nicht, dass sich die Rechtspersönlichkeit der OHG aus einer Wortfassung zwingend ergeben musste, nach der die OHG nur „als solche“ klagen oder verklagt werden konnte: Mehrere Jahrzehnte zuvor verwendete PrAGO I, 2, §  38, die Formel „als solche“,780 ohne dass die Rechtsprechung hieraus die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft hergeleitet hat; 781 einige Jahre nach Fertigstellung des ADHGB sah Art.  819 DrsdE die Collectivgesellschaft „als solche“ rechtsfähig, ohne dass sich die Kommissionsmitglieder darüber einig werden konnten, ob dies die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft voraussetzte.782 Tatsächlich muss die Bedeutung des Zusatzes „als solche“ jeweils im Kontext der Eigenschaften gelesen werden, welche mit der betreffenden Rechtsfigur in Zusammenhang gebracht meinschaften (2002), S.  87 ff., 299, der davon ausgeht, der ADHGB-Gesetzgeber habe die OHG als eigenes Rechtsubjekt ausgestaltet. 775  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  278. 776  Konzen, JuS 1989, 20, 21. 777  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.   9  f.; zustimmend BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 355 f. 778  S. o., Rn.  174. 779 Art.   213 Abs.  1 ADHGB: „Die Aktiengesellschaft als solche hat selbstständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben; sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden“. 780  Zu dieser Vorschrift, s. o., Rn.  118. 781  S. o., Rn.  162. 782  S. u., Rn.  2 25 f.

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werden: In Bezug auf die OHG ist eine Differenzierung zwischen Rechts- und Parteifähigkeit dem Wortlaut des Art.  111 Abs.  1 ADHGB nicht zu entnehmen: Dieser gestattet der Gesellschaft in gleicher Weise den Erwerb von Rechten wie das Klagen vor Gericht nur „unter ihrer Firma“. Es ist daher nicht anzunehmen, dass die Kommission so zwar die Rechtsfähigkeit, nicht aber auch die Parteifähigkeit ablehnen wollte. Die Äußerung Wertenbruchs, die Frage der Rechtsnatur und Parteifähigkeit sei in Art.  111 ADHGB nicht entschieden worden,783 erscheint in dieser Beziehung daher zu vorsichtig. Immerhin sieht auch Wertenbruch eine Tendenz zur beibehaltenen Parteistellung der Gesellschafter darin, dass in den Protokollen der die Gesellschafter vertretende Anwalt als „der Bevollmächtigte aller Gesellschafter“ anzusehen sei.784 b)  Die Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse Die Vorschrift des Art.  117 prHGB-E, die die Vorausklage gegen die Gesell- 180 schaft notwendig machte, bevor einer der Gesellschafter belangt wurde, war bereits in der 26. und 27. Sitzung vom 28. Februar und vom 2. März 1857 kritisiert worden; sie stelle eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung der Interessen der Gesellschafter dar; 785 sie sei außerdem als Regelung rechtssystematisch überhaupt nur dann möglich, wenn man die Figur der juristischen Person als Grundlage des Handelsgesellschaftsrechts akzeptiere.786 Nachdem keiner der Alternativvorschläge in der Kommission eine Mehrheit fand, wurde die Regelung des Art.  117 prHGB-E im Ganzen verworfen.787 Sie wurde in den folgenden Verhandlungen nicht wieder aufgenommen. Eine andere Wendung nahmen die Beratungen zu Art.  88 prHGB-E über das 181 Verbot für Privatgläubiger, zur Befriedigung ihrer Forderungen auf das Gesellschaftsvermögen zurückzugreifen. Diese Regelung wurde in der ersten Lesung als konkursrechtliche Frage betrachtet, die bis zur Bearbeitung des konkursrechtlichen Teils des ADHGB zurückgestellt werden sollte.788 Zur Kodifizierung eines einheitlichen Konkursrechts innerhalb des ADHGB kam es zwar nicht,789 die Frage wurde aber in der zweiten Lesung wieder auf die Tagesordnung gesetzt. In der 122. Sitzung vom 30. Oktober 1857 wurde die Wiedereinführung von Vorschriften beantragt, die den Art.  88, 753, 936 PrHGB-E in 783 

Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  49 f. Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  49, mit Bezug auf J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  276. 785  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  217 ff. 786  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  218, 225. 787 ADHGB-Prot. der 27. Sitzung v. 02.03.1857, in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  230. 788 ADHGB-Prot. der 32. Sitzung v. 09.03.1857, in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  279. 789 Dazu Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2953 f. 784 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

etwa entsprachen und in den Abschnitt zum Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten platziert werden sollten. Nachdem die Frage zunächst vertagt worden war,790 wurde über sie in der 138. Sitzung vom 28. November 1857 verhandelt. Dem Antrag, welcher von den Abgeordneten Preußens und des Handelsstandes unterstützt wurde,791 ging es vor allem um Folgendes: Dass die Figur der juristischen Person nicht die Grundlage der Handelsgesellschaft bilde, sei ausgemachte Sache, man sorge sich aber darüber, dass das Rechtsverhältnis der Gesellschafter in Bezug auf das Gesellschaftsgut als „ideale Quoten“ nach römischen Recht verstanden werden und Privatgläubiger so auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen könnten.792 Zum offenbar gemachten Vorwurf, die Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens beruhe „auf dem deutschen Recht fremde[n] Prinzipien, etwa auf französische Rechtsanschauungen“, wird entgegnet, „daß die hier vertheidigte Auffassung in der Gestaltung der Handelsgesellschaften des neueren Europa, zunächst in Italien, ihren Ursprung habe, dort in den für das Handelsrecht bedeutenden Schriften und Rechtssprüchen der Gerichte Aufnahme gefunden, von dort ebenso gut nach Deutschland wie nach Frankreich hinübergekommen sei“.793 Außerdem habe sich auch das Reichskammergericht in einer Aufrechnungssache zu diesen Prinzipien bekannt.794 Die Argumente haben die Kommission dennoch nicht überzeugt. Der Antrag wurde bei neun zu sieben Stimmen abgelehnt.795 Die Beharrlichkeit Preußens zahlte sich schließlich in der dritten Lesung aus. Es wird erreicht, dass die Problematik in der 551. Sitzung vom 23. November 1860 wieder auf die Tagesordnung gelangt796 und verhandelt wird797. Wieder wird entgegnet, die Ausgestaltung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse würde die Handelsgesellschaft zu einer juristischen Person werden lassen, wenigstens käme dies, „abgesehen von einigen unbedeutsamen und unpraktischen Unterscheidungspunkten, auf dasselbe hinaus“.798 Die die preußische Sache vertretenden Kommissionsmitglieder gehen demgegenüber auffallend behutsam vor. Sie beschränken sich in erster Linie darauf, die konkreten Rechtswirkungen der vorgeschlagenen Regelungen aufzuzeigen, indem 790  ADHGB-Prot. der 122. Sitzung v. 30.10.1857, in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1027. 791  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1136 ff. 792  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1134. 793  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1137 f. 794  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1138; ein Nachweis der Position des Reichskammergerichts befindet sich in den Protokollen leider nicht; ratlos auch Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  76, S.  532, Fn.  1. 795  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1143. 796 S. die Anträge 136–138 Preußens, ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), Zusammenstellung der Erinnerungen, S.  22 f., sowie der ähnliche Antrag 139 Sachsens, J. Lutz, a. a. O., S.  23 f. 797  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), S.  4520 ff. 798  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), S.  4520.

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sie insbesondere auf die Kontinuität mit der preußischen, französischen und österreichischen Rechtslage verweisen, welche „dort nie zu Unzuträglichkeiten geführt“ habe, genauso wenig wie in England, Schottland und Nordamerika, wo sie inzwischen ebenfalls anerkannt sei.799 Die vorgeschlagenen Änderungen seien größtenteils sogar im gemeinen Recht anerkannt, „nach welchem jedem Sozius im Hinblick auf die Grundsätze über die actio communi dividundo das Recht zustehe, die Verwendung irgend eines Vermögensbestandtheils der Gesellschaft zur Bezahlung der Privatschulden eines Sozius so lange zu verweigern, bis alle Gesellschaftsschulden bezahlt seien“.800 Bei der Verteidigung der Anträge fallen weder das Stichwort „abgesondertes Vermögen“ noch das Reizwort „juristische Person“, vielmehr ist von „der Annahme des den Anträgen unter Nr.  136–139 zum Grunde liegenden Prinzipes“ die Rede.801 Die Anträge sind mit wenigen sprachlichen Änderungen in der Folge jeweils mit deutlichen Mehrheiten angenommen worden.802 Möglicherweise geschah dies erst auf besonderen Druck Preußens: Es ist an anderer Stelle überliefert, dass manche Kommissionsmitglieder ihren Widerspruch gegen die Anträge 136–139 erst „auf Grund der Instruktionen ihrer Regierungen […] aufgegeben“ hätten.803 c)  Einführung der Anwachsungslösung bei Ausscheiden von Gesellschaftern? In der 29. Sitzung vom 5. März 1857 wurde beantragt, den Text des Art.  127 183 PrHGB-E804 wie folgt neu zu formulieren: 805 Ein ausgeschiedener oder ausgeschlossener Gesellschafter muß sich die Auslieferung seines Antheiles am Gesellschaftsvermögen in einer den Werth desselben darstellenden Geldsumme gefallen lassen.

Begründet wurde dieser Antrag mit dem Hinweis, „nach gemeinem Rechte habe das Ausscheiden eines Gesellschafters die Folge, daß über das Gesellschaftsvermögen eine förmliche Auseinandersetzung gemacht werden müsse“, dass es aber „ein unverkennbares Bedürfniß“ sei, die Gesellschaft in ihrem Bestand unberührt zu lassen.806 Da man sich aber darauf verständigt habe, die Vorschrift des Art.  87 PrHGB-E und damit die Idee der Rechtsfähigkeit der Handelsgesellschaft aufzugeben,807 könne die favorisierte Regelung nur durch eine entsprechende Sonderbestimmung erreicht werden, wonach „der ausge799 

ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), S.  4522. ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), S.  4523. 801  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), S.  4523. 802  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB IX (1861), S.  4523 ff., s. auch S.  4638 ff. 803  Verhandl. prADHGB (1861), S.  379. 804  Zu dem ursprünglichen Text des preußischen Entwurfs, s. o., Rn.  173. 805  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  247. 806  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  247. 807  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  248. 800 

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schiedene Socius seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen nicht in Natur, durch Zuweisung der betreffenden Antheile an den einzelnen Aktiven verlangen könne, sondern daß dieser Theil geschätzt und ihm in Geld vergütet werde“.808 Antrieb für jene Regelung war also nicht das Bedürfnis einer dogmatischen Klarstellung zur Rechtsnatur der Gesellschaft, sondern ein rechtspolitischer Gesichtspunkt: Es ging darum, die Gesellschaft nicht von den Vermögenswerten zu trennen, welche für die Fortführung des Handelsgeschäfts notwendig oder zumindest zweckmäßig sind. Aus diesem Grund leuchtet auch ein, warum es für den umgekehrten Fall des Eintritts eines neuen Gesellschafters in eine bereits bestehende Gesellschaft keiner entsprechenden Regelung bedurfte. Die Frage nach dem drohenden Verlust von Gesellschaftsgegenständen stellte sich in einer solchen Konstellation naturgemäß nicht. Eine andere Frage ist, auf welchem Weg jene Regelung ihren Zweck technisch zu erreichen suchte. Diese Frage stellte sich im Zusammenhang mit Art.  87 PrHGB‑E nicht, da die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft von vornherein verhinderte, dass den einzelnen Gesellschaftern ein Anteil an den Gesellschaftsgegenständen zustand. Nach Ablehnung dieser Idee mussten den Gesellschaftern zeit ihrer Mitgliedschaft aber wieder unmittelbare Anteile an jenen Gegenständen zugestanden werden und es stellt sich die Frage, wie diese Anteile im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters an die verbleibenden Gesellschafter übergingen. Eine „Anwachsung“ im Sinne einer automatischen Übertragung der anteiligen Berechtigung des ausscheidenden Gesellschafters zugunsten der verbleibenden Gesellschafter sah die Bestimmung nicht ausdrücklich vor; in ihrem Wortlaut lässt sie auch die Auslegung zu, nach welcher der ausscheidende Gesellschafter seinen Anteil an den Gesellschaftsgegenständen zunächst einmal behält und lediglich schuldrechtlich verpflichtet ist, denselben an die verbleibenden Gesellschafter – gegen die vorgesehene Entschädigung in Geld – auf rechtsgeschäftlichem Weg zu übertragen. Die Protokolle ziehen offenbar diese zweite, schuldrechtliche Lösung vor. So wird etwa im Zusammenhang mit einer Alternativformulierung von Art.  127 des Entwurfs, wonach der ausscheidende Gesellschafter sein „Mitrecht“ am Gesellschaftsvermögen „verliert“, klargestellt, dass der „Ausdruck ‚verliert‘ […] dabei nicht ausschließen“ wolle, „daß die etwa vorgeschriebenen Förmlichkeiten (z. B. die Auflassung bei Immobilien) beobachtet werden müßten“.809 Von einem anderen Kommissionsmitglied ist weiter überliefert, es sei „selbstverständlich […], daß das Miteigenthumsrecht des Ausgeschiedenen der Regel nach auf die anderen Gesellschafter nur nach geleisteter Zahlung der Abfindung als übertragen anzusehen sei“, denn „dies entspreche allgemeinen Rechtsgrundsätzen“.810 808 

ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  247 f. ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  248. 810  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  249. 809 

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Jene Einlassungen bleiben in der Folge unwidersprochen, so dass man vermuten kann, dass die Vorschrift jedenfalls in den betroffenen Sitzungen nicht als echte „Anwachsungsregelung“, sondern nur als eine schuldrechtlich bindende Aufforderung zu einer Teilliquidation zu verstehen war. In der Folge sollte die Bestimmung an die Redaktionskommission verwiesen werden.811 Das weitere Vorgehen scheint nicht überliefert, jedoch muss die Vorschrift 185 im folgenden Verlauf der Beratungen mit einem Halbsatz ergänzt worden sein, so dass sie nach Neunummierung in folgender Gestalt beschlossen wurde: Art.  131. Ein ausgeschiedener oder ausgeschlossener Gesellschafter muß sich die Auslieferung seines Antheiles am Gesellschaftsvermögen in einer den Werth desselben darstellenden Geldsumme gefallen lassen; er hat kein Recht auf einen verhältnißmäßigen Antheil an den einzelnen Forderungen, Waaren oder anderen Vermögensstücken der Gesellschaft.

Es ist nicht klar, welchen Gedanken die Redaktionskommission mit jener Ergänzung hegte. Die Formulierung „er hat kein Recht“ könnte auf eine Anwachsungslösung hindeuten, andererseits war Aufgabe der Redaktionskommission lediglich, die Vorschrift sprachlich anzupassen und nicht inhaltlich zu verändern. Somit spricht nach wie vor viel dafür, dass Art.  131 ADHGB keine Anwachsungslösung anstrebte, sondern den ausscheidenden Gesellschafter nur schuldrechtlich zur Übertragung seiner Mitberechtigung an den Gesellschaftsgegenständen an die verbleibenden Gesellschafter verpflichtete. Angemerkt sei schließlich, dass zunächst erwogen worden war, den Grund- 186 satz der Entschädigung in Geld auch bei zweigliedrigen Gesellschaften anzuwenden, also dann, wenn von nur zwei vorhandenen Gesellschaftern einer die Gesellschaft verließ. Die Idee war, in einem solchen Fall die Kontinuität des Handelsgeschäfts auch über die Beendigung der Gesellschaft hinaus dadurch zu wahren, dass einer der Gesellschafter das Geschäft übernehmen und dem ausscheidenden Gesellschafter lediglich den Wert dessen Anteils in Geld zahlen sollte.812 Diese Regelung, welche zunächst in einen Entwurfstext mündete, wurde in den weiteren Beratungen jedoch nicht aufrecht erhalten.813 d)  Das Gesellschaftsrecht des ADHGB und seine Ratifikation in Preußen Nach Fertigstellung wurde der Entwurf der Bundesversammlung vorgelegt, 187 welche 1861 beschloss, den Regierungen des Deutschen Bundes zu empfehlen, den unveränderten Entwurf in die jeweiligen Landesgesetzgebungen zu inte­ grieren.814 Von den Vorschriften, die eine Absonderung des Gesellschaftsver811 

ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  248 f. ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), S.  249 f. 813  ADHGB-Prot., in: J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1009 ff.; zu den Materialien ausführlich Koch, ADHGB1 (1863), Art.  131, Anm.  85, S.  207 f. 814  Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2954. 812 

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mögens von den Vermögen der Gesellschafter aufzeigen, sind im ADHGB letztlich folgende Regelungen geblieben: 815 Art.  111. (1) Die Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat. Art.  119. Die Privatgläubiger eines Gesellschafters sind nicht befugt, die zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen oder Rechte oder einen Antheil an denselben zum Behuf ihrer Befriedigung oder Sicherstellung in Anspruch zu nehmen. Gegenstand der Exekution, des Arrestes oder der Beschlagnahme kann für sie nur Dasjenige sein, was der Gesellschafter selbst an Zinsen und an Gewinnantheilen zu fordern berechtigt ist, und was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt. Art.  120. (1) Die Bestimmung des vorigen Artikels gilt auch in Betreff der Privatgläubiger, zu deren Gunsten eine Hypothek oder ein Pfandrecht an dem Vermögen eines Gesellschafters kraft des Gesetzes oder aus einem anderen Rechtsgrunde besteht. Ihre Hypothek oder ihr Pfandrecht erstreckt sich nicht auf die zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen und Rechte oder auf einen Antheil an denselben, sondern nur auf Dasjenige, was in dem letzten Satze des vorigen Artikels bezeichnet ist. (2) Jedoch werden die Rechte, welche an den von einem Gesellschafter in das Vermögen der Gesellschaft eingebrachten Gegenständen bereits zur Zeit des Einbringens bestanden, durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt. Art.  121. Eine Kompensation zwischen Forderungen der Gesellschaft und Privatforderungen des Gesellschaftsschuldners gegen einen einzelnen Gesellschafter findet während der Dauer der Gesellschaft weder ganz noch theilweise statt; nach Auflösung der Gesellschaft ist sie zulässig, wenn und in so weit die Gesellschaftsforderung dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung überwiesen ist. Art.  122. Im Falle des Konkurses der Gesellschaft werden die Gläubiger derselben aus dem Gesellschaftsvermögen abgesondert befriedigt, und können aus dem Privatvermögen der Gesellschafter nur wegen des Ausfalls ihre Befriedigung suchen; den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu bestimmen, ob und wie weit den Privatgläubigern der Gesellschafter ein Absonderungsrecht in Bezug auf das Privatvermögen derselben zusteht.

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Das ADHGB ist in den nachfolgenden Jahren in fast allen Staaten des Deutschen (bzw. des Norddeutschen) Bundes in Kraft getreten.816 Interessant sind die Materialien zum preußischen Gesetzesverfahren, insbesondere der am 22. Mai 1861 vorgelegte „Erste Bericht der vereinigten Kommission für das Justizwesen und für Handel und Gewerbe des Hauses der Abgeordneten über den Entwurf eines ADHGB“.817 Dort wird festgestellt, dass bereits der Preußi815 Abgedruckt in: J. Lutz, ADHGB (1861), S.   20 ff.; entsprechende Regelungen gelten auch für die Kommanditgesellschaften, s. Art.  164, 169 ADHGB. 816  Bergfeld in: Coing, Quellen III.3 (1986), S.  2954. 817  Abgedruckt in: Verhandl. prADHGB (1861), S.  354 ff.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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sche Entwurf von 1857 das Prinzip entwickelt hatte, „welches man gewöhnlich als den Grundsatz der selbständigen Persönlichkeit der Gesellschaft zu bezeichnen pflegt“; der Gesellschaftsvertrag erzeuge „auch nach Außen hin ein von den Gesellschaftern getragenes einheitliches Rechtssubjekt, welches ein selbständiges, von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter getrenntes Vermögen, seine selbständigen Rechte und Pflichten hat“.818 Diese Grundsätze, so der Bericht weiter, haben sich in Europa mit dem sich entwickelnden Handelsverkehrs allmählich herausgebildet, sie seien zuerst vom italienischen Gewohnheitsrecht eingeführt und die „Persönlichkeit der Gesellschaft (être moral)“ in der Folge von der französischen Wissenschaft und Rechtsprechung anerkannt worden.819 Das preußische Allgemeine Landrecht sei diesen Schritt zwar nicht „in den meisten Konsequenzen“ gegangen, doch habe sich eine entsprechende Rechtsanschauung in der Rechtswissenschaft und der jüngeren Gesetzgebung zum Aktien- und zum Konkursrecht „geltend gemacht“.820 Diese Passagen sind aus heutiger Sicht interessant, da sie davon ausgehen, dass eine gesamteuropäische Entwicklung, allen voran sich in Italien etablierende Gewohnheiten die besonderen Merkmale der Handelsgesellschaft hervorgebracht haben. Der später von Gierke in diesem Zusammenhang genannte „germanische Assoziationstrieb“821 bleibt hingegen unerwähnt. Außerdem bestätigt die Passage den Willen preußischer Ministerialer, die Handelsgesellschaft von den als für die Praxis zu eng empfundenen römischrechtlichen Grundsätzen zu befreien und sie vielmehr als juristische Person zu konstruieren, wie es die preußische Wissenschaft und jüngere Gesetzgebung vorgemacht hat. Bemerkenswert ist, dass das Vorbild der französischen Rechtsprechung und Lehre nicht geleugnet wird, welches in Hinblick auf das erstarkte Selbstbewusstsein der nachnapoleonischen deutschen Rechtswissenschaft nur noch bedingt Autorität entfalten konnte.822 Interessant erscheint außerdem die Sicht Preußens über den weiteren Verlauf 189 der Beratungen zum Gesellschaftsrecht des ADHGB. Es kommentiert das Schicksal seines Vorschlags, die Handelsgesellschaft unter Zugrundelegung der gewünschten Grundsätze zu gestalten, wie folgt: 823 Auch in dem gemeinen Deutschen Handelsrechte hat es nicht an Bestrebungen gefehlt, die selbständige Vermögensstellung der Handels-Gesellschaft zur Geltung zu bringen und dafür einen festen Rechtsbegriff zu konstruiren. Ueberwiegend ist man jedoch bisher dem Grundsatze feindlich entgegengetreten, und hat ihn merkwürdigerweise, ob818 

Verhandl. prADHGB (1861), S.  377. Verhandl. prADHGB (1861), S.  378. 820  Verhandl. prADHGB (1861), S.  378. 821  Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  832. 822  Bezeichnend ist etwa der Ausspruch, die Handelsgesellschaft wissenschaftlich zu konstruieren habe am allerwenigsten die französische Jurisprudenz vermocht, „deren starke Seite es überhaupt nicht ist, die Fundamental-Begriffe der Rechtsverhältnisse scharf zu bestimmen und zu begründen“, Verhandl. prADHGB (1861), S.  379. 823  Verhandl. prADHGB (1861), S.  378 f. 819 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

gleich man sich bei dieser Bekämpfung hauptsächlich auf die aus anderen ökonomischen Verhältnissen hervorgegangenen Grundsätze des Römischen Rechts stützte, als einen fremden Rechtssatz hingestellt und angefeindet. Unter dem Einfluß dieser Auffassung war es Preußen auf der Konferenz in Nürnberg nicht gelungen, bei der ersten und zweiten Lesung die betreffenden Artikel des Preußischen Entwurfes zur Annahme zu bringen. Doch hatte sich bei diesen Verhandlungen die Erkenntnis der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Prinzips immer mehr Bahn gebrochen. In anerkennenswerther Beharrlichkeit hat die Preußische Regierung an dem wichtigen Grundsatze festgehalten. Während sie fast alle anderen Monita gegen den aus der zweiten Lesung hervorgegangenen Entwurf dem großen Zwecke zum Opfer brachte, bildete die Annahme dieser das Wesen der Handels-Gesellschaft richtig erfassenden Bestimmung die Hauptforderung, mit welcher Preußen, vereint mit Oesterreich und Bayern, in die dritte Lesung eintrat. Bei diesen schließlichen Verhandlungen haben die meisten anderen Vertreter, aufgrund der Instruktionen ihrer Regierungen, den bisherigen Widerspruch aufgegeben; die fraglichen Bestimmungen sind in den Entwurf aufgenommen worden, sie finden sich, bezüglich der offenen Gesellschaft, in den Artikeln 111, 113, 119–122 und 126 […]. Die Anerkennung dieser selbständigen Vermögensstellung der Handels-Gesellschaft ist ein Hauptvorzug des Entwurfs. Sie entspricht vollkommen dem allgemeinen Bewußtsein der Handelswelt; sie fördert in erheblichem Grade die freie Entwicklung kaufmännischer Assoziationen, denn es giebt, bei Anerkennung dieses Grundsatzes, wie mit Recht gesagt worden ist, nicht mehr blos Gesellschafter, sondern auch eine Gesellschaft.

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Der Ton entbehrt nicht eines gewissen Triumphalismus, der sich deutlich von der Behutsamkeit der Argumentation während der Verhandlungen in der ADHGB-Redaktionskommission abhebt.824 Dass die selbständige Vermögensstellung der Handelsgesellschaft anerkannt sei, wird als besonderes Verdienst der beharrlichen preußischen Verhandlungstätigkeit und als „Hauptvorzug“ des Entwurfs qualifiziert. Der Bericht vermerkt weiter, es sei zu billigen, dass darauf verzichtet wurde, die „aufgenommene Rechtsauffassung unter einem hergebrachten Rechtsbegriff zusammenzufassen“, da diese Rolle der Rechtswissenschaft zukomme. Der Bericht scheint also dem Schrifttum den Weg zumindest offenhalten zu wollen, das Rechtsverhältnis der offenen Handels­ gesellschaft doch noch als juristische Person zu begreifen. Damit steht die die Position Preußens in der Kontinuität von Gelpckes Aufsatz,825 der preußischen Gesetzgebung spätestens seit der Konkursordnung von 1855826 sowie des preußischen Entwurfs von 1857.827 Zu dem während der Beratungen des ADHGB zum Ausdruck gebrachten Willen, die juristische Person gerade nicht als Grundlage der Handelsgesellschaft heranzuziehen, steht sie freilich im Widerspruch.

824 

S. o., Rn.  181 f. S. o., Rn.  144 f. 826  S. o., Rn.  169 ff. 827  S. o., Rn.  173 ff. 825 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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3)  Das Handelsgesellschaftsrecht des ADHGB in Literatur und Rechtsprechung a)  Die Frage der Subjektivierung der OHG Dass die Frage der Rechtspersönlichkeit der OHG durch das Inkrafttreten des 191 ADHGB in den deutschen Staaten keineswegs geregelt war, wird wenige Jahre später in den Beratungen zum Dresdner Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Obligationenrechts deutlich. Dort wird die Annäherung der Regelung zur „gemeinen Gesellschaft“ an die der OHG mit dem Argument bekämpft, das Gesellschaftsrecht des Handelsgesetzbuchs weiche vom gemeinen Recht der societas völlig ab, insbesondere beruhe das Handelsgesetzbuch „auf der Vorstellung der Handelsgesellschaft als einer Persönlichkeit, in welcher die einzelnen Gesellschafter aufgingen, während bei einer gemeinen Gesellschaft die Personen der einzelnen Gesellschafter unumgänglich nöthig in Betracht kämen“.828 Erst allmählich wird sich in Schrifttum und Rechtsprechung eine Mehrheit gegen die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit für die OHG aussprechen. aa)  Die Diskussion im Schrifttum Die Einführung des ADHGB hat nicht dazu geführt, dass in der Literatur die 192 Kontroverse über die Rechtsnatur der Handelsgesellschaften gestoppt wurde. Roesler gelangt 1861 zu der Feststellung, die ADHGB-Redaktionskommission habe zwar die Figuren des Genossenschaftseigentums und der juristischen Person ausgeschlossen, ansonsten aber der Jurisprudenz überlassen, eine „juristisch consequente Theorie zu bilden“.829 Vor dem Hintergrund, dass sich die Redaktoren aber selbst nicht über die Grundlage der Handelsgesellschaft einig waren, hält er es für unwahrscheinlich, dass sich zu der Frage eine einheitliche Rechtsprechung einstellen wird.830 Die Literatur wird sich gleich zu Beginn mehrheitlich gegen die juristische Person aussprechen und dieser Meinungsstand wird sich bis zum Inkrafttreten des HGB im Jahre 1900 auch nicht ändern.831 Es wird argumentiert, die juristische Person bedürfe als Ausnahme­ 828  DrsdE-Prot. (202. Sitzung v. 10.01.1865), in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2953; an anderer Stelle der Protokolle wird die Rechtspersönlichkeit der OHG wiederum nachdrücklich verneint: DrsdE-Prot. (188. Sitzung v. 14.11.1864), in: Schubert, a. a. O., S.  2747: „wo sonach von einem Charakter als juristische Person keine Rede sein könne“. 829  Roesler, ZHR 4 (1861), S.  252, 254. 830  Roesler, ZHR 4 (1861), S.  252, 255. 831 S. etwa Auerbach, Gesellschaftswesen (1861), §  2 , S.  12 f., §§  13 ff., S.  50 ff., §  16, S.  88 ff. (welcher auch nicht von der Existenz zweier abgesonderter Vermögen ausgeht, §  14, S.  57); Gerber, System8 (1863), §  195, S.  498 f., Fn.  5 ; v. Stubenrauch, Öst. HandelsR (1863), §  71, S.  190, §  81, S.  212; Goldschmidt, HdB HandelsR I.11 (1864), §  43, S.  334 f., Fn.  12; Lautenschlager, ADHGB (1865), Art.  85, Anm.  1, S.  56; Windscheid, Pandektenrecht II.21 (1866), §  406, S.  137 f., Fn.  1; Beseler, System 2 (1866), §  71, S.  253; Puchelt, ADHGB1 (1874), Art.  85, Anm.  3, S.  136 f.; Thöl, HandelsR I.15 (1875), §  88, S.  302, und §  90, S.  303 (Miteigentum der Einlage); Keyssner, ADHGB (1878), Art.  86, Anm.  6, S.  83; Behrens, Konstruk-

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

erscheinung jedenfalls einer staatlichen Genehmigung,832 die Handelsgesellschaft sei nicht – wie etwa die Korporation – von ihren Mitgliedern unabhängig genug,833 die Gesellschafter seien insbesondere von den Operationen der Gesell­schaft auch persönlich betroffen.834 Jedenfalls sei bei Redaktion des ­A DHGB die Entscheidung gegen die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft ausgefallen.835 Selbst Christian Friedrich Koch, welcher in seinen vergangenen Schriften der Figur der juristischen Person durchaus eine gewisse Attraktivität abgewinnen konnte,836 findet zwar, dass die Fähigkeit der Handelsgesellschaft, unter ihrer Firma Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, eine „außerordentlich wichtige Erweiterung“ darstelle. Unter Berücksichtigung der Protokolle der ADHGB-Redaktionskommission kommt aber auch er zu dem Ergebnis, dass „die Mitglieder persönlich die Träger des Gewerbes sind und bleiben“ und dass insbesondere „einer solchen Gesellschaft nicht der Charakter einer juristischen Person beigelegt werden“ solle.837 Andere Autoren begnügen sich mit der Feststellung, das ADHGB habe die Frage nach der juristischen Persönlichkeit offen gelassen.838 Die Theorie der Gesamthand wird in diesem Zusammenhang hingegen erst im ausklingenden 19. Jahrhundert ernsthaft in Betracht gezogen werden.839 Eine Mindermeinung spricht sich auch nach Einführung des ADHGB in den deutschen Ländern mehr oder weniger offen für die juristische Persönlichkeit tion Handelsges. (1879), S.  32; Renaud, CommanditG (1881), §  15, S.  102 ff.; Engelmann, Preuß. PrivatR1 (1883), §  165, S.  254, Fn. * (welcher auch die Existenz eines getrennten Gesellschaftsvermögens leugnet, S.  255); Laband, ZHR 30 (1885), S.  469, 496 ff.; Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  62, S.  4 44; Unger, Jahrb. Dogm. röm. dt. PrivatR 25 (1887), S.  239, 250 ff.; Brandis, Hamb. Praxis (1888), S.  162; Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  85 ff.; Bamberger, KommanditG (1896), S.  26. In der von ihm geschaffenen Theorie des Zweckvermögens wird Brinz sich auf Korporationen, Stiftungen u. Ä. beschränken und den Handelspersonengesellschaften keinen Platz zuweisen, s. Brinz, Pandekten III.2.12 (1888), §§  432 ff., S.  453 ff., insbes. §  437, S.  495. 832 So Auerbach, Gesellschaftswesen (1861), §  16, S.  89; Laband, ZHR 30 (1885), S.  469, 471 f.; krit. W. Endemann, HandelsR (1865), §  35, S.  168, Fn.  12. 833  Auerbach, Gesellschaftswesen (1861), §   16, S.  89; Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  62, S.  4 44. 834  Auerbach, Gesellschaftswesen (1861), §   16, S.  88; ähnlich auch Puchelt, ADHGB1 (1874), Art.  85, Anm.  3, S.  137, und Unger, Jahrb. Dogm. röm. dt. PrivatR 25 (1887), S.  239, 240 f., 255 ff. 835 So Goldschmidt, HdB HandelsR I.11 (1864), §  43, S.  334 f., Fn.  12; Puchelt, ADHGB1 (1874), Art.  85, Anm.  3, S.  137. 836  S. o., Rn.  143. 837  Koch, ADHGB1 (1863), Art.  111, Anm.  40, S.  194 f. 838  S. etwa Brix, ADHGB (1864), Art.  85, Anm.  2 , S.  92 f. (welcher immerhin von einer „weitgehenden Selbständigkeit“ der Handelsgesellschaften gegenüber den Gesellschaftern und gegenüber Dritten ausgeht); W. Endemann, HandelsR (1865), §  35, S.  167 (mit Sympathie für die Anerkennung der Gesellschaft „als selbstständiges Verkehrswesen“ mit eigener „Rechtssubjektivität“); Förster, Preuß. PrivatR II3 (1873), §  143, S.  333, Fn.  10; Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  62, S.  4 43. 839  S. u., Rn.  415 f.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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von Personengesellschaften des Handelsrechts aus. Ladenburg, Advokat am Mannheimer Obergericht, argumentiert unter anderem, dass ohne Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft deren Grundbuch- und Parteifähigkeit wegfiele,840 dass Privatgläubiger eines Gesellschafters auch in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken könnten, soweit der Anteil des schuldnerischen Gesellschafters reiche,841 dass Gesellschafter nicht mit der Gesellschaft als solcher Rechtsgeschäfte abzuschließen imstande wären, obwohl dies in der Praxis nicht selten vorkomme.842 Zwar habe sich der preußische Entwurf deutlicher für die Rechtspersönlichkeit der offenen Handelsgesellschaften ausgesprochen,843 auch scheine aus den Protokollen hervorzugehen, dass die Mehrheit der Mitglieder der Nürnberger Konferenz in der betreffenden Sitzung lediglich die juristische Persönlichkeit der Aktiengesellschaft angenommen haben, nur seien „die Dinge […] eben doch stärker, als der Wille der Menschen“, denn wenn „die Gesetzgebung Jemandem das Recht einräumt, vor Gericht zu stehen, so muß sie voraussetzen, er habe dort Rechte zu vertreten oder er könne wegen Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden“, damit sei „aber schon die juristische Persönlichkeit ausgesprochen, denn diese ist nichts Anderes, als die rechtliche Möglichkeit, Subject von Rechten und Verbindlichkeiten zu werden“.844 Christian Gad hält sinngemäß fest, es handele sich bei Handelsgesellschaften um juristische Personen, nur dürfe man dies aus Rücksicht auf die gemeinrechtlichen Juristen nicht so sagen.845 Felix Dahn identifiziert die OHG als „relative juristische Person“, da sie nur im Außen-, nicht im Innenverhältnis als juristische Person wirke.846 Im ADHGB-Kommentar von Anschütz und v. Völderndorff stellen die Autoren fest, dass die Redaktoren des ADHGB sich zwar gegen die juristische Person als Grundlage der OHG ausgesprochen haben oder die Frage zumindest offen lassen wollten,847 dass aber die materielle Ausgestaltung der Gesellschaft, namentlich ihre Rechts- und Prozessfähigkeit, die Annahme eines eigenen Vermögens und die Konkursfähigkeit nicht mehr nur als Anomalien einer römischrechtlich inspirierten Sozietät angesehen werden können, sondern eine Anerkennung der juristischen Persönlichkeit der Personenhandelsgesellschaft geboten erscheinen lassen.848 Um privilegierte Kor840 

Ladenburg, WHRArch 10 (1861), S.  227. Ladenburg, WHRArch 10 (1861), S.  227, 228. 842  Ladenburg, WHRArch 10 (1861), S.  2 27, 228 f. 843  Ladenburg, WHRArch 10 (1861), S.  2 27, 231. 844  Ladenburg, WHRArch 10 (1861), S.  2 27, 232. 845  Gad, HandelsR (1863), §  28, S.  53 f., mit dem Hinweis, dass die Frage nach der Rechtsnatur der Handelsgesellschaften müßig sei, da deren Qualifizierung aus den Befugnissen der Gesellschaft folgen müsse und nicht umgekehrt. 846  Dahn, Rechtsbuch (1877), S.  273; der Begriff „relative juristische Person“ wird auch von Gareis/Fuchsberger, ADHGB (1891), Art.  111, Anm.  98, S.  238, übernommen. 847  Anschütz/Frhr. v. Völderndorff, ADHGB II (1870), S.  6. 848  Anschütz/Frhr. v. Völderndorff, ADHGB II (1870), S.  11 f. 841 

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porationen handele es sich hingegen nicht, denn weder sehe das römische Recht diese Eigenschaft für Gesellschaften vor noch seien Personenhandelsgesellschaften im Sinne von Korporationen privilegiert.849 Besonders bezeichnend sind auch die Einlassungen Otto Hahns, welche die eigentliche Problematik der juristischen Person als Grundlage der Handelsgesellschaft deutlich werden lassen: 850 Die Rechtsverhältnisse dieser Gesellschaft bildeten durch die Absonderung des Vermögens und die Vorausbestimmungen über die Verwendung und Verwaltung ein so abgeschlossenes Ganzes, daß die Gesellschaft als eine Person erschien mit bestimmten der Willkür der Gesellschaftsteilhaber entzogenen Rechten und ebenso mit Pflichten, welche die Person der Gesellschaftstheilhaber nicht unmittelbar trafen. Eine Analogie dieser Form in Recht fand sich in der juristischen Person. Wenn nun die Gesellschaft auch nicht die juristische Person ist, für welches das römische Recht Bestimmung hat nämlich ein Kirchen- oder Corporations-Vermögen mit bestimmter Verwendung und Verwaltung: so ist sie die juristische Person, welche die Neuzeit geschaffen und im Rechtssystem neben die des römischen Rechts gesetzt hat. Sie theilt die wesentlichen Bestimmungen für die juristische Person des römischen Rechts.

Hahn wird an anderer Stelle auch feststellen, die „Persönlichkeit der Gesellschaft“ sei zwar „nicht gesetzlich anerkannt, doch wissenschaftlich vorauszusetzen, weil ohne diese Annahme die übrigen Rechtsbestimmungen sich weder erklären noch logisch weiter entwickeln ließen“.851 Behrend erinnert wiederum daran, die Schwierigkeit der Frage, ob die Handelsgesellschaft eine juristische Person sei, liege weniger im Gesellschaftsrecht, „als darin, daß es an allgemeinen anerkannten Merkmalen für das Vorhandensein einer juristischen Person mangelt“.852 In eine ähnliche Richtung zielt auch Förster, der die Handelsgesellschaft als juristische Person ansieht, den Begriff der juristischen Person aber entsprechend erweitert wissen möchte, weil die Begriffe „der societas und universitas zu eng sind“.853 Die Konzeption der OHG als juristische Person wird sogar noch nach Einführung des BGB und des HGB, also nach dem Siegeszug der Gesamthandlehre als Grundlage des Personengesellschaftsrechts vertreten werden.854 bb)  Die Entwicklung in der Rechtsprechung 195

Bis in den 1890er Jahren finden sich Entscheidungen von Obergerichten, die dazu neigen, die OHG im Sinne des ADHGB als juristische Person oder zumin849 

Anschütz/Frhr. v. Völderndorff, ADHGB II (1870), S.  11 f. Hahn, HandelsR (1870), S.  103. 851  Hahn, HandelsR (1870), S.  116. 852  Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  62, S.  4 44. 853  Förster, Preuß. PrivatR II 3 (1873), §  143, S.  333. 854  Kohler, ZHR 74 (1913), S.  456 (freilich sofort entgegengetreten von Lehmann, ZHR 74 (1913), S.  462); weiterhin bekräftigend aber Kohler, Arch. bürg. R. 40 (1914), S.  229, 238 ff. 850 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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dest als eigenes Rechtssubjekt zu identifizieren. Gerichte in Territorien des französischen Rechts, die zuvor die Rechtssubjektivität der Handelsgesellschaften auf Grundlage des Code de commerce anerkannt hatten,855 behalten diese Auffassung auch für die OHG des ADHGB wie selbstverständlich bei. In einem Urteil von 1870 erklärt der Rheinische Appellationsgerichtshof, die Vorschriften des ADHGB der OHG ermöglichen „auch ungeachtet des Abgangs oder Wechsels einzelner Mitglieder die rechtliche Fortdauer der Handels-Gesellschaft als eines besonderen Rechtssubjekts mit seinen bisherigen Rechten und Verbindlichkeiten“.856 Bemerkenswert ist, dass sich der Gerichtshof zur Frage des Fortbestands der OHG bei Gesellschafterwechsel auf die Protokolle der ADHGB-Kommission stützt, die in den Protokollen ausgesprochene Ablehnung der Subjektivität der OHG 857 aber verschweigt. Weiter nimmt der Verwaltungsgerichtshof im Großherzogtum Baden 1866 die Gelegenheit wahr, sowohl die Handelsgesellschaft des alten badischen (französischen) Handelsrechts als auch die OHG des ADHGB „als selbstständiges, von der Person der einzelnen Gesellschafter getrennt gedachtes Rechtssubjekt zu betrachten“, mit der Folge, dass die Gesellschafter keinen ideellen Anteil an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögen haben.858 Auch andere Gerichte sehen in der OHG ein Rechtssubjekt, so das Oberappellationsgericht Celle: Zwar sei die OHG im ADHGB nicht ausdrücklich als juristische Person bezeichnet, sie sei „nach dem sachlichen Inhalte desselben […] aber im Wesentlichen als eine solche behandelt, insofern darnach die Handelsgesellschaft als berechtigtes Subject angesehen wird“.859 Das preußische Obertribunal zeigt in einem Konkursfall deutliche Sympathien für die Rechtspersönlichkeit der OHG: Es erfasse die Bilanzpflicht nur das Gesellschaftsvermögen, nicht auch das Privatvermögen der Gesellschafter, denn jede „Handelsgesellschaft hat wesentlich Rechte einer juristischen Person, mit den derselben eigenthümlichen Vermögensrechten“.860 Das gleiche Gericht verwendet 1879 zwar nicht mehr den Begriff „juristische Person“, erklärt aber, dass die OHG „ein für sich bestehendes Rechtssubjekt“ in der Weise sei, dass die Gesellschaft „den Gesellschaftern als eine dritte Person gegenüber“ stehe.861 Im Jahre 1870 qualifiziert das Handelsappellationsgericht Nürnberg im Zusammenhang mit der Frage der Rechtsfähigkeit von Handelsgesellschaften in Liquidation die Handelsgesellschaft allgemein als „Rechtssubjekt“.862 Ausgehend von Art.  111, 164 und 213 ADHGB stellt fer855 

S. o., Rn.  160 f. AGH Rhein. v. 15.01.1870, Rhein. Arch. 62, 1 (1869), S.  223, 225. 857  S. o., Rn.  176 ff. 858  Bad. VGH v. 02.05.1866, Bad. Ann. 32 (1866), S.  114, 115; s. auch Busch Arch. 19 (1870), S.  40. 859  OAG Celle v. 08.02.1867, Seuff. Arch. 20 (1867), S.  402 f. 860  Preuß. Ob.-Trib. v. 18.05.1866, Busch Arch. 10 (1867), S.  310, 311 f. 861  Preuß. Ob.-Trib. v. 10.03.1879, Gruchots Beiträge 24 (1880), S.  107, 109. 862  Nürnb. HAG v. 28.03.1870, ZHR 22 (1877), 308, 309. 856 

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ner das Hanseatische OLG im Jahre 1880 fest, dass Handelsgesellschaften „Träger selbstständiger Rechte und Verbindlichkeiten sind“, dass „folgeweise den einzelnen Mitgliedern an dem Gesellschaftsvermögen kein unmittelbares Recht, kein Miteigenthum oder Mitgläubigerrecht, wohl aber ein ideeller Antheil an dem Vermögen in seiner Gesammtheit zusteht“.863 Auch in der Zeit danach wird das Hanseatische OLG einen der Subjektivität der OHG zugewandten Kurs fortführen. Im Jahre 1889 sieht es die Handelsgesellschaft „als selbständiges Rechtssubject, unabhängig von der Person ihrer Inhaber“.864 Vier Jahre später kritisiert es sogar offen die Haltung des Reichsoberhandelsgerichts und nimmt an, dass die Handelsgesellschaft als solche parteifähig, die „Parteifähigkeit ohne Rechtssubjectivität“ aber „ein Unding“ sei und dass, wem „die Eigenschaft eines Rechtssubjects“ zukomme, „jedenfalls der wesentliche Inhalt des Begriffs der juristischen Person verliehen“ sei.865 Ambivalenter erscheint hingegen das Urteil des sächsischen Oberappellationsgerichts von 1865, welches die Frage behandelt, ob ein Schuldverhältnis zwischen einer Handelsgesellschaft und einem ihrer Gesellschafter dogmatisch denkbar ist. Das Gericht bejaht dies mit der Begründung, dass „die Gesellschaft, als solche, ihr eigenes, von dem der Einzelnen getrenntes Vermögen besitzt, für welches selbstständige Rechte erworben und Verbindlichkeiten eingegangen werden können, und demgemäß auch […] die Gesellschaft, als solche, mit Bezug auf ihr Gesellschaftsvermögen, in rechtlichen Anspruch genommen werden kann“.866 Damit tritt das Gericht jedenfalls nicht ausdrücklich für die Annahme der juristischen Person als Grundlage der OHG ein, es nimmt sogar hin, dass die „Ansicht, daß der offenen Handelsgesellschaft der Charakter einer juristischen Persönlichkeit beizulegen sei, bei der Abfassung des erwähnten Gesetzbuchs nicht zur Geltung gelangt“ sei.867 Andererseits wendet sich das Gericht aber gegen die Behauptung des Beklagten, die Handelsgesellschaft sei keine „moralische Person“.868 Knapp zwei Jahre später wird sich dasselbe Gericht resoluter gegen die Qualifikation der OHG als juristische Person aussprechen: Zwar könnten die Vorschriften des ADHGB einen solchen „Anschein erwecken“, doch habe die Rechtspersönlichkeit der OHG „von den aus den Commissionsberathungen sich ergebenden Bedenken […], nicht nur eine ausdrückliche Bestätigung im Handelsgesetzbuche nicht gefunden“, sondern verstoße zudem gegen die Grundsätze des (gemeinen) Zivilrechts.869 863 Hanseat. OLG v. 16.11.1880, HGZ-B 14 (1881), Nr.   4, S.   25; Hanseat. OLG v. 16.11.1880, HGZ-B 14 (1881), Nr.  16, S.  45. 864  Hanseat. OLG v. 30.09.1889, Seuff. Arch. 45 (1890), Nr.  164, S.  263, 265. 865  Hanseat. OLG v. 04.10.1893, Seuff. Arch. 49 (1894), Nr.  171, S.  296, 297 f. 866  Sächs. OAG v. 15.09.1865, Busch Arch. 9 (1866), S.  388, 392. 867  Sächs. OAG v. 15.09.1865, Busch Arch. 9 (1866), S.  388, 392. 868  Sächs. OAG v. 15.09.1865, Busch Arch. 9 (1866), S.  388, 391. 869  Sächs. OAG v. Mai 1868, Siebenhaar Arch. 20 (1867), S.  276

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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In den letzten 30 Jahren des 19. Jahrhunderts werden sich das Bundes-/ 197 Reichsoberhandelsgericht und später das Reichsgericht870 deutlich und nachhaltig von der Idee der Rechtspersönlichkeit der OHG distanzieren.871 Schwierig ist aber, darüber hinaus eine klare Linie zur Frage der Subjektivität zu erkennen. Nicht wenige Entscheidungen sprechen der OHG ausdrücklich jede eigene Subjektivität ab872 oder identifizieren die einzelnen Gesellschafter als Subjekte des Gesellschaftsvermögens.873 Umgekehrt erkennen andere Entscheidungen die Gesellschaft als Subjekt an: Es werde durch die Gründung einer OHG, „wenn auch keine juristische Person, doch ein Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen (Art.  111 H.G.B.)“ geschaffen,874 so dass sie „insofern ganz unabhängig von den Personen der Gesellschafter ist, als sie neben denselben ein besonderes Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen bildet“.875 In einer Entscheidung zur Stempelsteuerpflicht bei der Übertragung eines Gesellschaftsanteils wird erklärt: 876 Als Subjekt des Gesellschaftsvermögens ist die Gesellschaft selbst, die unter ihrem Namen Rechte erwerben und Verpflichtungen übernehmen kann (Art.  111 H.G.B.), anzusehen. Sie ist Eigentümerin der zu diesem Vermögen gehörigen körperlichen Sachen und Gläubigerin in Ansehung der dazu gehörigen Forderungen. Daneben besteht ein Eigentum des einzelnen Gesellschafters an den körperlichen Sachen der Gesellschaft und ein Gläubigerrecht desselben an deren Forderungen weder in der Form eines nach Quoten 870  Ausgewertet zur Frage der Rechtsnatur der OHG wurden zahlreiche Entscheidungen des ROHG und des RG bereits von Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  58 ff., 71 ff. 871  BOHG v. 17.02.1871, 55/71, BOHGE 2, 36, 39; BOHG v. 14.03.1871, Calm WSchr 1 (1872), S.  94, 96 (li. Sp.); ROHG v. 28.01.1873, 866/72, ROHGE 9, 16, 17 f.; ROHG v. 04.02.1874, 128/74, ROHGE 12, 259, 261; ROHG v. 27.06.1874, 405/74, ROHGE 14, 3, 5; 20.06.1876, 735/76, ROHGE 20, 180, 181; ROHG v. 12.02.1879, 1638/78, ROHGE 25, 158, 161, 163; RG v. 08.12.1880, I 117/80, RGZ 3, 57; RG v. 09.07.1881, I 372/80, RGZ 5, 69, 71; RG v. 04.10.1881, III 549/81, RGZ 5, 51, 55; RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 16; RG v. 15.12.1886, I 348/86, RGZ 17, 365, 367; RG v. 26.04.1890, I 45/90, Gruchots Beiträge 34 (1890), 1220, 1222; RG v. 15.02.1892, VI 14/92, RGZ 30, 150, 152; RG v. 30.11.1892, I 282/92, RGZ 30, 33; RG v. 23.10.1893, IV 161/93, Gruchots Beiträge 38 (1894), 1061, 1063 f.; RG v. 15.12.1893, III 144/93, RGZ 32, 398 f.; RG v. 07.03.1895, VI 372/94, RGZ 35, 388, 389; RG v. 11.02.1896, III 328/95, RGZ 36, 139, 140; RG v. 14.10.1898, III 162/98, JW 1898, 609; RG v. 28.01.1899, I 423/98, RGZ 43, 81, 82; RG v. 24.03.1899, III 366/98, JW 1899, 320, 321; RG v. 28.11.1899, III 241/99, Gruchots Beiträge 45 (1901), S.  86. 872  ROHG v. 14.02.1872, 755/71, ROHGE 5, 204, 205. 873  RG v. 08.12.1880, I 117/80, RGZ 3, 57; RG v. 04.10.1881, III 549/81, RGZ 5, 51, 55; RG v. 24.06.1882, I 248/82, RGZ 9, 143, 144; RG v. 29.03.1884, I 51/84 (nicht veröffentlicht, zit. in: RG v. 15.12.1886, I 348/86, RGZ 17, 365, 368); RG v. 15.12.1886, I 348/86, RGZ 17, 365, 367; RG v. 30.11.1892, I 282/92, RGZ 30, 33, 35; RG v. 07.03.1895, VI 372/94, RGZ 35, 388, 389. 874  RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 16. 875  RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 17 f.; zu der Entscheidung auch Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  76. 876  RG v. 05.12.1889, IV 238/89, RGZ 25, 252, 256.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

geteilten Miteigentums an den einzelnen Sachen oder eines nach Quoten geteilten Gläubigerrechtes in Ansehung der Forderungen, noch auch in der Form eines nach Quoten geteilten Anteilsrechtes am ganzen Inbegriffe des Gesellschaftsvermögens. Der einzelne Gesellschafter hat als solcher, solange die Gesellschaft besteht, immer nur die aus dem Gesellschaftsvertrage sich ergebenden Ansprüche an die Gesellschaft, die ihm als Rechtsträgerin des Gesellschaftsvermögens gegenübersteht. Aber auch im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft wird dem Ausscheidenden das Recht auf einen verhältnismäßigen Anteil an den einzelnen Forderungen und sonstigen Vermögensstücken der Gesellschaft versagt und ihm nur ein Anspruch auf eine dem Werte seines Anteiles am Gesellschaftsvermögen entsprechende Geldsumme eingeräumt (Art.  131 a. a. O.).

Ein Urteil des ROHG sieht in der OHG sogar eine „Collectivperson“877 und rechtfertigt die Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern mit dem Argument, dass „man anderwärts diese Sätze nur von der Annahme der juristischen Person der Handelsgesellschaft aus zu erklären vermocht hat“, was beweise, „wie der Gesellschaft gegenüber nicht blos ein Gesellschafter als Einzelner, sondern auch alle Gesellschafter qua Einzelne als möglicher Gegensatz gedacht sind“.878 Manche Entscheidungen billigen (manchmal unter Verwendung des Begriffs „Prozessfähigkeit“879 ) der OHG ausdrücklich eine eigene Parteifähigkeit zu880 oder verwenden Formulierungen, die eine eigene Parteifähigkeit plausibel erscheinen lassen,881 so auch das Urteil des BOHG vom 17.02.1871, in welchem erklärt wird, es folge aus Art.  114, 117 ADHGB, dass die Gesellschafter „die ganze ‚Gesellschaft‘, d. h. eben die Gesammtheit der unter der Firma zur Gesellschaft verbundenen Gesellschaft als solche“ vertreten.882 Demgegenüber stehen aber auch Urteile, die die Gesellschafter – oft in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung – als die Parteien im Verfahren identifizieren.883 Manche Entscheidungen scheinen die Gesellschaft als solche 877 

ROHGE v. 25.06.1878, 572/78, ROHGE 24, 156, 160. ROHGE v. 25.06.1878, 572/78, ROHGE 24, 156, 161. 879  Zu der Terminologie s. Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  61. 880  ROHGE v. 12.05.1873, 208/73, ROHGE 10, 86, 90 (die „Prozeßfähigkeit“ der OHG unterliege „nach H.G.B Art.  111. 144. 137 keinem Zweifel“); ROHG v. 12.02.1879, 1638/78, ROHGE 25, 158, 161 („nach Art.  111 ff. ADHGB bilde die OHG einen „mit activer und passiver Prozeßfähigkeit ausgestatteten Vermögens-Inbegriff“); RG v. 09.06.1885, III 69/85, RGZ 14, 20 (das ADHGB habe der Gesellschaft „die Parteifähigkeit beigelegt“); RG v. 12.10.1894, II 185/94, RGZ 34, 360, 362 (durch die Liquidation einer OHG werde nicht „die Parteifähigkeit entzogen“); RG v. 03.05.1898, III 120/98, JW 1898, 420 („Die offene Handelsgesellschaft ist […] als solche parteifähig“); RG v. 12.10.1899, VI 328/95, RGZ 45, 340 („Der beschließende Senat trägt demgemäß kein Bedenken, anzunehmen, daß die Handelsgesellschaft in Liquidation […] im Prozesse, in dem sie klagt oder verklagt wird, als durch die Liquidatoren vertretene prozeßunfähige Partei zu erachten sei“). 881 ROHG v. 28.01.1873, 866/72, ROHGE 9, 16, 17 („Der Art.   111 des H.G.B.’s bestimmt, daß die offene Handelsgesellschaft unter ihrer Firma, d. h. in ihrer Eigenschaft als offene Handelsgesellschaft klagen und verklagt werden könne“). 882  BOHG v. 17.02.1871, BOHGE 2, 36, 39. 883  RG v. 08.12.1880, I 117/80, RGZ 3, 57 („[w]ird die offene Handelsgesellschaft unter 878 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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als Träger von Rechten zu sehen,884 andere bezeichnen hingegen die Gesellschafter als unmittelbar an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft berechtigt.885 In der Frage der Rechtssubjektivität der OHG ist eine einheitliche Linie der 198 höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu erkennen. Die Idee, die OHG sei „als Gesamtheit der verbundenen Gesellschafter rechts- und parteifähig“ anerkannt gewesen, ist zwar in zahlreichen Urteilen zu finden, nicht aber Ausdruck ständiger Rechtsprechung.886 Die Entscheidung des BOHG vom 17.02.1871,887 die Wertenbruch als „[g]rundlegend für die Rechtsträgereigenschaft und die Parteifähigkeit der OHG des ADHGB als Gesamtheit der verbundenen Gesellschafter“ ansieht,888 spricht zwar die Idee einer eigenen Parteifähigkeit der Gesellschaft (als Produkt der Gesellschafter in ihrer Verbundenheit) aus, es handelt sich bei dieser Erklärung aber nur um einen Tupfer im impressionistischen Bild, welches die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Frage der Subjektqualität der OHG insgesamt malt. Ihre Entscheidungen geben Sicherheit nur in zwei Punkten: auf der einen Seite in der Ablehnung der Rechtspersönlichkeit, auf der anderen Seite in der Anerkennung eines mehr oder weniger selbständigen, von den Privatvermögen zu unterscheidenden Gesellschaftsvermögens. Wertenbruch stellt fest, die in manchen Entscheidungen geäußerte Ableh- 199 nung eines Eigentumswechsels bei der Übertragung eines Grundstücks von einer Bruchteilsgemeinschaft auf eine personengleiche OHG habe in erster Linie ihrer Firma verklagt, so werden die einzelnen Gesellschafter verklagt“); RG v. 15.12.1886, I 348/86, RGZ 17, 365, 368 („Die in offener Handelsgesellschaft verbundenen Rechtssubjekte können in bezug auf ihren in dieser Verbindung bestehenden Rechts- und Pflichtenkreis unter der Gesellschaftsfirma vor Gericht klagen und verklagt werden“); RG v. 15.12.1893, III 144/93, RGZ 32, 398, 399 (es seien „die einzelnen Gesellschafter vereinigt die Träger des Gesellschaftsvermögens, daher in den von der Gesellschaft geführten Prozessen Partei“); RG v. 07.03.1895, VI 372/94, RGZ 35, 388, 389 („[k]lagt die Gesellschaft durch die sie vertretenden geschäftsführenden Mitglieder, so bilden gleichwohl die Gesellschafter in ihrer Verbindung als Gesellschaft die klagende Prozeßpartei“); RG v. 28.11.1899, III 214/99, Gruchots Beiträge 45 (1901), S.  86 („in den von der Gesellschaft geführten Prozessen [sind] die Gesellschafter in ihrer gesellschaftlichen Verbindung als die Partei anzusehen“). 884  ROHG v. 12.02.1879, 1638/78, ROHGE 25, 158, 161 (die OHG bilde einen „mit der Fähigkeit zum Erwebe von Rechten und zur Eingehung von Verbindlichkeiten […] ausgestatteten Vermögens-Inbegriff“); RG v. 12.07.1889, III 135/89, JW 1889, 345 („verfügungsberechtigt über das zum Gesellschaftsvermögen gehörende Eigenthum ist […] allein die Gesellschaft selbst“). 885  RG v. 15.02.1892, VI 14/92, RGZ 30, 150, 152 („wenn die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft Sachen, deren Miteigentümer zu ideellen Teilen sie bis dahin gewesen sind, zum Gesellschaftsvermögen machen, [wechseln] die Sachen ihren Eigentümer nicht“); RG v. 23.10.1893, Gruchots Beiträge 38 (1894), S.  1061, 1065 (mit einer gleichen Formel wie im Urteil vom 15.02.1892). 886  So aber im Grundsatz Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  69 f. (für das ROHG), 82 f. (für das RG). 887  BOHG v. 17.02.1871, BOHGE 2, 36, 39; zu der Entscheidung s. o., Rn.  197. 888  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  59.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

die Vermeidung eines Steuertatbestandes bezweckt, so dass jene Entscheidungen als Sonderfälle betrachtet werden sollten.889 Diese Feststellung trifft insofern zu, als sie aufzeigt, dass die Unstetigkeit der Rechtsprechung des Reichsgerichts oft das Ergebnis eines zweckorientierten Vorgehens der Richter war. In gleicher Weise wie das Gericht die Subjektivität der OHG ablehnt, um die Übertragung von Grundeigentum durch die Gesellschafter an die von ihnen selbst gebildete Gesellschaft steuerfrei zu stellen,890 kann es in einer anderen Sache die Subjektivität der OHG anerkennen, um dieselbe Stempelsteuerpflicht zu vermeiden, wenn einer der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet.891 Neben Gesichtspunkten der Einzelfallgerechtigkeit hat aber möglicherweise noch ein anderer Aspekt eine Rolle gespielt. In der Tat fällt auf, dass sich subjektfreundliche Entscheidungen insbesondere beim II. Zivilsenat des Reichsgerichts häufen. Zuständig für Zivilsachen des französischen Rechts,892 perpetuierte der II. Zivilsenat als „Rheinischer Senat“ die Tradition früherer Revisionsinstanzen, in denen französisches Recht zur Anwendung kam, und war dementsprechend mehrheitlich mit Juristen besetzt, die mit jener Rechtsmaterie vertraut waren.893 Möglicherweise hat die subjektfreundliche Linie französischrechtlicher Gerichte in Frankreich und in Deutschland in die Rechtsprechung des II. Zivilsenats eingewirkt. Bereits mit der Ablehnung der Rechtspersönlichkeit scheint sich der Senat schwer zu tun: Anders als die anderen Senate und zuvor das Reichsoberhandelsgericht, welche die Idee der Rechtspersönlichkeit der OHG immer wieder abgelehnt haben, lässt der Rheinische Senat in zwei Entscheidungen die Frage zunächst offen und stellt sowohl die Ablehnung als auch die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft als gleichberechtigte Ansichten gegenüber.894 In einem Urteil aus dem Jahre 1886 geht der Senat immerhin davon aus, dass durch die Gründung einer OHG, „wenn auch keine juristische Person, doch ein Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen (Art.  111 H.G.B.)“ geschaffen werde,895 so dass sie „ganz unabhängig von den Personen der Gesellschafter ist, als sie neben denselben ein besonderes Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen bildet“.896 Ein Jahr später scheint der Senat eine innere Überzeugung unter dem Mantel der herrschenden Meinung zu verbergen, indem er es bei der Feststellung belässt, die 889 

Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  82 f. v. 15.02.1892, VI 14/92, RGZ 30, 150, 152; RG v. 14.10.1898, III 162/98, JW 1898, 609. 891  RG v. 05.12.1889, IV 238/89, RGZ 25, 252, 256. 892  K. Müller, Hüter des Rechts (1997), S.  69. 893  Geyer, Code civil richtiger auslegen (2009), S.  112 ff. 894 RG v. 29.06.1883, II 170/83, RGZ 10, 301, 302; RG v. 22.06.1886, II 174/86, RGZ 16, 349, 350. 895  RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 16. 896  RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 16 f.; zu der Entscheidung auch Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  76. 890 RG

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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OHG bilde „nach der herrschenden Anschauung nicht ein von der Person der Gesellschafter verschiedenes Rechtssubjekt“.897 Einen allenfalls anekdotischen Wert hat in diesem Zusammenhang, dass der II. Zivilsenat des BGH mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft in seinem Urteil vom 29. Januar 2001898 an die subjektfreundliche Position der früheren Rechtsprechung des II. Zivilsenats des RG anknüpft. Beachtung verdient schließlich, welches rechtshistorische Verständnis die 200 Richter des Bundes-/Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts der Rechtsnatur der Handelsgesellschaft zugrunde legten. In einer frühen Rechtssache hatte das Bundesoberhandelsgericht u. a. zu entscheiden, ob dem Gesellschafter einer russischen Gesellschaft die Rechtsmacht zustand, im Namen der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter auf Rechnungslegung zu klagen. Das Gericht verneinte, dass das ADHGB und die besonderen Vorschriften zu Vertretung und Verselbständigung des Sondervermögens nur auf Handelsgesellschaften anzuwenden seien, die in einem (deutschen) Handelsregister eingetragen sind. Grundlage seiner (weiter ausgeführten) Argumentation war, dass die Vertretungsmacht des Gesellschafters „kraft weit verbreiteten Gewohnheitsrechts auch über Deutschland hinaus und in Deutschland selber lange vor Einführung des deutschen Handelsgesetzbuchs bestanden“ habe und dass „ein von dem Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter auch rechtlich unterschiedenes Gesellschaftsvermögen in mehr oder minder zahlreichen Folgesätzen durch Gesetzgebung und Gerichtsgebrauch auch solcher Länder anerkannt [wird], für welche eine dem gegenwärtigen Deutschen Handelsregister entsprechende Einrichtung nicht besteht“.899 In einem weiteren Urteil bemerkt das Gericht, die auch schon vor Inkrafttreten des ADHGB gewohnheitsrechtlich anerkannten Verselbständigungsmerkmale der Handelsgesellschaft beruhten auf „Bedürfnisse[n] des Handelsstandes“, dem „Handlungsfonds der Gesellschaft die wirthschaftliche Grundlage des Geschäftsbetriebes“ zu sichern.900 Dabei beruft sich das Gericht insbesondere auch auf die bereits in den ADHGB-Protokollen zur Sprache gekommene Feststellung zum Ursprung dieser Besonderheiten: Sie seien „aus der Gestaltung der Handelsgesellschaften in Italien herrührend, in Doctrin und Praxis auch in Deutschland recipirt und auch den großen, in Deutschland in Geltung befindlichen Civilgesetzbüchern entsprechend erachtet“ worden.901 In beiden Entscheidungen schätzt das Gericht damit durchaus richtig ein, dass die Besonderheiten des Handelsgesell897 

RG v. 03.05.1887, II 436/86, RGZ 18, 139, 140. BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. 899 BOHG v. 17.02.1871, 55/71, BOHGE 2, 36, 39 f.; zu der Entscheidung s. auch o., Rn.  197 f. 900  ROHG v. 25.06.1878, I 572/78, ROHGE 24, 156, 161. 901  ROHG v. 25.06.1878, I 572/78, ROHGE 24, 156, 161; das Gericht stützt sich womöglich auf die Passagen in J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1137 f.; s. dazu auch Werten­ bruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  66 f. 898 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

schaftsrechts im Vergleich zur juristischen Gestalt der römischen societas kein auf Deutschland begrenztes historisches Phänomen gewesen ist. Gerade vor dem Hintergrund der genuesischen Rechtsprechung und Gesetzgebung zu der Frage, die auf ganz Europa ausgestrahlt hat, erscheint der Verweis auf die italienische Herkunft jener Ideen treffend. Von einer genuin „deutschrechtlichen“ historischen Entwicklung gingen die Richter zu diesem Zeitpunkt nicht aus; dies wird sich erst um die Jahrhundertwende ändern.902 b)  Die Frage des Vermögens der OHG 201

202

Die Frage nach dem Grad der Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens wird in Rechtsprechung und Literatur nicht wesentlich klarer beantwortet als die Frage der Anerkennung oder Ablehnung einer eigenen gesellschaftsrechtlichen Subjektivität. In den Entscheidungen, in denen das Reichsgericht eine eigene Subjektivität der Gesellschaft bejaht, sieht es konsequenterweise auch die Gesellschaftsgegenstände von den Privatvermögen der Gesellschafter vollkommen losgelöst. In diesem Fall bestehe ein eigenes (anteiliges) Eigentum der Gesellschafter weder an den Gesellschaftsgegenständen noch am Inbegriff des Gesellschaftsvermögens.903 Zu einer geringeren Selbständigkeit des gesellschaftsrechtlichen Vermögens gelangt das Reichsgericht hingegen mit der Feststellung, es erfolge kein Eigentümerwechsel, wenn zwei Miteigentümer das gemeinsame Grundstück in eine von ihnen gebildete OHG einbringe, da dies lediglich zu einem Bestimmungswechsel für das Grundstück führe.904 Umgekehrt wird die Selbständigkeit des Sondervermögens wieder betont, wenn die Gerichte festhalten, dass dieselben Personen zwei verschiedene OHG gründen können und in diesem Fall die Gläubiger der einen Gesellschaft keinen (unmittelbaren) Zugriff auf das Vermögen der anderen Gesellschaft haben.905 Im Schrifttum neigt man zur Anerkennung eines eigenen Gesellschaftsvermögens eher als zur Anerkennung der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft, so Puchelt, der hervorhebt, dass „der einzelne Gesellschafter nur Rechte hat am Gesellschaftsvermögen als Vermögensbegriff (universitas), nicht aber einen verhältnißmäßigen Antheil an den einzelnen Aktiven der Gesellschaft“.906 In diesem Zusammenhang von Interesse ist die Frage nach dem Schicksal des Anteils eines ausscheidenden Gesellschafters. Das ADHGB bestimmte in Art.  131, dass sich der Ausscheidende mit einer Geldentschädigung zufriedengeben musste, wobei die Gesetzesmaterialien den Schluss zulassen, dass den 902 

S. u., Rn.  474. RG v. 05.12.1889, IV 238/89, RGZ 25, 252, 256. 904 RG v. 15.02.1892, IV 14/92, RGZ 30, 150, 152; genauso: RG v. 23.10.1893, IV 161/93, Gruchots Beiträge 38 (1894), S.   1061, 1064 f.; RG v. 24.03.1899, III 366/98, JW 1899, 320, 321 905  ROHG v. 25.06.1878, I 572/78, ROHGE 24, 156, 162 f.; RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 16, 17; RG v. 28.01.1899, I 423/98, RGZ 43, 81, 82. 906  Puchelt, ADHGB1 (1874), Art.  91, Anm.  6 , S.  149. 903 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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Ausscheidenden lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung treffen sollte, die Vermögensgegenstände an die fortgesetzte Gesellschaft (d. h. an die verbleibenden Gesellschafter) zu übertragen.907 Dieser Ansicht folgte offenbar auch das Reichsoberhandelsgericht, das das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft dahin verstand, jener „sei aus der Handelsgesellschaft […] in der Weise ausgeschieden, daß er die Activen derselben und unter ihnen die, jetzt im Streite befangene, Forderung seinem bisherigen Gesellschafter […] mit dem Recht der Fortführung der zeitherigen Firma überlassen und abgetreten habe“.908 Von einem „automatischen“ Übergang des Gesellschaftsvermögens auf den verbleibenden „Gesellschafter“ ging das Gericht also nicht aus. In der Literatur wurde aber auch vertreten, die Bildung eines separaten Gesellschaftsvermögens führe dazu, dass ein Anteil an den Gesellschaftsgegenständen dem einzelnen Gesellschafter gar nicht zustehe, so dass die Übertragung eines solchen bei Verlassen der Gesellschaft auch nicht in Betracht komme.909 Diese Sicht hat sich das Reichsgericht in der Folge zu eigen gemacht. Interessant ist der Wortlaut des Urteils vom 4. Februar 1882, welches den Art.  127, 130 und 131 ADHGB entnimmt, dass der Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters bei Fortführung der Gesellschaft „als Aufgabe des Mitrechtes an dem Gesellschaftsvermögen seitens des Ausscheidenden zu Gunsten der anderen Gesellschafter“ aufzufassen sei.910 In die gleiche Richtung weist auch die Bezugnahme des Reichsgerichts auf die Idee des „Verzichts“: „Der abgehende Gesellschafter verzichtet auf sein, die anderen einschränkendes aktuelles Recht, bezw. verliert es, und entsprechend diesem Wegfalle erweitern sich die Rechte der Zurückbleibenden“.911 Es ist nicht anzunehmen, dass hier eine Dereliktion seitens des ausscheidenden Gesellschafters ernsthaft zur Debatte stand. Möglich ist aber, dass sich das Gericht mit den Bezeichnungen „Aufgabe“ und „Verzicht“ auf einen entsprechenden Gedanken aus dem römischen Recht bezogen hat: Tatsächlich sah dieses vor, dass die Dereliktion des Miteigentümers dazu führt, dass der aufgegebene Anteil dem anderen zugutekommt.912 In einem späteren Urteil, welches bereits auf das neu kodifizierte HGB beruht, wird sich das Reichsgericht sogar ausdrücklich auf den Gedanken der römischrechtlichen Akkreszenz der Dereliktion im Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Anwachsung berufen.913 907 

S. o., Rn.  184 f. ROHG v. 27.06.1874, ROHGE 14, 3, 4. 909  v. Stubenrauch, Öst. HandelsR (1863), §  84, S.  2 20 (mit Bezug auf Art.  131 ADHGB in Fn.  5); W. Endemann, HandelsR (1865), §  45, S.  219 f.; Puchelt, ADHGB1 (1874), Art.  131, Anm.  2 , S.  222. 910 RG v. 04.02.1882, I 659/81, RGZ 7, 93, 94; s. auch RG v. 09.02.1884, I 494/83, RGZ 11, 123, 130 f. 911  RG v. 06.10.1886, I 239/86, RGZ 18, 39, 43 f. 912  Modestin, Dig. 41, 7, 3; dazu o., Rn.  20. 913  RG v. 23.02.1907, I 404/06, RGZ 65, 227, 235. 908 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

III.  Merkmale der Verselbständigung „herkömmlicher“ Gesellschaften 203

Anders als bei der Handelsgesellschaft verläuft die Entwicklung der „herkömmlichen“ Gesellschaften zunächst ruhiger. Ihre Rechtsnatur wird erst im ausgehenden 19. Jahrhundert einer breiteren Diskussion unterworfen. 1)  „Herkömmliche“ Gesellschaften und besondere parteifähige Vereinigungen

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Das BGB trat erst ab 1900 in Kraft, so dass im 19. Jahrhundert ein einheitliches bürgerliches Gesellschaftsrecht in Deutschland nicht existierte. Wenn hier „herkömmliche“ Gesellschaften untersucht werden, so sind damit jene Gesellschaftsformen gemeint, die Sachverhalte voraussetzen, welche nach 1900 regelmäßig zur Entstehung einer BGB-Gesellschaft geführt hätten. Betroffen sind damit u. a. die gemeinrechtlichen partiellen Sozietäten, die (nichthandelrechtliche) preußische „Besondere Gesellschaft“ i. S. d. PrALR I, 17, §§  183 ff. und die französische société civile gemäß Art.  1832 ff. C. civ. Nicht hierzu gehören die bereits behandelten Handelsgesellschaften; abzugrenzen sind die zu untersuchenden „herkömmlichen“ Gesellschaften aber auch von Personenvereinigungen, die zwar mangels staatlicher Privilegierung (etwa gemäß PrALR II, 6 §§  22 ff.914 ) nicht als juristische Personen anerkannt waren, welchen aber aufgrund besonderer Merkmale eine eigene Parteifähigkeit im Prozess in verschiedenen Gerichtsurteilen zugebilligt wurde.915 Wertenbruch hat einen Großteil jener Entscheidungen identifiziert und ausgewertet,916 so dass diese nicht mehr im Einzelnen behandelt werden müssen. Er sieht die Parteifähigkeit jener Gruppierungen dogmengeschichtlich als von „grundlegender Bedeutung für die Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft“.917 Es ist jedoch klarzustellen, dass die von ihm untersuchten Entscheidungen Personenzusammenschlüsse betreffen, die einerseits der Gegenseitigkeitshilfe verschrieben waren oder einen idealen 914 

Zur Privilegierung der Erlaubten Gesellschaft nach preußischem Recht, s. o., Rn.  112. Schöppenstuhl Jena v. August 1844 und Juristenfakultät Halle (als Oberberufungsinstanz) v. März 1845, WBl. Rechtsfälle 12 (1852), S.  324 ff., beide Entscheidungen teilweise auch abgedruckt in: Seuff. Arch. 6 (1853), S.  2 , 5 (Erholungsgesellschaften); HAppG Wiesbaden v. 10.06.1859, Busch Arch. 12 (1868), 403 ff. (Leseverein); HAppG Wiesbaden v. 01.04.1865, Busch Arch. 12 (1868), 406 (Schützenverein); OAG Darmstadt v. 12.09.1865, Seuff. Arch. 23 (1870), S.  324, 325 ff. (Gewerbebank); OG Wolfenbüttel v. 10.12.1869, Seuff. Arch. 25 (1871), S.  293, 294 ff. (Arbeiterkrankenkasse); ROHG v. 01.12.1871, 660/71, ROHGE 4, 199, 202 (Genossenschaft zur gegenseitigen Versicherung); ROHG v. 05.12.1871, 574/71, ROHGE 4, 208, 211 ff. (Vorschussverein); BayObGH v. 28.04.1877, Seuff. Arch. 33 (1878), S.   144, 145  f. (Dreschmaschinengenossenschaft); RG v. 30.04.1881, I 106/80, RGZ 4, 155 f. (Privatvereine nach Hamburger Recht); RG v. 04.11.1881, III 464/81, RGZ 7, 164, 168 ff. (Schifferzunft); RG v. 22.10.1882, II 24/82, RGZ 8, 121, 122 ff. (Bäckereikooperative). 916  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  112 ff. 917  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  112. 915 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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Zweck verfolgten und andererseits strukturell einer Körperschaft insofern angenähert waren, als sie eigene Anteile der Mitglieder am Gesellschaftsvermögen ausschlossen, vom Mitgliederwechsel unabhängig waren und regelmäßig von einem besonderen Organ geführt wurden. Es ist also nicht so – und wird von Wertenbruch auch nicht behauptet918 –, dass jene parteifähigen Gruppierungen des 19. Jahrhunderts auf Sachverhalte beruhen, die nach 1900 zur Gründung von BGB-Gesellschaften geführt hätten. Vielmehr handelte es sich um Vorläuferfiguren der späteren Vereine oder Genossenschaften i. S. d. Genossenschaftsgesetzes. Jene parteifähigen Gruppierungen des 19. Jahrhunderts sind i. Ü. auch von der germanistischen Literatur des 19. Jahrhunderts als „deutschrechtliche Genossenschaften“ qualifiziert, einem deutschrechtlichen Begriff der juristischen Persönlichkeit zugeordnet und scharf von den Handelsgesellschaften abgegrenzt worden.919 2)  Entwicklung in Literatur und Rechtsprechung a)  Die französische société civile als Vorbild? Der französische Gesetzgeber der napoleonischen Kodifikationen hatte ver- 205 mutlich nicht die Absicht, Personengesellschaften des Handels- und des Zivilrechts als Rechtssubjekte auszugestalten.920 Gleichwohl ist die Subjektivität der Personengesellschaften des Handelsrechts in der französischen Literatur und Rechtsprechung anerkannt worden.921 Auch für die Zivilgesellschaft der Art.  1832 ff. C. civ. wurde eine entsprechende Qualifikation früh in Betracht gezogen.922 Von besonderem Interesse sind die Ausführungen zur société civile in dem 206 von Toullier begonnenen und nach dessen Tod von Duvergier fortgesetzten Werk „Le droit civil français suivant l’ordre du code“, eine nach der Methodik der französischen exegetischen Schule des 19. Jahrhunderts übliche Kommentierung des Gesetzbuchs. Duvergier widmet dort über 50 Seiten der Frage, ob die société civile eine Rechtsperson („personne civile“) ist, was er mit Nachdruck bejaht.923 Dass der französische Gesetzgeber diesen Begriff selbst gar nicht verwende, sei insofern nicht verwunderlich, als die Gesetze Gebote tref918 Wertenbruch führt den Einfluss jener Gruppierungen auf die Konstruktion der BGB-Gesellschaft vielmehr darauf zurück, dass der BGB-Gesetzgeber sich von der in jenen Gruppierungen – wie in der OHG/KG – zum Ausdruck gekommenen „deutschrechtliche[n] Gestaltung“ inspiriert habe, Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  120 f. 919  S. u., Rn.  318 ff. 920  S. o., Rn.  121 ff. 921  S. o., Rn.  147 ff. 922 So etwa Le Clercq, Droit français VI (1811), S.   212 f., 223; s. aber Frémery, Droit commercial (1833), S.  34 f., der die Verselbständigung der Gesellschaft nur im Handelsrecht anerkennt. 923  Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  381 ff., S.  4 48 ff.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

fen, nicht aber wissenschaftliche Erörterungen enthalten sollen.924 Die Grundlage seiner Theorie der Rechtspersönlichkeit findet Duvergier hingegen bei den Autoren des Naturrechts. Er macht sich Wolffs Feststellung zu eigen, wonach der Mensch nur insoweit als eine persona moralis angesehen werde, wie er Subjekt von Pflichten und Rechten sei.925 Daraus zieht Duvergier folgenden Schluss: Wenn mehrere Einzelpersonen, infolge ihres Willens oder einer gesetzlichen Anordnung zu einer Einheit verbunden, über besondere Rechte verfügen, die sich von ihren eigenen Rechten unterscheiden, und wenn sie umgekehrt anderen Pflichten unterworfen seien, als jenen, für die sie privat haften, so müsse man daraus folgern, dass sie eine „Zivilperson“ bilden.926 Um diese Feststellung zu untermauern, zieht Duvergier auch Pufendorf heran und zitiert namentlich dessen Passagen zu den personae morales compositae, darunter auch die Stelle, in der erklärt wird, dass eine in der Weise zusammengesetzte Person manche Rechte und Vorteile innehaben könne, welche keinem der Mitglieder einzeln zustehen.927 Duvergier erklärt sodann, dass diese Kriterien auch auf die société civile zutreffen. Dass Letztere eigene Rechte und Verpflichtungen haben könne, die von denen der Gesellschafter getrennt werden müssten, leitet er aus dem Wortlaut verschiedener gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen des Code civil her, die die Gesellschaft sprachlich personifizieren, etwa Art.  1845 C. civ., wonach jeder Gesellschafter „Schuldner der Gesellschaft“ („débiteur envers la société“) in Bezug auf die von ihm versprochenen Beiträge sei.928 Der naturrechtliche Einfluss auf Duvergiers Begriff der „personne civile“ wird an anderer Stelle besonders deutlich. So greift Duvergier Toulliers Ansicht auf, eine Gesellschaft könne kein „moralisches Wesen“ sein, da Letzteres eine anerkannte bürgerliche Existenz („une existence civile reconnue“) zur Voraussetzung habe, wie etwa ein Hospiz, ein Kollegium oder ein ordnungsgemäß genehmigter Verein zu einem wohltätigen Zweck, und dass die Selbständigkeit des Rechtsträgers in der Weise konsolidiert sein müsse, dass er selbst im Falle des Todes aller seiner Mitglieder weiter Bestand hätte und nur durch Eingriff der öffentlichen Gewalt oder des Gesetzes beendet werden könnte.929 Dem entgegnet Duvergier, die genannten Eigenschaften der aufgezählten Einrichtungen 924 

Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  382, S.  4 48. Zu Wolffs Begriff der moralischen Person, s. o., Rn.  99. 926  Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.   382, S.  4 49: „Si donc plu­ sieurs individus, unis par un lien, effet de leur volonté ou résultat des dispositions de la loi, sont investis de certains droits particuliers, distincts de ceux qui sont propres à chacun d’eux; si réciproquement ils sont soumis à des devoirs, autres que ceux dont ils sont privativement tenus; il faut conclure qu’ils constituent une personne civile“. 927  Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  382, S.  450; zur persona moralis composita Pufendorfs, s. o., Rn.  98. 928  Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  382, S.  451; zur sprachlichen Personifizierung der Gesellschaft im Code civil, s. o., Rn.  121. 929  Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  383, S.  459. 925 

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mögen im Einzelnen Folgen der Rechtspersönlichkeit sein, notwendige Bedingungen für diese Einordnung bilden sie jedoch nicht.930 Entscheidend sei einzig, dass die „gesetzlichen Bestimmungen bestimmte Rechte und Verpflichtungen unmittelbar anerkennen oder (zumindest) voraussetzen, welche keiner einzelnen natürlichen Person eigen sind“.931 Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die Gründung der moralischen Person einen gemeinnützigen oder einen privaten Zweck verfolge.932 Duvergiers deutlichen Worte zur Verteidigung der Rechtspersönlichkeit der 208 société civile werden von der Rhetorik Troplongs noch übertroffen. Dieser bedauert, Toullier habe zwar der Gesellschaft (einschließlich der Handelsgesellschaften) die Rechtspersönlichkeit abgesprochen, doch sei dies zu einem Zeitpunkt geschehen, in welchem seine „brillante Lebensphase bereits dem traurigen Niedergang einer endenden Karriere gewichen gewesen sei; in der Reife seines prächtigen Talents hätte er es nämlich nie gewagt, einen der bekanntesten Grundsätze des Handelsrechts anzugreifen“.933 Kennzeichnend für Troplongs Eintreten für die Rechtspersönlichkeit der société civile ist sein Bezug auf die Rechtsgeschichte, dabei insbesondere auf das römische Recht. Es sei „unzweifelhaft“, dass die Gesellschaft bereits den römischen Autoren als ein moralisches Wesen („être moral“) erschienen sei.934 Dies ergebe sich etwa aus einer Florentinstelle935 zum Erbrecht, wonach die Erbmasse statt einer Person verwaltet werde, gleichwie eine Gemeinde, eine Dekurie und eine societas.936 Nun handelt es sich bei der in dieser Passage bezeichneten societas um eine körperschaftlich organisierte societas publicanorum,937 was Troplong offenbar bewusst ist, da er in der Folge darauf hinweist, dass die Römer nicht nur öffentliche Gesellschaften, sondern auch private und einfache Gesellschaften mit einem moralischen Körper versehen haben, selbst wenn dies weniger offensichtlich in Erscheinung getreten sei.938 Troplong939 stützt sich weiter auf mittelal930 

Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  383, S.  460. Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  383, S.  460 f.: „[L]orsque des dispositions légales reconnaissent directement ou présupposent certains droits et certaines obligations, lesquels ne sont propres à aucun individu physique“. 932  Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5 (1839), Rn.  383, S.  461, mit Hinweis auf Pufendorf, welcher sowohl öffentliche als auch private personae morales compositae anerkannt habe. 933  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  68, S.  88: „Mais lorsque M. Toullier écrivait ces lignes, sa brillante époque avait fait place au triste déclin d’une carrière qui finit. Dans la maturité de son beau talent, il n’aurait pas osé s’attaquer à l’un des principes les plus notoires du droit commercial […]“. 934  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  59, S.  7 7. 935  Florentin, Dig. 46, 1, 22. 936  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  59, S.  7 7. 937  Meissel, Societas (2004), S.  209. 938  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  61, S.  79 f., mit Verweis auf Paulus, Dig. 17, 2, 65, 14. 939  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  61 ff., S.  80 ff. 931 

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terliche und neuzeitliche Quellen, etwa auf Cujas940 und Antoine Favre941, aber auch auf Baldus942 und die Rota Genuensis943. Eine unmittelbare positivrechtliche Rechtfertigung der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft sieht er, wie Duvergier,944 in den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen des Code civil, die eine sprachliche Personifizierung der Gesellschaft vornehmen, und in der Eingabe der Cour d’appel von Rouen zum Entwurf des Code civil, in welcher die Frage erörtert wurde, ob die société civile eine „fiktive und moralische Person“ sei.945 Im Übrigen zieht er die französische Rechtsprechung heran, welche den Grundsatz der Rechtspersönlichkeit auch bei der société civile anerkannt habe.946 Schließlich ist festzuhalten, dass sich Troplong ebenfalls auf einen naturrechtlichen Begriff der Rechtsperson stützt. Er bezieht sich insbesondere auf Pufendorf, um zu verneinen, dass es zur Bildung eines „moralischen Wesens“ der staatlichen Genehmigung bedarf.947 Die französische Rechtsprechung neigt zunächst dazu, die Rechtspersönlichkeit der société civile nur mit Einschränkungen anzunehmen.948 Eine vorbehaltlose Anerkennung wird sie erst zum Ende des 19. Jahrhunderts in einer Entscheidung formulieren, in der sich die Cour de cassation ebenfalls auf die sprachliche Personifizierung der Gesellschaft in den betreffenden Vorschriften des Code civil stützt und daraus den Schluss zieht, die zivile Gesellschaft wie die Handelsgesellschaften seien „moralische Personen“, welche über eigene Rechte verfügen und insbesondere das Eigentumsrecht auf den „Gesellschaftsfonds“ ausüben.949 Es ist abschließend auf zwei Punkte hinzuweisen. Zum einen gilt bei der Anerkennung der Rechtspersönlichkeit der société civile die gleiche Beobachtung wie diejenige, die im Zusammenhang mit den französischen Handelsgesellschaften formuliert wurde,950 nämlich die dünne rechtsgeschichtliche und insbesondere positivrechtliche Legitimität jener Anerkennung, die im Code civil keine tragende Stützte findet. Auch hier kann man vermuten, dass dieses 940  Cujas, Resp. Pap. (1559), III, l. 82, Pro socio (S.  116 f.): „[O]mnis societas habet arcam pecuniamq[ue], sicut omne collegium & omnis universitas“; s. zur Cujasstelle auch Serrao in: Studi Volterra V (1971), S.  743, 745 (zu Fn.  5). 941  Favre, Rationalia III (1663), D. 17, 2, 65, 14 (S.  181): „Societas enim ipsa est quae debet, & arca communis quae inter socios fictae cuiusdam personae vicem obtinet“. 942  Baldus, Commentaria (1599), Cod. 4, 31, 9, Anm.  5, s. zu dieser Stelle o., Rn.  67 ff. 943  Zur Rolle der Rota Genuensis bei der Verselbständigung der Gesellschaft, s. o., Rn.  69. 944  S. o., Rn.  206 f. 945  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  66, S.  86 f.; zur Eingabe der Cour d’appel, s. o., Rn.  123. 946  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  67, S.  87 f. 947  Troplong, Société I (1843), Art.  1832, Rn.  69, S.  89. 948  S. etwa die vielzitierte Entscheidung C. cass. v. 08.11.1836, Sirey 1836.1.815 f. 949 C. cass. Req. v. 23.02.1891, DP 1891.1.337; abgedruckt auch in: Capitant/Terré/ Lequette, Grands arrêts I13 (2015), Nr.  19, S.  134 f., deutsche Übersetzung in Zeitschr. frz. ZivR 23 (1892), S.  32. 950  S. o., Rn.  149 ff.

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Ergebnis deshalb gewählt wurde, weil es rechtstechnisch und möglicherweise auch rechtspolitisch als die „bessere“ Lösung angesehen wurde und nicht, weil es sich aus den anwendbaren Vorschriften unmittelbar ergab. Der Schluss liegt nicht fern, dass die französische Rechtsprechung und Lehre insoweit in Wirklichkeit eine Rechtsfortbildung bewirkt haben. Die rechtsdogmatische Begründung kann hierbei als nachgelieferter Legitimationsversuch gewertet werden. Zum anderen erscheint der besondere Einfluss eines, vornehmlich auf die Rechtsfähigkeit reduzierten, naturrechtlich inspirierten Persönlichkeitsbegriffs in der französischen Literatur beachtenswert. Von geringerer Bedeutung bei der Gestaltung des französischen Begriffs der personne morale (bzw. des „être moral“, des „être fictif“ o. Ä. als Synonyme) war somit offenbar die aus dem römischen Recht entnommene Lehre der universitas, welche über die Rechtsfähigkeit hinaus die Unabhängigkeit vom Wechsel oder vom Wegfall der Mitglieder, die Befreiung jener Mitglieder von der Haftung der universitas sowie insbesondere die staatliche Genehmigung als Gründungsvoraussetzungen nennt. Ganz ohne Einfluss waren die römischrechtlichen Grundsätze freilich nicht, was sich daran zeigt, dass Duvergier und Troplong sich veranlasst sehen, die fehlende Notwendigkeit weiterer Kriterien als die der Rechtsfähigkeit – unter Rückgriff auf naturrechtliche Autoren – besonders zu rechtfertigen. b)  Die Entwicklung bei deutschen Autoren und Gerichten Der Begriff der „bürgerlichrechtlichen Gesellschaft“ ist mangels einheitlicher 211 Gesetzgebung Mitte des 19. Jahrhundert noch nicht etabliert, die Terminologie ist vielmehr vielseitig und spiegelt insofern die Partikularität des deutschen Privatrechts wider. Es findet sich teilweise der übergreifende Ausdruck „Gesellschaft gemeinen Rechts“ oder auch ausweichend „gewöhnliche Gesellschaft“ wieder, womit jedenfalls kenntlich gemacht wird, dass keine Handelsgesellschaften gemeint sind. Im Einzelnen handelt es sich um Gesellschaften, deren Grundsätze etwa aus der römischen societas, der französischen zivilrechtlichen société, der preußischen Besonderen Gesellschaft oder der österreichischen bürgerlichrechtlichen Gesellschaft gespeist werden. Die rechtliche Qualifizierung jener herkömmlichen Gesellschaften folgt den 212 in den entsprechenden Ländern jeweils geltenden Vorschriften. Ihnen ist gemeinsam, dass für sie eine Anerkennung der Rechtspersönlichkeit nicht in Frage kommt. Eine Rezeption der französischen Idee, die société civile als eigenständiges „moralisches Wesen“ aufzufassen, findet selbst in den deutschen Gebieten des französischen Rechts nicht statt. Der Rheinische Appellationsgerichtshof verwirft 1830 die Aktivlegitimation einer „Privatgesellschaft“ mit dem Argument, es stehen derselben „die Rechte einer Corporation nicht“ zu.951 Auch im Schrifttum zum rheinischen und badischen Recht wird der Ge951 

S. AGH Köln v. 29.12.1830, Rhein. Arch. 15 (1831), 1, S.  100 f.

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danke der Personifizierung der zivilen Gesellschaft einmütig abgelehnt.952 In den übrigen Territorien Deutschlands wird diese Idee zunächst vergleichsweise wenig diskutiert. Schriften zum römischen bzw. gemeinen Recht gehen naturgemäß von Miteigentum bzw. einer communio als Grundlage der Gesellschaft aus.953 Nur im fortschreitenden Verlauf des Jahrhunderts geben sich manche Autoren überhaupt erst die Mühe, auch ausdrücklich festzustellen, dass bei einer societas eine juristische Person nicht entsteht.954 Stimmen aus der germanistischen Schule setzen ihren Fokus in erster Linie auf die Handelsgesellschaften; 955 einen Widerspruch gegen die Ausgestaltung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach den Grundsätzen der römischen societas formulieren sie zunächst nicht.956 Zum preußischen Recht wird die Rechtspersönlichkeit ebenfalls verneint,957 zum Teil auch gar nicht erst in Betracht gezogen958 und die communio (Gemeinschaft) als Grundlage der Gesellschaft gesehen.959 Ein ähnliches Bild zeigt sich in Schriften zu anderen Partikularrechten Deutschlands.960 Bezeichnend ist die Richtigstellung des preußischen Revisionsgesetzgebers mit Blick auf PrALR I, 17, §  199, dass „die Grundstücke nicht auf den Namen der Gesellschaft, sondern nur auf den Namen der Gesellschafter einge952 S. Zachariae, Frz. CivilR II4 (1837), §   383, S.  458, Fn.  8; Zachariae/Anschütz, Frz. CivilR II5 (1853), §  377 (S.  458, Fn. *), §  383 (S.  471, Fn.  8); Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR II7 (1886), §  377, S.  597, Fn.  1a; Marcadé/Mourlon/Pfaff, Frz. CivilR II (1865), S.  406.; Behaghel, Bad. bürg. R. (1869), §  227, S.  709; zur Diskussion s. auch Kaiser, Personenhandelsgesellschaften (1995), S.  21 ff. 953 S. Puchta/Rudorff, Pandekten8 (1856), §  370, S.  539, §  371, S.  541; für Verfügungsfreiheit der Gesellschafter über ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen: Seuffert, PandektenR II3 (1852), §  350, S.  249 (soweit keine „vertragsmäßige Beschränkungen“ vorliegen), und Koch, Forderungen III 2 (1859), §  306, S.  637; für Gerber, System6 (1858), §§  195 ff., S.  475 ff., scheint sich die Frage für gemeinrechtliche Gesellschaften erst gar nicht zu stellen; s. auch K. B. Esmarch, Pandekten (1860), §§  380 ff., S.  117 ff.; Arndts v. Arnesberg, Pandekten9 (1877), §  318, S.  542 f.; Engelmann, Preuß. PrivatR1 (1883), §  165, S.  255; Dernburg, Pandekten II1 (1886), §  124, S.  322, §  126, S.  326, §  127, S.  329. 954 S. etwa Keller, Pandekten (1861), §   346, S.  653; Windscheid, Pandektenrecht II.21 (1866), §  407, S.  141; v. Wächter, Pandekten II (1881), §  211, S.  482; Dernburg, Pandekten I1 (1884), §  61, S.  141 f.; entsprechend zum sächsischen bürgerlichen Recht: Pöschmann in: Siebenhaar, Commentar II(1865), §  1359, S.  306. 955  S. etwa Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  435 ff. 956 S. Bluntschli, DPR1 II (1854), §  133, S.  86, welcher die römischen Grundsätze für „Gelegenheitsgesellschaften“ als „unbedenklich“ einstuft; Beseler, System 2 (1866), §  71, S.  253, sieht bereits Handelsgesellschaften lediglich als (modifizierte) Sozietäten römischen Rechts an; Nichthandelsgesellschaften erwähnt er nicht, was den Schluss zulässt, dass er diese gänzlich dem römischen Recht zuordnet; auch Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  435 ff., wird seine Gesamthandtheorie nur anhand der Handelsgesellschaft erproben. 957 S. Förster, Preuß. PrivatR II 3 (1873), §  143, S.  332 f. 958 S. Evelt, Preuß. CivilR (1854), §§  2 25 ff., S.  302 ff. 959  Förster, Preuß. PrivatR II 3 (1873), §  143, S.  332. 960  S. etwa Bertram, Nass. PrivatR 2 (1878), §§  1236 ff., S.  434 ff. (Gesellschaft als reine Innengesellschaft ausgestaltet); Neumann/Levy, Fft. PrivR (1897), S.  99 f. (solidarische Haftung der Gesellschafter als einziges Merkmal einer Außengesellschaft).

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tragen werden können, weil die Letzteren niemals eine moralische Person darstellen, es sey denn, daß sie die Rechte der Korporationen erlangt hätten“.961 Ein entsprechender Hinweis war bereits bei Autoren zum Preußischen ALR zu finden gewesen.962 Weniger einheitlich beantwortet wird die Frage, inwieweit auch bei Gesell- 213 schaften außerhalb des Handelsrechts Merkmale einer Absonderung des Gesellschaftsvermögens zutage treten, insbesondere ob die Gesellschafter die (anteilige) Verfügungsbefugnis in Bezug auf in die Gesellschaft eingebrachten Vermögensgegenstände verlieren. Für das preußische Recht wird dies bejaht.963 Das verwundert nicht weiter, da es vor Inkrafttreten des ADHGB sowohl Handelsgesellschaften als auch Nichthandelsgesellschaften unter dem Überbegriff „Besondere Gesellschaften“ fasste,964 für welche insgesamt die preußische Rechtsprechung um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein individuelles Verfügungsverbot der einzelnen Gesellschafter in Bezug auf ihre „Anteile“ an dem Gesellschaftsverbot anerkannt hatte.965 Daran sollte sich weder durch die geplante Revision des Preußischen ALR 966 noch daran etwas ändern, dass das ADHGB die Handelsgesellschaften aus dem Regelungsbereich des PrALR herausnahm, die Besonderen Gesellschaften also hauptsächlich nur noch für jene Gesellschaftstypen Anwendung fanden, die nach 1900 die Form bürgerlichrechtlicher Gesellschaften einnehmen sollten. Auffällig in diesem Zusammenhang ist, dass die Autoren im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Entwicklung in Bezug auf das Verständnis des in dieser Weise ausgestalteten preußischen Gesellschaftsrechts durchgehen. Es eignen sich nun auch Autoren außerhalb der germanistischen Schule die Idee an, die preußische Besonderheit eines verdichteten Gesellschaftsvermögens beruhe auf einer Ausgestaltung altdeutscher Rechtsgrundsätze. Anschaulich ist eine Passage Dernburgs aus seinem Lehrbuch zum preußischen Privatrecht, in der er die gesellschaftsrechtliche Verselbständigung des Vermögens beschreibt. Noch in der 1882 erschiene961 PrALRRevMot. (1833), S.   20, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision II.2.1 (1982), S. [350]; s. dazu bereits Röh, ALR-Gesellschaften (1995), S.  59. 962 S. Graevell, Lehre (1817), §  6 42 f. (S.  2 21), §  740 (S.  251 f.); Bielitz, ALR-Komm. III (1825), S.  753 (I, 17, §§  189–205). 963  Koch, Forderungen III 2 (1859), §  306, S.  637 f. (mit Verweis auf PrALR I, 17, §§ 217 f.); Dernburg, Preuß. PrivatR II3 (1882), §  217, S.  628 f.; Leske, Vergleichende Darstellung I (1900), S.  291, Fn.  4 (mit Verweis auf PrALR I, 17, 10); Boyens in: Gutachten aus dem Anwaltstande II (1890), S.  1029 (mit Verweis auf PrALR I, 17, § 266); wohl auch Löher, Preuß. LandR (1852), §  47, S.  226. 964  Zur „besonderen Gesellschaft“, s. o., Rn.  113 f. 965  S. o., Rn.  137. 966  Vgl. §  4 48 PrBGB-E, in: Schubert/Regge, Gesetzesrevision II.2.2 (1982), S. [621] f.: „Bei gemeinschaftlichem Eigenthum, welches weder durch Vertrag noch durch Verordnung eines Dritten entstanden, ist jeder Mitegenthümer seinen Antheil auch einem Fremden zu überlassen wohl befugt […]“; hieraus wird deutlich, dass die Verfügung über den Anteil eines gemeinschaftlichen Gesellschaftsvermögens gerade nicht möglich sein soll.

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nen dritten Auflage geht er nicht auf den Herkunft dieser Regel ein.967 In der nachfolgenden Auflage legt er hingegen Wert auf die Feststellung, jene Regelung beruhen auf altdeutschen Prinzipien.968 Diese Formulierung und Dernburgs vorangehende Ausführungen erwecken den Eindruck, dass das römische Recht das deutsche Gesellschaftsrecht zwar weitgehend bestimmt habe, dass aber mit dem unabhängigen Gesellschaftsvermögen im preußischen Recht eine historische Kontinuität aus althergebrachten altdeutschen Grundsätzen gewahrt worden sei. Eine solche Interpretation erscheint in Anbetracht der seit der Neuzeit stattfindenden gemeineuropäischen Entwicklung in dieser Beziehung freilich zweifelhaft. Unabhängig davon sah das PrALR in seiner in Kraft getretenen Fassung auch keine Vorschriften vor, die eine Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens zweifelsfrei ausgesprochen hätten.969 Wenn die preußische Rechtsprechung und Literatur eine solche Verselbständigung in Form eines dinglichen Verfügungsverbots in späterer Zeit anerkannt hat, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese Maßnahme auf pragmatische Gesichtspunkte aufbaute und möglicherweise in erster Linie auf die Handelsgesellschaften zielte, die damals noch zu der Kategorie „Besondere Gesellschaften“ gehörten. Für das gemeine Recht wird ein dingliches Verfügungsverbot der Gesellschafter bzgl. ihrer Anteile an den Gesellschaftsgegenständen nach wie vor verneint.970 Zwar hält Otto Brandis fest, dass es nicht zum Wesen der Sozietät gehöre, „dass jedem socius als solchem Verfügungsrecht über diejenigen Vermögenstheile zusteht, auf welche die für den Zweck des Unternehmens erforderlichen Handlungen zu richten sind“,971 doch das von ihm zitierte Urteil scheint eher auf ein rein schuldrechtliches, nur zwischen den Gesellschaftern geltendes Verfügungsverbot hinzuweisen.972 Auch aus zwei weiteren Urteilen entnimmt Brandis973 zu Unrecht, es sei „unzulässig, daß ein Gesellschafter an seinem Einschuß (bestehend in Grundstücken) fortbestehendes Privatei967  Dernburg, Preuß. PrivatR II 3 (1882), §  217, S.  628 f.: „Das preußische Recht hingegen behandelt das Gesellschaftsvermögen nach Innen hin als eine Einheit der Art, daß es dem einzelnen Gesellschafter nur einen Antheil an dem Ganzen und an dem sich schließlich ergebenden Vermögensstand, nicht aber an den einzelnen dem Inbegriff des Vermögens zugehörigen Objekten zuerkennt“. 968  Dernburg, Preuß. PrivatR II4 (1889), §   217, S.   671: „Das preußische Recht, auf ­deutschrechtlichem Boden stehend, behandelt dagegen das Gesellschaftsvermögen als eine Einheit der Art, daß es dem einzelnen Gesellschafter nur einen Antheil an dem Ganzen, nicht aber an den einzelnen dem Inbegriff des Vermögens zugehörigen Objekten zuerkennt“. 969  S. o., Rn.  113 f. 970  Buchka, Vergleichende Darstellung (1897), §  20, S.  131; Förtsch, Vergleichende Darstellung (1897), S.  275; Kuhlenbeck, Pandekten II (1899), §  47, S.  319. 971  Brandis, Hamb. Praxis (1888), S.  161. 972  S. OAG Lübeck (Blumenthal/Strauss) v. 28.09.1868, HGZ-B 2 (1869), Nr.  113, S.  150, 152; Kierulff Slg. 5 (1869), Nr.  32, S.  198, 201 f. 973  Brandis, Hamb. Praxis, S.  161.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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genthum beanspruche974 bzw. dass eine Privatverbindlichkeit nicht mit einer Gesellschaftsforderung aufgerechnet werden könne.975 Demgegenüber weisen manche Autoren darauf hin, dass die Gesellschaft gemeinen Rechts immerhin durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung zu einer Verdichtung des Gesellschaftsvermögens finden kann.976 In den deutschen Gebieten des französischen Zivilrechts macht sich zwar der Einfluss der französischen Rechtsprechung in Richtung einer Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens zunächst bemerkbar,977 der Zugriff der Gläubiger eines Gesellschafters auf dessen Anteil an den Gesellschaftsgütern wird aber von der h. L. offenbar bejaht,978 die die Gesellschaft bürgerlichen Rechts somit ebenfalls auf einer schlichten Bruchteilsgemeinschaft aufbauen lässt, bei der eine Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens keinen Platz hatte. 3)  Die bürgerlichrechtliche Gesellschaft in den neuen Kodifikationen und Entwürfen a)  Die BGB-Entwürfe und Kodifikationen der Länder aa)  Der Hessische Entwurf (1842–1853) Den Anfang der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert beginnenden zivil- 215 rechtlichen Kodifikationsbestrebungen im bürgerlichen Recht macht das Großherzogtum Hessen mit seinem in den 1840er und 1850er Jahren veröffentlichten BGB-Entwurf. In den Beratungen war der damals in Rheinhessen noch in 974  S. NG Lübeck (Nölting/Marburg) v. 10.02.1879, HGZ-B 12 (1879), Nr.  86, S.  145 f.; in Wirklichkeit war nicht die Gesellschaft als Eigentümerin, sondern der andere Gesellschafter als Alleineigentümer eingetragen. 975 S. Hanseat. OLG (Pantaenius/Springer) v. 18.03.1882, HGZ-B 15 (1882), Nr.   40, S.  49 f.; in Wirklichkeit handelte es sich hier nicht um eine Sozietät des gemeinen (bürgerlichen) Rechts, sondern um eine OHG. 976 S. Boyens in: Gutachten II (1888/89), S.  1034 f.; Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  672; zu den Möglichkeiten der rechtsgeschäftlichen Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens im römischen Recht, s. o., Rn.  31 ff. 977 Mit Verweis auf die französische Rechtsprechung vertritt Thilo, Frz. CivGB II ([1839]), Art.  1863, Anm.  3, S.  589, dass bei bürgerlichrechtlichen Gesellschaften die Gesellschaftsgläubiger aus den Gesellschaftsgütern „mit Vorrang vor den persönlichen Gläubigern eines jeden Gesellschafters“ zu befriedigen sind. 978 S. insbesondere Entwurf HessBGB IV.2.1 (1853), S.   104; s. auch Zachariae, Frz. ­CivilR II4 (1837), §  383, S.  458; Zachariae/Anschütz, Frz. CivilR II 5 (1853), §  383, S.  471, Fn.  8 ; Zachariae/Puchelt, Frz. CivilR II6 (1875), §  383, S.  575 f., Fn.  8 ; Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR II7 (1886), §  383, S.  612, Fn.  8 ; eine etwas differenzierende Position nimmt Carl Crome in der letzten Auflage ein, der den Zugriff der Gesellschaftergläubiger auf das Gesellschaftsvermögen zwar verneint, die Aufrechnung zwischen Gesellschafterschuld und (anteiliger) Gesellschafterforderung hingegen bejaht, s. Zachariae/Crome, Frz. CivilR II8 (1894), §  363, S.  617 f.; s. ferner Stabel, Inst. frz. CivilR (1871), §  205, S.  490; für Verfügungsrecht des Gesellschafters auch Marcadé/Mourlon/Pfaff, Frz. CivilR II (1865), S.  406; Behaghel, Bad. bürg. R. (1869), §  228, S.  711 (allerdings nur den Anteil als Ganzes, nicht der Anteil an bestimmten Gesellschaftsgütern).

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Kraft befindliche Code civil zur Grundlage genommen worden,979 auch die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften (HessBGB-E IV, 2, Art.  360 ff.980 ) gleichen in Systematik, teilweise auch im Wortlaut den Bestimmungen des „contrat de société“ im Code civil. Die rechtliche Ausgestaltung der Gesellschaft des Entwurfs wird insbesondere im Zusammenspiel folgender Vorschriften deutlich: HessBGB-E IV, 2, Art.  370 Abs.  1: 981 Sind Vermögensbeiträge zu leisten und solche zum Gemeingute der Gesellschaft bestimmt worden (Art.  363), so muß der Gesellschafter das Miteigenthum an den von ihm beizutragenden Sachen auf die übrigen Gesellschafter nach Maasgabe der, in dem Tit. III vom Eigenthum enthaltenen, allgemeinen Vorschriften übertragen […]. HessBGB-E II, 3, Art.  2 Abs.  2 : 982 (1) Das Eigenthum ist entweder Allein- oder Miteigenthum, je nachdem es einer oder mehreren Personen an derselben Sache zusteht. (2) Eine und die nämliche Sache kann nur nach gedachten (ideellen) Theilen Gegenstand des Eigenthums mehrerer Personen zugleich sein. (3) Jeder Miteigenthümer ist ausschließlich und für sich über den ihm gebührenden gedachten (ideellen) Theil zu verfügen berechtigt. Verfügungen über den ganzen Gegenstand können dagegen rechtsgültig nur mit Einwilligung aller Miteigenthümer getroffen werden.

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Aus der ersten Bestimmung geht hervor, dass die Gesellschafter bei der Leistung ihrer Vermögensbeiträge an die Gesellschaft in Wirklichkeit nur Mit­ eigentumsanteile an die anderen Gesellschafter übertragen.983 Durch die Bezugnahme auf die Vorschriften des Titel III (vom Eigentum), konkret auf HessBGB-E IV, 3, Art.  370, wird deutlich, dass jeder Gesellschafter Miteigentümer der Gesellschaftsgegenstände nach ideellen Anteilen wird und insbesondere über den jeweiligen Anteil dinglich verfügungsberechtigt und -befugt ist. Es handelt sich also nicht um ein gebundenes „Gesamteigentum“. Daraus ist auch zu folgern, dass Privatgläubiger eines der Gesellschafter auf dessen Anteil an den Gesellschaftsgütern zugreifen können. Diese Regelung entspricht der gemeinrechtlichen Konzeption der societas. Der Erwähnung bedarf schließlich die Vorschrift von HessBGB-E IV, 2, Art.  382,984 wonach jeder Gesellschafter, „insoweit keine vertragsmäßige oder gesetzliche Beschränkung vorliegt, über seinen Antheil an dem Gesellschaftsvermögen frei verfügen“ kann. Dies liest sich auf den ersten Blick wie eine dingliche Verfügungsmacht. In Wirklichkeit dürfte damit aber nur eine grundsätzlich bestehende schuldrechtliche Berechtigung eines jeden Gesellschafters 979 

So die HessBGB-Mot., in: Entwurf HessBGB I.2 (1842), S.  4. Entwurf HessBGB IV.2.1 (1853), S.  98 ff. 981  Entwurf HessBGB IV.2.1 (1853), S.  101. 982  Entwurf HessBGB II.1 (1845), S.  19. 983  Die Motive liefern hierzu keine weiteren Einzelheiten, s. HessBGB-Mot., in: Entwurf HessBGB IV.2.2 (1853), S.  145 f. 984  Entwurf HessBGB IV.2.1 (1853), S.  104. 980 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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ausgesprochen sein, über seinen Anteil an Gesellschaftsgegenständen zu verfügen. Die Vorschrift ist im Grunde umgekehrt zu lesen: Mit ihr ist vermutlich gemeint, dass die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen und der Gesellschaftsvertrag den jeweiligen Gesellschafter (schuldrechtlich) verpflichten können, die Verfügung über ihre jeweiligen Anteile an bestimmten Gesellschaftsgütern zu unterlassen. Dazu passt die Erklärung der Motive, „daß ein Gesellschafter über seinen Antheil an dem Gesellschaftsvermögen nur unbeschadet seiner Verpflichtungen gegen die übrigen Mitgesellschafter verfügen“ könne.985 bb)  Der Bayerische Entwurf (1861–1864) Im Königreich Bayern war das Ziel einer privatrechtlichen Kodifikation bereits 217 als Postulat der Verfassungsurkunde von 1818 festgeschrieben gewesen.986 Die Herausarbeitung des Entwurfs eines bayerischen BGB wurde in den 1850er Jahren veranlasst und mündete in die Veröffentlichung von Vorschriften zu den Rechtsgeschäften und dem Recht der Schuldverhältnisse (nebst Motiven) im Jahre 1861 sowie von Vorschriften zum Sachenrecht (ebenfalls nebst Motiven) im Jahre 1864.987 Anders als der Hessische Entwurf liegt der Bayerische Entwurf nicht dem Code civil zugrunde, sondern folgt dem moderneren Aufbau der Pandektenwissenschaft,988 dem später auch das gesamtdeutsche BGB folgen wird. Gegenstand des Entwurfs von 1861 war u. a. die Regelung des bürgerlichen 218 Gesellschaftsrechts. Indizien, die auf eine Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens hindeuten, sucht man vergeblich. Ähnlich wie HessBGB-E IV, 2, Art.  370, regelt Art.  543 Abs.  1 BayBGB-E, dass der Gesellschafter, der durch den Vertrag zur Einbringung des Eigentums von Sachen verpflichtet ist, „den übrigen Gesellschaftern das Miteigenthum derselben zu übertragen“ hat. Es ist also auch hier von einer individualistisch-gemeinrechtlichen Konstruktion des Gesellschaftsrechts auszugehen, die den einzelnen Gesellschaftern nicht die dingliche Verfügungsmacht über die ihnen zustehenden Anteile an den Gesellschaftsgütern entzieht. Die gleiche Bedeutung wie im Hessischen Entwurf dürfte auch Art.  558 Abs.  1 BayBGB‑E haben, wonach jeder Gesellschafter „über seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen frei verfügen“ könne. Über das „rechtliche Können“ jedes Gesellschafters in Bezug auf Verfügungen über jeweilige Anteile an den Vermögensgegenständen sagt diese Vorschrift wohl nichts aus. In Wirklichkeit handelt es sich vermutlich auch hier um einen – gesetzestechnisch wenig geglückten – Hinweis darauf, dass jeder Gesellschafter nur im Grundsatz über seinen Anteil an den Gesellschaftsgegenständen zu ver985 

Entwurf HessBGB IV.2.2 (1853), S.  152. Motive BayBGB (1861), S. III. 987 Zum Gang der Kodifikationsarbeiten, Dölemeyer in: Coing, Quellen III.2 (1982), S.  1476 ff. 988  Motive BayBGB I (1861), S. V. 986 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

fügen schuldrechtlich berechtigt ist, unbeschadet seiner Verpflichtung gegenüber den übrigen Gesellschaftern, entsprechende Verfügungen dann zu unterlassen, wenn sie dem Gesellschaftszweck zuwiderlaufen.989 cc)  Das sächsische BGB von 1865 219

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Nachdem in Sachsen bereits im 18. Jahrhundert Initiativen für eine neue kürzere und klarere Privatrechtsgesetzgebung aufgekommen waren, ist nach mehreren Anläufen in den 1840er und vor allem in den 1850er Jahren ein Entwurf des sächsischen BGB angefertigt worden, welches nach mehrmaliger Überarbeitung im Jahre 1865 in Kraft getreten ist.990 Das Regelwerk sieht in §  1366 SächsBGB eine Vorschrift vor, welche in die gleiche Richtung wie die des Art.  543 Abs.  1 BayBGB-E zielt: „Geht der Zweck der Gesellschaft auf gemeinschaftlichen Erwerb, so ist zu vermuthen, daß, wenn vertretbare Sachen eingebracht werden, eine Gemeinschaft des Eigenthums, wenn unvertretbare Sachen eingebracht werden, eine Gemeinschaft der Benutzung besteht […]“. Die knappen Motive von 1861 erläutern den Text nicht weiter,991 doch ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter nach Einbringung von Vermögensgegenständen in die Gesellschaft nach den Vorschriften des Miteigentums (§  329 SächsBGB) ein anteiliges Verfügungsrecht an den jeweiligen Gegenständen behielten bzw. erlangten.992 Andere Formen gemeinschaftlichen Eigentums, etwa ein „Gesamthandeigentum“, kennt das Gesetzbuch nicht, insbesondere war auf eine Kodifikation des deutschrechtlichen Gesamteigentums („dominium plurium in solidum“) 993 mangels praktischer Relevanz überhaupt verzichtet worden.994 Wenn indes Gierke im sächsischen bürgerlichen Gesellschaftsrecht den Gedanken der gesamten Hand ausgedrückt sieht,995 so bezie-

989  Vgl. Motive BayBGB I (1861), S.  176: „Die vermöge des Gesellschaftsvertrages entstehende Rechtsgemeinschaft hindert die Theilhaber nicht, über die Vermögensrechte, welche zu einer Gemeinschaft vereinigt sind, zu verfügen, insoweit die Ausübung derselben während des Bestandes der Gesellschaft nicht durch den Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder stillschweigend beschränkt ist, so kann z. B. die Forderung, welche dem Gesellschafter auf die Wertherstattung einer von ihm zum Gemeingute der Gesellschaft eingebrachten Sache zusteht, sowie die Forderung eines Gesellschafters auf den zu vertheilenden Gewinn oder auf Erstattung von Auslagen, die er als Mandatar der Gesellschaft anzusprechen hat, an einen Dritten abgetreten werden“. 990  Dölemeyer in: Coing, Quellen III.2 (1982), S.  1540 ff. 991  Sächs. BGB Motive (1861), S.  825. 992  S. entsprechend H. Rosenthal, BGB3 (1900), Vor §  705, Anm.  1, S.  2 21. 993  Zur der Figur, s. u., Rn.  296 ff. 994  Dazu u., Rn.  311. 995  Gierke, DPR I (1905), §  80, S.  672.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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hen sich die von ihm zitierten §§  1367996 , 1383997 und 1386998 auf die Geschäftsführung und die Weiterführung der Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters. Die Frage der rechtlichen Ausgestaltung der der Gesellschaft zugeordneten Vermögensgüter betreffen sie nicht. Nachdem die Schlacht über die Einführung des Gesamthandprinzips als Grundlage des Gesellschaftsrechts zu seinen Gunsten geschlagen war, räumt Gierke im 1917 erschienenen dritten Band seines Privatrechts auch selbst ein, dass u. a. das sächsische BGB „prinzipiell am römischen Sozietätsbegriff“ festgehalten habe.999 b)  Der Dresdner Entwurf von 1866 aa)  Einsetzung und Vorgehensweise der Dresdner Kommission Nach mehreren Anstößen in der Bundesversammlung wurde in den 1860er 221 Jahren eine in Dresden tagende Kommission zur Erstellung des Entwurfs eines einheitlichen deutschen Obligationenrechts gebildet. Die Kommission, welche sich aus sieben bis acht Mitgliedern zusammensetzte,1000 beauftragte zunächst einen „Vorbereitenden Ausschuss“ aus ihrer Mitte, auf Grundlage des bayerischen BGB-Entwurfs und unter Beiziehung u. a. der sächsischen und hessischen BGB-Entwürfe eine Vorlage zu erstellen (sog. „Anlage B“ oder „Vorlage des vorbereitenden Ausschusses).1001 Ebenso wurde aus ihrer Mitte ein „Redactionsausschuss“ gebildet, welcher nach Beratung der Kommission über die Vorlage der Anlage B eine aktualisierte Vorlage anfertigen sollte (sog. „Anlage E“ oder „Vorlage des Redactionsausschusses“).1002 Nach erneuter Beratung über diese Vorlage sollte die Kommission über einen eigenen Entwurf beschließen (sog. „Anlage F“ oder „Redigirte Beschlüsse“), welcher nochmals zum Gegenstand einer Revision gemacht wurde („Revidirte Fassung“ oder „Erste Lesung“).1003 Eine kurze Zweite Lesung brachte schließlich 1866 den „Dresdner

996  §  1367 SächsBGB: „Die Führung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten steht allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Gesellschaftsbeschlüsse können nur mit Einwilligung aller Gesellschafter gefaßt werden. Soll vertragsmäßig die Stimmenmehrheit entscheiden, so ist im Zweifel die Mehrheit nach der Personenzahl zu berechnen“. 997  §  1383 SächsBGB: „Die Gesellschaft erlöscht, wenn nicht der Uebergang auf die Erben verabredet worden ist, mit dem Tode eines Gesellschafters, von der Zeit an, wo die sämmtlichen übrigen Gesellschafter den Tod erfahren haben“. 998  §  1386 SächsBGB: „Setzen die übrigen Gesellschafter nach dem Austritte eines Gesellschafters in Folge von dessen Kündigung, Tod, Handlungsunfähigkeit oder Concurs, die Gesellschaft fort, so ist dieß, wenn nicht ein Anderes bestimmt worden, als eine neue Gesellschaft anzusehen“. 999  Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  833, Fn.  17. 1000  Zu den Kommissionsmitgliedern, s. Schubert, Prot. DrsdE I (1984), S. XIV f. 1001  DrsdE-Prot. zur 2. Sitzung v. 12.01.1863, in: Schubert, Prot. DrsdE I (1984), S.  5 f.; s. insbesondere auch Schubert, a. a. O., Inhaltsübersicht über die Bände 1–6. 1002  Schubert, Prot. DrsdE I (1984), S. XXI. 1003  Schubert, Prot. DrsdE I (1984), S. XXI.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Entwurf“ hervor,1004 der sodann an die Bundesversammlung überwiesen wurde.1005 Zu einer Fortführung der Arbeiten kam es bekanntlich nicht.1006 bb)  Die „Gemeine Gesellschaft“ (Art.  769 ff. DrsdE) 222

Wie die Entwürfe Hessens und Bayerns sowie das sächsische BGB folgen die Regelungen des Dresdner Entwurfs zur „Gemeinen Gesellschaft“ dem gemeinrechtlichen Leitbild der societas. Offenbar wird dies in den folgenden Vorschriften: 1007 Art.  771. (1) Die beizutragenden Gegenstände können zum gemeinschaftlichen Eigenthum der Gesellschafter oder nur zu deren Gebrauch oder Benutzung bestimmt sein. (2) Wenn Geld oder andere vertretbare Sachen, oder wenn unvertretbare Sachen nach einer nicht blos zum Zwecke der Gewinntheilung erfolgten Schätzung eingebracht werden, so werden sie dem Eigenthum nach gemeinschaftlich. Art.  772. Sind die beizutragenden Sachen zum gemeinschaftlichen Eigenthum der ­ esellschafter bestimmt, so hat der Beitragspflichtige Alles zu thun, was seinerseits erforG derlich ist, um den Uebergang des Miteigenthums auf die Mitgesellschafter zu be­wirken. Bestehen die Beiträge in Forderungen, so gehen diese mit der von dem Beitragspflichtigen abgegebenen Beitragserklärung verhältnismäßig auf die übrigen Gesell­schaf­­ter über. Art.  773. An den dem Eigenthum nach eingebrachten Sachen steht allen Gesellschaftern, ohne Rücksicht auf die Art ihrer Beiträge, gemeinschaftliches Eigenthum im Zweifel nach gleichen Antheilen zu.

Die Verwendung des Begriffs „gemeinschaftliches Eigenthum“1008 in den drei Artikeln, insbesondere aber die Erwähnung von (ideellen) Anteilen in Art.  773 lassen vermuten, dass hier eine römischrechtlich ausgerichtete Bruchteilsgemeinschaft gemeint war.1009 Diese Feststellung schien den Kommissionsmitgliedern offenbar derart selbstverständlich, dass sie jedenfalls nicht als allgemeines Prinzip in den Protokollen hervorgehoben wurde. Es war auch nicht primäres Ziel von Art.  773, erkennbar zu machen, dass die Gesellschafter ideelles Anteilseigentum und nicht etwa ein gebundenes „Gesamteigentum“ an den Gesellschaftsgegenständen erhielten, sondern klarzustellen, dass im Zweifel auch derjenige Gesellschafter, dessen Beitrag nur in Form einer Arbeitsleistung besteht, Anteilseigentümer an den Vermögensgütern wird.1010 Lediglich 1004 

Schubert, Prot. DrsdE I (1984), S. XXI. Dölemeyer in: Coing, Quellen III.2 (1982), S.  1562 ff. 1006  Zu den Gründen, Dölemeyer in: Coing, Quellen III.2, S.  1568. 1007  S. dazu die Protokolle der 189. Sitzung v. 15.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2763 (Beratung der Anlage B), der 201. Sitzung v. 09.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2933 (Beratung der Anlage E). 1008  In den Protokollen der 189. Sitzung v. 15.11.1864 findet sich durchgehend der Begriff „Miteigenthum“, s. Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2764 ff. 1009  So auch Blath, Societas (2010), S.  2 25. 1010 S. die Protokolle der 189. Sitzung v. 15.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2769 f. 1005 

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in manchen Passagen der Protokolle schimmert die Auffassung der Kommission zur rechtlichen Struktur der gemeinen Gemeinschaft durch,1011 so in der Äußerung eines Mitglieds zu der Tatsache, dass man sich bei der Ausgestaltung der Gemeinen Gesellschaft in einzelnen Punkten vom Gesellschaftsrecht des ADHGB habe leiten lassen: Es „könne darüber ein Zweifel nicht obwalten, daß von den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches diejenigen auf die gemeine, offene Gesellschaft keine Anwendung finden können, welche aus dem Principe der collectiven Personeneinheit der Handelsgesellschaft folgen“.1012 Auf den ersten Blick gegen eine rein römischrechtlich inspirierte Konstrukti- 223 on der Gemeinen Gesellschaft könnte Art.  803 Abs.  2 DrsdE sprechen, der das Los der Gesellschaftsgüter bei Beendigung der Gesellschaft regelt: „Sind Sachen dem Eigenthum nach eingebracht worden, so können die Gesellschafter, welche dieselben eingebracht haben, nicht die Rückgabe der eingebrachten Sachen selbst, sondern nur die Erstattung des […] Werthes der Beiträge verlangen, soweit das bei Auflösung des Gesellschaftsvertrages vorhandene gemeinschaftliche Vermögen nach Abzug der Schulden dazu hinreicht“.1013 Tatsächlich sollte mit dieser Vorschrift aber nicht indiziert werden, dass die Gesellschafter bereits durch die Beitragsleistung keine dinglichen Rechte mehr an den Gesellschaftssachen mehr hatten bzw. das Eigentum an den Einlagen an eine wie auch immer geartete Gesellschaft „als solche“ oder an einen selbständigen Gesellschaftsfonds verloren haben. Art.  803 Abs.  2 DrsdE formuliert lediglich, dass der Beitragende keinen Anspruch gegen seine Mitgesellschafter auf Übertragung von deren Miteigentumsanteilen an dem betreffenden Beitragsgut hat, sondern u. U. im Gegenteil (schuldrechtlich) verpflichtet ist, wie alle anderen Gesellschafter auch, die Verwertung seines dinglichen Anteils zur Begleichung der Gesellschaftsschulden zu dulden.1014 Ohne Erkenntnisgewinn für die rechtliche Konstruktion der Gemeinen Ge- 224 sellschaft ist wiederum Art.  791 Satz  2 DrsdE: „Wenn ein Gesellschafter einseitig an seinem Antheile einem Dritten Theil giebt oder seinen Antheil veräußert, 1011  Vgl. auch die Protokolle der 201. Sitzung v. 09.01.1865 in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2932, in denen die „gemeine Gesellschaft“ i. S. d. Entwurfs mit der gemeinrechtlichen (also römischrechtlich inspirierten) Gesellschaft gleichgestellt wird: „gemeine (sc. gemeinrechtliche) Gesellschaft“. 1012  Protokolle der 189. Sitzung v. 15.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2759. 1013 Eine entsprechende Regelung galt auch für den ausscheidenden Gesellschafter bei Fortführung der Gesellschaft durch die verbleibenden Gesellschafter (Art.  807 Satz  2 DrsdE), welche auf dem ersten Blick wie eine frühe Kodifizierung einer Anwachsungsregelung aussieht, in Wirklichkeit aber, wie Art.  803 Abs.  2 , als (schuldrechtliche) Verpflichtung des ausscheidenden Gesellschafters zu verstehen ist, gegen Ersatz des Werts seines Sachbeitrags seinen Anteil an den Gesellschaftsgegenständen an die verbleibenden Gesellschafter zu übereignen. 1014  Vgl. dazu die Protokolle der 195. Sitzung v. 30.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2845 ff.

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so gehen die Rechte des Ersteren aus dem Gesellschaftsvertrage […] nicht auf den Dritten über“. Diese Vorschrift gleicht Regelungen, die in ähnlicher Form auch in den Kodifikationen Hessens, Bayerns und Sachsens aufgenommen worden waren und dort trotz des Wortlauts in Wirklichkeit nicht die dingliche Verfügungsmacht der einzelnen Gesellschafter über ihren jeweiligen Anteil an den Gesellschaftsgegenständen betreffen sollten.1015 Auch im Dresdner Entwurf war der Zweck ein anderer. In der Vorgängerversion der Vorlage des vorbereitenden Ausschusses (Art.  835 Anlage B1016) war noch von der „Veräußerung“ des „Gesellschaftsantheils“ die Rede, was aber nicht als Übertragung eines „Gesellschaftsanteils“ als Vermögensgegenstand an sich zu verstehen war, sondern als Vereinbarung, durch die sich der Gesellschafter gegenüber dem Dritten verpflichtete, diesem alle Vermögensvorteile herauszugeben, die er fortan aus der Gesellschaft ziehen würde; 1017 man könnte dies mit dem heute geläufigen Begriff der Übertragung des „wirtschaftlichen Eigentums“ vergleichen. Die Frage der dinglichen Verfügungsmacht der einzelnen Gesellschafter war mit dieser Vorschrift also nicht angesprochen; 1018 diese folgte vielmehr allein aus dem gemeinrechtlichen Verständnis der Gesellschaft. cc)  Die Collectivgesellschaften 225

In den Beratungen zum Dresdner Entwurf verfolgte man die Absicht, neben der römischrechtlich inspirierten Gemeinen Gesellschaft auch andere Gesellschaftsformen zu schaffen, welche eine starke rechtliche Verselbständigung gegenüber den Gesellschaftern aufweisen sollten und deren Zweck es war, praktischen Bedürfnissen außerhalb des seit Inkrafttreten des ADHGB technisch abgegrenzten Handelsrechts entgegen zu kommen. Die Kommission betrat in dieser Hinsicht Neuland; dem Bayerischen Entwurf, an dem man sich bei der Erstellung des Dresdner Entwurfs orientieren wollte,1019 waren solche gesellschaftsrechtlichen Parallelformen unbekannt. Als Vorbild mögen die preußischen Regelungen zur Besonderen Gesellschaft, vor allem aber zur Erlaubten Privatgesellschaft gedient haben,1020 aus deren Wortlaut entsprechende 1015 

S. o., Rn.  216 ff. Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2841, 2844. 1017 Vgl. die Protokolle der 194. Sitzung v. 28.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2843: „Der Herr Referent erinnerte, daß zwar nicht das Rechtsverhältniß aus dem Gesellschaftsvertrag an sich, so doch jedenfalls die aus dem Gesellschaftsverhältnisse dem einen Gesellschafter an die übrigen bereits erwachsenen Ansprüche, wie jede andere Forderung übertragbar seien“. 1018  In den Vorarbeiten zum BGB wird diese Vorschrift hingegen als Klarstellung der den Gesellschaftern verbleibenden Verfügungsmacht über ihre Anteile an den Gesellschaftsgütern verstanden werden, mit dem Hinweis, dass „die Gesellschaftsantheile von dem Privatvermögen der Gesellschafter nicht unterschieden werden“, s. BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S.  19, in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  49. 1019  S. o., Rn.  2 21. 1020  S. o., Rn.  112 ff. 1016 

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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Verselbständigungsmerkmale aber nicht klar hervortraten, sondern erst durch die in Literatur und Rechtsprechung vorgenommene Auslegung anerkannt wurden.1021 Mit diesem Kodifikationsversuch überschritt die Kommission die Grenzen ihres eigentlichen Auftrags, da sie damit ihren Entwurf nicht auf schuldrechtliche Vorschriften beschränkte, sondern auch das Recht der Rechtssubjekte gestaltete. Unter dem Überbegriff der „Collectivgesellschaft“ gefasst, unterscheidet der Entwurf zwischen der „Erwerbsgesellschaft“ und der „Nichterwerbsgesellschaft“, wobei die Erwerbsgesellschaft ihrerseits sowohl als „Offene Gesellschaft“ oder als „Actiengesellschaft“ ausgestaltet werden konnte. Die Struktur der Nichterwerbsgesellschaft hing indessen maßgeblich von ihren Statuten ab, die ihr eine große Flexibilität ermöglichte. Von Bedeutung sind folgende Vorschriften: 2. Collectivgesellschaft a. Erwerbsgesellschaft aa. Offene Gesellschaft Art.  810. (1) Wollen bei einer Erwerbsgesellschaft, welche nicht Handelsgesellschaft oder Actiengesellschaft ist, die Gesellschafter unter einem gemeinsamen Namen (Gesellschaftsnamen) auftreten, so finden auf eine solche Gesellschaft die Vorschriften des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches über die offene Handelsgesellschaft Art.  85 Abs.  2 , Art.  86 bis 93, 94 Abs.  2 Art.  95, 98 bis 149, ferner Art.  12 bis 14, 17 Abs.  1 und 3, Art.  42 bis 45, Art.  52 bis 56 mit der Maßgabe Anwendung, daß die Vorschriften über die Handelsbücher der Handelsgesellschaft für die Geschäftsbücher der Erwerbsgesellschaft und die Vorschriften über die Firma einer Handelsgesellschaft für den Gesellschaftsnamen gelten, welchem eine kurze Bezeichnung des Gesellschaftszweckes beizufügen ist. (2) […] bb. Actiengesellschaft Art.  811. Auf Actiengesellschaften, welche nicht Handelsgesellschaften sind, finden die Vorschriften des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches Art.  18, 207 bis 249, ferner Art.  12 bis 14 mit der Maßgabe Anwendung, daß die Vorschriften der Art.  245, 246 über die Handelsbücher der Gesellschaft für die Geschäftsbücher einer solchen Actiengesellschaft gelten. b. Nichterwerbsgesellschaft Art.  812. (1) Wollen bei einer Gesellschaft, welche weder eine offene Erwerbs- oder Handelsgesellschaft, noch eine Actiengesellschaft ist, die Gesellschafter unter einem Gesellschaftsnamen auftreten, so bedarf es zur Entstehung einer solchen Gesellschaft der Aufnahme einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde über die Errichtung und den Inhalt des Statuts, sowie der Eintragung des letzteren in das Handelsregister. (2) […] […]

1021 

S. o., Rn.  138.

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Art.  816. Sollen die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Collectivgesellschaft persönlich haften, so ist mit dem Statute ein Verzeichniß der Gesellschafter zur Eintragung in das Handelsregister dem Gerichte zu übergeben […]. Art.  819. Die Collectivgesellschaft kann als solche Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Sie kann insbesondere auch Wechsel […] ausstellen, sie kann Eigenthum und andere Sachen erwerben und es ist in diesem Falle die Gesellschaft unter ihrem Namen, ohne Benennung der jeweiligen Gesellschafter, in die öffentlichen Bücher einzutragen. Sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden. […] Art.  822. Das Vermögen der Collectivgesellschaft gehört der Gesammtheit der jeweiligen Gesellschafter; dasselbe darf während der Dauer der Gesellschaft seiner ursprünglichen Bestimmung oder statutenmäßigen Verwendung nicht entzogen werden.

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Der Idee, neben der gemeinen Gesellschaft zusätzlich selbständigere Gesellschaftsformen einzuführen, war vom Vorbereitenden Ausschuss bereits zu Beginn der Beratungen der Kommission zum Gesellschaftsrecht geäußert1022 und von der Kommission mehrheitlich angenommen1023 worden. Es ging darum, die Gründung von Aktiengesellschaften zu ermöglichen, die keinen handelsrechtlichen Gesellschaftszweck im Sinne des ADHGB verfolgten,1024 insbesondere aber auch darum, einen legislativen Rahmen für „die sogenannten Collectivgenossenschaften“ zu schaffen, „z. B. Versicherungsanstalten, Consumvereine, Vereine für Beschaffung von Rohmaterial und ähnliche Vereinigungen“, die sich darin auszeichnen, dass „unterschiedlich von dem Gesellschaftsvertrage, die Gesammtheit der Mitglieder nach außen hin nur als eine einzige, wenn auch nicht ganz, wie eine juristische Person, doch wenigstens dieser ähnlich agire“.1025 Auffallend ist die Flexibilität der Gestalt der Nichterwerbsgesellschaft: Je nach Statuten konnte sie so konzipiert werden, dass die einzelnen Mitglieder für die Gesellschaftsschulden haften oder nicht haften (Art.  816 DrsdE), wobei in den Beratungen vermutet wurde, dass die erstere Alternative „bei solchen Vereinen nicht oft vorkommen werde“.1026 Der Vorstoß der Kommission erfolgte offenbar als Reaktion auf die Problematik historisch etablierter oder ad hoc geschaffener Personenvereinigungen zu idealen Zwecken oder zu Zwecken der Gegenseitigkeitshilfe, deren Parteifähigkeit bereits in einigen Gerichtsurteilen anerkannt worden war, welche aber mangels staatlicher Privi-

1022  Protokolle der 188. Sitzung v. 14.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2743 ff. 1023  Protokolle der 188. Sitzung v. 14.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2747. 1024  Protokolle der 188. Sitzung v. 14.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2743 f. 1025  Protokolle der 188. Sitzung v. 14.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2744. 1026  Protokolle der 188. Sitzung v. 14.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2746.

§  4.  Verselbständigungsmerkmale im deutschen Gesellschaftsrecht

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legierung nicht unter den Begriff der juristischen Person fallen durften.1027 Es überrascht nicht, dass die Rechtsnatur jener zu schaffenden Collectivgesellschaften unter den Mitgliedern der Kommission stark umstritten war: Ein Kommissionsmitglied vertritt die Ansicht, jene Collectivgesellschaft stelle lediglich in formeller Hinsicht ein Rechtssubjekt dar, während die Gesellschafter „nicht aufhören, die Vermögenssubjekte in materieller Beziehung zu sein“.1028 Ein anderes Kommissionsmitglied qualifiziert jene Personenvereinigungen als „deutsche[n] Collectivgesellschaft“,1029 für welche die Grundsätze der römischrechtlichen societas nicht weiterführend seien.1030 Ein weiteres Mitglied scheint wiederum der Idee der Rechtspersönlichkeit anzuhängen,1031 hält es aber letztlich für gleichgültig, ob man jene Vereinigungen „juristische Personen oder anders nennen“ wolle.1032 Die Problematik der Rechtsperson war an diesem Termin lange debattiert worden: Die Sitzung wurde schließlich „[w]egen vorgerückter Zeit“ auf den nächsten Morgen vertagt.1033 Die Diskussion lehnt sich offenbar an die bereits einige Jahre zuvor geführte Debatte zur Rechtsnatur der Handelsgesellschaften an. Gleichwohl wird es gegenüber dem späteren Recht der Personengesellschaften lediglich bei inhaltlichen Berührungen bleiben und nicht zu genetischen Verbindungen kommen: Das Recht der Nichterwerbsgesellschaften lebt im heutigen Vereinsrecht weiter, nicht im heutigen Recht der BGB-Gesellschaft und der Personengesellschaften des Handelsrechts. Die Idee der Schaffung einer eigenen, von den anderen Collectivgesellschaf- 227 ten abgeschiedenen „Offenen Erwerbsgesellschaft“ entstand erst im späteren Verlauf der Beratungen.1034 Zuvor war man von einem einheitlichen Typ der (nicht aktienrechtlichen) Collectivgesellschaft ausgegangen, der sowohl einem Erwerbs- als auch Nichterwerbszwecken offenstehen sollte.1035 Zweck war es, eine Gesellschaftsform für solche nichthandelsrechtlichen Unternehmungen zu 1027 

S. o., Rn.  204. Protokolle der 203. Sitzung v. 13.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2965. 1029  Protokolle der 203. Sitzung v. 13.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2971. 1030  Protokolle der 203. Sitzung v. 13.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2970. 1031  Protokolle der 188. Sitzung v. 14.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2744; dabei handelt es sich um den Referenten des Vorbereitenden Ausschusses, Eduard Siebenhaar, dazu Schubert, Prot. DrsdE I (1865/1984), S. XXI. 1032  Protokolle der 203. Sitzung v. 13.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2974. 1033  Protokolle der 203. Sitzung v. 13.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2976. 1034  S. den Antrag in den Protokollen der 208. Sitzung v. 21.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  3036 ff.; erwogen worden war die Idee von einem Kommissionsmitglied schon in der 205. Sitzung v. 16.01.1865, Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  2998 f. 1035  Protokolle der 203. Sitzung v. 13.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), 1028 

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1. Kapitel:  Inhaltliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

stellen, für die eigentlich die Gesellschaftsform der OHG am besten geeignet wäre, welche aber wegen der engen Kaufmannsdefinition im ADHGB (vgl. Art.  1, 271 ff.) nicht zur Verfügung stand und insbesondere keine Unternehmungen über Grundstücke umfasste (Art.  275 ADHGB), worunter auch Vermietungen1036 und offenbar auch die Bewirtschaftung von Grundstücken verstanden wurden. In den Beratungen des ADHGB hatte man zumindest bei den Mietverträgen zunächst gezögert, sich letztlich aber für einen engeren Kaufmannsbegriff entschieden: Man hatte sich darauf verständigt, dass in Einzelfällen durchaus auch bei Grundstücksmietverträgen (genannt wurden Lagerräume, Messlokalitäten) ein Bedürfnis für die Zuständigkeit der Handelsgerichte – in Hinblick auf deren beschleunigte Verfahren – bestand, dass dieses Bedürfnis aber zumindest in Teilen durch besondere prozessrechtliche Vorschriften bereits befriedigt worden sei.1037 An ein Bedürfnis für einen weiteren Kaufmannsbegriff in Hinblick auf erweiterte Möglichkeiten der Gesellschaftsgründung hatte man bei den ADHGB-Beratungen offenbar nicht gedacht. Diese Lücke zu schließen, war daher die Absicht der Dresdner Kommission. In ihrem Fokus standen etwa „Gesellschaften, welche Producenten (z. B. die Eigenthümer von Kohlen- und Torflagern, oder Forsten und von größeren Landgütern überhaupt) zur Ausbeutung der Produkte ihres Grundbesitzes und zur Umgestaltung dieser Produkte schlössen“.1038 An der Definition des Kaufmannsbegriffs wollte die Kommission wohl nichts ändern – und sie konnte es auch nicht. Sie entschloss sich daher zu einer Übernahme der Regelungen der OHG des ADHGB für die von ihr als zweckmäßig angesehenen Fälle, insbesondere anwendbar sollten somit auch die Art.  111 ff. ADHGB sein, durch die die Erwerbsgesellschaft u. a. über ein verselbständigtes Vermögen und über die Fähigkeit verfügen sollte, unter ihrem Gesellschaftsnamen Rechte zu erwerben sowie Verbindlichkeiten einzugehen. Die Bestimmungen des Dresdner Entwurfs sind bekanntlich nicht geltendes Recht geworden, so dass der Gedanke verselbständigter Nebenformen „bürgerlichrechtlicher“ Gesellschaften vorerst ruhen musste – bis zu den Beratungen des BGB, in denen zumindest die Idee der Erwerbscollectivgesellschaft des Dresdner Entwurfs wieder aufgegriffen wurde.1039

S.  2964 ff.; s. auch die Protokolle der 205. Sitzung v. 16.01.1865, in: Schubert, a. a. O., S.  2996. 1036  S. die Protokolle der Beratungen des ADHGB, 161. Sitzung v. 27.01.1858, J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1300 ff. 1037  ADHGB-Protokolle der 161. Sitzung v. 27.01.1858, J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1300 ff. 1038  Protokolle der 208. Sitzung v. 21.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1865/1984), S.  3036. 1039  S. u., Rn.  430.

2. Kapitel

Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: alte Figuren der gesamten Hand Der Begriff „Gesamthand“ ist keine neue Wortschöpfung und datiert auch 229 nicht erst aus dem 19. Jahrhundert. Gierke lässt die in mittelalterlichen Quellen zu findende Bezeichnung „dem alten Rechtsbrauche“ entstammen, „die Verbundenheit der Subjekte bei einer gemeinsamen Erwerbs-, Verfügungs- oder Verpflichtungshandlung durch das Sinnbild einer Verschlingung der Hände anschaulich zu machen“.1 Da sich der Ausdruck aber schnell von seinem ursprünglichen Sinnbild als Rechtsbegriff selbständig gemacht habe, sei es nun erlaubt, ihn auch „für ganz moderne Bildungen“ zu gebrauchen.2 Aus der Passage erschließt sich jedoch nicht, welche alten Institute bereits in der Vergangenheit mit dem Begriff „gesamte Hand“ belegt waren und welche nicht. Nachweise dafür, dass die von Gierke nachfolgend untersuchten Rechtsinstitute der „Ganerbschaft“3 , der Erbverbrüderung und der Reederei in alten Quellen als „gesamte Hand“ bezeichnet wurden, liefert Gierke nicht.4 Es soll hier daher der Versuch unternommen werden, die verschiedenen Ursprünge des Begriffs zu identifizieren und ihre jeweilige Bedeutung nachzuzeichnen, die teilweise auch dem Wandel der Zeit unterworfen ist.

1 S. Gierke, DPR I (1895), §  80. S.  664; er verweist in einer Fußnote auf Publikationen, die ihrerseits den Ausdruck der gesamten Hand aus mittelalterlichen Urkunden entnehmen. 2 S. Gierke, DPR I (1895), §  80. S.  664. 3  Die Ganerbschaft wird immer wieder im Zusammenhang mit der Figur der gesamten Hand untersucht, s. etwa Buchda in: HRG I1 (1971), „Gesamthand, gesamte Hand“, Sp.  1588; Lepsius in: HRG II 2 (2012), „Gesamthand, Gesamte Hand“, Sp.  265; Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  79 ff. 4 In Hermann, Lexicon (1739), S.  432, findet sich freilich unter dem Stichwort „Gan-Erben“ der Satz: „Die Gelegenheit zu solcher vieler Geschlechter hat das vor dem Land-Frieden üblich gewesene Faust-Recht gegeben, welches den Adel und andere, auch wohl Höhere nöthigte, daß ihrer viel in gewisse Schlösser, oder auch sonsten sich zusammen thaten, und einander mit gesamter Hand wider alle Gewalt beyzustehen versprachen“. Doch ist der Ausdruck „gesamte Hand“ nicht als technische Qualifizierung der Rechtsnatur der Ganerbschaft zu verstehen, sondern als sprachliche Formel zur Beschreibung einer gemeinschaftlichen Widerwehr; zu anderen „untechnischen“ Gesamthandbegriffen, s. u., Rn.  234; zur Ganerbschaft im Sachsenspiegel, s. u., Rn.  238.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

§  1.  Anfänge des Begriffs der gesamten Hand I.  Abwesenheit von Quellen zur gesamten Hand aus der Antike und dem frühen Mittelalter 230

Als Ursprung der Figur der „Gesamthand“ wird in der modernen Literatur gemeinhin das altdeutsche oder „germanische“ Recht angesehen,5 also jenes Recht, das sich in Ansätzen schon in der Zeit der Völkerwanderung gebildet und seit dem Frühmittelalter zumindest bis zum Zeitalter der Rezeption des römischen Rechts fortentwickelt hat. Tatsächlich kommt der Begriff „gesamte Hand“ (bzw. dessen lateinische Entsprechung) in den überlieferten römischen Hauptquellen offenbar nicht vor. In Regelwerken aus dem 5. bis 9. Jahrhundert n. Chr. der Franken und der ihnen unterworfenen Stämme6 , der Goten7 und der Langobarden8 taucht der Begriff ebenfalls nicht auf. Das mag ein Indiz dafür sein, dass der Ausdruck zum Epochenwechsel zwischen Spätantike und frühem Mittelalter jedenfalls keine tragende Rolle gespielt hat und möglicherweise auch nicht aus einer germanischen Tradition aus der Völkerwanderung und der unmittelbaren Zeit danach stammt. Die meisten der frühmittelalterlichen Volksrechte sehen Vorschriften vor, die aus heutiger Sicht als Teil des Erb- oder des Ehegüterrechts zu qualifizieren wären und sich damit durchaus Konstellationen annähern, in denen eine Vermögensmasse einer Mehrheit von Personen zugeordnet wurde. Besonders deutlich wird dies etwa im langobardischen Edictus Rothari aus dem Jahre 643. Dort regelt Kap.  167 den Fall, dass mehrere Brüder durch das gemeinsame, ungeteilte Erbe ihres Vaters verbunden bleiben, also eine Art Gütergemeinschaft bilden, von der nur aus bestimmten Quellen kommende Vorbehaltsgüter eine Ausnahme bilden sollen.9 Doch dieser Sachverhalt wird nicht als „gesamte Hand“, sondern als Verbleiben der Brüder „im gemeinsamen Haus“ bezeichnet („fratres, qui in casam communem remanserent“). 5 S. Hähnchen, RG 4 (2012), Rn.   421, Rn.  265; Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  1. 6  Entstehungszeit der Quellen in Klammern (zu den Datierungen Conrad, DRG I (1962), S.  58 f., 62, 65, 131 ff.): Pactus Legis Salicae (ca. 1. Hälfte des 6. Jh.); Lex Ribuaria; Pactus Legis Alamannorum (Anfang 7. Jh.); Lex Baiuvariorum (1. Hälfte des 8. Jh.); Lex Salica – Recensio Pippina (ca. 763/764); Capitulatio de partibus Saxoniae (wohl 782); Capitulare Saxonium (797); Lex Saxonum (wohl 802/803), Lex Thuringorum (wohl 802/803); Lex Francorum Chamavorum (wohl 802/803); Lex Frisionum (wohl 802/803). 7  Entstehungszeit der Quellen in Klammern (zu den Datierungen Conrad, DRG I (1962), S.  58 f., 62, 65, 131 ff.): Fragment des Codex Euricianus (475/476); Auszug aus der Lex Visigothorum (654). 8  Entstehungszeit der Quellen in Klammern (zu den Datierungen Conrad, DRG I (1962), S.  58 f., 62, 65, 131 ff.): Edictus Rothari (643); Grimvaldi Leges (668); Liutprandi Leges (713–735); Ahistulfi Leges (755). 9  Edictus Rothari, Kap.  167, in: Beyerle, Germanenrechte III (1947), S.  56; s. auch S.  472.

§  1.  Anfänge des Begriffs der gesamten Hand

181

II.  Frühe Quellen Eine Untersuchung handschriftlicher Quellen zu den ersten Verwendungen des 231 Ausdrucks „gesamte Hand“ oder entsprechender Ausdrücke wäre in diesem Zusammenhang wünschenswert, kann im abgesteckten Rahmen dieser Untersuchung aber nicht geleistet werden, so dass mit publizierten Quellen vorlieb zu nehmen ist. Die zugänglichen Nachweise einer frühen Verwendung sind insofern nur indirekt überliefert und dementsprechend unsicher. Der Wortlaut könnte auch in späterer Zeit verändert worden sein. Soweit die Quellen Schenkungen zum Gegenstand haben, lässt sich auch nicht ausschließen, dass es sich um Fälschungen des vorgeblich Beschenkten aus späteren Epochen handelt. Vor dem 13. Jahrhundert kommt der Ausdruck – soweit ersichtlich – ledig- 232 lich in Urkunden vor, die ein konkretes Rechtsgeschäft zum Gegenstand haben. Die Texte, die den Ausdruck verwenden, schreiben ihm möglicherweise keinen technischen juristischen Sinn zu, sondern drücken vielleicht nur eine gemeinschaftliche (Geschäfts-)Handlung mehrerer Personen aus.10 Besonders frühe Zeugnisse, aus dem 8. und 9. Jahrhundert, sind in der im 18. Jahrhundert von Carl Meichelbeck veröffentlichten Urkundensammlung der Historiae Frisingensis aufgenommen worden, welche in der Folgezeit immer wieder zitiert worden ist. Aus einer alten Urkunde aus dem Jahre 77311 soll etwa hervorgehen, dass eine Witwe und ihr Sohn „manu commune“ eine Schenkung an die Kirche vollzogen haben.12 In einer Urkunde aus dem Jahre 80013 geht es um 10 Voreilig insofern Hacman, ZHR 68 (1910), S.   439, 451 f., der aus den Passagen der Historia Frisingensis zu entnehmen glaubt, dass die mit gesamter Hand versprechenden Personen „alle für einen einstehen“; das bedeute: „Rechtshandlungen, welche das Gesamthandgut betreffen, können nur von allen gemeinschaftlich und gleichzeitig vorgenommen werden; keiner der Gesamthänder kann für sich allein durch einseitiges Handeln die Gesamthand berechtigen oder verpflichten“; unklar ist, woraus Hacman diese konkrete Schlussfolgerung zieht. 11  Zur Datierung, R. Schroeder, Güterrecht I (1863), S.  151, Fn.  26. 12  Meichelbeck, Historiae Frisingensis I.2 (1724), Nr.  33, S.  48 (auszugsweise abgedruckt auch in R. Schroeder, Güterrecht I (1863), S.  151, Fn.  26): „Traditio Muniperhti, & Adalnia de flumine Wirma. Ego Muniperht, paritérque cum Genetrice mea Adalnia, omnem substantiam, quam in villa nuncupante ad flumine Wirma possidere videbamur, vel quicquid ei, id est, Adalniae suae accesserat justitiae, vel lucri tradebamus manu commune ad Ecclesiam Sancti Salvatoris, quam ibidem fabricavimus, & cum eandem Ecclesiam ad domum episcopalem Beatae, & intemeratae Virginis Mariae Ecclesiam Castro Frigisingas site cum mancipiis, & colonibus, cum aedificiis & curtibus, cum territoriis & Saltibus, cum pratis & pascuis, cum molendinis, & aquibus, cum pecode & utensiliis. Ut haec donatio firma & stabilis permaneat stibulatione subnexa facta, & firmata per manus Arbionis Episcopi. Et haec testes, & eorum nomina: Ratolt, Epo, Erchanperht, Hato, Deotpald Presbyteri. Populares Situli, Adalperht, Fridurih, Paturih, & filius ipsius Nordperht. Ceteri verò sine numero. Actum in praenotata villa Wirma vocitante anno XXV. regnante Domno, & inlustrissimo Duce Tassilone, sub die consule, quod est XIII. Kalendas Januarias, in ipsius Oratorii dedicatione, & tituli Sancti Salvatoris. Ego Alpat Presbyter jussus ex ore Arbionis Episcopi hanc donationem conscripsi”. 13  Zur Datierung, Beseler, Erbverträge I (1835), S.  86, Fn.  38.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Vermögenswerte, die von zwei Priestern „commune manu“ übertragen werden.14 Nicht sehr viel später, noch zu Zeiten des Freisinger Bischofs Atto, bezeugt eine Urkunde die Übertragung von Vermögenswerten „communibus manibus“.15 Weitere Zeugnisse stammen möglicherweise aus dem 12. Jahrhundert. So enthält das in den 1730er Jahren verfasste16 und 1781 in einer Textsammlung17 erschienene Chronicon Episcoporum Spirensium eine Stelle, wonach Graf Berthold von Henneberg um 1110 „conjuncta manu“ mit Gräfin Luzia von Baden das Kloster Gotzawe gegründet haben soll.18 Es erscheint wahrscheinlich, dass sich der Autor des Chronicon auf eine alte Urkunde gestützt hat, da manche Ausführungen in Anführungszeichen gesetzt wurden. Ob allerdings der Autor auch den Ausdruck „conjuncta manu“ entnommen oder selbst hinzugefügt hat, ist ungewiss; für die letztere Möglichkeit spricht, dass der Begriff im Chronicon außerhalb der Passagen in Anführungszeichen steht. Zu nennen ist weiter eine Urkunde der Stadt Würzburg aus dem Jahre

14  Meichelbeck, Historiae Frisingensis I.2 (1724), Nr.   183, S.  119 (auszugsweise abgedruckt auch in Beseler, Erbverträge I (1835), S.  86, Fn.  38): „Cotescalh Presbyteri, & Cozpald Presbyteri. In nomine Dei Salvatoris nostri Jhesu Christi. Ego Cotescalh Presbyter, & Cozpald Presbyter cogitantibus, vel tractantibus nobis pro animas nostras, seu pro vita futura, ut in quantitate apud pio Domino veniam mereamur accipere. Conventione autem facta inter nos, cum consilio Domni Attoni Episcopi uterque tradidit alio propriam hereditatem suam usque ad obitum eorum in loco, qui dicitur Hluttrinpah, sed tamen super illam potestatem habens Cotescalh, & postea simul commune manu tradidimus supra dictam hereditatem nostram ad Sancta Mariam ad locum nuncupante Frigisingas in praesentia Domni Attoni Episcopi, seu omni congregationi ejus, id est cum omni utensilia, terra culta, & inculta, pratis, pascuis, silvis, mobilia, & immobilia cum servis, & ancillis, & quicquid habuerimus in conquestionibus, adquisito lucro, & emeliorato, totum ex integro post obitum nostrum tam vestitum, & emelioratum sine ulla contradictione redeat ad supra dicto domo, eo ordine, ut tamdiu vixerimus super terram, potestatem habendi sicut usus est fruendi. haec sunt testes per aures tracti: inprimis ipsi Presbyteri supra dicti Cotescalh, & Cozpald, Ortheri Presbyteri, Williperht, Altman Diaconi, Hitto, Arnolt, Irminfrid Clerici“. 15  Meichelbeck, Historiae Frisingensis I.2 (1724), Nr.  201, S.  125 (s. auch Haeberlin, Urkundensammlung (1842), S.  13): „Traditio Luitfrid, & Erchanfrid. In nomine Dei Salvatoris nostri. Ego Luitfrid, & Erchanfrid communis manibus tradidimus pro remedium genitoris nostri, cui nomen Deodolt, pratas in loco nuncupante Ehstinga ad altarem Sancti Laurentii in vico, qui dicitur Meisaha, quia in ipsa Ecclesia corpus ejus sepultus est Patris nostri, ut aliquam indulgentiam apud beatum Laurentium, & intercessiones ejus ad Deum habere merear. Haec sunt testes per aures tracti: inprimis Kaganhart, Cozmar, Crimuni, Toto, Waltrih. & si quis voluerit hanc traditionem frangere, iram Dei incurrat, & conponat sicut lex est. & haec cartula nihilominus firma permaneat. Et ego Marcheo indignus Diaconus scripsi hanc traditionem jussus ex ore Attonis Episcopi“. 16  Zu Autor und Entstehungsgeschichte des Chronicon Episcoporum Spirensium, s. Remling, Bischöfe zu Speyer I (1852), S.  15, Fn. *. 17  Würdtwein, Subsidia diplomatica I (1781), S.  118 ff. 18  Würdtwein, Subsidia diplomatica (1781), S.   136: „Paulo post, Bertholdus Comes de Henneberg, conjuncta manu Luciae Comitissae de Baden, fundavit monasterium Gotzawe, ac desumptam ex Hirsaugiensi Coënombio XII. monachorum Coloniam in illud induxit, cui Bruno noster Waldbodonem, virum pietate & moribus insignem praefecit“.

§  1.  Anfänge des Begriffs der gesamten Hand

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1119, wonach die Auflassung eines Hofes von einer Witwe und ihrem Erben „unita manu“ erfolgt sein soll.19 Zu erwähnen ist ferner eine Passage der um 1140 verfassten Chronik des 233 Freisinger Bischofs Otto. Sie benutzt zwar weder den Ausdruck „coniuncta manu“ noch eine andere entsprechende Bezeichnung, könnte gleichwohl einen Hinweis auf die Etymologie der „Gesamthand“ liefern. Tatsächlich schreibt der Autor von einem Territorium in Süditalien, welches sowohl Kaiser Lothar III. als auch Papst Innozenz II. beanspruchten. Da man sich in der Sache nicht einigen konnte, jedoch Einvernehmen darin bestand, das Territorium einem bestimmten Herzog zum Lehen zu geben, legten sowohl Kaiser als auch Papst jeweils ihre Hand auf die dem Herzog als Herrschaftssymbol zu übergebende Fahne.20 Durch die gewählte Vorgehensweise sollte deutlich gemacht werden, dass beide auf ihre Ansprüche auf das Territorium nicht verzichteten. Möglicherweise stellt das gemeinschaftliche Berühren mit der Hand bereits das Symbol einer – wie auch immer gearteten – rechtlichen Zuordnung eines Vermögensguts zu einer Personenmehrheit dar, das in späteren Quellen gerade im Zusammenhang mit einer Lehnvergabe mit dem Ausdruck „gesamte Hand“ in Verbindung gebracht wird.

III.  Die Bedeutungsvielfalt der Bezeichnung „gesamte Hand“ in alten Quellen Die Bezeichnung „gesamte Hand“ erscheint in alten Texten als gängige Formel 234 zur Bezeichnung einer gemeinsamen Handlung. Darunter fallen durchaus zahlreiche Verwendungen, in denen ein juristischer Sinn gar nicht zugrunde gelegt, sondern lediglich irgendeine gemeinschaftliche Tätigkeit beschrieben wird.21 Möglicherweise fällt der gemeinschaftliche Charakter der Klostergründung durch Graf Berthold und Gräfin Luzia im frühen 12. Jahrhundert darunter.22 Anschaulich ist der Titel einer Schrift aus dem 17. Jahrhundert: „Magna horologii campana tripartita, das ist ein Dreyfache im gantzen Teutsch-Landt 19  E. Rosenthal, Eigenthum (1878), Anhang, S.   3 : „Vidua domini Wicmanni […] cum suis heredibus […] aeram quandam et domum in ea constructam […] communicato consilio et unita manu omnium domino Hermanno […] resignaverunt“. 20  Otto von Freising, Chronica, VII, 20, in: Quellen zur deutschen Geschichte des MA XVI, S.  534; dazu auch Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  98. 21 S. Grimm, Wörterbuch IV.1.2 (1897), Sp.  3787 (u. a. eine Befreiung aus einer Gefangenschaft „mit gesampter Hand“; jemanden „mit „gesammter hand“ ins Wasser werfen; einem Tyrannen „mit gesampter hand und kräfften widerstehen“); s. auch Buchda in: HRG I1 (1971), „Gesamthand, gesamte Hand“, Sp.  1587 (Hinrichtung mit gesamter Hand dadurch, dass jeder Angehörige der zu richtenden Gemeinde den Strick berührt); für eine untechnische Bedeutung des Ausdrucks „gesamte Hand“ daher wohl Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.   30; zur Verwendung im Sachsenspiegel als Ausdruck für gefaltete Hände s. DRW IV (1939–1951), Sp.  412, Ziff. III, dazu u., Rn.  237. 22  S. o., Rn.  232.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

­ellauttende Glocke und Auffwecker der löblichen Teutschen Nation, den h recht- und billichmäßigen defensions-Krieg wider den Römischen Papst und seine Adherenten von allen evangelischen Königen, Chur-Fürsten und Ständen gesampter Hand vorzunehmen, die päpstliche Tyranney abzuwenden und den edlen Frieden zu widerbringen“.23 Außerhalb einer mutmaßlich untechnischen Inhaltsbestimmung lässt sich aus alten Texten eine rechtsnahe, teilweise sogar rechtsbegriffliche Verwendung der Gesamthandbezeichnung entnehmen. Grimms Wörterbuch sieht den Ausdruck auch „als symbol gemeinsamer zustimmung und haftung“. So sei die „übergabe von grundbesitz seitens mehrerer mitbesitzer oder erbberechtigter“ mit deutschen und lateinischen Bezeichnungen belegt worden, die dem der gesamten Hand entsprechen.24 Als Beispiel kann hier die bereits vorgestellte Übertragung eines Grundstücksrechts genannt werden, die eine Witwe und ihre Erben „unita manu“ zugunsten eines kirchlichen Stifts vollzieht.25 Präzisere rechtsbegriffliche Zuordnungen, die sich in alten Quellen wiederfinden und in der Folge genauer untersucht werden, sind die juristisch ausgestaltete Gesamtbelehnung mehrerer Vasallen,26 das gemeinsame Versprechen mehrerer Personen zu einer solidarischen Verpflichtung gegenüber einem anderen,27 und die Bezeichnung bestimmter Rechtswirkungen der Ehe.

§  2 .  Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850) I.  Die „gesamte Hand“ des Lehnrechtsbuchs des Sachsenspiegels 235

Die wichtigste Quelle des Mittelalters, die auf den Ausdruck der gesamten Hand zurückgreift, ist zweifellos das Lehnrechtsbuch des Sachsenspiegels, welchen mutmaßlich Eike von Repgow28 wohl in den 1230er Jahren verfasst hat.29 Er wird den Ausdruck vermutlich nicht selbst erfunden, sondern eine bereits 23 

Magna horologii campana (1632), Titelseite. Grimm, Wörterbuch IV.1.2 (1897), Sp.  3786, mit Bezug auf Haltaus, Glossarium I (1758), Sp.  678; s. auch Buchda in: HRG I1 (1971), „Gesamthand, gesamte Hand“, Sp.  1587, der freilich nicht zwischen der Gesamthand der gemeinschaftlichen Verfügung und der Gesamthand der solidarischen Verpflichtung unterscheidet. 25  S. o., Rn.  232; weitere Beispiele in Haltaus, Glossarium I (1758), Sp.  677 f.; DRW IV (1939–1951), Sp.  411, Ziff. II.2; s. auch Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  30 f. 26 S. Haltaus, Glossarium I (1758), Sp.   678  f.; Grimm, Wörterbuch IV.1.2 (1897), Sp.  3786 f.; DRW IV (1939–1951), Sp.  410 f., Ziff. II.1; Buchda in: HRG I1 (1971), „Gesamthand, gesamte Hand“, Sp.  1588. 27 S. Haltaus, Glossarium I (1758), Sp.   677  f.; Grimm, Wörterbuch IV.1.2 (1897), Sp.  3786; DRW IV (1939–1951), Sp.  411 f, Ziff. II.3. 28  Zu den Zweifeln an seiner Autorenschaft, s. v. Schwerin/Ebel, SSp. (1999), Einleitung, S.  5. 29  Zur Datierung s. Conrad, DRG I (1962), S.  351 f. 24 

§  2 .  Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850)

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bekannte Bezeichnung aufgegriffen haben. Als nicht allzu starkes Indiz mag hierfür der Umstand herhalten, dass etwa 100 Jahre später der gleiche Ausdruck auch in Urkunden anderer deutscher Regionen auftaucht.30 Jedenfalls steht fest, dass die lehnrechtliche „gesamte Hand“ besonders in Sachsen Geltung fand und dass der Sachsenspiegel erheblich zu deren Entwicklung und Verbreitung beigetragen hat. 1)  Verwendung des Begriffs „mit gesamter Hand“ Der Ausdruck „mit gesamter Hand“ erscheint in SSp. LehnR, 32 und 56. Die 236 Texte haben folgenden Wortlaut: 31 SSp. LehnR, 32 §  1. Men mach vele bruderen en gut lien, of se it mit gesameder hant untvan unde gelike were dar an hebben. 2Willen aver se sek sceden mit deme gude, se delet it under sek ane des herren orlof, swo se wollen. 3 Swen aver se sek delet hebben, er nen hevet recht an des anderen gude, of de andere stirft, eme ne si anderweide dat gedinge dar an gelegen.

§  1. 1Man kann vielen Brüdern ein Gut leihen, wenn sie es mit gesamter Hand empfangen und gleiche Gewere daran haben. 2 Wollen sie sich aber an dem Gut auseinandersetzen, so teilen sie es unter sich ohne Einwilligung des Herrn, wie sie wollen. 3Wenn sie jedoch unter sich geteilt haben, hat keiner ein Recht am Gut des anderen, wenn dieser stirbt, außer wenn jenem dann noch die Anwartschaft daran geblieben ist.

§  2. De wile se ok dat gut to samene hebbet, sterft er en, sin kint trit in des vader stat, unde behalt sin gut gemene mit den vedderen, alse it sin vader hadde.

§  2. Stirbt einer von ihnen, solange sie das Gut miteinander haben, so tritt dessen Kind an des Vaters Stelle und behält das Gut gemeinsam mit den Brüdern des Vaters, wie dieser es hatte.

§  3. 1De wile se en gut to samene hebben de to samene belent sin, er nen ne mach ane den anderen nen del dar af lien noch laten, dar he it dem anderen mede verne; went des de man nenen del untvangen ne hevet, des ne mach her nenen del lien noch laten. 2Swat aver he dar af liet oder let, dat ne mach he selve nicht breken, it ne breke der ene de it gut mit eme gemene hevet.

§  3. 1Solange sie ein Gut miteinander haben und gesamthaft belehnt sind, kann keiner von ihnen ohne den anderen einen Teil davon weiter verleihen oder auflassen und ihn so dem andern entziehen; denn wenn der Mann keinen Teil davon empfangen hat, so kann er auch keinen Teil verleihen oder auflassen. 2Was er aber verleiht oder auflässt, das kann er selbst nicht mehr rückgängig machen, nur einer von denen kann es widerrufen, die das Gut mit ihm gemeinsam haben.

1

30 

S. die zitierten Urkunden in Roth, Mecklenburgisches LehenR (1858), S.  63. Originalfassung übernommen aus Eckhardt, SSp. LehnR (1956), S.  55 f., Nr.  232 f.; der auf Grundlage aus Eckhardts Ausgabe angefertigte Übersetzungsvorschlag wurde übernommen von Schott, SSp. 2 (1991), S.  281 f. (Rechtschreibung und Zeichensetzung angepasst); weitere Übersetzungen auch bei Hirsch, SSp. LehnR (1939), S.  136 f. 31 

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

§  4. Of mer lude den en mit eneme gude belent sin, unde sint se unbesceden dar an, er nen ne mach volgen an enen anderen herren, of er herre stirft, wan en enich man.

§  4. Wenn mehrere Leute mit einem Gut belehnt sind und sie es nicht geteilt haben, so kann, wenn der Herr stirbt, nur ein einziger Mann aus ihnen von dem neuen Herrn die Lehnerneuerung verlangen.

SSp. LehnR, 56

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§  1. 1Ok mach de man gut untvan mit ener vrowen, so dat he se an deme gude voresta unde volge dar mede an enem anderen herren, of er herre sterve, dar er de volge tosteit, went se des herscildes darvet. 2De man hevet den herscilt unde de gewere van der vrowen halven an deme gude; dorch dat hevet he de volge dar an.

§  1. 1Auch kann ein Mann ein Gut mit einer Frau empfangen, so dass er sie an dem Gut vertrete und auch von einem neuen Herrn Lehnerneuerung verlange, wenn der Herr stirbt, denn ihr fehlt das Folgerecht, weil sie keinen Heerschild hat. 2Der Mann hat den Heerschild und für die Frau den Besitz am Lehngut; deswegen hat er daran das Recht auf Lehnerneuerung bei Herrenwechsel.

[…]

[…]

§  5. Gedinge dar an unde ledich gut mach he wol verlien mit de vrowen wille, unde swat dar ledich an wert, dorch dat se beide en vul lenrecht hebben an deme gude mit gesamender hant unvangen; he hevet de lenunge unde den herscilt, unde se hevet de selven lenunge unde de gewere.

§  5. Eine Anwartschaft und lediges sowie ledig werdendes Gut kann der Mann mit Einwilligung der Frau verleihen, weil ihnen beiden ein volles Lehnrecht zusteht an dem Gut, das sie mit gesamter Hand empfangen haben; er hat das Lehnrecht und den Heerschild, sie hat dasselbe Lehnrecht und die Gewere.

Es ist fraglich, ob der in SSp. LehnR, 32, 1 (Satz  1), und SSp. LehnR, 56, 5, benutzte Ausdruck „mit gesamter Hand“ zum Zeitpunkt der Entstehung des Sachsenspiegels überhaupt einen juristischen Sinn hatte oder ob er nicht lediglich einen äußeren Vorgang untechnisch beschreiben sollte. Tatsächlich bezeichnet das Empfangen mit „gesamter Hand“ möglicherweise keine bestimmte rechtliche Regelung des Innen- und Außenverhältnisses zwischen den betroffenen Personen in Bezug auf das empfangene Gut, sondern nur, dass jene es durch gemeinsamen Einsatz ihrer Hände entgegengenommen haben. Für die Bestellung eines Lehens nach dem im Hochmittelalter geltenden Lehnrecht waren regelmäßig drei Voraussetzungen zu erfüllen, die Mannschaft (homagium), der Treueeid und die Überlassung des belehnten Guts.32 Kennzeichnend für die Mannschaft war der Handgang, wonach der Vasall seine gefalteten Hände in die umschließenden Hände des Herrn legte.33 Waren nun, wie im Sachsenspiegel an der beschriebenen Stelle vorgesehen, mehrere Vasallen berufen, gemein32  33 

H. Mitteis, Lehnrecht (1933), S.  479; vgl. auch Coing, EuPR I (1985), S.  356 f. H. Mitteis, Lehnrecht (1933), S.  480.

§  2 .  Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850)

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sam ein ungeteiltes Lehen zu empfangen, so legten diese gemeinschaftlich ihre Hände in die des Lehnherrn, so dass der Ausdruck „gesamte Hand“ durchaus als rein tatsächliche Beschreibung dieses äußeren lehnrechtlichen Vorgangs entstanden sein kann.34 Der Bezug zum gemeinschaftlichen Handgang wird besonders deutlich in der bildhaften Darstellung der Wolfenbütteler Handschrift zu SSp. LehnR, 3235, die drei Vasallen zeigt, welche zusammen ein Lehen dadurch in Empfang nehmen, dass sie ihre vereinten Hände in die Hände des Lehnherrn legen.36 Auch weitere Indizien sprechen dafür, dass der Ausdruck des Empfangens „mit gesamter Hand“ vom Verfasser des Lehnrechts des Sachsenspiegels nur als tatsächliche Beschreibung des lehnrechtlichen Handgangs angesehen wurde. So wird jene Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Empfang des Lehens,37 nicht aber mit dem des gemeinschaftlichen Innehabens desselben gebraucht. Hierfür werden Ausdrücke wie „miteinander haben“ (SSp. LehnR, 32, 2 und 3, Satz  1) oder „gemeinsam haben“ (SSp. LehnR, 32, 3, Satz  2) verwendet.38 Für eine untechnische, beschreibende Bedeutung spricht außerdem, dass der Plural „mit gesamten Händen“ im Lehnrecht des Sachsenspiegels etwa als Synonym für „mit gefalteten Händen“ genutzt wurde.39 Der Ausdruck „mit gesamter Hand“ wird im Sachsenspiegel außerhalb der 238 Konstellation des gemeinsamen Empfangens eines Lehens nicht verwendet. In den Fällen, in denen der Sachsenspiegel von einer Erbenmehrheit ausgeht, bezeichnet er diese regelmäßig mit keinem besonderen Begriff40 oder verwendet Umschreibungen wie etwa „unabgeteilt von dem Erbe“41 oder „gemeinsam haben“.42 Lediglich für die entferntere Verwandtschaft eines Erben, die bei Abwesenheit von Eltern, Geschwistern und Abkömmlingen nach dem Sachsenspiegel Landrecht zu gleichen Kopfteilen erben sollen, ist überhaupt ein Rechtsbegriff 34  S. auch Dolliner, LehenR (1793), S.  179; Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  31 f.; Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  98; Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  327; Schröder/Frhr. v. Künßberg, DRG7 (1932), §  40, S.  437; Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  67; zur Gesamthand im Lehnrecht s. auch Gierke, GenossenschR I (1868), S.  202, und Stobbe, ZRG 4 (1864), 207, 219 f. 35  In der Wolfenbütteler Handschrift als Kap.  36 bezeichnet. 36  S. Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegel, in: Schmidt-Wiegand, Wolfenbütteler Sachsenspiegel, Faks.-Band, Bild 170, Bl. 70 recto (unten). 37  Und auch dann nicht immer, s. SSp. LehnR, 56, 1, Satz  1. 38  S. auch außerhalb des Lehnrechts: SSp. LandR, I, 12, in: Eckhardt, SSp. LandR, S.  81; Übersetzung in: Schott, SSp., S.  45 f. 39  Das folgt aus dem Vergleich zweier Versionen von SSp. LehnR, 22, 1: Die eine spricht von „gesameden henden“: Eckhardt, SSp., LehnR (1956), S.  39, die andere gebraucht den Ausdruck „gevaldenen henden“: Schmidt-Wiegand, Wolfenbütteler Sachsenspiegel, Faks.Band, Bl. 65 verso; ähnlich Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  327; im lateinisch verfassten Auctor vetus ist an der entsprechenden Stelle von „manibus coniunctis“ die Rede, Auctor Vetus, I, 45, in: Eckhardt, Auctor Vetus (1964), S.  72; dazu auch Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  327. 40  S. etwa SSp. LandR, III, 29, 2. 41  SSp. LandR, I, 5, 1 („umbedeled“). 42  SSp. LandR, I, 12 („to samene hebbet“).

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

(„Ganerben“43 ) vorgesehen. Der Ausdruck „mit gesamter Hand“ wird auch nicht im Zusammenhang mit der Gütergemeinschaft zwischen Eheleuten („ungeteiltes Gut“44 ) oder mit der vertraglichen Schuldnermehrheit („geloven to samene en […] gelt“45) benutzt. Das sind weitere Indizien, die dafür sprechen, dass es sich beim im Sachsenspiegel verwendeten Ausdruck „mit gesamter Hand“ tatsächlich nur um die Beschreibung eines lehnrechtlichen Vorgangs handelt, durch den mehrere Vasallen ein Lehngut empfangen. 2)  Die rechtliche Regelung der Belehnung mit gesamter Hand im Lehnrechtsbuch 239

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Unabhängig davon, ob der Ausdruck des Sachsenspiegels „mit gesamter Hand“ einen Rechtsbegriff darstellte oder nicht, sind jedenfalls die Wirkungen einer in der Weise erfolgten Belehnung rechtlich ausgestaltet worden. Kommt es zu einer Belehnung mit gesamter Hand, regelt SSp. LehnR, 32, 3, Satz  1, dass alle belehnten Personen die gleiche Gewere46 an dem Lehngut erhalten.47 Die Vasallen können ein solches Lehen – auch ohne Zustimmung des Lehnherrn – jederzeit unter sich aufteilen, wobei aus dem Text nicht hervorgeht, ob jeder einzelne mit gesamter Hand Belehnte die Teilung verlangen kann oder ob die Teilung die Zustimmung aller erfordert.48 Solange eine solche Teilung nicht erfolgt ist, kann nach SSp. LehnR, 32, 3, Satz  1, keiner der Belehnten über einen Anteil des Lehnguts verfügen, wenn die anderen Vasallen einer solchen Verfügung nicht zustimmen.49 Das Lehnrechtsbuch begründet dies damit, dass keiner der Belehnten einen „Teil“ überhaupt erhalten hat und folglich auch nicht darüber verfügen kann. Diese Abstrahierung von rechnerischen Anteilen erscheint mit Blick auf die Grundsätze der aktuellen Gesamthand sehr vertraut.50 SSp. LehnR, 32, 2, liefert ferner die Regel, dass im Falle des Todes eines der zusammen Belehnten „dessen Kind“ seine Stelle einnimmt, schweigt jedoch darüber, wie zu verfahren ist, wenn einer der Belehnten ohne Nachkommen verstirbt. Nur theoretisch denkbar ist, dass der kinderlose Tod eines der zusammen Belehnten zur Beendigung des Lehnverhältnisses mit der Folge des Heimfalls des Gutes an den Lehnherrn geführt hat. Tatsächlich spricht alles 43 

SSp. LandR, I, 17, 1. SSp. LandR, III, 31; vgl. Übersetzung in: Schott, SSp. 2 (1991), S.  61. 45  SSp. LandR, III, 85, 1. 46  Zum Begriff der „Gewere“, s. Ogris in: HRG II 2 (2012), Sp.  347 ff. 47  S. auch Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  28. 48  Für die erste Lösung plädiert Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  90, für die zweite Lösung Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  461. 49  Lepsius in: HRG II 2 (2012), „Gesamthand, Gesamte Hand“, Sp.  264. 50  Zum Vergleich der Sachsenspiegelstelle zur Gesamthand in späterer Zeit, s. Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  67 f.; Hähnchen, RG 4 (2012), Rn.  420; Meder, RG5 (2014), S.  184, mit Verweis auf Meder, RG2 (2005), S.  167. Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  90 ff., ist hingegen der Ansicht, der Text bezeichne reelle, nicht ideelle Anteile. 44 

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dafür, dass das Lehen von den verbleibenden zusammen belehnten Personen weitergeführt wurde.51 Unter dieser Voraussetzung musste die Belehnung mit gesamter Hand ein interessantes Instrument kinderloser Vasallen gewesen sein, um den Familienverbleib des Gutes zu sichern. Tatsächlich konnten Lehen gemäß SSp. LehnR, 6, 2, sowie SSp. LehnR, 21, 3, grundsätzlich nur an männliche und ehelich geborene Nachkommen, nicht aber an Seitenverwandte „vererbt“ (besser: von ihnen weitergeführt) werden.52 Um seine Seitenverwandten trotz dieser Regel nach seinem Tod in den Genuss des Lehnguts gelangen zu lassen, musste der kinderlose Vasall also erreichen, dass das Gut zu seinen Lebzeiten nicht nur ihm selbst, sondern ihm und seinen Brüdern zusammen „mit gesamter Hand“ als Lehen gewährt wurde. Starb er, führten die Brüder die Lehngemeinschaft fort. Der aufgrund der Kinderlosigkeit des verstorbenen Vasallen ansonsten drohende Heimfall des Lehens an den Lehnherrn konnte so verhindert werden. Die Belehnung „mit gesamter Hand“ war damit vermutlich ein „Quasi-Erbrecht“, das sicherstellte, dass das Lehngut im Familienbesitz blieb.

II.  Verbreitung und Weiterentwicklung des Begriffs der gesamten Hand im mittelalterlichen Lehnrecht Das alte Lehnrecht ist in Deutschland schon im Mittelalter zugunsten des zu- 241 sammen mit dem römischen Recht rezipierten norditalienischen langobardischen (sogenannten „gemeinen“) Lehnrechts zurückgedrängt worden,53 das weder den Ausdruck „mit gesamter Hand“ noch eine Rechtskonstruktion kannte, die mit der sächsischen Belehnung mit gesamter Hand Ähnlichkeiten gehabt hätte. Vielmehr war eine Mehrheit an Vasallen nach langobardischem Lehnrecht lediglich als „Coinvestitur“ vorgesehen, die sich nach der römischen Bruchteilsgemeinschaft richtete und somit insbesondere ideelle Anteile an dem Lehen entstehen ließ.54 Doch die fortschreitende Rezeption des langobardischen Lehnrechts konnte nicht verhindern, dass das sächsische Lehnrecht sich 51 So etwa Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.   459. Diese Rechtsfolge wird anscheinend im vielleicht 50 Jahre jüngeren Schwabenspiegel (Kap.  4, §§  2 , 3, dazu Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  82) vorgesehen, ausdrücklich auch im Ältesten Ritterrecht Livlands (Kap.  7 §  1), dazu Frhr. v. Freytagh-Loringhoven, ZRG-GA 27 (1906), S.  92, 94 f.; anschaulich auch die zitierten mittelalterlichen Quellen in Krünitz, Encyklopädie LXIX (1796), Stichw. „Gesammt- oder gemeinschaftliches Lehen“, S.  215 ff.; eine sehr frühe Quelle, die norditalienische Lex Romana Utinensis aus dem 8. oder dem 9. Jahrhundert, regelt, dass ein Gut, das ein König zwei Männern gemeinschaftlich überlässt, im Falle des Todes eines von ihnen von dem anderen im Ganzen zufällt, s. LRU X, 6, 1, in: Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 238. 52 Vgl. Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  450; allgemein zur Lehnnachfolge durch Seitenverwandte im Mittelalter auch Mitteis, Lehnrecht (1933), S.  651 f. 53 S. Stobbe/Lehmann, Deutsches PrivatR II.2 (1897), S.  367. 54  v. Greiffen, Lombardisches Lehnrecht (1999), S.  233 f.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

nicht nur in Sachsen selbst,55 sondern auch an anderen Orten entfalten konnte.56 Der Sachsenspiegel wurde zur Grundlage weiterer Rechtsbücher.57 Dazu zählt der Schwabenspiegel, auch als „Kaiserrecht“ bekannt, dessen Entstehung auf ca. 1275 geschätzt wird.58 Der Schwabenspiegel übernimmt SSp. LehnR, 32, praktisch wortgleich.59 Auch hier wird der Ausdruck „mit gesamter Hand“ in einer Situation des Empfangens eines Lehens durch mehrere Vasallen verwendet. Ebenso findet sich die Passage des Sachsenspiegels wieder, wonach ein Einzelner unter den Belehnten ohne Mitwirkung der anderen nicht über das Gut verfügen kann. Der Sachsenspiegel wurde außerdem Ende des 14. bis Anfang des 15. Jahrhunderts mit verschiedenen Glossen versehen.60 Vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden sowohl die „Kürzere Glosse“61 als auch die „Längere Glosse“62 zum Lehnrecht des Sachsenspiegels verfasst, womöglich Anfang des 15. Jahrhunderts kam die „Gemischte deutsch-lateinische Glosse“ (auch „Stendaler Glosse“ genannt) hinzu.63 Der in SSp. LehnR, 32, verwendete Ausdruck „mit gesamter Hand“ wird in den Glossen an mehreren Stellen aufgenommen und findet dadurch weitere Verbreitung. Doch anders als möglicherweise noch im Sachsen- oder im Schwabenspiegel scheinen die Formulierungen dafür zu sprechen, dass jene Bezeichnung eine Entwicklung von der äußeren Beschreibung eines Sachverhalts hin zu einem Rechtsbegriff vollzogen hat. In der Kürzeren Glosse ist etwa davon die Rede, dass mehrere zusammen belehnte Kinder bestimmte Güter „mit gesamter Hand besitzen“.64 Es wird also nicht mehr auf die kennzeichnenden Umstände der Übertragung eines Lehens an eine Mehrzahl von Personen, sondern auf eine besondere Art, eine bestimmte rechtliche Kategorie des „gemeinsamen Habens“ eines Gutes hingewiesen. Interessant ist ferner, dass die bereits rö­ 55 S. etwa die 1307 beurkundete Belehnung mehrerer Personen „manu unanimi, quae sambte Hand in vulgo dicitur“ durch den Herzog Johann von Sachsen, abgedruckt in: G. M. Weber, LehenR IV (1804), S.  79. 56  Stobbe/Lehmann, Deutsches PrivatR II.2 (1897), S.  367 f.; zur Ausdehnung der Figur der lehnrechtlichen gesamten Hand im mittelalterlichen Deutschland, s. ausführlich v. Sicherer, Gesammtbelehnung (1865), S.  5, 25 ff., 53 ff.; zu den Territorien des Deutschen Ordens, s. v. Bunge, Curländisches PrivatR (1851), §  234, S.  459 ff., sowie insbesondere auch die dort die zitierten Vorschriften aus dem Ältesten livländischen Ritterrecht. 57  Conrad, DRG I (1962), S.  352. 58  Derschka, SchwSp. (2002), S.  5. 59 SchwSp. LehnR, 61 a, in: Frhr. v. Lassberg, SchwSp (1840), S.   190, übersetzt in: Derschka, S.  260. 60  Zum Überblick über die verschiedenen Glosseneinteilungen, s. F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S. XX ff. 61  Zur Datierung, s. F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S. XXX. 62 Zu den verschiedenen Datierungsversuchen, s. F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S. XXII ff.; Homeyer, SSp. II.1 (1842), S.  74 ff. 63 S. F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S. XX. 64 Kürzere Glosse zu SSp. LehnR, 32, in: F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S.  279, Z.  2 f.

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mischrechtlich inspirierten Autoren der verschiedenen Glossen65 etwa bei der Frage der Teilung der lehnrechtlichen gesamten Hand die Regeln der communio, also der römischen Bruchteilsgemeinschaft heranziehen66 und im Übrigen die lehnrechtliche gesamte Hand als römische societas qualifizieren.67 Auch der Johann von Buch zugeschriebene68 , wohl auf die zweite Hälfte des 243 14. Jahrhunderts zurückgehende69 „Richtsteig Lehnsrechts“ behandelt die Nachfolge kinderloser Vasallen im Rahmen der gesamten Hand nicht weiter. Immerhin verwendet dieses Werk die Bezeichnung „mit gesamter Hand“ als Rechtsbegriff, indem es annimmt, es könne der Vater mit seinen Söhnen ein Lehen „mit gesamter Hand“ in Gewere haben.70 Der Ausdruck beschreibt also auch hier einen Zustand und keinen Vorgang. Es ist zu vermuten, dass damit eine rechtlich geregelte Beziehung zwischen einer Mehrheit von Personen und einem Vermögensobjekt gemeint ist, was sich von einer einfachen Beschreibung der äußeren Umstände des Handgangs bei der Belehnung mit gesamter Hand absetzt. An anderer Stelle erörtert das Werk, wie zu urteilen ist, wenn jemand in einem Lehnrechtsstreit behauptet, er habe mit seinem Vater eine „gesamte Hand“ gehabt und dass sie das belehnte Gut deshalb in gleicher Gewere hatten.71 Auch hier findet keine äußere Betrachtung des Vorgangs der Übertragung eines Lehens an eine Personenmehrheit statt, vielmehr wird der rechtliche Zustand nach Empfang desselben bezeichnet, mit dem die in Streit befindliche Partei ihr Vorbringen rechtfertigt. Festzuhalten ist, dass die Festigung des Ausdrucks „mit gesamter Hand“ zu 244 einem Rechtsbegriff im ausgehenden Mittelalter wahrscheinlich vollzogen war und dank verschiedener, auf den Sachsenspiegel zurückgehender Schriften eine

65  Über das Ziel der Autoren der Glosse, den Sachsenspiegel in Bezug mit dem in Rezeption befindlichen römischen Recht zu setzen, s. Wieacker, PRG2 (1967), S.  123. 66  S. Kürzere Glosse zu SSp. LehnR, 32, in: F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S.  278, Z.  8–11; Längere Glosse, in: F.-M. Kaufmann, Längere Glosse II (2013), S.  537 (Z.  12–15), S.  538 (Z.  1 und 2); Gemischte deutsch-lateinische Glosse (Stendaler Glosse), in: Rynmann von Öhringen, Sassenspegel (1517), LR, Bl. 29 verso, re. Sp. (Neudruck 1978: S.  506), dazu auch Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  30. 67  Längere Glosse, in: F.-M. Kaufmann, Längere Glosse II (2013), S.  545, Z.  8 –15: „Jn dissem leczten § rürt das recht von geselleschaft. Das söllit ir wissen: Wo brüder adir ander lute gut gemeyne haben, was do schaden vff dem gute / geschiet, der schade ist irer allir. Jr söllit wissen: Wo vil brüdere ader ander lüte mit manschafft belehnt sint, das mag heiszen eyne bruderschafft ader eyne gesellschafft. Was denne die brüdere glabin mit enandir, das wirt ein recht, ut Institu. pro socio § de illo sane“ [Verweis auf Inst. III, 25, §  2]; s. auch Gemischte deutsch-lateinische Glosse (Stendaler Glosse), in: Rynmann von Öhringen, Sassenspegel (1517), LR, Bl. 30 verso, re. Sp. (Neudruck 1978: S.  508). 68 S. F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S. XXX; zu Leben und Wirken Johanns von Buch, Kannowski, Buch’sche Glosse (2007), S.  73 ff. 69  Zur Datierung, s. Homeyer, SSp. II.1 (1842), S.  385 f.; s. auch Conrad, DRG I, S.  353. 70  Richtst. LehnR, 22 §  8. 71  Richtst. LehnR, 28 §  2 .

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gewisse Verbreitung gefunden hat,72 auch über sächsische Länder hinaus.73 Von einer allgemeinen Geltung der gesamten Hand als lehnrechtlichen Rechtsbegriff in allen Teilen Deutschlands war man jedoch noch entfernt, da das langobardische Lehnrecht eine entsprechende Konstruktion nicht kannte.74 Die besondere Attraktivität der sächsischen gesamten Hand als Quasi-Erbrecht wird im Übrigen vor allem für die Neuzeit messbar.

III.  Die neuzeitliche Entwicklung der gesamten Hand im Lehnrecht 1)  Das sächsische Lehnrecht im 16. und 17. Jahrhundert a)  Bedeutung und Verbreitung der sächsischen gesamten Hand 245

Aus der landesherrlichen Gesetzgebung75 und der juristischen Literatur76 des 16. und noch mehr des 17. Jahrhunderts lässt sich entnehmen, dass die aus dem Sachsenspiegel entwickelte gesamte Hand ein etabliertes lehnrechtliches Institut geworden ist. Nicht alle deutschsprachigen lehnrechtlichen Schriften benut-

72 Zur Rolle der lehnrechtlichen Gesamthand in der sächsischen Konsilientätigkeit des ausgehenden 15. Jahrhunderts, s. ausführlich Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  36 ff. 73  Spätestens im 16. Jahrhundert war die Figur der lehnrechtlichen Gesamthand, dank Rezeption des Sachsenspiegels, im livländischen Ritter- und Landrecht übernommen worden, s. dazu Hoffmann, Landrechtsentwurf (2007) S.  103, 213. 74  S. o., Rn.  241. 75  S. etwa aus dem Jahr 1572 (zur Datierung: Wieacker, PRG2 (1967), S.  196) die sächsischen Vorordenungen und Constitutionen des Rechtlichen Process, Art.  45 („Vom Gedinge und gesambter Hand“), in: Vorordenungen und Constitutionen (1630), Bl. 46 ff. recto; dazu auch die Kommentierung von Carpzov, Definitionum forensium (1663), Constitutio 45, S.  815 ff.; s. ferner das Privilegium Käysers Maximiliani II. („Wegen der gesamten Hand“) vom 09.08.1575, in: Codex Augusteus II (1724), 3. Teil, Sp.  349 f.; dazu die Confirmirte Lehens-Ordnung Churf. Johann Georgens des I. vom 20.07. und 22.08.1652, in: Codex Augusteus II (1724), 3. Teil, Sp.  351 ff., nachdem das Markgraftum Oberlausitz unter sächsischer Herrschaft gelangt war; s. auch die zahlreichen Edikte der Kurmark Brandenburg zur lehnrechtlichen Gesamthand aus dem Ende des 16. bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts in: Mylius, CCM (1737), 2. Teil, 5. Abt., Sp.  17 ff., Sp.  23 ff., 26, Sp.  33 ff., 37 f., 49 ff.; 69 ff., 75 f. 76  Der Begriff der gesamten Hand wird in folgenden Werken thematisiert: Lateinisch-deutschen Glosse zum Lehnrecht vom Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts (zur Datierung F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S. XXI), in: Rynmann von Öhringen, Sassenspegel (1516), LR, Bl. 30 ff. verso (Neudruck 1978: S.  506 ff.); Zobel, Weychbild LR (1537), Bl. 51 ff. recto; Sechsisch Weichbild LR (1557), Bl. 56 ff. verso; Pistoris, Quaestionum juris II (1598), Quaestio 20, S.  60 ff.; Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), S.  357 ff. (möglicherweise auch schon früher, da die Erstausgabe bereits 1619 erschienen ist, dazu Söllner in: Coing, Quellen II.1, S.  562); Besold, Thesaurus Practicus (1666), Buchst. „G“, Nr.  45, S.  313 f. (Datum der Erstausgabe: 1629, s. Pahlmann, in: Kleinheyer/Schröder, Juristen5 (2008), S.  61); Carpzov, Definitionum forensium (1663), Constitutio 45, S.  815 ff. (Datum der Erstausgabe: 1638, s. Kleinheyer, in Kleinheyer/Schröder, Juristen5 (2008), S.  94); Stryk, Examen juris feodalis (1716), Cap. XII, Nr.  42, S.  221, Cap. XVI, Nr.  24 f., S.  274 f. (Datum der Erstausgabe: 1675, s. Hof, in: Kleinheyer/Schröder, Juristen5 (2008), S.  422).

§  2 .  Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850)

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zen den Begriff.77 Doch insbesondere in Sachsen wird im 16. Jahrhundert der Sachsenspiegel nebst mittelalterlichen und teilweise aktualisierten Glossen neu veröffentlicht,78 was zur Verbreitung der Passagen von SSp. LehnR, 32, und insbesondere des Ausdrucks „mit gesamter Hand“ beigetragen haben kann. Die Autoren des 17. Jahrhunderts erkennen an, dass sich die lehnrechtliche gesamte Hand über die sächsischen Grenzen hinaus auch in anderen deutschen Territorien zu einem anerkannten Rechtsinstitut entwickelt hat.79 Dabei wird der Begriff von sächsischen Autoren auch in anderen Regionen verwendet, wie etwa von Johann Schilter, der Ende des 17. Jahrhunderts in Straßburg einen Kommentar zum Schwabenspiegel veröffentlicht und dabei die gesamte Hand erörtert.80 Die lehnrechtliche gesamte Hand wird außerdem zunehmend vertieft wissenschaftlich bearbeitet. In seinen 1628 erschienenen Conclusiones zu den Konstitutionen des sächsischen Kurfürsten Augustus widmet etwa Mat­ thias Berlich über zehn Seiten einer Conclusio, die die Überschrift „De Simultanea investitura, Von der gesambten Hand“ trägt.81 Im Jahre 162982 verfasst Christoph Besold in seinem juristischen Lexikon „Thesaurus Practicus“ einen ganzen Artikel zum Stichwort „Gesamthand“.83 Weitere Untersuchungen zur lehnrechtlichen gesamten Hand finden sich ferner in Werken von Carpzov84 , Hartmann Pistoris85 und Andreas Rauchbar86 . In terminologischer Sicht wird 77  So spricht das aus den 1550er Jahren stammende Traktat Bernhard Walthers zum österreichischen Lehnrecht nur vom „Gestamlehen“ (sic) ohne den Ausdruck „gesamte Hand“ zu gebrauchen, s. Walther, Traktat XV, Kap.  5, in: Rintelen, Walthers Traktate (1937), S.  189; zur Datierung des Traktats, s. S.  22 ff.; nicht verwendet wird der Ausdruck „gesamte Hand“ ferner in Perneder, Keyserlichen Rechten III (1600), der auf S.  107 die Möglichkeit der „Investitura communina“ erörtert, „ubi duo fratres Feudum acceperant“. 78  S. etwa Lateinisch-deutschen Glosse zum Lehnrecht aus Ende 14. oder Anfang 15.  Jahrhunderts (zur Datierung F.-M. Kaufmann, Kürzere Glosse I (2006), S. XXI), in: Rynmann von Öhringen, Sassenspegel (1516), LR, Bl. 30 ff. verso (Neudruck 1978: S.  506 ff.); Zobel, Weychbild LR (1537), Bl. 51 ff. recto; aus dem Jahr 1558: Sechsisch Weichbild LR, Bl. 56 ff. verso. 79 S. Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, Rn.  23, S.  361; Besold, Thesaurus Practicus (1666), Buchst. „G“, Nr.  45 (S.  313), insbesondere auch die Additio von Christoph Ludwig Dietherr, S.  314. 80  Schilter, CJ Alemannici Feudalis (1728), Ad Caput LXV, S.  258 f., s. auch Ad Caput III, §  6, S.  142 (Erstauflage: 1696, s. Buchda, Gesamthandlehre, S.  132). 81  Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, S.  357 ff.; zur Bearbeitung Berlichs, s. auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  77. 82  Zum Erscheinungsdatum der Erstausgabe, s. Pahlmann in: Kleinheyer/Schröder, Juristen5 (2008), S.  61. 83  Besold, Thesaurus Practicus (1666), Buchst. „G“, Nr.  45, S.  313. 84  Carpzov, Definitionum Forensium (1663), Constitutio 45, S.  815: „Vom Gedinge und gesammter Hand“ (Erstausgabe: 1638, s. Kleinheyer in: Kleinheyer//Schröder, Juristen5 (2008), S.  95). 85  Pistoris, Quaestionum juris II (1598), Quaestio 20, S.  60: „De Natura simultaneae investiturae sive coniunctae manus“; zur Bearbeitung Pistoris’, s. auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  76. 86  Rauchbar, Quaestionum Insignium II (1612), Quaestio 21, S.  230 ff.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

die deutsche Bezeichnung „gesamte Hand“ auf Latein regelmäßig mit „investitura simultanea“ übersetzt,87 was den juristischen Tatbestand sicher griffiger beschrieb. Eine wörtliche Übersetzung wie „coniuncta manu“ findet sich zum sächsischen Lehnrecht seltener.88 Man gewinnt den Eindruck, dass die durchweg auf Latein verfassten juristischen Schriften der beginnenden Neuzeit den deutschen Terminus „gesamte Hand“ paradoxerweise als Fremdwort ansehen, an welchem man vor allem deswegen festhält, weil er aus dem alten Sachsenspiegel überliefert ist. b)  Die sächsische gesamte Hand als Instrument der Lehnnachfolge 246

Die Attraktivität der lehnrechtlichen gesamten Hand und, damit einhergehend, ihre vertiefte juristische Untersuchung durch die genannten Autoren ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die sächsische Gesamtbelehnung als Erweiterung des an sich restriktiven Rechts der Lehnnachfolge verwendet werden konnte.89 Auch im neuzeitlichen sächsischen Recht galt nach wie vor die Regelung von SSp. LehnR, 6, 2, und SSp. LehnR, 21, 3, wonach die Kinderlosigkeit des verstorbenen Vasallen den Heimfall des Lehnguts an den Lehnherrn bewirkte und insbesondere Seitenverwandte von der Nachfolge ausgeschlossen waren.90 Die Frage, ab wann im Mittelalter der restriktiven Nachfolgeregelung mit der Konstruktion der gesamten Hand begegnet werden konnte, kann hier nicht vertieft werden.91 Zahlreiche Belege einer solchen Entwicklung sind für das 17. Jahrhundert zu finden. Rauchbar schreibt etwa, dass sich bei sächsischen Lehen ein Erbfolgerecht der Agnaten zwar nicht aus eigenem Recht, wohl aber aus dem Privileg der gesamten Hand ergeben könne.92 Entsprechende Aus87  S. etwa Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, S.  357, der seine Conclusio mit der Überschrift „De simultanea investitura, Von der gesambten Hand“ versieht. S. auch Stryk, Examen juris feudalis (1716), Cap. XII, Nr.  42 (S.  221), Cap. XVI, Nr.  24 f. (S.  274 f.). 88  S. aber Besold, Thesaurus practicus (1666), Buchst. „G“, Nr.  45 S.  313: „Investituram conjunctae manus vel simultaneam vulgò vocamus die gesamte Hand oder Mitbelehnung“; sowie Pistoris, Quaestionum juris II (1598), Questio 20, S.  60: „De natura simultaneae investiturae sive coniunctae manus“. 89  Zu dieser Entwicklung anschaulich Beseler, System 2 (1866), §  107, S.  426 f. 90  Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, Rn.  16 f., S.  360; Pistoris, Quaestionum juris II (1598), Quaestio 19, Rn.  41, S.  37, Quaestio 20, S.  62; Rauchbar, Quaestionum insignium II (1612), Quaestio 20, Rn.  20, S.  235; Stryk, Examen juris feudalis (1716), Cap. XVI, Nr.  25, S.  274 f. 91  Krünitz, Encyklopädie LXIX (1769), Stichw. „Gesammt- oder gemeinschaftliches Lehen“, S.  215, 218 f., Danz, PrivatR VII1 (1801), §  651, S.  363 f., und wohl auch Zachariae, LehnR 2 (1823), §  31, S.  41, Fn.  1, gehen von einer spätestens im 14. Jahrhundert begonnenen Entwicklung aus; zur Wandlung der mittelalterlichen gesamten Hand des Lehnrechts, s. ausführlich H. J. F. Schulze, Erstgeburt (1851), S.  246 ff.; s. ferner die mittelalterlichen Quellen in folgenden Werken: Krünitz, a. a. O., S.  215 ff.; Stobbe/Lehmann, Deutsches PrivatR II.2 (1897), S.  404 f.; Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  101 ff. 92  Rauchbar, Quaestionum insignium II (1612), Quaestio 20, Rn.  20, S.  235.

§  2 .  Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850)

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sagen finden sich bei Berlich93 , bei Carpzov94 sowie später bei Samuel Stryk95. Doch auch im 16. Jahrhundert war anerkannt, dass der kinderlose Tod eines mit gesamter Hand belehnten Vasallen nicht den Heimfall des Lehens zur Folge hatte, sondern dass das Lehen von den verbliebenen Vasallen weiter­geführt wurde. Dieser Schluss ergibt sich aus einem Privileg Kaiser Maximilians  I I. als Markgraf der Oberlausitz aus dem Jahr 1575. Es sah unter Abänderung der traditionellen sächsischen Regelung vor, dass ein Lehngut in der Oberlausitz auch dann an die männlichen Seitenverwandten der väterlichen Linie fallen konnte, wenn der Erblasser kinderlos geblieben und das Lehen nicht von vornherein mit einem besonderen Privileg der „gesamten Hand“ ausgestattet gewesen war.96 Die lehnrechtliche gesamte Hand schützte also eine Familie bereits vor Erlass des Privilegs von 1575 vor dem Heimfall des Guts an den Lehnherrn, wenn eine direkte Linie ihres Stammbaums erlosch. Ferner wird in einer Entscheidung des brandenburgischen Kammergerichts aus dem Jahre 1586 erklärt,97 es sei „in diesen Landen im üblichen Gebrauch“, dass ein „Vetter oder Agnat“ von der Lehnnachfolge ausgeschlossen sei, wenn er nicht „an solchem verlegten Lehen die gesamte Hand gehabt, und derselben von Fällen zu Fällen biß auf den letzten Fall in gebührender Zeit der Rechten die Folge gethan“.98 Nun mussten die Seitenverwandten (oder auch andere Personen), welchen 247 man durch die gesamte Hand im Falle eines kinderlosen Versterbens des aktuell Belehnten ein Nachfolgerecht gewähren wollte, nach dieser Konstruktion ebenfalls belehnt werden. Es war daher wichtig, in der Neuzeit aber auch anerkannt,99 dass Letztere dadurch lediglich ein Nachfolgerecht, nicht aber auch ein Besitzrecht an dem Lehen neben dem aktuell Belehnten erhielten.100 Parallel 93 

Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, Rn.  27 f., S.  361. Carpzov, Definitionum forensium (1663), Constitutio 45, Def. 13, S.  821 f. 95  Stryk, Examen juris feudalis (1716), Cap. XVI, Nr.  25, S.  274 f. 96  S. Privilegium Käysers Maximiliani II. als Königs in Böhmen, vor die Herren Ritterschaft und Mannschaft im Marggrafthum Ober-Lausitz, wegen der gesamten Hand v. 09.08.1575, in: Codex Augusteus II (1724), 3. Teil, Sp.  349 f.; dazu auch die Confirmirte Lehens-Ordnung v. 22.08.1652 durch den sächsischen Kurfürst Georg I, in: Codex Augusteus II (1724), 3. Teil, Sp.  351 ff., nachdem das Markgraftum Oberlausitz unter sächsischer Herrschaft gelangt war. Zu den Unterschieden zwischen dem Oberlausitzer und dem sächsischen Lehnrecht, s. Zachariae, LehnR 2 (1823), §  2 , S.  4, Fn.  1. 97  Die Entscheidung ist auf „Freitags nach Lucae Evangelistae 1586“, also auf den Freitag nach dem Lukastag (18. Oktober) datiert; nach dem in Brandenburg damals angewendeten Julianischen Kalender muss dies also Freitag, der 21.10.1586 gewesen sein (nach dem Gregorianischen Kalender der 31.10.1586). 98 S. Mylius, CCM (1737), 2. Teil, 5. Abt., No. VI, Sp.  13 ff. 99  Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, Rn.   26, S.  361. Laut Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  109, soll diese Art der besitzlosen Mitbelehnung in Sachsen im Jahre 1428, in Pommern im Jahre 1459 eingeführt worden sein; H. J. F. Schulze, Erstgeburt (1851), S.  249, geht von der Einführung der lehnrechtlichen gesamten Hand neueren Rechts gegen Ende des 15. Jahrhunderts aus. 100  Zu dieser Entwicklung, s. Danz, PrivatR VII1 (1801), §  651, S.  361 ff.; Dolliner, LehenR (1793), S.  180 ff.; Philipps, PrivatR II 2 (1839), S.  293 ff.; Stobbe/Lehmann, Deutsches 94 

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

zur gesamten Hand des SSp. LehnR, 32, 1, die gerade von einer „gleichen Gewere“ der Vasallen ausging, musste sich also auch eine zweite Art der lehnrechtlichen gesamten Hand entwickeln, bei der nur eine – oder zumindest nicht alle – der belehnten Personen ein tatsächliches Besitzrecht und die anderen lediglich ein Nachfolgerecht erhielten. Darüber hinaus ordnete eine kursächsische Konstitution von 1572101 an, dass die Teilung des Lehens zwar nach wie vor die gesamte Hand zwischen den Vasallen auflöste, was damit zunächst zum Wegfall deren gegenseitigen Nachfolgeberechtigungen führte. Es war aber der Lehnherr in diesem Fall gehalten, die Vasallen im Wege einer nun besitzlosen gesamten Hand mit den jeweiligen anderen Teilen des ursprünglich einheitlichen Lehens erneut zu belehnen, so dass das Nachfolgerecht der Seitenverwandten gesichert werden konnte.102 Interessanterweise ist die Figur der gesamten Hand nicht nur in sächsischen Territorien, sondern teilweise auch im Geltungsbereich des langobardischen Lehnrechts als Mittel der Sicherung der Lehnnachfolge herangezogen worden. Die langobardischen Regeln waren zwar erbenfreundlicher als die sächsischen Vorschriften, weil sie die Seitenverwandten bei Kinderlosigkeit des versterbenden Vasallen durchaus als Lehnnachfolger akzeptierten, wenn es sich um sogenannte „alte Lehen“ handelte,103 also um solche Lehen, die bereits dem verstorbenen Vasall im Wege der Lehnnachfolge zugefallen waren.104 Doch bei „neuen Lehen“, d. h. jenen, die der verstorbene Vasall durch erstmalige Belehnung vom Lehnherrn unmittelbar erhalten hat, war auch im langobardischen Lehnrecht die Nachfolge der Seitenverwandten ausgeschlossen, so dass im Schrifttum des 17. Jahrhunderts die Sicherung des Nachfolgerechts über die Konstruktion der gesamten Hand in dieser Konstellation erörtert worden ist.105 PrivatR II.2 (1897), S.  405; Zachariae, LehnR 2 (1823), §  31, S.  40; zu der Einteilung in besitzlose Gesamthand und Gesamthand, bei denen allen die gleiche Gewere eingeräumt wird, s. Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  328. 101  Zur Datierung: Wieacker, PRG2 (1967), S.  196. 102  S. Vorordenungen und Constitutionen des Rechtlichen Process, Art.  45 („Vom Gedinge und gesambter Hand“), in: Vorordenungengen und Constitutionen, Bl. 47 verso.; auch abgedruckt in: Carpzov, Definitionum forensium (1663), Constitutio 45, S.  815 f., Anmerkungen dazu in: Carpzov, Definitionum forensium (1663), Constitutio 45, Def. 24, S.  825. 103 S. Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, Rn.   2 f., S.  358: „feudum paternum seu antiquum“; s. auch Coing, EuPR I (1985), S.  359; allgemein zum langobardischen Lehnerbrecht, s. v. Greiffen, Lombardisches Lehensrecht, S.  237. 104  Zur Definition des alten Lehens, auch „Erblehen“ oder „feudum paternum“ genannt, s. Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  326 f. 105 S. Berlich, Conclusiones practicabiles II (1628), P. 2, Concl. 53, Rn.  4, S.  358; Melonius, Thesaurus (1677), Tit. 2, Rn.  15, S.  22; für Österreich in der Mitte des 16. Jahrhunderts wohl ähnlich Walther, Traktat XV, Kap.  5, in: Rintelen, Walthers Traktate (1937), S.  189, der zwar nicht den Ausdruck „gesamte Hand“, aber den des „Gesamtlehens“ verwendet; anders anscheinend aber (der in Bayern publizierende) Perneder, Keyserlichen Rechten III (1600), S.  5 f., 51, welcher bei „neuen Lehen“ die Einräumung eines Agnatenerbrechts nur durch „Investitur mit besonderen Pacten oder Bedingen“ für möglich ansieht.

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2)  Die lehnrechtliche gesamte Hand im 18. und 19. Jahrhundert Im 18. Jahrhundert beziehen sich vermehrt nichtsächsische Autoren auf die 249 Rechtsfigur der lehnrechtlichen gesamten Hand – und sei es nur, um sich zur Frage zu äußern, ob das jeweilige regionale Recht jene Konstruktion übernommen hat oder nicht.106 In dem 1783 in Leipzig erschienenen Repertorium des Teutschen Staats und Lehnrechts wird die lehnrechtliche gesamte Hand als u. a. in Cleve, Westfalen, Hessen, Bayreuth, Anhalt, Pommern und Mecklenburg gebräuchlich identifiziert.107 Der Begriff der lehnrechtlichen gesamten Hand wird vom Reichskammergericht untersucht,108 findet außerdem Eingang in die Regelwerke des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756109 und des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794110. Noch in einem Urteil aus dem Jahre 1865 untersucht das preußische Obertribunal die Unterschiede zwischen der gesamten Hand Sachsens und Neuvorpommerns.111 Auffallend ist, dass der Ausdruck nicht unbedingt zur Bezeichnung der säch- 250 sischen lehnrechtlichen Figur zur Sicherung eines Nachfolgerechts für Seitenverwandte gebraucht wird. Er tendiert teilweise in Richtung eines Überbegriffs, der auch die Mitbelehnung des in den meisten Teilen Deutschlands rezipierten langobardischen (gemeinen) Lehnrechts mit umfasst.112 Die langobardische Mitbelehnung war aber nichts anderes als ein Lehnrecht in Bruchteilsgemeinschaft, das entsprechend zum Miteigentum den Vasallen ein gemeinsames Besitzrecht, jedoch kein gegenseitiges Lehnfolgerecht gewährte.113 Insofern unterschied sie sich grundlegend von der sächsischen gesamten Hand, die in der 106  Zur Geltung in den ehemaligen Territorien des Deutschen Ordens, v. Bunge, Curländisches PrivatR (1851), S.  459 ff.; im schwedischen Teil Pommerns Engelbrecht, Not. iuris feudorum (1744), S.  77 f.; in den deutsch-österreichischen Erbländern, Frhr. v. Heinke, LehenR 2 (1818), §  33, S.  104. Teilweise wird die gesamte Hand von nichtsächsischen Autoren als Teil des allgemeinen deutschen Lehnrechts gesehen, s. etwa Dolliner, LehenR (1793), S.  179 ff.; Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  97 ff. 107  Scheidemantel, Repertorium II (1783), Stichw. „Gesammte Hand“, S.  262, 266; zur Geltung der Figur der Gesamthand in verschiedenen deutschen Territorien, s. auch B. G. Struve, Iuris Feudalis3 (1754), §  243, S.  275 ff.; Westphal, Lehnrecht (1784), S.  109, 111; Boehmer, Iuris feudalis6 (1795), S.  122; G. M. Weber, LehenR IV (1811), §  164, S.  105 ff.; die Anwendbarkeit der sächsischen gesamten Hand in „den althessischen Landesteilen des Großherzogtums Hessen“ wurde vom OAG Darmstadt (Urt. v. 01.12.1831) bekräftigt, s. Seuff. Arch. 1 (1847), Nr.  21, S.  26; zur Anwendbarkeit der Grundsätze der lehnrechtlichen gesamten Hand nach fuldischem Recht, s. außerdem OAG Kassel v. 02.04.1836, in: Henkel, Rechtsfälle I, S.  90 ff. (Nr.  38). 108  Cramer Wetzl. Nbstd. 4 (1756), S.  1 ff., 22. 109  CMBC IV, 18, §  17. 110  PrALR I, 18, §§  16, 263 und 264. 111  S. Preuß. Ob.-Trib. v. 13.11.1865, Ob.-Trib. E. 56, 165. 112 So etwa die Terminologie von Scheidemantel, Repertorium II (1783), Stichw. „Gesammte Hand“, S.  262; ähnlich auch Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  106 f., der von der „Sammtbelehnung nach dem langobardischen Lehnrechte“ oder der „investitura simultanea juris communis“ spricht. 113  S. etwa G. M. Weber, LehenR IV (1811), S.  80 ff.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Neuzeit vornehmlich den Zweck hatte, dem Seitenverwandten ein Lehnfolgerecht zu sichern, ohne diesem ein Besitzrecht zuzuweisen. Eine entsprechende „langobardische“ gesamte Hand findet sich im Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756. Dieser bestimmt, dass in Bayern die „Mitbelehnschaft oder gesammte Hand (Investitura simultanea) […] nicht nach Sächsischen, sondern nach gemeinen Lehen-Recht, und als üblichen Landes-Gebrauch zu beurtheilen“ sei.114 Danach werde allen Vasallen „der würkliche Lehen-Genuss und Condominium utile“ übertragen und zwar in der Weise, dass die „gesammte Hand einen Coinvestito gegen den anderen kein mehreres Recht“ gewähre, dass insbesondere „ein Coinvestitus in des anderen Antheil Kraft der Coinvestitur keineswegs“ nachfolge.115 Der Begriff der gesamten Hand bezeichnet im Codex somit eine schlichte Bruchteilsgemeinschaft am Lehngut. Die Belehnung, durch welche einer der Vasallen kein Besitz-, sondern nur ein Nachfolgerecht erhält, nennt der Codex hingegen „Investitura simultanea eventualis“ und hält sie „mehr für eine Gattung von Anwartschaft oder Expectanz“.116 Eine entsprechende terminologische Verschiebung findet sich im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 nicht wieder, welches auch den Ausdruck der gesamten Hand kennt, diesen jedoch im sächsischen Sinn verwendet. Zwar übernimmt das PrALR grundsätzlich das langobardische Lehnsystem117 und gewährt den Seitenverwandten damit ein Nachfolgerecht,118 was das Bedürfnis für die sächsische gesamte Hand deutlich minderte. Allerdings machte jene Figur auch im langobardischen Lehnrecht Sinn, um etwa jenen Seitenverwandten ein Nachfolgerecht zu sichern, die nicht von dem ersten Erwerber des Lehnguts abstammen oder auch solchen Personen, die mit dem Hauptvasallen gar nicht verwandt waren.119 So versteht das PrALR unter „Gesammthänder[n]“ oder, synonym, „Mitbelehnte[n]“ diejenigen Personen, denen ein Lehen entweder selbst, zusammen mit dem Hauptvasallen, verliehen wurde oder welche das Lehnrecht von einem Vorfahren in gesamter Hand weiterführen.120 Zwar „nehmen“ jene Gesamthänder an dem „nutzbaren Eigenthume“ des Lehns „Theil“,121 damit ist aber nicht gemeint, dass sie dadurch über ein Besitzrecht verfügen. Dieses ruht vielmehr, „bis sie nach der Ordnung der Lehnfolge zum 114 

CMBC IV, 18, §  17. CMBC IV, 18, §  17. 116  CMBC IV, 18, §  17. 117  Hierbei ist aber anzumerken, dass aufgrund des subsidiären Charakters des PrALR dessen lehnrechtlichen Vorschriften gerade in den vormals sächsischen Gebieten durch das sächsische Recht verdrängt wurden, wo dann auch die sächsische Lehnnachfolge galt, s. Dernburg, Preuß. PrivatR I1 (1875), §  368, S.  915. 118  PrALR I, 18, §  359, §  388; Koch, Preuß. PrivatR I 2 (1851), §  279, S.  507. 119  G. M. Weber, LehenR IV (1811), S.  104 f. (§  164). 120  PrALR I, 18, §  16; s. auch Gründler, PrR II (1798), §  1003, S.  593 f. 121  PrALR I, 18, §  17. 115 

§  2 .  Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850)

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wirklichen Besitze des Lehns berufen werden“,122 also der Fall eintritt, dass beim Tod des Hauptvasallen keine Nachkommen oder nachfolgeberechtigten Agnaten mehr vorhanden sind.123 Anders als der Codex Maximilianeus verwendet das PrALR jenen Ausdruck also nicht als Oberbegriff. In der Literatur wird demzufolge zwischen der besitzlosen gesamten Hand sächsischen Typs (auch „Mitbelehnschaft“ oder „investitura simultanea“ genannt) und der langobardischen Coinvestitura (etwas missverständlich auch als „Gesamtbelehnung“ bezeichnet) unterschieden.124 Durch diese steht den Vasallen „das nutzbare Eigentum des Lehns, verbunden mit dessen Besitze und Benutzung, gemeinschaftlich einem Jeden zu seinem Antheile“ zu.125 Nicht sehr viel anders gestaltete sich schließlich die sächsische Systematik, 252 jedoch mit dem Unterschied, dass das sächsische Lehnrecht bis zuletzt den Seitenverwandten grundsätzlich kein Recht der Lehnnachfolge zusprach und damit der Rechtsfigur der gesamten Hand eine größere praktische Bedeutung zuwies. Die Terminologie deckt sich mit der des PrALR und hat diese vermutlich auch geprägt. Die Belehnung, durch welche kein Besitz-, aber ein Nachfolgerecht für den Fall des Absterbens der absteigenden Linie des Hauptvasallen gewährt wird, heißt in der sächsischen Literatur gewöhnlich „Gesamte Hand“, „Mitbelehnung“, oder „investitura simultanea“.126 Auch die an sich langobardische gemeinsame Belehnung in Bruchteilen, die sogenannte „Gesamtbelehnung“ oder „Coinvestitura“ findet in dieser Terminologie Eingang in das sächsische Recht, mit der Besonderheit jedoch, dass jedem Vasallen zusätzlich zu seinem ideellen Bruchteil an dem Lehen auch ein gesamthänderisches Nachfolgerecht auf die ideellen Bruchteile der jeweiligen Coinvestiti zusteht,127 was wiederum dem ursprünglichen Konzept der Belehnung mit gesamter Hand aus dem Lehnrechtsbuch des Sachsenspiegels nahe kommt. Diese Terminologie wurde weitgehend – aber nicht immer – einheitlich in der allgemeinen Literatur des deutschen Privat- oder Lehnrechts des 18. und des 19. Jahrhunderts verwendet.128 122 PrALR I, 18, §   18; s. auch Bielitz, ALR-Komm. IV (1826), S.  9 (I, 18, §§  13–22); Gründler, PrR II (1789), §  1003, S.  593 f. 123 Der Vorrang der Nachkommen und nachfolgefähigen Agnaten ergibt sich aus PrALR I, 18, §  387, §  388; s. auch Koch, Preuß. PrivatR I 2 (1851), §  282, S.  512. 124  Die Terminologie scheint nicht gefestigt, so bezeichnen andere Autoren die langobardische Belehnung nach Bruchteilen als „Mitbelehnung“ oder „coinvestitura“, die sächsische Belehnung mit gesamter Hand aber als „Gesammtbelehnung“, s. Gerber, System I1 (1848), S.  262 ff.; Paetz/Goede, Lehnrecht (1832), §§  61 f., S.  158 ff.; Roth, Mecklenburgisches LehenR (1858), S.  59 ff. 125  Zum Ganzen: Bielitz, ALR-Komm. IV (1826), S.  10 (I, 18, §§  13–22). 126  Westphal, Lehnrecht (1784), S.  90 f., 109 ff.; G. M. Weber, LehenR IV (1811), S.  78 ff.; Zachariae, LehnR 2 (1823), §§  58 f., S.  78 f. 127  Zachariae, LehnR 2 (1823), §§  58, 60, S.  78 ff. 128  S. etwa Eichhorn, PrivatR1 (1823), §  207, S.  519 ff.; Walch, NäherR (1766), S.  271 ff.; verbreitet auch: „langobardische Mitbelehnung“ für die Coinvestitura, s. Hübner, PrivatR

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

3)  Das Ende des Lehnrechts als positives Recht 253

Das Lehnsystem war ein Relikt des Feudalismus und verlor gegen Ende des Mittelalters weitgehend seine öffentlich-rechtliche, insbesondere militärische Bedeutung.129 Privatrechtlich konnte sich das Lehen als Rechtsgebiet zunächst behaupten, verlor aber ab dem Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung.130 Die Revolution in Frankreich und das Ende des Alten Reichs haben diese Entwicklung beschleunigt. So beschloss der französische Gesetzgeber in den Jahren ab 1789 mehrere Maßnahmen, die ihren Höhepunkt in dem Dekret vom 17. Juli 1793131 fanden und auf französischem Territorium letztlich zur Enteignung der Lehnherren zugunsten der Vasallen führten.132 Dementsprechend kennt der im Jahre 1804 in Kraft getretene Code civil auch keine lehnrechtlichen Institute mehr. Die Einführung des französischen Rechts in deutschen linksrheinischen Gebieten führte wohl zumindest zur Zurückdrängung des Lehnrechts in diesen Regionen.133 Auch in den übrigen Teilen Deutschlands befindet es sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts auf dem Rückzug.134 Die preußischen Verfassungsurkunden von 1848 und von 1850 untersagen die Errichtung neuer Lehen und geben die Umwandlung der Lehen in freies Eigentum vor.135 Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wird in der Literatur ersichtlich, dass das (1908), §  48, S.  334; Schmalz, PrivatR (1818), Nr.  617, S.  295; G. M. Weber, LehenR IV (1811), S.  78 f., sieht die „Samtbelehnung“ als Synonym zur Simultaninvestitur, also gerade nicht zur Coinvestitur. 129  So verzichtet etwa in Preußen Friedrich Wilhelm I. auf die Herrschaft über die meisten Lehngüter der Monarchie, s. Edikt v. 05.01.1717, in: Mylius, CCM (1737), 2. Teil, 5. Abt., Sp.  81 ff. (Nr.  49), dazu Gräff/v. Rönne/Simon, Ergänz. ALR II3 (1848), S.  341 f. 130  Zu den bereits im 18. Jahrhundert wurzelnden Gründen des Niedergangs des Lehnrechts, Deter, ZRG-GA 130 (2013), S.  205, 211 ff. 131  Décret qui supprime sans indemnité toutes les redevances ci-devant seigneuriales et droits féodaux, même ceux conservés par le décret du 25 août 1792 (Dekret, welches ohne Entschädigung alle nachfolgenden herrschaftlichen Abgaben und Feudalrechte abschafft, selbst jene, die vom Dekret v. 25.08.1792 beibehalten wurden), in: Duvergier, Collection VI 2 (1834), S.  19 ff. 132  Das Lehnrecht wurde in Frankreich nach der Restauration offenbar auch nicht wieder eingeführt; zur Entwicklung in Frankreich, s. Dalloz, Jurisprudence VIII (1829), Stichw. „Féodalité“, S.  458, 462 f. 133  Zur gänzlichen Abschaffung des Lehnrechts kam es jedoch vermutlich nicht; s. dazu Schubert in: Code Napoléon in Deutschland (2011), S.  87, 88; zum Inkrafttreten des Dekrets v. 17. Juli 1793 in den linkrheinischen Départements durch das Règlement concernant la suppression des droits féodaux du 6 germinal An VI (Verordnung betreffend die Abschaffung der Feudalrechte v. 26.03.1798), s. Bormann/Daniels, Rheinprovinzen II (1834), Nr.  151, S.  371; zur Entwicklung in den Rheinprovinzen nach der Restauration, s. Zacha­ riae, Frz. CivilR I3 (1827), §  198, S.  401 ff.; Gräff/v. Rönne/Simon, Ergänz. ALR II3 (1848), S.  342 ff. 134 Grundlegend zur Beendigung lehnrechtlicher Verhältnisse in Bayern, Baden, Württemberg und Hessen, Becker, Lehenwesen (2014), S.  77 ff., 115 ff., 151 ff., 177 ff.; zur Situation in Bayern s. auch H. Fischer, Fideikommisse, S.  364 ff. 135  Art.  38 der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat v. 05.12.1848 (Nr.  3065), PrGS 1848, S.  375 ff., und Art.  40 f. der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat v.

§  2 .  Die sächsische Belehnung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1850)

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Lehnrecht ein Rechtsgebiet ohne Zukunft ist.136 Das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs musste ebenfalls zu einer Schwächung der lehnrechtlichen Institute führen. Zwar ließ Art.  59 EGBGB in der Fassung von 1900 die landesrechtlichen Vorschriften zum Lehnrecht unberührt. Dass der Eigentumsbegriff des BGB den Rechten an Gegenständen aus Lehnverhältnissen keinen Platz einräumte, zeigt aber, dass es sich bei den entsprechenden Rechtsfiguren um Relikte aus einer anderen Zeit handelte. In den BGB-Ausführungsgesetzen der Länder finden sich noch vereinzelt lehnrechtliche Bestimmungen.137 Doch in den meisten Bundesstaaten wird die Allodifikation zu diesem Zeitpunkt so weit fortgeschritten gewesen sein, dass lehnrechtliche Institute keine praktische Rolle mehr spielten. Die Literatur zum jeweilig geltenden Lehnrecht ist nach 1900 unbedeutend, immerhin die noch nicht abgeschlossene Abschaffung der Familienfideikommisse wird noch erörtert, insbesondere nachdem Art.  55 der Weimarer Reichsverfassung dies als Ziel vorgibt.138 Vereinzelt werden durch Landes-139 und Reichsgesetze140 noch verbleibende lehnrechtliche Institute abgeschafft. Art. III des Kontrollratsgesetzes Nr.  45 vom 20. Februar 1947 höhlt den formal lehnrechtsfreundlichen Art.   59 EGBGB weiter aus,141 welcher schließlich im Zuge einer Gesetzesbereinigung 1968 aufgehoben wird.142 Allenfalls anekdotischen Charakter hat die Tatsache, dass Art.  59 EGBGB in der

31.01.1850, (Nr.  3212), PrGS 1850, S.  17 ff. S. auch das Gesetz v. 05.06.1852 betreffend die Abänderung der Artikel 40 und 41 der Verfassungsurkunde (Nr.  3574), PrGS 1852, S.  319; dazu Deter, ZRG-GA 130 (2013), S.  205, 216 f.; Hübner, PrivatR (1908), S.  338; ähnliche Entwicklungen vollziehen sich in anderen deutschen Ländern, s. Hübner, a. a. O., S.  339. 136  Zur schwindenden Bedeutung des Lehnrechts, s. etwa Gerber, System I1 (1848), §  103, S.  230 f. 137  S. für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin: §§  153–163 VO v. 09.04.1899 zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in: Becher, Ausführungsgesetze I (1901), Mecklenburg-Schwerin, S.   34  f.; entsprechend für das Großherzogum Mecklenburg-Strelitz: §§  150–160 der Verordnung v. 09.04.1899 zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in: Becher, Ausführungsgesetze I (1901), Mecklenburg-Schwerin, S.  31. 138  S. etwa J. Wagner in: Staudinger, BGB VI 2 (1906), Art.  59 EGBGB (S.  166 ff.). 139  Etwa in Bayern durch das Lehenauflösungsgesetz (Nr.  4 4213) v. 20.08.1920, BayGVBl. 1920, S.  417, dazu Keidel in: Staudinger, BGB VI.19 (1929), Art.  59, Anm. II.2.b (S.  131); offenbar hat die Abwicklung vorhandener Lehnverhältnisse in Bayern erst in den 1920er Jahren ihren Abschluss gefunden, dazu Becker, Lehenwesen (2014), S.  110 ff.; H. Fischer, Fideikommisse (2013), S.  393 ff. 140  S. §  30 des Gesetzes v. 06.07.1938 über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen, RGBl. 1938, I, S.  825; s. auch §  87 der Verordnung v. 20.03.1939 zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen, RGBl. 1939, I, S.  509 ff. 141 ABlKR 1947, S.   256, dazu Hoche in: Palandt, BGB7 (1949), Vor §  854, Anm.  5.b (S.  925), und Art.  59 EGBGB, Anm.  1 (S.  1972 f.). 142 Aufhebung durch das Gesetz v. 28.12.1968 über den Abschluss der Sammlung des Bundesrechts (BGBl. 1968, I, S.  1451) infolge der Nichtübernahme in das Bundesgesetzblatt, Teil 3, dazu Lauterbach in: Palandt, BGB32 (1973), Art.  59 EGBGB, Vorbemerkung.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Bekanntmachung der Neufassung des EGBGB vom 21. September 1994143 offenbar irrtümlich wieder abgedruckt wurde.144

§  3.  Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500) 254

Eine wesentlich andere Bedeutung als im Lehnrecht hat die gesamte Hand als historische Bezeichnung eines Schuldverhältnisses, an dem eine Personenmehrheit beteiligt ist. Wird jener Ausdruck in diesem Sinn durchaus in zahlreichen Quellen des Mittelalters verwendet (I),145 spielt er in der Neuzeit praktisch keine Rolle mehr (II).

I.  Gebrauch des Begriffs im Mittelalter 1)  Die schuldrechtliche gesamte Hand in den Quellen 255

Repräsentativ und anschaulich für die schuldrechtliche gesamte Hand ist eine Passage des hamburgischen Ordeelbooks aus dem Jahre 1270: 146 Ordeelbook G VIII (Text) So wor meer lude den een man lautet eneme manne en ghelt, alle sint se dar schuldich to gheldende, vnde nicht er iewelk al, men malk also vele, alse eme to boret.

Wenn mehr Leute als ein Mann einem Manne eine Geldzahlung geloben, so sind alle zur Zahlung verpflichtet, und nicht einer jeweils alles, sondern jeder so viel, als ihm gebühren mag.

Men lauet lude mit samender hand, vnde alle de men hebben mach de scholen ghelden to der gheloueden tyt.

Aber geloben Leute mit gesamter Hand [dann] sollen alle, die man haben kann, zu der gelobten Zeit bezahlen.

[…]

[…]

Die betreffenden Sätze des Abschnittes G VIII beziehen sich auf den Fall, dass sich mehrere Personen vertraglich gegenüber einem Gläubiger zur Zahlung oder Rückzahlung einer bestimmten Summe verpflichten. Danach soll der Gläubiger von jedem Schuldner grundsätzlich nur „so viel, als ihm gebühren mag“, also nur dessen jeweiligen Anteil an der gesamten Verbindlichkeit verlangen können. Der zweite Satz erlaubt hierzu jedoch eine Alternative, wenn sich die Schuldner „mit gesamter Hand“ zu der Zahlung verpflichtet haben. 143 

BGBl. 1994, I, S.  2495, 2503. Säcker in: MünchKomm-BGB XI6 (2015), Art.  59 EGBGB, Rn.  1. 145 Dazu Meier in: HKK II.2 (2007), §§  420–432/I, Rn.  5. 146  Abschrift des Kopenhagener Kodex des Ordeelbooks sowie die hochdeutsche Übersetzung übernommen aus Eichler, Ordeelbook (2005), S.  224. 144 Dazu

§  3.  Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500) 203

Dann ist es für den Gläubiger, der die vollständige Zahlung der Verbindlichkeit anstrebt, nicht mehr unabdingbar, hierfür alle Schuldner heranzuziehen. Diejenigen Schuldner, „die man haben kann“ – ggf. also auch nur ein einziger – können so mit der Verpflichtung der Zahlung der vollständigen Summe konfrontiert werden. Eine „gesamte Hand“, die der des Ordeelbook entspricht, lässt sich in zahlreichen weiteren Quellen ab dem 13. Jahrhundert für das gesamte Mittelalter belegen.147 Von einem Geloben mit gesamter Hand eines Hauptschuldners nebst Bürgen ist in einem Schöffenspruch des Oberhofs Iglau aus einer Zeit wohl vor 1368 die Rede.148 Das möglicherweise nicht viel später verfasste Schöffenrechtsbuch der „Blume von Magdeburg“149 beschreibt den Fall, dass mehrere Personen mit gesamter Hand und ungesondert eine bestimmte Summe zu zahlen versprechen und ordnet ihm Rechtsfolgen zu, die denen des Hamburger Ordeelbooks gleichen.150 Eine ähnliche Regelung findet sich weiter im ab Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen151 Soester Stadtbuch (sog. „Alte Schrae“).152 Bereits vor 1300 finden sich der Ausdruck „coniuncta manu“ oder ähnliche deutsche und lateinische Bezeichnungen in Schuldbüchern, d. h. in städtischen Registern über bestehende Verbindlichkeiten von und gegenüber Stadtbürgern, aus Kiel153 , Lübeck154 , Stralsund155 und Hamburg156 . 147  Zu den nachfolgenden Quellen, s. auch die Fundstellen in Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  30 f., in Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  139 ff., in Haltaus, Glossarium I (1758), Sp.  677 f., und in Grimm, Wörterbuch IV.1.2 (1897), Sp.  3786. 148  Tomaschek, Oberhof Iglau (1868), S.  144 (Nr.  249): „Das dy purger mit dem beschuldigten alle miteinander mit gesampter hant gelubet haben ezu recht gesten vor dem camerer, wen her gepewt“; zur Datierung, Tomaschek, a. a. O., S.  34; s. ferner die Eintragungen im Dortmunder Urteilsbuch, DoUrtB, Nr.  60, 94, und im Brünner Schöffenbuch aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, Brünn SchöffB, Nr.  129 (zur Datierung, s. Rössler, Rechtsdenkmäler II, S. XXXII f.). 149  Zur Datierung auf 1386/87, s. Boehlau, BM (1868), S.  19; zur Frage, ob es sich um ein echtes Schöffenrechtsbuch handelt, s. Boehlau, a. a. O., S.  15 ff. 150  BM II, 2, 94: „Globin leute mit gesamptir hant vnd vngesundert, czu beczalin ein gelt, sy sint alle gelich schuldig Welchir abir ir ein daz gelt gancz und gar beczalt, der hot dy burger alle gelost“; insgesamt acht Artikel regeln verschiedene Unterarten eines solchen Versprechens, s. BM II, 2, 94–101; weitere Regelungen zur Verpflichtung mit gesamter Hand im Dortmunder Großen Stadtbuch, DoStB, Nr.  59, 113. 151  Schöne, Soester StadtR (1998), S.  26. 152  SoeStB, Sätze 52–53. 153  Aus dem Jahre 1284: KielStB, Nr.  834 („communi manu“). 154 Aus dem Jahre 1364: LübNStB, Nr.   16; aus 1413: LübNStB, Nr.   20; aus 1425: LübNStB, Nr.  26; aus 1435 LübNStB, Nr.  50. 155  Aus dem Jahre 1288: äStralsStB, IV, 24 („promiserunt coniuncta manu“); aus 1296: äStralsStB, IV, 440 („x et y manu coniuncta sive in solidum promiserunt“). 156  Aus dem Jahr 1300: Hbg SchB, Nr.  884; aus 1301: Hbg SchB, Nr.  893 und 908; aus 1306: Hbg SchB, Nr.  1027; vor 1300 werden im Hamburger Schuldbuch auch andere lateinische Ausdrücke benutzt, wie etwa „pari manu“ im Jahr 1296 (Nr.  722) oder „communi manu“ im Jahr 1297 (Nr.  750).

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

2)  Dogmatische Einordnung der schuldrechtlichen gesamten Hand 256

257

Möchte man versuchen, die gesamte Hand der genannten historischen Quellen juristisch zu qualifizieren, so erscheint die Parallele zur Gesamtschuld naheliegend. Es fällt auf, dass die schuldrechtliche gesamte Hand in den Quellen teilweise mit dem Begriff „in solidum“ gleichgesetzt wird,157 also mit einer römischen Bezeichnung,158 die der heutigen Gesamtschuld entspricht. Tatsächlich ist sowohl für jene historische Form der gesamten Hand als auch für die heutige Gesamtschuld wesentlich, dass der Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderung ggf. einen einzigen der Schuldner haftbar machen kann. In den Details weist die historische schuldrechtliche gesamte Hand jedoch teilweise eine Abweichung auf. Die Lektüre der betreffenden Bestimmung aus dem Ordeelbook lässt vermuten, dass der Gläubiger, anders auch als im römischen Recht,159 nur dann eine einzige Person für die gesamte Summe haftbar machen kann, wenn auch die anderen Schuldner nicht zu seiner Verfügung stehen. Andere Quellen sehen diese Abweichung wiederum nicht vor, wie die des Soester Stadtbuchs, welche von vornherein dem Gläubiger erlaubt, den Schuldner seiner Wahl in Anspruch zu nehmen.160 Doch auch die Variante, in der sich der Gläubiger zunächst an jeden einzelnen Schuldner wenden muss, welcher jeweils als Einzelperson nur subsidiär für die gesamte Summe haftet, lässt das wesentliche Merkmal der Gesamtschuld unberührt, dass dem Gläubiger die Befriedigung seiner Forderung sicher ist, wenn auch nur einer der Schuldner zahlen kann. Wie von Sonja Meier festgestellt entsprach die schuldrechtliche gesamte Hand damit „funktional der römisch-gemeinrechtlichen Gesamtschuld“.161 In der Literatur des 19. Jahrhunderts war es vornehmlich Autoren der germanistischen Schule freilich wichtig, die in alten deutschen Quellen zu findende Verbindlichkeit der gesamten Hand von der römischen Korreal- und Solidarschuld abzugrenzen. Exemplarisch ist die Position, die Otto Stobbe zu beiden Rechtsfiguren einnimmt: 162 157 Etwa äStralsStB, IV, 440 („x et y manu coniuncta sive in solidum promiserunt“); Brünn SchöffB, Nr.  129 („Si duo debitores promittunt uni creditori debitum aliquod in solidum, seu conjuncta manu, quod vulgariter dicitur mit gesammter hand“). 158  Javolen, Dig. 45, 2, 2. 159  S. Inst. 3, 20, 4. 160  SoeStB, Satz  52–53: „Vortmer lovet lude mit samender hant, so hevet dey cleghere dey macht, dat hey beclaghen mach wilkeren hey wil; unde wilkeren hey beghripet mit gherichte, deme mach hey volghen, also eyn recht is“; weitere Quellen bei Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  158. 161  Meier, Gesamtschulden (2010), S.  66; vgl. auch Eichler, Ordeelbook (2005), S.  2 25, der die betreffende Stelle des Ordeelbook offenbar als Regelung sieht, die dem heutigen §  421 BGB entspricht. 162  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.   159 f.; dieselbe Sichtweise vertreten in der Folge Platner, Bürgschaft (1857), S.  36 f.; Kuntze, Inhaberpapiere (1857), S.  213 f.; Gierke, GenossenschR II (1873), S.  957 f.; s. auch Samhaber, Correalobligation (1861), S.  56 ff., der diese Ansicht umfassend erläutert, ohne aber klarzustellen, ob er sich ihr anschließt.

§  3.  Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500) 205

Der Unterschied zwischen dem deutschen und römischen Recht liegt darin, daß bei den römischen solidarischen und Correal-Obligationen mehrere Obligationen mit mehreren Schuldnern bestehen, welche alle den gleichen Inhalt haben und in der Weise miteinander verbunden sind, daß, wenn die Obligation von Einem der Schuldner erfüllt ist oder in der Person des Einen durch andere im römischen Recht bestimmt bezeichnete Gründe erloschen ist, auch die Verpflichtung der Uebrigen untergeht. Bei der gesammten Hand dagegen besteht nur eine Obligation mit mehreren Schuldnern; diese mehreren Schuldner gelten aber dem Gläubiger gegenüber in so weit als eine Person, als es in seiner Wahl steht, Einen oder Mehrere unter ihnen zu belangen, und daß die Uebrigen nicht schon durch die bloße Klaganstellung, sondern erst durch die völlige Befriedigung des Gläubigers befreit werden.

Stobbe erklärt, der Unterschied zwischen der römischrechtlichen solidarischen 258 bzw. Korrealschuld und der historischen schuldrechtlichen gesamten Hand liege in der hinter der Regelung stehenden Vorstellung, dass die Personenmehrheit, auf die die Verbindlichkeit lastet, eine Einheit bildet, wohingegen die römische Solidar- bzw. Korrealobligation die Schuldner individuell betrachtet.163 Stobbes Erklärung zum Selbstverständnis der mittelalterlichen schuldrechtlichen gesamten Hand erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar. Auch die bildliche Vorstellung, wie die Schuldner, sich symbolisch die Hände fassend, die Zahlung des geschuldeten Betrags geloben,164 trägt dazu bei, jenen Deutungsversuch einleuchtend erscheinen zu lassen; eine Parallele mit dem gemeinsamen Handgang bei der lehnrechtlichen gesamten Hand165 liegt außerdem nahe. Es ist aber fraglich, ob in der Rückschau die Identifizierung eines entsprechenden antiken römischen und mittelalterlichen deutschen Verständnisses der betreffenden Figuren in dieser Griffigkeit tatsächlich möglich ist.166 Sie ließe sich jedenfalls nur aus einer Lektüre zwischen den Zeilen der jeweiligen Quellen herleiten, denn Letztere liefern keine ausdrücklichen Erläuterungen über den konzeptuellen Unterbau der jeweiligen Regelungen. Es drängt sich im Übrigen der Verdacht auf, dass sich die pragmatisch orientierte römische Rechtswissenschaft diese theoretischen Frage nicht gestellt hat; 167 das dürfte umso mehr für die Redaktoren der deutschen mittelalterlichen Urkunden und Rechtstexte gelten. Doch auch wenn man sich der von Stobbe vorgeschlagenen Differenzierung anschließen möchte, so betrifft sie lediglich die Vorstellung, die hinter den jeweiligen Regelungen steht; den Inhalt der Regelungen selbst berührt sie nicht. Gerhard Buchda bringt es überzeugend auf den Punkt: „Ob nun von vornherein festgelegt ist, jeder Einzelschuldner müsse nach Belieben des Gläubigers das Ganze leisten, oder ob bloß gesagt wird, die mehreren zu163 

Dazu auch Meier in: HKK II.2 (2007), §§  420–432/I, Rn.  5. Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  148. 165  Dazu o., Rn.  237. 166  Zweifelnd auch Meier, Gesamtschulden (2010), S.  67. 167  So auch Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4 (1987), §  107, S.  281; Liebs, Klagenkonkurrenz (1971), S.  21. 164 S.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

sammen müßten das Ganze leisten, der Gläubiger könne aber bestimmen, wem er die Leistung und wieviel er einem Einzelschuldner abfordere […] – all das läuft doch wohl auf dasselbe hinaus. Einen grundlegenden Gegensatz wird man jedenfalls nicht darin finden können“.168 Dieses Ergebnis ist für die Legitimität der aktuellen Gesamthandidee nicht ganz unwichtig. Aus ihm folgt, dass die historische schuldrechtliche gesamte Hand nur entfernt mit den heute anerkannten Grundsätzen der gesamten Hand in Verbindung steht. Wenn Parallelen zu einer Rechtsfigur des geltenden Rechts gezogen werden können, dann am ehesten zur Gesamtschuld.169 3)  Ursprung und Verbreitung der schuldrechtlichen gesamten Hand 259

Darüber, wann und wie es zu der Bezeichnung „gesamte Hand“ zur Identifizierung von Gesamtschuldverhältnissen gekommen ist, können an dieser Stelle keine engültigen Aussagen gemacht werden. Der Ausdruck stammt jedenfalls nicht unmittelbar aus den Vorschriften zur Bürgschaft des Sachsenspiegels. Zwar war der die Teilschuld betreffende (erste) Absatz des Ordeelbook mit weitgehenden Übereinstimmungen in Satzbau und Wortwahl bereits im Sachsenspiegel vorhanden,170 doch trifft dies für die Regelung des (zweiten) Absatzes zum Geloben „mit gesamter Hand“ nicht zu. Der Sachsenspiegel verwendete den Ausdruck „mit gesamter Hand“ ausschließlich im Lehnrecht, nicht in anderen Zusammenhängen.171 Ebenso wenig wird der Ausdruck von der sich auf die betreffende Sachsenspiegelstelle beziehenden, aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammenden Buch’schen Glosse verwendet.172 Erst die spätere, auf das 15. Jahrhundert zurückgehende Bocksdorfsche Glosse173 hebt die Möglichkeit hervor, ein „Geloben“ mehrerer Bürgen sei auch „mit gesamter Hand“ möglich, was zur Folge habe, dass einer der Bürgen allein zur Zahlung herangezogen werden könne, wenn die anderen Bürgen nicht habhaft zu machen sind.174 Es ist denkbar, dass die Glossenautoren zur Bürgschaft des Sach168  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  269, über Stobbes Unterscheidung zwischen Solidar- und Gesamthandschuld. 169 Zur Entsprechung der betreffenden Regelung des Hamburger Ordeelbooks mit der heutigen Gesamtschuld, s. Eichler, Ordeelbook (2005), S.  225.; s. ferner Haltaus, Glossarium I (1758), Sp.  677 f., der zur in alten Quellen mit gesamter Hand eingegangenen Verpflichtung erklärt: „i. e. in solidum“. 170  SSp. LandR, III, 85, 1, dazu Eichler, Ordeelbook (2005), S.  2 26. 171  S. o., Rn.  238. 172  Buch’sche Glosse zu SSp. LandR, III, 85, 1, in: F.-M. Kaufmann, Buch’sche Glosse III (2002), S.  1504; ebenso wenig wird der Ausdruck in der späteren Stendaler Glosse verwendet, s. Rynmann von Öhringen, Sassenspegel (1517), Bl. 194 recto/verso (Neudruck S.  389 f.); zur Übernahme der Stendaler Glosse durch die Veröffentlichung Rynmanns, s. etwa Oppitz, Rechtsbücher I (1990), S.  74. Zur Datierung der Buch’schen Glosse, s. Kannowski, Buch’sche Glosse (2007), S.  61 ff.; F.‑M. Kaufmann, Buch’sche Glosse I (2002), S. XXIV. 173  Zur Datierung s. Steffenhagen, Landrechtsglosse V (1885), S.  1. 174  Bocksdorfsche Glosse zu SSp. LandR, III, 85, abgedruckt in: Zobel/Loss, Sachsen-

§  3.  Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500) 207

senspiegels einen bereits außerhalb des Sachsenspiegels etablierten Begriff übernommen haben. Nicht von vornherein auszuschließen ist, dass der Ausdruck „mit gesamter Hand“ des Lehnrechtsbuchs des Sachsenspiegels als Inspirationsquelle gedient hat, wobei die Unterschiedlichkeit der Materie diese Idee als eher unwahrscheinlich erscheinen lässt. Dagegen spricht weiter, dass die Bezeichnung „gesamte Hand“ im Zusammenhang mit Schuldnermehrheiten offenbar auch im skandinavischen Raum gebräuchlich war.175 Ferner kommt das Soester Stadtrecht, das gerade die hanseatischen Stadtrechte maßgeblich beeinflusst hat, als Impulsgeber für den Gesamthandbegriff nicht in Betracht. Der im Alten Stadtbuch, der sog. „Alten Schrae“, verwendete Begriff der gesamten Hand ist Teil des Soester Stadtrechts,176 der erst ab Mitte des 14.  Jahrhundert entstanden ist.177 Er datiert also nach den ersten Quellen, in denen der Ausdruck „gesamte Hand“ im Zusammenhang mit solidarischen Schuldverhältnissen gefunden werden kann. Von den Autoren gerne hervorgehoben und tatsächlich einleuchtend ist die Idee, die Bezeichnung sei das verbale Produkt aus der Situation des Handschlags bei gemeinsamer Verwendung der Hände der Versprechenden,178 wofür auch die häufige Wendung „mit gesamter Hand geloben“ spricht. In diesem Fall hätten sowohl die sächsische gesamte Hand des Lehnrechts als auch die mittelalterliche gesamte Hand bei Schuldnermehrheiten den gleichen praktischen Ursprung: die äußere Beschreibung der Förmlichkeiten des betreffenden Rechtsgeschäfts. Festzustellen ist jedenfalls die Verbreitung der Bezeichnung „gesamte Hand“ 260 im Zusammenhang mit einem Gesamtschuldverhältnis oder einer Bürgschaft in der Zeit vom 13. bis in das 16. Jahrhundert, etwa in Bremen179, Dortmund180 , Stralsund181, ohne dass es jedoch zu einer allgemeinen Durchsetzung des Be-

spiegel (1545), Bl. 265 recto, ebenfalls in: Klingen v. Steinaw, Sechsisch Landrecht (1577), Bl. 160 recto; diese Veröffentlichungen weichen zwar teilweise von der Bocksdorfschen Glosse ab (s. Steffenhagen, Landrechtsglosse X (1911), S.  4 f.), die betreffende Glossenstelle war durch die Übernahme in die Veröffentlichung Zobels aber nicht abgeändert worden, s. die Konkordanz zwischen dem Zobeler Druck und der Dresdner Handschrift der Glosse in: Steffenhagen, Landrechtsglosse V (1885), S.  23, 79 f. 175  S. dazu v. Amira, Nordgermanisches ObligationenR I (1882), S.  177 ff., sowie die dort zitierten Quellen. 176  SoeStB (Satz  52–53), in: Deus, Soester Recht I (1969), S.  60, §  278: „Vortmer lovet lude mit samender hant, so hevet dey cleghere dey macht, dat hey beclaghen mach wilkeren hey wil; unde wilkeren hey beghripet mit gherichte, deme mach hey volghen, also eyn recht is“. 177  Schöne, Soester StadtR (1969), S.  26. 178 S. nur Duncker, Gesammteigentum (1843), S.   30 f.; Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  148; Platner, Bürgschaft (1857), S.  36; Kuntze, Inhaberpapiere (1857), S.  213; in heutiger Zeit auch Meier in: HKK II.2 (2007), §§  420–432/I, Rn.  8, Fn.  26. 179  S. BrStR 1303, IV, 127; BrStR 1433, II, 80. 180  S. das große Stadtbuch von Dortmund aus dem 14. und 15. Jahrhundert, etwa DoStB, Art.  59 und 113. 181  S. das Zweite Stralsunder Stadtbuch, etwa zwStralsStB 70, in: Ebeling, zwStralsStB

208

2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

griffs in den deutschen Ländern gekommen ist.182 Soweit der Ausdruck zur Identifizierung einer solidarischen Schuld gebraucht wird, fällt weiter auf, dass sich eine Entwicklung zu einem Rechtsbegriff zumindest regional bereits um 1300 vollzogen haben muss. Zwar wird die Bezeichnung in vielen Quellen im Sinne eines gemeinsamen Versprechens verwendet, welches den gemeinsamen Einsatz der Hände der betreffenden Personen durchaus nachvollziehbar macht. Von einer tatsächlichen Benutzung der Hände losgelöst sind jedoch jene Passagen, die von bestehenden Verbindlichkeiten „mit gesamter Hand“ ausgehen, wie es in zahlreichen Urkunden des Hamburger Schuldbuchs183 oder im Lübecker Niederstadtbuch184 zu lesen ist. Angesichts der erreichten Verbreitung des schuldrechtlichen Gesamthandbegriffs ist es daher umso auffälliger, dass er in der Neuzeit nahezu vollständig außer Übung gerät.

II.  Das Ende des Begriffs in der Neuzeit 261

Anders als der lehnrechtlichen Figur der sächsischen gesamten Hand gelingt der mittelalterlichen gesamten Hand als Bezeichnung von Schuldnermehrheiten nicht der Sprung in die Neuzeit. Die Spur der „gesamten Hand“ als Bezeichnung von Schuldnermehrheiten verliert sich allmählich ab dem 16. Jahrhundert. War die oben genannte Passage im Hamburger Ordeelbook von 1270 zur Eingehung (quasi‑)solidarischer Verpflichtungen noch praktisch wortgleich – einschließlich des Ausdrucks „gesamte Hand“ – in das Hamburger Stadtrecht von 1497 übernommen worden,185 stützen sich die Gerichtsordnung und Statuta Hamburgs von 1603 nur noch auf die Formel „einer für alle und alle für einen“.186 Schon gut zwanzig Jahre zuvor hatte das revidierte Lübecker Stadtrecht von 1586 solidarische Schuldverhältnisse ebenfalls mit dieser Bezeichnung belegt.187 David Mevius ignoriert den Begriff der gesamten Hand in seiner Kommentierung des Lübecker Stadtrechts ebenfalls und hält sich an die (1903), S.  12, s. i. Ü. die zahlreichen Fundstellen zum Stichwort „manus“ im Sachregister, Ebeling, a. a. O., S.  382. 182  Das Steiermärkische Landrecht aus dem 14. Jahrhundert regelt zwar die Bürgschaft recht detailliert, verwendet aber nicht den Ausdruck der gesamten Hand, s. Art.  121 ff. StmLR, in: Bischoff, StmLR (1875), S.  129 ff., zur Datierung s. Bischoff, a. a. O., S.  57 ff. 183  Aus 1296: Hbg SchB, Nr.  722 („tenentur pari manu“). 184  Aus 1351: LübNStB, Nr.  12 („tenentur coniuncta manu“). 185  HbgStR 1497, L, III, in: Anderson, Hbg PrivatR I (1782), S.  4 49; s. a. Eichler, Ordeelbook (2005), S.  226. 186  HbgStR 1603, II, 6, 8, in: Hamburg GerichtsO (1842), S.  306, dazu Eichler, Ordeelbook (2005), S.  226. 187  LübStR 1586, III, 5, 2; freilich tauchte der Ausdruck der Gesamthand auch in den frühen Handschriften des lübischen Rechts nicht auf, s. hierzu exemplarisch den Kolberger Kodex von 1297, in: Jancker/Hammel-Kiesow/Rudert, Kolberger Kodex (2005), S.  33 ff. (Faksimile) und S.  145 ff. (Übersetzung), sowie die Darstellung des lübischen Rechts unter Berücksichtigung verschiedener Kodizes des 13. und 14. Jahrhunderts in Korlén, Stadtrecht von Lübeck (1951), S.  11 ff.

§  3.  Die schuldrechtliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ (bis etwa 1500) 209

statutarische Formel „einer für alle“, welche er mit dem römischrechtlichen Begriff „in solidum“ erklärt.188 Wenn die Lüneburger Stadtrechtsreformation von 1586 die gesamte Hand noch als Bezeichnung einer von mehreren Personen solidarisch eingegangenen Verpflichtung begreift,189 findet sich der Ausdruck im ansonsten inhaltsgleichen Artikel der Frankfurter Reformation von 1578 nicht.190 Auch in süddeutschen Regelwerken scheint der Gesamthandbegriff für solidarische Schuldnermehrheiten in der Neuzeit nicht gebräuchlich.191 Die Literatur des 18. Jahrhunderts kommt nicht auf den Ausdruck „gesamte Hand“ zur Bezeichnung solidarischer Schuldverhältnisse zurück, sondern stützt sich weiter auf die Bezeichnungen „einer für alle“, „in solidum“ oder auch „sämtlich und sonderlich“.192 Im Hohenloher Landrecht von 1738193 , im Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756194 , im Rostocker Stadtrecht von 1757195 und im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794196 wird der Ausdruck „gesamte Hand“ im Zusammenhang mit der Bürgenmehrheit und der vertraglichen Gesamtschuld („Correalvertrag“) nicht gebraucht. Der Untergang des altdeutschen schuldrechtlichen Begriffs der gesamten Hand erklärt sich vermutlich daraus, dass er in die inhaltsgleiche römischrechtliche Solidarschuld aufgegangen ist. Anders als die lehnrechtliche gesamte Hand befriedigte sie kein praktisches Bedürfnis, das von römischrechtlichen Regelungen nicht hätte abgedeckt werden können. Vollständig verschwunden ist der Begriff der gesamten Hand als Bezeich- 262 nung solidarischer Schuldverhältnisse freilich auch in der Neuzeit nicht. Auffällig ist, dass das Hamburger Stadtrecht von 1603 zwar den Ausdruck aus dem Text über die Bürgenmehrheit tilgt,197 ihn aber dafür in die Vorschrift zur Erbschaft in Gesellschaftsanteilen wieder einführt,198 wobei jene Wendung von der späteren hamburgischen Rechtsliteratur bestenfalls als Quellenzitat aufgenommen wird.199 Johann Philipp Orth begreift bei der Lektüre von LünbStRef (1586), II, 23, Abs.  8, dass eine Solidarschuld „also zu teutsch“ als 188 

Mevius, Commentarius (1664), S.  101, Rn.  12. LünbStRef, II, 23, Abs.  8. 190  FftRef (1578), II, 23, 9. 191  S. etwa die Regelungen zur Bürgschaft der Wormser Reformation von 1498, WmsRef V, 3, 1, der Ersten Frankfurter Reformation von 1509, FftRef 1509, Rubriken 32 und 33, und des Württembergischen Landrechts von 1610, WüLR 1610, II, 5. 192  Stein, Lübisches Recht III (1745), S.   195 f. (§   121 f.); G. A. Struve, Jurisprudenz3 (1711), III, 9, §  10 f., S.  529 f. 193  HlhLR, III, 15, abgedruckt in: Hohenloher LandR (1738), S.  105 ff. 194  CMBC IV, 10, §§  9 (6°), 13 (3°), 26 (9°). 195  RoStR III, 5, abgedruckt in: Rostocker StadtR (1757), S.  132 ff. 196  PrALR I, 14, §  374, i. V. m. I, 5, §  424. 197  S. o., Rn.  261. 198  S. o., Rn.  5. 199 In Baumeister, Hmbg PrivatR I (1856), S.  380, Fn.  9, wird das „Geloben mit gesamter Hand“ als Begriff früherer Stadtrechte in Verbindung gebracht; Niemeyer, Hamb. PrivatR (1898), S.  235, beschränkt sich weitgehend auf ein Zitat der Hamburger Vorschrift. 189 

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

gesamte Hand „beschrieben wird“.200 In der späten Neuzeit sind noch Reminiszenzen der alten solidarischen gesamten Hand unter dem Ausdruck „ungeteilte Hand“ erkennbar. So regeln die Vorschriften des §  896 des österreichischen ABGB aus dem Jahre 1811 sowie des §  1019 des sächsischen BGB aus dem Jahre 1863, dass ein solidarisches Schuldverhältnis im Zweifel u. a. dann anzunehmen ist, wenn die Parteien den Ausdruck „zu ungeteilter Hand“ gebrauchen, was darauf hindeutet, dass in der Praxis Begriffe verwendet wurden, die dem der „gesamten Hand“ nicht fern waren.201

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung I.  Die gesamte Hand des fränkischen Eherechts (bis etwa 1500) 263

Der Ausdruck „gesamte Hand“ spielte als eherechtlicher Rechtsbegriff in mittelalterlichen Rechtsquellen eine zwar nicht unwichtige, aber auch keine universale Rolle. Im Zusammenhang mit dem Ehegüterrecht kennt der Sachsenspiegel die Bezeichnung nicht,202 genauso wenig der Schwabenspiegel 203 oder andere mittelalterliche Quellen, die die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute behandeln.204 Wird in manchen Texten die Formel „gesamte Hand“ im Zusammenhang mit zwei Eheleuten verwendet, so geschieht dies oft zur Kennzeichnung einer solidarischen Verpflichtung der Ehegatten gegenüber Dritten.205 Beachtenswert sind aber andere Quellen, aus denen sich ergibt, dass sich aus der Bezeichnung „gesamte Hand“ durchaus ein juristischer Tatbestand des Eherechts entwickelt hat.

200 S.

Orth, Anmerkungen III (1742), zu II, 23, 9 (S.  524). auch schon bereits aus dem Jahre 1766: CTher III, 14, 104, in: v. Harrasowsky, CTher. III (1884), S.  256. 202  S. etwa SSp. LandR, I, 31. 203  S. etwa SchwSp. LandR, I, 34. 204  Exemplarisch aufgezählt werden kann etwa das Rote Buch von Konstanz, das in einer Vorschrift von 1371 die Haftung der Ehefrau für Gemeinschaftsschulden regelt, ohne den Ausdruck „gesamte Hand“ zu verwenden, s. roBKst, III, 22; der Ausdruck erscheint auch in weiteren mittelalterlichen Regelwerken nicht: s. das Münchener Stadtbuch von 1347 (MStB), Art.  307; auffallend ist auch das Dortmunder Urteilsbuch, das den Begriff der gesamten Hand nicht im Zusammenhang mit der Gütergemeinschaft, DoUrtB, Nr.  55, 67 ff., 81 ff., sondern vielmehr mit dem gemeinsamen Eingehen einer Verbindlichkeit zweier nicht notwendig miteinander verheirateter Personen verwendet, s. DoUrtB, Nr.  60, 94; zur Gütergemeinschaft nach altem Dortmunder Recht, s. auch Frensdorff, DoStat (1882), S. CLXXIV. 205  S. etwa die Aufzeichnungen im Lübecker Niederstadtbuch aus den Jahren 1363, 1365 und 1382, in: Pauli, Eheliche Erbrechte (1840), S.  62. 201  S.

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

211

1)  Die gesamte Hand im Bamberger Stadtrecht des 14. Jahrhunderts a)  Die betreffenden Vorschriften des Bamberger Stadtrechts Das Bamberger Stadtrecht aus dem 14. Jahrhundert206 setzt in mehreren Passa- 264 gen den Begriff der gesamten Hand mit einer rechtlichen Beziehung zwischen zwei Eheleuten in Verbindung: 207 208

Bamberger Stadtrecht §  108 Abs.  1 [Art.  361]. Es mag ein man an seinem todbett mit besampter hant seiner wirtein sein varende habe schicken vnd achten, wem er will, das in seine kint nichts daran gehinder mügen.

§  108 Abs.  1 [Art.  361] [Verfügungen von Todes wegen über Fahrnis der Eheleute in gesamter Hand]. Es kann ein Mann an seinem Totenbett mit gesamter Hand mit seiner Ehefrau seine fahrende Habe übertragen, wem er will, ohne dass ihn seine Kinder daran hindern können.

§  142 [Art.  284]. Es mag auch weder frawe oder man, da besamt hant geprochen ist, irs erbs vnd eygens nymant vererben on der kinde wort, es swere danne darein vnd behabe, das es sein nicht czu bawen habe vnd es vor not müsse hinlaßen vnd das es das thu von geprechen wegen an dem erbe vnd im vnd den kinden czu nütze vnd das es an geuerde sey.

§  142 [Art.  284] [Verfügungen von Todes wegen eines Ehegatten nach gebrochener gesamter Hand]. Wenn die gesamte Hand gebrochen ist, können Frau und Mann ihr Erbe und Eigen niemandem vererben 208 ohne der Kinder Zustimmung, es sei denn, sie oder er schwöre darauf, dass er es nicht bewirtschaften könne und es aus Not aufgeben müsse und dass er das dem Erbe aufgrund seiner Krankheit antue und dass es ihm und den Kindern von Nutzen und ohne Gefahr sei.

§  144 Abs.  1 [Art.  285]. Was ein man erbs oder eygens kaufft, der ein elich wirtein hat, die bey im sitzt und wonet, das mag er an der stat gericht in sein eyns hant nicht verschriben lassen on seiner wirtein wort vnd mag es auch sein selbs kinden, obe er vor kinde het, nicht verschriben czu im lassen, es sey danne aber mit der wirtein wort, die er czu denselben tzeitten hat.

§  144 Abs.  1 [Art.  285] [Erworbene Güter während dauernder Ehe]. Was ein Mann, der eine Ehefrau hat, die bei ihm sitzt und wohnt, als Erbe oder als Eigen kauft, das mag er beim Stadtgericht ohne Zustimmung seiner Ehefrau nicht seiner EinsHand zuerkennen lassen und er kann es auch seinen eigenen Kindern, wenn er zu­ vor Kinder hatte, nicht zuerkennen lassen, ohne gleichzeitige Zustimmung der Ehefrau.

206  Zur Datierung, s. Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  32, sowie Parigger, Bamberger StadtR (1983), S.  9 ff. 207  Die Paragraphen beziehen sich auf die Nummerierung in Parigger, Bamberger StadtR (1983), die Artikelnummern in eckigen Klammern auf die Nummerierung in Zoepfl, Bamberger Recht (1839); die abgedruckten Texte folgen der Orthographie Pariggers. Für die Hilfe bei den Übersetzungen danke ich Dr. phil. Stefan Gorsolke und Robert Langhanke, M. A. 208  Gemeint ist, „keinem Dritten vererben“, s. Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S. 186, Fn. 5.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

§  164 [Art.  313]. Dieweil vater vnd müter lebt mit besampter hant, so haben ire kint vnd erben an irem erbe vnd eygen keinen gewalt nach recht; vnd mügen auch die kint kein gulte dieselben weyl darauff machen nach hinnach, obe ir eins abe­ sturbe.

§  164 [Art.  313] [Keine Rechtsmacht der Kinder über elterliche Güter in gesamter Hand]. Solange Vater und Mutter mit gesamter Hand leben, haben an deren Erbe und Eigen ihre Kinder und Erben weder Gewalt noch Recht; die Kinder können auch keine Schulden auf diese Güter aufnehmen, auch nicht für den Fall, dass ihnen einer der Eltern vorversterbe.

§  185 [Art.  354]. Item dieweil ein man vnd sein frauwe mit besampter hant leben, so mugen sie ire kint außvertigen mit hausgerett vnd mit gelt, wie sie wollen, on aller ir kinde widerrede vnd hindernisse.

§  185 [Art.  354] [Ausstattung der Kinder durch Eheleute in gesamter Hand]. Solange ein Mann und seine Frau mit gesamter Hand leben, können sie ihre Kinder mit Hausrat und Geld ausstatten, wie sie wollen, ohne dass ihre Kinder widersprechen oder dies verhindern können.

§  188 Abs.  3 [Art.  358 a. E.]. Het sein aber der wirte bey seiner ersten frauwen oder wirtein icht verkümmert, verkaufft oder czumal onworden, dieweil besampte hant gelebt het, vnd das es das mit dem rechten beweist, so ist er den kinden hinnach auch nichts schuldig daran czu gewideren noch czu lößen, er wol es danne geren thun.

§  188 Abs.  3 [Art.  358 a. E.] [Verfügungen unter Lebenden des Ehemannes in gesamter Hand]. Hat aber der Ehemann bei seiner ersten Frau etwas weggegeben, verkauft oder anders entzogen, solange die gesamte Hand bestanden hat und kann er dies nachweisen, so ist er den Kindern gegenüber auch hinterher nicht verpflichtet, dieses wieder einzubringen oder zu erfüllen, es sei denn, er wolle dies denn bereitwillig tun.

§  191 Abs.  1 [Art.  324]. Item es mag iglich man, der burger ist, mit besampter hant seiner wirtein iren kinden, di czu iren tagen nicht komen seine, czu vormünden geben, wene sie wollen, vber die gute, die sie in lassen, das ir noch der kinde frünt von sipschafft wegen vor nach nach nichts dareinczureden haben.

§  191 Abs.  1 [Art.  324] [Letztwillige Vormundbenennung durch Ehegatten in gesamter Hand]. Jeder Mann, der Bürger ist, kann, mit gesamter Hand mit seiner Frau, seine Kinder, die noch nicht erwachsen sind, zu Vormündern geben, wem sie [die Eltern] wollen, über die Güter, die sie ihnen lassen, [entscheiden,] ohne dass ihnen die Verwandten der Kinder weder vorher [vor dem Tod] noch nachher [nach dem Tod] hineinreden können.

§  192 Abs.  1 [Art.  326]. Wenne aber besampte hant bricht vnd ir eins abegestirbt, so mag das ander, das dannoch lebt, den kinden cheinen vormünt geben, es geschee danne mit der kinde nehsten freunde wille vnd wort.

§  192 Abs.  1 [Art.  326] [Letztwillige Vormundbenennung durch Ehegatten nach gebrochener gesamter Hand]. Wenn aber die gesamte Hand bricht und ihr einer verstirbt, so kann der andere, der dann noch lebt, den Kindern keinen Vormund geben, es sei denn, dies geschehe mit dem Willen und der Erklärung der mit den Kindern nächsten Angehörigen.

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

213

Die beschriebenen Rechtsfolgen der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts 265 sind vor allem in der Schrift Heinrich Zoepfls untersucht worden.209 Zu unterscheiden ist die bestehende gesamte Hand von der „gebrochenen“ gesamten Hand. Letzterer Fall tritt jedenfalls dann ein, wenn einer der Ehegatten stirbt (§  192 Abs.  1 BambStR). Solange die gesamte Hand noch intakt ist, können die Kinder keine Schulden auf das Vermögen ihrer Eltern machen, d. h. deren Vermögensgüter nicht belasten (§  164 BambStR). Weiter können die Eheleute frei über ihr gesamtes Vermögen unter Lebenden verfügen, unabhängig davon, ob es sich um Grundstücke oder bewegliche Sachen handelt.210 Auch ihre Befug108 nis, von Todes wegen zu verfügen, ist weitgehend unbeschränkt (§   BambStR).211 Den Ehegatten ist es außerdem erlaubt, einzelne Kinder nach Belieben auszustatten, ohne dass die anderen Kinder hiergegen widersprechen können.212 Sie können für ihre minderjährigen Kinder Vormünder bestellen und dadurch die Vormundschaft näherer Verwandter ausschließen.213 Ist die gesamte Hand hingegen gebrochen, so kann der verbleibende Ehegatte bestimmte Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung der gemeinsamen Kinder oder sonstiger Personen vornehmen. Genannt werden ausdrücklich Verfügungen von Todes wegen (§  142 BambStR) und die letztwillige Benennung von Vormündern für gemeinsame Kinder (§  192 Abs.  1 BambStR). Besonders zu erwähnen ist schließlich §  144 Abs.  1 BambStR, welcher vorsieht, dass bei bestehender Ehe die vom Ehemann erworbenen Güter nicht in seine „Eins-Hand“ überschrieben werden dürfen. b)  Bedeutung der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts Umfassende Begriffsdefinitionen waren bekanntlich nicht Sache partikular- 266 rechtlicher Regelwerke des Mittelalters und so erklärt das Bamberger Stadtrecht auch nicht, was es unter der Bezeichnung „gesamte Hand“ versteht. Die Texte gehen anscheinend nicht immer von dem gleichen Gesamthandbegriff aus: Die „gesamte Hand“ der §§  108, 191 BambStR beschreibt offenbar einen Vorgang („mit gesamter Hand“ etwas vermachen oder für seine Kinder „mit gesamter Hand“ einen Vormund benennen), während die „gesamte Hand“ der §§  142, 185, 188, 192 BambStR einen rechtlichen Zustand der ehelichen Gemeinschaft zu bezeichnen scheint, der den Ehegatten erlaubt, gemeinschaftlich bestimmte Entscheidungen zu treffen oder Verfügungen durchzuführen (die „gebrochene“ gesamte Hand, das „Leben“ in gesamter Hand, das „Bestehen“ 209  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  186; s. auch Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  27 ff., der Zoepfls Erläuterungen im Wesentlichen übernimmt. 210  S. §  188 Abs.  3 BambStR i. V. m. §  142 BambStR (arg. e contrario), dazu Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  186. 211 Nur über das „Erbe“ sollen die Ehegatten nach Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  186, ohne Zustimmung der Kinder nicht verfügen können. 212  S. §  185 BambStR, dazu Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  186 f. 213  S. §  191 Abs.  1 BambStR, dazu Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  187.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

der gesamten Hand). Die Entwicklung zu einem technischen Rechtsbegriff war zum Zeitpunkt der Aufzeichnung des Bamberger Stadtrechts wohl noch nicht abgeschlossen. Aus den Texten lässt sich unmittelbar Folgendes herleiten: Zum einen setzt die Bamberger gesamte Hand eine eheliche Lebensgemeinschaft voraus und ist auch nur dort denkbar. Aus §  192 BambStR wird deutlich, dass die gesamte Hand dann nicht mehr besteht, wenn sie infolge des Todes eines der Ehegatten „bricht“. Zum anderen regelt sie in der Rechtsfolge, welche Befugnisse den Ehegatten in Bezug auf die Verfügung über Vermögensgüter214 zustehen sowie, entsprechend dazu, in Bezug auf die Auswahl eines Vormundes über eigene minderjährige Kinder. Besteht die „gesamte Hand“, so reichen die Befugnisse der Ehegatten recht weit; sie können ihre Entscheidungen weitgehend unabhängig von ihren ehelichen Abkömmlingen oder sonstigen Verwandten treffen. Ist die gesamte Hand hingegen gebrochen, ist das eheliche Vermögen zugunsten der erbberechtigten Abkömmlinge bzw. sonstiger Verwandten „verfangen“ und der überlebende Ehegatte bedarf bei Vermögensverfügungen und der Auswahl des Vormunds grundsätzlich der Zustimmung jener Abkömmlinge. Der primäre Zweck des Begriffs der gesamten Hand scheint damit, die rechtlichen Freiräume der Eheleute abzustecken, die ihnen insbesondere in Bezug auf ihre Vermögensgüter auch gegen den Willen ihrer gemeinsamen Kinder eingeräumt werden. Insofern erscheint die Bamberger gesamte Hand als Schutzschild der Ehegatten vor Einmischungen ihrer Kinder. Wahrscheinlich werden die Interessen der Erbberechtigten insoweit als gewahrt angesehen, als es sich um gemeinsame Kinder der Ehegatten handelt, so dass angenommen werden kann, dass die Eltern ihr Vermögen regelmäßig mit Rücksicht auf ihre Nachkommen verwalten. Diese unmittelbar aus den betreffenden Vorschriften gewonnenen Erkenntnisse sind aber Eigenschaften, die die rechtliche Konstruktion der Bamberger gesamten Hand möglicherweise nicht vollständig beschreiben. Ergibt sich aus §  192 Abs.  1 BambStR, dass der Tod eines der Ehegatten die gesamte Hand „bricht“, so stellt sich die Frage, ob auch die an anderer Stelle215 vorgesehene Trennung („zweyung“) zu Lebzeiten des Paars dieselbe Folge hat. Zoepfl nimmt dies an.216 Tatsächlich bewirkt die Trennung, dass die Frau nicht mehr für Schulden des Ehemanns aufkommen muss; 217 der Schluss liegt also nahe, dass auch getrennte Ehegatten nicht mehr die Befugnisse ausüben können, die 214  Soweit die Bestimmungen dem „Eigen“ das „Erbe“ gegenüberstellen, so sind damit nicht etwa ihrerseits ererbte Vermögensgegenstände zu verstehen, sondern in Erbleihe gegebene Grundstücke, s. Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  187; entsprechend zur Terminologie des Stadtgerichts Babenhausen, Cirullies, Rechtsterminologie (1981), S.  24. 215  S. §  79 Abs.  1 BambStR (Art.  240 nach der Zählung Zoepfls). 216  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  187. 217  S. §  79 Abs.  1 BambStR (Art.  240 nach der Zählung Zoepfls).

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

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ihnen in „gesamter Hand“ zugestanden hätten. Eine ausdrückliche Bestätigung dieser Vermutung liefert das Stadtrecht aber nicht. Interessant – gerade unter dem Aspekt der Anwachsung – ist ferner die Bestimmung, wonach den Ehegatten, in Abwesenheit legitimer Nachkommen und anderweitiger Verfügungen, ein gegenseitiges Erbrecht zusteht,218 allerdings verwendet die betreffende Bestimmung den Ausdruck „gesamte Hand“ nicht. Das wechselseitige Erbrecht der Ehegatten scheint daher nicht mit jenem Begriff, welche ansonsten in Zusammenhängen verwendet wird, die eine gemeinsame Verfügung betreffen, in unmittelbarer Beziehung zu stehen. Wenn das Stadtrecht erklärt, dass die Eheleute „mit gesamter Hand“ eine 269 Reihe von Rechtsgeschäften tätigen dürfen, ohne dass ihre Kinder oder weitere Verwandte sie daran hindern können, so wird nicht ausdrücklich klargestellt, wie dieses gemeinsame Vorgehen der Ehegatten konkret aussieht. Die bildliche Vorstellung der „gesamten Hand“ lässt auf den ersten Blick vermuten, dass beide Ehegatten, also insbesondere auch die Ehefrau, das Rechtsgeschäft persönlich vornehmen mussten. Andererseits wird aber in anderen Bestimmungen des Stadtrechts deutlich, dass der Ehemann alleine Verpflichtungen aufnehmen konnte, für die auch seine Ehefrau einzustehen hatte; 219 diese Regelung war offenbar eine Ausprägung des ehelichen Mundiums,220 d. h. der alten Geschlechtsvormundschaft des Ehemannes über die Ehefrau,221 welche selbst nur eingeschränkt Schulden aufnehmen konnte.222 Geht man aber davon aus, dass der Ehemann nach den Grundsätzen des Mundiums die Ehegemeinschaft alleine verpflichten konnte, stellt sich die Frage, inwieweit diese Regelung mit der oben geäußerten Idee in Einklang zu bringen ist, dass Rechtsgeschäfte im Sinne der §§  108, 185, 188, 191 BambStR der persönlichen Mitwirkung der Ehefrau bedurften. Zoepfl meint, aufgrund des ehelichen Mundiums sei es in der Tat nicht auszuschließen, dass „der Mann als der allein handelnde, verfügende und veräussernde Theil erscheinen könnte, und hinsichtlich der Gültigkeit seiner Handlungen es vollkommen genügte, wenn die Frau nur Kenntniss davon gehabt und nicht widersprochen hat“.223 Woraus Zoepfl ableitet, dass immerhin Kenntnis und fehlender Widerspruch der Ehefrau notwendig waren, wird nicht ganz klar. Möglicherweise folgert er jene Regel aus der allgemeinen Bestimmung des §  81 BambStR, nach welcher die Ehefrau für Schulden des Ehemannes nur dann verurteilt wurde, wenn sie selbst von dieser Verpflichtung Kenntnis erlangt hatte.224 Allerdings handelte es sich bei jener „Kenntnis“ der Ehe218 

S. §  162 BambStR (Art.  308a nach der Zählung Zoepfls). S. §  81 BambStR (Art.  244 nach der Zählung Zöpfls). 220  Zum Inhalt des ehelichen Mundiums in fränkischen Gebieten, s. R. Schroeder, Güterrecht II.2 (1871), S.  5 ff.; s. auch Bartsch, Rechtsstellung der Frau (1903), S.  87 ff. 221  So auch Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  184. 222  S. §  80 BambStR (Art.  241 nach der Zählung Zöpfls). 223  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  185. 224  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  185. 219 

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

frau nicht um ein Tatbestandsmerkmal, das bei Eingehung der Verpflichtung durch den Ehemann erfüllt sein musste, um die Haftung der Ehefrau nach dem Tod des Ehemanns zu begründen. Es handelte sich vielmehr um ein Element des nachträglichen Beweisverfahrens, um zu ermitteln, ob der Ehemann vor seinem Tod die Verpflichtung tatsächlich eingegangen ist: Um einer Verurteilung zu entgehen, musste die Ehefrau schwören, sie habe ein Jahr lang selbst die Realität der behaupteten Forderung zu ermitteln versucht, sei aber dabei zu 81 keinem zweifelsfreien Ergebnis gekommen.225 Die Bestimmung des §   BambStR kann daher nicht als Stütze dafür herangezogen werden, dass die Ehefrau bei Abschluss der Rechtsgeschäfte mit gesamter Hand Kenntnis von diesen haben musste. Der Idee Zoepfls, dass Kenntnis und fehlender Widerspruch der Ehefrau gleichwohl notwendig waren, haben sich später Ludwig Euler und in neuerer Zeit auch Annette Ascheuer widerspruchlos angeschlossen.226 Sie geht letztlich wohl in die richtige Richtung, erscheint in dieser Präzision aber nicht als gesichert. Es spricht viel dafür, dass die §§  108, 185, 188, 191 BambStR die Mundialgewalt des Ehemannes in den betreffenden besonderen Tatbeständen nicht oder zumindest nicht in ihrer vollen Ausprägung zum Ausdruck kommen ließ. Denkbar ist, dass die betreffenden Rechtshandlungen tatsächlich der Zustimmung oder sogar der persönlichen Mitwirkung der Ehefrau bedurften. Einleuchtend erscheint dabei der von Richard Schroeder geäußerte Gedanke, die Überschreibung eines gekauften Guts in die „Eins-Hand“ des Ehemannes sei deswegen gemäß §  144 Abs.  1 BambStR nicht zulässig, weil der Ehemann ansonsten auch alleine über das betreffende Gut wieder verfügen könnte.227 Gut passt auch die von Robert Bartsch getroffene Feststellung, dass im späteren Mittelalter der Ehemann zwar zunehmend von den eigenen Kindern unabhängiger über seine Güter verfügen konnte, dass diese neue Freiheit aber zur Hebung der Rolle der Ehefrau führte, deren Zustimmung die in früheren Zeiten notwendige Zustimmung der Erben in der Folge ersetzte.228 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang ferner eine Bestimmung des Mülhauser Stadtrechts aus dem 13. Jahrhundert,229 die ausdrücklich die beiderseitige Zustimmung von Ehemann und Ehefrau einfordert, damit diese „mit einir gisamitin hant“ zu Lebzeiten ein Grundstück an die Kirche oder an arme Verwandte zuwenden.230 225 

Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  184. Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  28, Fn.  9 ; Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  99. 227  R. Schroeder, Güterrecht II.2 (1871), S.  5. 228  Bartsch, Rechtsstellung der Frau (1903), S.  93 f. 229 Zur Datierung, H. Meyer, Mühlhäuser RRB3 (1936), S.   38 ff.; ebenso Förstemann, MlhStB (1843), S.  2 . 230  MlhStB 28, 2 f. (nach der Zählung Meyers), in: H. Meyer, Mühlhäuser RRB3 (1936), S.  143 f. (mit Übersetzung); ebenfalls abgedruckt in: Förstemann, MlhStB (1843), S.  21, und Gerber, Abhandlungen (1878), S.  369. 226 

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

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Die vielleicht noch wichtigere Frage, zu der das Stadtrecht sich nicht oder 270 jedenfalls nicht umfassend äußert, ist die der konkreten Zuordnung der ehelichen Vermögensgüter zu ihrem Rechtsträger. Nicht klar zum Ausdruck kommt, ob ein in irgendwelcher Weise abgesondertes eheliches „Vermögen“ gebildet wurde und, wenn ja, inwieweit daneben auch ein eigenes Privatvermögen der jeweiligen Ehegatten fortbestand. Die Vermögenszuordnung in alten Güterrechtssystemen ist ein schon lange diskutiertes Problem und es wird zu Recht hervorgehoben, dass das mittelalterliche Recht vornehmlich regelte, wer in der Ehe über bestimmte Güter verfügen konnte bzw. wer es nach dem Tod eines der Ehegatten erhielt, dass in diesem Zusammenhang aber die abstrakte Frage des jeweils zustehenden Eigentums von geringerem Interesse war.231 Tatsächlich passen die Bestimmungen des Bamberger Stadtrechts zu den Verfügungen in oder mit gesamter Hand gut zu dieser Aussage. Wahrscheinlich wurde im gelebten Bamberger Stadtrecht die Frage der konkreten Trägerschaft der Vermögensgüter dennoch nicht völlig ausgeblendet. Dass individuelle Vermögensmassen der Eheleute existieren mussten, ergibt sich jedenfalls aus der Vorschrift, in welcher der Ehefrau die Rechtsmacht erteilt wird, bis zu einer bestimmten Summe selbst Schulden aufzunehmen, mit der Maßgabe jedoch, dass sie diese Schulden auch (alleine) zurückzuzahlen hat,232 der Ehemann also nicht haftet; dies macht aber nur dann Sinn, wenn die Ehefrau auch über ein eigenes Vermögen verfügt. Die zentrale Frage bleibt damit unbeantwortet: Kommt es – zumindest teilweise – zu einer Verschmelzung der Vermögen der Eheleute zu einem einheitlichen Vermögen? Die betroffenen Vorschriften lassen grundsätzlich beide Interpretationen zu. Bleibt es nach der Eheschließung bei einer Trennung der Vermögensmassen der Eheleute, so lassen sich §§  108, 142, 185, 188, 191, 192 BambStR als Vorschriften einer gemeinschaftlichen Vermögensverwaltung bei Gütertrennung lesen, evtl. zugunsten des Mannes auf der Grundlage seines ehelichen Mundiums modifiziert. Geht man hingegen davon aus, dass durch die Ehe bestimmte Vermögensgüter der Eheleute in ein einheitliches Vermögen eingeführt werden, so kann man dieselben Bestimmungen als eine gemeinschaftliche Vermögensverwaltung bei Gütergemeinschaft verstehen.233 Es sieht so aus, als habe Zoepfl grundsätzlich zwei getrennte Vermögensmassen angenommen,234 in der Regelung des §  144 Abs.  1 BambStR aber eine Errungenschaftsgemeinschaft gesehen.235 Diese Vorschrift besagt, dass der Ehemann, solange er sich in einer ehelichen Lebensgemeinschaft befindet, 231 So

Kroeschell/Cordes/Nehlsen-v. Stryk, DRG II 9 (2008), S.  75. S. §  80 Abs.  1 BambStR (Art.  241 nach der Zählung Zöpfls). 233  So offenbar Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  27 f. 234 Zustimmend Landau in: FS Schwab (2005), S.  143, 148, welcher lediglich eine „äußere Einheit der Vermögen beider Ehegatten“, nicht aber eine „universelle Gütergemeinschaft, sondern nur eine Übergangsstufe zur Gütergemeinschaft“ sieht. 235  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  187. 232 

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

ein erworbenes Rechtsgut grundsätzlich nicht seiner „Eins-Hand“ zuerkennnen lassen kann. Es liegt nahe, den Ausdruck „Eins-Hand“ als Gegenstück der „gesamten Hand“ zu lesen. Doch damit wird die Frage des Güterstandes der Eheleute im Bamberger Stadtrecht ebenfalls nicht beantwortet: Die „EinsHand“ kann zwar ein abgesondertes Eigenvermögen des Ehemanns beschreiben,236 mit ihr kann aber auch nur eine eigene – von der Zustimmung seiner Ehefrau unabhängige – Verfügungsbefugnis gemeint sein. In der Frage der Verfügungsbefugnis kam es jedenfalls nicht darauf an, welchem Modell die Vorschriften des Bamberger Stadtrechts gefolgt sind. Zoepfl hat dem Ausdruck „gesamte Hand“ eine große Bedeutung zugewiesen: „Das rechtliche Verhältnis der Ehegatten in stehender Ehe in Bezug auf ihr Vermögen heisst besammte oder gesammte Hand. Hierunter ist durchaus nicht immer noch auch regelmäßig der Fall zu verstehen, dass beide Ehegatten wirklich gemeinschaftlich gehandelt haben, sondern die gesammte Hand ist an sich nichts anderes, als das genossenschaftliche oder Societäts-Verhältnis […], in welchem beide Ehegatten in Bezug auf ihr beiderseitiges, sowohl bewegliches als auch unbewegliches Vermögen stehen, so lange sie miteinander leben und haushalten“.237 Er führt weiter aus, „das ehegenossenschaftliche Güterverhältniss, welches das Bamberger Stadtrecht ‚gesammte Hand’ nennet“, stelle sich „als eine Verbindung des ehelichen Mundiums mit der Errungenschaftsgemeinschaft, dem Verfangenschaftsrechte und eventuellem Erbrechte der Ehegatten dar“.238 Die Tragweite des Begriffs der gesamten Hand im Sinne der Verfasser des Bamberger Stadtrechts war wahrscheinlich geringer. Die Entwicklung von einem untechnischen sprachlichen Ausdruck hin zu einem feststehenden Rechtsbegriff hatte zwar begonnen, sie war aber noch nicht abgeschlossen. In allen betreffenden Bestimmungen wird die Abhängigkeit jener Bezeichnung von einer gemeinschaftlichen Rechtshandlung der Eheleute deutlich. Entweder qualifiziert sie den gemeinschaftlichen Charakter einer solchen Handlung oder, in fortgeschrittener Weise, die besondere rechtliche Beziehung zwischen den Eheleuten untereinander und zu ihren Vermögensgütern, die ihnen eine entsprechende gemeinschaftliche Rechtshandlung erlaubt. Dabei wird freilich nicht ganz klar, ob und inwieweit sich der eine Ehegatte im Verhältnis zum Ehepartner zwar unerlaubterweise, im Verhältnis zum Dritten aber rechtswirksam über den evtl. bestehenden Zustimmungsvorbehalt hinwegsetzen konnte. Im Übrigen bezieht sich die gesamte Hand als Begriff offenbar weder auf das gegenseitige Erbrecht der Ehegatten noch setzt sie eine Errungenschaftsgemeinschaft voraus. Ein gemeinschaftliches Vermögen der Eheleute – wie es in der 236 

Dazu auch Schwarz, Gütergemeinschaft (1858), S.  18. Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.   185 (Kursivsetzung im Original); s. auch R. Schroe­der, Güterrecht II.2 (1871), S.  2 , 16. 238  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  191. 237 

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

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Neuzeit gerade in Bamberg anerkannt sein wird 239 – bezeichnet die gesamte Hand möglicherweise nicht, sondern nur eine Verwaltungsgemeinschaft. Was aber bleibt und was die eheliche gesamte Hand im Vergleich mit dem heutigen Begriff der Gesamthand interessant macht, ist die Idee, dass – soweit den Eheleuten überhaupt ein eigener quotaler Anteil an den ehelichen Vermögens­gütern zustand – keiner der Eheleute individuell berechtigt war, diesen „Anteil“ ohne eine gewisse Art der Zustimmung oder Mitwirkung des anderen Ehegatten an einen Dritten zu übertragen. 2)  Die eherechtliche gesamte Hand in anderen Rechtstexten und in der weiteren Entwicklung Bamberg ist nicht der einzige Ort in Deutschland, in dem im Mittelalter ein 272 eherechtlicher Begriff der gesamten Hand verwendet wurde.240 Die Vorschrift des Mülhauser Stadtrechts aus dem 13. Jahrhundert ist bereits oben genannt worden.241 In den Erfurter Statuten von 1306 ist vorgesehen, dass die Eheleute „mit gesamter Hand“ über ihr gemeinsames Gut verfügen dürfen, ohne dass deren Kinder dies verhindern können.242 Aus dem mittelalterlichen Stadtrecht Lüneburgs ergibt sich, dass die Schulden der Mutter nach ihrem Tod von ihrem Mann und ihren Kindern zu tragen sind, wenn das Gut der Ehegatten in „der samenden hand“ gelegen hat.243 In Köln findet sich der Begriff der eherechtlichen gesamten Hand in den Statuten von 1437.244 Bezeugt ist die Verwendung des Begriffs weiter in Nürnberg sowohl in mittelalterlichen Urkunden 245 als auch in der Nürnberger Reformation von 1479: Letztere markiert im Übrigen deutlich den Unterschied zwischen der „Einshand“, über welche der betreffen239 

S. u., Rn.  299 ff. S. etwa auch aus Danzig, DzgWillk 1761, I, 5, 7, in: Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  160 f. 241  MlhStB 28, 2 f. (nach der Zählung Meyers), in: H. Meyer, Mühlhäuser RRB3 (1936), S.  143 f. (mit Übersetzung); ebenfalls abgedruckt in: Förstemann, MlhStB (1843), S.  21, und Gerber, Abhandlungen (1878), S.  369; s. auch o., Rn.  270; s. auch den Eintrag in den Protokollen des Stadtgerichts Babenhausen v. 10.02.1366, in: Cirullies, Rechtsterminologie (1981), S.  24. 242  ErfStat, XXXVII: „Wa ein man unde sin wib mit einandir habin gut. damite si mit gesamender hant mugen getu unde gelaze waz ir wille iz. Daz en irrit nicht ab ein sich wirt. Si en habin dieselbin macht zu tunde unde zu lazende also sie beide gesunt weren. Da en mugen sine kint noch nikeinir erbin widerspreche.“, in: Walchs, Beyträge I (1771), S.  115, ebenfalls abgedruckt in: Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  101; weitere Verwendungen des Ausdrucks „gesamte Hand“ in ErfStat, X und XXXIX; zur Nutzung des Ausdrucks „der Hand gezweiet“, s. ErfStat, XXXIV. 243  LünbgStR, 21. Stück, in: Kraut, LünbgStR (1864). 244 KölnStat 1437, Art.   9 ff., in: Köln Statuta und Concordata ([1582]), S.  19 ff.; dazu Euler, Güter- und Erbrechte, S.  70. 245  S. etwa eine Eintragungen vom 26.08.1323 im NüAVB, in: Schultheiß, NürnbRQ II (1960), S.  33, sowie vom 08.01.1330 im NüSaB, in: Schultheiß, NürnbRQ III.1 (1965), S.  201. 240 

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

de Ehegatte das alleinige Verfügungsrecht beibehält, und der „gesampten Hand“ beider Ehegatten gemeinsam.246 Einen Hinweis für einen güterrechtlichen Gesamthandbegriff liefert weiter die Wormser Reformation von 1498, wobei hier mit der „gesamten Hand“ auch bloß ein gemeinschaftliches rechtsgeschäftliches Handeln der Eheleute gemeint gewesen sein könnte,247 wie es in zahlreichen Eintragungen im Frankfurter Urkundenbuch ab dem 13. Jahrhundert der Fall war.248 Auffällig ist ferner die Verwendung des Ausdrucks „gebrochene Hand“ in weiteren Quellen,249 der im Bamberger Stadtrecht die Aufhebung der ehelichen Ehegemeinschaft, also der gesamten Hand bezeichnete.250 Bemerkenswert ist, dass in einer Quelle der Begriff der gesamten Hand auch zur Bezeichnung gütergemeinschaftlicher Verhältnisse außerhalb der Ehe herangezogen wurde. Bezeugt ist ein Vertrag zwischen zwei Landherren, in welchem diese ihre Ländereien und ihr bewegliches Vermögen in der Weise zusammenlegen, dass sie darüber eine gesamte Hand haben: „Vor allen Cristen luden, de dessen bref seen edder horen lesen, Bokenne wi Reymar von Plesse und Martin von Dorne vor uns und unsen rechten eruen [Erben], Dat wi hebben vnd willen hebben ene rechte samende hand In sulker nascreuen wise“.251 Vereinbart wird, dass die gebildete Gemeinschaft zu Lebzeiten nicht geteilt werden kann, dass die Parteien vielmehr mit den Gütern wie Brüder mit den Gütern 246  NüRef 1479, XIII, 4, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1 (1938), S.  12: „Für gesamente Habe sol gehalten und verstanden werden: […] und alles das, so eeleute, die in ander meynung unverdingt oder mit geding der gabe und widergabe der zuschetze oder heyratgut und ausnemen der einshand in irer beder leben in irer beder gesampte hand erkaufen oder schreiben lassen und der gleichen und das söllichs, wo es nit verbrieft würde, durch völlich persönlich weysung mag beybracht werden“. 247  WmsRef IV, 2, 8, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1 (1938), S.  149: „Wann auch zwey eelüte mit gesampter hand ubergeben oder gescheft machen testaments wyse oder in irem letzten willen, so mögen sie sölichs in gesampter hand beide allerdings und gar oder ir eins lebend nach des andern tod zum halben teil widerrüffen, wan es will“. 248  Es handelt sich in den meisten Fällen um Verfügungen, die von zwei Eheleuten „communicata manu“ durchgeführt werden, s. beispielsweise (Jahreszahl in Klammern) FftUB, Nr.  52 (1219), 67 (1223), 79 (1226), 97 (1232), 115 (1238), 128 (1242), 150 (1248), 162 (1251), 539 (1288), 592 (1291), 611 (1292), 647 (1294); zu erfolgten Auflassungen „mit samender Hand“ durch Ehegatten in den Frankfurter Währschaftsbüchern, s. auch Coing, Rezeption (1939), S.  75; dass der Ausdruck hierbei aber möglicherweise untechnisch als „gemeinschaftliche Verfügung“ und nicht als güterrechtliche Beziehung unter Eheleuten handelt, ergibt sich möglicherweise daraus, dass auch gemeinschaftliche Verfügungen mehrerer nicht verheirateter Personen unter dem Begriff „communicata manu“ gefasst werden, s. etwa die Schenkung von zwei Schwestern und zwei Brüdern, FftUB, Nr.  856 (1305); vgl. aber Rn.  273. 249  S. etwa aus dem Jahr 1526: LandauErbR, in: v. d. Nahmer, HB rhein. ParticularR II (1831), S.  872 (874); aus dem Jahr 1528: FrLGO 22, 13, in: Francken LandtgerichtsO (1619), S.  176; w. Nachw. bei DRW IV (1939–1951), Stichw. „Hand“, Sp.  1554 f. 250  BambStR, §§  142, 192, s. o. Rn.  264. 251  Schoettgen/Kreysig, Diplomataria III (1760), Nr.   158, S.  110 f.; Quelle abgedruckt auch in Frommhold, ZRG-GA 37 (1916), S.  504, 505 f., auszugsweise auch in Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  49 f.

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

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zusammen bleiben („[…] vnd scholen vnd willen de gudere vnd Slote bi vsem leuende nicht entweyg delen, Men wi scholen mid den guderen vnd Sloten In enem sameden bliuen vnd sitten alse börne brodere“), nach deren Tod sollte den Erben der Parteien aber die Teilung jeweils zur Hälfte erlaubt sein („So mogen vse eruen de gudere vud [sic] Slote entweyg leghen vnd delen, vnd Schade vnd vrome vnd theringe, de denn eschen is, schal en half vnd half ghelden, So dat Reymars eruen mogen neme de helfte In dem ene, vnd Martins eruen de ander helfte des vorscreuen gutes vnd Sloten In dem anderen dele“).252 Bei dieser Gemeinschaft kam es allerdings insoweit nicht zur Verschmelzung zu einem einheitlichen Vermögen, als zukünftige Schulden beide Parteien je zur Hälfte treffen sollten („wes wi ouer na ghifft desses breues schuld maken, de schal vs ab beyden halff vnd halff ghelden“), was nur dann denkbar war, wenn beide Parteien je ein eigenes Vermögen behielten. Duncker sieht in der Gemeinschaft Reymars und Martins daher ein Gebilde, das dem der römischen societas omnium bonorum entspricht,253 also rein schuldrechtlich konstruiert wird.254 Fraglich ist, ob aus dieser Quelle der Schluss zu ziehen ist, dass der Ausdruck „gesamte Hand“ einen Zustand des gemeinsamen Habens auch außerhalb des ehelichen Güterrechts bezeichnete.255 Fest steht jedenfalls, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Quellen zwei Eheleute voraussetzen, so dass wohl verneint werden kann, dass sich darüber hinaus ein allgemeiner Begriff der Gesamthand durchgesetzt hat. In der Neuzeit, vor der Wiederentdeckung durch Juristen der germanisti- 274 schen Schule im 19. Jahrhundert, finden sich in Deutschland noch Spuren eines eherechtlichen Gesamthandbegriffs, die darauf hindeuten, dass dieser nicht gänzlich verschwunden, sondern vielleicht noch vereinzelt zumindest als Stilmittel erhalten geblieben ist. Im Jahre 1666 stellt ein Autor in einem Anhang der eigentlich der lehnrechtlichen gesamten Hand gewidmeten Untersuchung fest, dass der Ausspruch „mit gesamter Hand etwas verkaufen“ auch „häufig“ im Zusammenhang mit Eheleuten verwendet werde, „welche in versamter Ehe sitzen“.256 Das Mainzische Landrecht von 1755 sieht vor, dass beide Eheleute „gesambter Hand“ Schulden zur gemeinsamen Lebensführung aufnehmen können.257 Nicht sehr oft, aber hin und wieder, nehmen neuzeitliche Autoren 252  Schoettgen/Kreysig, Diplomataria III (1760), Nr.   158, S.  110 f.; Quelle abgedruckt auch in Frommhold, ZRG-GA 37 (1916), S.  504, 505 f., auszugsweise auch in Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  49 f. 253  Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  51. 254  Zur Konstruktion der römischen societas omnium bonorum, s. o., Rn.  25. 255  Frommhold, ZRG-GA 37 (1916), S.  504, 506, geht bei dem der Quelle zugrunde liegenden Vertrag offenbar von einem Ganerbschaftsvertrag aus, der sich allerdings von gängigen Verträgen dieser Art „sehr wesentlich unterscheidet“. 256 S. die Additio von Dietherr in: Besold, Thesaurus practicus (1666), S.   314, zum Stichw. „Gesamte Hand“. 257  MzLR 1755, IV, §  2 , in: Kurz, MzLR (1866), S.  2 27: „Hätten aber beide Ehegenossen

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

den Begriff „gesamte Hand“ aus mittelalterlichen Statuten auf.258 Schließlich lässt sich mitunter auch der komplementäre Begriff der „Eins-Hand“ in der ganzen neuzeitlichen Literatur hindurch nachweisen,259 bis hin zu einer Legaldefinition im 1865 in Kraft getretenen sächsischen BGB.260 Alles in allem wird man aber feststellen müssen, dass die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung in der Neuzeit weder die deutsche Rechtsetzung noch die Literatur maßgeblich geprägt hat.261 So baut selbst das Bamberger Landrecht von 1769 nicht auf die Terminologie des alten Bamberger Stadtrechts auf, indem es zwar detailliert die Gütergemeinschaft regelt, nicht jedoch den Ausdruck der gesamten Hand verwendet,262 genauso wenig wie außerdem das Bamberger Hofgericht.263 Auch außerhalb Bambergs ist es nicht zu einer nennenswerten Rezeption oder Weiterentwicklung eines Gesamthandbegriffs gekommen. Von den Stadt- und Landrechten der Neuzeit, die eine Gütergemeinschaft vorsehen, verwenden eine Vielzahl den Gesamthandbegriff nicht. Dies gilt u. a.264 für die Erste Frankfurter Reformation von 1509265, die erneute Frankfurter Reformation von 1578266 , das Freiburger Stadtrecht von 1520267, die Reformation des bayerischen Landrechts von 1518268 , das Würt-

die Schulden gesambter Hand, oder das eine aus denenselben solche auch ohne Vorbewußt des anderen, jedoch zu ihrem gemeinem Hauswesen, oder Güter-Bau, gemacht, so solle der Mann zwei Drittel, und die Frau ein Drittel daran zahlen“. 258  S. etwa Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  100 f., mit Verweis auf die Er­ furter Statuten von 1306. 259 S. etwa Tengler, Layenspiegel, Teil 1 (1527), Bl. 37 (li.), Hofmann, EheR (1789), S.  240; Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  148; J. Chr. Hasse, Gütergemeinschaft (1808), S.  7. 260  S. §  1703 SächsBGB. 261  Zur besonderen Stellung der österreichischen Gesamthand, s. hingegen Rn.  280. 262 BambLR, II, 1, §   1: „Diese Gütter-Gemeinschaft entsteht alsdann unter denen Ehe-Leuten, wann sie ihr Vermögen ganz, oder zum Theil dergestalten miteinander vermischen, und vereinigen, daß es ihnen von nun an beederseits mit denen nemlichen Eigenthums-Rechten, und Beschwerden zusteht, und sie dahero in Ansehung desselben ordentlicher Weis für eine Person zu betrachten seyend“, in: Fürstenthum Bamberg LandR (1769), S.  145 f. 263  S. den Bericht des Hofgerichts an das Reichskammergericht aus dem Jahre 1748 zum Bamberger ehelichen Güterrecht, der den Ausdruck „dominium in solidum“, nicht aber den der gesamten Hand verwendet, abgedruckt in Cramer Wetzl. Nbstd. 37 (1764), S.  124 ff., in Auszügen ebenfalls abgedruckt in Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  103. 264  Außer den nachfolgend zitierten Vorschriften, s. auch die zahlreichen in Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  97 ff., §§  47, abgedruckten Landrechtsauszüge, insbes. S.  100 ff., §  48. 265  S. FftRef 1509, Art.  24 ff., in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1 (1938), S.  2 27 ff. 266  S. FftRef 1578, III, 6, in: Franckfurt ernew. Ref. (1611), Bl. 156 ff. 267  S. FrbgStR 1520, III, 2, und III, 3, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1(1938), S.  275 ff., s. insbes. FrbgStR 1520, III, 3, 3, wo das Gemeinschaftsgut als „beyder eegemecht gut“ bezeichnet wird. 268  BayLR 1518, Tit. 44, in: Ref. Bayr. LR (1518), Bl. 141 ff.

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

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tembergische Landrecht von 1555269, das Solmser Landrecht von 1571270 , die Mühlhauser Statuten von 1692271, das Hohenloher Landrecht von 1738272 sowie für das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, das vielmehr eine besonders detaillierte Regelung der Gütergemeinschaft trifft.273 Die Benutzung der Bezeichnung „gesamte Hand“ im Zusammenhang mit dem Eherecht fällt weiterhin auch in der neuzeitlichen Literatur nicht auf.274 Das unter dem Pseudonym Justus Veracius 1681 verfasste Werk zur Bamberger Gütergemeinschaft zwischen Eheleuten, das vermutlich den Anfang der Figur des Gesamteigentums markierte,275 benutzt den Begriff ebenfalls nicht.276

II.  Eheliches Grundstückseigentum in gesamter Hand nach österreichischem Recht (bis 18. Jahrhundert) 1)  Die österreichische gesamte Hand als Instrument der Ehegattenversorgung Eine besondere Form des eherechtlichen Gesamthandbegriffs hat sich im öster- 276 reichischen Recht entwickelt.277 Für das Mittelalter ist der Gebrauch der Formel „mit gesamter Hand“ zur Beschreibung des gemeinsamen Handelns von Ehegatten (und auch von anderen in Verbindung stehender Personen) in zahlreichen Urkunden nachgewiesen,278 welche nahelegen, dass der Ausdruck zum Teil auch untechnisch verwendet wurde und etwa ein gemeinschaftliches Handeln beschreiben sollte.279 Parallel hierzu lässt sich aber auch eine zunehmende 269 

S. WüLR 1555, Kap.  10, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.2 (1938), S.  123 f. S. SlmsLR, 28, in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.2 (1938), S.  244 ff. 271  MlhStat, III, 7, in: Mühlhauser Statuten (1788), S.  260 ff. 272  HlhLR, I, 4, in: Hohenloher LandR (1738), S.  10 ff. 273  S. PrALR II, 1, §§  345 ff. 274  Nicht verwendet wird die „gesamte Hand“ Mitte des 16. Jahrhunderts in: Walther, Traktat V, in: Rintelen, Walthers Traktate (1937), S.  59 ff.; Walther, Traktat VI, in: Rintelen, a. a. O., S.  77 ff.; Walther, Traktat VII, in: Rintelen, a. a. O., S.  81 ff. Exemplarisch für das Fehlen des Gesamthandbegriffes in Werken späterer Zeit sind außerdem: Henel v. Hennenfeld, Tractatus (1660), S.  490 ff.; W. A. Lauterbach, De Societate (1661), S.  29 ff.; Hellfeld, Repertorium II (1755), Stichw. „Communio bonorum“ (S.  966 ff.); Estor, Rechtsgelehrsamkeit I (1757), §§  729 ff. (S.  307 ff.); Hellfeld, Repertorium III (1760), Stichw. „Gemein Gut“ (S.  1734 ff.); A. Lange, Gemeinschaft der Güter (1766), S.  49 ff., 148 ff.; Boehmer, El. iur. civ. III (1778), S.  2 ff.; E. Thomas, Fuldisches PrivatR II (1789), §  306 (S.  35 f.); Hartitzsch, EheR (1828), §§  276 ff. (S.  290 ff.). 275  S. u., Rn.  299. 276  Veracius, Libellus Consuetudinem (1681), S.  66 ff. 277 Zur Entwicklung der österreichischen eherechtlichen gesamten Hand, s. Demelius, GüterR (1970), S.   7 ff., sowie, ausführlich, Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.   237 ff., 251 f.; s. ferner Brauneder, EuPRG (2014), S.  29. 278  S. die abgedruckten Urkunden in Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  237, 239, 244; Demelius, GüterR (1970), S.  7 ff.; s. auch R. Schroeder, Güterrecht II.1 (1868), S.  118 f. 279  So bereits Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  237. 270 

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Verdichtung zu einem Rechtsbegriff erkennen, der dem des fränkischen Rechts nahe steht. Im Wiener Stadtrechtsbuch, eine jedenfalls vor 1360 verfasste private Sammlung Wiener Rechtsgewohnheiten, Ratsbeschlüsse und anderer Quellen,280 wird der Begriff der gesamten Hand an mehreren Stellen in einem ehelichen Zusammenhang verwendet.281 Am deutlichsten wird die rechtliche Bedeutung des Begriffs in Art.  86 Satz  1 WStRB (Art.  73 nach der Zählung von Richard Schroeder282 ): 283 Nimpt ein man ein hausvraun, und pringent zu einander erib und aigen, und gewinnent auch chind mit einander, alles, daz der vater und die mueter tuent mit alle dem guet, daz si habent, die weil sie lebent, und auch mit gesampter hant, mit versetzen, mit verchaufen, mit gescheft und mit gab, da mugen seu ireu chind nicht angeirren mit einem wort.

277

Nimmt ein Mann eine Hausfrau und vereinigen sie zusammen Erb und Eigen und bekommen sie gemeinsame Kinder: Alles, was der Vater und die Mutter mit dem ganzen Gut, welches sie zeit ihres Lebens haben, mit gesamter Hand tun, durch Verpfändung, durch Verkauf, durch letztwillige Verfügung und durch Schenkung, daran mögen ihre Kinder sie mit keinem Wort hindern.

Die Wiener Rechtsaufzeichnung verwendet den Ausdruck „gesamte Hand“ im Zusammenhang mit einem bestimmten Verhalten der Eheleute in Bezug auf ihr Vermögensgut, namentlich mit einer Verfügung über dieses, und knüpft an dieses Verhalten die Rechtsfolge, dass die gemeinsamen Kinder die Wirksamkeit der Verfügung nicht verhindern können. Im Vergleich mit der oben behandelten gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts284 erscheint diese Regelung also vertraut, zumal die nachfolgenden Sätze des Art.  86 WStRB Bestimmungen für den Fall entsprechender Verfügungen nach dem Tod eines der Ehegatten enthalten, die den Vorschriften des Bamberger Rechts zur „gebrochenen“ gesamten Hand nahe kommen. Nun beschreibt die gesamte Hand des Wiener Stadtrechtsbuches, wie §§  108, 191 BambStR, eine bestimmte rechtsgeschäftliche Handlung, also einen Vorgang. Eine Verwendung der Bezeichnung zur Charakterisierung eines rechtlichen Zustandes, wie §§  142, 185, 188, 192 BambStR, findet sich im Stadtrechtsbuch hingegen nicht. Nach Ansicht von Heinrich Demelius habe sich eine entsprechende Weiterentwicklung des österreichischen Gesamthandbegriffs möglicherweise erst später ereignet. Einen rechtlichen Zustand, nämlich eine rechtliche Kategorie des gemeinsamen Habens eines bestimmten Vermögensgegenstandes beschreibe die „gesamte Hand“ jedoch in einer Urkunde aus dem Jahre 1432, in der von zwei Eheleuten 280 Zu Datierung und Entstehung des Wiener Stadtrechts, Schuster, Wiener StadtRB (1873), S.  27 ff., 37 ff. 281  S. Art.  18, 83 und 86 WStRB, in: Schuster, Wiener StadtRB (1873), S.  55 f., 83 f., 87 f. 282  R. Schroeder, Güterrecht II.1 (1868), S.  128, 210 (Fn.  19). 283  Abgedruckt in Schuster, Wiener StadtRB (1873), S.  87. 284  s. o., Rn.  264.

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

225

die Rede ist, welche zwei Häuser „in gesambter handweis“ in ihrem Besitz haben; 285 Wilhelm Brauneder sieht Ansätze einer entsprechenden Entwicklung schon im 14. Jahrhundert.286 Interessant sind folgende Passagen zur österreichischen gesamten Hand in 278 der Wiener Grundbuchsordnung von 1566.287 Wo ain gesambte hand steet, da mag khein tail des andern tails verkhaufen, versetzen, noch ainich persohn verschaffen, vermachen noch in ander gestalt, weis ode mass handlen oder thuen, allain es sei dan beeder thail will, oder ain thail hab erlaubnuss von dem andern, oder ime habe ain tail vorbehalten solicher gewalt solcherding zu thuen an des andern willen und wissen, und ob solche handlung nit beschäch in leben beeder thail, nach abgang aines tails so sol der grundherr nichts des andern tails verkheren der gesambten hand, allain es wer in der gewör begriffen, das derselb thail, nach des andern thail bleiben, soliche handlung thuen müge; und ob sich der grundherr besorgt, so las er sich solicher irsäal mit den rechten entschaiden.

Aus diesem Text ergibt sich offenbar eine Spezialisierung der österreichischen eherechtlichen gesamten Hand, die sich von der fränkischen gesamten Hand abhebt. Es scheint, dass die österreichische Variante an sich keine mehr oder weniger allgemeine Ehewirkung bezeichnet oder, wie Zoepfl es für die Bamberger Figur ausdrückt, das „genossenschaftliche oder Societäts-Verhältnis“ zwischen den Ehegatten,288 sondern, im Regelungsbereich der Grundbuchsordnung, eine besondere Form eines gebundenen Miteigentums an einem bestimmten Grundstück, nach welcher keiner der Eheleute berechtigt ist, ohne Einverständnis des anderen über das Gut zu verfügen.289 Ergänzende Informationen zur rechtlichen Ausgestaltung der österreichi- 279 schen gesamten Hand finden sich bei Bernhard Walther, der im 16. Jahrhundert290 drei Arten der Gewere nennt: 291 Die Gwöhrn werden auf dreyerley Art gegeben, wie hernach volgt. 285  S. die bei Demelius, GüterR (1970), S.  13, abgedruckte Stelle; für Demelius, a. a. O., S.  17, steht diese Stelle exemplarisch für die Entwicklung des österreichischen Gesamthandbegriffs im 15. Jahrhundert hin zur Bezeichnung einer Gutsgemeinschaft zwischen den Eheleuten; s. i. Ü. die Nachweise in: Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  240, Fn.  23 f., und Hradil, ZRG-GA 49 (1915), S.  459, 462, Fn.  1. 286  Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.   240, mit Hinweis auf eine Urkunde vom 25.05.1358 über den Verkauf eines Grundstücks, abgedruckt in: Hauswirth, Urkunden (1859), Nr. CCLXI, S.  296. 287  WienGBO 1566, Stichw. „Gesambte hand“, in: Tomaschek, R. u. Fr. Wien II (1879), S.  167, 182. 288  S. o., Rn.  271. 289 Eine entsprechende Regelung der österreichischen gesamten Hand ist bereits im „Banntaiding und Rechte“ der Ortschaft Wildenhag aus dem Jahr 1454 nachgewiesen, s. WildhBR, in: ÖstWeist IX, S.  60, Z.  17–22, abgedruckt und übersetzt auch in Brauneder, EuPRG (2014), S.  202. 290  Zur Datierung Walthers Traktate s. Rintelen, Walthers Traktate (1937), S.  2 2*. 291  Walther, Traktat I, Kap.  5, in: Rintelen, Walthers Traktate (1937), S.  3, 7.

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Erstlich mag sich ainer an Nutz und Gewähr an [=ohne] alle Condition schreiben lassen, in wellichem Fall das Erb/guet nach seinem Abgang auf seine Erben fallen thuet. Wann er aber neben ime sein Hausfrau (wie dann vill beschiecht) [= wie es denn oft geschieht] auch schreiben läst, und das er oder sein Hausfrau hernach mit Todt abgehet, so felt auf ine und seine Erben nicht mer dan der halb Thail des Erbguets, den der ander halb Thail des Erbguets felt auf sein Hausfrau und derselben Erben. Zum Andern, wann sich ainer sambt seiner Hausfrauen mit gesambter Handt an Nutz und Gewöhr on alle Condition schreiben läst, und das er oder sein Hausfrau hernach mit Todt abgehet, so hat die überbleibend Person nicht weniger ir Leben lang das Erbguett zu geniessen und zu gebrauchen. Wann dieselb aber hernach auch mit Todt abgeet, so felt das Erbguett zu halben Thail auf seine Erben, und dann auf der ehe verstorbenen Person Erben der ander halber Thail. Zum dritten werden auch die Gewöhren zu Zeiten fürnemblich zwischen Chonnleuthen [=Eheleute] auf Überleben gestelt. Wan nun in sollichem Fall die ein Person mit Todt abgehet, so felt das Guet on Mitl auf die überbleibende Person.

Die Gewere an dem Gut, die Ehemann und Ehefrau „ohne alle Condition“ zukommt, erscheint somit als herkömmliches Miteigentum: Der Anteil des Erstversterbenden geht an dessen Erben, der Überlebende behält seinen eigenen Anteil und vererbt diesen seinerseits an die eigenen Erben weiter. Johannes Heinrich Reutter nennt im Jahre 1674 diese Art der gemeinschaftlichen Berechtigung als Gewere „zu gleichen Theilen“ und stellt klar, dass in diesem Fall jedem der Eheleute „das halbe Eigenthumb“ zustehe, worüber sie oder er „frey disponiren“ könne.292 Anders liegt es beim Erwerb des Guts durch die Eheleute „mit gesambter Hand“.293 Auch hier wird, so Walther, zugunsten jedes Ehegatten eine hälftige Quote gebildet, was sich daraus ergibt, dass nach dem Tod beider Eheleute der Anteil des Mannes an dessen Erben und die Hälfte der Frau wiederum an deren Erben übergeht.294 Vorher behält aber der überlebende Ehegatte nicht nur seinen eigenen Anteil, sondern auch ein lebenslanges Nutzungsrecht an dem Anteil des vorverstorbenen Partners. Dazu passt, dass zu Lebzeiten beider Eheleute keiner ohne Einwilligung des anderen zu Verfügungen an dem Gut berechtigt war.295 Die dritte Kategorie der gemeinschaftlichen Berechtigung „auf Überleben“ führte schließlich zum Volleigentum des über­ 292 

Reutter, Tabulae iuridicae (1674), Ad Tab. XIX, Rn.  43 f. (S.  21). den Rechtswirkungen der österreichischen eherechtlichen Gesamthand: Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  239, und Demelius, GüterR (1970), S.  17; Bartsch, Güterrecht (1905), S.  85 f. 294  Besonders deutlich auch bei Beckmann, Idea (1688), Stichw. „Gewehr“, S.  179, 180: „[…] darum gibt die gleiche Gewehr mit gesambter Hand einem Weib so mit in die Gewehr und Scherm-Brieff begriffen das Eigenthum von demselben Gut zum halben Theil; […] dahero es geschiehet daß wann er oder seine Haußfrau mit Todt hernach abgehet […]; es hat aber die überlebende conperson selbiges Gut auf ihr Lebens-Zeit völlig zugeniessen und zugebrauchen“. 295  Reutter, Tabulae iuridicae (1674), Ad Tab. XIX, Rn.   45 (S.  21): „[…] es kann eine Conpersohn ohne der andern Einwilligung mit dem Gueth nicht frey disponiren weilen der überlebenden der Genuß des völligen Guets ad dies vitae gebühret“. 293  Zu

§  4.  Die gesamte Hand als eherechtliche Bezeichnung

227

lebenden Ehegatten,296 wobei offenbleiben kann, ob dies im Wege einer Anwachsung oder eines Erbgangs erfolgte. 2)  Entwicklung und Niedergang der österreichischen gesamten Hand Die österreichische gesamte Hand hat sich nachhaltiger etabliert als die gesam- 280 te Hand des fränkischen Eherechts. Zwar zeichnet sich bereits im Spätmittelalter möglicherweise ab, dass die österreichische Rechtsfigur als besondere Form gemeinschaftlichen ehelichen Eigentums an einem Vermögensgut mit der Zeit seltener in Anspruch genommen, dass ihr insbesondere die Berechtigung „auf Überleben“297 und im Fortschreiten der Neuzeit des einfachen Miteigentums vorgezogen wird.298 Bis in das 17. Jahrhundert sehen indes österreichische Regelwerke das Eigentum in gesamter Hand den anderen Formen gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber als gleichberechtigt.299 In der neuzeitlichen österreichischen Literatur findet sich diese Art der gesamten Hand noch lange wieder. Sie wird Mitte des 16. Jahrhunderts von Bernhard Walther300 , im 17. Jahrhundert von J. H. Reutter301 und von N. Beckmann302 behandelt. Im 18. Jahrhundert finden sich Erörterungen zu dem Thema bei J. B. Suttinger303 , A. J. Greneck304 und offenbar bei weiteren Autoren305. Nach Inkrafttreten des österreichischen ABGB, das diese Form gemeinschaftlichen Eigentums nicht ausdrücklich vorsah, schwindet auch die Beachtung der juristischen Literatur für die gesamte Hand als besondere Art des Eigentums von Ehegatten an einem Grundstück.306 296  Reutter, Tabulae iuridicae (1674), Ad Tab. XIX, Rn.  45 (S.  21): „Die Gewöhren auf überleben / haben vornemblich diesen effect, daß auf die überlebende Conpersohn das völlige Gueth immediatè falle“; s. ferner Brauneder, EuPRG (2014), S.  29. 297  Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  241 f., m. w. N. 298  Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  252 ff. 299 S. WienGBO 1566, Stichw. „Gesambte hand“, in: Tomaschek, R. u. Fr. Wien II (1879), S.  167, 182. Von Bedeutung war weiter der Tractatus de juribus incorporalibus aus dem Jahre 1679, der die österreichischen Regeln der Grundherrschaft festhielt und die „Gewöhr auff gesambte Hand“ beschrieb: s. TJurIncorp, IV, §§  14, 17, in: Codex Austriaci I (1704), S.  581, 589; weitere Nachweise in Brauneder, ZRG-GA 94 (1977), S.  218 f., Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  251, und Bartsch, Güterrecht (1905), S.  45 f. 300  Walther, Traktat I, Kap.  5, in: Rintelen, Walthers Traktate (1937), S.  3, 7; zur Datierung s. Rintelen, a. a. O., S.  22*. 301  Reutter, Tabulae iuridicae (1674), Ad Tab. XIX, Rn.  45 (S.  21). 302  Beckmann, Idea (1688), Stichw. „Gewehr“, S.  179, 180. 303  Suttinger, Consuetudines (1718), S.  291: „Gewöhr auf die gesammte Hand vermag so viel / daß der Uberlebende / das Gutt gantz unzertheilter beyeinander / doch unverthuendlich innen habe / und damit seinen Nutzen / wie gesammte Hand vermag / suchen und brauchen möge“. 304  Greneck, Theatrum (1752), S.  191, 326. 305  S. die Nachweise in Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  251, Fn.  7. 306  Brauneder, Ehegüterrecht (1973), S.  253, m. w. N.; Ellinger, ÖstCivR1 (1843), §  361, S.  177, erwähnt nur das einfache Miteigentum als Art gemeinschaftlichen Eigentums; Spuren des Eigentums in gesamter Hand finden sich dort auch ebenfalls nicht bei den „Ehepacten“,

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

Zusammenfassung des 1. Teils 281

282

Das Institut der Gesellschaft und der Begriff der gesamten Hand sind bis in das 19. Jahrhundert getrennte Wege gegangen. Dessen ungeachtet zeigen sich bei historischen gesellschaftsrechtlichen Strukturen in dieser Zeit Merkmale der überindividuellen Verselbständigung. Selbst für die societas des römischen Rechts, welche traditionell als rein schuldrechtliches Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern angesehen wird, existieren Hinweise kleinerer Abweichungen von diesem Modell; so soll etwa die Verfügung eines Gesellschafters über seinen Anteil an den Gesellschaftsgegenständen dann dinglich – zumindest gegenüber den übrigen Gesellschaftern – unwirksam gewesen sein, wenn ein (zeitlich begrenzter) Teilungsausschluss zwischen den Gesellschaftern vereinbart wurde. Außerdem fand der Gedanke der Anwachsung im römischen Recht der Bruchteilsgemeinschaft (communio) dann Anwendung, wenn eines der Gemeinschaftsmitglieder seinen Anteil derelinquierte. Eigens vermögens- und wohl auch rechtsfähige Einheiten kannte das römische Recht nur als „universitas“, von der die Korporationen, als Personenzusammenschluss, eine Unterkategorie bildete. Entsprechende Strukturen waren nach dem Modell des Staatswesens konstruiert, zeichneten sich insofern durch ihren öffentlichen oder halböffentlichen Charakter aus, der sich insbesondere darin äußerte, dass eine rein gewillkürte Gründung nicht möglich, sondern eine staatliche Genehmigung oder zumindest ein öffentliches Bedürfnis notwendig war. Kennzeichnend für eine existierende Korporation war außerdem, dass sie unabhängig von ihren Mitgliedern Rechte und Pflichten haben konnte, dass ihre Mitglieder insbesondere nicht für Verpflichtungen der Korporation hafteten. Insofern unterschied sich die Korporation sowohl in den tatbestandlichen Voraussetzungen als auch in den Rechtsfolgen grundlegend von der römischen societas. Impulse einer Verselbständigung der Gesellschaft kommen vornehmlich aus romanisch-kontinentaleuropäischen Quellen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Sie äußern sich in der Betrachtung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Das pisanische Constitutum Usus aus dem 12. Jahrhundert, wohl auch andere italienische und katalanische Statuten, kannten offenbar entsprechende Bestimmungen. Der im 14. Jahrhundert wirkende italienische Autor Paulus de Castro liefert ähnliche Ansätze bei Bankgesellschaften. Der Gedanke wird in der Folge von den Status. §§  1217 ff., S.  559 ff.; es spricht auch einiges dafür, dass sich jene Rechtsfigur bereits zuvor auf dem Rückzug befand, da Suttinger, Consuetudines (1718), S.  291, mehrere Entscheidungen zitiert, die aber allesamt aus dem 16. Jahrhundert stammen; Scheidlein, östPrivR (1814), S.  599 ff., verwendet nicht mehr den Begriff der gesamten Hand, sondern den des „Advitalitätsrechts“ (s. §§  1255 ABGB), welcher freilich galizischen Ursprungs ist und in den deutschen Erbländern offenbar nie Fuß gefasst hat, dazu Brauneder in: Schwimann, ABGB V3 (2006), §  1255, Rn.  1.

Zusammenfassung des 1. Teils

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ten Genuas des 16. Jahrhunderts allgemein für Handelsgesellschaften anerkannt und im 17. Jahrhundert von italienischen und iberischen Autoren vertreten. Im 17. Jahrhundert macht sich die Rechtsprechung mehrerer französischer Parlamentshöfe jene Lösung zu eigen; sie wird in der Folge von französischen Autoren rezipiert. Zu einer Verselbständigung der Gesellschaft als eigene Einheit nähert sich die Rechtswissenschaft außerdem von einer anderen Seite: Im 14. Jahrhundert wird von Postglossatoren, insbesondere von Baldus de Ubaldis, vertreten, dass eine Aktivforderung einer Studentenburse gegen eines ihrer Mitglieder und eine Passivforderung desselben Mitglieds gegen den Kassenwart der Studentenburse keine Aufrechnungslage begründe, da es in diesem Fall an der Identität zwischen dem Berechtigten der Aktivforderung (Burse) und dem Verpflichteten der Passivforderung (Kassenwart) fehle, womit sich die Studentenburse als eigener, von seinen Mitgliedern verselbständigter Aufrechnungsadressat offenbart. Diese Lösung wird, unter Bezugnahme auf Baldus, in der Folge von der Rechtsprechung der Rota Genuensis und den genuesischen Statuten des 16. Jahrhunderts auf Handelsgesellschaften ausgeweitet und in der italienischen, später auch in der französischen und niederländischen Literatur aufgegriffen. Gesellschaftsrechtliche Strukturen in deutschen Ländern sind für die Zeit 283 des Mittelalters in der Sekundärliteratur bisher nur in regional, epochal und/ oder kategorial begrenzten Untersuchungen behandelt worden, so dass nach dem Stand der Forschung allgemeingültige Feststellungen zu evtl. bestehenden Verselbständigungsmerkmalen betreffender Gesellschaftsstrukturen nicht getroffen werden können. Eine mit Außenwirkung erfolgte rechtliche Verselbständigung war bei hanseatischen Seegesellschaften offenbar nicht die Regel. Eine Verselbständigung der Brüdergesellschaft des Sachsenspiegels ist in der Literatur angenommen worden, lässt sich anhand der Quellen aber nicht mit Sicherheit belegen. In zahlreichen Statuten und Schriften der frühen Neuzeit fehlen Hinweise auf eine vermögens- oder sogar subjektbezogene Verselbständigung der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern, was als Indiz dafür steht, dass entsprechende Eigenschaften im Mittelalter nicht in Erscheinung getreten sind. Die vielleicht erste deutsche Schrift, die Ansätze einer Verselbständigung in Betracht zieht und daher in der folgenden Literatur immer wieder zitiert wird, ist ein Ende des 16. Jahrhunderts von Johann Michael Beuther veröffentlichtes Werk, in welchem der Autor dafür eintritt, Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern in Bezug auf deren Gesellschaftsforderungen einen bevorzugten Zugriff auf die Gesellschaftsgüter zu gewähren. Im 17. und 18. Jahrhundert folgen ihm insoweit Benedikt Carpzov und andere Autoren, teilweise wird diese Ansicht aber wegen ihrer fehlenden römischrechtlichen Grundlage abgelehnt. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts, insbesondere aber im 18. Jahrhundert setzt 284 in Deutschland eine Entwicklung ein, die das Gesellschaftsrecht des 19. Jahr-

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

hunderts besonders prägen wird. Unter dem Eindruck der naturrechtlichen Philosophien artikuliert Samuel Pufendorf Theorien, auf deren Grundlage später Christian Wolff und Daniel Nettelbladt den Begriff der „moralischen Person“ entwickeln und auf bestimmte Personenzusammenschlüsse anwenden werden. Kennzeichnend für diese Figur ist zu Anfang nicht unbedingt eine eigene Rechtsfähigkeit; unter dem Eindruck der Statuslehre wird der Begriff vielmehr nur für solche Strukturen verwendet, die aufgrund ihres „Status“ bestimmte Rechte einheitlich ausüben oder aus sonstigen Gründen nur einheitlich handeln können. Ein eigenes, selbständiges Vermögen kann in diesem Zusammenhang zwar bestehen, ist aber nicht zwingend, so dass die Bandbreite entsprechender moralischer Personen vom Staat und den römischrechtlichen Korporationen bis hin etwa zur ehelichen Gütergemeinschaft und sogar zu prozess­ rechtlichen Streitgenossenschaften reichen konnte. In der Zeit zwischen dem Wirken Nettelbladts und dem Beginn des 19. Jahrhunderts scheint im Begriff der moralischen Person immer mehr der Gedanke der allgemeinen Rechtsfähigkeit durchgedrungen zu sein, so dass der Begriff der moralischen Person zunehmend mit der Figur der römischen universitas bzw. Korporation in Verbindung gebracht wurde. Dementsprechend verweigert ein Autor zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Handelsgesellschaft die Eigenschaft als moralische Person, da bei der Handelsgesellschaft die Gesellschafter für Gesellschaftsschulden haften, dies aber bei einer universitas – gleichgesetzt mit der moralischen Person – gerade nicht gegeben sei. In den nachfolgenden Jahrzehnten, in denen der Begriff der juristischen Person den der moralischen Person allmählich ersetzt, wird die Frage nach der Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft in der Literatur zunehmend kontrovers diskutiert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzt sich in Frankreich die Idee der „personnalité morale“ der Handelsgesellschaft in Rechtsprechung und Schrifttum durch. In Deutschland wird der Gedanke der Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens als eigene Haftungsmasse für Gesellschaftsgläubiger unter dem Einfluss der deutschen und europäischen Quellen des Mittelalters und der Neuzeit zunehmend anerkannt. Dies bereitet den Boden für die in Deutschland seit den 1820er Jahren zunächst nur vereinzelt vertretene Ansicht, die Handelsgesellschaft sei eine juristische Person. Unter dem französischen Einfluss wird diese Auffassung von der Rechtsprechung für das Rheinland anerkannt und schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts in der preußischen Literatur, namentlich in einem einflussreichen Aufsatz Gelpckes, engagiert vertreten. Unter anderem auch unter dem Impuls Savignys war jedoch zwischenzeitlich in der gemeinrechtlichen Literatur die spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts begonnene Entwicklung zu ihrem Abschluss gelangt, nach der der Begriff der juristischen Person als Synonym für die römische universitas aufgefasst wurde; aus den Reihen jener Autoren bildete sich daher ein starker Widerstand gegen die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit von Handelsgesellschaften, da diese

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weder über eine staatliche Privilegierung verfügten noch die den Korporationen eigene vollständige Unabhängigkeit von ihren Mitgliedern aufwiesen, letztere Eigenschaften aber für die Anerkennung einer römischen universitas notwendig waren. Widerstand regte sich auch bei bestimmenden Autoren der germanistischen Schule. Diese sahen die juristische Person zwar als eine Kategorie, in welche neben der universitas immerhin auch bestimmte deutschrechtliche Genossenschaften einzuordnen waren, die nicht unbedingt in allen Punkten den Eigenschaften der universitas entsprachen, doch verweigerten sie jedenfalls den Handelsgesellschaften den Zugang zur juristischen Persönlichkeit. In Preußen war der Gesetzgeber bei der 1855 vollendeten Kodifizierung des Konkursrechts hingegen von der Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft ausgegangen und hatte im preußischen HGB-Entwurf von 1857 dieselbe Idee zugrunde gelegt. Preußen konnte sich in den Beratungen zum ADHGB nicht gegen die ge- 286 meinrechtlich orientierten Kommissionsmitglieder durchsetzen, um sein pragmatisches Modell der Handelsgesellschaft auch deutschlandweit einzuführen. Die Entwurfsbestimmungen, die der OHG „als solcher“ eigene Rechts- und Parteifähigkeit zubilligten, wurden darin abgeändert, dass diese der OHG nur noch „unter ihrer Firma“ zustanden, womit die zusammengefassten Gesellschafter gemeint waren. Allein die Besonderheiten der Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger und, damit einhergehend, das dinglich wirkende Verfügungsverbot der Gesellschafter über ihre Anteile an den Gesellschaftsgegenständen sowie die Identifizierung von Gesellschaft und Gesellschafter als zwei verschiedene Aufrechnungsadressaten wurden bestätigt. In Bezug auf die Idee einer Anwachsung bei Ausscheiden eines Gesellschafters stellte die betreffende Vorschrift nicht klar, ob dessen Anteil den verbleibenden Gesellschaftern automatisch zufiel oder ihnen durch besonderes Rechtsgeschäft übertragen werden musste. Erst die Rechtsprechung des Reichsgerichts der 1880er Jahre entschied sich endgültig für die Anwachsungslösung – möglicherweise nach dem Vorbild der römischrechtlichen Akkreszenz infolge der Dereliktion eines Anteils an einer Bruchteilsgemeinschaft. Die Kontroverse über die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft (der OHG und der KG) setzte sich auch nach Inkrafttreten des ADHGB fort, doch mit Blick auf die Gesetzesmaterialien gerieten die Anhänger der Rechtspersönlichkeit in Rechtsprechung und Literatur in die Minderheit. Die Positionen des Reichsoberhandelsgerichts bzw. des Reichsgerichts schwankten zwar in Bezug auf die Frage eines abgesonderten Gesellschaftsvermögens und -subjekts, nicht jedoch in der Annahme, dass die OHG keine juristische Person sei. Festzustellen ist schließlich, dass die Debatte im 19. Jahrhundert lange Zeit ausschließlich die Handelsgesellschaft betraf, nicht aber die Gesellschaften außerhalb des Handelsrechts, welche in den deutschen Territorien des gemeinen Rechts, aber auch in Sachsen nach Inkrafttreten des

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

sächsischen BGB im Jahre 1865 und sogar im Rheinland als schuldrechtliche Innengesellschaft verstanden wurden, obwohl sich gerade in der französischen Literatur ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Idee der Rechtspersönlichkeit auch der société civile allmählich durchsetzte. Allein in Gebieten des Preußischen Allgemeinen Landrechts war immerhin eine Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger anerkannt. Der Begriff der gesamten Hand blickt, wenn nicht in allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen, so doch zur Bezeichnung anderer historischer Rechtsfiguren, auf eine lange, teilweise zumindest bis in die Karolingerzeit zurückgehende Vergangenheit zurück. Zunächst als untechnische Bezeichnung gemeinsamen Handelns, insbesondere gemeinsamen rechtsgeschäftlichen Handelns verwendet, findet der Begriff der gesamten Hand Eingang in das Lehnrechtsbuch des in den 1230er Jahren verfassten Sachsenspiegels. Dort beschreibt er die Lehnvergabe des Lehnherrn an mehrere Vasallen, welche in Ausführung des Handgangs ihre Hände gemeinschaftlich in die Hände des Lehnherrn legten und so vermutlich der gesamten Hand ihren Namen gaben. Es ist nicht sicher, dass der Ausdruck „mit gesamter Hand“ im Sachsenspiegel bereits als terminus technicus aufgefasst worden ist, an ihn waren aber jedenfalls bestimmte Rechtsfolgen geknüpft. Jeder der Gesamtbelehnten erhielt am Lehngut die gleiche Gewere, also die gleichen Besitz- und Nutzungsrechte. Solange eine Teilung nicht erfolgt war, konnte keiner der in dieser Weise Gesamtbelehnten seinen jeweiligen Anteil an Dritte veräußern, da ihm ein solcher Anteil, so die Quelle, gar nicht zustand. Allerdings sollte die dennoch erfolgte Verfügung über einen entsprechenden Anteil wiederum wirksam sein, wenn die übrigen Vasallen dem zustimmten. Anders als das aus Italien stammende und in der Folge in deutschen Ländern rezipierte langobardische (sog. „gemeine“) Lehnrecht, sah das sächsische Lehnrecht vor, dass im Fall des Todes eines Vasallen ohne Nachkommen das Lehngut an den Lehnherrn heimfiel; andere Familienmitglieder und umso mehr familienfremde Personen waren von der Lehnnachfolge ausgeschlossen. War das Lehngut aber Gegenstand einer Belehnung mit gesamter Hand, führten die verbleibenden Vasallen das Gut weiter, so dass hier ein Vergleich zu der Idee der Anwachsung durchaus nahe liegt. Das Institut der lehnrechtlichen gesamten Hand konnte sich so zu einem attraktiven Instrument der Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten in der ansonsten restriktiven Lehnnachfolge sächsischen Rechts entwickeln. Tatsächlich änderte die lehnrechtliche gesamte Hand spätestens zu Beginn der Neuzeit ihre Gestalt. Sie verfolgte nicht mehr den Zweck, die gemeinschaftliche Berechtigung mehrerer Vasallen an einem Lehngut zu organisieren, sondern entwickelte sich zu einem schlichten Instrument der erweiterten Lehnnachfolge. Kennzeichnend für die lehnrechtliche gesamte Hand der Neuzeit war die Benennung eines Hauptbelehnten, der nunmehr die alleinigen Nut-

Zusammenfassung des 1. Teils

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zungs- und Besitzrechte an dem Lehngut erhielt, und daneben eines mit gesamter Hand Belehnten, welcher an dem Lehngut zwar an sich berechtigt war, das Gut aber weder in seinen Besitz nehmen noch nutzen konnte. Allein im Falle des kinderlosen Todes des Hauptbelehnten fiel ihm das Gut mit allen Rechten der Belehnung zu. Zur Wahrung des Familienvermögens lag es also im Interesse betreffender Vasallen, vom Lehnherrn eine Belehnung nach dem Modell der neuzeitlichen gesamten Hand mit Verwandten und evtl. dritten Personen zu erreichen. Die Belehnung mit gesamter Hand hatte als Rechtsfigur so lange Bestand wie das Lehnrecht selbst. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wird das Lehnrecht jedoch zu einem Rechtsgebiet ohne Zukunft. Nach Einführung des BGB, spätestens aber nach dem Zweiten Weltkrieg spielt das Lehnrecht in Deutschland keine praktische Rolle mehr. Der Begriff der gesamten Hand hat des Weiteren die Terminologie des mit- 289 telalterlichen Schuldrechts geprägt. Es finden sich zahlreiche Quellen aus der Zeit zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert, in denen von einem „Geloben mit gesamter Hand“ die Rede ist. Die Figur stand als Alternative zur Teilschuld, bei der der Gläubiger mit einer Schuldnermehrheit konfrontiert war, die ihm lediglich erlaubte, gegen jeden der Schuldner dessen Anteil zu verlangen. Bei der Verpflichtung zur gesamten Hand war der Gläubiger sicher, seine gesamte Forderung notfalls auch bei nur einem der Schuldner durchsetzen zu können. Im Einzelnen wies die Verpflichtung zur gesamten Hand zwei Varianten auf. Zum Teil war sie so ausgestaltet, dass der Gläubiger zunächst gegen jeden der Schuldner in Höhe des jeweiligen Anteils vorgehen musste und erst im Falle des Scheiterns gegen einen oder mehrere der Schuldner die anderen oder den letztverbleibenden Schuldner in Anspruch nehmen konnte. Andere Quellen billigen dem Gläubiger zu, gegenüber dem Schuldner seiner Wahl die ganze Verpflichtung geltend zu machen. Damit steht die mittelalterliche gesamte Hand des Schuldrechts freilich in konzeptioneller Nähe nicht etwa zur heutigen Gesamthandschuld, sondern zur Gesamtschuld. So setzten manche Verfasser mittelalterlicher Quellen die schuldrechtliche gesamte Hand auch mit der rö­ mischrechtlichen solidarischen Verpflichtung gleich. Im 19. Jahrhundert ist zwar von Stobbe vertreten worden, die deutsche schuldrechtliche gesamte Hand unterscheide sich von der römischen solidarischen Verpflichtung insoweit, als jene ein einziges Schuldverhältnis gegen eine eine Einheit bildende Schuldnermehrheit, diese aber mehrere, individualistische Schuldverhältnisse gegen jeden der solidarisch Verpflichteten voraussetzte, die lediglich so miteinander verbunden waren, dass die Erfüllung durch einen der Schuldner auch die anderen befreite. Jedoch liefert Stobbe keine Quellen, die seine Aussage konkret belegen könnten. Es erscheint auch – sowohl für römische Juristen der Antike als auch für deutsche Juristen des Mittelalters – nicht sehr wahrscheinlich, dass dieselben eine entsprechende konzeptuelle und für die Praxis nicht relevante Differenzierung getroffen haben. Man kann daraus den Schluss zie-

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2. Kapitel:  Begriffliche Vorläufer der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand

hen, dass die Merkmale der schuldrechtlichen gesamten Hand des Mittelalters sich mit der heutigen Gesamtschuld, kaum aber mit heutigen Gesamthandkonstruktionen, am allerwenigsten mit der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand vergleichen lassen. Schließlich taucht der Begriff der gesamten Hand in mittelalterlichen Quellen zur Bezeichnung bestimmter Eigenschaften eines Eheverhältnisses auf. Heinrich Zoepfl hat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das alte Bamberger Stadtrecht des 14. Jahrhunderts veröffentlicht und die einzelnen Bestimmungen desselben kommentiert. Auch in anderen, vor allem in alten fränkischen Stammesgebieten gelegenen Territorien entstandenen Quellen findet sich der Begriff mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung. Dort bezeichnet der Ausdruck „gesamte Hand“ einerseits die intakte eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten, die denselben erlaubt, auch ohne Zustimmung ihrer Familie, insbesondere ihrer Nachkommen, bestimmte Rechtsgeschäfte mit wirtschaftlicher Tragweite für eigene Kinder oder Dritte auszuführen. Die Bamberger „gesamte Hand“ benannte somit einen rechtlichen Zustand, in welchem sich die Ehegatten in Bezug auf ihre Befugnisse über ihr Vermögen oder über sonstige Regelungsgegenstände befanden. Gleichzeitig wird der Ausdruck „gesamte Hand“ auch im Zusammenhang mit einer gemeinsamen Verfügung der Ehegatten verwendet. Es ist anzunehmen und in weiteren Quellen auch belegt, dass jeder der beiden Ehegatten, also auch die Ehefrau, trotz Mundialgewalt des Ehemannes, eine gewisse Art der Zustimmung für die betreffende gemeinschaftliche Verfügung artikulieren musste. Damit erscheint gesichert und im Vergleich zu den Merkmalen der heutigen Gesamthand bemerkenswert, dass eine individuelle Verfügungsbefugnis über eigene Anteile oder Güter nicht gegeben war. Freilich bleibt unklar, welche Folgen eine Zuwiderhandlung gegen diese Regel hatte. Da sie offenbar zumindest auch im Interesse der gemeinsamen Kinder existierte, erscheint fraglich, ob sich auch die übergangene Ehefrau auf eine von ihrem Ehemann gegen ihren Willen durchgeführte Vermögensverfügung berufen konnte. Unklar ist auch, ob und inwieweit die eheliche gesamte Hand Bamberger Rechts eine Gütergemeinschaft zwischen den Ehegatten entstehen ließ. Zoepfl ist in seiner Schrift von einer Errungenschaftsgemeinschaft ausgegangen, die von ihm berücksichtigte Quelle könnte aber auch lediglich als eine Verwaltungsgemeinschaft ausgelegt werden. Jedenfalls hat die gesamte Hand des mittelalterlichen Eherechts als Begriff in der Neuzeit keine prägende Rolle mehr gespielt. Mit der fränkischen gesamten Hand des Eherechts verwandt, aber auch mit eigenen Merkmalen versehen war die österreichische gesamte Hand, für welche eine eherechtliche, aber auch eine sachenrechtliche Komponente charakteristisch war, insofern sie eine bestimmte Rechtsbeziehung zweier Eheleute zu einem ihnen gehörenden Grundstück ausdrückte. Tatsächlich unterschied sich das „Gesamthandeigentum“ der Eheleute am Grundstück vom schlichten

Zusammenfassung des 1. Teils

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Bruchteilseigentum einerseits darin, dass eine (auch anteilige) Verfügung durch einen der Ehegatten ohne Zustimmung des jeweiligen anderen nicht zulässig war, andererseits darin, dass im Todesfall der Witwe oder dem Witwer ein lebenslanges Nutzungsrecht an dem Anteil des verstorbenen Partners verblieb, womit aber auch klar war, dass entsprechende (hälftige) Quotenanteile der Eheleute überhaupt existierten. Berücksichtigt man insbesondere die fehlende individuelle Verfügungsbefugnis im Rahmen der österreichischen gesamten Hand, so erscheint eine Vergleichbarkeit zum heutigen Verständnis der Gesamthand durchaus gegeben. Auch das lebenslange Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten ist zumindest in funktionaler Sicht mit der Idee der Anwachsung vergleichbar, selbst wenn diese hinsichtlich des Vollrechts erfolgt, jene aber nur hinsichtlich eines Nutzungsrechts.

2. Teil

Die Gestaltung der modernen Gesamthandtheorie und ihre Rolle im deutschen Gesellschaftsrecht bis 1900 Die moderne Gesamthandtheorie blickt auf frühere Impulsgeber zurück 292 (1.  Kapitel). Sie ist aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Autoren ­vornehmlich – aber nicht nur – der germanistischen Schule geschaffen worden (2. Kapitel). In der Folge hat sie sich bei den Beratungen zum Gesellschaftsrecht des BGB und des HGB durchgesetzt (3. Kapitel).

1. Kapitel

Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie Die moderne Theorie der gesamten Hand war nicht der erste Vorschlag einer 293 Systematisierung der verschiedenen hergekommenen Arten nichtrömischer Personenverbände. Insbesondere die moralische Person des Naturrechts in ihrer Entwicklung des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellte den Versuch dar, die Verselbständigung einer durch eine Personenmehrheit gebildeten Einheit gegenüber ihren Mitgliedern zu versinnbildlichen.1 Freilich wurde diese Theorie im Laufe des 19. Jahrhunderts in erster Linie von der Lehre der juristischen Person im Sinne Savignys aufgefangen, wodurch sie eine deutliche Einengung erfahren hat. Savignys Auffassung, es können analog zur römischen universitas nur solche Gebilde eine juristische Person sein, die über eine staatliche Genehmigung verfügen, hat dadurch zahlreiche Personenzusammenschlüsse verwaisen lassen, die von den Naturrechtlern noch als persona moralis angesehen worden waren, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aber nicht mehr in den numerus clausus der juristischen Personen Eingang fanden. Die – gerade in den naturrechtlichen Schriften weit verstandene – Gesellschaft musste grundsätzlich außen vor bleiben. Sie wurde sowohl in der Pandektenwissenschaft als auch von germanistischen Autoren des ausklingenden 19. Jahrhunderts nur dann als juristische Person akzeptiert, wenn sie als Körperschaft ausgestaltet war. Die Handelsgesellschaft und letztlich auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurden dadurch in gewisser Weise für die Gesamthandtheorie frei.2 Auch die eheliche Gütergemeinschaft, die gegen 1800 unter dem Einfluss des Naturrechts von manchen Autoren als moralische Person konzipiert worden war,3 wird spätestens mit Inkrafttreten des BGB als Gesamthandgemeinschaft angesehen. Exemplarisch hierfür steht auch die dogmatische Entwicklung der prozessrechtlichen Streitgenossenschaft, welche unter dem Eindruck des Naturrechts als moralische Person verstanden worden war,4 gegen Ende

1 

S. o., Rn.  101 ff. Gierkes Ansicht habe das Naturrecht „den Gedanken der gesammten Hand in mehr oder minder bewusster Weise bei dem Aufbau seiner Gesellschaftslehre“ verwandt, Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  668. 3  S. u., Rn.  307. 4  S. o., Rn.  101. 2 Nach

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

des 19. Jahrhunderts aber von Gierke für seine Gesamthandtheorie vereinnahmt wird.5 Die Theorie der moralischen Person des Naturrechts hatte allerdings keinen unmittelbaren Anteil an der Ausgestaltung der Gesamthandtheorie. Den Autoren der germanistischen Schule des 19. Jahrhunderts wird vielmehr nachgesagt, dass sie zu ihrer Entwicklung aus zwei anderen Konstruktionen geschöpft haben, die besser mit ihrem Weltbild zu vereinbaren waren, von denen eine sogar von ihnen selbst geschaffen wurde. Es handelt sich zum einen um die schon im 17. Jahrhundert in Ansätzen vorhandene Lehre des dominium plurium in solidum oder des Gesamteigentums (§  1) und zum anderen um die insbesondere von Beseler und Gierke in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufene Theorie der Genossenschaft (§  2).

§  1.  Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums 295

Die Figur des dominium plurium in solidum oder des Gesamteigentums ist bereits dogmengeschichtlich aufgearbeitet worden, 6 wobei insbesondere Annette Ascheuer das Verdienst zukommt, eine umfassende und sorgfältige Untersuchung dieser Materie geliefert zu haben,7 deren Ergebnisse hier größtenteils mitgetragen werden. Die nachfolgenden Ausführungen können daher in angemessener Kürze ausfallen, wobei ausgewählte Aspekte ausführlicher behandelt werden. Die Geschichte der Theorie des dominium plurium in solidum oder des Gesamteigentums lässt sich in eine Entdeckungs- und Blütephase (I) sowie eine Diskussions- und Niedergangsphase (II) aufteilen. In heutiger Zeit spielt die Figur kaum noch eine praktische Rolle (III).

I.  Entstehung und Verbreitung der Figur des dominium plurium in solidum bzw. des Gesamteigentums (1681 bis 1811) 296

Der Begriff des dominium plurium in solidum ist gegen Ende des 17. Jahrhunderts von Justus Veracius geprägt worden (1). Bis dieses Modell in der Rechts-

5 S. Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  674; dass die Streitgenossenschaft in der Vergangenheit als moralische Person interpretiert wurde, erwähnt Gierke an dieser Stelle nicht. 6 Zur Geschichte des Gesamteigentums, s. etwa Blath, Societas (2010), S.   211 f.; Floßmann/Kalb/Neuwirth, ÖPRG7 (2014), S.  195 f.; Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.   33 ff.; unter den älteren Autoren s. etwa Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  115 ff.; Gierke, DPR II (1905), §   122, S.   376 ff. (insbesondere die Quellennachweise, S.  377, Fn.  6); Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  1 ff.; J. Chr. Hasse, Gütergemeinschaft (1808), S.  5 ff. 7  Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  95 ff.

§  1.  Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums

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wissenschaft unter der Bezeichnung „Gesamteigentum“ eine gewisse Stellung erreichen konnte, mussten fast 100 Jahre vergehen (2). 1)  Das eheliche Güterrecht als Nährboden des alternativen Verbandskonzepts des Justus Veracius Im Laufe des Mittelalters hatten sich Personenverbände unterschiedlicher Na- 297 tur gebildet, welche in ihrer inneren Organisation nicht in die römische Kategorie der Bruchteilsgemeinschaft (communio) oder in die der Korporation passten.8 Zu Beginn der Rezeption mag ein Nebeneinander des allgemeinen römischen Rechts und besonderer Regelungen des tradierten Partikularrechts noch toleriert worden sein. Mit der Zeit musste aber das Gefälle der wissenschaftlichen Durchdringung des einen im Vergleich zum anderen Rechtstyp auffallen. In der Folge wurden manche Institute des alten Partikularrechts ganz abgeschafft, andere unter Zugrundelegung römischrechtlicher Grundsätze gedeutet oder zumindest überhaupt einer wissenschaftlichen Systematisierung unterworfen. Dazu zählte auch die Gütergemeinschaft der Eheleute, welche in den römischen Quellen, die von einem Dotalsystem mit Gütertrennung ausgingen, keine unmittelbare Entsprechung fand.9 In der Gütergemeinschaft stehen die gemeinschaftlichen Güter beiden Ehegatten in gleicher Weise zu, ohne dass es darauf ankommt, welcher von ihnen die Güter erworben oder eingebracht hat. Wesentlich ist der vom Willen der Eheleute unabhängige Automatismus: Geldbeträge, die etwa aus einer vertraglichen Beziehung eines der Ehegatten mit einem Dritten erwirtschaftet werden, kommen unmittelbar beiden Eheleuten zugute, ohne dass es eines weiteren Übertragungsakts bedarf; so gelangen Vermögensgüter niemals in das ausschließliche Eigentum eines der Ehegatten. Außerdem können die im Eigentum der ehelichen Gemeinschaft stehenden Vermögensgüter während der Ehe nicht geteilt werden und ein einzelner Ehegatte kann über einen theoretischen Anteil an den Vermögensgütern auch nicht verfügen. Die individuelle Willensfreiheit, die in der römischen communio pro indiviso in der Verfügungsbefugnis über das Teilrecht und in dem Recht, die Teilung zu verlangen,10 zum Ausdruck kommt, wird somit in einem System der Gütergemeinschaft verneint. Es ist zu vermuten, dass dieser Widerspruch zwischen dem römischen System der communio und der hergebrachten deutschen 8 S. etwa Gierke, GenossenschR I (1868), S.   12 ff., der mit weitgehendem Vollständigkeitsanspruch eine Vielzahl mittelalterlicher Personenverbände („Genossenschaften“) untersucht, angefangen von den staatsrechtlich orientierten Verbänden, über Mischformen (Zünfte, Gilden, Lehen) bis hin zu privaten Verbänden gesellschafts- sowie rein familien- oder erb­rechtlicher Art. 9  S. dazu die ausführliche Untersuchung römischer Quellen bei A. Lange, Gemeinschaft der Güter (1766), S.  31 ff. 10  Zur Verfügungsbefugnis über den Anteil Ulpian, Dig. 10, 3, 6, 1, zum Teilungsrecht Dig. 10, 3; s. auch Kaser, RPR I 2 (1971), §  99, S.  411 f.

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

ehelichen Gütergemeinschaft als methodisches Problem angesehen wurde, was sich vielleicht auch darin äußert, dass die eheliche Gütergemeinschaft in Beziehung zum römischen Recht spätestens ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einem im Schrifttum häufig bearbeiteten Thema wurde.11 Bedeutung wird in diesem Zusammenhang eine Ulpianstelle in den Digesten erlangen, die eigentlich nicht dem Begriff des Eigentums oder den Personenverbänden, sondern der Leihe (commodatum) gewidmet war.12 In der Passage geht es um die Frage, ob zwei Personen, die zusammen einen Wagen leihen und gegenüber dem Verleiher vertragsbrüchig werden, diesem als Gesamt- oder nur als Teilschuldner zum Schadensersatz verpflichtet sind. Ulpian zitiert hierzu Celsus, der gegen die Annahme einer Solidarschuld argumentiert, es haben die Mieter vom Vermieter ja auch keinen „solidarischen“ Besitz an dem Wagen erhalten, da ein Eigentum in solidum bzw. ein Besitz in solidum zweier Personen nun mal nicht existieren könne („et ait duorum quidem in solidum dominium vel possessionem esse non posse“). Dies ist nicht die einzige Stelle in den Digesten, die sich gegen einen Besitz in solidum wendet.13 Trotzdem erscheint es, es handele es sich nicht um eine Stellungnahme in einer ernst zu nehmenden Kontroverse über die Zweckmäßigkeit der Rechtskonstruktion eines Eigentums oder Besitzes in solidum. Der Ton der Digestentexte lässt erahnen, dass ein solches „Gesamteigentum“ nicht als ein immerhin theoretisch mögliches Konstrukt angesehen wurde, das lediglich nach reifer Abwägung abzulehnen gewesen sei; es spricht vielmehr Einiges dafür, dass die betreffenden römischen Autoren im dominium in solidum ein Paradoxon sahen, dessen sie sich lediglich als rhetorisches Stilmittel bedient haben, um die Solidarschuld der Entleiher abzulehnen. In den Augen Ulpians und des Celsus muss es eine Selbstverständlichkeit gewesen sein, dass die Figur der Solidarität zwar auf rechtliche Beziehungen zwischen Personen, also auf Schuldverhältnisse passt, nicht aber ernsthaft auf rechtliche Beziehungen zwischen einer Person und einer Sache angewendet werden kann, so beim Besitz oder beim Eigentum. Man kann sich vorstellen, dass unter mehreren Gesamtgläubigern jeder für sich die Leistung des Verpflichteten „im Ganzen“ (in solidum) fordern kann und dass die Leistung an einen Gesamtgläubiger für den Schuldner gegenüber den anderen 11  Unter den zahlreichen Schriften zum ehelichen Güterrecht, s. nur: Henel v. Hennenfeld, Tractatus (1660), S.  489 ff.; W. A. Lauterbach, De Societate bonorum conjugali, Diss. Martin Kieffer (Respondent), Tübingen, 1661; van Wesel, Tractatus de connubiali bonorum societate et pactis dotalibus, Amsterdam, 1. Auflage, 1674; Heeser, Loci communes juris practici de bonorum et inprimis ad quaestuum conjugalium communione eorumque divisione, Frankfurt, 1678; Weyer, De communione bonorum inter coniuges eiusque prorogatione, Duisburg, 1697. 12  Ulpian, Dig. 13, 6, 5, 15. 13 S. etwa auch Paulus, Dig. 41, 2, 3, 5: „Ex contrario plures eandem rem in solidum possidere non possunt; contra naturam quippe est, ut, cum ego aliquid teneam, tu quoque id tenere videaris“.

§  1.  Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums

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Gläubigern befreiend wirkt. Jenseits der Vorstellungskraft muss hingegen erschienen sein, dass diese Konstruktion der Solidarität auch auf erga omnes wirkende Rechtspositionen wie das Eigentum und den (Eigen‑)Besitz angewendet werden könnte, da man den Gegenstand „im Ganzen“ (in solidum) in der Tat nur als Alleineigentümer im Eigentum haben kann.14 Muss man sich das Eigentum mit anderen Personen teilen, so kann einem der Miteigentümer per definitionem kein solches „Eigentum im Ganzen“ zustehen, sondern nur ein Anteil am Eigentumsrecht. An dieser Stelle setzt ein anonymer deutscher Autor15 an, der im Jahre 1681 299 unter dem Pseudonym Justus Veracius eine Schrift veröffentlicht, die u. a. dem Bamberger ehelichen Güterrecht gewidmet war.16 In frontaler Opposition zu den römischen Quellen sucht er die Natur der deutschen Gütergemeinschaft mit genau jener Figur zu erklären, die die römischen Autoren aus der genannten Digestenstelle als unsinnig verworfen hatten. Veracius stellt fest, dass nach römischem Verständnis der Bruchteilsgemeinschaft (communio pro indiviso) der betreffende Gegenstand zwar physisch ungeteilt bleibe, eine Teilung in rechtlicher Sicht aber gleichwohl erfolge, da jedem Bruchteilinhaber ein rechtlich gedachter Anteil zustehe.17 Anders sei die Bamberger Gütergemeinschaft zu beurteilen. Diese sehe eine so vollständige Vermischung der Güter der Ehefrau und des Ehemannes vor, dass jedem der beiden das gesamte Vermögen in seiner Gesamtheit („in solidum“) zustehe, mit der Folge, dass beide Ehegatten für sich sagen können, „das gesamte Vermögen ist mein“.18 Mit ironischen Worten stellt der Autor klar, dass eine solche Aussage nicht im Einklang mit den Vorgaben römischer Autoren steht.19 Diesen Passagen schließt sich eine Argumentation des Veracius an, aus der sich seine Idee des dominium in solidum her­ leitet.20 Sie läuft auf eine praktische Konsequenz hinaus: die Verfügungs­ beschränkung der Ehegatten, soweit sie einzeln agieren.21 14  Paulus erwähnt in diesem Zusammenhang, dass auch nicht zwei Personen auf derselben Stelle stehen können, s. Dig. 41, 2, 3, 5. 15 Zu den Identifizierungsversuchen des Autors, s. Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  115 ff., v. Roth, bayCivilR I1 (1871), S.  59, Fn.  37 (§  5), s. auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  98. 16  Veracius, Libellus consuetudinum (1681), S.  66 ff.; dazu ausführlich Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  98 ff.; s. auch Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  115 ff. 17  Veracius, Libellus consuetudinum (1681), S.  66 f. 18  Veracius, Libellus consuetudinum (1681), S.  67: „per eam enim sic utriusque conjugis bona confunduntur, ut quivis eorum totius Patrimonii in solidum Dominus sit, & quae uxoris fuerunt, jam & ejusdem, & Mariti sint; vicissim quae Maritus habuerat, jam sua & uxoris suae sint, uno verbo, & Maritus & uxor jure dicere potest, totum patrimonium meum est“. 19  Veracius, Libellus consuetudinum (1681), S.  67: „Meminimus quidem probè, in delicatis Romanae civilis prudentiae consultorum auribus valde absonam vocem esse, dum dicitur, posse esse plures Dominos unius rei in solidum“; Passage ebenfalls abgedruckt in Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  5, und in Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  118. 20  Veracius, Libellus consuetudinum (1681), S.  68 ff. 21  So auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  101.

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

Der Gedankengang des Veracius könnte Folgender gewesen sein: Die eheliche Gütergemeinschaft Bamberger Rechts ist unteilbar, die Teilung der römischen Bruchteilsgemeinschaft kann hingegen auf Wunsch eines einzigen Mitinhabers provoziert werden, so dass jene communio in ihrer reinen Form nicht auf die Gütergemeinschaft angewendet werden kann. Möglicherweise sah Ve­ racius den Grund der jederzeit möglichen Teilung der Güter einer communio darin, dass diese in rechtliche Anteile der Bruchteilsinhaber bereits geteilt ist. Da hingegen die eheliche Gütergemeinschaft nicht geteilt werden kann, so könnte Veracius daraus den Schluss gezogen haben, dass auch rechnerisch gedachte Anteile der Ehegatten ausgeschlossen sein müssen, dass somit jeder der beiden Ehegatten für sich in gewisser Weise als Eigentümer des gesamten Gemeinschaftsvermögens anzusehen ist und dass sich daher genau diejenige Rechtskonstruktion heranziehen lässt, die von den Autoren für das römische Recht abgelehnt wurde. Über diese sachlichen Erwägungen hinaus lassen die Ironie und der provokative Ton der Schrift jedoch vor allem die Motivation des Autors vermuten, sich allgemein über das römische Recht zu äußern. Die bewusste Polarisierung im Zusammenhang mit der Gütergemeinschaft, einem Rechtsinstitut, zu welchem sich andere Autoren vielmehr um die Auflösung des Widerspruchs zwischen deutschen und römischen Regeln oder zumindest um einen Ausgleich zwischen ihnen bemüht hatten,22 macht deutlich, welche Haltung Veracius zum römischen Recht einnimmt. Das könnte auch die Ursache dafür gewesen sein, dass er – bewusst oder unbewusst – den wohl eigentlichen Grund der Ablehnung des dominium in solidum durch Ulpian und Celsus als rhetorisches Stilmittel ignoriert und jene Ablehnung augenscheinlich im Gegenteil als typisch römisches Wesensmerkmal der Bruchteilsgemeinschaft identifiziert. Veracius hat sich damit möglicherweise eine größere römische Opposition für die Bamberger Gütergemeinschaft erschaffen, als sie von den römischen Juristen ursprünglich gemeint gewesen war. Nun zeichnet sich die Schrift des Veracius nicht dadurch aus, dass sie überhaupt den eigentümlichen Charakter der ehelichen Gütergemeinschaft im Gegensatz zum rezipierten klassischen römischen Recht herausstreicht. Ferner konnte die Innovation dieser Schrift nicht darin liegen, Zusammenhänge zwischen dem Wesen der ehelichen Gütergemeinschaft und dem anderer deutsch­ rechtlich geprägter Personenzusammenschlüsse, etwa aus dem Lehn- oder dem Erbrecht, nachzuweisen, da der Gegenstand der Untersuchung des Autors sich

22  Anschaulich etwa Kyllinger, der im Zusammenhang mit der Ganerbschaft die Bezeichnung eines Besitzes „in solidum“ verwendet, jedoch klarstellt, dass er diesen Ausdruck untechnisch verwendet, um nicht mit Dig. 13, 6, 5, 15, in Konflikt zu geraten, s. Kyllinger, De Ganerbiis (1620), Disc. 6, Rn.  1 ff., 18 f. (S.  75 ff, 78); Passage ebenfalls abgedruckt in Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  4 ; dazu ausführlich Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  68.

§  1.  Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums

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auf die eheliche Gütergemeinschaft beschränkt. Neu 23 ist aber die Idee, die eheliche Gütergemeinschaft auf ihr eigenes Wesen zu abstrahieren und diese Figur mit einem Begriff zu belegen, dem dominium plurium in solidum. Jene Passagen bildeten damit den ersten Baustein einer Theorie, die darauf hinauslaufen wird, ein allgemeines, also nicht auf die eheliche Gütergemeinschaft beschränktes „germanisches Miteigentum“ zu schaffen. Gerade bei den besonders ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend kritischer gegenüber dem als fremd empfundenen römischen Recht eingestellten Autoren 24 könnte die nicht verhohlene Absicht des Veracius gewirkt haben, es erst gar nicht zu versuchen, die deutsche Gütergemeinschaft mit der römischen communio in Einklang zu bringen, vielmehr beide Institute polarisierend als systemverschieden zu identifizieren. 2)  Herausbildung der Theorie des Gesamteigentums im 18. Jahrhundert Soweit ersichtlich fiel das unmittelbare Echo auf die Schrift des Veracius zu- 302 nächst verhalten aus. Die Theorie des dominium plurium in solidum hat auch 80 Jahre nach Erscheinen Veracius’ Schrift keinen erkennbaren Einfluss auf das ehegüterrechtliche Schrifttum ausgeübt.25 Bis Mitte des 18. Jahrhunderts wird jene Figur von den Autoren regelmäßig weder im Zusammenhang mit der ehelichen Gütergemeinschaft26 noch mit anderen Eigentums- oder Gemeinschaftsformen 27 überhaupt nur erwähnt.28 Auch in Dissertationen, die die Differenzierung zwischen römischen und altdeutschen Instituten zum Gegenstand haben, wird die Idee eines deutschen Eigentumsbegriffs offenbar zunächst nicht aufgegriffen.29 Zwar gebraucht Johann Schilter im Jahre 1736 ähnliche Formeln wie Veracius („possedit in solidum pro indiviso“, „omnes & singuli in solidum

23  Wenige Jahre zuvor ist freilich vom Pariser Parlamentshof die Idee einer „propriété solidaire“ in Bezug auf die Vermögensgüter in Handelsgesellschaften artikuliert worden, s. o., Rn.  60; es erscheint aber als sehr unwahrscheinlich, dass Justus Veracius von diesem Urteil wusste. 24 Exemplarisch, A. Lange, Gemeinschaft der Güter (1766), S.  5 ff. 25  So mit Recht Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  109. 26 S. Engau, Elementa4 (1752), I, 16, §§  369 ff., S.  205 ff.; Riccius, Spicilegium (1750), I, 16 (S.  531 ff.); Knorr, Anmerkungen (1752), S.  125 ff.; Stein, Lübisches Recht I (1738), §§  108 ff., S.  145 ff., der immerhin feststellt, dass die Gütergemeinschaft zur Folge hat, dass die Güter der Eheleute „währenden Ehe-Stande als ein unzertheiltes Guth von beyden zugleich besessen“ werden (§  111, S.  150); B. G. Struve, Iuris Feudalis3 (1754), I, 7, 6, und I, 8 (S.  115 ff.). 27 S. B. G. Struve, Iuris Feudalis3 (1754), II, 13, S.  315 ff. (zum Eigentum), II, 31, S.  419 ff. (zur Erbengemeinschaft), III, 17, 9 f., S.  594 f. (zur Gemeinschaft); s. auch Hermann, Lexicon (1739), Stichw. „Communio“ (S.  266), „Dominium“ (S.  330 ff.), „Gan-Erben“ (S.  432 f.). 28  So bereits F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  278. 29 Dazu Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  79 ff.; s. ferner Thomasius, De rerum differentiis (1721), §  22, S.  10; Thomasius, Dominio (1721), §§  10 ff., S.  6 ff.

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

possident“) im Zusammenhang mit der lehnrechtlichen gesamten Hand.30 Es ist aber zweifelhaft, dass diese Passagen einen technischen Begriff prägen wollten bzw. überhaupt in der Absicht einer Opposition gegen Ulpians Digestenstelle31 formuliert wurden. Auch das Pariser Parlament hat in seinem Urteil von 1677 – also vier Jahre vor Justus Veracius – den Begriff der „propriété solidaire“ im Zusammenhang mit der Handelsgesellschaft des Ancien Régime gebraucht; 32 dieser Begriff konnte also durchaus von verschiedenen Seiten unabhängig voneinander verwendet worden sein. Jedenfalls zitiert Schilter Veracius nicht und es sind keine Hinweise dafür erkennbar, dass er dessen Schrift zum Bamberger Ehegüterrecht gelesen hat.33 Jedoch sind die Passagen bei Schilter 1746 von Johann Gottfried Bauer zitiert worden, welcher feststellt, die Belehnung mit gesamter Hand habe die Erteilung eines Besitzes „in solidum“ zum Gegenstand und befinde sich im Widerspruch mit Ulpians Digestenstelle.34 Der Gedankengang Bauers ist dem des Veracius damit durchaus ähnlich, wenn auch gegenüber dem römischen Recht weitaus weniger konfrontativ formuliert.35 War der lateinische Ausdruck „dominium in solidum“ gegen Ende der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in anderen Quellen aufgetaucht,36 so scheint der deutschsprachige Ausdruck „Gesamteigentum“ in den 1750er Jahren in das Schrifttum gelangt zu sein. Es bleibt im Dunkeln, welcher Autor diesen Schritt als erstes vollzogen hat; geprägt hat den deutschsprachigen Ausdruck möglicherweise Johann Georg Estor im Jahre 1757, der im Gesamteigentum einen Begriff sieht, der immer dann heranzuziehen sei, wenn „verschidenen personen das eigentum einer sache unteilbar zustehet“.37 Anders als die meisten gelehrten Autoren des 18. Jahrhunderts scheute er auch nicht davor zurück, die Unterschiede zwischen dem gelehrten römischen und dem gelebten deutschen 30  Schilter, CJ Alemannici Feudalis (1728), Ad Caput III, §  6 , S.  142; s. auch Ad Caput XVI, §  2 , S.  180; s. auch ausführlich Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  93 ff. 31  S. o., Rn.  298. 32  S. o., Rn.  60. 33  Zu diesem Schluss kommt auch Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  131. 34  Bauer in: Opusc. Acadam. II (1746/1787), S.  196, 200, 203; dazu ausführlich Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  117 ff., sowie Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  136 ff. 35  Bauer versucht etwa darzulegen, dass auch das römische Recht durchaus Figuren eines dominium bzw. einer possessio in solidum kennt, s. Bauer in: Opusc. Acadam. II (1746/1787), S.  196, 209 f.; dazu Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  138. 36  1748 verwendet das Bamberger Hofgericht lediglich den lateinischen Ausdruck „dominium in solidum“ mit Bezug auf Justus Veracius, s. Extract des Bamberger Hofgerichts v. 10.09.1748, abgedruckt in: Cramer Wetzl. Nbstd. 38, S.  124 ff.; ebenso Hellfeld, Repertorium III (1760), Stichw. „Communio bonorum“, S.  967, §  2 , sowie A. Lange, Gemeinschaft der Güter (1766), S.  20 f., 51 f., beide mit Bezug auf Veracius. 37  Estor, Rechtsgelehrsamkeit I (1757), S.  756, §  1868; damit war das Gesamteigentum bereits Mitte des 18. Jahrhunderts und nicht erst ab 1800 als Gattungsbegriff erkannt worden, anders noch Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  143.

§  1.  Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums

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Recht herauszustreichen.38 So sei bei „den Teutschen“ charakteristisch, dass einer der Eigentümer nicht immer einseitig die Teilung verlangen könne, dass dieser Grundsatz aber dort nicht immer gilt, wo „das Römische recht eingedrungen ist“.39 Als Beispiele dieser Art des gemeinschaftlichen Eigentums nennt er etwa „eine gemeinds- eine mitherrschaft, gan-erbschaft“,40 hingegen verwendet er den Begriff im Zusammenhang mit der ehelichen Gütergemeinschaft nicht,41 genauso wenig wie 1766 Lange, obwohl dieser Justus Veracius zitiert42 und er sich im Ergebnis dessen Theorie bedient, dass den Eheleuten kein rechnerischer Anteil, insbesondere nicht „die Helffte“ an dem Gemeinschaftsgut zufalle.43 Georg Ludwig Boehmer, der 1778 durchaus den „germanischen“ Charakter der Gütergemeinschaft feststellt, verwendet den Ausdruck „Gesamteigentum“ nicht, sondern hält sich an die Begriffe „communio bonorum“, „societas coniugalis“44 oder auch „patrimonium commune“.45 Auch Johannes Andreas Hofmann gebraucht den konkreteren Ausdruck „Gütergemeinschaft“, ohne die Möglichkeit der Verwendung des Gesamteigentums als Überbegriff anzusprechen.46 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts findet der Ausdruck „Gesamt­ 304 eigentum“ zur Bezeichnung althergebrachter ungeteilter Eigentümergemeinschaften in weiteren Werken eine gewisse Verbreitung.47 Zur Deutung der ehelichen Gütergemeinschaft wird er zwar zunächst in zahlreichen Schriften ignoriert,48 dann aber zunehmend auch in diesem Zusammenhang verwen38 

Zur Rolle Estors in der Germanistik, s. F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  106 f. Estor, Rechtsgelehrsamkeit I (1757), S.  757, §  1872. 40  Estor, Rechtsgelehrsamkeit I (1757), S.  736, §  1821. 41  Estor, Rechtsgelehrsamkeit I (1757), S.  307 ff., §§  729 ff.; zu Estors Ausführungen zum ehelichen Güterrecht, s. Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  112 ff. 42  A. Lange, Gemeinschaft der Güter (1766), S.  51. 43  A. Lange, Gemeinschaft der Güter (1766), S.   158, 162; zu Langes ehelichem Güterrecht, s. Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  111 f. 44  Boehmer, El. iur. civ. III (1778), S.  2 ff. 45  Boehmer, El. iur. civ. III (1778), S.  21. 46  Hofmann, EheR (1789), S.  237 ff. 47  Walch, NäherR (1766), S.  76 f., sieht das Gesamteigentum im Zusammenhang mit der „gemeinds herrschaft“, der „Mitherrschaft“, der „Ganerbschaft“, der Mitbelehnung u. a.; F. Ch. Fischer, Teutsche Erbfolge I (1778), S.  7 ff., verwendet den Ausdruck „Samteigentum“ in einem sehr weiten, auch philosophisch-theologischen Sinn („Das Recht der Menschen an die Erdfläche ist ein sammteigenthümliches Recht“, S.  5), sieht in ihm aber auch die Grundlage der deutschen Erbfolge (S.  101 ff.); konkreter: Westphal, Lehnrecht (1784), S.  88 ff., Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  98 ff., und Dolliner, LehenR (1793), S.  180. 48 S. etwa Hufeland, PrivatR (1796), S.   68 ff („eine Art Miteigenthum“); E. Thomas, Fuldisches PrivatR II (1789), S.  29 ff., S. 33 („unzertheiltes Eigentum“), S.  34 („Miteigentum“), S.  36 („gemeinschaftliches Eigentum“); Kloentrup, Gemeinschaft der Güter (1791), S.  46 („Miteigentum“), S.  109 („gemeinschaftlich zustehendes Patrimonium“); Schmitz, Gemeinschaft von Güther (1787), S.  2 („Miteigentum“); Westphal, PrivatR II (1783), S.  19 ff., unterscheidet lediglich zwischen der ehelichen „Gemeinschaft nach Theilen“ und der „Gemeinschaft ohne Theile“, welche „der ursprünglichen Denkungsart der Teutschen gemäß“ sei; auch in der zeitgenössischen Konsiliarliteratur findet sich die Theorie des Gesamteigen39 

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

det.49 Von einem allmählich sich durchsetzenden Gebrauch des Begriffs kann man wohl ab dem Ende des 18. oder Anfang des 19. Jahrhunderts sprechen.50 Zeichnete sich noch bei Runde keine scharfe Linie zwischen einem „römischen“ Miteigentum und einem „germanischen“ Gesamteigentum51 ab, wird diese wenige Jahre später bei Danz52 , der sich für eine allgemeine Theorie des Gesamteigentums ausspricht, in sehr ähnlicher Weise wie bei Veracius gezogen: 53 Bei dem Gesammteigenthume kann man, so widersprechend es auch im ersten Anblike scheinen mag, mit Wahrheit sagen, daß ein jeder einzelner Gemeiner Eigenthümer des Ganzen, und doch auch wieder kein einzelner Gemeiner Eigenthümer des Ganzen sey. Denn das Recht eines jeden Einzelnen erstrekt sich auf die ganze Sache, so daß dabei noch nicht einmal unabgesonderte Theile gedacht werden. Daraus folgt dann, daß nur alle Gemeiner zusammen über die Substanz und den Besitz der Sache zu disponiren befugt sind; daß hingegen kein Einzelner einen bestimmten Theil der Sache ansprechen, und eine Dispositionsbefugniß darüber sich anmassen kann.

Zurückhaltend ist Danz jedoch bei den verschiedenen Anwendungen dieser Theorie. Er lässt sich nur zu der Aussage bewegen, die Simultaninvestitur aus dem Lehnrecht sei dem Grundsatz des Gesamteigentums „lange treu“ geblieben.54 Gewundener ist seine juristische Qualifikation der ehelichen Gütergemeinschaft: Diese sei eine „unter Ehegatten, in Hinsicht auf die Ehe, eintretende Gesellschaft, vermöge deren beiden Eheleuten, als einer moralischen Person tums noch nicht wieder, s. die Entscheidung des Spruchkörpers der Göttinger Juristenfakultät vom 19.01.1756, in: Pütter, Rechtsfälle I (1788), Decisio XXIII, S.  261 f.; s. auch das Rechtsgutachten von Oelrichs, Arch. th. pract. Rgel. 6 (1792), S.  297 ff. 49 S. etwa J. F. Runde, PrivatR1 (1791), S.  462 f., §  603; Widersprecher, Blätter verm. Inh. II (1788), S.  261, 265, 271; eine zentrale Bedeutung nimmt der Begriff („Sammteigen­ thum“) im zweibändigen Werk Scherers zur Gütergemeinschaft ein, s. etwa Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  97 ff., und Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft II (1800), S.  1 ff.; weitere Fundstellen bei F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  278, und bei Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  143. 50  Angenommen wird der Begriff etwa von J. F. Runde, PrivatR1 (1791), §  263 (S.  177), §  603 (S.  462 f.), §  651 (S.  511 f.); Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  98 ff.; Danz, PrivatR II1 (1797), S.  497 ff.; Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), §  46, S.  96 f.; Glück, Pandecten VIII.11 (1807), S.  79 f. („Gesammteigenthum“); G. M. Weber, LehenR IV (1811), S.  82 („solidarisches Eigentum“). 51 So hält J. F. Runde, PrivatR1 (1791), §   263, S.  177, die Wörter „condominium“ und „Miteigentum“ für Synonyme von „Gesammteigentum“, s. auch §  603, S.  462; zu Rundes Konzeption des ehelichen Güterrechts, s. im Einzelnen Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  114 ff. 52 Zu Danzens Begriff des Gesamteigentums, s. Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  126 f. 53  Danz, PrivatR II1 (1797), §  263, S.  497 f.; ein Nachfolgerecht der Gesamteigentümer im Fall des Todes einer unter ihnen auf der Grundlage dieser Theorie schließt er jedoch aus, da kein Grund vorhanden sei, die Erben von der Rechtsposition auszuschließen, die der Verstorbene vor seinem Tod hatte, s. Danz, a. a. O., S.  499. 54  Danz, PrivatR VII1 (1801), §  651, S.  356.

§  1.  Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums

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an dem gegenseitig in die Ehe gebrachten, oder während derselben erworbenen Vermögen ein ausschließliches, ungetheiltes Eigenthum zukommt“; der Begriff des „Miteigentums“ beider Eheleute sei hier nur „mit großer Vorsicht“ zu verwenden, nämlich nur „im germanischen Sinne“ (mit Verweis auf seine Passagen zum Gesamteigentum).55 Für das altdeutsche Erbrecht lehnt er die Figur im Übrigen ab.56 Klarere Konturen gewinnt der Begriff des Gesamteigentums ab der Jahrhun- 305 dertwende um 1800. Scherer übernimmt die Definition des Gesamteigentums so, wie sie Veracius für das dominium plurium in solidum geliefert hatte.57 Sehr viel frontaler als Danz verwendet er sie als Grundlage für seine Ausführungen zur ehelichen Gütergemeinschaft. Zu den Eheleuten und ihren Gütern stellt er fest: 58 [A]lles dasselbe wird ihnen also gemein, daß einem jeden das Eigenthum des ganzen Samtvermögens ganz, jedem ein unzertrennbares gleiches Recht daran zustehet, keiner den andern davon ausschliessen kann, jeder derselben einerlei Rechte und Verbindlichkeiten untheilbar auf sich hat, mithin beide in dem genauesten, und unzertrennten Sammteigenthum stehen und jedes von ihnen ein Herr aller Güter, der ganzen Activund Passivmasse ist, überhaupt also keines mehr sagen kann, dieses ist mein, jenes ist dein.

Daraus folgert der Autor, bei Versterben eines der Ehegatten erhalte der Überlebende automatisch das Alleineigentum an den ehelichen Gütern, ohne dass es eines „Erwerbtitel(s)“ bedarf und zwar „nicht aus einem Erbfolge [sic], sondern Kraft des Sammteigenthumsrechts, Kraft dessen er wie vorher, so auch jetzt alle anderen Personen davon ausschließet“.59 Mit dieser Aussage hat Scherer offenbar als einer der ersten Autoren den Mechanismus der Anwachsung mit dem Gesamteigentum in Zusammenhang gebracht. Bemerkenswert und gerade für die spätere Entwicklung des modernen Gesamthandbegriffs von Bedeutung ist ferner die Verwendung des Begriffs des „Vermögens“.60 Scherer sieht die Gütergemeinschaft der Eheleute als eine „gesammte Vermögensmasse“ bzw. als „Sammtvermögen“, aus der die Verbindlichkeiten der Ehegatten vorrangig bezahlt werden müssen, etwa wenn „eine Tochter auszusteuern, ein Sohn zu equipiren, Krankheitskosten zu bestreiten sind“.61 Zusätzlich hafte das „Einhandsgut“ der Ehegatten, also deren persönliches Vermögen, wenn 55 

Danz, PrivatR VI1 (1800), §  603, S.  384. Danz, PrivatR VII1 (1801), §  651, S.  364 ff. 57  Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.   97; s. auch Neuß, Gütergemeinschaft (1808), S.  24 ff.; ähnlich für die sächsische Gesamtbelehnung ferner Gmeiner, LehnR II.1 (1795), S.  98 ff. 58  Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  96 f. 59  Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  175 f. 60  Bereits in früheren Werken wurde die Gütergemeinschaft mit einem Ansatz eines Vermögensbegriffs beschrieben, s. etwa A. Lange, Gemeinschaft der Güter (1766), S.  49 ff., 88. 61  Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  148. 56 

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

das Gemeinschaftsvermögen für die Erfüllung der Verpflichtungen nicht ausreiche.62 Scherer ist damit nicht nur der abstrakte Begriff des Vermögens (als Summe aller Aktiva) geläufig, er differenziert vielmehr sogar zwischen einerseits dem persönlichen Vermögen der Ehegatten und andererseits dem gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten, auf das sich das „Gesamteigentum“ bezieht.

II.  Diskussion und Niedergang der Figur des Gesamteigentums im 19. Jahrhundert 1)  Die Kritik des Gesamteigentums Anfang des 19. Jahrhunderts 306

307

Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich die Figur des Gesamteigentums von einem bloßen Schlagwort hin zu einer eigenen Theorie entwickeln sollte, wurde sie zunehmend Gegenstand von Kritik, welcher sie schließlich weitgehend zum Opfer fiel63 – bevor gute 50 Jahre später aus ihrer Asche die neue Gestalt der Gesamthand entstehen wird.64 Zu den ersten Gegnern der neuen Generation zählt Johann Heinrich Müller, der 1801 in einer Monografie zum ehelichen Güterrecht feststellt, dass das Gesamteigentum, welches als Recht definiert ist, das „zweyen oder mehreren Personen im ganzen, das ist ungetheilt“ zustehe, nichts anderes sei als gewöhnliches Miteigentum. Solle aber „jeder das ganze haben, (dominium duorum in solidum), so enthält es einen Widerspruch in sich selbst, weil derjenige, der das ganze (solidum, sive juris sive materiae) hat, den andern nothwendig ausschließt, hier aber ausschließen und zugleich nicht ausschließen müßte“.65 Er stellt fest, der Begriff des Eigentums charakterisiere die Ehegemeinschaft sowieso nur unzureichend, da die Ehegemeinschaft auch Verbindlichkeiten umfassen könne. Er identifiziert die Ehegemeinschaft daher als verschmolzenes Vermögen der Eheleute, dessen Subjekt nicht die einzelnen Gatten, sondern die Gemeinschaft als „juristische Person“ sei.66 Sehr ähnlich fallen die Kritik des Begriffs des Gesamteigentums und die Vorstellungen zur Persönlichkeit der Ehegemeinschaft aus, die Johann Christian Hasse in einer 1808 erschienenen Monografie niederlegt.67 Jedoch scheint er Müller nicht zu zitieren; er tut es jedenfalls nicht an den entscheidenden Stellen. 62 

Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I (1799), S.  148 ff. Niedergang der Theorie des Gesamteigentums, s. Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  144 ff. 64  Zur Entwicklung des Begriffs des Gesamteigentums, s. auch F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  566 f. 65  J. H. Müller, Güter-Gemeinschaft (1801), S.  4. 66  J. H. Müller, Güter-Gemeinschaft (1801), S.  4 f. 67  Zu Hasses Kritik, s. Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  151 ff.; Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.   146; Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.   35; Lipp, Qu. Fior. 11/12, 1 (1982/83), S.  217 ff. 63  Zum

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Dafür wird die Schrift Hasses ungleich größeren Einfluss auf die spätere Literatur haben. Er setzt genau an dem Punkt an, den Veracius in seiner Schrift ignoriert hatte, nämlich dass die Digestenaussage, wonach das dominium in solidum eine unmögliche Rechtsfigur sei, nicht etwa „eine dem römischen Recht besonders eigenthümliche Bestimmung“ bilde, sondern vielmehr „in der Natur der Sache“ liege.68 Hasse, Schüler Thibauts und mit der Methodik der historischen Rechtsschule vertraut,69 analysiert ausführlich die betreffende Digestenstelle, die er, für diese Zeit unüblich, mit einer deutschen Übersetzung versieht. Er kommt zu dem Schluss, dass der Gedanke der römischen Autoren der gewesen sein muss, die Möglichkeit der Existenz eines dominium in solidum allein deshalb abzulehnen, weil das „Eigenthumsrecht an einer Sache“ eben „nicht ganz“ ausgeübt werden könne, „ohne das Miteigenthumsrecht eines andern aufzuheben“.70 Es sei daher „undenkbar, daß mehrere domini einer Sache in solidum seyn können; da nun auch das Gebrauchsrecht eines Pachters, wenn es auf das Ganze ginge, nicht in Wirkung gesetzt werden könnte, ohne das Mitgebrauchsrecht des Mitpachters zu kränken“.71 Anstelle der Figur des Gesamteigentums möchte Hasse die Gütergemeinschaft im Sinne einer naturrechtlichen „mystischen Person“ setzen, die er als einzige „Person im juristischen Sinne“ ansieht, deren Existenz aus den Besonderheiten des deutschen Ehegüterrechts zu rechtfertigen sei.72 2)  Das Gesamteigentum im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Nach der Kritik Hasses bedurfte es einiger Jahrzehnte sowie der Hilfe der 308 Schrift Dunckers aus dem Jahre 1843, um die Theorie des Gesamteigentums ernstlich zu gefährden.73 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte diese zunächst noch viele einflussreiche Autoren unter ihren Anhängern, wie Eich-

68 

J. Chr. Hasse, Gütergemeinschaft (1808), S.  15. Kleinheyer/Schröder, Juristen5 (2008), S.  502 f. 70  J. Chr. Hasse, Gütergemeinschaft (1808), S.  19. 71  J. Chr. Hasse, Gütergemeinschaft (1808), S.  19. 72  J. Chr. Hasse, Gütergemeinschaft (1808), S.   91 f.; in der Sekundärliteratur wird der Begriff „mystische Person“ mit gewisser Vorsicht behandelt, s. etwa Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  35 f., sowie Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  153 ff.; für J. Chr. Hasse, Gütergemeinschaft (1808), S.  92, Fn.  1, hat „juristische, moralische oder mystische Person“ die gleiche Bedeutung und auch in anderen Schriften der gleichen Epoche erscheint die „mystische Person“ als Synonym für die naturrechtliche „moralische Person“, s. z. B. Dabelow, System I 2 (1796), §  135, S.  106; für Gleichbedeutung der Begriffe offenbar auch H. Hattenhauer, Grundbegriffe2 (2000), S.  29. 73  Zu den verschiedenen Literaturströmungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, s. ausführlich, Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  197 ff.; s. auch Landau in: FS Schwab (2005), S.  143, 153 f. 69 

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

horn74 , Mittermaier75, Zachariae76 und andere77. Auffallend ist jedoch, dass manche dem ehelichen Güterrecht gewidmeten Schriften den Begriff „Gesamteigentum“ nicht verwenden.78 Im Jahre 1826 behauptet Tabor, ohne Hasse zu zitieren, dass es sich bei der Gütergemeinschaft um eine juristische Person handele.79 Maurenbrecher lässt sich 1834 von der Kritik Hasses an der Figur des Gesamteigentums überzeugen,80 entsprechend wendet sich auch Mittermaier weitgehend von ihr ab.81 Gerber bekämpft diese Theorie seit der ersten Auflage seines Lehrbuchs zum deutschen Privatrecht.82 Im Jahre 1843 widmet Ludwig Duncker seiner Ablehnung der Theorie des Gesamteigentums eine ganze Monografie,83 in der er einräumt, dass im deutschen Recht zwar durchaus einzelne Rechtsfiguren existieren, welche weder der universitas noch der societas „haarscharf entsprechen“; er zieht daraus aber nicht den Schluss, dass jene deutschen Institute von so eigentümlicher Natur wären, dass sie gänzlich außerhalb römischrechtlicher Kategorien gefasst werden müssten.84 Zur Begründung unterzieht er diejenigen Figuren einer sorg­ fältigen Untersuchung, für die in der Literatur regelmäßig die Theorie des Gesamteigentums als Erklärungsmodell herangezogen worden war, darunter etwa die Gesamtbelehnung85, die unteilbaren Stammgüter bestimmter Fami­ lien86 und die Ganerbschaft87. Im Zusammenhang mit der ehelichen Güter­ gemeinschaft88 stellt er fest, „daß die Rechtsverhältnisse sich nicht ausbilden, um einer logischen Regel zu genügen“, dass eigentlich alle in der Literatur vertretenen Theorien zur Gütergemeinschaft grundsätzlich vertretbar seien ­ und es nur darauf ankomme, diejenige auszumachen, die „zu jenem Zweck am brauchbarsten sei“.89 Unter Zugrundelegung älterer französischer Rechts­ bücher und Literatur kommt Duncker zu dem Ergebnis, dass es die brauch­ barste Annahme sei, bei der Gütergemeinschaft den Ehemann kraft seiner 74 

Eichhorn, PrivatR1 (1823), §  166, S.  430 ff. Mittermaier, PrivatR1 (1824), §  139 (S.  143), §  349 (S.  334), §  382 (S.  370). 76  Zachariae, Frz. CivilR I 3 (1827), §  197, S.  391 f. 77  S. etwa Hartitzsch, EheR (1828), S.  290; Gründler, Polemik I (1832), S.  274 f.; Leman, Gütergemeinschaft (1826), S.  27 f.; zurückhaltender: Philipps, PrivatR II 2 (1839), S.  27. 78 S. Welter, Gütergemeinschaft (1829), S.   21 ff.; Maurenbrecher, Gütergemeinschaft (1828), S.  16 ff. 79  Tabor, Handels-Firma (1825), S.  13. 80 S. Maurenbrecher, Deutsches Recht1 (1834), §  187, S.  2 27. 81  Mittermaier, PrivatR I 5 (1837), §  155 (§  139 nach Zählung der älteren Auflage), S.  377; s. dazu Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  146 ff. 82  Gerber, System I1 (1848), §  7 7, S.  167. 83 Dazu Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  146 ff. 84  Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  51 f. 85  Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  80 ff. 86  Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  115 ff. 87  Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  145 ff. 88  Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  195 ff. 89  Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  211. 75 

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­ ormundschaft über die Ehefrau als Eigentümer der Gemeinschaftsgüter anzu­ V sehen, mit der Folge, dass es der Konstruktionen um die Begriffe des Gesamt­ eigentums, der römischen communio und der juristischen Person nicht bedürfe.90 Im Jahre 1864 wird Göppert in einer einflussreichen91 Schrift ebenfalls den Begriff des Gesamteigentums zurückdrängen, indem er die Vorschriften des Preußischen Allgemeinen Landrechts zum „gemeinschaftlichen Eigentum“ maßgeblich auf Regelungen des römischen Rechts zurückführt.92 3)  Niedergang des Gesamteigentums im Einfluss der Genossenschaftstheorie Gerade auch Anhänger der germanistischen Schule können sich der Kritik der 310 Figur des Gesamteigentums nicht völlig entziehen,93 was zu deren Ende beitragen wird. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kann man von einer deutlichen Mehrheit gegen die Theorie des Gesamteigentums sprechen.94 Exemplarisch erscheint die nunmehr ablehnende Haltung des Obertribunals Stuttgart, welches die Theorie in der früheren Rechtsprechung offenbar noch anerkannt hatte.95 Der Niedergang des Begriffs des Gesamteigentums wird weiter dadurch beschleunigt, dass ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Genossenschaftstheorie in den Mittelpunkt der germanistischen Diskussion rückt. Dabei ruft Beseler gar nicht zur Aufgabe des Begriffs des Gesamteigentums auf, da der hinter ihm stehende Inhalt so „alt wie unsere Rechtsquellen“ sei und eine Aufgabe „den positiven Rechtsstoff willkührlich verkürzen“ würde.96 Beseler pflichtet Hasse allerdings bei, dass es bei der ehelichen Gütergemeinschaft auf „die Beschaffenheit des Rechtssubjects ankomme“,97 womit Beseler bejaht, dass die Fokussierung der Lehre des Gesamteigentums auf das Rechtsobjekt im Zusammenhang mit der ehelichen Gütergemeinschaft nicht glücklich war.98 Auch Gierke zählt das Gesamteigentum zum Kanon erhaltenswerter deutscher Rechtsfigu-

90 

Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.  218 ff. den Auswirkungen der Schrift auf die Lehre, Förster, Preuß. PrivatR III6 (1892), §  182, S.  308. 92  Göppert, Miteigenthum (1864), S.  6 ff., 35 f. 93 S. F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  567. 94  Gerber, System I1 (1848), §  7 7, S.  166 f.; v. Roth, DPR III (1886), §  232, S.  140 ff.; Dernburg, Preuß. PrivatR I1 (1875), §  222, S.  473, Fn.  8; Schmid, AcP 36 (1853), S.  147, 154; Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 210; Walter, DPR (1855), S.  236. 95 S. die Urteile vom 07.02.1863, Seuff. Arch. 18 (1865), Nr.   146, S.  235 ff., und vom 21.11.1873, Seuff. Arch. 29 (1874), Nr.  247, S.  381 f.; zu weiteren ablehnenden Beispielen aus der Rechtsprechung, s. auch v. Roth, DPR III (1886), S.  142, Fn.  13. 96  Beseler, System II1 (1853), §  83, S.  51 f.; diese Position wird Beseler zeit seines Lebens vertreten, s. etwa Beseler, Volksrecht (1843), S.  185 ff., 194; Beseler, Erbverträge I (1835), S.  73 ff, 88; Beseler, System I4 (1885), §  82, S.  326 f. 97  Beseler, System II1 (1853), §   83, S.  51; differenzierend bereits Beseler, Erbverträge I (1835), S.  74 f. 98  Ganz entsprechend auch Bluntschli, DPR I1 (1853), §  38, S.  255 f. 91  Zu

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

ren,99 indem er es mit der Theorie der Genossenschaft verknüpft: „Da bei den fraglichen Rechtsverhältnissen sowohl der juristischen Person wie den Einzelnen Befugnisse zustehen, welche aus dem Stoff der privatrechtlichen Sachherrschaft genommen sind, so müssen sowohl das Einheitsrecht der Körperschaft wie die Sonderrechte der Glieder als dingliche Rechte und folgeweise irgendwie als Eigenthumsantheile oder Eigenthumssplitter konstruirt werden“.100 Doch gerät das Gesamteigentum als Begriff in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts vermehrt auf ein Abstellgleis. Die Verfasser des sächsischen BGB verzichten ganz bewusst auf eine Kodifizierung des Gesamteigentums, mit dem Hinweis, jene Rechtsfigur habe außerhalb der Gesamtbelehnung ihre Relevanz verloren.101 Dementsprechend sieht §  225 SächsBGB vor, dass das „Eigenthum an einer Sache […] zu gleicher Zeit Mehreren nicht ungetheilt, wohl aber nach ideellen Theilen zustehen“ könne. Die rechtswissenschaftliche Diskussion verlagert sich nun vornehmlich auf den Gegensatz zwischen der römischen universitas, der juristischen Person und dem neuen Genossenschaftsbegriff. Zum endgültigen Verfall kommt es vermutlich durch den Siegeszug der Gesamthandgemeinschaft, die die Idee des Gesamteigentums in sich aufnimmt.102 In seinem Aufsatz „Miteigenthum und gesammte Hand“ ebnet Otto Stobbe 1864 den Weg des Begriffs der Gesamthand auf Kosten des Begriffs des Gesamteigentums, indem er feststellt, dass die gebündelten Vermögensgüter und Verpflichtungen nicht unter die zu enge sachenrechtliche Bezeichnung „Gesamteigentum“ passen,103 was vielleicht zu einem gewissen Verschwimmen des Begriffs des Gesamteigentums mit der Terminologie der aufkommenden gesamten Hand beigetragen haben mag.104 Mit dem Verblassen der Genossenschaftstheorie nach Gierkes Konzeption105 und damit auch von dessen Gegenstück, dem genossenschaftlichen Gesamteigentum, verschwindet allmählich die Theorie des Gesamteigentums. Der Begriff kommt bis Ende des 19. Jahrhunderts durchaus noch vereinzelt vor.106 Bezeichnend ist aber, dass der Verfasser des 99  Gierke, GenossenschR II (1873), S.   325 ff.; Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  318. 100  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.   318 f.; entsprechend auch schon vorher C. W. Wolff, DPR (1843), S.  242 ff. 101  Siebenhaar/Siegmann in: Siebenhaar, Commentar I (1864), §  2 25, S.  217; zur Rolle des Gesamteigentums bei der Entstehung des Sächsischen BGB, s. insbesondere Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  202 ff. 102  So auch F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  278, 401, 567, der Stobbe und Gierke als die entscheidenden Persönlichkeiten sieht, die das Gesamteigentum in die Gesamthandlehre überführt haben. 103  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207 ff., 212. 104 S. etwa Boyens, Gesellschaft (1890), S.   1049; Förster, Preuß. PrivatR III6 (1892), S.  138 (§  167); Adler, Gesellschaftsrecht (1895), §  11, S.  87 ff.; charakteristisch für die Konfusion der Begriffe von Gesamteigentum und Gesamthand auch die Protokolle der Zweiten BGB-Kommission, Mugdan, Materialien II (1899), S.  990. 105  S. u., Rn.  335. 106  S. etwa RG v. 03.01.1888, III 220/87, RGZ 20, 256, 258 f., zum Gesamteigentum als

§  1.  Die Lehre des dominium plurium in solidum oder Gesamteigentums

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Vorentwurfs des Sachenrechtsbuchs des BGB Reinhold Johow, der für die Kodifizierung eines deutschrechtlich inspirierten Begriffs des gemeinschaftlichen Eigentums grundsätzlich offen war, die Bezeichnung „Gesamteigentum“ bewusst ablehnt und die des „Miteigentums“ als Überbegriff vorschlägt, welches einerseits das klassische, römischrechtlich inspirierte Bruchteilseigentum zu bestimmten ideellen Teilen, andererseits aber auch deutschrechtliche Formen gemeinschaftlichen Eigentums umfassen sollte, die die Zuordnung von Eigentum zu besonderen Personenzusammenschlüssen qualifizieren.107 Nach 1900 wird der Gesamteigentumsbegriff nur noch selten in der Litertatur verwendet.108 Die Autoren zum jeweils geltenden Recht werden sich seiner nicht mehr erinnern oder unterwerfen ihn der Begrifflichkeit der Gesamthand.109 Bezeichnend ist der Ausspruch Konrad Engländers zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Idee der Gesamthand sei von der germanistischen Literatur entwickelt worden, nachdem die des Gesamteigentums „zur Erklärung der deutschrechtlichen Formen gemeinschaftlichen Eigentums gescheitert war“.110

III.  Die heutige Stellung der Figur des Gesamteigentums In der deutschen Rechtswissenschaft spielt der Begriff des Gesamteigentums 312 keine tragende Rolle mehr, er ist allerdings auch nicht völlig verschwunden. Art.  113 EGBGB111 lässt landesgesetzlichen sachenrechtlichen Vorschriften zur Grundlage der altmünsterschen Gütergemeinschaft; auch einige Autoren bleiben der Theorie des Gesamteigentums bis zum Inkrafttreten des BGB treu, s. etwa Pfeilschifter, Bamb. LandR (1898), S.  34 f. 107 S. SachenRBegr, S.   1018, in: Schubert, Vorlagen SachenR I (1982), S.  1152 ff.; vgl. §  221 SachenRE, in: Schubert, aaO., S.  51: „Die Bestimmungen der §§. 211–220 [zum Miteigentum] finden bei jeder Art der Eigenthumsgemeinschaft Anwendung, soweit nicht für die besondere Art der Gemeinschaft durch das Gesetz etwas anderes bestimmt, insbesondere der Umfang der Rechte und der Pflichten der Theilhaber nicht nach Antheilen an der einzelnen Sache bemessen, sondern von der inneren Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses abhängig gemacht ist“. 108  S. aber noch Krückmann, ZBl. freiw. Ger. 16 (1916), S.  1, 41: „Zur Lehre vom Gesamteigentum“; zu den Gründen des Scheiterns der Theorie des Gesamteigentums, Gierke, DPR II (1905), §  122, S.  377 ff. 109  Zum Verständnis des Gesamteigentums als Eigentum einer Gesamthandgemeinschaft, Kretzschmar, GrdBR II (1903), S.  178 ff.; zur Gesamthand als eine Untergruppe des Gesamteigentums, Gierke, DPR II (1905), §  122, S.  381. 110  Engländer, Rechtsgemeinschaft (1914), S.  1. 111 Art.   113 EGBGB: „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zusammenlegung von Grundstücken, über die Gemeinheitsteilung, die Regulierung der Wege, die Ordnung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse sowie über die Ablösung, Umwandlung oder Einschränkung von Dienstbarkeiten und Reallasten. Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften, welche die durch ein Verfahren dieser Art begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten zum Gegenstand haben oder welche sich auf den Erwerb des Eigentums, auf die Begründung, Änderung und Aufhebung von anderen Rechten an Grundstücken und auf die Berichtigung des Grundbuchs beziehen.“

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

Regelung des Grundstücksrechts einen gewissen Spielraum, die die alte Figur des Gesamteigentums umfassen. Entsprechend setzt auch die Regelung des Art.  233 §  10 EGBGB voraus, dass Personenzusammenschlüsse alten Rechts nicht nur die Einführung des BGB im Jahre 1900, sondern auch den Beitritt der neuen Bundesländer überlebt haben.112 Die Figur des Gesamteigentums war nicht nur unmittelbar nach Inkrafttreten des BGB,113 sondern ist auch heute gelegentlich Gegenstand rechtlicher Erörterungen. Das Bundesverwaltungsgericht bezeichnet etwa die Rechtsposition an bestimmten, mehreren Beteiligten gemeinschaftlich verbleibenden Zweckgrundstücken als „aufrechterhaltene[s] deutsch-rechtliche[s] Gesamteigentum“.114 Auch das Zivilgesetzbuch der DDR kannte den Begriff eines Gesamteigentums. Gemäß §  34 Abs.  1 ZGB-DDR wich das Gesamteigentum vom Miteigentum darin ab, dass es sich nicht um anteiliges Eigentum zu gleichen oder unterschiedlichen Teilen handelte, sondern „nur allen Eigentümern gemeinsam“ zustand. Ein einheitliches Recht des Gesamteigentums existierte freilich nicht, es richtete sich gemäß §  42 Abs.  1 und 2 ZGB-DDR nach dem Recht des jeweiligen von ihm betroffenen Rechtsverhältnisses, aus diesem Grund sei eine in sich geschlossene Regelung des Gesamteigentums verzichtbar gewesen.115 Das Gesamteigentum prägte gemäß §§  142 Abs.  2 ZGB-DDR etwa die in manchen Punkten der BGB-Gesellschaft nachempfundene „Bürgergemeinschaft“: 116 „Das gemeinschaftliche Eigentum ist Gesamteigentum. Die Vertragspartner können darüber nur gemeinschaftlich verfügen“. Kodifiziert war auch das Gesamteigentum einer Mietergemeinschaft in Bezug auf eigene Mittel und Sachen (§§  42 Abs.  1, 118 Abs.  2 ZGBDDR), etwa die Ausstattung eines Klubraums oder einen gemeinsam angeschafften Waschautomaten.117 Zu erwähnen ist schließlich die Rolle des Gesamteigentumsbegriffs in Österreich,118 vor allem aber in der Schweiz.119 112 

Eckert in: MünchKomm-BGB XI4 (2006), Art.  233 §  10 EGBGB, Rn.  3. S. noch im Jahre 1903 zum bäuerlichen Grundbesitz in Braunschweig, Reinbeck, bäuerl. Grundbesitz (1903), S.  21 ff. 114  BVerwG v. 29.08.2006, 8 C 21/05, BVerwGE 126, 316 ff. 115  Klinkert, NJ 1976, S.  138, 140. 116  Zur Fortführung der Gemeinschaften von Bürgern als Variante der BGB-Gesellschaft, hilfsweise als nichtrechtsfähige Vereine nach Inkrafttreten des BGB in den neuen Bundes­ ländern, K. Schmidt in: MünchKomm-BGB XI4 (2006), Art.  232 §  9 EGBGB, Rn.  13; von einem eigenen Sondervermögen ist man beim Gesamteigentum möglicherweise nicht ausgegangen, s. Klinkert, NJ 1976, S.  138, 140. 117 ZGB-Kommentar1 (1983), §  118, Rn.  1. 118  Randa, Eigenthumsrecht I 2 (1893), §   1 (S.  22), §  9 (S.  225, Fn.  2), hatte den Begriff unter dem Eindruck der Kritik deutscher Autoren ebenfalls abgelehnt; heute scheint sich ein Nebeneinander der Begriffe „Gesamthand“ und „Gesamteigentum“ als Synonyme eingespielt zu haben; anschaulich etwa die Schreibweise „Gesamt(hand)eigentum“ in Gschnitzer/ Faistenberger, Österr. SachenR (1985), S.  76 f.; s. i. Ü. Floßmann/Kalb/Neuwirth, ÖPRG7 (2014), S.  197. 119  Art.  652 ZGB (1912): „Haben mehrere Personen, die durch Gesetzesvorschrift oder Vertrag zu einer Gemeinschaft verbunden sind, eine Sache kraft ihrer Gemeinschaft zum 113 

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre Die Gesamthandlehre wird in der Literatur nicht selten im Zusammenhang mit 313 der Genossenschaftslehre gesehen.120 Trotz der auch in der neueren Literatur bereits vorhandenen Studien zur Entwicklung der Lehre der Genossenschaft121 ist die Entwicklung der Genossenschaftslehre nachzuzeichnen, da manche Forschungsergebnisse einer Korrektur bedürfen.

I.  Die Genossenschaftslehre Beselers Die Terminologie der Genossenschaft als weitreichender Gattungsbegriff für 314 bestimmte Arten von Personenzusammenschlüssen außerhalb der Typologie des römischen Rechts stammt bekannterweise aus der Feder Georg Beselers.122 Ihre Entwicklung kann anhand seiner Schriften verfolgt werden.123 1)  Ansätze der Genossenschaftslehre in Beselers Schrift zu den Erbverträgen (1835) Beselers erste Gedanken zu einer Genossenschaftslehre erscheinen im Embryo- 315 nalzustand 1835 in dem rechtshistorischen Werk „Die Vergabungen von Todes wegen nach dem älteren deutschen Rechte“. Ausgangspunkt war die Feststellung des Autors, dass es den Deutschen nach alter Rechtsgewohnheit nicht zustand, individuell über ihr Vermögen etwa testamentarisch für den Todesfall zu verfügen: Der „einzige Grund der Erbfolge war die Sippe“,124 was nur Raum für eine gewohnheitsrechtlich bestimmte Erbfolge ließ. Beseler erkennt jedoch, dass dieser Grundsatz im Ergebnis durch bestimmte Vertragskonstellationen Eigentum, so sind sie Gesamteigentümer, und es geht das Recht eines jeden auf die ganze Sache“; zum Ursprung dieser Vorschrift, s. Eugen Hubers „Manuskript Eigentum“, Ziff.  606 f., in: Fasel, Materialien SachenR (2005), S.  32; zur Komplementarität von Gesamthand und Gesamteigentum, s. die Protokolle der großen Expertenkommission 1902, Originalausgabe, S.  18 f., abgedruckt in: Fasel, Materialien SachenR (2005), S.  479; aus dem älteren schweizerischen Schrifttum zum Gesamteigentum s. Schnell, Berner Civilrecht I (1811), S.  257 ff., 260 ff., unter Bezugnahme u. a. auf Runde, Danz und auf lokale Quellen; Bluntschli, ZürchRG I (1838), S.  445; s. auch §  567 ZürPGB (1855), abgedruckt in Bluntschli, Zürcherisches SachenR (1854), S.  80 ff. 120  S. etwa Seif, Gesamthand, ZRG-GA 118 (2001), S.  302. 121 Grundlegend Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.   165 ff.; Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  166 ff.; umfassend auch Seif, Gesamthand, ZRG-GA 118 (2001), S.  302; J. Schröder, Qu. Fior., 11/12, 1 (1982/83), S.  399 ff.; Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  39 ff. 122  Zu dem Genossenschaftsbegriff früherer Autoren, s. Welker in: FS Dilcher (2003), S.  215; s. auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  41, Fn.  14. 123  Zur Entwicklung des Genossenschaftsbegriffs bei Beseler s. auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  168 ff. 124  Beseler, Erbverträge I (1835), S.  2 .

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

umgangen werden konnte, die sich darauf stützten, dass jedenfalls Verfügungen unter Lebenden nicht den gleichen rigiden Regeln unterlagen. So konnte der verfügungswillige Eigentümer (oder sonst wie Berechtigte) sein Grundstück auf die Person seiner Wahl so auflassen, dass diese zwar ein volles Eigentumsrecht hieran erlangte, der Verfügende aber selbst nicht nur ein gleichartiges Eigentumsrecht, sondern auch (zunächst) die Sachherrschaft daran behielt. Mit dem Tod des Verfügenden blieb somit nur der Empfänger als Eigentümer übrig, dem als einzigen verbleibenden Repräsentanten nun auch die Sachherrschaft an dem Grundstück zufiel. In technischer Sicht handelte es sich bei dieser „Vergabung von Todes wegen“ nicht um eine gewillkürte Erbfolge, sondern um eine Verfügung unter Lebenden; gleichwohl seien dadurch im Ergebnis die in der altdeutschen Rechtswirklichkeit bestehenden Beschränkungen in der Erbfolge überwunden worden.125 Die in diesem Zusammenhang von Beseler vertiefte Frage ist jedoch eine andere: Welche Rechtsnatur hatte das Eigentum, das an den Empfänger übertragen, gleichzeitig aber von dem Verfügenden zeit seines Lebens behalten werden konnte? Um einen römischen Eigentumsbegriff habe es sich nicht handeln können, da die Existenz zweier Eigentümer einer Sache außerhalb des Miteigentums ausgeschlossen war. Miteigentum könne hier nicht angenommen werden, da in diesem Fall der Tod des Verfügenden nicht zum Alleineigentum des Empfängers geführt hätte, mithin in gewisser Weise also „ein Recht an der gesamten Sache übertragen werden“ sollte.126 Auch mögen zwar manche Quellen einen Fall des zurückgehaltenen Nießbrauchs angenommen haben, problematisch seien aber genau die Konstellationen, in denen sowohl der Empfänger als auch der Verfügende originäre „Proprietätsrechte“ an dem Grundstück hatten, „so daß hier keine Unterordnung dinglicher Rechte vorlag, sondern das Eigenthum gleichzeitig mehreren Personen an derselben Sache zustand“.127 Zur Erklärung dieses Sachverhalts zieht Beseler in erster Linie den alten Begriff des Gesamteigentums heran,128 wenn auch, unter dem Eindruck der Kritik Hasses, deutlich aus einer Position der Defensive heraus.129 Es folgt eine Untersuchung der Natur eines solchen deutschrechtlichen Eigentumbegriffs, die Beseler exkursartig auch im Zusammenhang anderer Institute, etwa der Ganerbschaft, durchleuchtet.130 Eine regelrechte Theorie der Genossenschaft entsteht hingegen noch nicht. Zwar gebraucht Beseler den Ausdruck „Genossen“ und „Ge125  Beseler, Erbverträge I (1835), S.  4 ff.; anzumerken ist hier die Ähnlichkeit dieser Vorgehensweise mit der der lehnrechtlichen Gesamthand der Neuzeit, s. o., Rn.  246 f. 126  Beseler, Erbverträge I (1835), S.  74. 127  Beseler, Erbverträge I (1835), S.  73 f. 128  Zum Begriff des Gesamteigentums, s. o., Rn.  299 ff. 129  Beseler, Erbverträge I (1835), S.  74 f., 88, pflichtet Hasse jedenfalls insofern bei, als er den Begriff des Gesamteigentums zur Deutung der Ehegemeinschaft für ungeeignet hält, dazu auch o., Rn.  307. 130  Beseler, Erbverträge I (1835), S.  80 ff.

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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nossenschaft“,131 dass Beseler aber bereits zu diesem Zeitpunkt die Absicht hatte, diesen Bezeichnungen einen technischen juristischen Sinn zuzuschreiben, wird alleine aus jener Schrift nicht deutlich. Auch Savigny wird fünf Jahre später römische und sonstige Personenzusammenschlüsse untechnisch „Genossenschaften“ nennen; 132 im österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 werden „Mitgenossen“ als Synonym für „Theilhaber“ in einer Eigentumsgemeinschaft verstanden (§  829 ABGB). Allenfalls spätere Einlassungen Beselers zu seinen früheren Werken133 könnten als gewisses Indiz dafür herangezogen werden, dass er bereits bei Erscheinen der Schrift zu den Erb­ verträgen zumindest eine rechtliche Begrifflichkeit der Genossenschaft zu erschaffen suchte. Nicht zweifelhaft ist freilich, dass sich in dem Werk zum ersten Mal das Interesse Beselers für die Vielfältigkeit deutschrechtlicher Arten der Personenzusammenschlüsse zwischen der zu einer rechtlichen Einheit verschmolzenen römischen universitas134 und der individualistisch ausgestalteten communio geäußert hat.135 Bluntschli, der die Schrift von den Erbverträgen gelesen hat, verwendet den 317 Ausdruck „Genossenschaft“ wenige Jahre später in einem der Zürcher Rechtsgeschichte gewidmeten Werk. Bereits Häufung und manche Formulierungen lassen vermuten, dass sich der Autor bewusst war, dass jenem Begriff eine besondere Zukunft beschieden werden würde. So hält er fest: „Das deutsche Recht ist bekanntlich überaus reich an Genossenschaften, welche weder als römische juristische Personen (universitates) noch als römische Gesellschaften (societates) aufgefasst werden dürfen“, denn: „Die deutschen Genossenschaften bewegen sich […] meistens zwischen diesen beiden Extremen und nähern sich bald mehr dem einen bald mehr dem anderen“.136 Im zweiten Band untersucht der Autor das Phänomen der Aufspaltung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gemeinde in einerseits ein einheitliches politisches Rechtssubjekt und andererseits in eine privatrechtlich orientierte Vereinigung der Gemeindemitglieder, die Bluntschli als Genossenschaften bezeichnet und welche die gemeinsame Nutzung gemeinsamer Güter (sog. Almende) zum Gegenstand hat.137 In diesem Zusammenhang widmet der Autor den „Gerechtigkeiten und 131 

S. etwa Beseler, Erbverträge I (1835), S.  74, 76, 80, 82, 84. Savigny, System II (1840), §  87 (S.  246 f.), §  89 (S.  275). 133  Etwa im Jahre 1866: Beseler, System 2 (1866), §  71, S.  251, Fn.  2 , mit Verweis auf dessen Schrift von den Erbverträgen. 134  Zum Begriff der universitas im klassischen römischen Recht, s. o., Rn.  35 ff. 135 Anschaulich Beseler, Erbverträge I (1835), S.  80; aus diesem Grund sehen die meisten Autoren bereits in den Erbverträgen Beselers die erste Phase der Genossenschaftslehre, s. etwa Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  166; Seif, ZRG-GA 118 (2001), S.  302, 303 f.; von einer beginnenden Begrifflichkeit gehen auch J. Schröder, Qu. Fior., 11/12, 1 (1982/83), S.  399 ff., 403 ff., und Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  41 f., aus. 136  Bluntschli, ZürchRG I (1838), S.  81, weitere Verwendungen S.  4 46 (unter Bezugnahme auf die Erbverträge Beselers). 137  Bluntschli, ZürchRG II (1839), S.  58 ff. 132 

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

Genossenschaften“ eine eigene Überschrift,138 so dass spätestens hier der Ausdruck „Genossenschaften“ den Schritt zu einem juristischen Überbegriff vollzogen hat. In der betreffenden Passage führt Bluntschli zwar noch keine Definition der Genossenschaft ein, er grenzt sie aber vom Personenzusammenschluss der Gemeinde ab,139 nicht unbedingt aber von der „Corporation“.140 Kennzeichnend für die Genossenschaft sei ferner, „dass kein einzelner Genosse auf Theilung klagen dürfe“.141 2)  Beselers ausgereifte Genossenschaftslehre 318

Die eigentliche Genossenschaftslehre Beselers beruht im Wesentlichen auf seiner 1843 veröffentlichten Schrift „Volksrecht und Juristenrecht“142 und seinem ab 1847 erschienenen „System des gemeinen deutschen Privatrechts“.143 Deren Systematik verdeutlicht eine Aufteilung von Personenmehrheiten mit und ohne Rechtspersönlichkeit. a)  Universitas, Stiftung, Corporation und Genossenschaft als juristische Personen

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Die erste Eingruppierung der Genossenschaft in eine Begriffspyramide nimmt Beseler augenscheinlich in seiner Schrift „Volksrecht und Juristenrecht“ vor.144 Die juristische Person sieht er als Oberbegriff für „Corporationen“ und „Stiftungen“, wobei sich die Corporation insofern von der Stiftung unterscheide, als eine „Mehrheit von Personen ihr Substrat bildet“.145 Wesentlich sei, dass bei der Corporation ihre einzelnen Mitglieder im Verhältnis zu der Corporation zurücktreten, da durch diese „Vereinigung ein selbständiges Rechtssubjekt hervorgerufen wird, welches, wenn auch durch die einzelnen Mitglieder in ihren allmähligen Wechsel getragen, doch in sich selbst eine Bestimmung hat, und durch seinen Zweck, seine Verfassung und den verfassungsmäßigen Beschluß der Gesammtheit oder ihrer Vertreter unabhängig von dem Willen der Einzelnen da steht“.146 Die Corporationen unterteilt Beseler wiederum in Genossenschaften und Gemeinden, die sich darin voneinander unterscheiden, dass die Genossenschaft einen bestimmten Zweck habe, den ihre Mitglieder verfolgen, die Gemeinde hingegen ihre Mitglieder aus allen Einwohnern eines bestimmten geografischen Bezirks beziehe und im Übrigen eine politische (sprich: öf138 

Bluntschli, ZürchRG II (1839), S.  73. Bluntschli, ZürchRG II (1839), S.  78 ff. 140  Bluntschli, ZürchRG II (1839), S.  83. 141  Bluntschli, ZürchRG II (1839), S.  84. 142  Beseler, Volksrecht und Juristenrecht, Leipzig, 1843. 143  Beseler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, Berlin, 1.  B d., 1. Auflage, 1847. 144  Beseler, Volksrecht (1843), S.  161 ff. 145  Beseler, Volksrecht (1843), S.  161; offenbar naturrechtlich inspiriert ist weiter Beselers Qualifizierung des Beamtenkollegiums als juristische Person. 146  Beseler, Volksrecht (1843), S.  161. 139 

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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fentlich-rechtliche) Natur habe.147 Beseler bringt sodann die Genossenschaft mit dem Begriff der römischen universitas in Verbindung.148 Diese trete „als reine Durchführung des Begriffs der juristischen Person auf“, so dass ausschließlich die universitas, nicht ihre Mitglieder, in ihren Angelegenheiten berechtigt und verpflichtet seien.149 Hingegen bestehen bei Genossenschaften des altdeutschen Rechts mehrere Abweichungen, „indem hier unter den mannichfaltigen Combinationen das Recht der Gesammtheit mit dem der einzelnen Mitglieder durchwachsen ist, und namentlich in Beziehung auf das Vermögen eine Verbindung der universitas mit der communio vorligt“.150 Diese Einteilung behält Beseler im ersten Band seines Lehrbuchs „System des gemeinen deutschen Privatrechts“ bei. Er verdeutlicht dabei den Gegensatz, den er zwischen der Corporation und Genossenschaft auf der einen Seite und universitas auf der anderen Seite sieht: 151 Der Verein hat eine selbständige Persönlichkeit, welche ihn als ein eigenes Rechtssubject, verschieden von der Gesamtzahl seiner einzelnen Mitglieder erscheinen und im Rechtsleben sich betätigen läßt. Hier findet sich also das Merkmal der juristischen Person, wie bei der römischen universitas, nur unterscheidet sich von dieser das Institut in der deutschen Auffassung dadurch, daß die juristische Person nicht nothwendig allein und ausschließlich in demselben sich geltend macht, sondern eine selbständige Berechtigung der einzelnen Mitglieder im Verein neben sich duldet, welche namentlich in Beziehung auf die Vermögensverhältnisse von Wichtigkeit ist. Eine solche Combination widerspricht an sich gar nicht dem Begriff der juristischen Persönlichkeit, welche durch das Sonderrecht der Mitglieder in ihrer Wirksamkeit nur beschränkt, aber nicht aufgehoben wird, und es ist daher willkürlich und unbegründet, wenn man sie nur in der Form der römischen universitas für möglich hält.

Auf dem ersten Blick erscheint der Gedankengang Beselers nicht ohne Ambiva- 320 lenz. Zum einen versteht er die Genossenschaft über den Umweg der Corporation als eine besondere Spezies der juristischen Person, zum anderen vertritt er, die Genossenschaft sei keine juristische Person in ihrer „reinen Durchführung“ als universitas, sondern liege, je nachdem, welche besondere Art der Genossenschaft gegeben sei, zwischen den Begriffen der universitas und der communio.152 Wesentlich für Beselers Einteilung ist aber, dass die juristische Person – gleich ob eine universitas oder eine Corporation – nach seinem Verständnis ein eigenes Rechtssubjekt und Träger eigener Rechte und Pflichten ist. Anders als die monolithische universitas römischen Rechts zeichnen sich, so Beseler sinn147 

Beseler, Volksrecht (1843), S.  162. Zur römischen universitas, s. o., Rn.  35 ff. 149  Beseler, Volksrecht (1843), S.  163. 150  Beseler, Volksrecht (1843), S.  163 f. 151  Beseler, System I1 (1847), §  66, S.  358. 152  Zu den Schwierigkeiten Beselers, die Genossenschaft begrifflich einzuordnen, s. auch J. Schröder, Qu. Fior., 11/12, 1 (1982/83), S.  399, 408 f., und Seif, ZRG-GA 118 (2001), S.  302, 306. 148 

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

gemäß, die Corporationen bzw. die Genossenschaften lediglich darin aus, dass sie nicht auf einer rechtswissenschaftlichen Konzeption beruhen, sondern im Wege des Gewohnheitsrechts organisch gewachsen und je nach Unterart unterschiedlich ausgeformt worden sind, so dass sie sich auch untereinander im Detail unterscheiden können. Beselers Idee ist also, dass die Genossenschaften nicht auf dem Reißbrett geplant, sondern mit der Zeit herausgebildet worden sind. Sie können von der universitas als juristischer Person in ihrer reinen Form insofern abweichen, als neben der eigenen Rechts- und Vermögensfähigkeit der Genossenschaft ggf. auch unmittelbare Rechtsverhältnisse zwischen den Mitgliedern untereinander und zu den gemeinschaftlichen Vermögensgegenständen bestehen können. Der aus Beselers Genossenschaftslehre hervorgehende Begriff der juristischen Person zeigt im Ansatz durchaus Gemeinsamkeiten mit der naturrechtlich inspirierten Theorie der persona moralis: Beide Theorien verwerfen die enge, auf die universitas ausgerichtete Idee der juristischen Person nach römischrechtlichem Verständnis. Bedurfte die Gründung einer universitas im römischen Recht der staatlichen Genehmigung,153 verneint Beseler, dass diese Voraussetzung in historischer Rückschau für Genossenschaften notwendig sei.154 Anders als für das frühe Naturrecht die moralische Person ist für Beseler die Genossenschaft zwingend ein rechtsfähiges, selbständiges Rechtssubjekt,155 welches über eine gewisse körperschaftliche Struktur verfügt. Dies wird deutlich, wenn man Beselers Liste der Genossenschaftstypen berücksichtigt. So zählt er dazu den Deutschen Bund und den Zollverein als damals „völkerrechtliche Organisationen“, kirchliche Einrichtungen außerhalb der allgemeinen Landeskirchen­ verfassung (etwa Universitäten), Selbstverwaltungseinrichtungen bestimmter Berufsgruppen (Innungen, Verbände), Aktiengesellschaften, öffentliche Infrastruktureinrichtungen (Eisenbahnen), Versicherungsanstalten oder -gesell­ schaften und Vereine.156 Hierbei handelt es sich um Organisationen, die nach aktueller Lesart zweifellos juristische Personen darstellen würden. b)  Personenzusammenschlüsse ohne Rechtspersönlichkeit

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Gerade nicht zu den Genossenschaften zählt Beseler diejenigen Personenzusammenschlüsse, die man heute als Gesamthandgemeinschaften ansehen würde. Bei der „eheliche[n] Genossenschaft des germanischen Rechts“ sieht Beseler das „genossenschaftliche Prinzip nur beschränkt zur Anwendung“ gekom153 

Savigny, System II (1840), §  89, S.  275 f. Beseler, System I1 (1847), §  67, S.  353 ff. 155  S. auch Beseler, System I1 (1847), S.  360: „[N]ur solche Vereine, welche eine selbständige, juristische Persönlichkeit haben sind Corporationen“. 156  Beseler, Volksrecht (1843), S.  165 ff.; der Autor nennt ferner die „Genossenschaften der Grundbesitzer eines bestimmten Bezirks“ als „Überreste der alten Markengenossenschaften“ sowie die Genossenschaften der Familien des hohen Adels. 154 

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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men. Besser sei es, die Verbindung der Eheleute „eine Rechtsgemeinschaft zu nennen, aber eine solche, welche nicht von dem strengen Princip der römischen communio beherrscht“ sei.157 Im ersten Band seines Systems hält er für sie die von ihm geschaffene Kategorie der „materiellen Rechtsgemeinschaft“ bereit und unterstreicht, dass die eheliche Gütergemeinschaft gerade kein „selbständiges Rechtssubject in der Vereinigung begründet“, da „die Ehe als solche keine juristische Person bildet“.158 Allenfalls biete sie „eine Seite dar, welche nur dann richtig verstanden werden kann, wenn man nach dem Vorbilde der Corporation das die Mitglieder umschließende Band organischer Einigung gehörig zu würdigen und für die Rechtsentwicklung zu benutzen weiß“.159 Noch nicht einmal „materielle Rechtsgemeinschaften“ und damit erst recht 323 keine Genossenschaften (bzw. juristischen Personen) seien Handelsgesellschaften, welche Beseler in seinem System des Privatrechts einem modifizierten „Begriff der römischen communio“ entsprechen lässt,160 „da auch hier das charakteristische Merkmal der Corporation fehlt, welches durch die bloße Modification des Gesellschaftsbegriffs nach dieser Seite hin noch nicht ersetzt ist“.161 Bereits in seinem Volksrecht hatte Beseler erklärt, die OHG und die KG seien lediglich „eine durch das genossenschaftliche Princip modificirte Form des Gesellschaftsvertrags“, denn nur „nach außen“ treten die Gesellschafter „formell in der gemeinschaftlichen Firma und Geschäftsführung als ein Ganzes auf“.162 Andere Gesellschaften nennt Beseler übrigens gar nicht und es ist zu vermuten, dass er sie „den strengen Grundsätze[n] der römischen societas“ und das gemeinschaftliche Gesellschaftsvermögen damit den Grundsätzen der communio unterwirft.163 Beselers Ausführungen im 1855 erschienenen dritten Band seines Privatrechtssystems ergeben in dieser Beziehung nicht viel Neues.164 Möchte man den Gedankengang Beselers schematisch zusammenfassen, so 324 können fünf Kategorien von Personenzusammenschlüssen identifiziert werden: 1) die universitas als Inbegriff der juristischen Person, bei welcher die Per­ sönlichkeit ihrer Mitglieder völlig hinter der Einheit zurücktritt und welche nach römischem Recht nur mit obrigkeitlicher Erlaubnis entstehen kann, 2) die deutsch­rechtliche Genossenschaft, die Beseler ebenfalls als rechtsfähig aner157  Beseler, Volksrecht (1843), S.   169; anders Renaud, DPR (1848), S.   146 (Fn.   1), S.  290 ff. 158  Beseler, System I1 (1847), S.   359; in dieser Kategorie sieht Beseler auch die mittels Vergabungen von Todes wegen eingeräumte Gemeinschaft von Verfügenden und Empfänger i. S. d. Gesamteigentums (dazu o., Rn.  315 f.) sowie bestimmte Gemeinschaften des Grundbesitzes, solange diese sich nicht zu Markengenossenschaften „mit einer corporativen Selbständigkeit“ verdichtet haben. 159  Beseler, System I1 (1847), S.  360. 160  Beseler, System I1 (1847), S.  359. 161  Beseler, System I1 (1847), S.  360. 162  Beseler, Volksrecht (1843), S.  167; Beseler, System I1 (1847), S.  359 f. 163 Vgl. Beseler, Volksrecht (1843), S.  167. 164  Beseler, System III1 (1855), §§  2 21 f., S.  289 ff.

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

kennt und zu der Kategorie der juristischen Person zählt, bei der die Persönlichkeit der einzelnen Mitglieder je nach Ausgestaltung aber offener zutage treten kann (etwa in Form eigener Rechte bzw. Verpflichtungen ihrer Mitglieder gegenüber Dritten) als bei der universitas und welche überdies wegen des „Assoziationsgeistes“ des deutschen Volkes ohne obrigkeitliche Genehmigung gegründet werden kann, 3) die „materiellen Rechtsgemeinschaften“, wie die eheliche Gütergemeinschaft und die durch die Einräumung von Gesamteigentum gewährten Vergabungen von Todes wegen, welche mangels korporativen Charakters keine Genossenschaft und auch keine juristische Person bilden, aber insofern vom genossenschaftlichen Gedanken zumindest beeinflusst sind, als bei ihnen Güter von mehreren Personen zu einem Vermögen zusammengelegt werden, 4) Personengesellschaften des Handelsrechts, die mit ihrer Handels­ firma nach außen in Erscheinung treten, aber als modifizierte communio anzusehen sind, und schließlich 5) die römischrechtliche communio in ihrer reinen Form.

II.  Die Genossenschaftslehre Gierkes 325

Die von Beseler und Bluntschli165 in den 1830er bis 1850er Jahren eingeführte Genossenschaftslehre wurde von Gierke in den 1860er bis 1880er Jahren mit ehrgeizigen Zielen weiterentwickelt. Das Werk Gierkes ist schwer zu überblicken. Gerade in Bezug auf seine Genossenschaftstheorie hängt dies zusammen mit der schieren Fülle seines Schaffens, dem auf den ersten Blick wenig übersichtlichen Gang der Untersuchung, der eigens konzipierten und mit Schriften anderer Autoren nicht immer abgestimmten Terminologie und dem vergleichsweise hohen Grad der Abstraktion der niedergeschriebenen Gedanken. 1)  Gierkes „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“ (1868)

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Das Fundament Gierkes Genossenschaftslehre bildet sein umfassendes Werk „Das deutsche Genoßenschaftsrecht“. Die einzelnen Bände grenzen sich nur bedingt von den jeweils übrigen Bänden ab, von denen jeder für sich „ein gewisses selbständiges Ganze[s]“ bildet.166 Der Autor beleuchtet die „Genossenschaft“ aus verschiedenen Perspektiven, wodurch er „die in mancherlei unausbleiblichen Wiederholungen“ in Kauf nimmt.167 Der im Jahre 1868 veröffentlichte erste Band, die „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft“, stellt sich als äußere Betrachtung der in der deutschen Geschichte von noch vor der Völkerwanderung bis nach 1806 nachgezeichneten Genossenschaften dar. Die 165  S. insbesondere auch die Behandlung der Genossenschaft in Bluntschli, DPR I1 (1853), S.  105 ff. 166  Gierke, GenossenschR I (1868), S.  6. 167  Gierke, GenossenschR I (1868), S.  6.

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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Untersuchung ist umfassend, sie beschränkt sich nicht auf Gruppierungen privatrechtlicher Art, sondern deckt insbesondere auch herrschaftliche Verbände ab, die nach heutigen Maßstäben als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren wären. Insgesamt handelt es sich weniger um eine analytisch-juristische Untersuchung der im Hintergrund stehenden Rechtsnatur der betreffenden Gruppierungen, sondern um eine sich mit juristischen Kommentierungen zurück­ haltende, äußerlich beschreibende Aufzählung der verschiedenen historischen Verbandsformen.168 Trotz aller Unbefangenheit bei der Aufzählung jener Personenzusammen- 327 schlüsse nimmt Gierke eine juristische Qualifizierung gleichwohl insofern vor, als er grundsätzlich nur jene Gruppierungen selektiert, die in seinen Augen eine „Genossenschaft“ darstellen. Konsequenterweise behandelt er die eheliche Gütergemeinschaft gar nicht,169 die handelsrechtlichen Personengesellschaften grenzt er von den Aktienkompanien ab und nimmt sie ausdrücklich aus der Kategorie der Genossenschaften heraus; ähnlich wie Beseler vor ihm,170 erkennt er zwar an, dass „das germanische Recht den Gesellschaftsvertrag wesentlich anders als das römische Recht ausgebildet“ habe: „In Folge dessen der deutsche Gesellschaftsbegriff schon an sich befähigt ist, in ungleich stärkerem Grade als der römische Societätsbegriff die individuellen Rechte zu modificiren, so ist er in den handelsrechtlichen Erwerbsgesellschaften mit Einer Firma durch das moderne Verkehrsrecht in der That dem Genossenschaftsbegriff sehr nahe gerückt worden“. Trotzdem sei „ihr Platz nicht in der Geschichte der Genossenschaft und am wenigsten in der Geschichte der Vermögensgenossenschaft, sondern in der Geschichte des Vertragsrechts anzuweisen“.171 Aufschlussreich ist, dass Gierke in einer Fußnote anmerkt, dass „Andere“ in diesem Zusammenhang an die „deutsche Gesammthand“ anknüpfen.172 Damit wird deutlich, dass Gierke sich jedenfalls bei Erscheinen des ersten Bandes seines Genossenschaftsrechts im Jahre 1868 die Annahme eines modernen Gattungsbegriffs der Gesamthand über die alten Figuren der gesamten Hand hinaus noch nicht zu eigen gemacht hat.173

168 Zu dieser Vorgehensweise s. die Einleitung des Werks in: Gierke, GenossenschR I (1868), S.  6. 169  Zu den Genossenschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit zählen nach Gierke nur die Familiengeschlechter aus der Zeit vor oder noch kurz nach der Völkerwanderung sowie seit Ende des Mittelalters hochadelige Häuser unter dem Vorsitz eines Oberhauptes, s. Gierke, GenossenschR I (1868), S.  14 ff., 409 ff. 170  S. o., Rn.  322 ff. 171  Gierke, GenossenschR I (1868), S.  982 f. 172  Gierke, GenossenschR I (1868), S.   983, Fn.  47, mit Hinweis auf Kuntze, dazu u., Rn.  361 ff. 173  Die alte „Gesamthand“ des Lehnrechts erkennt Gierke als Rechtsbegriff naturgemäß an, s. etwa Gierke, GenossenschR I (1868), S.  202, 424.

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

2)  Gierkes „Geschichte des deutschen Körperschaftsbegriffs“ (1873) und „Staats- und Korporationslehre“ (1881) 328

329

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Von dem äußeren rechtshistorischen Betrachtungswinkel heben sich die beiden nachfolgenden Bände Gierkes Genossenschaftsrechts ab. Zwar sind auch sie rechtshistorisch orientiert, sie folgen aber weniger einer betrachtenden und beschreibenden, sondern mehr einer analytisch-synthetischen Vorgehensweise: Es geht dem Autor um eine dogmatische Ausarbeitung historischer Genossenschaftsbegriffe. Aus ermittelten gemeinsamen Wesenszügen verschiedener Arten körperschaftlicher Personenvereinigungen sucht Gierke juristische Grundsätze zu destillieren, mit dem Ziel, sie als Unterbau für seinen Begriff der Genossenschaft zu verwenden. Dabei zieht der Autor Erklärungsmodelle alter Autoren heran, zögert aber nicht, auch selbst gestaltend tätig zu werden, um die historischen, darunter insbesondere die germanischen Formen von Personenvereinigungen retrospektiv mit eigenen Strukturen zu beschreiben. Der zweite und der dritte Band seiner Genossenschaftslehre haben damit einen juristischeren und abstrakteren Charakter als deren Vorgänger. Von der Einordnung und von den Definitionen Beselers ausgehend, behandelt Gierke im 1873 erschienenen zweiten Band seiner Genossenschaftslehre die historische deutschrechtliche Körperschaft und die mit ihr verwandten Rechtsfiguren. Grundlegend ist das fünfte Kapitel („Die Ausbreitung des Körperschaftsbegriffs“), in welchem er ähnlich wie Beseler zuvor die Genossenschaft neben dem Staat und den Gemeinden als Körperschaften identifiziert174 und als gemeinsames Wesensmerkmal für Körperschaften deren „Gesammtpersönlichkeit“ sieht: „Eine Körperschaft lag also vor, wenn die einer Gesammtheit immanente Einheit als Person erkannt und anerkannt war“.175 In der Folge erklärt er, dass die „Genoßenschaft als solche eine eigne Rechtspersönlichkeit“ habe, „welche unabhängig von der Sonderpersönlichkeit ihrer Glieder besteht und in unwandelbarer Kontinuität mit sich selbst identisch bleibt, wenn auch die Mitglieder wechseln“176 . Auch die körperschaftstypische verfassungsmäßige Organisation, insbesondere die Existenz und Funktion der körperschaftlichen Organe lassen sich in diesen Passagen nachlesen.177 Gleichzeitig grenzt Gierke die Genossenschaften von Konstruktionen ab, die er „bloße genoßenschaftliche Rechtsgemeinschaften“ nennt,178 „welche sich 174 

Gierke, GenossenschR II (1873), S.  830, 866. Gierke, GenossenschR II (1873), S.  820, s. auch S.  886 ff. 176  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  887. 177  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  880. 178  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  865; der Autor stellt zwar damit klar, dass er den Begriff der Genossenschaft im rechtstechnischen Sinn für diese Art der Personenzusammenschlüsse nicht anwendet; dabei erscheint freilich ein wenig verwirrend, dass er jene Rechtsgemeinschaften gleichwohl unter einem alten, weiter gefassten Genossenschaftsbegriff subsumiert, der noch zu Zeiten gegolten habe, als „korporative und nicht korporative Gemein175 

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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zum Eintritt in die Reihe der Körperschaften nicht eigneten“.179 Hier finden sich diejenigen Gruppierungen wieder, die bei Beseler zunächst unter der Bezeichnung „materielle Rechtsgemeinschaften“ zu finden waren. Wie Beseler sieben Jahre zuvor in dessen zweiten Auflage des Systems180 übernimmt nun auch Gierke den Ausdruck „gesamte Hand“ zur Bezeichnung dieser Rechtsgemeinschaften: 181 „Eine solche Gemeinschaft war nun freilich keine ‚Genoßenschaft‘ im Sinne selbständiger Rechtswesenheit des Ganzen mehr, wol aber ein ‚genoßenschaftliches Rechtsverhältnis‘; und ihr entsprach kein ‚Gesammteigenthum‘ und überhaupt kein ‚Gesammtrecht‘ im Sinne eines zwischen Gesammteinheit und Gesammtvielheit getheilten Rechts, wol aber eine Berechtigung Mehrerer ‚zur gesammten Hand‘.“

Diese Stelle ist interessant und liefert möglicherweise einen der Schlüssel, warum heute vor allem Beseler und Gierke vielfach als Urheber des Gesamthandbegriffs gesehen werden. Zwar stellt Gierke angesichts der in Wirklichkeit historisch uneinheitlichen Terminologie die Frage der Zweckmäßigkeit eines einheitlichen Gesamthandbegriffs. Anders noch als Beseler zitiert Gierke, an dieser Stelle,182 jedoch keinen derjenigen Autoren, die sich vor ihm für den Ausbau der „Gesamthand“ zu einem Gattungsbegriff ausgesprochen hatten.183 Von geringerem Einfluss sowohl auf die germanistische Genossenschaftsthe- 331 orie als auch auf die Figur der Gesamthand ist schließlich der 1881 veröffentlichte dritte Band, „Die Staats- und Korporationslehre des Alterthums und des Mittelalters und ihre Aufnahme in Deutschland“. Sie widmet sich vornehmlich dem römischrechtlichen Korporationsbegriff der Antike, der Kanonisten, der Glossatoren sowie dessen Rezeption in Deutschland. Freilich benennt Gierke auch in dieser Schrift verschiedene „zu eigenthümlichen Einzelinstituten ausgeprägte[n] deutschrechtliche[n] Gemeinschaften zur gesammten Hand“, zu welchen er insbesondere die eheliche Gütergemeinschaft, die Erbengemeinschaft, die lehnrechtliche gesamte Hand zählt und zu welchen er die Handelsgesellschaft zumindest in die Nähe rückt.184 In diesem Zusammenhang zitiert Gierke auch eine von Eulers Schriften zur fränkischen Gesamthand des Ehegüterrechts,185 was insofern von Bedeutung ist, als er in seinen nachfolgenden Werken die seit den 1840er Jahren währenden Bemühungen Eulers um die Anschaften in den umfassenden Begriffen der Genossenschaft und des Gesammtrechts zusammengeflossen“ waren, Gierke, GenossenschR II (1873), S.  923. 179  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  923. 180  S. u., Rn.  382 ff. 181  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  924 f. 182  Gierke zitiert jene Autoren jedoch ausgiebig einige Seiten weiter, s. Gierke, GenossenschR II (1873), S.  947 ff. 183  Über die selektive Kennzeichnung der Gedanken fremder Autoren in Gierkes Werken beklagt sich ferner Brinz, Pandekten III.2.12 (1888), §  432, S.  453. 184  Gierke, GenossenschR III (1881), S.  818 ff. 185  Gierke, GenossenschR III (1881), S.  820, Fn.  198.

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

erkennung eines allgemeinen Begriffs der Gesamthand größtenteils ausblenden wird. 3)  Gierkes „Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung“ (1887) 332

333

Sowohl für die Genossenschafts- als auch für die Gesamthandlehre von bestimmendem Einfluss ist die 1887 veröffentlichte Monografie Gierkes „Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung“. Diese Schrift war ursprünglich als vierter Band des Genossenschaftsrechts gedacht. Der Autor verneint jedoch einen nahtlosen Übergang aus dem dritten Band des Genossenschaftsrechts. Hatten die drei Bände des Genossenschaftsrechts einen historisch-retrospektiven Charakter, so sucht Gierke mit seiner „Genossenschaftstheorie“ das in Deutschland zeitgenössische positive Recht nach der aus den historischen Quellen gewonnenen Idee der Genossenschaft zu gestalten.186 Sein erklärtes Ziel ist „der Ersatz der herrschenden romanistischen Korporationstheorie durch eine aus dem deutschen Rechtsgedanken heraus gestaltete moderne Körperschaftstheorie“.187 In der Frage der Abgrenzung zwischen Genossenschaft und gesamter Hand bietet die Schrift wenig Neues. Gierke stellt nochmals klar, dass von den genossenschaftlichen Gemeinschaftsverhältnissen „alle Gemeinschaftsverhältnisse des Individualrechts“ – mit diesen meint er die Gesamthandgemeinschaften – „durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt“ seien,188 womit er den von Beseler und ihm aufgestellten Grundsatz eins zu eins anwendet, „Genossenschaften“ nach seinem Verständnis auf solche Personenvereinigungen zu beschränken, die über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen und die die sonstigen bereits zuvor herausgearbeiteten Merkmale einer Körperschaft haben. Gierkes Genossenschaftstheorie im eigentlichen Sinn ist dogmengeschichtlich damit in erster Linie nur für solche Personenvereinigungen von Interesse, die sich in der fortschreitenden Rechtswissenschaft zu juristischen Personen in Form von Körperschaften im modernen Sinn entwickelt haben. Diejenigen Gebilde, die heute unter den modernen Gesamthandbegriff gefasst werden, stammen somit nicht von Gierkes Genossenschaften ab. Das hindert ihn freilich nicht daran, in der betreffenden Schrift, quasi fachübergreifend, eine detaillierte Dogmatik der Figur der gesamten Hand zu liefern und diese insbesondere auf zwei praxisrelevante Rechtsfiguren, die Ehegemeinschaft und die Personengesellschaften des Handelsrechts, anzuwenden.189 Eine deutliche Aufwertung 186 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), Einleitung, S. VI f. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  4. 188  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  339 (Hervorhebung durch Gierke); s. auch S.  141, 614 ff., 811. 189  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  367 ff.; 435 ff. 187 

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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wird dabei dem Begriff der „gesammten Hand“ zuteil, der in der Schrift nun als Überschrift ein eigenes Kapitel krönt. Jene Passagen werden die zukünftige Dogmatik der Gesamthandlehre maßgeblich beeinflussen, doch trotz der Überschrift des betreffenden Buches sind sie nicht Teil der eigentlichen Beseler-Gierkeschen Genossenschaftstheorie, sondern eine Weiterentwicklung der von anderen Autoren zuvor ins Leben gerufenen Gesamthandlehre.

III.  Das Vermächtnis der Genossenschaftslehre 1)  Das Schicksal des germanistischen Genossenschaftsbegriffs Es ist den Autoren der germanistischen Schule nicht gelungen, die Genossen- 334 schaft als alternativen, aber nicht weniger universellen Begriff eines Personenverbandes im deutschen Recht zu verankern. Im 19. Jahrhundert waren durchaus Anzeichen vorhanden, die auf eine dauerhafte Implementierung eines solchen Genossenschaftsbegriffs hindeuteten. Er wurde zwar von manchen, insbesondere römischrechtlich ausgerichteten Autoren abgelehnt,190 doch andere Stimmen nahmen sich seiner an.191 Auch die Rechtsprechung hat den deutschrechtlichen Genossenschaftsbegriff durchaus aufgegriffen.192 Einer der Gründe für das Scheitern eines allgemeinen germanistisch-rechts- 335 historischen Genossenschaftsbegriffs liegt möglicherweise darin, dass die gemeinrechtlich geprägte Mehrheit der Autoren des 19. Jahrhunderts den weiten germanistischen Genossenschaftsbegriff nicht weiter berücksichtigte. Die germanistische Genossenschaft trat zudem in Konkurrenz mit dem modernen, aus der Sozialbewegung kommenden, spezielleren und präziser definierten kooperativen Genossenschaftsbegriff, der sich schließlich durchsetzen und bis heute die gängige Terminologie bestimmen wird. Bereits in den 1850er Jahren entstand unter maßgeblicher Beteiligung des ehemaligen Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Hermann Schulze-Delitzsch eine Bewegung zur Gründung und Unterhaltung von freien „Berufsgruppen-Assoziationen“, darunter Krankenkassen, Assoziationen zum Bezug von Rohstoffen für bestimmte Gewerbetreibende, sog. „Vorschussvereine“ zur Gewährung von Kleinkrediten oder Konsumvereine zur Beschaffung von Verbrauchsgütern zum Selbstkosten190  S. etwa Gerber, System I1 (1848), §  49, S.  103, Fn.  4 ; Sintenis, CivilR I1 (1844), §  15, S.  109 f., Fn.  20. 191  S. etwa Renaud, DPR (1848), §  57, S.  142 ff.; Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177 ff., 182; die Frage, ob in Wirklichkeit bereits andere Autoren vor Beseler den Genossenschaftsbegriff geprägt haben, kann hier nicht beantwortet werden, auffallend ist jedoch, dass etwa C. W. Wolff, DPR (1843), §§  64 ff., S.  138 ff., zeitgleich mit Beselers Volksrecht, eine umfassende begriffliche Einordnung des Begriffs der Genossenschaft vornimmt. 192  OAG Jena v. 13.02.1845, Seuff. Arch. 1 (1847), Nr.  314, S.  326, 328 f. (Rechtspersönlichkeit einer Genossenschaft von frondienstverpflichteten „Anspännern“, d. h. Besitzern von Anspannvieh); AGH Köln v. 07.12.1855, Rhein. Arch. 51 (1855), 163, 166 (Rechtsfähigkeit und Klagebefugnis einer Weidegenossenschaft).

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

preis.193 Im Rahmen der Kongresse deutscher Volkswirthe wirbt Schulze-Delitzsch für die Verwendung des Begriffs „Genossenschaft“ anstelle des dem Französischen entlehnten Ausdrucks „Assoziation“.194 Die von Beseler und Gierke geprägten germanistischen Wurzeln des Genossenschaftsbegriffs mochten dabei willkommen erscheinen, um sich gerade von einem französischen Zentralismus abzugrenzen, welcher sich mit der Idee der Selbsthilfe nicht gut vereinbaren ließ.195 Diesem neuen Genossenschaftsbegriff gelang in wenigen Jahren der Weg in die Gesetzgebung. Kurz nach Inkrafttreten des ADHGB wurde jene Genossenschaft in Preußen kodifiziert und mit einer Legaldefinition versehen,196 welche kurze Zeit später in einem entsprechenden Gesetz des Norddeutschen Bundes197 übernommen und nach der Reichsgründung in mehreren Etappen auf das gesamte Deutsche Reich ausgedehnt wurde.198 Auf Gierkes Schriften hatten diese Legaldefinitionen freilich keinen Einfluss. Er behielt zeit seines Lebens seinen eigenen Genossenschaftsbegriff bei,199 konnte sich jedoch in der Literatur nicht mehr durchsetzen, die mit der Zeit dem legaldefinierten Genossenschaftsbegriff den Vorzug gab.200 Dem allgemeinen Recht der Personenverbände erhalten geblieben ist damit der auch aus der römischrechtlichen Tradition stammende Begriff „Körperschaft“.201 2)  Wirkung der Genossenschaftslehre auf die Gesamthandlehre 336

Es ist in der Vergangenheit behauptet worden, Beseler habe die Gesamthandlehre noch als Teil der Genossenschaftslehre gesehen und eine Dissoziierung sei erst von Gierke vorgenommen worden.202 Diese Behauptung ist in der Literatur schon früh widerlegt worden,203 es verbleibt jedoch ein Grundkonsens darin, es habe die heutige Gesamthandlehre ihre Substanz aus der Genossen193  Zur Entstehung des Genossenschaftswesens, s. ausführlich Parisius, Genossenschaftsgesetze (1876), S.  1 ff.; neuerdings auch R. Schulze in: FS Dilcher (2003), S.  225, 229 ff. 194 S. R. Schulze in: FS Dilcher (2003), S.  2 25, 234 f.; v. Sicherer, Genossenschaftsgesetzgebung (1872), S.  9. 195  S. hierzu R. Schulze in: FS Dilcher (2003), S.  2 25, 235 f. 196  S. §  1 des Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften v. 27.03.1867, PrGS 1867, Nr.  34 (S.  501). 197  Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften v. 04.07.1868, BGBl. NB 1868, Nr.  24 (S.  415). 198  Zu dieser Entwicklung, s. Parisius, Genossenschaftsgesetze (1876), S.  106 f. 199  Gierke, BGB-Entwurf 2 (1889), S.  154; Gierke, DPR I (1895), S.  619 ff. 200  S. aber noch im Jahre 1894: Dernburg, Preuß. PrivatR I1 (1875), §  59 (S.  123); auch Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 220, versucht immerhin, eine Verbindung mit den Genossenschaften nach neuerer Definition und denjenigen alten Personenverbänden zu ziehen, deren Zweck auf Gegenseitigkeitshilfe ihrer Mitglieder beruhte, z. B. „Mark-, Deich- und Holz-Genossenschaften“. 201  S. etwa v. Roth, DPR I (1886), S.  404 f. 202  v. Beseler, Miniaturen (1929), S.  138 f., Fn.  2 . 203  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  171; Seif, ZRG-GA 118 (2001), S.  302, 308.

§  2 .  Die deutschrechtliche Genossenschaftslehre

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schaftslehre geschöpft.204 Tatsächlich erscheint die Gesamthandlehre eher als das Ergebnis einer eigenen Entwicklung, auf die Beseler und besonders Gierke aufgebaut haben, dies jedoch nicht im Rahmen der von ihnen propagierten Genossenschaftslehre, sondern, thematisch ausufernd, parallel zu dieser. Genossenschaftslehre und Gesamthandlehre sind durchaus durch ein „verwandtschaftliches“ Verhältnis verbunden gewesen. Dass sich die Gesamthandlehre von der Genossenschaftslehre weiterentwickelt hat, muss jedoch verneint werden. Konzeptuell lässt sich ein „Abstammungsverhältnis“, wenn überhaupt, dann höchstens mit der Theorie des Gesamteigentums herstellen. In dogmatischer Sicht war die Gesamthandlehre nicht Teil der Genossenschaftslehre.205 Zweifellos existierten freilich inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen beiden 337 Figuren, nämlich insofern, als sie jeweils einen Personenzusammenschluss voraussetzen, dem eine Vermögensgesamtheit in gewisser Weise zugeordnet wird.206 Ebenfalls hervorzuheben ist die bei Beseler anfangs noch nicht ausgereifte Terminologie: Tatsächlich gibt der Autor in späteren Auflagen zu, in früheren Zeiten von einem umfassenden, in gewisser Weise aber auch untechnischen Genossenschaftsbegriff ausgegangen zu sein,207 womit nun diejenigen Gebilde, die später als Gesamthandgemeinschaften identifiziert wurden, in die Nähe eines Genossenschaftsbegriffs gerückt werden konnten. Auch nach erfolgter Klarstellung Beselers und Gierkes, nur solche Personengemeinschaften als Genossenschaften zu akzeptieren, die eine Körperschaft bzw. eine juristische Person bilden, waren die Feststellungen beider Autoren nicht ganz frei von terminologischer Ambivalenz.208 Rechneten sie die später als Gesamthandgemeinschaften identifizierten Gebilde technisch nicht zu den Genossenschaften, so sieht Beseler die OHG und die KG immerhin als „eine durch das genossenschaftliche Princip modificirte Form des Gesellschaftsvertrags“.209 Ähnliche Formulierungen finden sich auch bei Gierke.210 Hinzu kommt, dass Gierkes Beiträge zur Figur der gesamten Hand in einem engen räumlichen Zusammenhang mit der Genossenschaftstheorie standen: Die wichtigsten Vorschläge des Autors zur Gesamthand sind in demselben Werk ausgeführt, das der Genos204  S. etwa Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  304; aus älterer Zeit Hacman, ZHR 68 (1910), S.  439, 440; Laband, ZHR 30 (1885), S.  469, 483 ff. 205  So deutlich Gierke, DPR I (1895), §  62, S.  480; ders., DPR II (1905), §  122, S.  381. 206 Treffend Heusler, PrivatR I (1885), S.   225: „Die heutige Litteratur des deutschen Rechtes leidet viel zu sehr an Verschwommenheit der Begriffe Gesammthand und Genossenschaft und Vermengung derselben, die doch einander geradezu ausschliessen“. 207  Beseler, System 2 (1866), §  71, S.  251, Fn.  2 . 208  S. etwa Gierke, DPR I (1895), §  62 (S.  480 f.), §  80 (S.  668); kritisch zur Terminologie und Begriffsbildung der Genossenschaft bei Beseler, etwa Thöl, Volksrecht (1846), S.  27 f. 209  Beseler, Volksrecht (1843), S.  167. 210  S. etwa Gierke, GenossenschR I (1868), S.  982 f., der die Personengesellschaften des Handelsrechts dem „Genossenschaftsbegriff sehr nahe gerückt“ sieht. In Gierke, GenossenschR II (1873), S.  923 ff., untersucht er, wie die Figur der Körperschaft jene der Gemeinschaften der gesamten Hand beeinflusst.

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1. Kapitel:  Frühere Impulsgeber der modernen Gesamthandtheorie

senschaftslehre gewidmet war, so dass eine Verbindung zwischen Genossenschafts- und Gesamthandlehre naheliegend erscheinen musste. Schließlich kann hervorgehoben werden, dass sich Beseler und Gierke zwar durchaus veranlasst sahen, die Autoren zu zitieren, die vor ihnen die Gesamthand zu einem Gattungsbegriff geprägt haben, dass Gierke aber vor allem seinen akademischen Lehrer Beseler in den Vordergrund stellte. Spätere Autoren konnten so möglicherweise dem Irrtum 211 erliegen, die Gesamthandlehre sei ein Produkt Gierkes und Beselers, welche mit einem Atemzug in Verbindung mit der Genossenschaftslehre gebracht werden.

211  Zu Kuntze und Stobbe als die wahren Begründer des modernen Gesamthandbegriffs, s. u., Rn.  361 ff.

2. Kapitel

Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs in der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts Der moderne Gesamthandbegriff ist in zwei Etappen entstanden. Bevor er von 338 verschiedenen Autoren als Grundlage einer allgemeinen Figur des geltenden Rechts herausgearbeitet wurde (§  2), musste er zunächst als Begriff der deutschen Rechtsgeschichte etabliert werden (§  1).

§  1.  Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur In der rechtsgeschichtlichen Literatur ist der Begriff „gesamte Hand“ zunächst 339 als Quellenzitat entdeckt und von den Autoren auch nur insoweit verwendet worden (I). Erst in den 1840er Jahren wurde die Gesamthand auch quellenunabhängig als moderner Begriff für historische Rechtsfiguren verwendet (II).

I.  Die „gesamte Hand“ als Quellenzitat 1)  Das Quellenstudium älterer Autoren In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Bezeichnung „gesamte Hand“ 340 fast ausschließlich als lehnrechtliches Institut der Lehnnachfolge bekannt und auch so verwendet worden.1 Parallel dazu betrieben freilich manche Autoren die Veröffentlichung alter Quellen, in denen dem Begriff andere Inhalte zugeordnet wurden. In seinem umfangreichen Werk zum Frankfurter Stadtrecht greift Johann Philipp Orth im Jahre 1742 den Ausspruch der Lüneburger Reformation von 1586 auf, dass Gesellschafter gegenüber Dritten solidarisch verpflichtet seien und nimmt dabei die hierfür dort verwendete Bezeichnung der „gesamten Hand“ als deutschen Begriff zur Kenntnis.2 Knapp 30 Jahre später 1 

S. o., Rn.  252 ff.; dazu ist auch die Passage in Schmalz, PrivatR (1818), S.  93, zu zählen, die zwar das Wort „Lehen“ nicht verwendet, aus deren Kontext sich aber ergibt, dass die lehnrechtliche Gesamthand gemeint ist. 2 S. Orth, Anmerkungen III (1742), zu II, 23, 9 (S.  524): „[Das] ist, ein jeder derselben, für sich selbst, gleich als hätte er mit einer ungescheidenen gesamten Hand dafür gelobet und gut gesaget, wie dieses Wort im Lüneburgischen Stadt-Recht Part. 2 tit. 23 §  8 also zu teutsch beschrieben wird, und dieser Titul mit unserer Ref. fast ganz übereinkommet“.

274

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

veröffentlicht Walch eine mehrbändige Sammlung mittelalterlicher Rechtstexte, darunter die Erfurter Statuten aus dem Jahre 1306, die dem Begriff „gesamte Hand“ klar eine ehegüterrechtliche Bedeutung geben.3 Da diese Sammlung jedoch nicht mit einem Kommentar des Autors versehen war und im Übrigen auch weitere Statuten mit zahlreichen anderen veralteten Rechtsbegriffen umfasste, wird es für die unmittelbar nachfolgende Literatur keinen Grund gegeben haben, jene gesamte Hand des ehelichen Güterrechts besonders hervorzuheben. Im Jahre 1799 weist Scherer darauf hin, dass alte Quellen verschiedene Namen verwenden, um die eheliche Gütergemeinschaft zu bezeichnen. Das seien in erster Linie zwar „Gütergemeinschaft“ und andere Begriffe, doch „andere“ Quellen würden auch weitere Namen verwenden, darunter die „gesamende Hand“, so etwa die Erfurter Statuten von 1306, die er aus der Sammlung Walchs zitiert.4 Ebenfalls der Quellenlektüre entstammt das Zitat von Philipps aus dem Jahre 1830, wonach unter Zugrundelegung des Mainzischen Landrechts die „gemeine Schuld“ zweier Ehegatten auch solche Schulden umfasse, „zu welchen sich beide Ehegatten ‚zu gesammter Hand’ oder gemeinschaftlich verpflichtet haben“.5 In den 1840er Jahren finden sich außerdem Autoren, die die eheliche gesamte Hand vornehmlich aus Quellen entnehmen, ohne den Begriff selbst zu gestalten.6 Weitere Autoren halten den Begriff wiederum nur für einen untechnischen Ausdruck alter Quellen dafür, dass eine Handlung gemeinschaftlich ausgeführt wird.7 2)  Die Untersuchung Zoepfls der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts (1839) 341

Als Startpunkt in der Dogmengeschichte der modernen Gesamthand erscheint Zoepfls 1839 erschienenes und von ihm kommentiertes Quellenbuch zum alten Bamberger Stadtrecht, in welchem längere Passagen dem Ausdruck „gesamte Hand“ gewidmet sind.8 In gleicher Weise wie Scherer oder Philipps geht auch Zoepfl nicht so weit, diesen zu einem universellen Begriff auszugestalten, der sich nicht auf das Bamberger Eherecht beschränkt, sondern auch das geltende Recht prägen und sogar über das Eherecht hinaus zu einem allgemeinen Begriff eines Personenverbandes werden könnte. In seiner Studie geht Zoepfl in erster Linie rechtshistorischen Interessen nach und entwickelt nur zaghaft die Idee,

3 

Walch, Beyträge I (1771), S.  101, 115; s. auch o., Rn.  272. Scherer, Ehegemeinschaft I (1799), §  48, S.  100 f. 5  Philipps, Gütergemeinschaft (1830), S.  272. 6 S. etwa Ch. L. Runde, Güterrecht (1841), S.   149; Goeßmann, Gütergemeinschaft (1847), S.  101. 7 S. etwa Duncker, Gesammteigenthum (1843), S.   30; Zimmerle, Stammgutsystem (1857), S.  95. 8  Zoepfl, Das alte Bamberger Recht als Quelle der Carolina, 1839; s. auch o., Rn.  265. 4 

§  1.  Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur

275

hieraus auch Erkenntnisse für das geltende Recht zu gewinnen.9 Hierfür ist er von dritter Seite auch kritisiert worden.10 Trotzdem wird seine Schrift einen nicht geringen Einfluss auf die spätere Entwicklung des Gesamthandbegriffs haben, denn Zoepfl erscheint als der erste Autor, der den Begriff der alten gesamten Hand des ehelichen Güterrechts einer ausführlichen Analyse unterzieht, die sich der Natur der modernen Gesamthand nähert. Er erklärt: „Das rechtliche Verhältnis der Ehegatten in stehender Ehe in Bezug auf ihr Vermögen heisst besammte oder gesammte Hand. Hierunter ist durchaus nicht immer noch auch regelmässig der Fall zu verstehen, dass beide Ehegatten wirklich gemeinschaftlich gehandelt haben, sondern die gesammte Hand ist an sich nichts anderes, als das genossenschaftliche oder Societäts-Verhältnis, in welchem beide Ehegatten in Bezug auf ihr beiderseitiges, sowohl bewegliches als auch unbewegliches Vermögen stehen, so lange sie mit einander leben und haushalten“.11 Anders als Duncker vier Jahre später12 erkennt Zoepfl, dass die gesamte Hand des Bamberger Stadtrechts mehr ist als nur die untechnische Umschreibung eines gemeinsamen Handelns der Eheleute, dass sich jener Ausdruck vielmehr zumindest teilweise zu einem Rechtsbegriff entwickelt hat, der einen juristischen Zustand qualifiziert, nämlich die rechtliche Zuordnung einer Gesamtheit von Vermögensgütern zu dem von dem Ehepaar gebildeten Personenzusammenschluss. Konkret sieht Zoepfl in der Bamberger gesamten Hand verschiedene Eigenschaften.13 Sie habe etwa eine Errungenschaftsgemeinschaft bedingt,14 da „kein Ehegatte etwas erwerben kann, was nicht im Augenblicke des Erwerbes gemeinschaftlich würde, so wie auch das Vermögen beider Ehegatten Gegenstand einer gemeinschaftlichen Haftung für alle vom Mann contrahirte der Frau wissentliche, und umgekehrt auch für die von der Frau innerhalb der ihr gesetzlich bestimmten Gränzen gemachten Schulden ist“.15 Diese Errungenschaftsgemeinschaft sei weiter u. a. durch Elemente des älteren Systems des Mundiums dadurch ergänzt gewesen, dass der Ehemann kraft seiner ehelichen Vormundschaft („Vogtei“) nicht nur über die von der Errungen9  Ausgehend von der gesamten Hand des Bamberger Stadtrechts kritisiert er immerhin die späteren Konstruktionen des dominium plurium in solidum des Justus Veracius (dazu o., Rn.  299 ff.) und der mystischen Person von Hasse (s. o., Rn.  307), s. Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  193. 10 S. Gaupp, KritJBRW 7 (1840), S.  45, 55, welcher bedauert, dass der Begriff der gesamten Hand von Zoepfl „zu sehr als etwas isolirt Dastehendes“ behandelt wird, wo doch „andere Verhältnisse, wie z. B. die gesammte Hand des Lehnrechts […] interessante Analogien dargeboten“ hätten. 11  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  185. 12  Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  30: „Die Worte: communi, communicata, conjuncta, complici, coadunata, collectiva, continuata manu, mit gesammter (besammter) Hand bedeuten ganz einfach: gemeinschaftlich“. 13  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  191 f. 14  S. dazu §  108 Abs.  1 BambStR, abgedruckt o., Rn.  264. 15  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  191.

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342

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

schaftsgemeinschaft umfassten Güter,16 sondern auch über das eigene Gut der Ehefrau habe verfügen können: „Der Ehemann veräussert dieweil gesammte Hand lebt, durch Geschäfte unter Lebenden, welchen die Frau nicht widersprochen hat, ohne Einschränkung sowohl Erbe als Eigen“.17 Anzumerken ist schließlich, dass Zoepfl die gesamte Hand des Bamberger Stadtrechts vehement vom Begriff der allgemeinen Gütergemeinschaft abgrenzt. Diese sieht er als späteres, römischrechtlich inspiriertes Produkt an, das in der Neuzeit nur deswegen das ausgeklügelte Bamberger Mischsystem ersetzt habe, weil es „für den römisch-rechtlich gebildeten Practiker des XVI. und XVII. Jahrhunderts“ eben „sehr verlockend“ gewesen sein müsse, eine mit umfassenden Verwaltungsrechten des Ehemannes versehene Errungenschaftsgemeinschaft unter Zugrundelegung der „römischen universellen Societät“ als allgemeine Gütergemeinschaft aufzufassen, was Zoepfl bedauert.18 Indem er für das alte Bamberger Stadtrecht so den Begriff der Gütergemeinschaft zurückdrängt, schafft Zoepfl Raum für seinen Begriff der „gesamten Hand“, welchen andere Autoren später weiter aufwerten werden. 3)  Homeyers Untersuchung der lehnrechtlichen gesamten Hand des Sachsenspiegels (1842)

343

Die lehnrechtliche gesamte Hand befand sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts zwar auf dem Rückzug, doch handelte es sich immer noch um ein allgemein bekanntes Rechtsinstitut, welches in der Literatur Berücksichtigung fand.19 Carl Gustav Homeyers Untersuchung der gesamten Hand des Lehnrechtsbuchs des Sachsenspiegels20 hebt sich aber insofern von jenen Schriften ab, als sie nicht etwa die beinahe zur Unkenntlichkeit veränderte lehnrechtliche gesamte Hand des 19. Jahrhunderts behandelt, sondern, in rechtshistorischer Perspektive, die lehnrechtliche gesamte Hand des Mittelalters. Im 1844 erschienenen zweiten Band des zweiten Teiles seiner Kommentierung des Sachsenspiegels21 beschreibt Homeyer die rechtliche Regelung der gemeinsamen Belehnung mit gesamter Hand, indem er zunächst feststellt, dass die „Gemeiner“, d. h. die gemeinsam belehnten Vasallen, gemäß SSp. LehnR, 32, 1, eine „gleiche Gewe16 

Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  185. Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  186. 18  Zoepfl, Bamberger Recht (1839), S.  191 ff. 19  S. o., Rn.  253. 20  Homeyer, Des Sachsenspiegels zweiter Theil nebst den verwandten Rechtsbüchern, 1.  Bd.: Das sächsische Lehnrecht und der Richtsteig Lehnrechts, 1842; zu Homeyers Untersuchung der mittelalterlichen lehnrechtlichen gesamten Hand, s. auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  184 ff. 21  Homeyer, Des Sachsenspiegels zweiter Theil nebst den verwandten Rechtsbüchern, 2.  Bd.: Der Auctor V. de Beneficiis, das Görlitzer Rechtsbuch und das System des Lehnrechts, 1844. 17 

§  1.  Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur

277

re“ an dem Lehngut empfangen.22 Diese Feststellung war insofern nicht selbstverständlich, als die gesamte Hand des neuzeitlichen Lehnrechts dem nebenbelehnten Vasallen gerade kein Besitzrecht zubilligte.23 Weiter entnimmt Homeyer aus SSp. LehnR, 32, 3, dass keiner der Gesamthänder über das Lehngut „ohne den andern gültig verfügen“ könne und stellt fest, dass im Falle des Todes eines der Vasallen ohne Nachkommen das Lehngut den anderen belehnten Personen verbleibe, ohne dass eine erneute Belehnung notwendig sei.24 Einen vergleichsweise breiten Raum gewährt Homeyer der Frage nach der Rechtsnatur der mittelalterlichen lehnrechtlichen gesamten Hand. So lehnt er die Ansicht Dunckers, der sich für eine Bruchteilsgemeinschaft der belehnten Vasallen ausgesprochen hatte,25 mit der Begründung ab, die mangelnde Verfügungsberechtigung und das eingeschränkte Teilungsrecht schließen eine Bruchteilsgemeinschaft nach Quoten aus.26 Auch die von Albrecht stammende Äußerung, die gemeinsam belehnten Vasallen bilden eine „moralische Person“, 27 überzeugt Homeyer nicht, der in dieser Gemeinschaft noch „kein von den gesammten Einzelnen getrenntes Wesen“ sieht und eine solche Betrachtung vor allem an dem „Mangel eines dauernden selbständigen Zweckes und damit einer Verfassung“ scheitern lässt.28 In pragmatischer Weise erklärt Homeyer schließlich, dass sich die lehnrechtliche gesamte Hand des Mittelalters im Raum zwischen der juristischen Person und der Bruchteilsgemeinschaft bewegt, dabei aber Letzterer näher sei.29 Wenn Homeyers Betrachtungen der lehnrechtlichen gesamten Hand durch- 344 aus Ähnlichkeiten mit der modernen Figur der Gesamthand aufweisen, so ist jedoch festzustellen, dass der Autor nur zaghaft zu einer Verallgemeinerung der gesamten Hand zu einem juristischen Grundsatz tendiert, allenfalls erwähnt er, dass der Ausdruck auch zum gemeinsamen Übertragen von Vermögensgütern verwendet wird und verweist ansonsten auf Quellen bei Duncker.30 Er zieht jedenfalls keine Verbindungen zur gesamten Hand der ehelichen Gütergemeinschaft, insbesondere zitiert er nicht die Arbeiten Zoepfls.

22 

Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  457. S. o., Rn.  247. 24  Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  458 f. 25  Duncker, Gesammteigentum (1843), S.  80 ff. 26  Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  461 ff. 27  Albrecht, Gewere (1828), S.  241 ff. 28  Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  463 f. 29  Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  464. 30  Homeyer, SSp. II.2 (1844), S.  327. 23 

278

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

II.  Die Gesamthand als quellenunabhängiger Sammelbegriff der rechtsgeschichtlichen Wissenschaft 345

In den 1840er und 1850er Jahren werden mehrere Autoren, teilweise unabhängig voneinander, den Ausdruck „gesamte Hand“ nicht nur quellenexakt verwenden, sondern diesen zu einer allgemeinen Bezeichnung für historische Rechtsgrundsätze ausbauen, ohne dass sich der Begriff notwendigerweise in den Quellen wiederfindet, auf die er sich bezieht. Zwei Ansätze sind zu unterscheiden: Die von Euler ab den 1840er Jahren begründete Theorie der Gesamthand des fränkischen Ehegüterrechts (1) und die von Stobbe 1855 vorgeschlagene schuldrechtliche Gesamthand (2). 1)  Die Gesamthand des alten fränkischen Ehegüterrechts a)  Die Ausgestaltung zum Begriff der alten fränkischen Güterrechtsfigur durch Euler (ab 1841) aa)  Eulers Studie zum „Güter- und Erbrechte der Ehegatten“

346

Der Frankfurter Rechtsanwalt Ludwig Heinrich Euler31 war möglicherweise der erste Autor, der die „gesamte Hand“ unabhängig von Quellennachweisen als allgemeinen Rechtsbegriff verwendet hat. In einer 1841 erschienenen Monografie, die sich in erster Linie dem Güter- und Erbrecht der Ehegatten im mittelalterlichen Frankfurt widmet, legt er gleich zu Beginn seines Beitrags den Grundstein einer allgemeinen Theorie der Gesamthand. Er beschreibt zunächst das Güterrechtssystem der Gütergemeinschaft, welches sich in Westfalen entwickelt habe und davon gekennzeichnet sei, dass das Vermögen zwar „eine einzige Masse“ bilde, dass den Gatten aber „in der Ehe nur ideelle Theile des ganzen Vermögens“ zustehen und dass der Überlebende „statt einzelner Vermögenstheile eine Quote an der vereinten Masse“ erhalte.32 Von der westfälischen Gütergemeinschaft grenzt Euler sodann die fränkische gesamte Hand ab: 33 Ihm [dem System der allgemeinen Gütergemeinschaft] gegenüber steht in Franken das System der gesammten Hand oder der Vermögenseinheit. Das sämmtliche Gut der beiden Gatten bildete auch hier nur eine Masse, in welcher einzelne Bestandtheile mit besonderen Rechten bezüglich ihres Ursprungs weder während der Ehe noch bei deren Trennung unterschieden wurden. Trotz der dem Manne wegen des Mundiums zustehenden größeren Verwaltungsbefugnisse war derselbe in Beziehung auf Veräußerungen selbst der von ihm herrührenden Liegenschaften u. s. w. durch die Rechte der Frau beschränkt. […] Dieses System der gesammten Hand galt überall in dem alten fränkischen und ripuarischen Theile von Deutschland […].

31 

Zu Leben und Werk Eulers, s. v. Nathusius-Neinstedt, ZRG-GA 17 (1887), S.  190 ff. Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  9 f. 33  Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  9 f. 32 

§  1.  Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur

279

Es sieht so aus, als sei diese Passage der erste Versuch der Erschaffung eines 347 modernen Gesamthandbegriffs. Umso auffallender ist, dass Euler über die „gesammte Hand“ in einer solch unspektakulären und selbstverständlichen Weise schreibt, als handele es sich um einen allseits bekannten und etablierten Begriff. Auffallend ist auch, dass Euler seine Ausführungen nicht mit Fundstellen, geschweige denn mit alten Quellen belegt, aus denen er die von ihm genannten Grundsätze, die von ihm behauptete geografische Ausbreitung und überhaupt den Begriff der Gesamthand selbst herleitet. Die Quellenstudien erfolgen erst in den nachfolgenden Abschnitten seiner Schrift, in denen er verschiedene mittelalterliche Rechtstexte untersucht, darunter auch das von Zoepfl erforschte Bamberger Stadtrecht, das den Begriff der gesamten Hand durchaus verwendet.34 Die auf Euler zurückgehende Innovation ist aber, dass er die Bezeichnung „gesamte Hand“ auch bei der Kommentierung von Statuten zur Hand nimmt, die zwar dem von ihm identifizierten Güterrechtstypus entsprechen, jedoch selbst den Ausdruck nicht gebrauchen. So stellt Euler fest: „Das Freiburg Breisgauer Recht genoß im Breisgau und in den altwürtembergischen Ländern einer weiten Verbreitung: hier also, wo ohnedieß fränkischer Boden war, fand das System der gesammten Hand […] überall Eingang“.35 Euler hat hier kein wörtliches Rechtsquellenzitat im Sinn, sondern führt die vorgefundene Regelung einer juristischen Qualifizierung zu. Er unternimmt in Wirklichkeit eine konzeptbezogene Untersuchung des Freiburger Güterrechts und kommt zu dem Ergebnis, dass dessen Rechtsnatur genügend Parallelen zu einem Typus aufweist, der an anderer Stelle, namentlich im Bamberger Stadtrecht, mit der Terminologie „gesamte Hand“ versehen ist, die der Autor nunmehr rückblickend auf das Freiburger Recht überträgt. In gleicher Weise geht er im Zusammenhang mit den Landrechten von Jülich und Berg vor.36 Der Begriff der gesamten Hand durchzieht so die ganze Schrift Eulers wie ein roter Faden. Wenn Euler der gesamten Hand des ehelichen Güterrechts eine eigene Gestalt gegeben hat, so erschließt sich dies dem Leser freilich nicht so ohne Weiteres, der bei der Lektüre jener Passagen vielmehr den Eindruck gewinnt, die gesamte Hand sei im Zusammenhang des historischen ehelichen Güterrechts als einheitlicher Begriff allgemein in Gebrauch gewesen. Auch in inhaltlicher Sicht ist Eulers Konzeption der Gesamthand bemer- 348 kenswert. Bereits in seiner allgemeinen Definition sieht er die gesamte Hand durch eine Verschmelzung der persönlichen Vermögen der Eheleute zu einem 34 

Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  27 ff., mit lobender Zitierung der Schrift ­Zoepfls. Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  18; ähnlich auch die Vorgehensweise im Zusammenhang seiner Untersuchung des Frankfurter Rechts, wobei sich Euler hier tatsächlich auf urkundliche Quellen stützen kann, die den Begriff der gesamten Hand verwenden, s. Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  32; freilich müssen diese nicht unbedingt einen güterrechtlichen Hintergrund haben und können auch untechnische Beschreibung von Sachverhalten gemeinsamer Geschäftsabschlüsse oder Vermögensübertragungen sein, dazu o., Rn.  234 f. 36  Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  25. 35 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

einzigen ehelichen Vermögen gekennzeichnet. Diese Sichtweise wiederholt er insbesondere auch für die Bamberger gesamte Hand: „Mit dieser Gesammung der Gatten war die Einheit alles ehelichen Vermögens gegeben und es gab keine Vermögensstücke des einen Gatten mit besonderen Rechten. Was ein Gatte als Aussteuer (Zugelt oder Heimfertigung) in die Ehe brachte, wurde daher auch sofort mit dem übrigen Vermögen verschmolzen“.37 Ein solches Ergebnis lässt sich aus den Vorschriften des Bamberger Stadtrechts jedoch nicht ohne Weiteres herleiten.38 Zoepfl, auf welchen sich Euler in seiner Schrift lobend beruft, hat eine solche Feststellung nicht getroffen, vielmehr sah dieser in den Bestimmungen des Bamberger Stadtrechts eine Errungenschaftsgemeinschaft.39 Die Einheit des ehelichen Vermögens sieht Euler auch für das alte Freiburger Recht40 und die Landrechte von Jülich und Berg41 für gegeben. Betraf der Gesamthandbegriff Zoepfls die Gütergemeinschaft der Ehegatten noch nicht direkt, so war u. a. Letzteres gerade kennzeichnend für den Gesamthandbegriff Eulers. Doch auch dessen Konzeption stimmt noch nicht mit der heutigen Idee der Gesamthand überein: Einerseits ist Eulers Gesamthand auf das (alte fränkische) Eherecht beschränkt, andererseits gestaltet sie auch andere Fragen als die einer Vermögensabsonderung, insbesondere etwa die Verfügungsbefugnis der Eheleute. Die Vermögenseinheit der Ehegatten ist aber ein zentrales Wesensmerkmal von Eulers Gesamthandidee, so dass sein Beitrag in der Gesamthandgeschichte nicht nur terminologischer, sondern auch dogmatischer Natur ist. Dies anzuerkennen lohnt sich, wenn man bedenkt, dass Eulers Schriften ab dem 20. Jahrhundert nahezu vollständig in Vergessenheit geraten sind. bb)  Eulers nachfolgende Schriften 349

Euler wird seine Arbeiten zur gesamten Hand des ehelichen Güterrechts fortführen. Im Jahre 1842 veröffentlicht er einen kurzen Beitrag mit dem Titel „Das Cöllner Recht und die gesammte Hand im Elsaß“, in welchem er die „gesamte Hand“ als das dem alten fränkischen Recht typische Güterrechtssystem weiter propagiert. Er erkennt in den Regelungen der von ihm abgedruckten elsässischen Rechtsquellen ebenfalls ein System der „gesamten Hand“, ohne dass es darauf ankäme, dass die Texte den Ausdruck tatsächlich verwenden.42 Zum Colmarer Recht stellt er fest, dass ein „vereintes Vermögen“ der Ehegatten gegeben sei, über das dieselben „ohne alle Einsprache dritter Personen“ verfügen können und welches auch nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft dadurch bestehen bleibe, dass die Eheleute sich gegenseitig beerben, 37 

Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  27. S. o., Rn.  270. 39  S. o., Rn.  270. 40  Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  15. 41  Euler, Güter- und Erbrechte (1841), S.  21. 42  Euler, ZdRWiss 7 (1842), S.  80, 83 ff. 38 

§  1.  Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur

281

wobei aber bei vorhandenen ehelichen Abkömmlingen das Grundstücksvermögen ihnen „verfangen“ sei.43 In der gleichen Zeitschrift publiziert Euler 1846 einen umfangreichen Artikel zur Entwicklung des fränkischen ehelichen Güterrechts seit Beginn der Rezeption des römischen Rechts, in welchem er die „gesamte Hand“ in inzwischen geübter Weise als allgemeinen Begriff zur Bezeichnung der fränkischen güterrechtlichen Konstruktion verwendet.44 An einem einheitlichen Ehevermögen hält er weiter fest.45 b)  Die Rezeption von Eulers Begriffsbildung in der Literatur Die verschiedenen Schriften Eulers blieben nicht ohne Echo, das jedoch erst 350 einige Jahre später zu einem gewissen Erfolg seiner Bemühungen führen wird. Wenn Bender 1848 die Schrift Eulers zitiert und bei der Erklärung des Frank­ furter Güterrechts die Bezeichnung „mit gesamendir Hand“ übernimmt,46 so wird dennoch klar, dass er sich auf ein Rechtsquellenzitat bezieht und keinen Versuch unternimmt, jene Bezeichnung wie Euler zu einem geschichtswissenschaftlichen Sammelbegriff auszugestalten. Auch Gerber wird die Arbeit Eulers zwar loben, die gesamte Hand als Sammelbegriff aber ebenfalls nicht übernehmen.47 Spricht Beseler unter Bezugnahme auf Euler bereits 1853 immerhin von der „gesammten Hand des fränkischen Rechts“ im Zusammenhang mit dem ehelichen Güterrecht, so tut er dies in einem Nebensatz, ohne den Begriff weiter in den Vordergrund zu stellen.48 Diesen Schritt wird hingegen Schwarz in einer 1858 erschienenen Monografie zum fränkischen ehelichen Güterrecht gehen. Wie selbstverständlich betitelt er einen Buchabschnitt mit „Fortbildung des fränkischen ehelichen Güterrechts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. (Güterordnung der gesammten Hand.)“.49 Wie bei Euler, den Schwarz in der Folge zitiert,50 durchzieht der Begriff der gesamten Hand seine Schrift wie ein roter Faden,51 wobei Schwarz vielleicht mehr auf Quellen fränkischer Partikularrechte achtet, die diesen Ausdruck tatsächlich verwenden. Noch ein Jahr später erklärt der Kieler Rechtslehrer Paul Roth in einem 1859 erschienenen Aufsatz, dass Eulers „Verdienst um unser Recht nicht hoch genug angeschlagen werden kann, da er zuerst die weite Verbreitung des Systems der gesammten Hand in 43 

Euler, ZdRWiss 7 (1842), S.  80, 85 f. S. etwa Euler, ZdRWiss 10 (1846), S.  1, 2, 5, 9. 45  Euler, ZdRWiss 10 (1846), S.  1, 2. 46  Bender, Frankf. PrivatR (1848), S.  47. 47  Gerber, Jahrb. Dogm. röm. dt. PrivatR. 1 (1857), S.  239, 250, Fn.  4 ; s. auch Walter, DPR (1855), S.  249 f. (Fn.  4), S.  253 (Fn.  4), der Euler allgemein zustimmend zitiert, ohne jedoch den Ausdruck „gesamte Hand“ selbst zu gebrauchen. 48  Beseler, System II1 (1847), S.  434; s. auch Beseler, System 2 (1866), §  141, S.  594, 596, Fn.  12. 49  Schwarz, Gütergemeinschaft (1858), S.  11. 50  Schwarz, Gütergemeinschaft (1858), S.  11, Fn.  1. 51  Schwarz, Gütergemeinschaft (1858), S.  11, 15, 16, 17 u. s. w. 44 

282

351

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

Franken und Schwaben nachwies“.52 Unter Verweis auf Euler und Schwarz übernimmt auch er den Begriff zur allgemeinen Bezeichnung des in fränkischen Gebieten geltenden ehelichen Güterrechts.53 In den 1860er Jahren wird der Begriff zur Bezeichnung des fränkischen Güterrechtssystems zunehmend populärer,54 wobei die Charakterisierung der Gesamthand aus der Feder v. Gosens nicht nur anschaulich, sondern auch für die weitere Entwicklung wegweisend erscheint: „Das System der gesammten Hand besteht nun darin, dass das von beiden Ehegatten in die Ehe gebrachte Vermögen mit Abschluss der Ehe ohne weiteres eine rechtlich einheitliche Masse wird, so dass nicht mehr wie bei dem sächsischen Güterrechte je nach der Herkunft das Eigentum verschieden ist, sondern so, dass an dieser Vermögenseinheit beiden Ehegatten zusammen das Eigentumsrecht zusteht, wesshalb auch weder der Ehemann noch die Frau selbständig über einen Bestandteil des Vermögens, auch wenn er ursprünglich aus seinem Eingebrachten herrührt, verfügen kann: das ganze Vermögen gehört der gesammten Hand, es kann daher auch nur diese darüber verfügen, wenn auch faktisch nicht immer der ausdrückliche Consens der Frau erfordert wird, sondern ihre stillschweigende Einwilligung genügt“.55 Im Jahre 1869 stellt Euler mit Genugtuung fest, dass sein System der gesamten Hand in der Literatur positiv aufgenommen wurde.56 Besonders beachtenswert ist das in den 1860er und 70er Jahren verfasste mehrbändige Werk Schroeders zur Geschichte des deutschen ehelichen Güterrechts. Euler sah seinen Gesamthandbegriff noch als Figur an, die er ausschließlich zur Bezeichnung fränkischer Rechtskonstruktionen des Mittelalters verwendete. Schroeder versteht die „gesamte Hand“ hingegen nicht als regionale Charakterisierung, sondern definiert den Begriff in erster Linie inhaltlich.57 Nach seinem Verständnis kennzeichnete die gesamte Hand das „genossenschaftliche Element, welches eine innige Gemeinschaft des beiderseitigen Vermögens, dessen verschiedene Herkunft ganz vergessen wird, und demgemäß vielfach ein Mitwirkungs-, unter Umständen selbst ein Vertretungsrecht der Frau begründet“.58 Neben einer solchen Gesamthand „im engern Sinne“ lässt er weiter Platz für eine gesamte Hand im weiteren Sinne; für diese sei wesentlich, „dass die Eigenthumsverhältnisse der Ehegatten ganz in den Hin52 

Roth, Jahrb. gem. dt. Rechts, Bd. 3 (1859), S.  313, 357 f. Roth, Jahrb. gem. dt. Rechts, Bd. 3 (1859), S.  313, 315 ff. 54  Arnold, Eigentum (1861), S.  167; Hänel, ZRG 1 (1862), S.  273, 274 ff.; v. Gosen, Kaiserrecht (1866), S.  125 ff.; Sandhaas, Güterrecht (1866), S.  81; v. Martitz, Güterrecht (1867), S.  305, Fn.  11. 55 S. v. Gosen, Kaiserrecht (1866), S.  128 f. 56  Euler, Mittheilungen (1869), S.  6 ff. 57  Schroeder erkennt freilich an, dass das Konzept der gesamten Hand insbesondere im fränkischen Raum zum Ausdruck gekommen ist, s. etwa R. Schroeder, Güterrecht II.3 (1874), S.  232: Gesamthand als „fränkisches Prinzip“. 58  R. Schroeder, Güterrecht II.2 (1871), S.  1 f. 53 

§  1.  Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur

283

tergrund treten und demgemäss das beiderseitige Vermögen nach einheitlichen Grundsätzen wie eine Masse behandelt wird. Dies geschieht nun zuweilen so, dass der Mann kraft seiner vormundschaftlichen Gewalt die eheliche Genossenschaft, selbst gegen den Widerspruch der Frau, nach aussen hin allein vertritt, weit häufiger aber so, dass diese Vertretung nur bei der fahrenden Habe […] platzgreift, während bei Verfügungen über Immobilien […] die Mitwirkung beider Ehegatten verlangt wird“.59 Schroeder wird in seiner Schrift zur Geschichte des deutschen Ehegüterrechts die so hergeleiteten Gesamthandbegriffe auf alle historischen Rechtskonstruktionen anwenden, auf welche sie konzeptuell passen. Wie Euler beachtet auch Schroeder nicht, ob sich eine entsprechende Gesamthandformulierung in der jeweils betroffenen Quelle wiederfindet.60 Anders aber als Euler scheut Schroeder nicht davor zurück, die Gesamthandbezeichnung auch für entsprechende Regelungen zu verwenden, die er aus Quellen anderer deutscher Regionen entnimmt, etwa aus dem schwäbisch-alemannischen61, dem bayrischen62 , dem thüringischen63 , dem Hamburger64 , dem lübischen65 und dem friesischen Recht66 . Interessant für die weitere Entwicklung ist auch, dass Schroeder die gesamte Hand zwar vornehmlich im eherechtlichen Sinn versteht, aber zugleich auch Parallelen zur lehnrechtlichen gesamten Hand zieht,67 was als ein erster Schritt zu einer Verallgemeinerung des Gesamthandbegriffs angesehen werden kann. 2)  Die historische schuldrechtliche gesamte Hand a)  Die Untersuchung der schuldrechtlichen gesamten Hand durch Stobbe (1855) Parallel zu der von Euler geprägten historischen gesamten Hand des Eherechts 352 – und ohne von dieser und ihren Autoren nennenswert Notiz zu nehmen – wird Stobbe eine ähnliche Methode wählen, um die mittelalterliche Verpflichtung „mit gesamter Hand“ in den Vordergrund zu rücken und jene zu einem quellenunabhängigen Begriff einer historischen Rechtsfigur auszugestalten. In einer 1855 erschienenen Abhandlung zur deutschen Vertragsrechtsgeschichte untersucht Stobbe unter Zugrundelegung zahlreicher Quellen das in mittelalterli-

59 

R. Schroeder, Güterrecht II.2 (1871), S.  16 f. S. etwa R. Schroeder, Güterrecht II.2 (1871), S.  19 f., 37. 61  R. Schroeder, Güterrecht II.1 (1868), S.  116. 62  R. Schroeder, Güterrecht II.1 (1868), S.  116 ff. 63  R. Schroeder, Güterrecht II.3 (1874), S.  232 f. 64  R. Schroeder, Güterrecht II.3 (1874), S.  238 f.; s. auch für Dortmund und Osnabrück, S.  241 f. 65  R. Schroeder, Güterrecht II.3 (1874), S.  247. 66  R. Schroeder, Güterrecht II.3 (1874), S.  401. 67  R. Schroeder, Güterrecht II.2 (1871), S.  172. 60 

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353

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

chen Urkunden aufgefundene „Versprechen zu gesammter Hand“,68 welches deutlich vom akzessorischen Bürgschaftsversprechen abzugrenzen sei und vielmehr „der römischen solidarischen und der Correal-Obligation nahe kommt“.69 Interessant ist, dass der Autor in Erinnerung ruft, dass auch andere juristische Konstruktionen die Bezeichnung „gesamte Hand“ tragen, mit denen er zunächst einen Bezug herstellt. So unterscheidet er von den zu untersuchenden „Verbindlichkeiten zur gesamten Hand“ das „dingliche Recht zur gesamten Hand“, das etwa im Lehnrecht vorkomme und voraussetze, dass „die verschiedenen Subjekte des Rechts im Verhältniß zum Objekte als eine Person gedacht werden“, ohne dass sich deren Berechtigung in ideelle Quoten reduzieren ließe. Infolgedessen existiere auch keine römischrechtliche Entsprechung zu der dinglichen gesamten Hand.70 Nun gehe der Begriff der gesamten Hand aber über das Gebiet des Sachenrechts hinaus. Es könne nämlich eine von mehreren Personen zu tragende Verbindlichkeit so ausgestaltet werden, dass „weder Jeder das Ganze, noch Jeder bloß einen bestimmten, nach der Anzahl der Subjekte zu bemessenden Theil zu leisten hat, sondern daß Alle zusammen (ohne irgend eine weitere Bestimmung ihrer Verbindlichkeit) zu leisten haben. Das Resultat ihrer Verpflichtung ist, daß das Ganze geleistet wird, ohne daß die Verpflichtung des Einzelnen bestimmt abgegrenzt ist“.71 Die Gemeinsamkeit zwischen seiner dinglichen und schuldrechtlichen gesamten Hand sieht Stobbe also in dem Fehlen einer ideellen Quote, wie sie andererseits beim Bruchteilseigentum oder bei der Teilschuld besteht. Anders als die dingliche gesamte Hand finde ihr schuldrechtliches Pendant durchaus eine Parallele im römischen Recht in Form der Figur der solidarischen Obligation, deren Bezeichnung „in solidum“ neben dem Ausdruck „gesamte Hand“ bzw. „conjuncta manu“ schnell Eingang in die mittelalterliche Terminologie gefunden habe.72 Allerdings gebe es einen konzeptuellen Unterschied zwischen der historischen schuldrechtlichen gesamten Hand, einerseits, und der römischen Korreal- bzw. Solidarobligation, andererseits: Während Letztere als eine Mehrheit von Schuldverhältnissen zwischen dem Gläubiger und den einzelnen Schuldner ausgestaltet seien, gelten im ersteren Fall alle „Schuldner zur gesammten Hand sie alle nur als eine Person“, das Schuldverhältnis also als eine Einheit.73 In den nachfolgenden Passagen geht Stobbe konkreter auf die Ausgestaltung der Rechtsfigur ein. Als tatbestandliche Voraussetzung einer Verbindlichkeit mehrerer Personen mit gesamter Hand sieht er 68  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  113, 145 ff.; zur alten Gesamthand des Schuldrechts, s. o., Rn.  255. 69  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  145. 70  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  146. 71  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  146 f. 72  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  147. 73  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  159 f.; dazu Meier, Gesamtschulden (2010), S.  66 f.

§  1.  Die Gesamthand als Begriff der rechtsgeschichtlichen Literatur

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regelmäßig einen Vertrag, doch auch „in Folge eines Rechtssatzes“ könne eine entsprechende Verpflichtung entstehen, nämlich dann, wenn ein Gesellschafter Geschäfte im Namen einer Gesellschaft abschließe. In diesem Fall verpflichte dies auch die anderen Gesellschafter. Sodann beschreibt der Autor unter Einbeziehung zahlreicher Quellen die Haftung der einzelnen Schuldner, den Fortbestand und die Beendigung der Verpflichtung sowie den Regress im Falle der Zahlung.74 Es ist bereits festgestellt worden, dass die alte gesamte Hand des Schuldrechts 354 eine terminologische, weniger aber eine inhaltliche Gemeinsamkeit mit der modernen Figur der Gesamthand hat,75 vielmehr ist sie in die rezipierte römische Solidarobligation aufgegangen und lebt heute in Form der modernen Gesamtschuld weiter, die terminologisch von Bluntschli mitgeprägt wurde.76 Für die weitere Entwicklung des modernen Gesamthandbegriffs ist der Beitrag Stobbes aber aus mehreren Gründen von Bedeutung: Stobbe versteht – insofern dem Vorgehen Eulers ähnlich – den schuldrechtlichen Gesamthandbegriff nicht als Quellenzitat, sondern als juristische Qualifikation, mit der er auch solche historischen Regelungen kennzeichnet, die ihr inhaltlich entsprechen, den Ausdruck „gesamte Hand“ selbst aber nicht verwenden. Nicht unerheblich ist weiter, dass Stobbe, wie Euler vor ihm, den Ausdruck „gesamte Hand“ auch außerhalb der spezialisierten lehnrechtlichen Literatur weiter in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses rückt und in der Folge weitergehende Ideen anderer Autoren anstoßen wird. Hervorzuheben sind ferner seine Bemühungen, die gesamte Hand zu einem fachlichen Überbegriff auszugestalten, der nicht nur die von ihm näher durchleuchtete alte gesamte Hand des Schuld­ rechts, sondern auch jene „dingliche“ gesamte Hand mit umfasst. b)  Die Rezeption Stobbes Begriffsbildung in der Literatur Stobbes Gedanken zu der historischen schuldrechtlichen gesamten Hand wer- 355 den in der Folge von anderen Autoren aufgriffen. Im Jahre 1857 erscheinen zwei Schriften, die im Fall der Schuldnermehrheit unter Berufung auf Stobbe die Besonderheit der deutschrechtlichen gesamten Hand gegenüber der römisch­ rechtlichen Solidar- bzw. Korrealschuld unterstreichen: Victor Platner schreibt: „Hier gelten sie als unverscheidenliche, unverschiedene Gesammtschuldner. […] Die formelle Einheit des Actes, in welchem die mehreren Personen gemeinschaftlich die Verbindlichkeit übernehmen, führt auch zu einer Einheit der Personen. Sie bilden nur eine Person mit einem Willen. Wie sie ihre verschiedenen Hände zu einer einzigen verbunden haben, so ist auch ihr rechtlicher Wille ein 74 

Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  154 ff., 167 ff., 171 ff. S. o., Rn.  257. 76 S. Bluntschli, ZürchRG II (1839), S.  246; zu den weiter in die Vergangenheit reichenden terminologischen Wurzeln, s. Meier in: HKK II.2 (2007), §§  420–432/I, Rn.  6. 75 

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356

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

und derselbe, ein einheitlicher“.77 Ähnliche Gedanken finden sich auch bei Johannes Emil Kuntze: Die gesamte Hand sei „nicht als römische Korrealität mit scharfgesonderten Einzelsphären aufzufassen“, sie sei vielmehr „auf die Idee einer organisch gestalteten wenn auch transitorischen Einheit, gleichsam einer ephemeren Korporation, basirt“.78 Der „gegenüberstehende Kontrahent“ habe es „in der That nicht mit einer Mehrheit von Subjekten zu thun“; wolle „man diese organische Miniatur-Korporation unter den Gesichtspunkt eines obligatorischen Verhältnisses bringen, so muß allerdings gesagt werden, es sei nur Eine Obligation, nur Ein Subjekt […], und die einzelnen Gesammthänder seien nur die Repräsentanten, in denen, gegen welche diese eine Obligation geltend gemacht wird“.79 Ein weiterer Autor wird immerhin jene Positionen Stobbes, Platners und Kuntzes umfassend wiedergeben.80 Es ist festzustellen, dass parallel zu der von Euler begründeten eherechtlichen Gesamthand ab 1855 ein konkurrierender Gesamthandbegriff des Schuld­ rechts Eingang in mehreren Schriften gefunden hat. Beiden ist gemeinsam, dass sie zwar keine Quellenzitate bilden, aber dennoch ausschließlich historische Rechtsfiguren bezeichnen. Der Schritt hin zu einem Begriff des geltenden Rechts wird ausgehend von der Stobbeschen Gesamthand in kurzer Zeit gelingen.

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts (ab 1863) 357

Kuntze und Stobbe können als die eigentlichen Väter der modernen Gesamthandtheorie gesehen werden. In den 1870er Jahren kommen Gierke und Heusler als Schwergewichte in der Ausgestaltung des sich entwickelnden Gesamthandbegriffs hinzu und werden bis Inkrafttreten des BGB die ursprünglichen Initiatoren als Meinungsführer in dieser Frage ablösen.

I.  Kuntze und Stobbe als Begründer eines modernen Gesamthandbegriffs 1)  Der Diskussionsstand im Gesellschaftsrecht Mitte des 19. Jahrhunderts 358

Ausgehend von Stobbes Beitrag von 1855 gewann die Idee Zuspruch, dass die schuldrechtliche gesamte Hand aus den alten Quellen – anders als die römische Solidar- und Korrealobligation – nur ein einheitliches Schuldverhältnis zwi77 

Platner, Bürgschaft (1857), S.  36 f. Kuntze, Inhaberpapiere (1857), S.  213. 79  Kuntze, Inhaberpapiere (1857), S.  213. 80  Samhaber, Correalobligation (1861), S.  56 ff. 78 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 287

schen dem Gläubiger und einer Einheit mehrerer Schuldner begründet. Zur gleichen Zeit war aber die Diskussion um die Rechtsnatur der Handelsgesellschaft am Vorabend der Kodifizierung durch das ADHGB hochaktuell geworden; sie wurde von der Frage bestimmt, ob die Handelsgesellschaft eine juristische Person bildet oder nicht; 81 Gelpckes besonders in Preußen einflussreiche Apologie der Personifizierung der Handelsgesellschaft war 1852 erschienen82 und die Debatte war im Begriff, den Charakter eines langwierigen Stellungskampfes anzunehmen. In dieser Situation mochten die Recherchen Stobbes über die historische gesamte Hand des Schuldrechts und insbesondere sein Ausspruch, diese gesamte Hand setze eine Einheit der Schuldner und des Schuldverhältnisses voraus, andere Autoren hellhörig werden lassen. Stobbe hatte in seiner Schrift von 1855 sogar selbst die schuldrechtliche gesamte Hand mit der Gesellschaft in Verbindung gebracht, als er eine Regelung des alten lübischen Rechts untersuchte, die dem Gesellschafter die Macht gibt, alle Gesellschafter gegenüber Dritten solidarisch – in Stobbes Augen: mit gesamter Hand – zu verpflichten.83 Von da aus mag der Schritt in den Augen mancher Autoren attraktiv erschie- 359 nen sein, die gesamte Hand als „dritten Weg“ aus dem Dilemma in der Diskussion pro und contra juristische Person als Grundlage der Handelsgesellschaft zu wählen. Tatsächlich ist dieser Schritt, zumindest beiläufig, in einer Zeitschriftenpublikation bereits 1858 vollzogen worden. In einer Studie zu römischen Analogien zum Handelsrecht untersucht Dietzel, der ansonsten in Bezug auf die gesamte Hand nicht weiter aktiv geworden ist, u. a. den Rechtsgrund der solidarischen Haftung der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft und kommt zu dem Schluss, dass sich jener Grund zwar durch Analogien aus dem römischen Recht herleiten ließe, dass es aber dieser Analogien nicht bedürfe. Das Prinzip der solidarischen Haftung beruhe nicht darauf, ob die betreffende Gesellschaft eine Firma führe oder nicht; sie sei, so der Autor unter Berufung auf Stobbe, nämlich nichts anderes „als die Verpflichtung zur gesammten Hand“.84 Diese Vorgehensweise ist wegweisend: Der Begriff der gesamten Hand, der sowohl von Euler als auch von Stobbe lediglich als Bezeichnung historischer Rechtsfiguren verwendet wurde, wird also von Dietzel mit einem Institut des geltenden Rechts verknüpft; die Frage, auf welcher Grundlage die Solidarität der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft beruht, soll durch Übernahme der Grundsätze der von Stobbe untersuchten rechtshistorischen gesamten Hand gelöst werden. Der Autor führt diese Idee jedoch nicht weiter aus und wird in der nachfolgend entbrannten Diskussion über die moderne Theorie der Gesamthand auch kaum zitiert. 81 

Zur Diskussion in dieser Zeit, s. o., Rn.  152 ff. S. o., Rn.  154 f. 83  Stobbe, VetragsRGesch (1855), S.  149. 84  Dietzel, WHRArch 7 (1858), 50, 66. 82 

288 360

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

Die Geburtsstunde der modernen Gesamthandtheorie und mit ihr der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand kann mit dem Beitrag Kuntzes im Jahre 1863 zeitlich präzise bestimmt werden. Damit sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass die Gesamthand als dogmatische Konstruktion bei der Redaktion des ADHGB keine Rolle spielen konnte, genauso wenig in den zuvor formulierten Gesetzen und Entwürfen, welche Ansätze der gesellschaftlichen Verselbständigung kodifiziert haben, darunter die preußische Konkursordnung von 1855, der Frankfurter Entwurf eines HGB und insbesondere das Preußische Allgemeine Landrecht. Der Rechtswissenschaft war der Begriff der gesamten Hand in diesen Epochen lediglich im Sinne der Gesamtbelehnung oder, ab den 1840er Jahren, im rechtsgeschichtlichen Sinne auf Grundlage der Arbeiten Eulers, Homeyers und Stobbes geläufig. Eine Verbindung zwischen diesen Rechtsfiguren und den besonderen Merkmalen der Handelsgesellschaft war bis zu diesem Zeitpunkt nicht gezogen worden. Es lohnt sich, diesen Punkt zu unterstreichen, wenn man liest, die „Regelung der Gesellschaft im Preußischen Allgemeinen Landrecht folgte im Grundgedanken dem Gesamthandprinzip“ und eine „frühe gesetzliche Regelung des Gesamthandsprinzip findet sich ferner in den Art.  119 bis 122 ADHGB von 1861 für das Recht der OHG“.85 Rechtfertigen lassen sich diese Feststellungen nur, wenn man den Gesamthandbegriff als eine spätere Wortschöpfung versteht, welche rückblickend zur Qualifizierung der Besonderheiten von Gesellschaften in den betreffenden Vorschriften angewendet wird.86 Doch gerade der innovative Charakter der modernen Gesamthand wird dadurch verschleiert, dass der gewählte Begriff in anderen Zusammenhängen, insbesondere des Lehnrechts, durchaus auf eine lange rechtshistorische Tradition zurückblicken kann. 2)  Der Beitrag Kuntzes zu den Handelsgesellschaften (1863) a)  Bedeutung und Vorgehensweise im Beitrag

361

Im Jahre 1863 veröffentlicht Kuntze einen Aufsatz zum „Prinzip und System der Handelsgesellschaften“.87 Dieser Artikel ist in der rechtsgeschichtlichen Literatur zur Gesamthand vergleichsweise wenig beachtet worden,88 liefert aber vermutlich den entscheidenden Baustein in der Dogmengeschichte der modernen Gesamthand. Es handelt sich um die erste grundlegende Studie, die diesen 85  Alberts, GbR (1994), S.  90; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht Lehrb. I (1980), §  5, S.  244. 86  Erkannt hat dies bereits Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  160. 87  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177 ff. 88 Erwähnung findet Kuntze weder bei Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  46 ff., 63 ff., noch bei Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  168 ff., 183 ff., noch bei Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  166 ff., 179 ff.; immerhin würdigt Adler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695, 712, dass Kuntzes Verdienst „in der erstmaligen Anwendung des Gedankens der gesammten Hand auf die Handelsgesellschaft“ liege.

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 289

Begriff nicht nur rechtshistorisch verwendet, sondern zur Deutung einer Rechtsfigur des geltenden Rechts heranzieht, welche in der geschichtlichen Entwicklung nie ernsthaft mit ihr in Berührung gekommen war. Beachtlich ist außerdem, dass Kuntze selbst in der Literatur nicht als „Germanist“ gesehen wird, sondern als „Romanist“, der juristische Fragen freilich nicht nur über römische Rechtsquellen, sondern auch „aus den thatsächlichen Verhältnissen heraus“ beantworte.89 Im Fokus der Arbeit steht u. a. die Personengesellschaft des Handelsrechts, welche Kuntze mit der Figur der gesamten Hand verknüpft. Die von ihm vertretenen Grundsätze erarbeitet er zum größten Teil selbst; hilfsweise stützt er sie auf die mittelalterliche gesamte Hand des Lehnrechts, wie sie von Homeyer vorgetragen worden war, dessen Schrift zum Sachsenspiegel Kuntze wiederholt zitiert. Auch Stobbes Studie zur historischen schuldrechtlichen gesamten Hand zieht Kuntze heran, freilich in einem etwas geringeren Maße als die Beiträge Homeyers. Eulers Schriften und die nachfolgender Autoren zur mittelalterlichen eherechtlichen gesamten Hand werden hingegen nicht berücksichtigt und scheiden als Impulsgeber für Kuntzes Thesen offenbar aus. Mit seinem Beitrag zeichnet Kuntze erste Konturen einer modernen Gesamthandtheorie, die im Wesentlichen mit ihrem heutigem Verständnis vergleichbar ist. Da sein Aufsatz aber die Handelsgesellschaft zum Gegenstand hat, nennt er andere Personengemeinschaften nur, soweit dies zum Verständnis der Figur der gesamten Hand zweckmäßig ist. b)  Kuntzes Thesen zur allgemeinen Rechtsnatur der gesamten Hand Von handelsrechtlichen „Kollektivgesellschaften“ ausgehend, erklärt Kuntze: 362 „Wir gründen beide auf das Prinzip der conjuncta manus“, denn für die größeren Verbände „eignet sich der von der sinnlichen Vorstellung eines gegliederten Organismus hergenommene Ausdruck ‚Körperschaft‘, für die kleineren existirt der technische Ausdruck conjuncta manus (juncta oder par manus, samende, gesamende oder gesambte Hand), welchen wir in den Quellen des Mittelalters in häufiger Anwendung antreffen“.90 Kuntze beruft sich darauf, dass „der Germane […] in der Familie nicht zuerst die einzelnen Personen, sondern das Ganze, das Haus, den ungetheilten Organismus“ sah: „[Wo] nur immer eine Mehrheit von Personen sich rechtlich verband, erblickte man zuerst das Einheitliche, das Ganze des Verbandes, in welchem man die Einzelnen unterschiedslos […] aufgehen ließ; dieselben galten im Umkreis ihrer Verbindung als Eine Person […], als eine Körperschaft im Kleinen gerade wie die Familie, das ‚Haus‘“.91 Im Gegensatz dazu sei den Römern „der allen Naturvölkern eigne Sinn für organische Einheit und Gliederung frühzeitig verloren gegangen“; die „societas war 89 

So lobend Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207. Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 208 f. 91  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 209. 90 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

ein obligatorisches Band, in welchem die Selbständigkeit der socii und die Getrenntheit ihrer Vermögenssphären durchaus unangetastet blieb […]. Es würde daher ganz falsch seyn, die conjuncta manus mit der römischen societas zusammenzuwerfen. Die conjuncta manus ist nicht bloß eine äußerliche, durch die Gemeinsamkeit des Objekts gegebene, sondern eine subjektive persönliche Einheit und zwar eine die Person an sich und unmittelbar ergreifende Einheit, folglich eine solche Vereinigung, wodurch die Vereinigten als Ein Rechtssubjekt in Ansehung des oder der betreffenden Rechtsverhältnisse erscheinen“.92 Kuntze stimmt Stobbes Beobachtung aus dessen Vertragsrechtsgeschichte93 zu, dass dieses Einheitsprinzip der gesamten Hand auch das Schuldrecht erfassen könne, macht aber geltend, dass es sich hierauf nicht beschränke, da man sie vielmehr auch im Handelsrecht antreffe: „[D]enn während in den anderen Theilen des Privatrechts die Gesammtheit hauptsächlich auf einzelne Rechtsverhältnisse angewendet ward, zeigte sich in der Kollektivfirma eine Verbindung für eine ganze abgesonderte Vermögenssphäre, (universitas bonorum)“.94 In der Folge hebt Kuntze hervor, dass die gesamte Hand kein „so einfaches und scharfliniges Rechtsprinzip“ sei wie die Verpflichtung mehrerer Schuldner oder die Bruchteilsgemeinschaft, dass aber immerhin gesagt werden könne, dass bei Letzteren „die Vereinigung nur im Objekt“ liege, hingegen „bei der conjuncta manus hauptsächlich im Subjekt; die Construktion muß daher hier vom Subjekt ausgehen. Der Grundsatz lautet: es ist Ein Subjekt, aber mehrere Organe dieses Subjekts. Nach Außen erscheint die Mehrheit lediglich als Einheit; im Innern, d. h. im Verhältnis der Gesellschafter zueinander können verschiedene Ordnungen gedacht werden; so streng die Einheit nach Außen festgehalten wird, so elastisch erscheint die innere Seite des Rechtsbandes“.95 Als Beispiel für jene Elastizität der Gesamthand zieht Kuntze die von Homeyer beobachtete rechtliche Ausgestaltung der mittelalterlichen gesamten Hand des Lehnrechts heran, in der Art, „daß entweder einer der Beliehenen die Gewere hat, oder alle eine gemeine und gleiche Gewere erhalten, oder ihnen ungleiche Geweren eingeräumt werden“.96 Wer nun in Kuntzes Gesamthandtheorie Parallelen zur juristischen Person sieht, wird sogleich korrigiert: „So tritt die Handelsgesellschaft als eine gegliederte aber geschlossene Einheit, nach Art einer Familie, auf, wohl zu unterscheiden von einer juristischen Person; denn es handelt sich dabei zunächst gar nicht um eine Vermögenssphäre, sondern um ein persönliches Band: sie ist ein Gesammthänderband in Betreff einer Firma. Auch die Firma ist nicht als eine juristische Person im gewöhnlichen Sinn anzusehen, sowenig als der Sklave im Röm. Recht eine selbständige Persönlichkeit hatte. 92 

Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 210 f. Zu Stobbes Thesen, s. o., Rn.  352 ff. 94  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 211. 95  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 212 f. 96  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 213. 93 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 291

Die Firma repräsentiert zwar ein abgesondertes Vermögen, aber dieses bleibt immer abhängig von der Persönlichkeit der Gesammthänder, sie ist daher gleich dem peculium nur relativ selbständig“.97 Sodann kritisiert er Ladenburgs Schlussfolgerung, dass die Fähigkeit, Rechte zu haben und Verbindlichkeiten ausgesetzt zu sein, zwangsläufig zur Rechtspersönlichkeit der betreffenden Rechtseinheit führe.98 Tatsächlich habe der Gesetzgeber des ADHGB in der die OHG betreffenden Vorschrift des Art.  111 ADHGB, anders als bei den Aktiengesellschaften, auf das Wort „selbständig“ verzichtet. In Analogie zum römischen Recht sieht Kuntze zwar ein, dass ein „patrimonium“ die Rechtspersönlichkeit dessen Trägers bedürfe, die Handelsgesellschaft habe ein solches aber gerade nicht, sondern lediglich ein „peculium“.99 Die Ideen Kuntzes über die Rechtsnatur der Gesamthand und ihre Anwen- 364 dung auf die Gesellschaft gehen weit über das hinaus, was in den Schriften Homeyers und Stobbes zu deren Konzeption der gesamten Hand vertreten wurde. Die auffälligste Innovation ist überhaupt die Heranziehung der gesamten Hand als Grundlage der Handelsgesellschaft des geltenden Rechts. Mit Ausnahme der kurzen Erwähnung Dietzels im Jahr 1858100 war dieser Zusammenhang zuvor augenscheinlich von keinem anderen Autor in Betracht gezogen worden. Auch inhaltlich sind die Thesen Kuntzes neu. Wenn er die Gesamthand in dem Artikel zwar in erster Linie an dem Beispiel der Handelsgesellschaft erprobt, geht er dennoch von einem universellen Gesamthandbegriff aus, der, nach seinem Verständnis, das Leben der „Germanen“ überhaupt geprägt habe. Nicht weniger beachtenswert ist die Verknüpfung der gesamten Hand mit einer eigenen nach außen hin wirkenden Subjektivität, die auf den in der gesellschaftsrechtlichen Debatte der damaligen Zeit als Reizwort empfundenen Ausdruck „juristische Person“ verzichten kann. Von Bedeutung ist weiter Kuntzes Verwendung der gesamten Hand als dog- 365 matische Grundlage der Absonderung einer eigenen – wenn auch nur unvollkommen verselbständigten – Vermögenssphäre. Solche Gedanken finden sich nicht bei Stobbe im Zusammenhang mit dessen historischen schuldrechtlichen gesamten Hand und noch weniger bei Homeyers mittelalterlichen gesamten Hand des Lehnrechts. Interessanterweise weist die von Kuntze vertretene Absonderung eines Sondervermögens auf der Grundlage der Gesamthand am ehesten Parallelen mit Eulers gesamter Hand des mittelalterlichen Eherechts auf, doch dessen Erkenntnisse berücksichtigt Kuntze gerade nicht. In den Einzelheiten ist die Argumentation Kuntzes durchaus geschickt. Wenn er von einem abgesonderten Vermögen spricht, verhindert er so die gleichzeitige Entstehung einer eigenen Rechtsperson, die als dessen Träger fungiert, dadurch, dass 97 

Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 214 f. Zur betreffenden Argumentation Ladenburgs, s. o., Rn.  193. 99  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 215. 100  S. o., Rn.  359. 98 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

er jenem Vermögen nicht den Charakter eines patrimonium verleiht, sondern den eines von den Persönlichkeiten der Gesamthänder unselbständigen Sondervermögens: eines peculium. Dieses wohlbekannte römischrechtliche Institut eignete sich gut dazu, ein abgesondertes Vermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit denkmöglich zu machen: 101 Im antiken römischen Recht stand es dem Hauskind oder dem Sklaven als unselbständiges Vermögen zu, ohne ihren Trägern – solange der Hausvater lebte bzw. bis die Freilassung erfolgte – die Rechtsfähigkeit zu gewähren. Die Analogie zum Handelsgesellschaftsrecht des ADHGB musste insbesondere deshalb attraktiv wirken, weil auch das römische Recht eine gewisse Vermögensabsonderung des peculium vorsah. So konnte der Gläubiger eines peculium das Vermögen des Hausvaters nur bis in Höhe des rechnerischen Werts der im peculium befindlichen Vermögensgüter belangen.102 c)  Die gesamte Hand Kuntzes zur Deutung der Besonderheiten der Handelsgesellschaften 366

Aus den von ihm aufgestellten Grundsätzen der Gesamthand leitet Kuntze bestimmte Besonderheiten der Handelsgesellschaft ab und unterscheidet dabei zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis. Aus der „Außenseite des Bandes“ folge zunächst die in Art.  112, 165 ADHGB geregelte solidarische Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Firma.103 Dabei stellt Kuntze klar, dass der Gläubiger für die gesamte Summe sowohl in das Gesellschaftsvermögen als auch in die Privatvermögen der Gesellschafter vollstrecken könne und dass jeder neu in die Gesellschaft eintretende Gesellschafter gemäß Art.  113 ADHGB auch für Altschulden der Gesellschaft hafte.104 Außerdem folge aus jenen Grundsätzen, dass alle Gesellschafter „Organe der Firma oder Gesellschaftsvertreter“ seien und daher, jeder allein, die Firma unmittelbar berechtigen und verpflichten könne.105 Aus der „Innenseite“ ergebe sich hingegen, „daß der einzelne Gesellschafter nicht getrennt über seinen Antheil verfügen kann, also keine freie Veräußerungsbefugnis für sich hat, denn die Firma mit dem ungetheilten Handlungsvermögen bildet das Substrat der persönlichen Vereinigung der Gesammthänder und deren Verhältniß ist ein streng persön­ liches“.106 Ferner nennt Kuntze das Wettbewerbsverbot der Gesellschafter, das 101  Die Idee der Analogie des peculium und des abgesonderten Gesellschaftsvermögens zuvor auch von anderen Autoren vertreten worden, s. etwa Bekker, ZHR 4 (1861), S.  499. 102  Ulpian, Dig. 15, 1, 30 pr.; dazu Kaser, RPR I 2 (1971), §  141, S.  606 f.; weitere Möglichkeiten des Gläubigerschutzes lassen sich – außer für den besonderen Fall des militärischen Sonderguts (peculium castrense) – aus römischrechtlichen Quellen offenbar nicht herleiten, s. Fleckner, Kapitalvereinigungen (2010), S.  422 ff. 103  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 213. 104  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 213. 105  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 213 f. 106  Kuntze, ZHR 6 (1863), S.  177, 214.

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 293

Auskunftsrecht in Bezug auf die Gesellschaftsbücher und die im Zweifel jedem Gesellschafter zustehende Geschäftsführungsbefugnis gemäß Art.  102 ADHGB (i. V. m. Art.  99 f. ADHGB). Letzteres Wesensmerkmal führt Kuntze dabei auf eine Analogie aus der gesamten Hand des mittelalterlichen Lehnrechts zurück, wonach allen Gesamtbelehnten die gleiche Gewere an dem belehnten Gut zustehe. 3)  Der Beitrag Stobbes zur allgemeinen rechtshistorischen Gesamthand (1864) a)  Bedeutung und Vorgehensweise Stobbes Beitrags Stobbe wird sich sehr lobend zum Beitrag Kuntzes äußern: „Kuntze hat das 367 Verdienst, in seinen neulichen Abhandlungen […] die Bedeutung der gesammten Hand hervorgehoben zu haben“; insbesondere bestechend erscheint Stobbe Kuntzes Versuch, „in einer für den Germanisten sehr erfreulichen Weise, die Begriffe des ältern deutschen Rechts auch für unser modernes Recht fruchtbar zu machen“.107 In seinem Aufsatz „Miteigenthum und gesammte Hand“ wird Stobbe, insoweit der Vorgehensweise Kuntzes folgend, eine Konzeption der Gesamthand zu präsentieren suchen, die sich nicht auf bestimmte Rechtsfiguren beschränkt, sondern einen universalen Anspruch erhebt und in zahlreichen Gestaltungsformen zu finden ist. Die Studie Stobbes setzt sich hingegen insofern von der Initiative Kuntzes ab, als sie den Begriff der gesamten Hand zwar als bestimmenden Überbegriff wählt, in den entscheidenden Passagen aber seltener verwendet und auch gerne die Bezeichnung Gesamteigentum als Synonym gebraucht,108 ferner von der „Personeneinheit“109 oder allgemein vom „deutschen Recht“ spricht. Beachtenswert ist dabei, dass Stobbe, anders als Euler und Kuntze, sich ausdrücklich dafür rechtfertigt, dass er den Begriff der gesamten Hand nicht nur quellenabhängig, sondern konzeptbezogen verwendet: „Im allgemeinen werden wir aber doch regelmäßig da die gesammte Hand annehmen dürfen, wo es besonders hervorgehoben wird, daß die Mehreren ungetheilt, gemeinschaftlich, zusammen u. s. w. berechtigt sind“.110 Trotz Stobbes Anspruch, die gesamte Hand auch als Konzept des geltenden 368 Rechts zu gestalten, weist sein Beitrag eher in die Rechtsgeschichte als Kuntzes Ausführungen; Stobbe berücksichtigt eine deutlich höhere Zahl historischer 107 

Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 208. Grundsätzlich unterscheidet Stobbe den Begriff „Gesamteigentum“ von dem der „gesamten Hand“, da Letzterer nicht nur das Sachen-, sondern auch das Schuldrecht betreffe und damit umfassender sei, s. Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 212, 214, doch in der Folge verwendet er beide Ausdrücke oft wie Synonyme, s. etwa S.  216, wobei er den technischen Charakter des Begriffs „Gesamteigentum“ dadurch abschwächt, dass er diesen mit einem unbestimmten Artikel qualifiziert. 109  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 219. 110  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 223. 108 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

Quellen, verzichtet aber auf eine mit Kuntzes Erkenntnissen vergleichbare Dogmatik. Stobbes allgemeine Thesen zur Gesamthand kommen letztlich auch weniger klar zum Ausdruck. Anders als Kuntze beschränkt sich Stobbe nicht auf ein Rechtsinstitut, auf welches er die Anwendung seiner Gesamthandgrundsätze erprobt. Die von ihm genannten Figuren stellen nur Beispiele dar, die Stobbe zur Illustrierung seiner Gesamthandtheorien heranzieht, nicht aber anhand der Gesamthand umfassend untersucht. Stobbes Beitrag ist damit weniger vollendet und der Zugang zu seinen Thesen weniger praxisorientiert. Dennoch wird er in der Folge öfter zitiert als der Aufsatz Kuntzes. Das mag nicht nur daran liegen, dass Stobbes Artikel ganz der gesamten Hand gewidmet ist und diesem auch in der Überschrift vorsteht. Möglicherweise hat vor allem die Tatsache eine Rolle gespielt, dass sich Stobbe, anders als Kuntze, auch in späteren Publikationen eingehend mit der Idee der modernen Gesamthand auseinandersetzen wird.111 b)  Stobbes Feststellungen zu den allgemeinen Merkmalen der Gesamthand 369

Ein zentrales Merkmal der gesamten Hand sieht Stobbe – der alten Theorie des Gesamteigentums nicht unähnlich – in der Abwesenheit ideeller Quoten. Daran erinnernd, dass er die historische schuldrechtliche gesamte Hand bereits zum Gegenstand einer früheren Untersuchung gemacht habe, sei es nun sein „Bestreben nachzuweisen, daß im deutschen Recht mehrere Personen an derselben Sache Miteigenthum haben können, daß es aber auch Fälle giebt, in denen für das Verhältnis der mehreren Subjekte die römischen Regeln nicht überall zutreffen und das Miteigenthum zu ideellen Quoten keine befriedigende Konstruktion gewährt“.112 Wie bereits Kuntze vor ihm113 macht Stobbe freilich geltend, dass für ein „Gesammteigenthum“ keine „bestimmte[n], unabänderliche[n] Regeln zur Anwendung“ gebracht werden können: 114 „Das Gesammteigenthum, die gesammte Hand des deutschen Rechts ist ein unklares, weniger präcises Institut, als das römische Miteigenthum“.115 Zudem finden sich durchaus Fälle, in welchen „reines Gesammteigenthum“ vorliege, doch gebe es auch „viele andere Fälle, in denen das Gesammteigenthum durch dem Miteigenthum entsprechende Sätze und Bestimmungen mehr oder weniger modifiziert und dadurch diesem Begriffe näher gebracht ist“.116 Daraus folge, „dass das Eigenthum der mehreren Personen sich bald als Eigenthum an ideellen Quoten, bald auch ohne diese Sonderung zu erkennen giebt“.117 111 

S. u., Rn.  411. Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 211 f. 113  S. o., Rn.  363. 114  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 213. 115  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 216. 116  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 213. 117  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 213. 112 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 295

Mit dem ähnlichen Argument wie Kuntze, der die Gesamthand von der 370 Bruchteilsgemeinschaft unterschieden hatte,118 grenzt Stobbe die gesamte Hand vom römischen Miteigentum ab, indem er auf die Bedeutung der subjektiven Seite verweist: „In den Fällen nun aber, in welchen das deutsche Recht eine gesammte Hand kennt, wird das Rechtsverhältniß durch seinen sachenrechtlichen Inhalt nicht erschöpft, sondern findet neben demselben regelmäßig noch eine, über die Verbindung durch das Objekt hinausgehend, Zusammengehörigkeit der Personen statt. Wo die Berechtigten bereits durch persönliche Bande, welche sie als zu einander gehörig erscheinen lassen, verbunden sind, verschmäht man es geradezu, sie mit Rücksicht auf das ihrer Herrschaft unterworfene Objekt als gesondert zu denken und jedem von ihnen ein von dem der übrigen abgetrenntes Recht zuzuschreiben“.119 Dem gleichen Gedanken folgend, und dabei auch auf die Möglichkeit einer Vermögensabsonderung oder zumindest -neubildung hinweisend, fährt er fort: „Der Gegensatz, welcher hier zwischen deutschem und römischem Recht besteht, läßt sich allgemeiner auch dahin angeben, daß nach römischem Recht die Vermögenssphäre jedes einzelnen Rechtssubjekts genau bestimmt und von der aller übrigen Individuen abgegränzt ist, nach deutschem Recht hingegen, wenn die Innigkeit der Familienoder sonstigen persönlichen Verhältnisse mehrere Individuen mit einander enge verbindet, nur das der Gesammtheit zustehende Recht seine feste Abgrenzung nach außen hin empfängt, und die Art, wie innerhalb der Vereinigung die einzelnen sich mit ihren Ansprüchen, Nutzungen und Berechtigungen gegen einander verhalten, nicht dem Recht und dem Buchstaben des Gesetzes unterworfen, sondern der Sitte, der Autorität, der Pietät, resp. dem guten Willen der Einzelnen überlassen wird“.120 Anders als Kuntze qualifiziert Stobbe die von der Gesamthand gebildete Personenmehrheit zunächst nicht als „Subjekt“, sondern bleibt in deren Einordnung vage.121 Ein „abgetrenntes Recht“ stehe jedem einzelnen Gemeinschaftsmitglied jedenfalls nicht zu. Nicht weiter vertieft wird, ob jedem einzelnen Gemeinschaftsmitglied überhaupt ein eigenes Recht an den Gemeinschaftsobjekten zusteht und welche Qualität ein solches Recht haben könnte. Tatsache ist jedenfalls, dass die Berücksichtigung der Personenverbindung in der Ausgestaltung der Theorie der gesamten Hand geeignet war, der Kritik auszuweichen, welche in den Jahrzehnten zuvor die Figur des Gesamteigentums zu Fall gebracht hatte. Der Einwand, dass mehrere Personen nicht in der Weise Eigentümer einer Sache sein können, dass jeder es im Ganzen sein Eigen nennen darf, verliert seine Wirkung, wenn nicht „mehrere Personen“, sondern eine durch eine „persönliche Bande“ geprägte „Zusammengehörigkeit 118 

S. o., Rn.  363. Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 214. 120  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 214. 121  Eine Subjektivierung nimmt er aber im Zusammenhang mit der lehnrechtlichen gesamten Hand vor, s. u., Rn.  376. 119 

296

371

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

der Personen“ als Zuordnungssubjekt der betreffenden Sache als Ganzes benannt wird. Dieser Brückenschlag zwischen dem Vermögen und dessen Träger ist gegenüber dem alten Begriff des Gesamteigentums eine Neuerung und hat möglicherweise zu der besonderen Attraktivität der neuen Theorie der gesamten Hand maßgeblich beigetragen.122 Anzumerken ist schließlich, dass Stobbe zwar nicht in seinem „allgemeinen Teil“ der Gesamthand, aber in seiner nachfolgenden Untersuchung der verschiedenen Gesamthandfiguren ein weiteres Gesamthandmerkmal nennen wird, welches für die weitere Entwicklung der Gesamthanddogmatik nicht unwichtig ist: die Anwachsung bei Wegfall eines Gesamthänders.123 c)  Stobbes Anwendung der Gesamthandgrundsätze auf verschiedene Personenzusammenschlüsse

372

Stobbe sieht bestimmte Eigenschaften der gesamten Hand in verschiedenen Personenzusammenschlüssen zum Ausdruck kommen. Er untersucht die eheliche Gemeinschaft, die Gesamtbelehnung, die Erbengemeinschaft und weitere Personengemeinschaften. aa)  Gesamthand und Ehegemeinschaft

373

Im altdeutschen ehelichen Güterrecht identifiziert Stobbe das Fehlen eines Quotenanteils, die Entstehung eines gemeinsamen Vermögens und Ansätze einer Personifizierung der Gemeinschaft als Merkmale der gesamten Hand: 124 [Hier] werden beide Vermögensmassen vereinigt, sei es daß sie blos während der Ehe zusammenbleiben und der gleichmäßigen Disposition des Mannes unterworfen sind, sei es daß sie für immer zusammenfließen und das Subjekt des Eigenthums verändert wird. In diesem letztern Falle ist weder der Mann noch die Frau Eigenthümer des gemeinschaftlichen Vermögens, sondern es sind es beide zusammen. Es hat aber nicht etwa der Mann die Hälfte und die Frau die andere Hälfte, es besteht auch keine andere Quotentheilung, sondern ohne genaue Abgrenzung gehört das Vermögen ihnen zusammen. Um über dasselbe zu disponiren, wird nun nicht etwa überall ein gemeinsames Handeln verlangt, auch ist nicht ein Ehegatte im allgemeinen der Disponent, sondern im Anschluß an das natürliche Verhältnis vertritt der Mann nur in den wichtigsten Verhältnissen das gemeinschaftliche Vermögen und giebt es auch einen Kreis, in welchem die Frau die selbständige Verfügung behält.

Diese Passage liegt in der Kontinuität der Thesen, die bereits von Justus Veracius und den diesem nachfolgenden Autoren des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts zur Idee des Gesamteigentums verbreitet worden waren.125 Unter Berufung auf Dunckers Schrift zum Gesamteigentum126 – und letztlich auch auf 122 

So bereits F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  568. S. u., Rn.  377. 124  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 215. 125  Dazu o., Rn.  299 ff. 126  Zu Dunckers ablehnender Haltung zur Figur des Gesamteigentums, s. o., Rn.  309. 123 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 297

den Einwand Hasses aufbauend127 – verwahrt sich Stobbe zwar gegen die Denkmöglichkeit eines condominium plurium in solidum, also eines gemeinschaftlichen Eigentums, bei dem jeder Träger gleichzeitig Eigentümer der gesamten Sache ist.128 Wie in der Passage zur ehelichen Gütergemeinschaft ersichtlich, zieht er umgekehrt daraus aber nicht den Schluss, dass ein gemeinschaftliches Eigentum notwendigerweise ideelle Quotenanteile der jeweiligen Eigentümer voraussetzt. Jedenfalls präsentiert Stobbe in der Passage eine wesentliche Eigenschaft der Gesamthand, wie sie heute in der ehelichen Gütergemeinschaft allgemein erblickt wird: das gemeinschaftliche eheliche Vermögen, das von den evtl. noch weiterbestehenden persönlichen Vermögen der Ehegatten zu trennen ist. Stobbe lässt dieses Merkmal allerdings nicht mit besonderer Schärfe hervorstechen, insofern er die gesamte Hand auch dann für gegeben betrachtet, wenn in Wirklichkeit nur eine Verwaltungsgemeinschaft unter der „Geschäftsführung“ des Ehemannes vorliegt. Die Berücksichtigung der Ehegemeinschaft als ein von der Gesamthand ge- 374 prägtes Rechtsinstitut wirft die Frage auf, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Stobbes und der von Euler propagierten gesamten Hand129 bestehen. Am deutlichsten erscheint der universelle und der gegenwartsgerichtete Anspruch Stobbes Gesamthand. Euler grenzte seinen Gesamthandbegriff noch zeitlich, regional und thematisch ein: Dieser war auf vergangene Rechtsfiguren fränkischer Territorien des Eherechts beschränkt, während Stobbe, wie Kuntze vor ihm, die gesamte Hand als allgemeines Prinzip erkennen wollte, das das Eherecht zwar umfasste, sich aber nicht auf dieses beschränkte, und vor allem im geltenden Recht in gleicher Weise wie in vergangenen Rechtsinstituten zum Ausdruck kommen sollte. Soweit sich beide Konzeptionen thematisch überschnitten, also im Ehegüterrecht, kamen sie sich inhaltlich aber sehr nahe. Euler hatte bereits in seiner 1841 erschienenen Schrift die Verschmelzung zu einem einheitlichen Ehevermögen als ein wesentliches Merkmal der gesamten Hand hervorgehoben.130 In den Akzentsetzungen können freilich einige Unterschiede zwischen Eulers und Stobbes Konzeption gesehen werden: Für Euler – insofern der Linie Zoepfls und der alten Quellen folgend – charakterisierte besonders der Umstand die fränkische eherechtliche gesamte Hand, dass die Ehefrau zumindest in den wichtigen rechtlichen Entscheidungen mit einbezogen wurde, so dass etwa der Verkauf eines Grundstücks ohne ihre Zustimmung ausgeschlossen war. Bei Stobbe kommt dieses Merkmal hingegen schwächer zum Vorschein, sowohl bei seiner ehegüterrechtlichen Gesamthand als auch bei den anderen in der Folge untersuchten Rechtsfiguren. 127 

Zu Hasses Kritik, s. o., Rn.  307; Stobbe zitiert Hasse freilich nicht. Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 210. 129  Zu Eulers gesamten Hand des fränkischen Eherechts, s. o., Rn.  346 ff. 130  S. o., Rn.  348; freilich war dieser Schluss zumindest nicht ausdrücklich aus den von ihm untersuchten Quellen zu entnehmen. 128 

298 375

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

Auffällig ist, dass Stobbe weder Zoepfl noch die Werke Eulers noch die nachfolgender Autoren zur fränkischen gesamten Hand des ehelichen Güterrechts zitiert. Diese Tendenz ist charakteristisch auch für die Autoren, die in der Folge die Gesamthandtheorie Kuntzes und Stobbes weiter ausbauen werden. Es lässt sich nicht ausschließen, dass Stobbe von diesen Schriften keine Kenntnis hatte. Zum Zeitpunkt, zu dem Stobbes Aufsatz veröffentlicht wurde, hatte Euler allerdings bereits zwei grundlegende Beiträge zur fränkischen gesamten Hand verfasst, die von mehreren Autoren, darunter immerhin auch Paul Roth und sogar Georg Beseler, freundlich aufgenommen worden waren.131 Zu berücksichtigen ist ferner, dass Stobbe Eulers Bemühungen auch in seinen späteren Schriften nicht erwähnen wird, als ein Autor eigentlich kaum mehr an ihnen vorbeikam, so dass der Verdacht nicht ganz ausgeräumt werden kann, dass Stobbe andere Gründe hatte, Eulers Schriften zu ignorieren. Aufgrund der terminologischen und der inhaltlichen Nähe Stobbes ehegüterrechtlicher Gesamthand wäre es naheliegend gewesen, eine Fusion zwischen der alten fränkischen gesamten Hand Eulers und der universell ausgerichteten, die eheliche Gesamthand aber durchaus mit berücksichtigenden Theorie Stobbes zu versuchen. Ob trotz des Ausbleibens eines ausdrücklichen Bezugs auf Eulers Ideen diese einen Einfluss auf Stobbes Gedankengang gehabt haben, ist schwer zu beantworten. In Stobbes Artikel werden auch die von Zoepfl und Euler herangezogenen Quellen, insbesondere das Bamberger Stadtrecht, nicht berücksichtigt. Vielleicht hat Stobbe aus ihnen nicht die gleichen Schlüsse gezogen wie Euler. bb)  Gesamthand und Gesamtbelehnung

376

Stobbe hebt in seinen Ausführungen zur Belehnung mit gesamter Hand132 wie beim Ehegüterrecht das Fehlen einer Quotenteilung hervor.133 Es finden sich außerdem Ansätze einer Personifizierung der Gesamthandgemeinschaft: „In der Gesammtbelehnung liegt also die Constituirung eines Rechtssubjekts, welches sich von der juristischen Person dadurch unterscheidet, daß es von den mehreren Individuen nicht verschieden ist, sondern dieselben zusammenfaßt; es ist nicht eine Potenz von mehreren Individuen, sondern gewissermaßen nur ihre Summe. Die verschiedenen Personen verbinden sich nicht zu einem neuen Rechtssubjekt, sondern indem die Schranken ihrer Individualität als aufgehoben erscheinen, fließen sie in ein Rechtssubjekt zusammen“.134 An anderer Stelle hebt er als Rechtfertigung insbesondere hervor: „Bei Streitigkeiten um Lehen sollen nicht mehrere Gesammtbelehnte Zeugen sein; da sie mit Bezug auf ihr

131 

S. o., Rn.  350. Zu dieser alten Figur der gesamten Hand, s. o., Rn.  235 ff. 133  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 221. 134  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 219. 132 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 299

Lehen nur als eine Person gelten, so hat ihre Aussage nicht mehr Kraft, als das Zeugniß eines Zeugen“.135 Von besonderer Bedeutung ist weiter, dass Stobbe den Gedanken der An- 377 wachsung mit ins Spiel bringt, den er als Folge einer fehlenden Quotenteilung versteht: Falle einer der Mitbelehnten weg und gebe es keine Nachkommen, die zu seiner Repräsentierung herangezogen werden können, so werde das beliehene Gut von den übrigen Gesamthändern weitergeführt, ohne dass es einer erb­ rechtlichen Nachfolge bedürfe.136 Die Anwachsung wird Stobbe auch in weiteren Rechtsinstituten als typisches Merkmal der gesamten Hand erkennen. Bei Kuntze war dieser Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand nicht erörtert worden. Stobbe ist damit offenbar der erste Autor, die die Anwachsung mit der gesamten Hand in Verbindung gebracht hat. cc)  Gesamthand und Erbengemeinschaft Eine Innovation Stobbes ist die Einbeziehung der Erbengemeinschaft in die Fi- 378 gur der Gesamthand. Die Gemeinschaft der Miterben war in alten Quellen in ihrem Rechtsverhältnis nicht mit der Bezeichnung „gesamte Hand“ gekennzeichnet gewesen.137 Diesen Schritt wird Stobbe nun ausdrücklich gehen, ohne aber wirklich kenntlich zu machen, dass vor ihm kein Autor diesen Schritt gegangen ist: „Die Personen selbst, welche wir heut zu Tage Gesammthänder zu nennen pflegen, heißen in der mittelalterlichen Latinität coheredes, weil es einer der wichtigsten Anwendungsfälle ist, daß die mehreren Erben ungetrennt in der Erbschaft sitzen bleiben“.138 Den Einfluss des Gesamthandgedankens auf die rechtliche Ausgestaltung der Erbengemeinschaft sieht Stobbe insbesondere in der in manchen regionalen Quellen geregelten Einschränkung der Verfügungsbefugnis der Erben auf ihren Anteil, wenn die Miterben dem etwa widersprechen können oder ihnen zumindest ein Vorkaufsrecht zugesprochen wird.139 Auch andere wichtige Gesamthandmerkmale sieht Stobbe in der Erbenge- 379 meinschaft verwirklicht, insbesondere wieder die Anwachsung: 140 Hinterläßt aber der sterbende Gesammthänder keine Descendenz, so kommen die Grundsätze über das Erbrecht der weiteren Verwandten gar nicht zur Anwendung, sondern indem nur eines von den Individuen fortfällt, welche bisher die Genossenschaft 135 

Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 245. Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 238 ff., 243 f. 137 Dementsprechend konnte Heinrich Siegel in seiner 1853 erschienenen Monografie zum mittelalterlichen Erbrecht den Begriff „gesamte Hand“ weder aus alten Quellen entnehmen noch selbst zur Kennzeichnung der Erbengemeinschaft verwenden, s. etwa Siegel, Erbrecht (1853), S.  200 ff. 138  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 223. 139  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 224 f. 140  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 237 f. 136 

300

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

bildeten, tritt gar kein Erbfall ein. […] Es kommt nichts von dem Vermögen, welches bei einer Theilung dem Einzelnen zufallen würde, aus der Gemeinschaft an die etwaigen nächsten Erben des Verstorbenen, sondern es bleibt das Gut beisammen und es vergrößert sich das Recht der überlebenden nur in so fern, als die Zahl der Theilnehmer geringer geworden ist.

In einer anderen Passage erläutert Stobbe die Idee der Anwachsung weiter und lässt dabei wieder Ansätze einer Subjektivierung der Gesamthand erkennen: 141 Sehen wir von der Descendenten-Erbfolge ab, bei welcher die Kinder an Stelle ihres Parens treten und der Kreis der Gesammthänder sich eigentlich gar nicht erweitert, da die Kinder naturgemäß auch schon bei Lebzeiten des Parens durch denselben in diese Gemeinschaft aufgenommen waren, und wenn ihnen auch kein selbständiges Nutzungsrecht gebührte, doch unmittelbar durch ihren Vater an den Vortheilen der gesammten Hand Theil nahmen, so tritt beim Tode eines Gesammthänders nur eine Aenderung mit Bezug auf das berechtigte Subjekt ein. Und diese Aenderung ist, da die Mehreren nach außen hin als ein Subjekt erscheinen, auch für die außerhalb der gesammten Hand liegende Welt von gar keiner Bedeutung und keinen Folgen. Erst wenn der letzte Gesammthänder gestorben ist, ist das Subjekt dieses Vermögens fortgefallen und handelt es sich darum, wer nun nach den erbrechtlichen Grundätzen der nächste Erbe für dieses Gut ist.

dd)  Gesamthand und andere Rechtsfiguren 380

Stobbe wird gegen Ende seines Beitrags ferner bäuerliche Gemeinschaften untersuchen, die er ähnlichen Grundsätzen unterworfen sieht wie die Gesamtbelehnung.142 Die Gesellschaft, die bei Kuntze den Mittelpunkt seiner Gesamthandstudie gebildet hat, wird von Stobbe hingegen kaum angesprochen. Möglicherweise war für ihn mit Kuntzes Schrift, die er lobend zitiert,143 bereits alles gesagt. Allenfalls zu den Reedereien hält es Stobbe für erwähnenswert, dass diese nach dem Mehrheitsprinzip ausgestaltet sein können.144 Weitere Untersuchungen wird der Gütergemeinschaft unter Geschwistern oder anderen Personen zuteil, für welche ebenfalls eine Quotenteilung insofern ausscheide, als jeder die Sache nutzen könne, wie er sie brauche; auch sei charakteristisch, dass Zuwachs und Verluste allen gemeinschaftlich sei.145 Stobbe hält ferner die eingeschränkte Verfügungsbefugnis der Mitglieder fest.146

141 

Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 238. Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 247 f. 143  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 208. 144  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 225 f. 145  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 229 f. 146  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 334. 142 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 301

II.  Meilensteine der modernen Gesamthandtheorie in der Literatur Die Bemühungen Kuntzes und Stobbes zur Einführung einer allgemeinen The- 381 orie der Gesamthand werden schnell von anderer Seite aufgegriffen. Von manchen werden sie anekdotisch in einer Fußnote zitiert,147 bei anderen wird die Idee mit mehr Einsatz und eigenem Gestaltungswillen aufgenommen. 1)  Das Wohlwollen Beselers (1866) Beseler hatte in der im Jahre 1847 erschienenen ersten Auflage seines Systems 382 des gemeinen deutschen Privatrechts den Typus der „materiellen Rechtsgemeinschaft“ beschrieben, der in seinen Augen zwar keine Genossenschaft und damit auch keine Korporation bilde, aber in der inneren Bindung ihrer Mitglieder über die Bruchteilsgemeinschaft hinausgehe. Er hatte als Beispiel insbesondere die Gütergemeinschaft der Ehegatten zitiert.148 Auch die Handelsgesellschaft war im gleichen Atemzug genannt, dieselbe aber nicht in die Kategorie der juristischen Person, sondern in die einer modifizierten römischen communio eingeordnet worden.149 Soweit Beseler die Handelsgesellschaft im dritten Band seines Systems ausführlicher behandelt, geht er zwar auf die Verselbständigungsmerkmale derselben ein, die sie von der römischrechtlichen societas unterscheide, doch den Gesamthandbegriff verwendet er auch dort nicht.150 In dieser ersten Auflage rezipiert Beseler allenfalls Eulers Gesamthandbegriff des fränkischen Eherechts.151 Kuntzes und Stobbes Figur der modernen Gesamthand kann Beseler erst in der zweiten Auflage seines Systems berücksichtigen: 152 Es findet unter Mehreren eine materielle Rechtsgemeinschaft statt, welche für bestimmte Beziehungen die Grenzen ihrer Persönlichkeit aufhebt, und dieselbe gleichmäßig über die ihnen gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne daß jedoch ein neues, selbständiges Rechtssubject in der Vereinigung begründet wird. Ein solches Rechtsverhältnis, welches als die gesammte Hand, Gesammthand passend bezeichnet wird (Kuntze, in Goldschmidt’s Zeitschrift für Handelsrecht IV. S.  208 ff. – Stobbe, in der Zeitschr. für Rechtsgesch. IV. S.  208 ff.), stellt sich dar, wenn Mehrere ihre Güter zu einem Vermögen zusammen legen.

147 Etwa

W. Endemann, HandelsR (1865), §  33, S.  157, Fn.  14. Beseler, System I1 (1847), §  68, S.  359. 149  Beseler, System I1 (1847), §  68, S.  359 f. 150  Beseler, System III1 (1855), §§  2 21 f., S.  289 ff.; dazu auch Seif, Gesamthand, ZRG-GA 118 (2001), S.  302, 308. 151  Beseler, System II1 (1853), §  137, S.  409, mit ausdrücklichem Hinweis auf die Schrift Eulers, s. auch o., Rn.  350. 152  Beseler, System 2 (1866), S.  252; im alten lehnrechtlichen Sinn war die „gesamte Hand“ Beseler natürlich auch zuvor geläufig gewesen und auch verwendet worden, s. etwa Beseler, Volksrecht (1843), S.  168; Beseler, System II1, (1853), §  107, S.  214. 148 

302 383

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

Ob Beseler auch die „Handelsgesellschaft unter einer Firma“ der Gesamthand zuordnet, wird in diesen Passagen nicht klar. Einerseits behandelt er sie nicht innerhalb der „materiellen Rechtsgemeinschaften“, sondern ordnet sie in eine Sonderkategorie ein, zu der „deutschrechtliche Vereine“ gehören, „welche im Allgemeinen dem römischen Societätsbegriff entsprechen, bei denen sich aber doch eine entschiedene Hinneigung zur Corporation nicht verkennen läßt“.153 Andererseits stimmt er ausdrücklich Kuntzes Begriffsfindung zu, die die Handelsgesellschaft als Gesamthandgemeinschaft hervorgehoben hatte. Außerdem erkennt Beseler in den Handelsgesellschaften die Besonderheit an, dass sie u. U. unabhängig von einem Mitgliederwechsel seien und ein eigenes Gesellschaftsvermögen haben.154 Es wird in der späteren Literatur zur Geschichte der Gesamthand nicht richtig gewürdigt,155 dass Beseler allenfalls zur Verbreitung der modernen Gesamthand als terminologischer Bezeichnung beigetragen, diese aber weder als Erster herangezogen noch besonders geprägt hat. Nun ist richtig, dass Beseler seine „materiellen Rechtsgemeinschaften“ (eheliche Gütergemeinschaft und Erbengemeinschaft) sowie die Handelsgesellschaft als eigentümliche Rechtskonstruktionen bereits in den 1840er Jahren identifiziert hat, die er weder unter den Begriff der juristischen Person noch unter den der römischen communio fassen wollte.156 Eine solche Feststellung war aber, jedenfalls in Bezug auf die Gütergemeinschaft und die Handelsgesellschaft, alles andere als neu. Auch die Erkenntnis, es handele sich bei der Gütergemeinschaft um eine deutschrechtliche Entwicklung, war spätestens im 17. Jahrhundert gewonnen gewesen, etwa bei Justus Veracius.157 Allenfalls die Idee, auch die besonderen Merkmale der Handelsgesellschaft seien das Produkt altdeutscher Konstruktionen, erscheint insofern neu, als jene Merkmale zuvor, wenn überhaupt, auf südeuropäische Lehren oder sogar unmittelbar auf römischrechtliche Analogien gestützt worden waren; freilich scheint Beseler auch eine römische Abstammungslinie im Stammbaum der Handelsgesellschaft anzuerkennen, wenn er angibt, es handele sich um eine nach den Grundsätzen der Genossenschaft modifizierte communio.158 153 

Beseler, System 2 (1866), §  71, S.  253. Beseler, System 2 (1866), §  71, S.  253. 155  Die Rolle Beselers für die moderne Gesamthandtheorie wird überbewertet etwa von Blath, Societas (2010), S.  213; Coing, EuPR II (1989), S.  358; Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  62; Raiser, AcP 194 (1994), S.   495; Seif, Gesamthand, ZRG-GA 118 (2001), S.  302, 308; bei den älteren Autoren von Goesch, Ausscheiden (1900), S.  7; Hacman, ZHR 68 (1910), S.  439, 440; sogar bereits von Laband, ZHR 30 (1885), S.  469, 483. Zurückhaltender zur Rolle Beselers erscheinen freilich Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  39 ff., und J. Schröder, Qu. Fior., 11/12, 1 (1982/83), S.  399, S.  399, 414 ff. 156  S. o., Rn.  322 ff. 157  S. o., Rn.  299 ff. 158  Beseler, System I1 (1847), §  68, S.  359 f. 154 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 303

Nicht ganz unschuldig an der Beseler fälschlich zugewiesenen Vaterschaft 385 der modernen Gesamthandtheorie ist vermutlich sein Schüler Otto Gierke, dessen folgender Ausspruch kaum aufrecht erhalten werden kann: „Die Erneuerer der germanistischen Verbandsauffassung (zuerst Beseler und Bluntschli) führten die deutschrechtlichen Begriffe der gesamten Hand und der Genossenschaft ein und brachen endlich der Auffassung Bahn, daß die Handelsgesellschaften teils Gesellschaften, teils Körperschaften […] seien“.159 Ebenso erscheint Flumes Äußerung, auf „Grundlage der Arbeiten Georg Beselers ist die deutsch­ rechtliche Gesamthandslehre vor allem von Otto von Gierke herausgearbeitet worden“,160 zumindest klarstellungsbedürftig. Als deutlich überzogen muss auch Buchdas Erklärung gelten, „man behauptet kaum zuviel, wenn man sagt, erst Georg Beseler habe [es] im Wesentlichen geleistet“, zwischen den maßgeblichen Rechtsverhältnissen „den inneren Zusammenhang herzustellen und sie einem spezifischen Gesamthandbegriffe unterzuordnen“.161 Nicht aufrecht erhalten werden kann ferner Coings Feststellung, „[e]rst die Germanisten Bluntschli, Beseler und Gierke entwickelten im Zusammenhang mit der der älteren Genossenschaftstheorie die [Gesamthandlehre] neu“.162 In Wirklichkeit hat Beseler noch nicht einmal versucht, sich die Urheberschaft des modernen Gesamthandbegriffs zuzueignen, sondern nur anerkannt, dass das betreffende Rechtsverhältnis als gesamte Hand „passend bezeichnet wird“ – und zwar von Kuntze und Stobbe, die er ordnungsgemäß zitiert.163 Beseler hat sich dieser Entwicklung 1866 in der zweiten Auflage seines Systems lediglich angeschlossen. In der Vorauflage hatte er im Zusammenhang mit der ehelichen Gütergemeinschaft und den Vergabungen von Todes wegen ausschließlich die weniger schlagkräftige Bezeichnung der „materiellen Rechtsgemeinschaften“ benutzt. Erst in der zweiten Auflage taucht der Ausdruck „gesammte Hand, Gesammthand“ als alternative und in Beselers Augen durchaus willkommene Bezeichnung auf.164 Diese Sichtweise wird sich in der dritten (1873) und vierten (1885) 159  Gierke, Grundzüge HandelsR (1904), §  33, S.  929 f.; jene Erklärung Gierkes ist umso irreführender, als sie Beseler und Bluntschli in Opposition zu Kuntzes Schriften stellt, obwohl dieser in Wirklichkeit der erste Autor war, der den Gesamthandbegriff in Verbindung mit der Handelsgesellschaft verknüpft hat, s. o., Rn.  366 ff. 160  Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 185 = Flume, BGB AT I.1 (1977), §  4, S.  52. 161 S. Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.   16; s. auch S.  166: „Die deutsche Gesamthandlehre wäre vielleicht für längere Zeit etwas Zersplittertes und Unübersichtliches geblieben, hätte nicht ein Mann wie Georg Beseler ihr Geschick mit starker Hand gestaltet“. 162  Coing, EuPR II (1989), S.  358, mit Bezug auf das Werk Buchdas. 163 Auch Eulers fränkische eherechtliche gesamte Hand zitiert Beseler nach wie vor, s. Beseler, System 2 (1866), §  141, S.  594. 164  Immerhin erkennt Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  171, dass Beseler „die Gesamthand allerdings erst in dem ‚System des gemeinen deutschen Privatrechts‘ ausdrücklich als Rechtsprinzip“ bezeichnet habe, die Autorin schreibt aber auch, in Beselers 1835 erschienenem Werk „Die Lehre von den Erbverträgen“ bestehe „noch kein Unterschied zwischen Gesamthand und Genossenschaft“ (Ascheuer, a. a. O., S.  169) und dass in derselben Schrift „Begriffe wie Korporation, Genossenschaft und Gesamthand ineinander über-

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

Auflage nicht ändern, die die Passage der zweiten Auflage zur Einordnung der „materiellen Rechtsgemeinschaft“ (alias „Gesammthand“) wortgleich übernehmen.165 2)  Gierkes Gesamthandbegriff im zweiten Band des „Genossenschaftsrechts“ (1873) 386

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Im 1868 erschienenen ersten Band seines Genossenschaftsrechts erkennt Gierke den Gesamthandbegriff lediglich im alten lehnrechtlichen Kontext an.166 Zwar nimmt er den Vorschlag Kuntzes zur Kenntnis, die Gesamthand zu einem allgemeinen Rechtsbegriff des geltenden Rechts auszugestalten. Gierke macht sich diese Auffassung aber nicht zu eigen, sondern begnügt sich mit der Feststellung, es würden „Andere“ zur Bestimmung der Natur der Gesellschaft an die „deutsche Gesammthand“ anknüpfen.167 Erst im zweiten Band seines Genossenschaftsrechts spricht sich Gierke zugunsten einer allgemeinen Gesamthandtheorie aus. Unter Bezugnahme auf Stobbe und Kuntze wird er dafür eine sehr umfangreiche Untersuchung des Themas vorlegen, die grundsätzlich erst einmal rechtshistorisch ausgerichtet ist. In einem Abschnitt seiner Schrift168 geht er der Frage nach, in welcher Hinsicht manche deutschrechtlichen Rechtsgemeinschaften zwar eine geringere Fusionskraft aufweisen und deshalb nicht zu den Körperschaften bzw. Genossenschaften zählen, wie sie in der geschichtlichen Entwicklung vom genossenschaftlichen Gedanken aber zumindest so beeinflusst wurden, dass sie dennoch eine innere Verbundenheit charakterisiert, die sie von der römischrechtlich inspirierten Bruchteilsgemeinschaft unterscheidet: „Während da, wo einfache Mitberechtigung oder Mitverpflichtung entstehen soll, die mehreren Subjekte lose nebeneinander an das Objekt herantreten, werden sie hier, wie das Bild und Symbol der gesammten Hand treffend ausdrücken, als eine mit verschlungenen Händen heranschreitende Gruppe vorgestellt“.169 Unter Berufung auf Stobbe übernimmt Gierke dessen Terminologie. Wie jener erkennt auch Gierke die Grundsätze der gesamten Hand in den Rechtsinstituten des ehelichen Gü-

greifen“ (Ascheuer, a. a. O., S.  171), ohne klarzustellen, dass Beseler den alten lehnrechtlichen, nicht aber einen modernen allgemeinen Gesamthandbegriff im Sinn hatte, so etwa in Beseler, Erbverträge I (1835), §  6, S.  89, Fn.  41. 165  Beseler, System I 3 (1873), §  71, S.  249 f.; Beseler, System I4 (1885), §  70, S.  275 f. 166 S. Gierke, GenossenschR I (1868), S.  424; zum dreibändigen Werk Gierkes Genossenschaftstheorie, s. o., Rn.  326 ff. 167  Gierke, GenossenschR I (1868), S.  983, Fn.  47 (mit Hinweis auf Kuntze); zum frühen Desinteresse Gierkes in Bezug auf den Gesamthandbegriff, s. auch H. Kaufmann, Gesellschaftsvermögen (1911), S.  5. 168  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  923 ff. 169  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  929.

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 305

terrechts170 , der Erbengemeinschaft171, bestimmter Eigentumsgemeinschaften172 , der Gläubiger- und Schuldnermehrheit173. Darüber hinaus sieht er ihr auch, hier unter Bezugnahme auf Kuntze,174 die Personengesellschaft unterworfen.175 Wie Kuntze und Stobbe vor ihm unterstreicht Gierke die Vielfalt der Ausgestaltungen, die für eine gesamthänderische Gemeinschaft möglich sind, welche je nach konkreter Art des Zusammenschlusses sich von der römischen Bruchteilsgemeinschaft entfernen oder wieder annähern kann.176 Eine Definition der Gesamthand liefert Gierke hingegen nicht. Zur Rechtsfähigkeit erklärt Gierke, dass der Gemeinschaft eine solche nicht 388 zukomme: Selbst wenn etwa die Handelsgesellschaft einen Sitz haben oder unter ihrer Firma verklagt werden könne, bedeute dies nicht, „daß eine besondere Persönlichkeit des Ganzen mit einheitlichen Namen und Domicil besteht und als solche rechtsfähig ist“.177 Freilich gibt er sogleich zu bedenken, dass es „von juristischer Erheblichkeit sein kann, daß eine bestimmte Befugniß oder Pflicht der Mehrheit entweder nur in ihrer so und so beschaffenen Verbundenheit oder aber als Bestandtheil einer so und so qualificirten objektiven Einheit zusteht“, so dass „die Fähigkeit der Mehrheit, in ihrer gesellschaftlichen Verbundenheit oder in Bezug auf einen objektiv abgesonderten Kreis Subjekt von Rechten und Pflichten zu werden, sich in einer eigenthümlichen und an die korporative Rechtsfähigkeit äußerlich heranstreifenden Form auszuprägen“ vermöge, was Gierke anhand des Beispiels der Firma von Handelsgesellschaften veranschaulicht.178 Auch die Tatsache, dass die Gemeinschaft der gesamten Hand regelmäßig nicht über eine innere Organisation verfüge,179 unterscheide dieselbe gerade von der Körperschaft. Weiter erklärt Gierke, eine gesamthänderisch verbundene Sachgesamtheit 389 könne ein „Sondervermögen“ bilden.180 Insbesondere bei den Handelsgesellschaften habe sich „ein relativ abgeschlossenes Sondervermögen objektiv verselbständigt“.181 Flexibel äußert sich Gierke zu der quotalen Teilbarkeit einer Gesamthand. Diese könne „die Durchführung des Princips der Antheilsberechtigung entweder überhaupt abwenden, oder aber so modificiren, daß nur die Sphäre als Ganzes in Antheile zerfällt, während die durch die dazwischenste170 

Gierke, GenossenschR II (1873), S.  931 f. Gierke, GenossenschR II (1873), S.  933. 172  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  947 ff. 173  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  956 ff. 174  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  956, Fn.  55. 175  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  933, 935 f., 956. 176  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  924 f. 177  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  941. 178  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  942. 179  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  938 f. 180  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  930 f. 181  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  936. 171 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

hende objektive Einheit des Ganzen geschützten Einzelrechte und Einzelpflichten vor der Zerlegung in ideelle Antheile und deren Folgen bewahrt bleiben“.182 Dementsprechend sei kennzeichnend für eine Gesamthand eine mangelnde Verfügungsberechtigung einzelner Mitglieder der Gesamthand: „Es kann daher für sich allein weder über einen Theil, da ja ein solcher für ihn nicht abgetrennt ist, noch über das Ganze, das ja eben nicht ihm allein gehört, verfügen“.183 Auch die Anwachsung, nach Gierkes Terminologie eine „Konsolidierung“, sei charakteristisch für eine Gesamthandgemeinschaft, wobei auch hier Zwischenformen denkbar seien. So geht er insbesondere auf die alte lehnrechtliche gesamte Hand ein, die eine Nachfolge von Nachkommen in gerader Linie zuließ, nicht aber sonstiger Erben.184 Es ist geschrieben worden, dass der Gesamthandbegriff deshalb so attraktiv auf Gierke wirken musste, weil er ihm ein Mittel lieferte, „die Grenzen von Rechtssubjekt und -objekt zu überwinden“.185 In der Tat war das traditionelle Konzept des Gesamteigentums daran gescheitert, dass es sich alleine auf die objektive Seite des subjektiven Rechts, also auf den Rechtsgegenstand bezog. Deren Zuordnung zu einer ansonsten nicht weiter identifizierten Mehrheit von „domini in solidum“ führte zu einem Paradox, das der Kritik Hasses und der nachfolgenden Autoren nicht standhalten konnte.186 Der Gedanke der Verbundenheit der Mitglieder der Gesamthand, welchem das betreffende Sondervermögen zugeordnet wird, vermochte dieses Problem zu lösen. Gerade in dieser Hinsicht führt Gierke vor allem den Weg Stobbes fort. Vielleicht rückt Gierke den Begriff der Gesamthand mehr in den Vordergrund und spricht im Übrigen den Gedanken der „Verbundenheit der Mitglieder“ als Zuordnungssubjet klarer aus, als es Stobbe getan hatte. Gierke bemüht sich ferner, Kuntzes gesellschaftsrechtlichen Gesamthandbegriff konkret in seine Untersuchung mit einzubeziehen, wo es Stobbe nur mit einer allgemeinen Lobesbekundung über Kuntzes Schrift hatte genügen lassen. Freilich wird bei Gierke auch die Absicht deutlich, mit der gesamten Hand nicht nur die Vergangenheit des deutschen Privatrechts zu untersuchen, sondern auch dessen Zukunft zu gestalten. Zwar ist Gierkes Schrift grundsätzlich eine rechtsgeschichtliche Studie, doch zeichnen seine auffallend im Präsens gehaltenen Ausführungen zur gesamten Hand keine historische Entwicklungen nach, sondern sind durchweg dogmatisch-­

182 

Gierke, GenossenschR II (1873), S.  931; dazu auch S.  948, 953 f. Gierke, GenossenschR II (1873), S.  948 f. 184  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  949 ff. 185 So F. L. Schäfer, Germanistik (2008), S.  568; zu Gierkes Gedanken zugunsten einer allgemeinen Aufweichung der Grenzen zwischen Rechtsubjekt und -objekt, s. F. L. Schäfer, a. a. O., S.  400 f. 186  S. o., Rn.  307 ff. 183 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 307

juristischer Natur.187 Eulers Ideen zur eherechtlichen Gesamthand berücksichtigt Gierke hingegen genauso wenig wie Stobbe.188 3)  Heuslers Gesamthandtheorie in seinem Institutionenlehrbuch (1885/86) Andreas Heusler189 hat bereits 1872, also noch vor Gierke, den Ausdruck der 391 gesamten Hand aus dem fränkischen ehelichen Güterrecht anerkannt und mit den Vorschriften der gesamten Hand des Lehnrechtsbuchs des Sachsenspiegels in Verbindung gebracht.190 Unter Zugrundelegung rechtsgeschichtlicher Betrachtungen insbesondere unabgeteilter Erbengemeinschaften wird er 1885 im ersten Band seines Institutionenlehrbuchs zum deutschen Privatrecht eine umfassende Theorie einer modernen Gesamthand aufstellen, in der er namentlich die bekannte Feststellung macht, die Gesamthand sei kein Rechtsinstitut, sondern „ein Rechtselement, d. h. ein Bestandtheil des rechtlichen Materials, aus dem sich das Wesen des Rechtsinstituts erst zusammensetzt, ein Rechtsmotiv oder Rechtsprincip, gerade so wie man von Quoten- und Solidarprincip bezüglich der Betheiligung Mehrerer an einem Rechtsverhältnisse sprechen kann“.191 Die Eingruppierung der Gesamthand in die Kategorie der Rechtsprinzipien192 wird später von Gierke und in der nachfolgenden Literatur gerne übernommen werden.193 Charakteristisch für Heuslers Gesamthand ist, dass er sie weniger weit von 392 der Bruchteilsgemeinschaft entfernt sieht als Stobbe und Gierke. Die Gesamthand zeichne sich dadurch aus, dass keiner der Gesamthänder alleine über einen Teil oder gar über das ganze Gesamthandgut verfügen könne, dass diese Macht nur allen Gesamthändern gemeinsam offenstehe.194 Hingegen bestimme die Gesamthand weder deren Unteilbarkeit noch das Ausbleiben jeglicher rechnerischer Anteile.195 Dass Geschwister ihr geerbtes Gut haben teilen können, ergebe sich aus zahlreichen rechtsgeschichtlichen Quellen, lediglich bei der ehelichen Gütergemeinschaft und den ritterlichen Ganerbschaften sei eine Teilung ausgeschlossen gewesen, was Heusler nicht aus der Natur der Gesamt-

187 Zur Vorgehensweise Gierkes im zweiten Band seines Genossenschaftsrechts, s.  o., Rn.  329. 188  Dass Gierke Eulers Schriften aber zumindest wahrgenommen haben muss, folgt aus einer Zitierung in Gierke, GenossenschR III (1881), S.  820, Fn.  198. 189 Zu Heuslers Idee der Gesamthand, s. auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  189 f. 190  Heusler, Gewere (1872), S.  152 f. (jedoch ohne Zitat Eulers Schriften). 191  Heusler, PrivatR I (1885), S.  2 26. 192  Zu Institut und Prinzip, s. Behrends, ZRG-RA 95 (1978), S.  187. 193  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  342; zuletzt noch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  47. 194  Heusler, PrivatR I (1885), §  52, S.  236. 195  Dazu auch schon Seif, Gesamthand, ZRG-GA 118 (2001), S.  302, 310.

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

hand, sondern aus der Eigenart der jeweiligen Institute heraus erklärt.196 Stehe nun fest, dass die Gesamthand eine Teilung nicht ausschließe, so folgert Heusler daraus, dass spätestens die Realisierung derselben nichts anderes sei „als die Umsetzung eines Quotenrechts in ein selbständiges Object“.197 Damit kann Heusler als ein früher Vertreter der nach 1900 von manchen Autoren verfochtenen Theorie der geteilten Mitberechtigung gesehen werden, welche ein abgesondertes Gesamthandvermögen ablehnen und die Wirkung der Gesamthandbindung auf ein (lediglich) sachenrechtlich wirkendes Veräußerungsverbot der Anteile durch die einzelnen Berechtigten beschränken.198 Im 1886 erschienenen zweiten Band seiner Institutionen wendet Heusler die im ersten Band vorgestellten Grundsätze der Gesamthand in den jeweiligen Ausführungsformen an. Ähnlich wie Stobbe im Jahre 1855199 geht er bei den Schuldnermehrheiten begrifflich von einer solidarähnlichen „Gesamthandschuld“ aus.200 Im ehelichen Güterrecht sieht Heusler das Gesamthandprinzip darin, dass „das gesammte in der Ehe zusammengebrachte Vermögen […] zu einer Masse geeint“ sei, „an welcher beide Eheleute mit gleichartigem Rechte betheiligt sind, gleichviel ob bei Auflösung des Verhältnisses ungleiche Theile gebildet werden“.201 Er erklärt, das wichtigste charakterisierende Moment sei die „Haftung des ganzen Ehevermögens für die Schulden des Mannes“.202 Hervorzuheben ist ferner, dass sich Heusler um eine Differenzierung von Roths und damit auch Eulers historisch geprägten fränkischen Gesamthandbegriff bemüht, indem er sie von denjenigen Elementen bereinigt, die nach seiner Ansicht den allgemeinen Gesamthandbegriff nicht hinreichend qualifizieren. So sieht er das Mitwirkungsrecht der Ehefrau bei Grundstücksgeschäften nicht als Charakteristikum des Gesamthandprinzips, sondern als Ergebnis anderer, vertraglicher oder gesetzlicher Regelungen.203 Das zum Schutze der erbenden Nachkommen in manchen Partikularordnungen vorgesehene „Verfangenschaftsrecht“ sei ebenfalls nicht immanenter Bestandteil der ehelichen Gesamthand, sondern ein möglicher zusätzlicher Baustein eines Gütersystems; andernfalls gelange man in „irrthümlicher Weise zu einem viel zu ausgebreiteten Geltungsgebiet des Gesammthandsrechtes“.204

196 

Heusler, PrivatR I (1885), §  52, S.  240 ff. Heusler, PrivatR I (1885), §  52, S.  238 f. 198  Zur Theorie der geteilten Mitberechtigung, s. auch Rn.  476, 496. 199  Dazu o., Rn.  352 ff. 200  Heusler, PrivatR II (1886), §  128, S.  258 f. 201  Heusler, PrivatR II (1886), §  149, S.  400. 202  Heusler, PrivatR II (1886), §  149, S.  405. 203  Heusler, PrivatR II (1886), §  149, S.  400. 204  Heusler, PrivatR II (1886), §  149, S.  400 f. 197 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 309

4)  Gierkes Gesamthand in seiner „Genossenschaftstheorie“ (1887) Wurde die Figur der Gesamthand als neue Idee seit den 1840er und vor allem 394 seit den 1860er Jahren in der deutschen Rechtsliteratur in der Weise des den Stein höhlenden steten Tropfens populärer, so gelingt ihr infolge der umfassenden Untersuchung Gierkes in dessen 1887 erschienenen „Genossenschaftstheorie“205 ein gewisser Durchbruch. In einem gut 260 Seiten langen, den „Rechtsgemeinschaften zur gesammten Hand“ gewidmeten Kapitel führt der Autor seine Sichtweise über die Gesamthand aus. Er erläutert zunächst die allgemeinen Grundsätze, daran anschließend die Gesamthand der ehelichen Gemeinschaft und schließlich die Gesamthand der Handelsgesellschaften.206 Wenn die beiden ersten Abschnitte die bereits zuvor gemachten Feststellungen vielleicht besser verdeutlichen, liefern sie jedoch keine Gedanken, die die Figur der Gesamthand auf eine wesentlich neue Grundlage stellen könnten. Innovativ sind hingegen die Passagen, die der handelsgesellschaftsrechtlichen gesamten Hand gewidmet sind, da sie in dogmatisch scharfsinniger, für den Leser aber auch in durchaus anschaulicher Weise die Verbindung zwischen der theoretischen Grundlage der Gesamthand und der bereits gelebten praktischen Anwendung des Rechts der Handelsgesellschaften ziehen. a)  Gierkes allgemeine Grundsätze der Gesamthand Mit etwa 30 Seiten vergleichsweise kurz gestalten sich die allgemeinen Ausfüh- 395 rungen. Zustimmend äußert sich der Autor über den Gedanken Heuslers, es handle sich bei der Gesamthand lediglich um ein „Rechtsprinzip“, so dass dieses „ein einer Fülle von Rechtsinstituten gemeinsames Gedankenelement“ sei und damit „kein für sich bestehendes Rechtsinstitut“ darstelle.207 Von Bedeutung ist der Umstand, dass Gierke die Existenzberechtigung der Figur der Gesamthand nicht nur rechtshistorisch ableitet, sondern insbesondere auch auf ihren Zweck abstellt, nämlich den jeweiligen „besonderen Inhalt des ihre Subjekte umschlingenden Bandes“ sachgerecht auszugestalten.208 Damit macht Gierke den Sinn der Gesamthand deutlich: Anders als bei der Bruchteilsgemeinschaft sei bei der Gesamthand die vermögensrechtliche Zuordnung einer Personenmehrheit zu einer Gesamtheit an Vermögenswerten nicht zufällig, sie erscheine vielmehr als Konsequenz einer besonderen persönlichen Beziehung zwischen den Gesamthändern. Aus dieser besonderen Verbundenheit ergebe sich, dass die Zugriffsrechte der Gesamthänder zu den Vermögenswerten nicht in der gleichen Weise rechtlich ausgestaltet werden können wie bei der Bruch205 

Zu diesem Werk, s. o., Rn.  332. von Gierke behandelt wird hingegen die gemeine Gesellschaft, d. h. die Gesellschaftsform, die bei Inkrafttreten des BGB als bürgerlichrechtliche Gesellschaft bezeichnet werden wird. 207  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  342. 208  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  344; kursiv im Original. 206  Nicht

310

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

teilsgemeinschaft. Dass diese rechtliche Ausgestaltung jeweils nach Art des zugrunde liegenden Personenzusammenschlusses anders ausfallen muss, ist Gierke klar; 209 deshalb handele es sich ja lediglich um ein Rechtsprinzip, ein schlichtes „Gedankenelement“ und gerade nicht um ein fertiges Rechtsinstitut. Die weiter aufgezählten allgemeinen Charakteristika der Gesamthand weichen ansonsten nicht nennenswert von den bereits von anderen Autoren und auch von Gierke selbst in seinem zweiten Band des Genossenschaftsrechts vorgestellten Merkmalen ab: der mögliche, aber nicht notwendige Ausschluss von quotalen Anteilen der Gesamthänder210 , von Verfügungsrechten 211 und von der Teilung 212 , die eventuell vorgesehene Anwachsung bei Wegfall eines Gesamthänders213 , die Regelungen in Bezug auf Verwaltung, Vertretung und Nutzung der Vermögensgegenstände214 sowie die mögliche Verselbständigung eines eigenen Sondervermögens215. Auch die Aufzählung der Rechtsfiguren, welchen die Gesamthand zugrunde liegt,216 deckt sich mit Stobbes Untersuchungen und Gierkes Ausführungen aus seinem zweiten Band des Genossenschaftsrechts. b)  Gierkes Gesamthand des ehelichen Güterrechts 396

Gierkes Begriff der Gesamthand des ehelichen Güterrechts orientiert sich nicht in erster Linie an alten Quellen, sondern an dem vom Autor vorangestellten und selbst gestalteten allgemeinen Gesamthandbegriff. Einerseits sei es ausgeschlossen, die Gütergemeinschaft als juristische Person aufzufassen.217 Andererseits müsse aber eine „personenrechtliche Verbundenheit ihrer Subjekte“ anerkannt werden, die nicht unbedingt in ein einheitliches Ehevermögen münden müsse: Auch eine bloße „Verwaltungsgemeinschaft ohne Eigenthumsgemeinschaft“ sei denkbar, welche entweder vom Ehemann allein oder in Mitherrschaft der Ehefrau geführt werde.218 Im Falle einer Gütergemeinschaft vollziehe sich aber „die totale oder partielle Verschmelzung der beiderseitigen Vermögenssphären unmittelbar kraft Gesetzes ohne gegenseitige Kommunikationshandlungen durch den Abschluss der Ehe“.219 Es sei „die Vereinbarung der Gütergemeinschaft kein blos obligationenrechtlicher, sondern ein personenrechtlicher Vertrag, welcher Einfluss der persönlichen Lebensgemeinschaft 209 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  344. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  345. 211  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  346. 212  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  348 f. 213  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  347 f. 214  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  352. 215  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  365 ff. 216  Es handelt sich insbesondere um die Ehegemeinschaft (Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  356 f.), die Gesellschaft (S.  357 f.), die Reederei (S.  359), die ungeteilte Erbengemeinschaft (S.  361) und Gläubiger- und Schuldnermehrheiten (S.  361). 217  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  367. 218  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  372 f. 219  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  374. 210 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 311

auf die Gemeinschaftlichkeit der Vermögenssphären über das gesetzliche fixirte Maß hinaus erstreckt […]. Wird aber demgemäß stets und überall die Eigenthumsgemeinschaft, soweit sie besteht, als Ausfluss der ehelichen Verbundenheit betrachtet, so können auch als das Eigenthumssubjekt stets und überall nur die Ehegatten in dieser ihrer Verbundenheit vorgestellt werden“.220 Komplementär zu dieser subjektiven Eigenschaft der güterrechtlichen Gesamthand sei deren objektive Seite, wonach die Gütergemeinschaft „immer ein Vermögen als Ganzes“ sei, welches sich von den evtl. verbleibenden eigenen Vermögen der Ehegatten abgrenze.221 Ideelle Anteile der Ehegatten seien daher in Bezug auf einzelne Teile des Gemeinschaftsvermögens ausgeschlossen, allein eine quotale Zuordnung des Vermögens als Ganzes sei denkbar.222 An die eheliche Gemeinschaft – nicht an die einzelnen Ehegatten – gekoppelt seien „die im gemeinschaftlichen Eigenthum enthaltenen Verwaltungs-, Vertretungs- und Verfügungsrechte“.223 Auch der Besitz und der Genuss des Vermögens falle der Gemeinschaft zu.224 Die Gemeinschaftsschulden seien in subjektiver Hinsicht der Gemeinschaft der Ehegatten zugeordnet, in objektiver Hinsicht hafte grundsätzlich das Gemeinschaftsvermögen für sie.225 Auch diese Ausführungen sind inhaltlich nicht neu. Die sich jeweils ergän- 397 zende subjektive und objektive Komponente der Gesamthand (Personenbindung und Vermögensbindung) war bereits von Stobbe beschrieben worden.226 Gierkes Beitrag erschöpft sich in den Passagen daher darin, jene Eigenschaften der gesamten Hand noch ein wenig mehr verdeutlicht und für ihre weitere Verbreitung gesorgt zu haben. Zoepfl und Euler zitiert Gierke übrigens nicht; die fränkische eherechtliche gesamte Hand berücksichtigt er – freilich nicht unkritisch – allerdings über die Schriften von Paul Roth. c)  Gierkes Gesamthand der Handelsgesellschaft Von besonderem Interesse sind Gierkes Gedanken zur handelsgesellschafts- 398 rechtlichen Gesamthand. Die der Handelsgesellschaft gewidmeten Passagen nehmen mit beinahe 170 Seiten bei Weitem den größten Teil des Kapitels ein, das Gierke der gesamten Hand widmet. Er behandelt dort vornehmlich die offene Handelsgesellschaft. Die Kommanditgesellschaft und die Aktienkom220 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  376 f. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  377 f. 222  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  378 f. 223  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.   380; dies entspricht der Idee der fränkischen eherechtlichen gesamten Hand, wonach der Ehefrau Mitwirkungsrechte insbesondere bei Grundstücksgeschäften zugestanden werden, s. o., Rn.  267 ff.; freilich zitiert Gierke zur fränkischen gesamten Hand weder Zoepfl noch Euler, sondern nur Paul Roth. 224  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  388, wobei die individuelle Zuordnung von Besitz und Genuss innerhalb der Ehegemeinschaft der juristischen Welt entzogen sei. 225  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  398 f. 226  S. o., Rn.  370. 221 

312

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

manditgesellschaft werden ebenfalls genannt, 227 doch werden sie in den weiteren Ausführungen nur insoweit berücksichtigt, als sie Unterschiede zur OHG aufweisen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Gierke außerhalb der Handelsgesellschaften die „herkömmlichen“ Gesellschaften nicht erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt hat er gegen eine römisch-individualistische Konzeption entsprechender Gesellschaftskonstruktionen möglicherweise nichts einzuwenden. Von besonderer Bedeutung sind in Gierkes Erörterungen zur Handelsgesellschaft die sorgfältige Hervorhebung ihres subjektiven und objektiven Elements (aa) sowie die praxisorientierte Darstellung der einzelnen Lösungen (bb). aa)  Subjektives und objektives Element der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand 399

Die Gesamthandgrundsätze sieht Gierke bei der Gesellschaft insofern verwirklicht, als diese in subjektiver Hinsicht eine „personenrechtliche Gemeinschaft“ darstellt, der in objektiver Hinsicht eine „Vermögensgemeinschaft“ zugeordnet sei.228 Er erklärt, die Handelsgesellschaft sei zwar keine Körperschaft, sie habe mit dieser aber gemeinsam, „unter Aufhebung des blossen Fürsichseins der Individuen eine in sich geeinte Personenmehrheit in die Welt der Privatrechtssubjekte“ einzuführen,229 womit er die Handelsgesellschaft in die Nähe der Kategorie der Rechtssubjekte einordnet. Er fährt fort: „Die objektive Einheit des Handelsgesellschaftsvermögens ist Niederschlag und Abbild der subjektiven Einheit der Handelsgesellschaft“.230 Subjekt dieses Sondervermögens seien die Gesellschafter, „zwar nicht als Repräsentanten einer über ihnen stehenden juristischen Person, ebensowenig aber als für sich stehende Individuen, vielmehr in einer von ihrer Eigenschaft als Privatpersonen unterschiedenen rechtlichen Qualität als so und so verbundene Gesellschafter“.231 So komme „der Handelsgesellschaft in ihrer kollektiven Einheit eine besondere Rechtsfähigkeit“ zu; diese erschöpfe „sich nicht in der Vermögensfähigkeit“, doch bilde „die Vermögensfähigkeit ihren Mittelpunkt“.232 Gierke hält fest, es gebe „Rechte und Verbindlichkeiten, als deren Subjekt ‚die Handelsgesellschaft unter ihrer Firma‘ erscheint und welche in ihren vermögensrechtlichen Bestand­ theilen ‚das Gesellschaftsvermögen‘ konstituiren. Indem sie aber der ‚Gesellschaft‘ zugeschrieben werden, werden sie zwar als gemeinschaftliche Rechte und Verbindlichkeiten der ‚Gesellschafter‘, jedoch der Gesellschafter in ihrer Verbundenheit bezeichnet, so dass kein Theilhaber als Einzelner, sondern jeder

227 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  435. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  436. 229  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  452. 230  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  456. 231  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  464. 232  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  492 f. 228 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 313

nur als derzeitiger Mitträger der gesellschaftlichen Personeneinheit berechtigt oder verpflichtet ist“.233 Das Hervorheben einer subjektiven und einer objektiven Seite der gesamten 400 Hand war bereits vor Gierke von Kuntze zu den Handelsgesellschaften und von Stobbe zur allgemeinen gesamten Hand erfolgt.234 Grundlegend neu sind die Ausführungen Gierkes hierzu daher nicht. Es überrascht nicht, dass Gierke die Idee Kuntzes nicht berücksichtigt, die Rechtsfähigkeit der Handelsgesellschaft als Analogie zum römischrechtlichen peculium zu konstruieren.235 Gierke erwähnt diesen Gedanken erst gar nicht und hebt vielmehr den deutschrechtlichen Charakter der Figur der gesamten Hand hervor. Weiter werden Verbindungen zwischen Gierkes subjektiv-objektiver Gesamthandtheorie und rechtshistorischen Konstruktionen nicht mehr gezogen. Gierke bewegt sich spätestens in dieser Schrift endgültig auf dem Boden des aktuellen oder eines von ihm gewollten zukünftigen Rechts. Dabei wandert er auf einem schmalen Grat. Sein Spielraum ist einerseits eingeengt durch die Vorschriften des ADHGB, aus welchen sich eine – faktisch gelebte – Rechtsfähigkeit der Handelsgesellschaft ergibt, und andererseits durch die von Gierke geteilte Sorge der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre,236 die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesellschaft zu verhindern. Zusätzlich verfolgt Gierke die Absicht, das von Kuntze und Stobbe in den wesentlichen Zügen bereits gestaltete Konzept der gesamten Hand als Grundlage heranzuziehen. Gierke meistert diese Prüfung so gut es geht. Leuchten seine Erläuterungen zu der objektiven Komponente der Gesamthand ein, so bietet die von ihm versuchte, aber dogmatisch fragwürdigere Abgrenzung zwischen einer gewissen Rechtsfähigkeit der von den Gesellschaftern begründeten Kollektiveinheit und der Rechtsfähigkeit einer juristischen Person eine offene Flanke. bb)  Anwendung der Gesamthandtheorie auf die Handelsgesellschaft im Rechtsverkehr Von besonderer praktischer Schlagkraft sind Gierkes Ausführungen darüber, 401 welche Auswirkungen die Gesamthandtheorie auf die praktische Handhabung von Handelsgesellschaften im Rechtsverkehr hat. In akribischer Weise identifiziert Gierke eine Vielzahl von Konstellationen, in welchen sich die Frage stellt, ob die gesellschaftsrechtliche Gesamthandverbindung als Personeneinheit oder als Personenmehrheit aufzufassen ist und weist ihnen jeweils die von ihm entwickelte Lösung zu. Entsprechende Problemstellungen waren von Kuntze, Stobbe und Heusler nicht behandelt worden und die eigentliche Innovation Gierkes Schrift liegt darin, jene Konstellationen nicht nur aufzuzeigen, sondern 233 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  493 f. S. o., Rn.  362 f., 370. 235  S. o., Rn.  363, 365. 236  S. o., Rn.  192. 234 

314

402

2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

anhand der Grundsätze der gesamten Hand auch zu klären. In diesen Passagen gelingt es ihm, die Theorie mit der gelebten Praxis zu verbinden. Die Frage, ob den Gesellschaftern ideelle Anteile an dem Gesellschaftsvermögen zustehen, beantwortet Gierke danach differenzierend, ob das Vermögen als Ganzes oder nur einzelne Vermögensgüter betroffen sind. Soweit es sich um das Vermögen als Ganzes handelt, will Gierke quotale Anteile der einzelnen Gesellschafter durchaus annehmen,237 wobei diese Anteile aber weder Gegenstand einer Veräußerung noch einer Realisierung durch Teilung sein können.238 Soweit hingegen nur einzelne Vermögensgüter betroffen sind, stehen diese allein dem Gesellschaftsvermögen zu und die einzelnen Gesellschafter seien an ihnen grundsätzlich nicht, auch nicht anteilig, beteiligt.239 Das der Gesellschaft zustehende Eigentum an körperlichen Sachen sei „kein Miteigenthum, sondern gemeinschaftliches Eigenthum zur gesammten Hand“.240 Aus diesem Grund müssen Vermögensgegenstände eines Gesellschafters, die in die Gesellschaft zu überführen sind, an diese durch besonderen Akt auch übertragen werden, Grundstücke also etwa durch Auflassung: 241 Die Verwandlung des Alleineigenthums eines Gesellschafters in gemeinschaftliches Eigenthum der Handelsgesellschaft bleibt freilich eine gesellschaftliche Illation, mit welcher nur ein partieller Wechsel des Subjektes verbunden ist, weil der bisherige Eigenthümer keineswegs sein Eigenthum völlig aufgiebt: allein dieser partielle Wechsel des Subjektes erstreckt sich auf die gesammte Eigenthumssphäre, weil auch die dem bisherigen Eigenthümer daran vorbehaltene Theilhaberschaft aus seinem individuellen Herrschaftsbereich ausgeschieden und in den ungesonderten gemeinschaftlichen Herrschaftsbereich hineingebunden wird […]. Demgemäß bedarf es selbst dann einer Tradition oder Auflassung an die Gesellschaft, wenn die Sache bereits im Miteigenthum der Gesellschafter steht.

403

Der Wechsel der Gesellschafter bedürfe hingegen keines eigenen Übertragungsaktes bzgl. der Vermögensgüter: „Denn obschon hier ein partieller Wechsel der Subjekte stattfindet, so bleibt doch die gesammte Eigenthumssphäre davon insofern unberührt, als sie in dem Bereiche derselben subjektiven Verbundenheit verharrt“.242 Entsprechend gestalten sich die Besitzverhältnisse der Gesellschaft. Der Besitz an körperlichen Sachen „erscheint […] nicht als Mitbesitz zu ideellen Theilen, sondern als einheitlicher und ungesonderter Besitz einer verbundenen Personenmehrheit“.243 Auch sonstige Rechte, „etwaige selbstständige Gerechtigkeiten, dingliche Rechte an unbeweglichen oder beweglichen Sachen, Forde237 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  496 ff. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  502. 239  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  511 f. 240  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  513. 241  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  514 f. 242  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  516. 243  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  518. 238 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 315

rungsrechte u. s. w.“ fallen in die „ungesonderte Gemeinschaftssphäre“.244 Umgekehrt erscheinen die Gesellschaftsschulden – jedenfalls im Innenverhältnis – „weder als solidarische noch als ratenmäßige Sonderverbindlichkeiten“, sondern als „Gesammtverbindlichkeiten“. Sie treffen „die jedesmaligen Gesellschafter in ihrer Verbundenheit, so dass sie nur durch gesellschaftliche Schuldtitel entstehen“.245 So werde die Möglichkeit eröffnet, dass, „die Gesellschaft und die Gesellschafter einander als berechtigt und verpflichtet gegenüberstehen.246 Im Außenverhältnis folge aus der Trennung des Gesellschaftsvermögens, dass die dort befindlichen Vermögensgüter „für jeden Dritten, welcher ein Recht von einem Gesellschafter als Einzelnen […] ableitet, Rechte einer hiervon unberührten kollektiven Einheit […] mithin insbesondere auch den Gläubigern dieser Theilhaber unzugänglich“ seien; 247 daraus ergebe sich auch die Unzulässigkeit der Aufrechnung „im Verhältniss von Gesellschaftsforderungen und Privatschulden der Gesellschafter“248 und umgekehrt „die Kompensation auch im Verhältniss von Privatforderungen und Gesellschaftsschulden“.249 Nicht ganz spiegelbildlich zu den Gesellschaftsforderungen gestalten sich, so Gierke, die Gesellschaftsschulden: Sie „sind Bestandtheile des Gesellschaftsvermögens und treffen als solche die kollektive Einheit der Gesellschafter […]. Allein nur dingliche Lasten erschöpfen sich in einer Gesammtlast; die obligationenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft enthalten nothwendig zugleich eine Sonderverpflichtung von Gesellschaftern. Jede Gesellschaftsschuld ist also gleichzeitig Gesammtschuld und Sonderschuld“,250 mit anderen Worten: die Gesellschafter sind nicht nur in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, sondern jeder Einzelne von ihnen ist auch als Solidarschuldner verpflichtet. Gierke behandelt schließlich die Geschäftsführung und die Vertretung der 404 Gesellschaft als Fragen, die er aus den Grundsätzen der Gesamthand entnimmt. Ein Gesamthandmerkmal sieht er in der Tatsache, dass der Gesellschaftsvertrag vom Prinzip der Einstimmigkeit abweichen, die Geschäftsführung sogar einem begrenzten Gesellschafterkreis vorbehalten sein könne.251 Führe einer der Gesellschafter den gesellschaftlichen Willen aus, dann erfolge dies „als Repräsentant der Gesellschaft. Er handelt nicht als Körperschaftsor­ gan. Er handelt aber auch nicht als Beauftragter der einzelnen Mitgesellschafter. Vielmehr vertritt er die von ihm selbst zusammen mit den übrigen Gesellschaftern gebildete Personeneinheit“.252 Soweit die Handelsgesellschaft partei244 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  520. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  521. 246  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  522. 247  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  544. 248  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  517. 249  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  517 f. 250  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  551. 251  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  567. 252  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  570. 245 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

fähig sei, sei dies „nur der Ausfluss ihrer materiellrechtlichen Beschaffenheit: sie nimmt und giebt Recht als dieselbe nach dem Princip der gesammten Hand verbundene Personenmehrheit, als welche sie eben berechtigt und verpflichtet ist“.253 Dies führe nicht zur Annahme der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft, es seien vielmehr „die sämmtlichen unter der Firma zusammengefassten Gesellschafter als Partei“ anzusehen, da die Firma „als Ausdruck des personen­ rechtlichen Zusammenhanges“ gelte, „in welchem die Gesellschafter eine von der Summe der unverbundenen Einzelnen rechtlich unterschiedene kollektive Einheit bilden“.254

III.  Rezeption der Theorie der Gesamthand vor Inkrafttreten des BGB 1)  Das Gesellschaftsrecht des ADHGB und die Gesamthandtheorie 405

Die erste Berührung eines Prototyps der Gesamthandtheorie mit dem Gesellschaftsrecht erfolgte erst mit dem Aufsatz Kuntzes von 1863,255 also erst zwei Jahre nachdem die endgültige Fassung des ADHGB durch die Bundesversammlung beschlossen worden war.256 Die Gesamthand als wissenschaftliches Erklärungsmodell konnte den Beratungen der ADHGB-Kommission also nicht zugrunde liegen.257 Klarstellungsbedürftig ist damit Wertenbruchs Feststellung, das Gesamthandprinzip habe die Konstruktion der OHG des ADHGB gestaltet und sei insbesondere Leitgedanke des Art.  119 ADHGB gewesen.258 Richtig ist diese Aussage nur insofern, als für die OHG des ADHGB Regelungen einer rechtlichen Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens von den Vermögen der Gesellschafter getroffen worden sind, die heute gemeinhin als Merkmale einer Gesamthandgemeinschaft identifiziert werden. Hingegen konnte nicht die moderne Gesamthandtheorie – und noch viel weniger eine altdeutsche Figur der gesamten Hand – bei der Erstellung des ADHGB nutzbar gemacht werden. Richtig ist freilich, dass die Handelsgesellschaft noch vor Aufnahme der ADHGB-Beratungen von germanistischen Autoren als Personenverbindung mit Anleihen aus dem altdeutschen „Genossenschaftsprinzip“ gesehen wurde. Zu den Autoren zählt nicht so sehr Beseler, welcher die Handelsgesellschaft nur am Rande seiner Genossenschaftstheorie erörtert hat,259 und noch viel weniger Gierke, dessen literarisches Werk erst ab Ende der 1860er Jahre seinen Anfang 253 

Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  592. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  592. 255  S. o., Rn.  361 ff. 256  S. o., Rn.  187. 257 Vgl. Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  31, mit der Feststellung, dass „die ersten handelsrechtlichen Darstellungen zur OHG [des ADHGB] noch nicht den Begriff der Gesamthand zur Charakterisierung der vermögens- und mitgliedschaftlichen Stellung der Gesellschafter verwendet“ haben. 258 S. Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  45, 50 ff., 57. 259  S. o., Rn.  323 f., 382 ff. 254 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 317

nimmt, sondern eher Bluntschli, welcher 1854 in seinem Lehrbuch zum deutschen Privatrecht die Handelsgesellschaft umfassend untersucht und in Verbindung mit seiner Genossenschaftstheorie gesetzt hat.260 Diese Gedanken haben aber offenbar nicht in die Beratungen des ADHGB eingewirkt; sie wurden jedenfalls an keiner Stelle in den Protokollen aufgegriffen.261 Die Fronten der Diskussion zur Rechtsnatur der Gesellschaft verliefen dort zwischen Anhängern einer traditionell-romanistischen Deutung der Handelsgesellschaft unter dem Dach der gemeinrechtlichen societas und den Anhängern einer praxisorientierten Konstruktion in Form einer juristischen Person oder zumindest eines weitgehend verselbständigten Gebildes nach preußisch- und französischrechtlichem Vorbild. Offenbar war das Gewicht einer germanistischen Deutung der Handelsgesellschaft als „dritten Wegs“ Ende der 1850er und Anfang der 1860er Jahre noch zu gering, um bei den Beratungen des ADHGB eine spürbare Rolle zu spielen. Im Gegenteil: Weit davon entfernt, die besonderen Merkmale der Handelsgesellschaft als Ergebnis einer eigenen deutschrechtlichen Entwicklung zu deuten, müssen sich die Anhänger der rechtlichen Verselbständigung der OHG den Vorwurf gefallen lassen, dieselbe fuße „auf dem deutschen Recht fremde Prinzipien, etwa auf französische Rechtsanschauungen“.262 Bezeichnend ist, dass man sich mit dem Argument zu verteidigen sucht, das französische Recht habe den Gedanken der Verselbständigung der Handelsgesellschaft nicht eigens entwickelt, sondern seinerseits aus anderen europäischen, insbesondere italienischen Rechtsordnungen übernommen.263 Die moderne Theorie der Gesamthand kam schließlich auch zu spät, um in 406 den Beratungen des Dresdner Entwurfs von 1866 berücksichtigt zu werden, welcher später als Vorlage für die Beratungen des Gesellschaftsrechts des BGB herangezogen werden sollte.264 Der Aufsatz Kuntzes war zum Zeitpunkt, an dem die Dresdner Kommission in der Ersten Lesung das Gesellschaftsrecht beriet,265 zwar erschienen, gleichwohl wurde die Bezeichnung „Gesamthand“ von den Mitgliedern der Kommission offenbar nicht aufgenommen. Immerhin sah sich ein Kommissionsmitglied zu der Feststellung veranlasst, dass die OHG, an die sich die „Collectivgesellschaft“ des Dresdner Entwurfs anlehnen sollte, von Teilen des Schrifttums „unter den ziemlich nebelhaften Begriff von deutschrechtlichen Genossenschaften“ subsumiert werde.266 Angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen der Publikation Kuntzes und der in dieser Sitzung erfolgten Äußerung ist es unwahrscheinlich, dass das Kommissionsmitglied 260 

S. o., Rn.  157 ff. S. o., Rn.  176 ff. 262  J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1137 f.; s. auch o., Rn.  181. 263  S. o., Rn.  181. 264  Zur Rolle des Dresdner Entwurfs in den Beratungen des BGB, s. u., Rn.  421. 265  S. die 188. bis 209. Sitzung v. 14.11.1864 bis 23.01.1865, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1984), S.  2743–3058. 266  S. die 188. Sitzung v. 14.11.1864, in: Schubert, Prot. DrsdE IV (1984), S.  2747. 261 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

auf Kuntzes Aufsatz anspielte. Auch aufgrund der Erwähnung des Begriffs der Genossenschaft erscheint es plausibler, dass das betreffende Mitglied die Schriften Beselers267 oder Bluntschlis268 im Sinn hatte. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist freilich, dass die Idee eines deutschrechtlichen Ursprungs der besonderen Merkmale der Verselbständigung der Handelsgesellschaft überhaupt geäußert wird; in den nur wenige Jahre zurückliegenden Beratungen des ADHGB war als historische Grundlage lediglich der italienisch-kontinentaleuropäische Ursprung in Betracht gezogen worden.269 2)  Die Rezeption der Gesamthandtheorie in der Rechtsprechung 407

Aus den Entscheidungen des Reichsgerichts ergibt sich, dass dieses den Gesamthandbegriff vor Inkrafttreten des BGB nahezu vollständig ignoriert hat. Das heißt zwar nicht, dass die Richter die in der ehelichen Gütergemeinschaft, der Gesellschaft und der Erbengemeinschaft bestehenden Besonderheiten im Ergebnis nicht berücksichtigt hätten, die insbesondere Stobbe, Gierke und Heusler als Ausfluss der Theorie der Gesamthand identifizieren. Doch der ausdrückliche Bezug zur Gesamthand wird – zu Gierkes Bedauern 270 – nicht hergestellt und die Autoren werden jeweils in dem Zusammenhang auch nicht zitiert. Dabei hätten die Gelegenheiten hierzu nicht gefehlt, etwa bei der Annahme der Parteifähigkeit nichtrechtsfähiger Vereine,271 der Feststellung der Vermögensverhältnisse in der ehelichen Gütergemeinschaft,272 der Annahme der Vermögensfähigkeit der OHG,273 der Bewertung der Rechtsnatur der Erbengemeinschaft.274 267 

S. o., Rn.  322 ff. S. o., Rn.  157 ff. 269  S. o., Rn.  182. 270  Gierke, Jher. Jahrb. 35 (1896), S.  169, 174: „Könnte man sich entschließen, von der deutschrechtlichen Gemeinschaft zur gesammten Hand auszugehen, ihr personenrechtliches Wesen anzuerkennen und den der personenrechtlichen Gemeinschaft adäquaten Begriff der ‚Personeneinheit‘ zu prägen, so gewönne man sicheren Halt“. 271  RG v. 30.04.1881, I 106/80, RGZ 4, 155 f.; RG v. 05.03.1884, I 498/83, RGZ 12, 229 ff. 272  RG v. 18.02.1881, IVa 426/80, RGZ 4, 238, 240 f.; RG v. 26.09.1881, IVa 713/80, RGZ 5, 275 ff.; RG v. 10.10.1882, III 280/82, RGZ 7, 158, 159 f.; RG v. 05.04.1883, IV 600/82, RGZ 8, 102, 105; RG v. 20.04.1883, II 541/82, RGZ 10, 275, 277 f.; RG v. 16.01.1885, II 366/84, RGZ 13, 296 f. 273  RG v. 30.06.1883, I 267/83, RGZ 10, 47, 50; RG v. 11.10.1883, I 328/83, RGZ 11, 114, 116, 121; RG v. 22.12.1883, I 420/83, RGZ 10, 101, 103; RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 16, 17 f.; RG v. 06.10.1886, I 239/86, RGZ 18, 39, 43 f.; RG v. 05.12.1889, IV 238/89, RGZ 25, 252, 256; RG v. 12.06.1893, VI 82/93, RGZ 31, 139, 141 ff.; RG v. 28.01.1899, I 423/98, RGZ 43, 81, 82 f.; RG v. 21.02.1899, II 366/98, RGZ 43, 104, 106; RG v. 12.10.1899, VI 196/99, RGZ 45, 340, 341 f. 274  RG v. 22.12.1883, I 420/83, RGZ 10, 101, 103; RG v. 21.10.1884, II 235/84, RGZ 12, 339; RG v. 23.10.1886, V 133/86, RGZ 16, 251, 253; RG v. 28.11.1887, IV 199/87, RGZ 20, 234, 236 f.; RG v. 09.05.1888, V 59/88, RGZ 21, 252, 255 ff. 268 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 319

Eine Ausnahme bildet jedoch ein Urteil aus dem Jahre 1882, das sich der Idee 408 der allgemeinen Gesamthand nähert. In einer der zahlreichen Erörterungen des Reichsgerichts zu der Frage des Subjekts von Vermögensgütern einer OHG ziehen die Richter unter Berücksichtigung der fehlenden Teilbarkeit und anteiligen Verfügungsbefugnis der einzelnen Gesellschafter den Schluss, dass man zwar „die einzelnen Gesellschafter als Miteigentümer des Gesellschaftsvermögens ansehen muß“, dieses Miteigentum sei aber „keines im gewöhnlichen Sinne“, es sei „gleichsam ein Eigentum zur gesamten Hand und jedenfalls ein derartig modifiziertes, nur gemeinsam oder doch zugleich in Vertretung der übrigen Gesellschafter zu handhabendes Miteigentum“.275 Der Bezug zur Gesamthand ist insofern beachtlich, als die Entscheidung aus einer Zeit stammt, in der an eine Einführung der Gesamthand als Grundlage des Gesellschaftsrechts des BGB noch gar nicht gedacht wurde, geschweige denn des Gesellschaftsrechts des im Anschluss zu erneuernden HGB. Obwohl das Urteil keinen der Autoren der modernen Theorie der Gesamthand zitiert, muss es von ihnen beeinflusst gewesen sein, da die vom Gericht verwendete „gesamte Hand“ auf keine historische Form der Gesamthand passt, insbesondere nicht auf die Gesamthand des Lehnrechts. Freilich nähert sich das Gericht dem Gesamthandbegriff noch vorsichtig, wenn es das Miteigentum der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen nur als einem Gesamthandeigentum „gleichsam“ qualifiziert. Das Reichsgericht hat den Bezug zur Gesamthand in späteren Entscheidungen auch wieder weitgehend ignoriert.276 Erst an der Schwelle des 20. Jahrhunderts, nach Veröffentlichung des BGB und des neuen HGB und insbesondere der die gesellschaftsrechtliche Gesamthand anerkennenden Gesetzesmaterialien 277 akzeptiert das Reichsgericht den Gesamthandbegriff zum Verständnis der Rechtsnatur einer OHG – auch auf Grundlage des ADHGB.278 In der späten lokalen Rechtsprechung ist die Idee der modernen Gesamthand 409 vereinzelt aufgenommen worden. Zu nennen ist ein Urteil des OLG Oldenburg aus dem Jahre 1891, das unter Verweis auf Stobbes Privatrechtslehrbuch in einem lokalen Güterrecht ein Miteigentum „im deutschrechtlichen Sinne zur gesamten Hand“ erkennt.279 Dies habe die Folge, dass die Ehegatten „letztwillig nur gemeinsam oder mit gegenseitiger Zustimmung über das in der Ehe verei275  RG v. 24.06.1882, I 248/82, RGZ 9, 143, 144; dazu Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695, 715, mit der Feststellung, dass sich das Reichsgericht zuvor nicht auf die Verwendung des Gesamthandbegriffs eingelassen habe. 276  Auch in der Rückschau aus späterer Zeit scheint das RG sein geäußertes Interesse für die Theorie der Gesamthand zu verleugnen, s. etwa RG, 06.10.1886, I 239/86, RGZ 18, 39, 42, mit lediglich dem Hinweis, das Urteil vom 24.06.1882 habe sich auf die alte Figur des Gesamteigentums bezogen. 277  Dazu u., Rn.  474 f. 278  RG v. 14.10.1898, III 162/98, JW 1898, 609 (Nr.  39); RG v. 02.11.1903, V 170/03, RGZ 56, 96, 101. 279  OLG Oldenburg v. 08.04.1891, Seuff. Arch. 48 (1893), Nr.  97-II, S.  160, 163.

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

nigte beiderseitige Vermögen oder über Theile desselben verfügen“ können und insbesondere dass „der überlebende nicht durch Beerbung des zuletzt versterbenden, sondern durch Consolidation Alleineigenthümer des Gesammtvermögens wurde, so daß ein Nachlaß des zuerst versterbenden […] überhaupt garnicht vorhanden war“.280 Außerdem wird nach Inkrafttreten des BGB das OLG Köln in einer Rechtssache, die noch altem Recht unterworfen war, auf die moderne Theorie der Gesamthand Bezug nehmen.281 Dabei dürfte es aber kein Zufall gewesen sein, dass die Anerkennung der Gesamthand für die Zeit vor Inkrafttreten des BGB zu einem Zeitpunkt erklärt worden ist, an dem diese Theorie vom deutschen Gesetzgeber nicht mehr in Frage gestellt wurde. In der Entscheidung hält das Gericht zunächst fest, dass die Miterben des im Rheinland geltenden französischen Rechts „kein Miteigentum nach Bruchteilen an den einzelnen Nachlaßsachen“ hatten, „sondern nur ein Miteigentum, ähnlich dem heutigen Miteigentum zur gesamten Hand“.282 Auch die Eheleute in Gütergemeinschaft unter Geltung des französischen Zivilrechts werden als „Miteigentümer zur gesamten Hand“ bezeichnet.283 In der Gesamtschau zeigt sich, dass das Reichsgericht, das bei seinen Zitaten regelmäßig die Autoren der Pandektenwissenschaft gegenüber denen der Germanistik vorzieht, die Theorie der Gesamthand bis zum Inkrafttreten des BGB nicht als Teil seines dogmatischen Verständnisses angesehen hat. Wertenbruchs Feststellung, nach der Rechtsprechung des ROHG bestehe die „deutschrechtliche Gestaltung“ der OHG u. a. in der „gesamthänderischen Vermögensbindung“,284 darf also nicht so verstanden werden, dass das ROHG selbst von einer „deutschrechtlichen Gestaltung“ der OHG ausging oder der germanistischen Gesamthandtheorie zugestimmt hat. Unter demselben Vorbehalt steht auch Wertenbruchs Aussage, das Reichsgericht habe durch die Verneinung eines Eigentumswechsels bei der Grundstücksübertragung von einer Bruchteilsgemeinschaft auf eine „personengleiche Gesamthand“ das „Gesamthandprinzip[s]“ verkannt.285 3)  Die Rezeption der Gesamthandtheorie in der Literatur

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Bis Ende der 1870er Jahre nimmt die Literatur die Idee einer allgemeinen modernen Gesamthandtheorie kaum ernst.286 Windscheid qualifiziert den Ver280 

OLG Oldenburg v. 08.04.1891, Seuff. Arch. 48 (1893), Nr.  97-II, S.  160, 163. OLG Köln v. 30.01.1906, Rhein. Arch. 102 (1906), S.  254. 282  OLG Köln v. 30.01.1906, Rhein. Arch. 102 (1906), S.  254, 256. 283  OLG Köln v. 30.01.1906, Rhein. Arch. 102 (1906), S.  254, 259. 284  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  70. 285  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  82. 286 S. aber bereits Samhaber, Correalobligation (1861), S.   56 ff., der jedenfalls der von Stobbe vorgestellten gesamten Hand des historischen Obligationenrechts freundlich gesinnt ist. 281 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 321

such Kuntzes, die Gesamthand zur Grundlage der Handelsgesellschaften zu machen, ganz am Ende einer ansonsten mit zahlreichen Fundstellen versehenen Fußnote als „[e]igenthümliche Auffassung“.287 Dessen ungeachtet wird Stobbe die Konzeption der Gesamthand in seinen Schriften weiter propagieren. Im Jahre 1871 schlägt er in seinem „Handbuch des deutschen Privatrechts“ vor, beim nichtrechtsfähigen Verein „das Vermögensverhältnis der Vereinsmitglieder resp. des Vereins in einer der gesammten Hand des Mittelalters entsprechenden Weise aufzufassen: das Vermögen gehört allen Mitgliedern zusammen, ohne daß Quoten angenommen werden dürfen […]. Darum dürfen auch weder austretende Mitglieder noch die Erben eines verstorbenen Mitgliedes einen aliquoten Theil des Vermögens beanspruchen“.288 Im erstmals 1875 erschienenen zweiten Band seines Handbuchs präsentiert er zunächst eine allgemeine Geschichte der Gesamthand 289 und zeigt sodann diejenigen Figuren des geltenden Rechts auf, die seiner Ansicht nach dem Gesamthandgrundsatz unterworfen sind, insbesondere nichtrechtsfähige Vereine, Reedereien und gemeinschaftlich betriebene Bergwerke.290 In diesem Zusammenhang stellt er eine Verbindung zwischen der Gesamthand und der alten Idee des Gesamt­ eigentums her, bei denen er ein gleiches Miteigentum „derselben Sache ohne Realtheilung“ identifiziert, ohne aber so weit zu gehen, für die Aufgabe des Begriffs des Gesamteigentums zugunsten desjenigen der gesamten Hand zu plädieren.291 Die allgemeine Gesamthandtheorie stand zudem bis zu Beginn der 1880er 412 Jahre in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zu der bereits in den 1840er Jahren von Euler begründeten Figur der rechtsgeschichtlichen Gesamthand des fränkischen Ehegüterrechts.292 Dessen Erschaffung lag bereits rund 20 Jahre zurück, als die Gesamthandtheorie Kuntzes, Stobbes und Gierkes ins Leben gerufen wurde, und hatte daher mehr Zeit gehabt, in das allgemeine Schrifttum zu diffundieren. Nicht wenige durchaus einflussreiche Autoren greifen Eulers Gesamthandidee genauso auf, wie die sich entwickelnde Idee der allgemeinen Gesamthand.293 Manche stützen sich sogar ausschließlich auf Eulers frän287 

Windscheid, Pandektenrecht II.21 (1866), §  407, S.  141, Fn.  2 . Stobbe, deutsches PrivatR I1 (1871), S.  417; entsprechend auch Stobbe, deutsches ­PrivatR I 2 (1882), S.  508 f. 289  Stobbe, deutsches PrivatR II1 (1875), §   81, S.  64 ff.; entsprechend Stobbe, deutsches PrivatR II 2 (1883), §  81, S.  68 ff. 290  Stobbe, deutsches PrivatR II1 (1875), §  82, S.  69 ff.; in der zweiten Auflage nennt der Autor zusätzlich die eheliche Gütergemeinschaft, s. Stobbe, deutsches PrivatR II 2 (1883), §  82, S.  74. 291  Stobbe, deutsches PrivatR II1 (1875), §  82, S.  73 ff. 292  Zu Eulers gesamten Hand des fränkischen ehelichen Güterrechts, s. o. Rn.  346 ff. 293  S. bereits die Literatur aus den 1850er und 1860er Jahren, dazu o., Rn.  350; für die Zeit danach, s. etwa Gengler, Grundzüge3 (1879), §  38, S.  122 ff.; E. Rosenthal, Eigenthum (1878), S.  27 ff.; zur Gesamthand des ehelichen Güterrechts, jedoch augenscheinlich ohne 288 

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

kische Gesamthand 294 bzw. lehnen die von Stobbe, Gierke und Kuntze propagierte Weiterentwicklung zu einer allgemeinen Gesamthandtheorie ab.295 Letzten Endes konnte sich die Idee der fränkischen Gesamthand Eulers, die nur einen Teilbereich des ehelichen Güterrechts prägen wollte, nicht gegen die universale Theorie der allgemeinen Gesamthand und insbesondere auch nicht gegen das Gewicht ihrer Unterstützer durchsetzen. Euler lebte zwar bis 1885,296 hatte aber auch schon in den 1870er Jahren nicht mehr Stellung zu der Ausweitung des Gesamthandbegriffs genommen. Dessen von Stobbe, Gierke und Heusler sich unterscheidender Gesamthandbegriff wird in der Folge allenfalls von Schroeder weiterentwickelt, der bereits in den 1860er und 1870er Jahren die fränkische Gesamthand in seiner mehrbändigen Monografie zum ehelichen Güterrecht umfassend thematisiert hatte.297 In den ausklingenden 1870er Jahren, also einige Jahre nach Erscheinen der betreffenden Bände von Stobbes Lehrbuch zum deutschen Privatrecht und des zweiten Bandes von Gierkes Genossenschaftsrecht, 298 stößt die Idee der allgemeinen Gesamthand langsam auf Resonanz. Als einer der ersten einflussreicheren Autoren der damaligen Zeit wird Gengler die Gesamthand als Theorie übernehmen. Konnte ihm die Figur in der 1859 erschienenen zweiten Auflage seiner Grundzüge naturgemäß noch keine Erwähnung wert sein,299 preist er sie 1876, in der dritten Auflage, als eine zwar in der Neuzeit größtenteils vom römischen Recht verdrängte, aber „keineswegs nach seinem Grundgedanken dem vaterländischen Rechtsleben überhaupt abhanden“ gekommene Figur an, mit der Folge, dass „der Richter in seiner juristischen Beurtheilung des fraglichen Falles, insofern eine analoge Verwendung der römischen Condomialgrundsätze absolut unthunlich ist, auf die gesammte Hand zurückzugreifen habe.300 Kennzeichen einer gesamthänderischen Gemeinschaft sind nach seinem Verständnis gleiche Besitz- und Nutzungsrechte der Mitglieder, ein nur allen gemeinschaftlich zustehendes Verfügungsrecht, Ausschluss einer QuotenZitieren der Werke Eulers oder Schroeders, Vocke, Güter- u. ErbR (1873), S.  669, mit umfassendem Quellenapparat. 294  Roth, Jahrb. gem. dt. Rechts, Bd. 3 (1859), S.  313, 357 f.; v. Roth, bayCivilR I1 (1871), §  55, S.  322; Franken, DPR (1894), S.  565; Dahn, DPR (1878), S.  210, Fn.  2 , mit Bezug auf zahlreiche Schriften Eulers in S.  205. 295 S. v. Roth, bayCivilR II1 (1872), §  120, S.  50 ff.; v. Roth, DPR III (1886), §   323, S.  140 ff. 296 Zum Leben und Wirken Eulers, s. v. Nathusius-Neinstedt, ZRG-GA 17 (1887), S.  190 ff. 297  Sein Einfluss wird freilich bis zur Gestaltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs anhalten. Er publiziert eine kurze Abhandlung zum ehelichen Güterrecht mit Blick auf die erwartete deutsche Kodifizierung, in welcher er die Gütergemeinschaft als vom „Prinzipe der gesamten Hand“ geregelt sieht: R. Schröder, Zukunft des GüterR (1875), S.  20, 22, 33 ff. 298  S. o., Rn.  394. 299 S. Gengler, Grundzüge2 (1859), §  48, S.  107 f., der außerdem den Gedanken des Gesamteigentums ablehnt. 300  Gengler, Grundzüge3 (1876), §  38, S.  127.

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 323

teilung und die Vertretung der Gemeinschaft durch „Einen aus ihrer Mitte“.301 Auch andere, aber noch nicht sehr zahlreiche Autoren wenden sich in den nachfolgenden Jahren einer allgemeinen Theorie der Gesamthand zu.302 Weitere sprechen sich außerdem für die Theorie der Gesamthand als Grundlage für die Personengesellschaften des Handelsrechts aus: Schmidt stuft die Idee der Gesamthand als „theoretisch richtige[n] Gedankengang“ ein, deren Existenz er aber in mittelalterlichen Quellen vermisst.303 Behrend verteidigt die Ansicht, dass die starke Bindung der Gesellschafter nicht auf italienischen Ansätzen beruhe, sondern eine einheimische Entwicklung zur Grundlage habe.304 In seinem zwei Jahre später erscheinenden handelsrechtlichen Lehrbuch erklärt er außerdem, das Recht der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen sei „nicht die Mitberechtigung des römischen Rechts, sondern ein der ‚gesammten Hand‘ des älteren deutschen Rechts nahe stehendes Gesammtrecht, innerhalb dessen eine Quotentheilung nicht hervortritt“.305 Cosack weist in der ersten Auflage seines Handelsrechtslehrbuchs darauf hin, dass „jedem Gesellschafter das Miteigentum“ am Gesellschaftsvermögen zustehe, dass aber „eine Verfügung über das Gesellschaftsvermögen und jeden Anteil an demselben nur zur gesamten Hand durch alle Gesellschafter zusammen oder ihren gemeinsamen Vertreter rechtswirksam“ sei.306 Nicht zuletzt beachtlich ist auch die Tatsache, dass Reinhold Johow im Rahmen der Vorarbeiten des BGB den Gesamthandbegriff als mögliche Grundlage des Rechts der Erbengemeinschaft, der Gesellschaft und des ehelichen Güterrechts in Betracht zieht.307 Die überwältigende Mehrheit der Autoren wird die Idee einer allgemeinen 414 Gesamthandtheorie indes noch bis Ende der 1880er Jahren ablehnen oder, noch häufiger, erst gar nicht zitieren.308 Sie wird in der pandektistischen Literatur regelmäßig ignoriert.309 In den Schriften zum kodifizierten und zum nicht 301 

Gengler, Grundzüge3 (1876), §  38, S.  123. Franklin, System1 (1878), S.  22 f.; Bolze, Juristische Person (1879), S.  70 ff.; Kohler, Abhandlungen (1883), S.  421 ff.; Sohm in: Festgabe Windscheid (1888), S. [139], [165] ff., [179] ff. 303  F. G. A. Schmidt, Handelsgesellschaften (1883), S.  69, in der Frage der automatischen solidarischen Haftung der Gesellschafter als Ausfluss der Gesamthand. 304  Behrend, ZHR 29 (1884), S.  614, 615 f., mit Hinweis darauf, dass die Solidarhaft und die Vertretungsbefugnis keinen „Bruch in das Prinzip der gesammten Hand“ bedeuten. 305  Behrend, HandelsR I.1 (1886), §  62, S.  4 45. 306  Cosack, HandelsR1 (1888), §  59, S.  405 ff. 307  S. u., Rn.  423. 308  Ohne Bezug oder ablehnend: Mandry, CivilR (1882), S.  146; Kraut/Frensdorff, DPR6 (1886), §  56, S.  143 (zu den Gesellschaften), §  75, S.  173 ff. (zum Gesamteigentum), §  178, S.  418 (zur Ehegemeinschaft); Laband, ZHR 30 (1885), S.  469, 483 ff.; Unger, Jahrb. Dogm. röm. dt. PrivatR 25 (1887), S.  239, 242 (mit Ablehnung der „deutschrechtlichen Genossenschaften“ als Grundlage der OHG); Franken, DPR (1894), §  11, S.  98 ff. (zur OHG), §  75, S.  543 ff., §  76, S.  556 ff. (zur Gütergemeinschaft). 309  Windscheid, Pandektenrecht I 5 (1879), §  109a, S.  534 f. (zum Mit- sowie Gesamteigentum); Baron, Pandekten5 (1885), §  129, S.  225 (zum Mit- und Gesamteigentum), §  301, 302 S.

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

kodifizierten Partikularrecht kommt die Gesamthand zunächst ebenfalls nicht zum Zuge.310 In der handelsrechtlichen Literatur, welche noch darüber debattiert, ob die OHG und die KG juristische Personen sind oder nicht, wird sie nur wenig beachtet.311 Laband kritisiert an ihr, dass durch sie deshalb nichts gewonnen sei, „weil mit diesem Ausdruck nur die Negation, daß die römisch-rechtlichen Grundsätze vom Miteigenthum nicht Platz greifen, ausgedrückt wird, während man hinsichtlich der positiven Bedeutung sich auf die vorsichtige, aber juristisch inhaltslose Behauptung beschränkt, daß das Recht der Gesammtheit und der Einzelnen ‚mannigfach gestaltet‘, ‚vielfach modifiziert‘ sein könne, daß das Gesammteigenthum kein gleichmäßiges, von unabänderlichen Grundsätzen beherrschtes Institut sei, daß es in verschiedenen Formen zur Erscheinung kommen könne u. dergl.“.312 Abwartende Vorsicht offenbaren schließlich die Passagen Max Webers zu der von ihm aufgeworfenen Frage, ob „die offene Handelsgesellschaft historisch und dogmatisch Gesamthandsverhältnis oder etwas anderes“ sei.313 Er beantwortet diese Frage nicht, stellt aber fest, dass die „rechtshistorischen Vorfahren der offenen Handelsgesellschaft“ italienische Institute, die Gesamthand hingegen „ein rein germanischer“ Rechtsbegriff seien. Die Anerkennung der Gesamthand als ein das Recht der OHG gestaltendes Prinzip macht Max Weber daher davon abhängig, „was auf dem Boden des reinen deutschen Rechts an Parallelen vorhanden ist“, dabei traut er aber der oben behandelten Sachsenspiegelstelle314 durchaus zu, eine entsprechende Parallele liefern zu können.315 Tatsächlich wird die Theorie der Gesamthand erst in den 1890er Jahren überhaupt zu einem ernster zu nehmenden Thema im juristischen SchriftS.  502 (zum Außenverhältnis von Gesellschaften), §  428, S.  694 ff. (zur Natur der Erbengemeinschaft); Brinz, Pandekten I 2 (1873), §  131, S.  476 ff. (zum Mit- und germanischen Gesamteigentum); v. Wächter, Pandekten I (1880), S.  245 (zu „Personengemeinheiten“ ohne juristische Persönlichkeit); v. Wächter, Pandekten II (1881), S.  23 f. (zum Gesamteigentum). 310 Zur Gesellschaft etwa Dernburg, Preuß. PrivatR I1 (1875), §  59, S.  105 f.; Bertram, Nass. PrivatR 2 (1878), S.  434 ff.; Wengler/Brachmann, sächsBGB I (1878), §  52, S.  33, und §§  1359 ff., S.  546 ff.; Engelmann, Preuß. PrivatR1 (1883), S.  29; Brandis, Hamb. Praxis (1888), S.  161 f. Zur ehelichen Gütergemeinschaft: Wengler/Brachmann, sächsBGB II (1878), S.  62 f.; Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR7 III (1886), §  505, S.  202, Fn.  1. Zur Erbenge­ meinschaft: Wengler/Brachmann, sächsBGB II (1878), S.  181 f.; Bertram, Nass. PrivatR 2 (1878), S.  635 ff.; Engelmann, Preuß. PrivatR1 (1883), S.  365 f.; Brandis, Hamb. Praxis (1888), S.  376 f. Zum Mit- und/oder Gesamteigentum: Dernburg, Preuß. PrivatR I1 (1875), §  222, S.  471 ff.; Bertram, Nass. PrivatR 2 (1878), S.  65 ff. 311 Ohne Hinweis auf die Theorie der Gesamthand bei Personenhandelsgesellschaften, Puchelt, ADHGB2 (1876), Art.  85, Anm.  3 ; Puchelt, ADHGB3 (1885), Art.  85, Anm.  3, und Art.  119, Anm.  3 ; s. außerdem die o., Rn.  192, zur Frage der Rechtsnatur der Handelsgesellschaft zitierte Literatur. 312  Laband, ZHR 31 (1885), S.  1, 55. 313  M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  164. 314  SSp. LandR, I, 12, dazu o., Rn.  72. 315  M. Weber, Gesch. d. Handelsgesellschaften (1889), S.  164 f.

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 325

tum.316 Für den Kodifikationsprozess des deutschen bürgerlichen Rechts wird sich etwa die Stellungnahme Boyens auswirken, der die Theorie der Gesamthand differenziert untersucht, letztendlich aber für sie eintritt.317 Exemplarisch für die steigende Bedeutung der Theorie der Gesamthand ist außerdem das in zahlreichen Auflagen erschienene Lehrbuch Gerbers. Zeit seines Lebens hatte er eine allgemeine Theorie der Gesamthand abgelehnt und diesen Ausdruck zur Bezeichnung der Rechtsnatur der Handelsgesellschaft auch nicht verwendet. Anstelle sich wie die Autoren der germanistischen Schule auf den „Assoziationstrieb“ zu stützen, der ein besonderes Merkmal des deutschen Volksrechts darstelle und die Besonderheiten des Gesellschaftsrechts zur Folge gehabt habe, stützt sich Gerber pragmatisch auf eine Wandlung ökonomischer Bedürfnisse, die aber nicht auf Deutschland begrenzt gewesen sei, sondern in ganz Europa stattgefunden habe.318 Die Eigentümlichkeiten der Handelsgesellschaft gegenüber der römischen societas beruhten, so Gerber, „auf einer Verschiedenheit des modernen Gesellschaftsverkehrs (Hervortreten der Bedeutung des Gemeinschaftscapitals) gegenüber der antiken Welt (Gesellschaften unter wenigen nur in Rücksicht auf ihre Individualität gewählten Personen)“.319 Im Übrigen führte er die „geschichtliche Ausbildung der Lehre von den Handelsgesellschaften […] auf die handelsrechtliche Praxis und Literatur Italiens seit dem Mittelalter“ zurück.320 Für den Begriff eines deutschrechtlichen universalen Gesamthandbegriffs hatte Gerber somit keine Verwendung. Er akzeptierte die Bezeichnung „gesamte Hand“ nur in den engen Grenzen des Lehnrechts321 und zur rechtshistorischen Deutung des alten fränkischen,322 nicht aber zur Qualifizierung des geltenden ehelichen Güterrechts.323 Erst nach dem Tod Gerbers findet die Idee der allgemeinen Gesamthand in der von Cosack übernommenen Bearbeitung des Lehrbuchs Anerkennung.324 In der neuen Auflage seines eigenen Lehrbuchs zum Handelsrecht baut Cosack die Figur der gesamten Hand 316  Förster, Preuß. PrivatR III6 (1892), §   167, S.  138, Fn.  16 (zum Eigentum, mit Zitat Stobbes), S.  141; Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  663 ff.; Schöller, Rhein. Arch. 89, 2 (1895), S.  17, 22 ff. (zur Gesamthand als Grundlage des Rechtsverhältnisses der Miterben im rheinischen Recht); Adler, Gesellschaftsrecht (1895), §  11, S.  87 ff. (jedenfalls insoweit er annimmt, dass „diese Theorie unter den bisherigen sich als die unschädlichste bewährt hat“); Niemeyer, Hamb. PrivatR (1898), S.  307 f. 317  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1015; dazu auch u., Rn.  435 f. 318  Gerber, System13 (1878), §  196, S.  530 f., Fn.  5 ; Gerber, System16 (1891), §  196, S.  325, Fn.  5. 319  Gerber, System13 (1878), §  196, S.  530 f., Fn.  5 ; Gerber, System16 (1891), §  196, S.  325, Fn.  5. 320  Gerber, System13 (1878), §  196, S.  530 f., Fn.  5 ; Gerber, System16 (1891), §  196, S.  325, Fn.  5. 321  Gerber, System13 (1878), §  116, S.  319; Gerber, System16 (1891), §  116, S.  192 f. 322  Gerber, System13 (1878), §  2 26, S.  615 f.; Gerber, System16 (1891), §  2 26, S.  380 f. 323  Gerber, System13 (1878), §  2 27, S.  623; Gerber, System16 (1891), §  2 27, S.  385. 324  Gerber/Cosack, System17 (1895), §  72, S.  129 ff.; dazu auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  188.

326

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

sogar regelrecht zur Grundlage der OHG aus: Diese gehöre nämlich „zu den deutsch-rechtlichen Genossenschaften; sie ist eine Gesellschaft zur gesamten Hand“.325 In die gleiche Richtung entwickelt sich auch Zachariaes Lehrbuch zum französischen Zivilrecht: In der sechsten Auflage erwähnt Carl Crome immerhin in einer Fußnote, dass die eheliche Gütergemeinschaft als „deutsch­ rechtliche[s] Gesamthänderverhältniss“ erklärt werden könne.326 In der Vorauflage fehlte dieser Hinweis.327 Andere Autoren zum Partikularrecht wenden sich nach und nach der Figur der Gesamthand zu.328 Es kann vermutet werden, dass Gierkes im Jahre 1887 veröffentlichte Genossenschaftstheorie zu einem großen Teil zur wachsenden Popularität der Idee der Gesamthand beigetragen hat,329 zu einem gewissen Teil auch Heuslers Institutionenlehrbuch aus den Jahren 1885 und 1886. Beide Autoren, insbesondere aber Gierke, übernehmen ab dieser Zeit die Führung in der Gestaltung des modernen Gesamthandbegriffs, dem Gierke im 1895 erschienenen ersten Band seines Lehrbuchs zum deutschen Privatrecht nochmals Nachdruck verschafft.330 Stobbe war hingegen 1887 verstorben331 und fiel so als Leitfigur für die weitere Entwicklung weg. Kuntze, dessen handelsrechtlicher Artikel den Stein wohl überhaupt erst ins Rollen gebracht hat, war seit dieser Veröffentlichung in der Literatur zu diesem Thema nicht mehr wahrnehmbar in Erscheinung getreten. Die sich abzeichnende Hinwendung der Literatur zur Idee der Gesamthand kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass man von einer „herrschenden Meinung“ zu ihren Gunsten auch in den 1890er Jahren noch nicht sprechen kann. Von der pandektistischen Literatur einmal abgesehen, lehnen nach wie vor einflussreiche Autoren die Idee der Gesamthand ab.332 Es finden sich außerdem nicht wenige Schriften aus der handelsrechtlichen333 und der partikularrechtlichen334 Literatur, die die Figur ignorieren. So hat etwa Dernburg in seinem Werk zum preußischen Privatrecht den Begriff der Gesamthand bis In-

325 

Cosack, HandelsR 2 (1893), §  84, S.  483. Zachariae/Crome, Frz. CivilR III8 (1895), §  475, S.  205, Fn.  1. 327 Vgl. Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR III7 (1886), §  505, S.  202, Fn.  1. 328  Mit Bezug auf die gesamte Hand: Förster, Preuß. PrivatR III6 (1892), §  167, S.  138, Fn.  16 (zum Eigentum, mit Zitat Stobbes), S.  141; Niemeyer, Hamb. PrivatR (1898), S.  307. 329 S. die freundliche Buchbesprechung von Behrend, ZHR 34 (1888), S.   273, zur Gesamthand als Grundlage der Personenhandelsgesellschaft insbesondere S.  281. 330  Gierke, DPR I (1895), S.  663 ff. 331  Landsberg in: ADB XXXVI (1893), S.  262, 332  S. etwa Goldschmidt, HdB HandelsR I.1.13 (1891), S.  288 f. 333 Für eine juristische Person: Gareis/Fuchsberger, ADHGB (1891), S.   205 ff., 236; Staub, ADHGB2 (1894), Art.  111, §  4 (S.  164). 334  Zur Rechtsnatur der Handels- und bürgerlichrechtlichen Gesellschaften etwa Bierer, Württ. Rechtsbuch5 (1899), S.  192, 197 f.; zur ehelichen Gütergemeinschaft: Bierer, Württ. Rechtsbuch5 (1899), S.  458 ff.; zur Erbengemeinschaft: Pfeilschifter, Bamb. LandR (1898), S.  198; zum Mit- und/oder Gesamteigentum: Bierer, Württ. Rechtsbuch5 (1899), S.  349. 326 S.

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 327

krafttreten des BGB335 nicht akzeptiert. Die eheliche Gütergemeinschaft sieht er noch 1896 als deutsch-rechtlich modifiziertes Miteigentum.336 Bei den Handelsgesellschaften geht er 1894 von einem „Rechtsverhältnis des Miteigenthums“ aus, das ein „korporatives Element“ enthalte, mit der Folge, dass jene Gesellschaften zwar keine juristischen Personen seien, ihnen aber dessen ungeachtet manche Rechte einer juristischen Person zustehen.337 Die Gesamthand wird erst mit Veröffentlichung des Zweiten BGB-Entwurfs und insbesondere dessen Beratungsprotokollen mehrheitsfähig und wohl erst auch nur mit Inkrafttreten des BGB allgemein anerkannt.338 Im Zusammenhang mit der nicht handelsrechtlichen Erwerbsgesellschaft wird das Konzept der gesamten Hand auch von deren Befürwortern nicht herangezogen. Erst nach Veröffentlichung des Ersten Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird Gierke in seiner Kritik – überhaupt als erster Autor – die Zugrundelegung der gesamten Hand auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts vertreten.339 Interessant in Bezug auf die Frage nach der Bedeutung der modernen Theorie 417 der Gesamthand in der deutschen Rechtswissenschaft vor Einführung des BGB ist schließlich die Lektüre Gierkes ersten Bandes seines Lehrbuchs zum deutschen Privatrecht. Dieses ist, ausweislich seines Vorworts, Weihnachten 1894 fertiggestellt worden,340 also zu einer Zeit, welche noch vom Ersten Entwurf des BGB geprägt war, der gerade keine Ausgestaltung der BGB-Gesellschaft nach den Grundsätzen der Gesamthand vorsah.341 Die Entwürfe der Zweiten BGB-Kommission waren zwar bereits veröffentlicht gewesen, sie verwenden aber bekanntlich nicht den Gesamthandbegriff, welcher zur Deutung des BGB-Gesellschaftsrechts nur in den später veröffentlichten Protokollen ersichtlich wurde.342 Gierke hat dennoch wohl vor deren Veröffentlichung von der Absicht der Zweiten BGB-Kommission erfahren, die Gesamthand ausdrücklich zur Grundlage des Gesellschaftsrechts zu machen.343 Es sieht aber so aus, als habe ihn diese Information erst zu einem Zeitpunkt erreicht, an dem der größte Teil seiner Schrift bereits fertiggestellt war. Dafür spricht die abwehrend-pessimistische Haltung, die er in seinem Lehrbuch in Bezug auf das Kodifikationsprojekt offenbart. Er stellt die Frage, welchen Platz deutsche Rechtsfi335 Nach Inkrafttreten des BGB fügt sich Dernburg freilich der Idee der Gesamthand, dazu u., Rn.  469. 336 S. Dernburg, Preuß. PrivatR III4 (1896), §  35, S.  120. 337 S. Dernburg, Preuß. PrivatR I 5 (1894), §  58, S.  121 ff. 338  S. u., Rn.  469 ff. 339  S. u., Rn.  431; dazu, dass Gierke sich zu dieser Frage „naturgemäß“ zuvor nicht geäußert habe, s. Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695, 706, Fn.  32. 340  Gierke, DPR I (1895), S. VII. 341  Dazu u., Rn.  427. 342  Vollständig ist der Entwurfteil zum besonderen Schuldrecht im Jahre 1893 erschienen, die Protokolle erst nach 1897; s. Maas, Bibliographie (1897), S.  24 f. 343 S. Gierke, DPR I (1895), S.  672, Fn.  40: „Im Gegensatze zu Entw. I […] will Entw. II […] dem Gesellschaftsvertrage eine Gemeinschaft zur gesammten Hand entspringen lassen“.

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2. Kapitel:  Entstehung des modernen Gesamthandbegriffs

guren gegenüber römischen Grundsätzen haben, wenn „uns wie ein unabwendbares Schicksal in Kürze doch ein deutsches Gesetzbuch übermannen sollte, das mehr römisch als deutsch ist“.344 Er sieht sein Lehrbuchvorhaben als Versuch, auch für die Zeit nach Inkrafttreten eines solchen römischrechtlich inspirierten Gesetzbuchs, germanistische Rechtsfiguren zu bewahren. Eine besondere Stellung nimmt hierbei die Gesamthand ein, die er im Zusammenhang mit personenrechtlichen Gemeinschaften untersucht. Mit einer historischen Einführung erweitert, fassen seine Ausführungen die Ideen zusammen, die der Autor bereits in seiner Genossenschaftstheorie von 1887 offenbart hatte. Gierke untersucht auch hier die mögliche Existenz quotaler Anteile und eines Sondervermögens, das dem einzelnen Gesamthänder versagte Verfügungsrecht über seinen Anteil, die Anwachsung und die Rechtsfähigkeit in der gleichen Weise wie in seinem Genossenschaftsrecht.345 Deutlich wird erneut, dass Gierke die Gesamthand in ihrer allgemeinen Form nicht als feststehendes Rechtskonstrukt versteht, sondern als einen Drehregler, welcher eine Vielzahl von Zwischenstufen zwischen einer juristischen Person und einer römischrechtlich inspirierten Bruchteilsgemeinschaft ermöglicht,346 wie sie etwa bei bestehenden Personengemeinschaften des Erb- und des Familienrechts zu finden sind.347 Freilich sieht er unter den bestehenden Gesamthandgemeinschaften manche als vollkommener als andere an. So weisen seiner Ansicht nach die Handelsgesellschaften, insbesondere die OHG, „den Typus einer personenrechtlichen Gesellschaft zur gesammten Hand in vollkommenster Durchbildung auf“.348 Die Schrift Gierkes erweckt insgesamt den Eindruck der Enttäuschung in Bezug auf die Gesamthand als einer Rechtsfigur, mit welcher Gierke emotional verbunden war. 4) Ergebnis 418

Nach dem Verständnis der Befürworter der Theorie war die Gesamthand gerade keine neu geschaffene Konstruktion, sondern das Ergebnis einer möglichst schonend vorgenommenen Destillierung überkommener germanischer Rechtsinstitutionen. Als Essenz bereits existierender Konzepte sollte die Gesamthand somit als positiver Rechtsgrundsatz eines germanischen ius commune lediglich aufgedeckt, anerkannt und systematisiert, nicht aber erst erfunden und auf dem Reißbrett konstruiert werden. Nun stellte die von den germanistischen Autoren vorgegebene Richtung lediglich einen einzelnen Vektor des ansonsten an Theorien reichen Koordinatensystems der deutschen Rechtswissenschaft 344 

Gierke, DPR I (1895), S. VI. Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  674 ff. 346  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  669. 347  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  670. 348  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  670. 345 

§  2 .  Einführung der Gesamthand als allgemeine Theorie des geltenden Rechts 329

des ausgehenden 19. Jahrhunderts dar. Daneben wirkten andere Kräfte, darunter die einer konservativen romanistischen Schule, der napoleonischen Kodifikationen oder der aufkommenden Interessenjurisprudenz, die durch eine gewisse natürliche Trägheit, eine besondere Praxistauglichkeit oder auch durch eine besondere Dynamik mindestens genauso bestimmend das positive Privatrecht zu prägen suchten. Von einem Siegeszug der Gesamthand als Theorie im deutschen Privatrecht des 19. Jahrhunderts hätte man daher nur dann sprechen können, wenn sie außer den Anhängern der Germanistik auch Vertreter der anderen Flügel der Rechtswissenschaft auf ihre Seite hätte ziehen können, was jedoch nur teilweise geschehen ist; in der Rechtsprechung ist ihr auch das nicht geglückt. Trotz der zahlreichen Anhänger, die die Theorie der Gesamthand Ende des 19. Jahrhunderts gefunden hat, kann nicht festgestellt werden, dass ihr noch vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches der Sprung von einem Erklärungsmodell aus der Lehre zu einer allgemein anerkannten Theorie gelungen ist. Bis kurz vor 1900 befand sie sich lediglich in dem Stadium einer Strömung der Rechtswissenschaft, die auf Grundlage der Ausdauer ihrer Autoren, der allgemeinen Stimmung in der Literatur, der Gestaltung der Ausbildung zukünftiger Richter und nicht zuletzt des Klimas eines seit Reichseinigung gewachsenem Nationalbewusstseins die Chance gehabt hätte, zu einem späteren Zeitpunkt zu einer unanfechtbaren Größe der Rechtsdogmatik zu erstarken, wenn ihr die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht zuvorgekommen wäre. Zu unterstreichen ist daher, dass die Kodifizierung des bürgerlichen Rechts nicht etwa eine organisch vorgefundene allseits anerkannte Theorie der Gesamthand lediglich bestätigt, sondern eine solche stillschweigend und auf künstlichem Wege neu eingeführt hat.

3. Kapitel

Gesamthand und Personengesellschaft in der Kodifikation des deutschen Privatrechts Im Kontrast zur detaillierten Regelung der Bruchteilsgemeinschaft schweigt 419 das Bürgerliche Gesetzbuch bekanntlich zu den allgemeinen Grundsätzen der Gesamthandgemeinschaft. Zum einen spielte die Theorie der Gesamthand in der Ersten Kommission eine untergeordnete Rolle und wurde erst durch die Zweite Kommission erheblich aufgewertet. Diese arbeitete jedoch auf der Grundlage des Ersten Entwurfs und die Einführung einer allgemeinen Regelung der Gesamthandgemeinschaften hätte zum einen zu sehr in die bestehende Struktur des Entwurfs eingegriffen.1 Zum anderen lag der Grund der fehlenden Regelung der Gesamthandgemeinschaften möglicherweise in der Theorie der Gesamthand selbst. Gerade Gierkes Vorstellung von der Gesamthand zeichnete sich dadurch aus, dass sie in den unterschiedlichsten Ausgestaltungen vorkommen konnte,2 was die Herausbildung eines „Allgemeinen Teils“ der Gesamthandgemeinschaften erschwert. Hinzu kommt, dass sich die Mitglieder der Zweiten Kommission teilweise nicht festlegen wollten, wie die Gesamthand im Einzelnen theoretisch auszugestalten war und es vorgezogen haben, die weitere Entwicklung insoweit der Wissenschaft zu überlassen.3 Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand hat in zwei Schritten Eingang in die deutsche Kodifikation des Privatrechts gefunden. Zunächst wurde sie als Grundlage der BGB-Gesellschaft anerkannt (§  1); im Anschluss daran wurde beschlossen, auch die OHG und die KG nach ihr zu gestalten (§  2). Diese gesetzgeberischen Entscheidungen führten sofort dazu, dass die Gesamthand als grundlegendes Prinzip im Gesellschaftsrecht in Literatur und Rechtsprechung übernommen wurde (§  3).

1  Nach Flume sei die Konstruktion des Gesamthandvermögens durch die Zweite Kommission lediglich über die rein schuldrechtliche Regelung des BGB-Gesellschaftsrechts des Ersten Entwurfs „gestülpt“ worden, s. Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 178 f. = Flume, BGB AT I.1 (1977), §  1, S.  3 f. 2 Etwa Gierke, GenossenschR II (1873), S.  924 f.; Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  344; Gierke, DPR I (1895), S.  669. 3  S. die Protokolle der Zweiten Kommission in: Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.  430 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  990.

332

3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB 420

Nachdem die Kodifikation des bürgerlichen Rechts in den Katalog der Gesetzgebungszuständigkeiten des Reiches aufgenommen worden war, ist 1888 von der Ersten BGB-Kommission ein Entwurf fertiggestellt worden, welcher in Folge der ihm zuteil gewordenen Kritik aus dem Schrifttum von der Zweiten BGB-Kommission überarbeitet und sodann den Gesetzgebungsorganen überwiesen wurde.4

I.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand in den Vorarbeiten 1)  Die Vorlagen zum bürgerlichen Gesellschaftsrecht 421

Vor den Beratungen der Ersten BGB-Kommission war Franz von Kübel, welcher bereits Mitglied der Kommission des Dresdner Entwurfs gewesen war,5 beauftragt worden, den Teilentwurf zum Schuldrecht nebst Begründung hierzu anzufertigen.6 Eine vollständige Bearbeitung hat von Kübel jedoch nie abgeliefert, insbesondere fehlen von ihm Entwurfsvorschriften und Begründungen zu einem bürgerlichen Gesellschaftsrecht.7 Grundlage der Beratungen der Ersten Kommission waren daher unmittelbar die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen des Dresdner Entwurfs, welche vor den Beratungen der Ersten Kommission mit umfassenden, von ihr in Auftrag gegebenen8 Erläuterungen (BGB-VorE Rechtsgemeinschaften) aus unbekannter Feder9 versehen wurden. Diese Erläuterungen sind nicht datiert, sie können aber nicht vor Ende 1883 fertiggestellt worden sein, da sie Protokolle der Ersten BGB-Kommission vom Oktober 1883 zitieren.10 Die Gemeine Gesellschaft des Dresdner Entwurfs war auf Grundlage der römischen societas ausgestaltet gewesen, die Gesellschafter blieben damit (quotale) Miteigentümer der Vermögensgegenstände der Gesellschaft (Art.  772 DrsdE).11 Die römischrechtliche Konzeption der Gemeinen Gesell4 Zur Entstehungsgeschichte Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.   27 ff.; Wieacker, PRG2 (1967), S.  468 ff. 5  Zu Leben und Werk Franz von Kübels, Schubert, Vorlagen SchuldVerh I (1980), S. XIII ff. 6  Zur Entscheidung über die Anfertigung der Teilentwürfe einschließlich ihrer Begründungen, s. Schubert, Vorlagen SchuldVerh I (1980), S. IX. 7 Dazu Schubert, Vorlagen SchuldVerh I (1980), S. XI f. 8  Die Entscheidung geht auf einen Beschluss der Ersten Kommission vom 12.12.1882 zurück, s. Schubert, Vorlagen SchuldVerh I (1980), S. XIII. 9  Schubert, Vorlagen SchuldVerh I (1980), S. XII f., spricht von „Hilfsarbeitern der Kommission“. 10  S. BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S.  90, Fn.  1, in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  120. 11  S. o., Rn.  2 22 f.

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

333

schaft des Dresdner Entwurfs wird in den Erläuterungen hervorgehoben.12 Unter den Collectivgesellschaften des Dresdner Entwurfs berücksichtigen die Erläuterungen auch die Offene Erwerbsgesellschaft. Zweckmäßig erscheint die Kodifikation derselben offenbar aus denselben Gründen wie bei den Beratungen des Dresdner Entwurfs: Es ging darum, „Erwerbsgesellschaften, welche keine Handels- oder Aktiengesellschaften sind, die Möglichkeit“ zu eröffnen, „sich als offene Gesellschaften zu konstituiren“.13 Auch hier stand der enge Begriff des Handelsgeschäfts des ADHGB im Vordergrund,14 was namentlich zur Folge gehabt habe, dass Personengesellschaften des Handelsrechts für „diejenigen Erwerbszweige, welche auf die Gewinnung von Rohstoffen aus der Bodensubstanz und auf die Veräußerung derselben […] gerichtet sind“, nicht zur Verfügung standen.15 Zu erwähnen ist schließlich, dass die Bestimmungen des Dresdner Entwurfs zu den Nichterwerbsgesellschaften in den Erläuterungen zwar abgedruckt,16 im eigentlichen Bericht aber nicht weiter berücksichtigt wurden. Offenbar sah man in ihnen einen Typus der Personenvereinigung, welchen man im Allgemeinen Teil des BGB im Zusammenhang mit den Regelungen zur juristischen Person verortete und nicht zum Gegenstand gesellschaftsrechtlicher Regelungen im eigentlichen Sinne machen wollte.17 Die Collectivgesellschaften des Dresdner Entwurfs waren somit auch bereits in den Vorentwürfen zum Allgemeinen Teil berücksichtigt worden.18 2)  Die Vorlagen zum Sachenrecht Die Beratungen der Ersten BGB-Kommission zum Sachenrecht erfolgte auf 422 Grundlage der Vorentwürfe Reinhold Johows, die 1880 gedruckt und sodann der Kommission vorgelegt wurden.19 Es ist von Wächter bereits hervorgehoben worden,20 dass die von Johow entworfenen eigentumsrechtlichen Vorschriften deshalb für die Entstehungsgeschichte der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand beachtlich sind, weil sie den gesellschaftsrechtlichen Beratungen der Kommission vorgreifen, indem sie ganz bewusst Raum für einen Typus des 12  S. etwa BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S. III, 19, in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  23, 49. 13 BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S.   258, in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  288. 14 BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S.   259 f., in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  289 f. 15 BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S.   260, in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  290. 16 BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S.   9  ff., in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  9 ff. 17  So auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  172. 18  S. die Vorarbeiten Albert Gebhards, BGB-VorE jur. Pers., S.  35, abgedruckt in: Schubert, Vorlagen BGB AT I, S.  549. 19  Schubert, Vorlagen SachenR I (1982), S. XVI. 20  Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  106 ff.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Miteigentums lassen, der kein Miteigentum nach Bruchteilen ist. Maßgeblich sind §§  210, 221 von Johows Entwurf: 21 §. 210. (1) Das Eigenthum einer Sache kann mehreren Personen gemeinschaftlich zustehen (Miteigenthum). (2) Das zufällig und nicht durch Erbgang entstandene Miteigenthum regelt sich nach den Bestimmungen der §§. 221–220. §. 221. Die Bestimmungen der §§. 211–220 finden bei jeder Art der Eigenthumsgemeinschaft Anwendung, soweit nicht für die besondere Art der Gemeinschaft durch das Gesetz etwas anderes bestimmt, insbesondere der Umfang der Rechte und der Pflichten der Theilhaber nicht nach Antheilen an der einzelnen Sache bemessen, sondern von der inneren Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses abhängig gemacht ist.

423

Aus §§  210, 221 wird deutlich, dass Johow unter den Begriff des Miteigentums nicht nur das Bruchteilseigentum fasst, sondern auch Nebenformen gemeinschaftlichen Eigentums, die sich aus der jeweiligen Art der Personengemeinschaft ergeben. In seiner Begründung stellt er klar, dass mit den betreffenden Personengemeinschaften jedenfalls nicht solche gemeint sind, die eine juristische Person bilden, da in diesem Fall „lediglich Alleineigenthum der juristischen Person“ vorliege.22 Er erklärt weiter, dass das römische Recht zwar von einem Miteigentumsbegriff der ideellen Teilung zugunsten der einzelnen Eigentümer ausging, dass sich aber diese Konzeption auch nach Rezeption des römischen Rechts in Deutschland nicht vollständig durchgesetzt habe, 23 dass vielmehr deutschrechtliche Gebilde nach wie vor haben überleben können, die im Unterschied zum römischen Recht des Miteigentums „des Momentes der gedachten Theilung“ entbehren.24 Mögliche Anwendungsfelder dieser Art gemeinschaftlichen Eigentums sieht er im zu gestaltenden Privatrecht der Erbengemeinschaft25, der Gesellschaft26 und der ehelichen Gütergemeinschaft27. Die Ausführungen Johows verdienen insofern besondere Beachtung, als sie den Gesamthandbegriff zwar nicht prominent als grundlegendes Prinzip hervorheben, diesen aber immerhin überhaupt verwenden.28 Bemerkenswert ist, dass die Begründung seines Entwurfs in den Jahren 1875 bis 1880 verfasst 21 

BGB-VorE SachenR, S.  35, 37, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  49, 51. BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1014, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1148. 23 BGB-VorE SachenR (Begründung), S.   1015  f., in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1149 f. 24  BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1017, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1151, mit Verweis u. a. auf Stobbe. 25 BGB-VorE SachenR (Begründung), S.   1019  f., in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1153 f. 26 BGB-VorE SachenR (Begründung), S.   1020 ff., in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1154 ff. 27  BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1023, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1157. 28  Im Rahmen der Erbengemeinschaft, BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1020 (Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1154), der Gesellschaft, S.  1021 (Schubert, a. a. O., S.  1155), und der ehelichen Gütergemeinschaft, S.  1023 (Schubert, a. a. O., S.  1157). 22 

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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wurde,29 also etwa ein Jahrzehnt vor dem Erscheinen von Gierkes Genossenschaftstheorie und damit zu einem Zeitpunkt, an dem der Gesamthandbegriff noch weit davon entfernt war, eine bedeutende Stellung in der deutschen Privatrechtsliteratur einzunehmen.30 Ähnlich wie es schon bei den Beratungen zum Dresdner Entwurf zumindest von manchen Kommissionsmitgliedern Ausdruck gekommen ist,31 steht für Johow fest, dass die Ursprünge der Merkmale etwa einer gesellschaftsrechtlichen Verselbständigung in der deutschen Rechtsgeschichte zu suchen sind; dass sie aus einer italienisch-kontinentaleuro­ päischen Entwicklung herrühren, wie es noch während der Beratungen des ­A DHGB geäußert worden war,32 wird von Johow hingegen nicht in Betracht gezogen. Insofern stehen seine Ausführungen exemplarisch für den in den nachfolgenden Jahrzehnten vollzogenen Ansichtswandel in dieser Frage. Die Bedeutung von Johows Vorreiterrolle sowohl in Bezug auf die Anerken- 424 nung der Figur eines deutschrechtlichen Miteigentums als auch auf die Übernahme des Gesamthandbegriffs war für den weiteren Verlauf der Beratungen zum BGB möglicherweise geringer, als es auf den ersten Blick erscheint. So stellt Johow zunächst selbst klar, dass es der Idee eines deutschrechtlichen ungeteilten Eigentum überhaupt nur dann bedarf, wenn diese sich als Ergebnis der nachfolgenden Beratungen zur Erbengemeinschaft33 , zum ehelichen Güterrecht34 und zum Gesellschaftsrecht35 als notwendig erweist. Johow sah im ungeteilten Miteigentum also ein optionales Instrument, das nur dann eine Zukunft hatte, wenn es von der Kommission als Grundlage der bezeichneten Personengemeinschaften herangezogen werden sollte; der Entscheidung darüber wollte er nicht vorgreifen.36 Außerdem schlägt Johow die Figur des ungeteilten Miteigentums im Gesellschaftsrecht nur für Handels- und besondere Bergwerksgesellschaften vor.37 Als Grundlage eines zu schaffenden Rechts der BGB-Gesellschaft zieht er diese Idee offenbar genauso wenig in Betracht, wie die Erste BGB-Kommission in den nachfolgenden gesellschaftsrechtlichen Beratungen. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass Johows Ausführungen Boyens’ Kritik der Gesellschaft und der anderen Rechtsgemeinschaften des Ersten Entwurfs angestoßen haben, die ihrerseits die Ausgestaltung der BGB-Gesell29 Dazu

Schubert, Vorlagen SachenR I, S. XII ff. S. o., Rn.  412 ff. 31  S. o., Rn.  2 26. 32  S. o., Rn.  181. 33  BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1020, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1154. 34  BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1022, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1156. 35  BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1023, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1157. 36  Auch zum eigentlichen Inhalt der jeweiligen Formen ungeteilten Eigentums verweist er auf die nachfolgenden Beratungen, s. BGB-VorE SachenR (Begründung), S.  1068, in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1202. 37 BGB-VorE SachenR (Begründung), S.   1022  f., in: Schubert, Vorlagen SachenR I, S.  1156 f. 30 

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

schaft im Rahmen der Zweiten Lesung möglicherweise entscheidend prägen sollten.38

II.  Merkmale gesellschaftsrechtlicher Verselbständigung im Ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs 425

Für das Gesellschaftsrecht des BGB sind in erster Linie die eigentlichen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften von Interesse (2), doch auch die Bestimmungen zum Miteigentum und zur Gemeinschaft müssen in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden (1). 1)  Die Bestimmungen zum Miteigentum und zur Gemeinschaft

426

Die Überlegungen Johows zum deutschrechtlich inspirierten ungeteilten Miteigentum im Rahmen besonderer Personengemeinschaften haben im Ersten Entwurf lediglich in folgender Vorschrift Eingang gefunden: §. 946 (1) Das Eigenthum kann mehreren Personen gemeinschaftlich zustehen (Miteigenthum). (2) Gehört die Sache den Miteigenthümern nach Bruchtheilen, so gelten für das Miteigenthum neben den Vorschriften der §§. 763 bis 773 die Vorschriften der §§. 947 bis 951.

Dass das Miteigentum im Sinne des ersten Absatzes auch ungeteilt (d. h. auch nicht ideell geteilt) denkbar ist, lässt sich nur noch aus dem Umkehrschluss von Abs.  2 nachvollziehen. Die von Johow in seinem Vorentwurf (§  221 BGB-VorE SachenR) 39 vorgeschlagene Vorschrift in Bezug auf besondere anteilslose Miteigentumskonstruktionen bei bestimmten Personengemeinschaften findet sich im Ersten Entwurf nicht wieder. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die Mitglieder der Ersten Kommission auch entsprechende „anormale“ Miteigentumsformen von §  946 Abs.  1 BGB-E1 umfasst wissen wollten. Zwar wurde beschlossen, die Bestimmung des §  221 BGB-VorE SachenR zu streichen,40 jedoch einigte man sich darauf, innerhalb des Titels „Gemeinschaft“ den allgemeinen Rechtssatz aufzunehmen, wonach eine Gemeinschaft nach Bruchteilen dann anzunehmen sei, wenn „ein Recht ungetheilt mehreren Personen gemeinschaftlich“ zustehe, „sofern nicht aus dem Gesetze ein Anderes sich ergibt“.41 Durch letztere Einschränkung sollten die Fälle erfasst werden, „in welchen das Miteigenthum anormal sei“, aber „auch andere Rechte dieser Anormalität un38 

S. u., Rn.  438. S. o., Rn.  422. 40 S. das Protokoll der 345. Sitzung v. 08.09.1884, in: Jakobs/Schubert, Beratung SachenR  I (1985), S.  876 f. 41 Protokoll der 348. Sitzung v. 15.09.1884, in: Jakobs/Schubert, Beratung SachenR I (1985), S.  894. 39 

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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terliegen“, z. B. bei einer Handelsgesellschaft“.42 Man sah sich also zur Streichung von §  221 BGB-VorE SachenR vor allem deshalb veranlasst, weil man erkannt hatte, dass besonderen Personengemeinschaften eine anormale (d. h. anteilslose) Zuständigkeit nicht nur an dinglichen Rechten, sondern etwa auch an Forderungen möglich war und deshalb eine Verallgemeinerung geboten erschien.43 Dem tragen letztlich auch die Motive der Ersten Kommission zu §  741 BGB (§  762 BGB-E1) Rechnung, welche als entsprechende anderweitige Regelungen die Vorschriften der der OHG angelehnten Erwerbsgesellschaft44 und der verschiedenen Formen der ehelichen Gütergemeinschaft zitieren.45 Damit stellt die Erste Kommission zum einen klar, dass sie im BGB durchaus Raum für einen anteilslosen Miteigentumsbegriff (bzw. allgemeiner für einen Begriff der anteilslosen gemeinsamen Rechtezuständigkeit) sieht. Zum anderen gewährt sie aber auch Einblick darin, wie sie die Dogmatik der OHG auffasst: Dadurch, dass die Kommission von einer unmittelbaren Zuständigkeit der Mitglieder einer anormalen Personengemeinschaft für die ihnen zugeordneten Vermögensgütern ausgeht, sieht sie bei der OHG offenbar die Gesellschafter – und nicht die Gesellschaft als solche – als Subjekte der Gesellschaftsgegenstände. Das schließt eine eigene Subjektqualität der OHG aus; die Erste Kommission vertritt insofern eine Position, die weitgehend der Auffassung ähnelt, welche sich in den 1850er Jahren in der ADHGB-Kommission durchgesetzt hat.46 2)  Die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen a)  Die „herkömmliche“ BGB-Gesellschaft So sehr es die Absicht der Mitglieder der Ersten BGB-Kommission war, in all- 427 gemeinen Vorschriften des Ersten Entwurfs zum Miteigentum und zur Gemeinschaft auch die Existenz anormaler gemeinschaftlicher Zuständigkeiten von Rechten anzuerkennen: An die BGB-Gesellschaft hatte man in diesem Zusammenhang nicht gedacht. Deren Rechtsnatur orientierte sich bekanntlich an der rein schuldrechtlich konstruierten societas. Maßgeblich waren folgende Vorschriften: 47 42 Protokoll der 348. Sitzung v. 15.09.1884, in: Jakobs/Schubert, Beratung SachenR I (1985), S.  895. 43 Dazu Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  107 f. 44  Zur Erwerbsgesellschaft des Ersten Entwurfs, s. u., Rn.  430. 45  BGB-Mot. I (S.  873 f.), in: Mugdan, Materialien II (1899), S.  488. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass nach Inkrafttreten des BGB die Vorschrift des §  741 BGB von Konrad Engländer tatsächlich so verstanden wird, dass der Gemeinschaftsbegriff in Abs.  1 nicht nur die Bruchteilsgemeinschaft, sondern auch die verschiedenen Formen von Gesamthandgemeinschaften umfasst, s. Engländer, Rechtsgemeinschaft (1914), S.  29 ff.; Engländer zitiert freilich nicht die Motive der Ersten Kommission. 46  S. o., Rn.  176 ff. 47 Der nachstehende Text ist dem von der Reichsdruckerei gedruckten Entwurf BGB, Erste Lesung (1887), S.  173 ff., entnommen; diesem entspricht – von wenigen Besonderheiten

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

§. 630. (1) Jeder Gesellschafter hat einen Beitrag zu leisten. Der Beitrag kann auch in einer persönlichen Leistung bestehen. […] §. 631. (1) Die beizutragenden Gegenstände können dazu bestimmt sein, entweder dem Rechte oder dem Gebrauche oder der Nutzung nach gemeinschaftlich zu werden. […] (3) Was erforderlich ist, damit ein Gegenstand gemeinschaftlich werde, bestimmt sich nach den für die Uebertragung des Gegenstandes geltenden Vorschriften. […] §. 645. (1) Ein Gesellschafter ist gegenüber den übrigen Gesellschaftern verpflichtet, sich bis zur Auseinandersetzung der Verfügung über den ihm zustehenden Antheil an den in Folge des Gesellschaftsvertrages gemeinschaftlich gewordenen Gegenständen zu enthalten. (2) Ein Gesellschafter ist nicht berechtigt, vor der Auseinandersetzung die Theilung solcher Gegenstände zu fordern. §. 657. Haben die Gesellschafter vor der Auflösung der Gesellschaft vereinbart, daß, wenn ein Gesellschafter kündige oder sterbe oder über sein Vermögen der Konkurs eröffnet werde, die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen solle, so scheidet in Folge eines solchen Ereignisses der Gesellschafter, in dessen Person dasselbe sich zuträgt, aus der Gesellschaft mit dem Zeitpunkte aus, in welchem in Ermangelung der Uebereinkunft die Gesellschaft aufgelöst sein würde; die übrigen Gesellschafter bleiben gegen einander nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages berechtigt und verpflichtet. §. 658. (1) […] (4) Der ausscheidende Gesellschafter ist verpflichtet, seinen Antheil an den gemeinschaftlichen Gegenständen den übrigen Gesellschaftern zu übertragen. (5) Die übrigen Gesellschafter sind dagegen verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, welche er nur zum Gebrauche oder zur Nutzung eingebracht hat, nach Vorschrift des §. 656 zurückzugeben, ihn von den aus dem Gesellschaftsverhältnisse hervorgegangenen Verpflichtungen gegen Dritte zu befreien und ihm eine Geldsumme zu zahlen, welche demjenigen entspricht, was er an Geld oder Geldeswerth im Falle einer nach den Vorschriften des §. 656 erfolgenden Auseinandersetzung erhalten haben würde. […]

428

Bei dieser BGB-Gesellschaft wird deutlich, dass über die ihr übertragenen Vermögensgegenstände eine Bruchteilsgemeinschaft der Gesellschafter entsteht, welche demnach Miteigentümer der beigetragenen Sachen und Teilgläubiger in Bezug auf die der Gesellschaft zustehenden schuldrechtlichen Ansprüche werden.48 Die Gesellschafter be- oder erhalten einen individuellen Anteil an den Vermögensgegenständen. Einer unmittelbaren Anwendung der Regelungen zur Bruchteilsgemeinschaft und zum Miteigentum steht somit nichts entgegen, mit der Folge, dass jeder Gesellschafter dinglich berechtigt und befugt ist, über „seinen“ Anteil an den einzelnen Vermögensgegenständen zu verfügen. Eine solche Vorgehensweise liefe freilich dem gemeinsamen Zweck zuwider, für den in der Rechtschreibung abgesehen – der bei Mugdan, Materialien II (1899), S. CIV ff. in seiner synoptischen Aufstellung jeweils unter „I“ abgedruckte Text. 48  BGB-Mot. I, §  631 (S.  599 f.), in: Mugdan, Materialien II (1899), S.  335.

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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die Gesellschaft gegründet wurde, da die ihr abgestellten Mittel nun zum Teil ihrer Kontrolle entzogen werden; es entstünde ein hinkendes Verhältnis, bei dem einerseits die Personen der Gesellschafter unverändert bleiben, andererseits aber einer der Gesellschafter nicht mehr an den der Gesellschaft zugedachten Vermögensgegenständen beteiligt ist, dafür aber ein Dritter, der sich nicht an den Gesellschaftsvertrag halten muss und somit die zweckgebundene Verwendung des betroffenen Gutes verhindern kann. Ein derartiges Ergebnis sollte auch nach Ansicht der Redaktoren der Ersten Kommission nach Möglichkeit verhindert werden, allerdings nur mit Mitteln des allgemeinen Schuldrechts unter Wahrung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips. In der Konsequenz sah §  645 Abs.  1 BGB-E1 eine Verpflichtung der Gesellschafter vor, sich einer individuellen Verfügung ihrer Anteile zu enthalten. Diese Verpflichtung, die sich wohl bereits aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben hätte, würde aber nur im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern bestehen und nicht die Macht berühren, den betreffenden Anteil trotzdem rechtswirksam zu veräußern. Das rechtliche Können der Gesellschafter ist bei dieser Regelung somit umfassender als ihr rechtliches Dürfen. Dass damit die Gefahren einer regelwidrigen Veräußerung durch einen der Gesellschafter nicht vollkommen beseitigt sind, ist der Ersten Kommission klar gewesen.49 Das Ergebnis hätte bereits in der Ersten Kommission möglicherweise auch anders ausfallen können. So haben Gottlieb Planck50 und das von Preußen entsandte Kommissionsmitglied Karl Kurlbaum51 in der Sitzung beantragt, die gesellschafterinterne schuldrechtliche Unterlassungsverpflichtung durch ein dinglich wirkendes Veräußerungsverbot zu ersetzen,52 was von der Kommission jedoch mit dem Hinweis abgelehnt wurde, dass ein derartiges Verfügungsverbot immer eine Anomalie im Privatrecht darstelle und entscheidend sei, dass es hierfür in der konkreten Konstellation kein praktisches Bedürfnis gebe, da sich der Typ der BGB-Gesellschaft in der Mehrzahl „nur auf einfache Verhältnisse“ beziehe.53 Hingegen wirkt die Vorschrift des §  645 Abs.  2 BGB-E1 absolut: Keiner der 429 Gesellschafter kann die Teilung der in der Bruchteilsgemeinschaft befindlichen Gegenstände provozieren und dabei gleichzeitig die Gesellschaft fortführen. Notwendig war diese Vorschrift freilich nicht; sie ist auch kein Indiz für einen modifikatorischen Einfluss der Theorie der deutschrechtlichen Gesamthand. Zwar sehen die Regelungen der Bruchteilsgemeinschaft vor, dass jeder Teilha49 

BGB-Mot. I (S.  615 f.), in: Mugdan, Materialien II (1899), S.  344. Person von Gottlieb Planck, Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.  80 ff. 51  Zur Person von Karl Dietrich Adolf Kurlbaum, Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.  77. 52  S. die Protokolle, mit Namen der Antragsteller veröffentlicht in: Jakobs/Schubert, Beratung SchuldR III (1983), S.  286. 53  Jakobs/Schubert, Beratung SchuldR III (1983), S.  290, s. dazu auch Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  209 f. 50 Zur

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

ber grundsätzlich jederzeit die Teilung der Gemeinschaftsgüter verlangen kann, im Fall einer BGB-Gesellschaft würde ein solcher Vorgang aber gegen den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag verstoßen, der die Beitragsverpflichtung der einzelnen Gesellschafter aufrecht erhält und die Verteilung des Gewinns einer besonderen Regelung unterwirft. Im Ergebnis ist deutlich, dass die herkömmliche Gesellschaft des Ersten Entwurfs nicht auf die Theorien der Gesamthand zurückgreift, sondern sich mit den Instrumenten der im Allgemeinen Teil, dem Schuldrecht und dem Sachenrecht niedergelegten Regelungen, insbesondere jener zur Bruchteilsgemeinschaft, begnügt. b)  Die Erwerbsgesellschaft 430

Ausgehend von der Erwerbsgesellschaft als Unterform der Collectivgesellschaft des Dresdner Entwurfs,54 auf welchen sich die Erste Kommission bei den Vorarbeiten zum BGB gestützt hat,55 sollte durch §  659 BGB-E1 die Möglichkeit geschaffen werden, für nicht handelsrechtliche Unternehmungen eine der OHG nachempfundene Gesellschaft zu gründen. §. 659. Wird der Gesellschaftsvertrag zum Zwecke der Betreibung eines Erwerbsgeschäftes geschlossen, so kann von den Gesellschaftern die Anwendbarkeit der für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften vereinbart werden. Im Falle einer solchen Vereinbarung werden alle auf die offene Handelsgesellschaft sich beziehenden Vorschriften anwendbar, insbesondere diejenigen, welche die Errichtung der Gesellschaft, den Geschäftsbetrieb unter gemeinschaftlicher Firma, die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, das Rechtsverhältnis der Gesellschafter unter einander und zu dritten Personen, die Auflösung der Gesellschaft und das Austreten einzelner Gesellschafter, die Liquidation, die Anspruchsverjährung und die Geltung der in Ansehung der Kaufleute gegebenen Vorschriften betreffen.

Wie in den Motiven vorausgesetzt, konnte die lose Konzeption der herkömmlichen BGB-Gesellschaft nur bei „einfachen Verhältnissen“ zufrieden stellen. Bei Gesellschaften von größerer wirtschaftlicher Bedeutung, die für die einzelnen Gesellschafter etwa die Existenzgrundlage sichern sollen, erschien der Kommission auch das in den Regelungen der herkömmlichen Gesellschaft bestehende Restrisiko einer anteilsmäßigen Verfügung eines Gegenstandes durch einen Gesellschafter nicht mehr tragbar und damit eine Verselbständigung der Gesellschaft geboten. In der Konsequenz wurde eine zweite Spielart der im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehenen Gesellschaft ins Leben gerufen, die in §  659 BGB‑E1 vorgesehene „Erwerbsgesellschaft“. Für den Fall, dass sich die Gesellschafter „zum Zwecke der Betreibung eines Erwerbsgeschäftes“ zusammenschlossen, sollten sie nach dieser Vorschrift eine Gesellschaftsform wählen 54 

S. Art.  810 DrsdE; s. auch o., Rn.  225 f. die Vorschriften des Dresdener Entwurfs, in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  1 ff., sowie die Protokolle der Ersten Kommission in Jakobs/Schubert, Beratung SchuldR III (1983), S.  233 ff.; dazu o., Rn.  421. 55 S.

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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können, die auf der der handelsrechtlichen OHG begründet war. Voraussetzung der Vorschrift des §  659 BGB-E1 war freilich „die Betreibung eines Erwerbsgeschäftes“. Nach den Motiven sollte dies nur gewerbliche,56 offenbar also nicht etwa freiberufliche Tätigkeiten umfassen.57 Der Sinn lag darin, auch kaufmannsähnlichen Unternehmen die Möglichkeit einer engmaschigeren Gesellschaftsstruktur anzubieten, was sich insofern erklärt, als der Kaufmannsbegriff vor Änderung des Handelsgesetzbuchs 1896 enger gefasst war.58 In der Folge stellt die Vorschrift die Erwerbsgesellschaft der OHG in jeder Hinsicht gleich, also nicht nur bezüglich der gesellschaftsrechtlichen Regelungen, sondern auch aller Vorschriften, die für Kaufleute anwendbar sind, insbesondere in Bezug auf die Handelsverträge. Wie die Kapitalgesellschaften nimmt eine solche Erwerbsgesellschaft somit offenbar die Stellung eines Formkaufmanns ein.59 Damit handelt es sich in Wirklichkeit nicht mehr um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Kennzeichnend für eine solche Gesellschaft ist die engere Verbundenheit der Gesellschafter, die sich insbesondere in der Firma und der Vermögensfähigkeit der Gesellschaft und dem damit dinglich wirkenden Verfügungshindernis in Bezug auf die individuellen Gesellschafteranteile äußert. Der Erwerbsgesellschaft wurde damit genau das zugestanden, was der herkömmlichen BGB-Gesellschaft versagt wurde: ein anteilsloses Miteigentum der Gesellschafter an den Gesellschaftsgegenständen, welche damit als anderweitige Regelung im Sinne des §  762 BGB-E1 (§  741 BGB) zu verstehen und somit nicht den Bestimmungen der Bruchteilsgemeinschaft unterworfen war.60

III.  Die Gesellschaft im Zweiten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs 1)  Die Kritik am Ersten Entwurf a)  Die Kritik Gierkes Die Kritik Gierkes am Ersten Entwurf des BGB und insbesondere an dessen 431 personenrechtlichen Regelungen ist bekannt.61 Wie bereits sein bisheriges literarisches Schaffen zeichnen sich auch seine Reaktionen zum geplanten Gesetzeswerk durch ihren erheblichen Umfang aus. Noch im Jahr der Bekanntgabe des Entwurfs veröffentlicht Gierke einen vierteiligen und mehrere hundert Seiten langen allgemeinen Beitrag in Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Ver56 

BGB-Mot. I (S.  632 f.), in: Mugdan, Materialien II (1899), S.  353 f. Gleiche sah bereits die entsprechende Vorschrift des Dresdener Entwurfs vor (Art.  810 DrsdE), s. dazu BGB-VorE Rechtsgemeinschaften, S.  257 f., in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III (1980), S.  287 f. 58  S. o., Rn.  2 27. 59  So der Gedanke aus BGB-Mot. I (S.  634), in: Mugdan, Materialien II (1899), S.  354. 60  S. o., Rn.  426. 61  S etwa Haack, Gierke Kritik (1997), S.  75 ff.; Pfennig, Kritik Gierkes (1997), S.  56 ff.; Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  217 f.; Wieacker, PRG2 (1967), S.  470. 57 Das

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

waltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich.62 Jener Beitrag wird wiederum im Jahr darauf als „veränderte und vermehrte Ausgabe“ in Buchform aufgelegt.63 Daneben publiziert Gierke in einem von Bekker und Fischer herausgegebenen Sammelband zum BGB-Entwurf einen dem Personenrecht des Ersten Entwurfs gewidmeten Beitrag.64 Tadelnd stellt Gierke fest, dass die „gesamte Hand“ als ursprüngliches deutsches Rechtswort keinen terminologischen Eingang in den seiner Ansicht nach romanistisch geprägten Entwurf gefunden habe.65 Auch inhaltlich kann er im Gesellschaftsrecht den Gedanken der gesamten Hand nicht erkennen, der von der Kommission „verschmäht“ worden sei.66 Bei der Gesellschaft stört ihn besonders, dass sie auf einen „rein obligationenrechtliche[n]“ Vertrag aufbaut, „welcher als solcher lediglich bestimmte ‚Schuldverhältnisse‘ unter den Kontrahenden erzeugt, möglicherweise aber eine ‚Gemeinschaft‘ herbeiführt, bei der dann zwar einige Modifikationen des gewöhnlichen Gemeinschaftsrechtes eintreten, jedoch das innere Wesen der Gemeinschaft keine Wandlung erfährt“.67 Weiter greift Gierke die Regelung auf, wonach einer der Gesellschafter immer die Rechtsmacht hat, seinen Anteil am Gesellschaftsgut einem Fremden zu übertragen, mit der Folge, dass so „ein beliebiger Dritter sich in das Miteigenthum an einer Gesellschaftssache oder die Theilhaberschaft an einem anderen gesellschaftlichen Recht hineinsetzt“.68 Dabei verschweigt er nicht, dass der Entwurf immerhin im Innenverhältnis eine gewisse, deutschrechtlich inspirierte nähere Verbundenheit der Gesellschafter vorsehe, nämlich in Form eines (schuldrechtlichen) Verfügungsverbots über die in Gemeinschaft gehaltenen Vermögensgegenstände und eines Teilungsverbots, solange die Gesellschaft nicht auseinandergesetzt ist. Er kritisiert aber, dass dies zum Preis einer „kunstvollen Konstruktion“ geschehe.69 Auch lässt Gierke zwar gelten, eine Verdichtung des persönlichen Gesellschaftsbandes sei durch die Einrichtung einer „Erwerbsgesellschaft“ zu erreichen, er bemängelt aber, dass dies die Übernahme 62  Gierke, SchmJB 12, 3 (1888), S.  57 ff.; SchmJB 12, 4 (1888), S.  109 ff.; SchmJB 13, 1 (1889), S.  183 ff.; SchmJB 13, 2-Ergänz. (1889), S.  1 ff. 63  Gierke, BGB-Entwurf 2 (1889). 64  Gierke, Personengemeinschaften (1889). 65  Gierke, SchmJB 12, 3 (1888), S.  57, 90 = Gierke, BGB-Entwurf 2 (1889), S.  49. 66  Gierke, SchmJB 12, 4 (1888), S.   109, 117 = Gierke, BGB-Entwurf2 (1889), S.  89; s. auch Gierke, Personengemeinschaften, (1889), S.  59, wo der Autor dafür eintritt, der römisch­ rechtlich inspirierten Bruchteilsgemeinschaft zumindest auch gleichberechtigt „die deutsch­ rechtliche Gemeinschaft zur gesammten Hand zur Seite“ zu stellen. 67  Gierke, SchmJB 12, 4 (1888), S.  109, 118 f. = Gierke, BGB-Entwurf 2 (1889), S.  90 f. 68  Gierke, SchmJB 13, 1 (1889), S.  183, 242 = Gierke, BGB-Entwurf 2 (1889), S.  253; zu der Kritik s. auch die Erwiderung des Kommissionsmitglieds Planck, der einräumt, dass man bei der der Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens durchaus auch hätte weiter gehen können, dass dies jedoch weitere Vorschriften „zum Schutze der Interessen der Privatgläubiger der einzelnen Gesellschafter“ erfordert hätte, was Anlass zu einer komplizierten Regelung gegeben hätte, s. Planck in: Entwurf III (1889), S.  327, 342 f. 69  Gierke, Personengemeinschaften (1889), S.  97 f.

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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aller handelsrechtlichen Vorschriften zur Folge habe, so dass eine deutschrechtliche Konzeption einer Gesellschaft praktisch aus dem bürgerlichen Recht verdrängt werde.70 Außerdem hält er es für unverständlich, dass die Errichtung einer Erwerbsgesellschaft nur Gewerbetreibenden vorbehalten sei, andere Personen also keine andere Wahl als die Gesellschaftsform ähnlich der römisch­ rechtlichen societas haben.71 Bei aller Deutlichkeit seiner Kritik an den Regelungen des BGB über die verschiedenen Personenzusammenschlüsse wird Gierke keine Alternativen vorschlagen.72 Er hält den Entwurf als solchen für so verfehlt, dass mit „Besserungen im einzelnen […] nichts gethan“ sei.73 Vielmehr bedürfe „es einer Umschmelzung des Entwurfes, welche sich auf Fassung und Gehalt erstrecken muß“.74 Gierke plädiert also für eine regelrechte Auflösung des Regelwerks, von dem lediglich manche Einzelteile, nicht jedoch die Struktur in einem neuen Anlauf aufgenommen werden könnten. Dass sich Gierke mit dieser Energie gegen die auf die Bruchteilsgemeinschaft 433 aufbauende und ansonsten allein schuldrechtlich ausgerichtete Gesellschaft auflehnt, erscheint auf den ersten Blick nicht unerwartet. Sein bisheriges Werk hatte in den späteren Jahren zunehmend den Fokus auf die Theorie der Gesamthand gesetzt, zuletzt noch in schlagkräftiger Weise in der 1887 erschienenen Schrift zur „Genossenschaftstheorie“.75 Bedenkt man, dass die im Ersten Entwurf vorgestellte BGB-Gesellschaft keines der Gesamthandmerkmale übernimmt, die Gierke – wie Kuntze und Stobbe vor ihm – in seinen Werken propagiert hat, erscheint die von ihm geäußerte Kritik verständlich. Es fällt jedoch auf, dass die gesellschaftsrechtliche Gesamthanddebatte zu- 434 vor ausschließlich auf Handelsgesellschaften und, seit dem Dresdner Entwurf, auf die Erwerbsgesellschaft nach dem Vorbild der OHG beschränkt war. Bereits vor Heranziehung des Gesamthandbegriffs hatte Bluntschli eine germanistische Gestaltung der Handelsgesellschaft vorgeschlagen, aber bei reinen Gelegenheitsgesellschaften die Ausgestaltung als römische societas als völlig ausreichend angesehen.76 Kuntze, der als erster den Gesamthandbegriff überhaupt mit der Gesellschaft in Verbindung gebracht hat, beschäftigte sich ausschließlich mit der Handelsgesellschaft. Beseler sah sogar die Handelsgesellschaften auf den „Begriff der römischen communio“ gestützt, der lediglich durch das genossenschaftliche Prinzip modifiziert worden sei und damit noch nicht einmal unter den besonderen „materiellen Rechtsgemeinschaften“ wie 70 

Gierke, SchmJB 12, 4 (1888), S.  109, 119 = Gierke, BGB-Entwurf2 (1889), S.  91. Gierke, Personengemeinschaften (1889), S.  103. 72  So auch die Feststellung in Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  218. 73  Gierke, SchmJB 13, 2-Ergänz. (1889), S.   1, 216 = Gierke, BGB-Entwurf2 (1889), S.  584. 74  Gierke, SchmJB 13, 2-Ergänz. (1889), S.   1, 216 = Gierke, BGB-Entwurf2 (1889), S.  584 f. 75  S. o., Rn.  394 ff. 76 S. Bluntschli, DPR II1 (1854), §  133, S.  86. 71 

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

insbesondere die eheliche Gütergemeinschaft zählte; die Tatsache, dass Beseler in diesem Zusammenhang die Gesellschaften außerhalb des Handelsrechts ­ignoriert, lässt vermuten, dass er wie Bluntschli auch für sie die römischrechtliche Grundlage als zufriedenstellend gesehen hat.77 Gierke selbst hat sowohl im zweiten Band seines Genossenschaftsrechts78 als auch in seiner Genossenschaftstheorie79 die gesellschaftsrechtliche Gesamthand praktisch ausschließlich80 mit der Handelsgesellschaft verbunden. Dies machte auch tatsächlich Sinn, denn die Frage der Vermögenstrennung und der Rechtsfähigkeit hatte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts speziell bei Handelsgesellschaften immer akuter gestellt und war mit dem ADHGB ab 1861 dann auch Gegenstand einer deutschlandweit einheitlichen Regelung geworden, die die Handelsgesellschaften von diesem Zeitpunkt an endgültig von ihrer römischrechtlichen Konzeption löste. Bei den verbleibenden „schlichten“ Gesellschaften des Privatrechts, darunter der gemeinrechtlich inspirierten societas und der rheinischen société civile, waren entsprechende Tendenzen einer Vermögensabsonderung nicht zu verzeichnen gewesen.81 Alleine das preußische Recht ließ einen solchen Schluss für die „Besonderen Gesellschaften“ zu,82 wobei sich diese Auslegung möglicherweise daraus ergab, dass die „Besonderen Gesellschaften“ des PrALR bis Inkrafttreten des ADHGB im Jahre 1861 auch Handelsgesellschaften umfassten,83 für welche das Bedürfnis einer Absonderung des Gesellschaftsvermögens dringlicher gewesen war. Die Kritik Gierkes erscheint insofern in einem anderen Licht, als die gesellschaftsrechtlichen Regelungen des ADHGB vom Ersten Entwurf gar nicht in Frage gestellt wurden, dessen §  658 ausdrücklich auf jene Bestimmungen verwies. Die Gründe, die Gierke dazu veranlasst haben, die Theorie der gesamten Hand auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu verwirklichen, erschließen sich nicht aus den Schriften, die von ihm und den 77 

Beseler, Volksrecht (1843), S.  167; Beseler, System I1 (1847), S.  359 f. Gierke, GenossenschR II (1873), S.  934 ff. 79  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  435 ff. 80 Die Möglichkeit, die Grundsätze der gesamten Hand auch auf Gesellschaftsformen auszudehnen, die „auf gemeinsamen Erwerb“ oder auf „eine sonstige gemeinsame Thätigkeit“ gerichtet seien, erwägt Gierke allenfalls beiläufig, Gierke, GenossenschR II (1873), S.  933, ohne den Gedanken in nachfolgenden Schriften weiter auszuführen. 81  Zwar wird in den 1888 erschienenen Motiven des Ersten Entwurfs (S.  599 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  335) behauptet, dass das französische Recht die „Einheit oder Geschlossenheit des Gesellschaftsvermögens“ vorsah, die Passagen in Zachariaes Lehrbuch zum französischen Zivilrecht, die von den Motiven als Fundstellen angegeben sind, lassen einen solchen Schluss aber nicht zu: s. Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR II7 (1886), §  377, S.   596, Fn.   1; §   381, S.   607, Fn.   7; §   382, S.   610, Fn.   6 (lediglich Teilungsverbot); §   383, S.  611 f., Fn.  5 ; §  383, S.  612 f., Fn.  8 ; Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR I7 (1886), §  197, S.  539 ff. (das Gesamteigentum habe im französischen Recht ausschließlich in das Erbrecht Eingang gefunden); Boyens hat in der Folge die Fundstellen der Motive zum französischen Recht anscheinend ungeprüft übernommen, s. Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1029. 82  S. PrALR I, 17, §  263 (arg. e contrario). 83  S. o., Rn.  113. 78 

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

345

anderen Anhängern der Gesamthandtheorie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurden. Vielleicht ging es Gierke gar nicht so sehr um die BGB-Gesellschaft und war seine Kritik in der Befürchtung begründet, die Gesellschaften des Handelsrechts könnten bei der Neufassung des HGB in einer Weise ausgestaltet werden, die der Theorie der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand vollständig der Boden entziehen würde. Gierkes Angriffe auf das Gesellschaftsrecht des Ersten Entwurfs wären vielleicht nicht in der gleichen Intensität ausgefallen oder wären unter Umständen sogar ganz ausgeblieben, wenn gleichzeitig ein Entwurf eines Handelsgesetzbuchs vorgelegen hätte, in dem die Gesamthandtheorie als konstruktiver Ansatz für die Personengesellschaften des Handelsrechts ins Spiel gebracht worden wäre. b)  Die Kritik Boyens’ Der Stettiner Rechtsanwalt Boyens verfasst 1890 eine maßgeblich sachbezoge- 435 ne Kritik des Gesellschaftsrechts des Ersten Entwurfs.84 Anders als Gierke verfolgt er weniger einen idealistisch historisierenden, sondern mehr einen pragmatisch bedarfsorientierten Ansatz. Er stellt fest, dass zur rechtlichen Gestaltung von Personenzusammenschlüssen vornehmlich die römischrechtlich inspirierte Bruchteilsgemeinschaft und die „unter Wiederbelebung eines alten Namens“ von der germanistischen Schule herausgearbeitete Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand zur Verfügung stehen.85 Seine Vorstellung von der gesamten Hand ist kompakter, weniger variabel als die von Gierke: Jene sei „eine einheitliche geschlossene Vermögensmasse, ein Inbegriff (universitas juris) und den betheiligten Personen steht bis zur Auseinandersetzung nur an dieser ganzen ungetheilten Masse ein Anrecht, nicht ein quotatives Miteigenthum an den einzelnen dazu gehörigen Gegenständen zu, woraus folgt, daß auch nur der Gesammtwille der verbundenen Personen über diese Masse als solche verfügen kann, die Sonderrechte der Einzelnen sich bis zur Auseinandersetzung auf Nutzungen und Gewinnbezug beschränken“.86 Boyens erklärt, es stehen bei der „germanistischen Auffassung“ die Gemeinschaft, bei der „römischen Auffassung“ die Individuen im Vordergrund, so dass nicht angenommen werden könne, dass „eine der beiden Theorieen auf alle Fälle des Miteigenthums anzuwenden“ sei. Es erscheint ihm vielmehr geboten, nach Art des Personenzusammenschlusses zu differenzieren.87 Danach scheide die Gesamthand da aus, wo „außer der bloßen Thatsache des gemeinschaftlichen Eigenthums kein persönliches Band irgend welcher Art unter den Betheiligten besteht oder wo ein

84  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1015 ff.; zur Kritik Boyens’, s. ausführlich Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  223 ff. 85  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1026. 86  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1027. 87  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1027.

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436

3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

solches nicht mehr besteht“.88 Existiere aber nach Art des Zusammenschlusses eine besondere Bindung zwischen den Mitgliedern, sieht Boyens die Anwendung des „germanistischen Prinzips“ für geboten.89 Anders als bei Gierke, der aus emotionaler Verbundenheit zu altdeutschen Rechtskonzepten die Theorie der Gesamthand in das deutsche Recht integrieren will, erwecken Boyens’ Passagen insgesamt den Eindruck, dass er den römischen bzw. altdeutschen Ursprung der zur Verfügung stehenden Denkmodelle zur Ausgestaltung der Gesellschaft zwar nicht in Frage stellt, dass er seine Auswahl aber nicht wegen dieses Ursprungs trifft, sondern in pragmatischer Weise danach entscheidet, welches der beiden Modelle für die voraussichtlichen Zwecke einer BGB-Gesellschaft am geeignetsten erscheint; insofern stellen sich die germanistische Gesamthand und die römische communio für ihn wie Steinbrüche dar, aus welchen man sich je nach Bedarf bedienen kann. Boyens geht sodann zu der Frage über, ob die Gesellschaft, welche die Erste Kommission auf den Boden der Bruchteilsgemeinschaft aufgestellt hat, in Wirklichkeit eine persönliche Bindung zwischen den Gesellschaftern in sich trägt, die die Anwendung der Grundsätze der Gesamthand rechtfertigen würde. Das bejaht er: Bei natürlicher Betrachtung seien die der Gesellschaft zugewiesenen Vermögensbestandteile den Gesellschaftern entzogen und dazu bestimmt, dem Gesellschaftszweck zu dienen. Es sei daher „gewiß materiell ungerechtfertigt und in der Absicht der Betheiligten widersprechend, ein Miteigenthum jedes Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen“ anzunehmen.90 In der Konsequenz sei ein „übereinstimmender dinglicher Rechtszustand“ vorzugswürdig. Weiter erkennt Boyens an, dass eine Gemeinschaft zur gesamten Hand zwar ein Organ haben müsse, durch welches der „Gesammtwille“ der Gemeinschaft tätig werde. Ein solches Organ könne aber auch von sämtlichen Teilhabern nach dem Einstimmigkeitsgrundsatz gebildet werden, wie es der Entwurf zu Recht vorsehe.91 Im Anschluss an sein Gutachten veröffentlicht Boyens einen Gegenentwurf zum Gesellschaftsrecht, der seine Kritikpunkte berücksichtigt, insbesondere die aus seiner Sicht auszuschließende Verfügungsberechtigung der Gesellschafter in Bezug auf die Anteile an dem Gesellschaftsvermögen.92 Möglicherweise wegweisend ist, dass Boyens, obwohl er offensichtlich für die Gestaltung der Gesellschaft nach den Grundsätzen der Gesamthand plädiert, den Begriff „gesamte Hand“ in seinem Gegenentwurf nicht verwendet. Weichenstellend ist möglicherweise auch die Tatsache, dass 88 

Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1027. Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1028; diese Argumentation war in der Substanz auch schon vor dem Gesetzgebungsverfahren von Gierke angeführt worden, s. Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  344. 90  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1033. 91  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1037. 92  Boyens in: Gutachten II (1889/90), S.  1059 (§  631b des Gegenentwurfs). 89 

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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Boyens an der Legitimität des Begriffs „gesamte Hand“ zur Qualifizierung eines auch gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnisse erfassenden entsprechenden Grundprinzips keinen Zweifel hat, was in Anbetracht der Tatsache bemerkenswert ist, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung den Begriff in diesem Zusammenhang praktisch vollkommen ignoriert hat. Boyens bezeichnet die „gesamte Hand“ zudem als „germanistisches Prinzip“, wobei er freilich offenlässt, ob er damit von einer von Autoren der germanistischen Schule des 19. Jahrhunderts geschaffenen oder von einer altdeutschen Rechtskonstruktion ausgeht, die die vergangenen Jahrhunderte überlebt hat. Historisch zutreffend wäre vermutlich die erste Einschätzung, wenn man annimmt, dass es sich bei den Tendenzen der rechtlichen Verselbständigung von Handelsgesellschaften um eine in deutschen Ländern vergleichsweise junge Entwicklung handelt, die zumindest auch auf Impulse aus dem europäischen Ausland zurückgeht,93 und der Gesamthandbegriff in deutschen Quellen erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Gesellschaftsrecht in Berührung gekommen ist.94 Die Materialien des ADHGB95 und zur Einführung des ADHGB in Preußen96 , das ROHG 97 und auch Teile der Literatur des 19. Jahrhunderts98 gehen ebenfalls noch von einer aus Italien hervorgegangenen Entwicklung aus und mit Ausnahme der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts haben meist nur germanistische Autoren vertreten, dass die Verselbständigung der Handelsgesellschaft auf einer deutschrechtlichen Entwicklung beruht. 2)  Die inhaltlichen Veränderungen des Zweiten Entwurfs Die geäußerten Kritiken zum Ersten Entwurf führen 1890 zur Einsetzung der 437 Zweiten Kommission, welcher die Aufgabe übertragen wird, den Ersten Entwurf in den betreffenden Punkten zu verbessern.99 Im Gesellschaftsrecht waren die Änderungen besonders spürbar, da die im Ersten Entwurf als schuld­ rechtliches Rechtsverhältnis ausgestaltete BGB-Gesellschaft nun den Grundsätzen der Gesamthand unterworfen wurde.

93 

S. o., Rn.  40 ff. S. o., Rn.  361 ff. 95  S. o., Rn.  181. 96  S. o., Rn.  188. 97  S. o., Rn.  200. 98  S. etwa das historische Verständnis Gerbers, o., Rn.  415. 99  Zu der Einsetzung der Zweiten Kommission, s. ausführlich Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1987), S.  50 ff. 94 

348

3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

a)  Die Einführung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand als neues Prinzip aa)  Die Gesamthand der BGB-Gesellschaft 438

Zur Vereinfachung der Arbeiten lieferte das Reichsjustizamt eine Aufstellung und eine kurze Zusammenfassung der zum Ersten Entwurf erschienenen Kritiken, gerade auch zur Regelung des Gesellschaftsrechts.100 Auffallend ist, dass dort insbesondere das Gutachten von Boyens verhältnismäßig umfassend wiedergegeben wird, was möglicherweise dazu geführt hat, dass es zur Gestaltung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Mitglieder der Zweiten Kommission bevorzugt herangezogen wurde.101 Die hier interessierenden Regelungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nehmen im Zweiten Entwurf folgende Gestalt an: 102 §. 658. (1) Ein Gesellschafter kann über seinen Antheil an den durch die Beiträge der Gesellschafter und durch den Erwerb aus der Geschäftsführung gemeinschaftlich gewordenen Gegenständen, mit Einschluß der Forderungen, (Gesellschaftsvermögen) nicht verfügen; er ist nicht berechtigt, Theilung zu verlangen. Gegen eine Forderung, welche zum Gesellschaftsvermögen gehört, kann der Schuldner eine ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter zustehende Forderung nicht aufrechnen. (2) Die Zugehörigkeit einer Forderung zum Gesellschaftsvermögen hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntnis erlangt hat; […] (3) Die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen findet nur auf Grund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt. §. 663. Hat der Gläubiger eines Gesellschafters die Pfändung und Ueberweisung des Anspruchs auf dasjenige erwirkt, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommt, so kann er die Gesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, sofern der Schuldtitel nicht blos vorläufig vollstreckbar ist. §. 673. (1) Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Antheil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern zu. Diese sind verpflichtet, dem Ausscheidenden die Gegenstände, welche er der Gesellschaft zum Gebrauch oder zur Benutzung überlassen hat, in Gemäßheit des §. 668 zurückzugeben, ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm dasjenige in Geld zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten haben würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Sind gemeinschaftliche Schulden noch nicht fäl-

100 

Zusammenst. gutacht. Aeuß. II (1890), S.  342 ff. gutacht. Aeuß. II (1890), S.  343 ff.; zum Einfluss von Boyens auf das Gesellschaftsrecht des Zweiten Entwurfs, Hadding in: FS Reichsjustizamt (1977), S.  271; s. auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  223; a. A. aber Köbler, Privatrechtswortschatz (2010), S.  296, welche die Neuausrichtung des bürgerlichen Gesellschaftsrechts „allein auf Otto von Gierke“ zurückgehen lässt; ähnlich auch Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  17. 102  Nachfolgende Bestimmungen sind der amtlich veranlassten, im Jahre 1895 bei Guttentag erschienenen Veröffentlichung Entwurf BGB, 2. Lesung, S.  202 ff. entnommen. 101 Zusammenst.

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

349

lig, so können die übrigen Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten. (2) Reicht der Werth des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der Schulden und der Einlagen nicht aus, so hat der Ausscheidende den übrigen Gesellschaftern für den Fehlbetrag nach dem Verhältnisse seines Antheiles am Verlust aufzukommen. (3) Der Werth des Gesellschaftsvermögens ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln. §  675. Wird eine Gesellschaft zum Betriebe eines Erwerbsgeschäfts eingegangen, so kann in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt werden, dass die Gesellschaft den für die offene Handelsgesellschaft oder den für die Kommanditgesellschaft geltenden Vorschriften unterliegen soll. Die Gesellschaft gelangt in einem solchen Falle mit der Eintragung in das Handelsregister zur Entstehung. Die Anmeldung zum Handelsregister sowie die Eintragung muss die Angabe enthalten, dass der Gesellschaftsvertrag mit der bezeichneten Bestimmung geschlossen ist. Im Uebrigen finden auf die Gesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft oder die für die Kommanditgesellschaft sowie die für Kaufleute geltenden Vorschriften Anwendung.

Die gesetzliche Regelung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird also dahin 439 modifiziert, dass gemeinschaftlich gewordene Vermögensgegenstände nicht mehr der Bruchteilsgemeinschaft unterworfen sind und auch nicht mehr mit einem lediglich obligatorisch wirkenden Verfügungsverbot i. S. d. §  645 Abs.  1 BGB-E1 belegt werden: Die Gesellschafter können vielmehr über einen (soweit überhaupt noch vorhandenen) Anteil am Gesellschaftsvermögen gemäß §  658 Abs.  2 BGB-E2 mit dinglicher Wirkung erst gar nicht verfügen. Scheidet einer der Gesellschafter vorzeitig aus der Gesellschaft aus, ist er auch nicht, wie noch nach §  658 Abs.  4 BGB-E1, lediglich verpflichtet, seinen Anteil an den gemeinschaftlichen Vermögensgegenständen an die verbleibenden Gesellschafter zu übertragen, sondern dieser Anteil wächst Letzteren gemäß §  673 Abs.  1 Satz  1 BGB-E2 mit dinglicher Wirkung kraft Gesetzes zu. Damit nähert sich die BGB-Gesellschaft des Zweiten Entwurfs der Gestaltung der OHG zwar an, erreicht diese aber mangels einer von Art.  111 ADHGB (bzw. §  124 HGB) angelehnten Vorschrift nicht, was die Kommission dazu veranlasst hat, die aus dem Ersten Entwurf stammende Vorschrift zur Erwerbsgesellschaft zu behalten. bb)  Die Gesamthand des nicht rechtsfähigen Vereins Hatte der Erste Entwurf die Frage der Rechtspersönlichkeit von Vereinen noch 440 grundsätzlich als Sache der Landesgesetzgebung angesehen (§  42 BGB-E1103 ), waren sich die Mitglieder der Zweiten Kommission darin einig, dass die geeignete Rechtsform für Vereine an sich die juristische Person sei.104 Diesen Zustand konnte im Zweiten Entwurf aber nur entweder durch Eintragung oder 103 Abgedruckt in: Entwurf BGB, 1. Lesung, S.   11 = Mugdan, Materialien I (1899), S.  LIX. 104  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.  457 = Mugdan, Materialien I (1899), S.  640.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

durch behördliche Erlaubnis erlangt werden (§  23 BGB-E2105). Fehlten diese, stellte sich die Frage nach der Organisationsform entsprechender Personenzusammenschlüsse. Die Mehrheit in der Zweiten Kommission sah sich veranlasst, dafür Sorge zu tragen, dass die Stellung eines nicht rechtsfähigen Vereins derjenigen einer juristischen Person nicht zu nahe kam.106 So wurde insbesondere verworfen, die Parteifähigkeit oder ein vom Wechsel und dem Konkurs der Vereinsmitglieder unabhängiges Vereinsvermögen anzuerkennen.107 Auch eine Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen wurde abgelehnt.108 Die Zweite Kommission war sich wohl bewusst, dass das bürgerliche Gesellschaftsrecht nicht wirklich für die Zwecke der nicht rechtsfähigen Vereine geeignet war, hielt die Anwendung jener Vorschriften aber dennoch für geboten, um das Unterlassen einer Eintragung möglichst unattraktiv erscheinen zu lassen.109 Die Regeln zum Gesellschaftsrecht wurden im Zweiten Entwurf daher um einen entsprechenden §  676 BGB-E2 ergänzt.110 Über diesen Weg wurde dem nicht rechtsfähigen Verein somit ebenfalls die Organisationsform der Gesamthand zugewiesen. Das Wesen der Gesamthand im Zusammenhang mit dem nicht rechtsfähigen Verein wurde von den Mitgliedern der Zweiten Kommission in den Protokollen jedoch nicht näher erörtert. cc)  Die Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in den Bestimmungen zur Gemeinschaft und zum Miteigentum 441

In den Vorarbeiten war die (potenzielle) Existenz eines anteilslosen Miteigentums,111 in den Materialien zum Ersten Entwurf sogar allgemeiner einer anteilslosen Zuständigkeit von Rechten im Rahmen einer Gemeinschaft,112 ausdrücklich anerkannt gewesen. Da die BGB-Gesellschaft im Ersten Entwurf aber lediglich als schuldrechtliches Rechtsverhältnis konstruiert war, hatte man im Gesellschaftsrecht ein Bedürfnis für die Anerkennung entsprechender „anormaler“ Vermögenszuständigkeiten lediglich bei Handelsgesellschaften 105 

Entwurf BGB, Zweite Lesung (1895), S.  10 f. = Mugdan, Materialien I (1899), S. LIX. Zu den politischen Hintergründen, s. Wieacker, PRG2 (1967), S.  480. 107  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   457 f. = Mugdan, Materialien I (1899), S.  640. 108  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.  459 = Mugdan, Materialien I (1899), S.  641. 109  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   458 f. = Mugdan, Materialien I (1899), S.  640 f.; dazu auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  252 f. 110  Abs.  1: „Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung“; Abs.  2 : „Aus einem Rechtsgeschäfte, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; haben mehrere gehandelt, so haften sie als Gesammtschuldner“, abgedruckt in: Entwurf BGB, Zweite Lesung (1895), S.  208 f. (entspricht, von kleinen Abweichungen abgesehen, der bei Mugdan, Materialien I (1899), S. LXVII, unter „II“ abgedruckten Fassung). 111  S. o., Rn.  422 ff. 112  S. o., Rn.  426. 106 

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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bzw. bei der an die OHG angelehnten Erwerbsgesellschaft gesehen. Nachdem sich die Zweite Kommission entschieden hatte, auch die BGB-Gesellschaft auf den Gesamthandgedanken aufzubauen, wäre dessen besondere Berücksichtigung in den gemeinschaftsrechtlichen und eigentumsrechtlichen Vorschriften umso mehr zu rechtfertigen gewesen. Eine besondere Mühe ist hierauf aber nicht verwendet worden. Während der Beratungen wurde zwar der Antrag gestellt, den §  762 BGB-E1 (§  741 BGB) umzuformulieren, um damit klarzustellen, dass nicht unbedingt „bei jeder Gemeinschaft eine Theilung nach festen Bruchtheilen anzunehmen sei“, da „man bei der Gesellschaft eine Regelung nach dem Prinzipe der gesammten Hand beschlossen“ habe.113 Der Antrag wurde aber nicht angenommen, weil die Kommission befürchtete, die vorgeschlagene Neuversion von §  762 BGB-E1 könnte so verstanden werden, dass die Ausgestaltung der Gemeinschaft als Gesamthandgemeinschaft der Privat­ autonomie der Gemeinschaftsmitglieder unterworfen sei. In den Vorschriften zum Miteigentum wurden die Hinweise auf die Existenz 442 eines anteilslosen Miteigentums durch die Zweite Kommission deutlich reduziert. Machte §  946 Abs.  2 BGB‑E1 im Umkehrschluss noch deutlich, dass der Miteigentumsbegriff auch Formen umfasste, die kein Bruchteilseigentum waren,114 gelangte man nun zu einer Version dieser Vorschrift, die dem heutigen §  1008 BGB entspricht und im Wortlaut eine solche Auslegung zumindest nicht mehr zwingend erscheinen lässt. Allerdings war es nicht die Absicht der Kommission, den §  946 BGB-E1 inhaltlich zu ändern, vielmehr ging es u. a. darum, die als überflüssig angesehene Definition des Miteigentums zu streichen.115 Über den Wortlaut der Vorschrift wurde von der Zweiten Kommission auch kein Beschluss gefasst, sondern die Frage der Redaktionskommission überwiesen, von welcher die in Kraft getretene Fassung stammt.116 Die in den Beratungen zum Sachenrecht beschlossene Abschwächung des Gesamthandarguments in den Vorschriften zum Miteigentum überrascht. Tatsächlich hatte die Zweite Kommission während der Beratungen zum Gesellschaftsrecht im Gegenteil den Hinweis aufgenommen, „daß es der Red.Komm. überlassen bleiben müsse, den Unterschied zwischen dem bisher im Entw. angenommenen Miteigenthum und dem Eigenthume zur gesammten Hand, wie solches jetzt sanktionirt sei, im Gesetz an geeigneter Stelle zum Ausdruck zu bringen“.117 Damit verkannte die Zweite Kommission einerseits, dass die Regelung des Miteigentums im Ersten 113  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   744 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  1203 f. 114  S. o., Rn.  426. 115  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle III (1899), S.   274 f. = Mugdan, Materialien III (1899), S.  699. 116  Jakobs/Schubert, Beratung SachenR I (1985), S.  900, 902 f. 117  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   433 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  992.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Entwurf ein anteilsloses Miteigentum bereits umfassen sollte,118 andererseits versäumte sie (oder die Redaktionskommission) in der Folge nicht nur, die angeregte Klarstellung vorzunehmen,119 sondern tilgte sogar in den Bestimmungen zum Miteigentum – offenbar in Unkenntnis ihrer Bedeutung – die letzten Reste einer Formulierung, die auf die Existenz eines ungeteilten Miteigentums schließen lassen konnten. b)  Dogmatik der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand im Zweiten Entwurf aa)  Gebundenes Quoteneigentum oder eigenes Sondervermögen? 443

444

Auffallend beim Studium der Protokolle der Zweiten Kommission zum BGB-Gesellschaftsrecht ist der Umfang, welchen diese der gesamten Hand als nunmehr angenommene Grundlage der Gesellschaft bürgerlichen Rechts widmen. Es wird erklärt, dass die Gesellschaft des Ersten Entwurfs und ihr nur im Innenverhältnis obligatorisch wirkendes Verfügungsverbot der Gesellschaft auf Grundlage der gesamten Hand gegenüberzustellen sei, bei welcher „ein selbständiges Gesellschaftsvermögen gebildet wird“, welches „nicht nach festen Bruchtheilen getheilt“ werde: 120 „Das ganze Gesellschaftsvermögen ist zur Deckung der Lasten und Schulden der Gesellschaft gebunden“ und die „Verfügung über die einzelnen Stücke des Gesellschaftsvermögens ist nur gemeinschaftlich möglich; die Führung von Prozessen kann nur gemeinschaftlich geschehen; die Zwangsvollstreckung in Stücke des Gesellschaftsvermögens kann nur auf Grund eines gegen alle Gesellschafter vollstreckbaren Titels erfolgen“.121 Diese Sichtweise sollte, nach dem mehrheitlichen Beschluss der Kommission, die Konzeption des Ersten Entwurfs ersetzen.122 Allerdings wollte die Kommission eine Stellungnahme „zu der wissenschaftlichen Streitfrage über das Wesen der gesammten Hand“ insofern vermeiden,123 als eine Einigung der Kommissionsmitglieder zwischen zwei Spielarten nicht erzielt werden konnte. Die eine (als in der Wissenschaft herrschend bezeichnete) Ansicht gehe dahin, „daß auch bei dem Eigenthume nach der gesammten Hand ein Quoteneigenthum der Gesellschafter an den einzelnen Vermögensstücken bestehe“; danach liege der „karakteristische Unterschied zwischen dem Gesammteigenthum und dem römischen Miteigenthum […] einerseits darin, daß bei der gesammten Hand die einzelnen Antheile beweglich seien und 118 

S. o., Rn.  426. So auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  246, Fn.  16. 120  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   428 f. = Mugdan, Materialien (1899), S.  989 f. 121  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   429 = Mugdan, Materialien (1899), S.  990. 122  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   434 = Mugdan, Materialien (1899), S.  993. 123  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   429 f. = Mugdan, Materialien (1899), S.  990. 119 

II II II II

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

353

ohne einen besonderen Uebertragungsakt zu ideellen Theilen zwischen den Gesellschaftern veränderlich seien, andererseits darin, daß die gesammte Hand ein gewisses persönliches Verhältniß zwischen den einzelnen Gesellschaftern mit sich bringe, weil man nur gemeinschaftlich handeln könne“.124 Die Gegenmeinung habe ausgeführt, „daß von Antheilen der Gesellschafter an den einzelnen Vermögensstücken bei der gesamten Hand nicht die Rede sein könne, wie sich schon daraus ergebe, daß möglicherweise bei der Auseinandersetzung ein Gesellschafter von den vorhandenen Vermögensstücken nichts erhalte“; hingegen seien beim Miteigentum „feste Regeln über die Vertheilung der Früchte und des etwaigen Erlöses der einzelnen Sache gegeben und der ideelle Antheil des Miteigenthümers jederzeit frei übertragbar“.125 Den Punkt offen zu lassen, ob den Gesellschaftern nun Quoteneigentum an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft zusteht oder nicht, eröffnet die Möglichkeit der Annahme zweier unterschiedlicher Gesamthandkonstruktionen, ggf. auch von Zwischenstufen. Nach der einen Idee bleiben die Gesellschafter Eigentümer jeweils ideeller Quotenteile an den Vermögensgegenständen, welche lediglich mit einem dinglich wirkenden Verfügungsverbot belastet sind, solange die Gesellschaft existiert. Kennzeichen einer solchen Konstruktion ist die Möglichkeit, das Gesamthandeigentum unter bestimmten Voraussetzungen zu Bruchteilseigentum ohne besonderen rechtsgeschäftlichen Übertragungsakt umzuwandeln. Hierbei handelt es sich um eine im Verhältnis zu den anderen Vorschriften des BGB weniger einschneidende, gewissermaßen als „sachenrechtliche Lösung“ zu bezeichnende Maßnahme. Nach der anderen Idee, der etwas aufwändigeren „Sondervermögenslösung“, liegt der Grund des Verfügungsverbotes darin, dass die Gesellschaft ein selbständiges Vermögen entstehen lässt, das von den persönlichen Vermögen der Gesellschafter abgeschieden ist, wofür Letzteren eine Verfügungsberechtigung im Sinne des §  185 BGB schlichtweg fehlt. Die Zweite Kommission geht der Frage, welche der beiden Ideen anhand der 445 gesetzlichen Regelung zu bevorzugen ist, im Großen und Ganzen aus dem Weg. Sie scheint diese Neutralität auch dadurch zu wahren, dass sie in den Protokollen Indizien gleichfalls für beide Auslegungsmöglichkeiten streut. Für eine Sondervermögenslösung spricht etwa die Verwendung des Begriffs „Gesellschaftsvermögen“. Allerdings muss sich jene Bezeichnung nicht unbedingt auf einen technischen Vermögensbegriff stützen; auch Otto Bähr gebrauchte 1892 in seinem Gegenentwurf den Ausdruck „Gesellschaftsvermögen“ untechnisch im Sinne von „gemeinschaftliche Gegenstände“.126 Für die sachenrechtliche Lösung spricht die Passage des §  658 Abs.  1 Satz  1 BGB-E2 (§  719 Abs.  1 BGB), 124  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   429 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  990. 125  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   430 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  990. 126  Bähr, Gegenentwurf (1892), S.   137; dazu Wächter, Gesamthandsgemeinschaften

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

wonach der Gesellschafter über „seinen“ Anteil nicht verfügen darf. Dies lässt den Schluss zu, dass dem Gesellschafter ein quotenmäßig definierter Anteil immerhin zusteht und er lediglich daran gehindert wird, über diesen zu verfügen. Sowohl mit der sachenrechtlichen Lösung als auch mit der Sondervermögenslösung verträgt sich die Bestimmung des §  658 Abs.  3 BGB-E2 (§  736 ZPO), wonach die „Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen […] nur auf Grund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels“ stattfindet. Aus den Protokollen ergibt sich, dass dadurch eine Zwangsvollstreckung in das „Gesellschaftsvermögen“ nicht nur in Hinblick auf Gesellschaftsschulden, sondern auch auf diejenigen Privatschulden zulässig sein sollte, die allen Gesellschaftern gemeinschaftlich waren. Eine Minderheit der Kommission hatte in dieser Bestimmung einen Verstoß gegen das Gesamthandprinzip gesehen,127 die Mehrheit entschloss sich gleichwohl für die Regelung: Aus der Tatsache, dass die einzelnen Gesellschafter über ihren jeweiligen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen nicht verfügen können, folge nicht notwendig, dass die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen auf Gesellschaftsschulden beschränkt sei; 128 es sei die (gesellschaftszweckwidrige) Befriedigung fremder Verbindlichkeiten bei übereinstimmendem Willen der Gesellschafter sowieso nicht zu verhindern.129 In der Sache aber gelte: „Bei einer Gesellschaft wie der hier fraglichen, deren Vorhandensein und innere Verhältnisse für Dritte unerkennbar seien, könne man dem Gesellschaftsvermögen nicht wie bei der offenen Handelsgesellschaft eine derartige Selbständigkeit beilegen, daß es ausschließlich den Gesellschaftsgläubigern hafte“.130 Unbeantwortet bleibt aber, welcher inneren Konstruktion diese Regelung folgt: Geht man von der sachenrechtlichen Lösung aus, dient §  658 Abs.  3 BGB-E2 (§  736 ZPO) lediglich der Klarstellung, nämlich dass die Gebundenheit des Gesellschaftseigentums der Gesellschafter naturgemäß nur eine Sperre gegen Zwangsvollstreckungen wegen Verbindlichkeiten einzelner Gesellschafter aufstellt. Folgt man dagegen der Sondervermögenslösung, lässt sich jene Bestimmung – mit freilich höherem konstruktiven Aufwand – so auslegen, dass das Gesellschaftsvermögen nicht nur für Gesellschaftsschulden, sondern, aus Praktikabilitäts-, vielleicht auch Gerechtigkeitsgründen, auch wegen gemeinschaftlicher Privatschulden aller Gesellschafter haftet. (2002), S.  220 f.; deutlicher für die Sondervermögenslösung wird man sich freilich in den HGB-Gesetzesmaterialien aussprechen, s. u., Rn.  460 f. 127  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   434 f. = Mugdan, Materialien II (1899), S.  993. 128  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   435 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  993. 129  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   435 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  993. 130  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   435 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  993.

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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Entfernt der sachenrechtlichen Lösung zugeneigt sind möglicherweise die 446 Protokolle über die Behandlung von nicht eingetragenen Vereinen. In jenen Passagen werden Anträge, die diese Verbände gerade nicht dem Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterwerfen, sondern ihnen den Fortbestand des Vermögens unabhängig vom Wechsel bzw. Konkurs ihrer Mitglieder zuerkennen wollen, u. a. mit der Begründung abgelehnt, sie würden „das Vereinsvermögen ähnlich wie das Fideikommißvermögen zu einem selbständigen Vermögen machen, welches in Wirklichkeit von den Vermögen der einzelnen Mitglieder völlig getrennt und ausschließlich für die Vereinszwecke bestimmt sei“,131 was aufgrund von „wirthschaftlichen und politischen Bedenken“ aber abgelehnt werden müsse.132 Da sich die Zweite Kommission vielmehr dafür entscheidet, nicht eingetragene Vereine dem Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu unterwerfen, scheint sie damit der Auffassung zu folgen, dass Gesellschaften bürgerlichen Rechts also nicht über ein Vermögen verfügen, das „ähnlich wie das Fideikommißvermögen“ von den „Vermögen der einzelnen Mitglieder völlig getrennt und ausschließlich für die Vereinszwecke bestimmt“ ist. Mithin wäre mit dem „Gesellschaftsvermögen“ in Wirklichkeit kein abgeschiedenes Sondervermögen gemeint, sondern lediglich eine Ansammlung von Vermögensgegenständen, deren Anteile in den persönlichen Vermögen der Gesellschafter verbleiben, aber mit einem dinglich wirkenden Verfügungsverbot belastet sind. Annette Ascheuer und Thomas Wächter kommen – offenbar unabhängig 447 voneinander – zu dem Schluss, dass die Kommissionsmitglieder die „schuld­ rechtliche Lösung“ der Ersten BGB-Kommission lediglich durch eine „sachenrechtliche Lösung“ ersetzt haben.133 Dass damit die Idee der „vermögensrechtlichen Lösung“ abgelehnt worden wäre, kann aber nicht festgestellt werden. Die Zurückhaltung der Kommission in dieser Frage knüpft vielmehr an den Gedanken an, dass es nicht Sache des Gesetzgebers ist, die theoretischen Grundlagen seiner Lösungen vorzuschreiben, dass diese Aufgabe vielmehr von der Wissenschaft wahrgenommen werden muss.134 Dessen ungeachtet gewinnt man durchaus den Eindruck, dass die Kommissionsmitglieder, vielleicht auch je nach täglicher Besetzung, sehr wohl von eigenen theoretischen Ideen ausgingen, diesen aber Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte entgegensetzten, die je nach Ausgangslage variabel waren. Tatsächlich erscheint es, dass die Kommission Argumente bald für die Sondervermögenslösung, bald für die sachenrechtliche 131  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.  458 = Mugdan, Materialien I (1899), S.  640. 132  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.  457 = Mugdan, Materialien I (1899), S.  640. 133  Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  213 ff.; Wächter, Gesamthandsgemein­ schaften (2002), S.  307 f. 134 Zur Zurückhaltung des Gesetzgebers in konzeptuellen Fragen, Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695, 698.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Lösung vorgebracht hat, je nachdem, welche der beiden Theorien gerade am besten passte. bb)  Die BGB-Gesellschaft als eigenes Rechtssubjekt? 448

Dafür, dass die Zweite BGB-Kommission die Absicht gehabt hätte, die BGB-Gesellschaft als Rechtssubjekt auszugestalten, fehlt in den Gesetzestexten und in den Materialien jede Spur. Fraglich und umstritten ist aber, ob die Kommission die Subjektqualität der BGB-Gesellschaft umgekehrt auch positiv ausschließen wollte oder ob sie es schlicht unterlassen hat, hierzu Position zu beziehen bzw. vielleicht sogar bewusst der Wissenschaft die Klärung des Problems überlassen wollte. Diese Frage war insbesondere ab den 1970er Jahren von besonderer Aktualität, nachdem sich Werner Flume, in Abkehr zu der bis dahin herrschenden Meinung, für die Anerkennung der Subjektivität der Gesamthandgesellschaften ausgesprochen hatte.135 Für seine neue Lehre war es durchaus von Gewicht, ob sich der Gesetzgeber von vornherein gegen eine Auslegung sperren wollte, die BGB-Gesellschaft als Rechtssubjekt zu akzeptieren, oder aber sich zu dieser Frage neutral verhalten hat. Bekanntlich legt sich Flume auf die zweite Position fest: Dass man „aus der Übernahme des Gesamthandsprinzips […] nicht die Konsequenz“ gezogen habe, „die Gesamthand als Rechtsgemeinschaft zu erfassen“, sieht er nicht darin begründet, dass der Gesetzgeber diese Folge ausschließen wollte, sondern darin, dass man „die Frage offen gelassen“ habe; 136 man habe „mit dem ‚Wesen der gesamten Hand‘ bei der Regelung der Gesellschaft allgemein nichts zu tun haben“ wollen.137 Dem stimmt sinngemäß Karsten Schmidt zu. Zwar erklärt er, man könne sich „schwerlich auf den Willen des BGB-Gesetzgebers berufen“, wenn man die Gesamthandgesellschaft als Subjekt anerkennen möchte,138 damit meint er aber, dass der Gesetzgeber diese Frage nicht etwa verneint,139 sondern offengelassen habe.140 Tatsächlich habe „der Gesetzgeber mit der Gesamthands-BGB-Gesellschaft ein Gebilde geschaffen, das der Verselbständigung zum Rechtssubjekt fähig“ sei.141 Auch Wertenbruch ist der Ansicht, dass die Zweite Kommission in dieser Frage eine neutrale Haltung eingenommen hat.142 Sie habe „nur das Gesamthandsprinzip als Vermögensprinzip beschlossen und 135 

Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 178; s. auch Flume, BGB AT I.1 (1977), §  1, S.  1 ff. Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 178; mit Bezug auf die Protokolle der Zweiten Kommission Mugdan, Materialien II (1899), S.  990; zu diesen Passagen, s. o., Rn.  4 44. 137  Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 179. 138  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 (2002), §  8 , Anm. III.4.d, S.  204. 139  So aber wohl Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  314, über die betreffende Passage bei Karsten Schmidt. 140  Entsprechend bereits K. Schmidt in: Gutachten III (1983), S.  472. 141  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 (2002), §  8 , Anm. III.4.d, S.  204 (Kursivsetzung im Original). 142  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  165 ff. 136 

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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die personenrechtliche Konstruktion offengelassen“, insbesondere sei „das Modell der OHG […] nicht abgelehnt“ worden, die Zweite Kommission habe vielmehr keine Notwendigkeit gesehen, „die dahingehenden Fragen ausdrücklich zu entscheiden“.143 Diese Position hat sich schließlich der II. Zivilsenat des BGH in seinem die Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft anerkennenden Urteils vom 29. Januar 2001 zu eigen gemacht.144 Um seine These zu untermauern, die Zweite Kommission habe die Frage der 449 Subjektivität der BGB-Gesellschaft nicht entscheiden wollen, bezieht sich Wertenbruch auf die Entstehungsgeschichte von §  658 Abs.  3 BGB-E2 (in Kraft getreten als §  736 ZPO).145 Er stellt zu Recht fest, dass allein diese Bestimmung nichts über die Absichten des BGB-Gesetzgebers in Bezug auf die Subjektqualität der BGB-Gesellschaft aussagt.146 Es ist bereits gesehen worden, dass jedenfalls der Wortlaut jener Vorschrift auch die Auslegung zulässt, wonach neben der Haftung eines gesellschaftsrechtlichen Sondervermögens für Gesellschaftsschulden zusätzlich die Haftung eines solchen Gesellschaftsvermögens für gemeinschaftliche Privatschulden aller Gesellschafter normiert ist.147 In gleicher Weise verbieten allein der Wortlaut der Vorschrift und die in der Kommission durchgeführte Diskussion über sie nicht die – freilich mit gewissem Aufwand konstruierte – Auslegung, wonach die BGB-Gesellschaft als Rechtssubjekt nicht nur für eigene Verbindlichkeiten, sondern auch für gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter haftet. Wertenbruchs Argumentation geht freilich weiter: Er macht geltend, dass die Vorschrift des §  658 Abs.  3 BGB-E2 keinen anderen Zweck verfolgte, als den Gedanken des für die OHG des ADHGB geltenden Art.  119 ADHGB148 für das BGB-Gesellschaftsrecht zu übernehmen; es sei also allein darum gegangen, die „Vollstreckung der Gläubiger eines einzelnen Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen“ zu verhindern, die Vorschrift sei „nur umgekehrt formuliert“ worden.149 Nun hebt Wertenbruch hervor, die OHG des ADHGB sei parteifähig gewesen,150 seine Erläu143  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  166, mit Verweis auf Mugdan, Materialien II (1899), S.  990; zu diesen Passagen in den Protokollen der Zweiten Kommission, s. o., Rn.  4 44. 144  BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 46, 342, 343 f. 145  S. o., Rn.  438. 146  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.   123 ff.; ihm folgend, BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 46, 342, 353 ff. 147  S. o., Rn.  4 45. 148 Art.   119 ADHGB: „Die Privatgläubiger eines Gesellschafters sind nicht befugt, die zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen oder Rechte oder einen Antheil an denselben zum Behuf ihrer Befriedigung oder Sicherstellung in Anspruch zu nehmen. Gegenstand der Exekution, des Arrestes oder der Beschlagnahme kann für sie nur Dasjenige sein, was der Gesellschafter selbst an Zinsen und an Gewinnantheilen zu fordern berechtigt ist, und was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt“. 149  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  124. 150  Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  124.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

terungen151 legen damit nahe, dass sich auch §  658 Abs.  3 BGB-E2 (§  736 ZPO) als Parallelvorschrift zu Art.  119 ADHGB auf ein eigens parteifähiges Gebilde beziehen kann, dass jene Bestimmung somit der Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft nicht im Weg steht, sie diese möglicherweise sogar indiziert. Ein solcher Gedankengang kann indes nicht überzeugen. Es geht bereits die Prämisse fehl, wonach die Parteifähigkeit der OHG des ADHGB in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt gewesen sei: Eine klare Linie der Rechtsprechung hatte sich in dieser Angelegenheit vielmehr bis zuletzt nicht eingestellt.152 Aber auch der Gedanke, in §  658 Abs.  3 BGB-E2 (§  736 ZPO) die Nachfolgevorschrift des Art.  119 ADHGB zu sehen, stimmt nicht ganz: Beide Normen weichen voneinander darin ab, dass erstere Bestimmung die Zwangsvollstreckung wegen gemeinschaftlicher Privatschulden aller Gesellschafter zulässt, die zweite Bestimmung hingegen nicht; sie verfolgen insoweit teilweise verschiedene Ziele, was auch in den Protokollen der Zweiten Kommission zum Ausdruck kommt, in denen der Unterschied zu Art.  119 ADHGB mit dem Argument gerechtfertigt wird, bei der BGB-Gesellschaft, „deren Vorhandensein und innere Verhältnisse für Dritte unverkennbar seien, könne man dem Gesellschaftsvermögen nicht wie bei der offenen Handelsgesellschaft eine derartige Selbständigkeit beilegen, daß es ausschließlich den Gesellschaftsgläubigern hafte“.153 Wertenbruch ist aber darin zuzustimmen, dass der Wortlaut von und die Materialien zu §  736 ZPO zur Ermittlung der Absichten des BGB-Gesetzgebers in der Frage der Parteifähigkeit und insoweit der Subjektivität der BGB-Gesellschaft unergiebig sind. Dazu passt auch der Ausspruch des BGH-Urteils vom 29. Januar 2001, dass die Regelung des §  736 ZPO „der Anerkennung der Parteifähigkeit nicht entgegen“ stehe; 154 man möchte lediglich ergänzend unterstreichen, dass sie auch nicht auf sie hindeutet. Ungeachtet der geringen Relevanz von §  658 Abs.  3 BGB-E2 (§  736 ZPO) in dieser Angelegenheit wird man davon ausgehen müssen, dass der ursprüngliche BGB-Gesetzgeber nicht die Gesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter als die Subjekte der Gesellschaftsgegenstände verstanden hat.155 Dieser Befund passt mit dem Verständnis zusammen, das in den Vorarbeiten den Regelungen des Miteigentums und im Ersten Entwurf auch den Bestimmungen zur Gemeinschaft zugrunde lag: Da man es für notwendig erachtete, in jenen Vorschriften Raum für ein anormales Miteigentum bzw. für eine anormale gemeinschaftliche Zuständigkeit von Rechten aufgrund eines besonderen Gemeinschaftsverhältnisses – darunter das der Handels‑ und der Erwerbsgesellschaft 151 

Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  124 ff. S. o., Rn.  197 ff. 153  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   459 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  993. 154  BGH v. 29.01.2001, II ZR 331/00, BGHZ 46, 342, 353. 155  So auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  379 ff. 152 

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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– zu schaffen,156 machte man deutlich, dass man nicht von einem Alleineigentum bzw. einer Alleininhaberschaft eines zwischengeschalteten gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsubjekts ausging, sondern die Gesellschafter nach wie vor als Subjekte der Gesellschaftsgegenstände auffasste. Die Zweite Kommission hatte die Absicht, die betreffenden Bestimmungen zur Gemeinschaft und zum Miteigentum inhaltlich unberührt zu lassen.157 Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der BGB-Gesellschaft als Gesamthandgemeinschaft wurde innerhalb der Kommission sogar „von einer Seite ohne Widerspruch bemerkt, daß es der Red.Komm. überlassen bleiben müsse, den Unterschied zwischen dem bisher im Entw. angenommenen Miteigenthum und dem Eigenthume zur gesammten Hand, wie solches jetzt sanktionirt sei, im Gesetz an geeigneter Stelle zum Ausdruck zu bringen“.158 Damit ging offenbar auch die Zweite Kommission von einer unmittelbaren gemeinschaftlichen Berechtigung der Gesellschafter an den Gesellschaftsgegenständen aus und nicht von einer Alleinberechtigung einer eigens rechtsfähigen BGB-Gesellschaft. Wie Wächter zu Recht hervorhebt,159 bestand die Meinungsverschiedenheit 451 innerhalb der Zweiten Kommission nur darin, in welcher Art und Weise die Zuordnung der Gesellschaftsgüter zu den Gesellschaftern konstruiert werden sollte. Sowohl die von der Zweiten Kommission in Betracht gezogene „sachenrechtliche Lösung“ als auch die „Sondervermögenslösung“ stellen Alternativmodelle dar, die ausschließlich die Objektseite der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft gestalteten.160 Aus den Protokollen ergibt sich hingegen nicht, dass unter den Kommissionsmitgliedern auch eine Unklarheit darüber bestand, wem die Gesellschaftsgegenstände als Subjekt zustehen. Die Frage der Subjektivierung der Gesamthandgesellschaft wird dort nicht offengelassen, sie wird erst gar nicht zur Diskussion gestellt. Dazu gab es auch keinen Anlass: Vor den Beratungen des BGB hat es zu keiner Zeit Vorbilder einer „herkömmlichen“ Gesellschaft mit Subjektqualität gegeben; das galt naturgemäß für die gemeinrechtliche societas, aber auch für Nichthandelsgesellschaften preußischen, rheinischen und sächsischen Rechts.161 Bis zur Veröffentlichung des Ersten Entwurfs hat sich Gierke zu den „herkömmlichen“ Gesellschaften überhaupt nicht geäußert.162 In der Folge hat er zwar die römischrechtlich inspirierte BGB-Gesellschaft des Ersten Entwurfs kritisiert, ohne aber die Anerkennung ihrer Rechts- und Parteifähigkeit einzufordern.163 Boyens, dessen Gutachten zum 156 

S. o., Rn.  422 ff., 426. S. o., Rn.  4 42. 158  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle II (1898), S.   433 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  992, s. auch o., Rn.  4 42. 159  Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  290. 160  S. o., Rn.  4 44. 161  S. o., Rn.  212. 162  S. o., Rn.  434. 163  S. o., Rn.  434. 157 

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Gesellschaftsrecht des Ersten Entwurfs möglicherweise entscheidend für die Hinwendung zur Gesamthandidee war, erwägt die Subjektivierung der zu gestaltenden BGB-Gesellschaft an keiner Stelle.164 Dass an eine Subjektivität der Personengesellschaft nur deshalb nicht gedacht worden ist, weil die Dogmatik zu dieser Zeit noch nicht so weit war, zwischen juristischer Person und sonstigen Rechtssubjekten zu unterscheiden,165 kann ebenfalls ausgeschlossen werden. Tatsächlich war eine solche Differenzierung im 19. Jahrhundert nicht nur denkmöglich, sondern sogar außerordentlich attraktiv, weil sich hierdurch eine Qualifizierung als „juristische Person“ vermeiden ließ. Exemplarisch für dieses Vorgehen ist die schwankende Rechtsprechung des Reichsgerichts zur OHG des ADHGB.166 Die Idee der Rechtssubjektivität ohne Rechtspersönlichkeit ist ferner zur Qualifizierung vereinsähnlicher Personengemeinschaften herangezogen worden, die nicht über eine entsprechende staatliche Privilegierung verfügten.167

IV.  Die inhaltlichen Veränderungen bis zum Inkrafttreten des BGB 452

Der Zweite Entwurf des BGB hat im weiteren Gesetzgebungsverfahren zusätzliche Veränderungen erfahren. Diese sind zunächst in einem weiteren Durchlauf von der Zweiten Kommission selbst vorgenommen worden, welche zur „Bundesratsvorlage“ (auch „revidierter Zweiter Entwurf“ genannt168 ), geführt haben. Die Modifikationen im Bundesrat mündeten in die „Reichstagsvorlage“ (auch „Dritter Entwurf“ genannt169 ), welche mit einer Denkschrift des Reichsjustizamts versehen wurde. In dieser wird erklärt, das preußische und das französische Gesellschaftsrecht sowie das Personengesellschaftsrecht des ADHGB seien „der deutschrechtlichen Auffassung“, dem „Grundsatz der gesammten Hand“ gefolgt, welchem auch der Entwurf zugrunde liege.170 Eine inhaltliche Klarstellung zur Struktur der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand liefern diese Passagen nicht,171 sie sind aber deswegen interessant, weil sie aufzeigen, dass in Bezug auf die Legitimation des Gesamthandbegriffs zur Qualifizierung von 164 

S. o., Rn.  435 f. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4 (2002), §  46, S.  1362 f., als Erklärung, warum die OHG früher trotz §  124 HGB nicht als eigenes Rechtssubjekt aufgefasst wurde. 166  RG v. 14.05.1886, II 523/85, RGZ 16, 16 f.: Es werde durch die Gründung einer OHG, „wenn auch keine juristische Person, doch ein Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen (Art.  111 H.G.B.)“ geschaffen, so dass sie „ganz unabhängig von den Personen der Gesellschafter ist, als sie neben denselben ein besonderes Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen bildet“; zur Position des Reichsgerichts zur Subjektivität der OHG des ADHGB, s. außerdem o., Rn.  197 ff. 167  S. o., Rn.  204. 168  Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S. XIII, 60. 169  Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S. XIII. 170  Denkschrift BGB (1896), S.  87. 171 Anders Seif, ZRG-GA Bd. 118 (2001), S.  302, 315, welche aus den Passagen herleitet, 165 So

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

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gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnissen und zum historischen Ursprung der Verselbständigungstendenzen im Gesellschaftsrecht ein Meinungswandel stattgefunden hat und die Entwicklung aus dem italienischen Recht der Neuzeit in Vergessenheit geraten ist. Die Redaktoren der Denkschrift haben ihre Formulierungen wahrscheinlich auf die Protokolle der Zweiten Kommission gestützt,172 möglicherweise auch auf die von Boyens verfasste Kritik.173 Sie stehen jedenfalls bis zuletzt für den Glauben Pate, dass bereits das deutsche Gesellschaftsrecht des ADHGB auf ein deutschrechtliches Prinzip der Gesamthand aufgebaut hat. Vor Beschlussfassung174 sind vom Reichstag nur wenig wichtige Änderungen 453 vorgenommen worden.175 Im bürgerlichen Gesellschaftsrecht war der Paradigmenwechsel bereits in der Zweiten Lesung vollzogen worden, so dass die nachträglichen Änderungen im sich anschließenden Gesetzgebungsverfahren zu keiner grundlegenden Neuorientierung geführt haben. Die Vorschriften zum Ausscheiden von Gesellschaftern sind zwar umgestellt und neu nummeriert worden (§  673 BGB-E2 = §§  738 f. BGB), die Formulierungen jedoch im Vergleich zum Zweiten Entwurf praktisch gleich geblieben. Erwähnenswerte Änderungen bei der Revision des Zweiten Entwurfs hat es hingegen im Zusammenhang mit der Regelung zum Verfügungs- und Teilungsverbot (1) und insbesondere zur Eintragungsfähigkeit von Erwerbsgesellschaften (2) gegeben. 1)  Verfügungs- und Teilungsverbot in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen Im Zuge der Revision des Zweiten Entwurfs erhielten die Regelungen zur Un- 454 zulässigkeit der Verfügung von Anteilen und der Teilung des Gesellschaftsvermögens folgende Gestalt: 176 §  705. [Gesellschaftsvermögen] (1) Die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen). (2) Zu dem Gesellschaftsvermögen gehört auch, was auf Grund eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes erworben wird. dass Anteile der Mitglieder der Gesamthandgemeinschaft „nicht nur der Verfügung der Gesamthänder entzogen“ seien, sondern „gar nicht“ existieren. 172  S. o., Rn.  4. 173  S. o., Rn.  435. 174  Finale Fassung des BGB veröffentlicht in RGBl. 1896, S.  195. 175  Zur Beschleunigung des Verfahrens im Reichstag unter dem Eindruck des Reichsjus­ tizamtes, s. Schulte-Nölke, Reichsjustizamt (1995), S.  223 ff. 176 Die nachfolgenden Vorschriften sind dem bei Guttentag auf amtliche Veranlassung erschienenen Entwurf BGB, BR-Vorlagen (1898), S.  123, 125, entnommen; bis auf wenige Besonderheiten in der Rechtschreibung entsprechen sie den bei Mugdan, Materialien II (1899), S. CIV f., CVIII, in der synoptischen Aufstellung unter „B.“ abgedruckten Texten.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

§  706. [Verfügungs- und Teilungsverbot] (1) Ein Gesellschafter kann nicht über seinen Antheil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen; er ist nicht berechtigt, Theilung zu verlangen. (2) Gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen gehört, kann der Schuldner nicht eine ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter zustehende Forderung aufrechnen. §  712. [Pfändung] (1) Hat ein Gläubiger eines Gesellschafters die Pfändung des Antheils des Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen erwirkt, so kann er die Gesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, sofern der Schuldtitel nicht blos vorläufig vollstreckbar ist. (2) Solange die Gesellschaft besteht, kann der Gläubiger die sich aus dem Gesellschaftsverhältniß ergebenden Rechte des Gesellschafters, mit Ausnahme des Anspruchs auf einen Gewinnantheil, nicht geltend machen.

455

Es fällt auf, dass in der revidierten Fassung des Zweiten Entwurfs der Definition des „Gesellschaftsvermögens“ nun ein ganzer Absatz gewidmet ist, wodurch jener Begriff eine weitere Aufwertung erfährt. Dies kann durchaus als Indiz dafür gesehen werden, dass die Kommissionsmitglieder einen technischen Vermögensbegriff im Sinn hatten, also eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der Idee des Sondervermögens ausgestalten wollten. Die hinter der Neuformulierung stehenden Gründe liegen jedoch im Dunkeln.177 Die Anträge und Beschlüsse der betroffenen Kommission, die zu dieser Fassung geführt haben, sind in den Protokollen nicht auffindbar; 178 evtl. geht die Neuversion auf die Redaktionskommission zurück,179 welche bei ihrer Arbeit möglicherweise keine Protokolle geführt hat.180 Doch wenn durch die Formulierung in §§  705 f. BGB-E2rev ein gewisser Aufwind für die Lösung des Sondervermögens zu spüren ist, zielt die Neufassung der Vorschrift zur Pfändung wiederum in die entgegengesetzte Richtung. Die Vorschrift des §  663 BGB-E2 ermöglichte lediglich die Pfändung des Auseinandersetzungsguthabens eines Gesellschafters durch dessen Privatgläubiger. Dass nach dem neuen Wortlaut „Antheile des Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen“ Gegenstand einer Pfändung sein können, spricht somit wieder für die sachenrechtliche Lösung. Wenig erleuchtend sind auch hier die Materialien zum BGB. Als Begründung des Antrags zu dieser Neufassung ist lediglich ausgeführt: „Gemeint ist der Vorschlag in dem Sinne, daß der Gläubiger durch die Pfändung das Recht erlangt, das 177  Seif, ZRG-GA Bd. 118 (2001), S.  302, 313 f., geht davon aus, dass die Umformulierung die Herstellung eines sprachlichen Einklangs mit den Vorschriften zur Gütergemeinschaft bezweckt hat. 178  Lediglich ein angenommer Antrag zur Neuformulierung der Vorschrift zur Pfändung von Anteilen an dem Gesellschaftsvermögen lässt sich nachvollziehen, s. Achilles/Gebhard/ Spahn, Protokolle VI (1899), S.  194 = Jakobs/Schubert, Beratung SchuldR III (1983), S.  297 (bei Mugdan, Materialien II (1899), anscheinend gar nicht abgedruckt). 179 So Jakobs/Schubert, Beratung SchuldR III (1983), S.  297. 180  Zum Fehlen von Protokollen der Redaktionskommission, s. Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.  359, Fn.  4.

§  1.  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des BGB

363

Gesellschaftsverhältniß an Stelle des Gesellschafters aufzukündigen, daß ihm aber, so lange die Gesellschaft besteht, sonstige Rechte gegenüber den anderen Gesellschaftern nicht zustehen“.181 Mehr sagte aber auch die vorige Vorschrift des §  663 BGB-E2 nicht, so dass sich die unbeantwortete Frage stellt, welche anderen Gründe bei der Umformulierung eine Rolle gespielt haben können. 2)  Die Streichung der Vorschrift über die Eintragungsfähigkeit von Erwerbsgesellschaften Die Entscheidung, die Vorschrift über die Eintragungsfähigkeit von Erwerbs- 456 gesellschaften (§  659 BGB-E1 = §  675 BGB-E2 = §  728 BGB-E2rev) aufzugeben, erfolgte im Bundesrat und geht auf die Initiative Preußens zurück.182 Als Argument wurde vorgebracht, dass der Kaufmannsbegriff im Entwurf eines neuen Handelsgesetzbuchs ausgedehnt und der §  728 BGB-E2rev dadurch zum großen Teil obsolet werde. Der Justizausschuss des Bundesrats hatte am 7. Oktober 1895 mit den Beratungen zum Zweiten Entwurf begonnen,183 zu einem Zeitpunkt also, zu dem die maßgeblichen Vorschriften des Ersten Entwurfs des HGB (HGB-E1) den Regierungen der Bundesländer bereits vorlagen.184 Nach Art.  4 f. ADHGB war die Kaufmannseigenschaft und damit die Möglichkeit der Bildung einer handelsrechtlichen Personengesellschaft nur jenen vorbehalten, die „gewerbemäßig Handelsgeschäfte“ betrieben, die als Handelsgesellschaft tätig waren, bei welcher „der Gegenstand des Unternehmens in Handelsgeschäften besteht“ oder die als öffentliche Banken „in den Grenzen ihres Handelsbetriebs“ auftraten.185 Darüber hinaus erkannte nun §  2 HGB-E1 die Kaufmannseigenschaft einem gewerblichen Unternehmen zu, „das nach seinem Gegenstand und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert“, soweit „die Firma des Unternehmers in das Handelsregister eingetragen ist“.186 Der Entwurf sah also tatsächlich eine Ausdehnung des Kaufmannsbegriffs vor,187 allerdings keine solche, die die Streichung von §  728 BGB-E2 gänzlich kompensiert hätte. So waren zum einen nach §  2 181  Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle VI (1899), S.   327 = Mugdan, Materialien II (1899), S.  995. 182  Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.   62; zur Streichung von §   728 BGB-E2rev insgesamt s. auch Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  256 f. 183  Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.  62. 184 Nach Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S. XI, waren die ersten drei Bücher des HGB-E1 den Landesregierungen bereits ab dem 15.07.1895 zugesandt worden, möglicherweise sogar noch früher, s. Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.  7. 185  Zum engen Kaufmannsbegriff des ADHGB und zum Vorschlag einer zivilrechtlichen „Erwerbsgesellschaft“ in Reaktion hierzu im Dresdner Entwurf, s. o., Rn.  227. 186  Abgedruckt in Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  219. 187  Zu den Neuerungen des §  2 HGB-E1 gegenüber den Vorschriften des HGB, s. Schmiedel in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  32 ff.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Abs.  2 HGB‑E1188 Land- und Forstwirtschaftsbetriebe grundsätzlich von der Kaufmannseigenschaft ausgeschlossen, zum anderen durften sich Handwerker, Schiffer, Fuhrleute und Personen, „deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht“ gemäß §  4 HGB‑E1189 ausdrücklich nicht zu einer OHG oder einer KG zusammenschließen. Hermann Struckmann, der in der Funktion eines Reichskommissars des Reichsjustizamtes den Beratungen des Bundesrats beiwohnte,190 unterstützte trotzdem Preußens Antrag auf Streichung der Vorschrift zur Eintragungsfähigkeit von Erwerbsgesellschaften, mit dem Hinweis, die Anwendung von §  728 BGB-E2 auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie auf Minderkaufleute sei sowieso nicht wünschenswert, außerdem könne eine entsprechende Vorschrift wieder aufgenommen werden, wenn die Ausweitung des Kaufmannsbegriffs im HGB wider Erwarten doch nicht Gesetz werde.191 Die Angelegenheit ist in der Folge bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens offenbar nicht mehr erörtert worden.

§  2 .  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB 457

Zusammen mit der Einführung des BGB ist auch ein einheitlicher privat- und verfahrensrechtlicher Rahmen gestaltet worden, der mit dem BGB abgestimmt war und zeitgleich in Kraft getreten ist.192 Dazu gehörte auch die Ersetzung des aus der Zeit des Deutschen Bundes stammenden ADHGB durch ein neues Handelsgesetzbuch mit einem neuen Gesellschaftsrecht.

I.  Die Ausarbeitung des Entwurfs des Reichsjustizamts von 1895 (HGB-E1) 1)  Das Gutachten Jakob Friedrich Behrends 458

Der Entwurf des schuldrechtliches Teils des BGB, mithin also das bürgerliche Gesellschaftsrecht, war 1893 fertiggestellt und im Reichsanzeiger veröffentlicht worden.193 Im Anschluss daran trat das Reichsjustizamt für eine Revision 188 

Abgedruckt in Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  219. Abgedruckt in Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  219. 190  Schulte-Nölke, Reichsjustizamt (1995), S.   214; zur Biographie Struckmanns, s. Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.  108. 191  S. den Bericht von Bayerns Bevollmächtigten im Bundesrat Wilhelm von Heller in Jakobs/Schubert, Beratung SchuldR III (1983), S.  364; zur Biographie Hellers, s. Jakobs/Schubert, Beratung Einführung (1978), S.  112. 192 S. Wieacker, PRG2 (1967), S.  472. 193  Dölemeyer in: Coing, Quellen III.2 (1982), S.  1593. 189 

§  2 .  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB

365

des ADHGB ein, durch welche die dort vorhandenen Bestimmungen an die neuen Regelungen des bürgerlichen Rechts angepasst werden sollten.194 Mehrere Reichsgerichtsräte wurden beauftragt, gutachterliche Stellungnahmen zu verfassen, darunter Jakob Friedrich Behrend, welcher Vorschläge zur Neufassung des Gesellschaftsrechts formulierte und im Herbst 1894 einreichte.195 Zum einen riet er in seinem Entwurfsvorschlag zur Klarstellung der Rechts­ fähigkeit der OHG: „Die offene Gesellschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten, sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben und hat die Fähigkeit, als Partei vor Gericht zu stehen“.196 Diese Formulierung hebt sich von der zurückhaltenden Redaktion des Art.  111 Abs.  1 ADHGB ab, wonach unter dem Einfluss der Gegner der Rechtspersönlichkeit jener Gesellschaften die Handelsgesellschaft lediglich „unter ihrer Firma“ rechtsfähig sein sollte.197 Zum anderen führt Behrend die subsi­ diäre Geltung des bürgerlichen Gesellschaftsrechts im handelsrechtlichen Personengesellschaftsrecht ein.198 Unter Berücksichtigung des dinglich wirkenden Veräußerungs- und Pfändungsverbots der Gesellschafter in Bezug auf ihre Anteile am Gesellschaftsvermögen gemäß §§  706, 712 BGB-E2rev wurden die entsprechenden Vorschriften der Art.  119–122 ADHGB überflüssig und in Behrends Gutachten offenbar aus diesem Grund fallen gelassen.199 Fraglich ist, ob Behrend bei der Abfassung seines Gutachtens nicht nur Kenntnisse vom revidierten Zweiten Entwurf der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des BGB, sondern auch von der Diskussion der Mitglieder der Zweiten BGB-Kommission darüber hatte, dass und in welcher Weise die Gesamthand als Grundlage des bürgerlichen Gesellschaftsrechts herangezogen wurde. Die Protokolle, die diese Diskussion wiedergeben, sind erst 1898 veröffentlicht worden. Der Gedanke liegt aber nicht fern, dass sie Behrend in noch nicht veröffentlichter Form bei der Abfassung seines Gutachtens zur Verfügung gestellt worden sind oder dass er zumindest über die Diskussion um die Gesamthand Bescheid wusste.

194 

Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  11. Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  11 f. 196  Abgedr. in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  62. 197  Zu der Debatte, s. o. Rn.  176 ff.; es ist denkbar, dass der Redaktor des Entwurfs damit beabsichtigte, die Position des preußischen Entwurfs des ADHGB wieder herzustellen und damit den Stimmen eine Absage erteilte, die noch grundsätzlich davon ausgingen, dass hinter der Firma nicht die Gesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter mit ihren Privatvermögen standen. 198 S. Gutachtenauszug bei Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  59: „Soweit sich aus den nachfolgenden Artikeln keine Abweichungen ergeben, finden auf die offene Gesellschaft die Bestimmungen des B.G.B.’s Anwendung“. 199 S. Gutachtenauszug bei Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  62. 195 

366

3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

2)  Der Entwurf von 1895 a)  Rechtsfähigkeit der OHG 459

Im Jahre 1895 stellt Eduard Hoffmann, als vortragender Rat im Reichsjustizamt,200 einen Entwurf fertig, von welchem zwei Vorschriften näher zu untersuchen sind: 201 §  82 Abs.  2 HGB-E1. Auf die offene Handelsgesellschaft finden, soweit nicht in diesem Titel ein Anderes bestimmt ist, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Gesellschaft Anwendung. §  97 HGB-E1. (1) Die offene Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein gegen die Gesellschaft gerichteter vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich.

460

Der Entwurf folgt somit der bereits in Behrends Vorschlägen vorgesehenen Technik der Verweisung auf das Gesellschaftsrecht des BGB, was manche Vorschriften des ADHGB überflüssig macht. Auffällig ist aber, dass Behrends Idee nicht aufgegriffen wird, die Gesellschaft als solche mit der Fähigkeit auszustatten, Rechte zu haben, Verpflichtungen einzugehen und im Prozess aufzutreten. Vielmehr übernimmt der Entwurf die alte Formulierung aus Art.  111 Abs.  1 ADHGB, wonach die Gesellschaft nur „unter ihrer Firma“ rechts- und parteifähig ist.202 Die vom Reichsjustizamt verfasste „Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895“ (Denkschrift HGB-E1) 203 äußert sich in diesem Zusammenhang wie folgt: 204 Die Frage, ob die offene Handelsgesellschaft mit Rücksicht auf die Selbständigkeit ihres Vermögens und die Führung einer eigenen Firma als juristische Person aufzufassen sei, wird in Wissenschaft und Rechtsprechung jetzt fast allgemein verneint. Künftig dürfte um so weniger Veranlassung zur Annahme einer juristischen Persönlichkeit vorliegen, als bei der Gesellschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine rechtliche Trennung des Gesellschaftsvermögens von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter gleichfalls anerkannt ist und zwar unter Verwerthung eines Rechtsgedankens, der im Allgemeinen auch zur Erklärung der Eigenthümlichkeiten der offenen Handelsgesellschaft ausreicht. Ein Bedürfniß nach einer ausdrücklichen Entscheidung der Frage im Gesetze besteht deshalb nicht. Die mit der rechtlichen Natur der offenen Handelsgesellschaft zusam200  Zu Person und Rolle Hoffmanns bei der Erstellung des HGB, s. Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  12. 201  Abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  241, 245. 202 Nach der Ansicht von Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  51, haben die Vorschläge Behrends im weiteren Gesetzgebungsverlauf nur eine geringe Rolle gespielt. 203 Dazu Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  14. 204 Denkschrift HGB-E1, S.   68 f., in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  68 f.

§  2 .  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB

367

menhängenden Streitfragen, welche sich hauptsächlich auf den Prozeß beziehen, sind meist durch die Rechtsprechung entschieden.

Die Denkschrift stellt fest, dass die Rechtspersönlichkeit der Handelsgesell- 461 schaft (des ADHGB) in Lehre und Rechtsprechung ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßen ist. Bereits bei der Beratung des ADHGB hatte sich die Mehrheit der Kommission in Bezug auf Art.  111 Abs.  1 ADHGB dagegen ausgesprochen, die OHG als juristische Person oder auch nur als eigenes Rechtssubjekt auszugestalten,205 was bei Redaktion der Vorschrift dadurch zum Ausdruck gebracht wurde, dass der Passus „Handelsgesellschaft als solche“ des zugrunde gelegten Art.  87 prHGB‑E durch die Formulierung „Handelsgesellschaft […] unter ihrer Firma“ ersetzt wurde. Zwar erschien einigen regionalen Spruchkörpern nach Inkrafttreten des ADHGB in den deutschen Ländern die Rechtspersönlichkeit der OHG als überzeugender Gedanke, das Bundes‑/Reichsoberhandelsgericht und später des Reichsgericht lehnten dieses Modell aber ausdrücklich und in konstanter Weise ab.206 Widersprüchlich war hingegen die Haltung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob die OHG die Qualität eines Rechtssubjekts beanspruchen konnte; dies wurde in den Entscheidungen überwiegend verneint, vereinzelt aber auch ausdrücklich bejaht und nicht selten durch eine sibyllinische Wortwahl offengelassen.207 Welche Absichten nun der HGB-Gesetzgeber in dieser Frage verfolgte, ist nicht einfach zu ermitteln. Wenn er im Gesetz für eine ausdrückliche Entscheidung der Frage nach der Rechtspersönlichkeit kein Bedürfnis sah, scheint er eine solche Entscheidung auf den ersten Blick in das Ermessen der Wissenschaft und Rechtsprechung gestellt zu haben.208 Das hieße aber, dass der Gesetzgeber des HGB mit einer Haltung des Laisser-faire deutlich offener gewesen wäre als die Position des Gesetzgebers des ADHGB, welcher in den Protokollen der Subjektivität der Handelsgesellschaft ablehnend gegenüberstand.209 Gegen eine derart offene Haltung des HGB-Gesetzgebers spricht aber nicht nur die Tatsache, dass die Formel des ADHGB der „Handelsgesellschaft unter ihrer Firma“ – entgegen dem Vorschlag Behrends’210 – beibehalten wurde, sondern auch der Passus in der Denkschrift, dass die Verwertung „eines Rechtsgedankens“, der bereits bei der Gestaltung der BGB-Gesellschaft zum Tragen komme, zur Erklärung der Eigentümlichkeiten der OHG ausreiche. Damit bezieht sich die 205  S. o., Rn.  176 ff.; s. insbesondere auch J. Lutz, Prot. ADHGB I (1858), 278: „Eigen­ thümer des auf den Namen der Firma eingetragenen Grundstücks seien immer die einzelnen Gesellschafter, und wer diese seien, ergebe das Handelsregister“. 206  S. o., Rn.  197 ff. 207  S. o., Rn.  197 ff. 208 Vgl. Fabricius, Rechtsfähigkeit (1963), S.   170, welcher aus der Denkschriftspassage ebenfalls den Schluss zieht, der Gesetzgeber habe den Streit über die juristische Persönlichkeit der OHG offen gelassen, s. entsprechend Raiser in: FS Zöllner (1999), S.  469, 475. 209  S. o., Rn.  176 ff. 210  S. o., Rn.  459.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Denkschrift offensichtlich auf das von der Zweiten BGB-Kommission verwendete Gesamthandprinzip der BGB-Gesellschaft,211 welches aber eine eigene Subjektivität der BGB-Gesellschaft gerade nicht zuließ.212 In diesem Licht betrachtet, erscheint die Position des HGB-Gesetzgebers einer Subjektivierung der OHG eher abgeneigt.213 b)  Gesellschaftsvermögen der OHG 462

Hervorzuheben ist die Erklärung, es sei bei der BGB-Gesellschaft „eine rechtliche Trennung des Gesellschaftsvermögens von dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter […] anerkannt […] und zwar unter Verwerthung eines Rechtsgedankens, der im Allgemeinen auch zur Erklärung der Eigenthümlichkeiten der offenen Handelsgesellschaft ausreicht“.214 Diese Lösung festzuschreiben, ist dem Reichsjustizamt wichtig, sie wird in weiteren Passagen der Denkschrift noch einmal hervorgehoben, in denen das Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu Dritten durchleuchtet wird: Es seien die Gesellschaftsvermögen getrennt,215 mit der Folge, dass „eine Verfügung der einzelnen Gesellschafter über ihren Antheil an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen sowie der Zugriff der Privatgläubiger eines Gesellschafters auf solche Gegenstände ausgeschlossen ist“.216 Das folge daraus, dass das BGB „durch die Einführung des Grundsatzes der gesammten Hand die Unzulässigkeit solcher Verfügungen bei allen Gesellschaften anerkennt“.217 Da diese Regelung nun feststehe, seien somit auch die Bestimmungen der Art.  119 bis 121 ADHGB überflüssig geworden.218 Es lohnt sich, die Anerkennung eines gesellschaftsrechtlichen Sondervermögens hervorzuheben, da dessen Existenz im Zuge der Entstehung des ADHGB nicht ohne Widerspruch einer bedeutenden Zahl der damals mit der Erstellung des HGB-Vorläufers befassten Kommissionsmitglieder geblieben 211  A. A. Wächter, Gesamthandsgemeinschaften (2002), S.  302, welcher mangels ausdrück­ lichen Hinweises in den Materialien davon ausgeht, der HGB-Gesetzgeber habe es offengelassen, ob die OHG „als Gesamthandsgemeinschaft anzusehen“ sei. 212  S. o., Rn.  4 48 ff. 213 Vgl. Wertenbruch, Haftung von Gesellschaften (2000), S.  89 f., der ebenfalls aus der betreffenden Passage schließt, dass der HGB-Gesetzgeber einer Personifizierung der OHG ablehnend gegenüberstand, dafür aber die Parteifähigkeit der OHG aus §  719 BGB i. V. m. §  105 Abs.  2 HGB herleitet. 214 Denkschrift HGB-E1, S.   68 f., in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  68 f. 215 Denkschrift HGB-E1, S.   77 f., in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  77 f. 216 Denkschrift HGB-E1, S.   78, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  78. 217 Denkschrift HGB-E1, S.   78, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  78. 218 Denkschrift HGB-E1, S.   78, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  78.

§  2 .  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB

369

war.219 Umgekehrt wird deutlich, dass sich das Reichsjustizamt auch in Bezug auf die BGB-Gesellschaft auf eine Sondervermögenslösung festlegt, eine Rechtsfrage, deren Klärung die Mitglieder der Zweiten BGB-Kommission aber der Wissenschaft vorbehalten wollten.220 Auch in diesem Zusammenhang wäre es von Interesse, ob das Reichsjustizamt bei Abfassung der Denkschrift Zugang zu den Protokollen der Zweiten BGB-Kommission und insbesondere zu der dort niedergelegten Debatte zur Rechtsnatur der BGB-Gesellschaft hatte. Dagegen spricht vielleicht die sparsame Verwendung des Begriffs „Gesamthand“, welcher hingegen die Protokolle der Zweiten BGB-Kommission wie ein roter Faden durchquert. Dies wird freilich das Kommissionsmitglied Gierke nicht daran hindern, in einem Artikel zum HGB-Entwurf selbst ausdrücklich festzuhalten, dass das BGB-Gesellschaftsrecht „mit dem römischen Sozietätsprinzip gebrochen und das deutsche Prinzip der gesammten Hand angenommen“ habe, das insofern auch eine „für die offene Handelsgesellschaft geeignete Grundlage“ liefere.221 c)  Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft Dass die Handelsgesellschaft bei Wegfall eines Gesellschafters nicht unbedingt 463 beendet werden musste, war eine Errungenschaft, die sich spätestens in der frühen Neuzeit durchgesetzt222 und in den allgemeinen Regelungen der Art.  127 ff. ADHGB ihren Ausdruck gefunden hatte. In das neue HGB mussten entsprechende Bestimmungen freilich nicht mehr aufgenommen werden, da bereits §§  736 ff. BGB die Zulässigkeit und die Modalitäten des Ausscheidens eines Gesellschafters unter Fortführung der Gesellschaft regelten, welche über §  82 Abs.  2 HGB-E1 auch für die offene Handelsgesellschaft anwendbar waren. Wie bei der BGB-Gesellschaft wurde somit das Ausscheiden nach der Technik der Anwachsung organisiert. Das Gesellschaftsvermögen bleibt somit unangetastet den anderen Gesellschaftern erhalten, deren Anteile sich im Wege der Anwachsung im gleichen Verhältnis erhöhen. Interessant ist aber eine Neuerung des HGB-Entwurfs, die weder im Gesell- 464 schaftsrecht des BGB noch im ADHGB ein Vorbild findet. §  113 HGB-E1. Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so ist, wenn in der Person des einen von ihnen die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen bei einer größeren Zahl 219 

S. o., Rn.  181 f. S. o., Rn.  4 44. 221  Gierke, ZHR 45 (1896), S.  4 41, 476; außerdem seien nach Gierkes Ansicht die handelsrechtlichen Vorschriften bzgl. der Selbständigkeit des Gesellschaftsvermögens entbehrlich geworden, da sich diese bereits aus den Vorschriften des BGB-Gesellschaftsrechts ergebe, Gierke, a. a. O., S.  480; zur Gesamthand der BGB-Gesellschaften als Grundlage der handelsrechtlichen Personengesellschaften, s. auch Gierke, Arch. bürg. R. 19 (1901), S.  114, 115 ff. 222  Zu den Regelungen der Stadtrechtsformationen des 15. und 16. Jahrhunderts über die Fortführung der Handelsgesellschaft bei Tod eines Gesellschafters, s. o., Rn.  76 f. 220 

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

von Gesellschaftern die Ausschließung eines Gesellschafters […] beschlossen werden könnte, der andere Gesellschafter berechtigt, das Geschäft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven zu übernehmen. Auf die Auseinandersetzung finden die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

465

In der Begründung wird erklärt,223 Ziel des §  113 HGB-E1 sei es, eine „Lücke“ zu schließen, die sich im ADHGB offenbart habe. Zwar sei dieses den praktischen Bedürfnissen insofern gerecht gewesen, als es in bestimmten untragbaren Konstellationen die Ausschließung eines Gesellschafters ermöglichte, dieser Mechanismus komme aber bei zweigliedrigen Gesellschaften nicht zum Tragen, weil dann nur noch ein einziger Gesellschafter verbleibe und eine Gesellschaft somit nicht weitergeführt werden könne. Es sei aber nicht gerechtfertigt, „das berechtigte Interesse desjenigen Gesellschafters, welcher zur Auflösung der Gesellschaft keinen Anlaß gegeben hat“ an diesem Punkt scheitern zu lassen: „Es erscheint vielmehr geboten, daß auch in einem solchen Falle dem betreffenden Gesellschafter die Möglichkeit gegeben werde, die Liquidation des Geschäfts durch Uebernahme desselben mit Aktiven und Passiven unter Abfindung des anderen Gesellschafters zu verhüten“.224 Über die dogmatische Ausgestaltung von §  113 HGB-E1 macht die Begründung keine genaueren Angaben. Insbesondere zieht sie auch keine Verbindung zur Technik der Anwachsung gemäß §  738 BGB. Eine solche wäre durchaus konsequent gewesen: Die Gesetzesbegründung bezieht sich ausdrücklich auf Art.  577, 578 des schweizerischen Obligationenrechts von 1881 als Vorbild für die vorgeschlagene Regelung des §  113 HGB-E1. Art.  577 SchwOR (1881) hatte folgenden Wortlaut: 225 Art.  577 SchwOR (1881). (1) Fällt ein einzelner Gesellschafter in Concurs, oder macht ein Privatgläubiger eines solchen von dem Rechte des Artikels 574 Gebrauch, so können die übrigen Gesellschafter das Ausscheiden desselben beschließen und seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen in Geld entrichten. (2) Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann derjenige, welcher keine derartige Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, in gleicher Weise den andern abfinden und unter Uebernahme sämmtlicher Activen und Passiven auf seine alleinige Rechnung fortsetzen.

Die schweizerische Regelung unterwarf offenbar beide Alternativen den gleichen dogmatischen Regeln. Sowohl dann, wenn nach dem Ausschluss mindes223 Denkschrift HGB-E1, S.   88 f., in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  88 f. 224 Denkschrift HGB-E1, S.   89, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  89. 225  S. Bundesgesetz OR (1882), S.  291 f.; Art.  578 SchwOR (1881) sieht lediglich die entsprechende Anwendung von Art.  577 für den Fall vor, dass die drohende Auflösung auf anderen Gründen beruht, die „vorwiegend in der Person“ des auszuschließenden Gesellschafters liegen.

§  2 .  Die gesellschaftsrechtliche Gesamthand bei der Entstehung des HGB

371

tens zwei Gesellschafter verblieben und die Gesellschaft somit fortgeführt wurde, als auch dann, wenn nur ein Gesellschafter verblieb, der das Geschäft mit allen aktiven und passiven Vermögensbestandteilen übernahm, war der ausscheidende Gesellschafter in Geld abzufinden. Aus dem schweizerischen Gesetzgebungsverfahren wird außerdem deutlich, dass dem ausscheidenden Gesellschafter kein anteiliges Recht an den einzelnen Vermögensgütern der Gesellschaft zustehen und dieser nur in Höhe des Werts seiner Beteiligung abgefunden werden sollte.226 Wenn der HGB-Entwurf den Gedanken des schweizerischen Vorbildes auch für die deutsche Regelung zu Ende führen wollte, lag es daher nahe, die Vorschrift des §  113 HGB-E1 in die dogmatische Struktur der §§  736 ff. BGB einzugliedern und damit die Technik der Anwach­ sung auch im Zusammenhang mit der Übernahme des Handelsgeschäfts durch den letztverbleibenden Gesellschafter vorzusehen. Eine solche Klarstellung fehlt jedoch in der deutschen Regelung. Aus ihr geht nicht deutlich hervor, ob das Ausscheiden des Gesellschafters nur dazu führt, dass dieser schuldrechtlich zur Übertragung seines Vermögensanteils an den anderen Gesellschafter verpflichtet ist oder ob, nach dem Gedanken des §  736 BGB, eine automatische Vereinigung aller Anteile an dem Gesellschaftsvermögen in den Händen des letzten Gesellschafters erfolgt. Aus dieser Unsicherheit wird sich nach Inkrafttreten ein Meinungsstreit entzünden, der erst durch die Intervention des Reichsgerichts beigelegt wird.227

II.  Fertigstellung und Inkrafttreten des HGB Im nachfolgenden Gang des Gesetzgebungsverfahrens wird es keine wesentli- 466 chen Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen geben; 228 die untersuchten Vorschriften werden lediglich sprachlich angepasst und neu nummeriert.229 In den Beratungen der Sachverständigenkommission vom 21. November zum 18. Dezember 1895,230 der auch Otto Gierke angehörte, 231 wird zu der Frage der Rechtsnatur der OHG nichts Nennenswertes gesagt; 232 der Antrag eines Kommissionsmitglieds, auf eine Verweisung auf die BGB-Gesell226 

Schneider, SchwOR (1882), Art.  577, Anm.  5, S.  409. RG v. 23.02.1907, I 404/06, RGZ 65, 227, 235 ff. 228  Zur Entwicklung des Gesellschaftsrechts in den verschiedenen Entwürfen des HGB, s. Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  51 ff. 229 §   82 Abs.  2 HGB-E1 entspricht §  105 Abs.  2 HGB; §  97 HGB-E1 entspricht §  124 HGB; §  113 HGB-E1 entspricht §  142 HGB. 230 Zu dieser Kommission, Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  14 f. 231  Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  15. 232 HGB-Prot., 4. Sitzung v. 25.11.1995, Ziff. VIII, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  315; HGB-Prot., 5. Sitzung v. 26.11.1995, Ziff. V, in: Schubert/ Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  322 f. 227 

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

schaft zu verzichten und dafür die Vorschriften des ADHGB zur Unveräußerlichkeit und Unpfändbarkeit von Gesellschafteranteilen an Vermögensgegenständen der Gesellschaft zu übernehmen, wird abgelehnt.233 In den nachfolgenden Beratungen wird die Frage nicht mehr aufgeworfen, 234 auch nicht in den Beratungen des Bundesrats235 und des Reichstags236 . Dazu passt auch, dass die Denkschrift der Reichstagsvorlage (Denkschrift HGB-RTVorl) die maßgeblichen Passagen zur Rechtsnatur der OHG aus der Denkschrift HGB-E1 übernimmt.237 Zusätzlich hebt die Denkschrift der Reichstagsvorlage hervor, dass zwar auch ein Einzelkaufmann unter seiner Firma im Prozess auftreten könne, dass die Formulierung in der betreffenden Vorschrift für Handelsgesellschaften aber eine andere Bedeutung habe: Der Einzelkaufmann erlange damit nur „die Befugniß, unter einem anderen als seinem bürgerlichen Namen vor Gericht aufzutreten, wogegen es sich im §  122 darum handelt, ob die Gesellschaft überhaupt die Fähigkeit hat, zu klagen und verklagt zu werden, oder ob nur die Gesellschafter Kläger und Beklagte sein können“.238 Nach Verkündung im Reichsgesetzblatt, 239 trat das neue HGB zeitgleich mit dem BGB am 1. Januar 1900 in Kraft.

233 HGB-Prot., 4. Sitzung v. 25.11.1995, Ziff. VII, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  314 f.; dazu auch Schubert in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I (1986), S.  51 f. 234  S. etwa die Kommissarische Beratung (der Abänderungsvorschläge des Reichsjustizamts) vom 23.10.1896, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1 (1987), S.  697, 703. 235  S. den Bericht von Heller v. 19.12.1896 über die Sitzungen der vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Justizwesen, für Handel und Verkehr und für Seewesen in: Schubert/ Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2 (1988), S.  889 f.; Antrag der Ausschüsse für Justizwesen, für Handel und Verkehr und für Seewesen zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches und eines Einführungsgesetzes v. 11.01.1897, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2 (1988), S.  938, 941. 236  Augenscheinlich sind in Bezug auf die betreffenden Vorschriften des Entwurfs weder Anträge eingereicht noch die Rechtsnatur der Handelsgesellschaft Gegenstand einer Dis­ kussion gemacht worden, s. Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2 (1988), S.  1254, 1301 f. 237 S. Denkschrift HGB-RTVorl, S.   80, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2 (1988), S.  1016; Denkschrift HGB-RTVorl, S.  80, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2 (1988), S.  1016. 238 Denkschrift HGB-RTVorl, S.   89  f., in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2 (1988), S.  1023. 239  HGB, RGBl. 1897, S.  219.

§  3.  Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien

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§  3.  Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien I.  Gierkes Reaktion auf die „kodifizierte“ gesellschaftsrechtliche Gesamthand Gierkes Niedergeschlagenheit über die Ablehnung der Gesamthandtheorie im 467 Gesellschaftsrecht des Ersten Entwurfs war noch Ende 1894 im ersten Band seines Lehrbuchs des Deutschen Privatrechts deutlich zu spüren.240 Sie ist offenbar wenige Jahre später in Genugtuung,241 vielleicht sogar in eine gewisse Euphorie242 über die Wendung der Ereignisse in der Zweiten Kommission umgeschlagen. War Gierkes umfangreiche literarische Produktion zur Theorie der Gesamthand zunächst nicht ernst genommen oder bestenfalls kontrovers diskutiert worden, lieferte sie nach Inkrafttreten von BGB und HGB eine hilfreiche Vorlage, auf welche Literatur und Rechtsprechung zurückgreifen konnten. Otto Gierke stieg zur Referenzperson der nunmehr durch die Gesetzesmaterialien abgesegneten gesellschaftsrechtlichen Gesamthandlehre auf. Mit Inkrafttreten des neuen bürgerlichen Rechts und Handelsrechts wird Gierke seine Führungsposition auf dem Gebiet durch weitere Veröffentlichungen ausbauen. Weniger dringend war dies für die Gesamthand der Handelsgesellschaften, welche er bereits umfassend in seiner Genossenschaftstheorie von 1887 und im ersten Band seines Privatrechtslehrbuchs von 1895 behandelt hatte. Zu einem großen Teil waren diese Ausführungen, die zur OHG und zur KG des ADHGB verfasst worden waren, auch für die entsprechenden Gesellschaften des neuen HGB verwertbar. In erster Linie musste nur noch die Verweisungssystematik des §  105 HGB, die Anerkennung des Gesamthandbegriffs in den HGB-Gesetzesmaterialien und die Nummerierung der Vorschriften berücksichtigt werden. Anders lag die Situation bei der BGB-Gesellschaft. Stellungnahmen Gierkes 468 zu dieser Gesellschaftsform sind aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB kaum vorhanden. Tatsächlich gab es eine vereinheitlichte „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ zuvor nicht, sondern nur die allgemeine Sozietät des gemeinen Rechts sowie hierauf mehr oder weniger aufbauende Zivilgesellschaften der Partikularrechte. Anders als die Handelsgesellschaften galten diese als weitgehend „befriedete Rechtsgebiete“ und waren im 19. Jahrhundert dementsprechend selten Gegenstand kontroverser theoretischer Erörterungen.243 Ebensolche Gesellschaften behandelt Gierke weder im zweiten Band seines Genossenschaftsrechts noch in seiner Genossenschaftstheorie. Erst in seiner Reaktion auf den 240 

Dazu o., Rn.  417. Gierke, ZHR 45 (1896), S.  4 41, 476, 480. 242  S. etwa die Passagen des Vorworts des zweiten Bandes von Gierkes Privatrechtslehrbuch, Gierke, DPR II (1905), S. V f. 243  S. o., Rn.  211 ff. 241 S.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Ersten BGB-Entwurf zieht er überhaupt in Betracht, die nun als Entwurf existierende Gesellschaft bürgerlichen Rechts in seine Konstruktion der Gesamthand einzugliedern.244 In jener Kritik gibt er aber kaum Hinweise darüber preis, wie eine ideale deutsche BGB-Gesellschaft nach seinen Vorstellungen aussehen soll. Allenfalls zu erahnen ist, dass er im Entwurf ein personenrechtliches Element im Gesellschaftsvertrag vermisst und die Gesellschaft gerne mit einem eigenen Vermögen ausgestattet sähe, welches jedenfalls einseitige Verfügungen eines Gesellschafters über seinen Anteil an Vermögensgegenständen der Gesellschaft vereiteln würde.245 Kaum mehr Informationen liefert Gierke in seiner Schrift zu den Personengemeinschaften des Ersten Entwurfs.246 Im ersten Band seines Deutschen Privatrechts bemerkt er lediglich, dass die bürgerlichrechtlichen Gesellschaften vor Inkrafttreten des BGB teilweise den Grundsätzen der Gesamthand folgten.247 Die ersten umfassenden inhaltlichen Stellungnahmen Gierkes zur Gesamthand der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft finden sich damit in einem 1901 veröffentlichten Vortrag 248 und werden teilweise in seiner dem nicht rechtsfähigen Verein gewidmeten Schrift aus dem Jahre 1902249 sowie in seinen Grundzügen des Handelsrechts aus dem Jahre 1904250 wiederholt. Umfassend äußert er sich schließlich in dem 1917 erschienenen dritten Band seines Privatrechtslehrbuchs, in welchem er außerdem auf neuere Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur reagiert.251 Gierkes Ausführungen zum Wesen der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand bewegen sich hierbei in den von ihm bereits vorgezeichneten Bahnen.

II.  Der Platz des Gesamthandbegriffs in der deutschen Rechtswissenschaft 1)  Der Gesamthandbegriff in der Literatur a)  Die Anerkennung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand 469

In den Jahren nach Veröffentlichung des BGB und des neuen HGB im Reichsgesetzblatt entwickelt sich das neue Gesellschaftsrecht zu einem in der Literatur intensiv bearbeiteten Rechtsgebiet. Die Materie findet in zahlreichen Monogra244 

S. o., Rn.  431 f. Gierke, BGB-Entwurf2 (1889), S.  254. 246  Gierke, Personengemeinschaften (1889), S.  95 ff. 247  Gierke, DPR I (1895), §   80, S.  671 f. (zum Kapitel Personenrechtliche Gemeinschaften). 248  Gierke, Arch. bürg. R. 19 (1901), S.  114. 249  Gierke, Vereine o. Rechtsfäh. 2 (1902); es handelt sich um die erweiterte Fassung eines Festschriftbeitrags aus dem Jahre 1900, s. Gierke, a. a. O., S.  2 (Rückseite des Titelblatts). 250  Gierke, Grundzüge HandelsR (1904), §  35 ff., S.  931 ff.; kaum etwas zur Gesamthand der BGB-Gesellschaft findet sich hingegen in Gierke, Grundzüge PrivatR (1904), §  34 (S.  473 f.), §  93 (S.  529). 251  Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  828 ff. 245 

§  3.  Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien

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fien 252 , Aufsätzen 253 und bei Autoren allgemeiner Lehrbücher und Kommentare besondere Beachtung 254. Es wird sofort deutlich, dass die Gesamthand einen festen Platz im deutschen Privatrecht eingenommen hat. War der Gesamthandbegriff noch wenige Jahre zuvor von einem großen Teil der Literatur und insbesondere von beinahe der gesamten Rechtsprechung des Reichsgerichts ignoriert oder abgelehnt worden,255 stellt sich die Diskussion nun auf eine völlig andere Grundlage. Innerhalb weniger Jahre verstummen praktisch alle zuvor erhobenen Zweifel an der Gesamthandtheorie. Die Autoren des bürgerlichen Rechts256 252  S. etwa (Auswahl): E. Schmidt, Die Gesellschaft nach dem bürgerlichen Gesetzbuche, Kaiserslautern, 1899; Goesch, Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche, Diss. Göttingen, 1900; Wildt, Verhältnis der Gesellschaftsschulden zu den Privatschulden eines Gesellschafters nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Aachen, 1900; Knoke, Das Recht der Gesellschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Jena, 1901; Weiland, Struktur und Rechtssphäre der Gesellschaftsschulden, Bonn, 1902; Müller, Die Haftung der Gesellschafter nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich Diss. Leipzig, 1903; Wölz, Das Gesellschaftsvermögen nach Bürgerlichem Recht und bei der offenen Handelsgesellschaft, Stuttgart, 1908; Kattausch, Die Anteile der Miteigentümer und der Gesamthänder an den gemeinschaftlichen Sachen, Mainz, 1911; Kaufmann, Das Eigentum am Gesellschaftsvermögen, Unter besonderer Berücksichtigung des Stempelsteuerrechts, München, 1911; Kinsberg, Die gesamte Hand im Gesellschaftsrecht, Borna-Leipzig, 1912; Engländer, Die regelmäßige Rechtsgemeinschaft, 1.  Bd.: Grundlegung, Berlin, 1914; bereits vor Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt: Adler, Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des Gesellschaftsrechts, Berlin, 1895. 253  S. etwa (Auswahl): Joerges, ZHR 49 (1900), S.  140, und ZHR 51 (1902), S.  47; Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695; Knoke, Arch. bürg. R. 20 (1902), S.  170; Sohm in: Drei Beiträge (1905), S.  1; Krückmann, AcP 103 (1908), S.  139; Hacman, ZHR 68 (1910), S.  439, und ZHR 69 (1911), S.  47; Kohler, ZHR 74 (1913), S.  456; Kohler, Arch. bürg. R. 40 (1914), S.  229. 254  S. u. a. Schollmeyer, Schuldverhältnisse (1897), §  9, S.  71; F. Endemann, Bürg. R. I 3/4 (1898), §§  180 ff., S.  814 ff.; Gareis, HandelsR6 (1899), §§  25 ff., S.  207 ff.; Oertmann, Schuldverhältnisse1 (1899), §§  705 ff., S.  4 40 ff.; Cosack, Bürg. R. II1/2 (1900), §§  265 ff., S.  363 ff.; Enneccerus, Bürg. R. I1 (1900), §  307, S.  650 ff.; Planck, BGB II1/2 (1900), §§  705 ff., S.  451 ff.; Staub, HGB I6/7 (1900), §§  105 ff., S.  347 ff.; Crome, System II (1902), §§  280 ff., S.  763 ff.; Kober in: Staudinger, BGB II.22 (1906), §§  705 ff., S.  595 ff.; s. auch die nachfolgenden Nachweise. 255  S. o., Rn.  411 ff. 256  S. nur Schollmeyer, Schuldverhältnisse (1897), §  9, S.  72; F. Endemann, Bürg. R. I 3/4 (1898), §  180, S.  815 ff.; v. Lang, Veränderungen (1899), §  40, S.  65; Oertmann, Schuldverhältnisse1 (1899), Vor §   705, Anm.   3, S.   441 f.; M. Scherer, Schuldverhältnisse (1899), §§  718–720, Anm.  2 , S.  1023; E. Schmidt, Gesellschaft (1899), S.  38 f.; Cosack, Bürg. R. II1/2 (1900), §  266, S.  372 f.; Enneccerus, Bürg. R. I1 (1900), §  232, S.  504 (bzgl. Schuldverhältnisse zur gesamten Hand); Goesch, Ausscheiden (1900), S.  7; Helbling, Bürg. R. (1900), §  98, S.  344; Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695 ff.; Planck, BGB II1/2 (1900), Vor §  705, Anm. II.1, S.  452; Knoke, Gesellschaft (1901), S.  4 ff.; Dernburg, Bürg. R. II.21/2 (1901), §  354 (S.  530), §  365 (S.  558); Crome, System II (1902), §  281, S.  781, Fn.  13; Kuhlenbeck, BGB I 2 (1903), Vor §  705, S.  576; O. Müller, Haftung (1903), S.  7 ff.; Dersch, Gesamte Hand (1905), S.  7 ff.; Kober in: Staudinger, BGB II.22 (1906), Vor §  705, Anm. II, S.  596; v. Tuhr, BGB AT I (1910), §  3 (S.  78 ff.), §  20, S.  348 ff.; Kattausch, Miteigentümer und Gesamthänder (1911), S.  43 ff.; Burlage in: RGRK-BGB I 2 (1913), §  718, Anm.  1 (S.  661), §  719, Anm.  1 f. (S.  662 f.), m. w. N.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

und des Handelsrechts257 bekennen sich zum Gesamthandbegriff als Grundlage des Gesellschaftsrechts258 ; dabei steigt Gierke, dessen Arbeiten zu Genossenschaft und Gesamthand noch bis Ende der 1880er Jahre kontrovers aufgenommen wurden, zum meistzitierten Autor im BGB-Gesellschaftsrecht auf. Vereinzelt tun sich noch manche Autoren mit dem Gesamthandbegriff schwer.259 Gänzlich isoliert sind aber Autoren, die den Gesamthandbegriff rundweg ablehnen 260 oder Stimmen wie die Josef Kohlers, der noch bis 1914 für die juristische Person als Grundlage der OHG eintritt.261 Der einflussreiche Handelsrechtsautor Karl Gareis geht in dieser Frage einen Mittelweg: Er hält an dem Begriff der „relativen juristischen Persönlichkeit“ zur Charakterisierung offener Handelsgesellschaften fest,262 erkennt aber gleichzeitig den Gesamthandbegriff an.263 b)  Die rechtshistorische Legitimität der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in der Literatur 470

Gierke wird mit seiner historischen Herleitung der Gesamthandidee bei deutschen Personengesellschaften die nachfolgende Literatur nachhaltig prägen. Er hat seine Gedanken in wenigen Seiten seines Lehrbuchs zum Deutschen Privatrecht prägnant zum Ausdruck gebracht. Die Wurzeln der Gesamthand sieht er dort „im germanischen Familienrechte“, genauer in der „unter Brüdern nach dem Tode des Hausvaters fortgesetzte[n] Hausgemeinschaft“.264 Später im „Verhältniss des Mannes zur Frau“ habe sich „neben der ehemännlichen Munt das ehegenossenschaftliche Band“ bzw. die „eheliche gesammte Hand“ entwi-

257  S. nur Cosack, HandelsR4 (1898), §  105 (S.  527), §  107 (S.  533 ff.); Gareis, HandelsR6 (1899), §  27, S.  220; Staub, HGB I6/7 (1900), Exkurs zu §  122, Anm.  12, S.  386; Lehmann/ Ring, HGB I (1902), Vor §  105, S.  218 f. 258  Auffällig ist freilich, dass manche Autoren der BGB-Gesellschaft, anders als der Handelsgesellschaft, nur eine geringe Rolle in der Praxis voraussagen, s. etwa Kober in: Staudinger, BGB II.22 (1906), Vor §  705, Anm. I, S.  595. 259  Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  63, hält zwar die historische Herleitung des Prinzips der Gesamthand aus dem altdeutschen Recht für verfehlt, arrangiert sich aber mit dieser Rechtsfigur mit dem Hinweis, dass sie in der Sache „sich als unschädlichste“ der ansonsten formulierten Theorien bewährt habe, Adler, a. a. O., S.  87; andere Autoren äußern Zweifel darüber, ob die Gesamthand tatsächlich die passende Bezeichnung eines Gesellschaftsverhältnisses gewesen ist, stellen diese aber nicht mehr in Frage, s. etwa Joerges, ZHR 49 (1900), S.  140, 184 f.; Kuhlenbeck, Pandekten II (1899), §  47, S.  320, Fn.  1; Krückmann, ZBl. freiw. Ger. 16 (1916), S.  1, 8, zieht den Begriff „Gesamteigentum“ vor. 260 So Goldmann/Lilienthal, BGB2 (1903), §  201, S.  782 ff., wo hervorgehoben wird, dass das Gesetz den Begriff der Gesamthand nicht verwendet und dass die Rechtsnatur der BGB-Gesellschaft alleine aus den einzelnen gesetzlichen Vorschriften zu bestimmen ist. 261  Kohler, ZHR 74 (1913), S.  456; insbesondere auch Kohler, Arch. bürg. R. 40 (1914), S.  229, 235 ff.; eine gewisse Sympathie für die Ideen Kohlers kommt immerhin bei Schönfeld, Jher. Jahrb. 75 (1925), S.  333, 335 ff., zum Vorschein. 262  Gareis, HandelsR6 (1899), §  25 (S.  208 f.), §  27 (S.  218 f.). 263  Gareis, HandelsR6 (1899), §  27, S.  2 20. 264  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  664.

§  3.  Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien

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ckelt.265 „Bald“ habe die Gemeinschaft zur gesammten Hand“ aber „den Kreis des Familienrechtes“ überschritten: 266 So entstanden Gemeinschaftsformen, die sich von der familienrechtlichen Grundlage mehr und mehr ablösten, bis zuletzt ein auch unter Fremden möglicher Vereinigungsvertrag als ihre Rechtsgrundlage erschien. Unter dem Landvolke entwickelten sich die bäuerlichen Gemeinderschaften [Fußnote]; im niederen Adel die ritterlichen Ganerbschaften [Fußnote]; im hohen Adel die Erbverbrüderungen [Fußnote]; im Bürgerstande Arbeits- und Erwerbsgesellschaften [Fußnote], die Handelsgesellschaft, die Rhederei [Fußnote].

Damit hat Gierke den Bogen von der Gesamthand zur Handelsgesellschaft gespannt. Er führt weiter aus, die „romanistische Theorie“ habe „zwar die deutschen Gemeinschaftsverhältnisse den römischen Kategorien der societas oder communio“ unterworfen, gleichzeitig „aber tiefgreifende ‚Modifikationen‘ der römischen Rechtssätze auf diesem Gebiete“ anerkannt.267 Es seien von der Gesetzgebung „einzelne Gemeinschaftsformen im Sinne der gesammten Hand geregelt“ worden, namentlich das Preußische Allgemeine Landrecht habe sich „in vielen Punkten“, darunter „im Gesellschaftsrecht“, dem „deutschen Gemeinschaftsbegriffe“ genähert.268 Dass die von Gierke beigebrachten Nachweise für diese Feststellungen dürf- 471 tig waren, ist eingangs festgestellt worden.269 Die Frage der Geschichte der Terminologie „Gesamthand“ im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht spricht er nicht an, er bemerkt nur allgemein, es sei legitim, den Begriff Gesamthand auch „für ganz moderne Bildungen“ zu gebrauchen.270 Als einzigen Quellennachweis für die historische Verbindung zwischen der fortgesetzten Hausgemeinschaft im germanischen Familienrecht und der rechtlichen Konstruktion der Arbeits- und Erwerbsgesellschaften zitiert Gierke die Sachsenspiegelstelle in Landrecht I, 12, welche aber weder eine besondere Vermögensverbundenheit der Gemeinschaftsmitglieder belegt271 noch etwas über die geografische Reichweite der von ihr transportierten Rechtsideen aussagt. Im Zusammenhang mit der Handelsgesellschaft zitiert Gierke Kuntze, Lastig, sich selbst, F. G. A. Schmidt, Max Weber, Behrend und Cosack.272 Kuntze hat seine Idee der handelsgesellschaftsrechtlichen gesamten Hand aber nur auf allgemeine historische Aussagen gestützt.273 Lastig, dessen 66-seitigen Beitrag Gierke in 265 

Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  665. Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  665 f. 267  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  668. 268  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  668. 269  S. o., Rn.  4 f. 270  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  664, Fn.  3. 271  S. o., Rn.  72. 272  Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  666, Fn.  13. 273  S. o., Rn.  362; auch Lastig, ZHR 24 (1879), S.  387, 426, stellt fest, dass Kuntzes Darstellung auf keine Quellenforschung beruhe. 266 

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

seiner Gesamtheit zitiert („Lastig, Z. f. d. g. H.R. XXIV 387 ff.“274 ), nimmt zwar an, dass deutsche Gesellschaftsformen des Handelsrechts im Familienrecht ihren historischen Ursprung haben, 275 geht aber auf historische Aspekte der rechtlichen Absonderung von Gesellschaftsvermögen nicht ein. F. G. A. Schmidt nimmt gerade keine Vermögensabsonderung bei mittelalterlichen Handelsgesellschaften an.276 Schließlich weist Gierke auch seine weitere Feststellung nicht nach, die gesellschaftsrechtliche Gesamthand habe der Rezeption des römischen Rechts getrotzt, so wie er auch keine Kontinuität zum Gesellschaftsrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts belegt. In der Tat erscheint es zwar plausibel, nicht aber gewiss, dass der preußische Gesetzgeber die Handelsgesellschaft des PrALR ursprünglich mit einem gebundenen Vermögen versehen wollte,277 diese Auslegung der maßgeblichen Vorschriften hat sich vielmehr erst in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts durchgesetzt.278 Trotz der Lücken in der historischen Herleitung Gierkes wird diese in der Folge von zahlreichen Autoren übernommen, so dass man annähernd von einem allgemeinen Konsens sprechen kann. Exemplarisch steht die Arbeit Knokes, in welcher Gierkes Herleitung eins zu eins übernommen 279 und lediglich mit dem Hinweis ergänzt wird, das ADHGB habe sich „[n]och viel entschiedener […] bei der Regelung der offenen Handelsgesellschaft dem deutschen Standpunkte“ zugewandt.280 Ein Großteil der Literatur übernimmt ausdrücklich die Feststellung, die Gesamthand sei eine altdeutsche Rechtsfigur, welche im Gegensatz zur römischen societas stehe.281 In diesem Zusammenhang ist auch die Feststellung populär, die Grundsätze der Gesamthand hätten das preußische 274 

Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  666, Fn.  13. Lastig, ZHR 24 (1879), S.  387, 427 ff., 431 ff. 276  F. G. A. Schmidt, Handelsgesellschaften (1883), S.  55, s. auch o., Rn.  73. 277  S. o., Rn.  114. 278  S. o., Rn.  137 f.; treffend insoweit Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  159, welche feststellt, dass im Zuge der Kodifikation des BGB „das Gesamthandsprinzip in das ALR“ hineingelesen wurde. 279  Knoke, Gesellschaft (1901), S.  4 ff.; s. auch Dernburg, Bürg. R. II.21/2 (1901), §  354, S.  530, der ebenfalls vertritt, es habe sich der Gesamthandgedanke im deutschen Gesellschaftsrecht der Rezeption des römischen Rechts widersetzt. 280  Knoke, Gesellschaft (1901), S.  5. 281  S. etwa Schollmeyer, Schuldverhältnisse (1897), §  9, S.  72; Cosack, HandelsR4 (1898), §  105, S.  527; F. Endemann, Bürg. R. I3/4 (1898), §  180, S.  815 ff.; Oertmann, Schuldverhältnisse1 (1899), Vor §  705, Anm.  3, S.  4 41 f.; M. Scherer, Schuldverhältnisse (1899), §§  718– 720, Anm.  2 , S.  1023; E. Schmidt, Gesellschaft (1899), S.  38; Cosack, Bürg. R. II1/2 (1900), §  266, S.  372 f.; Enneccerus, Bürg. R. I1 (1900), §  232, S.  504 (bzgl. Schuldverhältnisse zur gesamten Hand); Knoke, Gesellschaft (1901), S.  4 ff.; Dernburg, Bürg. R. II.21/2 (1901), §  354, S.  530; Crome, System II (1902), §  280, S.  765, Fn.  11; O. Müller, Haftung (1903), S.  7 ff.; Kober in: Staudinger, BGB II.22 (1906), Vor §  705, Anm. II, S.  596; exemplarisch für spätere Autoren, Leonhard, Schuldrecht I (1929), §  369, S.  741; auch bei französischen Autoren ist der Gedanke für das auf fränkisches Recht bauende französische Recht aufgenommen worden, s. Saleilles, Personnalité juridique2 (1922), S.  165. 275 

§  3.  Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien

379

Gesellschaftsrecht auch vor Inkrafttreten des BGB geprägt.282 Kaum mehr geäußert wird die Erklärung, die noch im 19. Jahrhundert in den Materialien zur preußischen Ratifikation des ADHGB283 zu finden und etwa auch von Gerber284 formuliert worden war, nämlich dass die Besonderheiten des Gesellschaftsrechts auf eine volkswirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen seien, die im italienischen Handelsverkehr des Mittelalters ihren Ursprung genommen habe. Zwar greift Adler diese Idee auf,285 doch kommt ihr in der Masse der Veröffentlichungen zur Gesamthand kein Gewicht mehr zu. Seine Ansicht wird nur noch vereinzelt kommentiert, etwa mit dem Hinweis, sie sei nach Einführung des BGB als „überwunden“ anzusehen.286 Selten untersucht wird die Bezeichnung „gesamte Hand“ und deren histori- 473 sche Legitimität zur Bestimmung besonderer Personenzusammenschlüsse. Ihre Entwicklung im Laufe des 19. Jahrhunderts wird in der Literatur nicht nachgezeichnet. Dass eine lehnrechtliche Gesamthand existiert habe, wird zwar gerne hervorgehoben, namentlich von Gierke selbst.287 Ausgeblendet wird aber, dass der Begriff der gesamten Hand in der jüngeren Vergangenheit nahezu ausschließlich im lehnrechtlichen Zusammenhang verwendet worden war.288 In der Literatur finden sich auch kaum Hinweise darauf, dass die Bezeichnung „Gesamthand“ in Wirklichkeit keine historischen Vorbilder im Gesellschaftsrecht hat.289 Überhaupt sind umfassende rechtshistorische Erörterungen über 282  F. Endemann, Bürg. R. I 3/4 (1898), §  180, S.  816, Fn.  8 ; Cosack, Bürg. R. II1/2 (1900), §  266, S.  372 f.; Enneccerus, Bürg. R. I1 (1900), §  232, S.  504; Goesch, Ausscheiden (1900), S.  6 ; Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.   695, 697 f.; Knoke, Gesellschaft (1901), S.   5; O. Müller, Haftung (1903), S.  8 ; Gierke, DPR II (1905), §  122, S.  388, Fn.  56; Leonhard, Schuld­recht I (1929), §  369, S.  741; a. A. jedoch Cosack, HandelsR4 (1898), §  105, S.  527: „[W]as sich von altdeutschen Regeln des Handelsgesellschaftsrechts über die Rezeption hinaus in Deutschland partikulär erhalten hat, war zu umstritten, als daß die neudeutsche Gesetzgebung daran hätte anknüpfen können“. 283  S. o., Rn.  181. 284  S. o., Rn.  415. 285  Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.   63: „Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung darf behauptet werden, dass eine wahre offene Gesellschaft, welche durch die Selbständigkeit des Gesellschaftsvermögens charakterisiert ist, in Deutschland erst unter italienischem Einfluss entstanden ist. Verfehlt scheint vom historischen Standpunkte aus die Anknüpfung an die Verpflichtung zur gesammten Hand“; s. auch Adlers historische Untersuchungen auf S.  30 ff. und S.  52 ff.; kritisch auch Hacman, ZHR 69 (1911), S.  47, 82 ff., der die OHG nicht aus der altdeutschen Idee der Gesamthand entwickelt sieht. 286 S. Oertmann, Schuldverhältnisse1 (1899), Vor §   705, Anm.  3, S.  442; Crome, System II (1902), §  280, S.  767, Fn.  24; krit. auch Cosack, HandelsR4 (1898), §  105, S.  528, welcher zu dem Schluss kommt, dass die Ideen Adlers mit Recht „einstimmig abgelehnt“ werden. 287  Gierke, Grundzüge PrivatR (1904), §  60, S.  499 f. 288 Bei Dersch, Gesamte Hand (1905), S.  11 f., wird auf die lehnrechtliche gesamte Hand Bezug genommen, nicht aber klargestellt, dass die historischen Texte den Ausdruck zumindest nicht für Gesellschaften verwendet haben. 289  S. aber Hacman, ZHR 68 (1910), S.  439, 450, wonach bei der Untersuchung des Gesamthandbegriffs das Hilfsmittel der Etymologie versagen müsse, „da dieses Wort bekanntlich eine Schöpfung der neueren Rechtswissenschaft ist“.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Gesamthand und Gesellschaft nicht sehr zahlreich.290 Studien mit rechtshistorischem Anspruch liefern zur Begrifflichkeit der Gesamthand, zu ihrer jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung und zur Entwicklung einer verselbständigten Gesellschaft nur wenige Hinweise.291 Schließlich gerät der von Euler geprägte,292 auf das fränkische Eherecht beschränkte Gesamthandbegriff vollends in Vergessenheit. Die wenigen nach 1900 erschienenen Schriften, die mit Bezug auf Zoepfl und Schroeder die fränkische eherechtliche gesamte Hand untersuchen, ordnen jene Konstruktion in den nun herrschenden allgemeinen Gesamthandbegriff ein.293 Selbst Gerhard Buchda, welcher sich um die Rehabilitierung eines historischen Gesamthandbegriffs als Form des gemeinsamen Handelns bemüht294 und sich vielleicht in Ansätzen dem Eulerschen Gesamthandbegriff annähert, kennt die Schriften Eulers offenbar nicht. Nachdem nun der Konsens darüber erreicht ist, dass die Grundsätze der Gesamthand das bürgerliche Gesellschaftsrecht bestimmen, verlagert sich die Diskussion auf die Frage, was unter der Gesamthand zu verstehen ist. Insgesamt offenbart sich nach Inkrafttreten des BGB der Wille nach einem Neuanfang; die historischen Grundlagen der Gesamthand und die Frage des römischen oder germanischen Charakters dieser oder jener Vorschriften treten dabei – vielleicht gerade bei jüngeren Autoren – in den Hintergrund.295 2)  Die Anerkennung des Gesamthandbegriffs in der Rechtsprechung 474

Die Rechtsprechung stand am Vorabend des 20. Jahrhunderts dem Begriff und der Theorie der Gesamthand noch bis zuletzt reserviert gegenüber.296 Auch nach 1900 setzt sie den Gesamthandbegriff zumindest nicht systematisch mit einer OHG in Verbindung, soweit die zur Entscheidung vorgelegten Fälle noch auf dem Recht des alten ADHGB beruhen.297 Jedoch reagiert das Reichsgericht schnell auf die veränderten Voraussetzungen des BGB sowie des neu angepass290  S. aber Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  5 ff.; Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  664 ff.; Gierke, Grundzüge PrivatR (1904), §  34, S.  473 f.; H. Kaufmann, Gesellschaftsvermögen (1911), S.  8 ff.; insbesondere aber Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  15 ff. 291  S. etwa Hacman, ZHR 68 (1910), S.  439, 443 ff. 292  S. o., Rn.  346 ff. 293  Bartsch, Rechtsstellung der Frau (1903), S.  96, welcher das Verhältnis der gesamten Hand grundsätzlich als „zunächst ein rein vermögensrechtliches Verhältnis“ sieht, als „eine Art Miteigentum, ohne daß der äußeren Erscheinung nach reelle oder selbst ideelle Anteile der einzelnen hervortreten“, und in diesem Zusammenhang die fränkische gesamte Hand nennt; s. aber auch Bartsch, a. a. O., S.  93 f., Fn.  1, mit Bezug auf Zoepfls Schrift. 294  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  265 ff. 295 Exemplarisch Larenz, Jher. Jahrb. 83 (1933), S.  108 ff., der sich für eine Emanzipation von den historischen Diskussionen der Germanisten und Romanisten und für eine auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften beruhende und ansonsten konstruktive Gestaltung der Gesamthand ausspricht. 296  S. o., Rn.  407 f. 297  S. etwa RG v. 02.11.1903, V 170/03, RGZ 56, 96, 101, zur Notwendigkeit der Auflas-

§  3.  Reaktionen auf den Gesamthandbegriff der Gesetzesmaterialien

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ten HGB und übernimmt nun bereitwillig die Idee der Gesamthand für die Gesellschaften bürgerlichen Rechts und der handelsrechtlichen Personengesellschaften. In einem grundlegenden Urteil aus dem Jahre 1903 stellt das Reichsgericht fest, die für die BGB-Gesellschaft typische Zusammenfassung der Gesellschafter als Träger von Rechten und Verbindlichkeiten begründe „keine Schöpfung einer juristischen Persönlichkeit im römisch-rechtlichen Sinne; wohl aber entspricht die Regelung den im deutschen Recht entwickelten Grundsätzen über die Vereinigungen zur gesamten Hand“.298 Das gleiche Rechtsverhältnis sei außerdem auch für die offene Handelsgesellschaft anzunehmen,299 was in einem weiteren Urteil sechs Wochen später nochmals bestätigt wird.300 Von der zuvor vom Reichsoberhandelsgericht zugrunde gelegten Deutung, die „rechtliche Anerkennung“ des „Handlungsfonds der Gesellschaft“ rühre aus Italien her und sei „in Doctrin und Praxis auch in Deutschland recipirt“ worden,301 findet sich in den Entscheidungen nun keine Spur mehr. Im Jahre 1905 erklärt das Reichsgericht weiter, die Erbengemeinschaft, die 475 Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die eheliche Gütergemeinschaft bilden jeweils Gemeinschaften „zur gesamten Hand“, welchen gemeinsam sei, „daß an den Sachen und Rechten, die zu dem gemeinsamen Vermögen gehören, keine Anteilsrechte bestehen und daher Verfügungen eines Teilhabers über An­ teile an den einzelnen Gegenständen nicht möglich sind“.302 Weitere Entscheidungen gehen in die gleiche Richtung,303 insbesondere wird Labands rö­ mischrechtlich inspirierte Auffassung zur Konzeption der Handelsgesellschaft304 ausdrücklich abgelehnt.305 Interessant ist die Tendenz des Reichsgerichts, sich bei der inhaltlichen Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand explizit auch auf Entscheidungen vor 1900 zu berufen,306 was bei unkritischer Lektüre den falschen Eindruck erweckt, das Gericht habe die Gesamthand bereits vor Inkrafttreten des BGB und des neuen HGB zur Grundlage seiner Urteile gemacht.

sung auf das Gesellschaftsvermögen, wenn die Gesellschafter bereits Miteigentümer des fraglichen Grundstücks sind. 298  RG v. 11.12.1903, VII 317/03, RGZ 56, 206, 209. 299  RG v. 11.12.1903, VII 317/03, RGZ 56, 206, 209. 300  RG v. 26.01.1904, VII 371/03, RGZ 56, 430, 432. 301  ROHG v. 25.06.1878, I 572/78, ROHGE 24, 156, 161. 302  RG v. 09.02.1905, IV 423/04, RGZ 60, 126, 128 f. 303 RG v. 23.02.1907, I 404/06, RGZ 65, 227, 231  f.; RG v. 23.05.1908, V 70/08, RGZ  68, 410, 412 ff. (mit Zitat der Lehrbücher Gierkes und Stobbes des Deutschen Privatrechts). 304  Laband, ZHR 30 (1885), S.  469 ff. (1. Teil); ZHR 31 (1885), S.  1 ff. (2. Teil). 305  RG v. 23.02.1907, I 404/06, RGZ 65, 227, 232. 306  Exemplarisch etwa RG v. 23.02.1907, I 404/06, RGZ 65, 227, 235, mit Verweis auf seine Rechtsprechung der 1880er Jahre zum Mechanismus der Anwachsung bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus der OHG.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

3) Ergebnisse 476

Die Schnelligkeit des Siegeszuges der Gesamthandtheorie erscheint erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Bezeichnung „Gesamthand“ im BGB nicht verwendet wurde und mit welcher Leidenschaft im 19. Jahrhundert über die theoretische Grundlage des Gesellschaftsrechts gestritten worden war.307 Auf den zweiten Blick leuchtet die schnelle Anerkennung der Theorie der Gesamthand vielleicht ein: Nicht nur die Achtung mancher Autoren vor der staatlichen Sanktionierung der Gesamthand in den Gesetzesmaterialien und die infolge zunehmenden Nationalbewusstseins gestiegene Attraktivität einer deutsch­ rechtlichen Rechtsfigur mögen ihre Rolle gespielt haben. Von Bedeutung könnte auch gewesen sein, dass die nun erzielte Einigung auf die gesellschaftsrechtliche Gesamthand den Eindruck einer herbeigesehnten Befriedung der viele Jahrzehnte währenden Debatte über die Rechtsnatur der Personengesellschaft vermittelt hat. Gleichzeitig könnten die Autoren die besondere Flexibilität der Gesamthandlehre bei der Gütergemeinschaft, der Erbengemeinschaft und den Personengesellschaften geschätzt haben: Die Gesamthand als „Mantelbegriff“ beließ ihnen im Vergleich zur Situation vor Einführung des BGB einen weiten Spielraum bei der Gestaltung ihrer Vorstellungen über die Kon­struktion der Gesellschaft. Dieser Spielraum ist in der Literatur gerade im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts intensiv genutzt worden. Wenn man grob vereinfacht, kann man eine herrschende Haupttendenz und zwei dissidente Nebentendenzen erkennen. Die herrschende Auffassung, welcher auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts zuzuordnen ist, fußt maßgeblich auf Gierkes Werken, übernimmt insbesondere die Idee eines unabhängigen Sondervermögens, vertieft aber nicht unbedingt die Frage der Subjektqualität der Gesamthandgemeinschaft. In der Literatur wird diese herrschende Theorie auch „Lehre der ungeteilten Mitberechtigung“308 oder „Lehre der ungeteilten Gesamtberechtigung“309 genannt. Die beiden dissidenten Theorien siedeln sich jeweils an den Enden der herrschenden Lehre an. Die sogenannte „Theorie der geteilten Mitberechtigung“310 greift die „sachenrechtliche Lösung“ auf, die in den Protokollen der Zweiten Kommission als mögliche Konstruktion der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand in Betracht gezogen worden war,311 und rückt die Gesamthandgemeinschaft insofern in die Nähe der Bruchteilsgemeinschaft. Die andere Theorie unterstützt hingegen die auch bei Gierke vielleicht im Keim vorhande-

307 Gierke selbst spricht von „überraschender Schnelligkeit“, mit der sich der Gesamthandbegriff durchgesetzt habe, s. Gierke, Arch. bürg. R. 19 (1901), S.  114, 116 f. 308  Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695, 706 ff. 309  Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  193. 310  Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.   695, 711 ff.; zu den Autoren, die diese Meinung vertreten haben, s. u., Rn.  496. 311  S. o., Rn.  4 44 ff.

Zusammenfassung des 2. Teils

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ne These einer eigenen Subjektqualität der Gesamthand­gemeinschaft und offenbart insoweit eher Berührungspunkte zum Begriff der juristischen Person.312

Zusammenfassung des 2. Teils Die moderne Theorie der Gesamthand ist nicht der erste Versuch einer rechts- 477 dogmatischen Aufarbeitung eigens deutschrechtlicher historischer Personenzusammenschlüsse. Bereits 1681 veröffentlicht ein deutscher Autor unter dem Pseudonym Justus Veracius eine Schrift, die die Besonderheiten des zu diesem Zeitpunkt geltenden Bamberger Rechts der ehelichen Gütergemeinschaft untersucht und dabei erklärt, dass Letzteres so ausgestaltet sei, dass sowohl Ehemann als auch Ehefrau beide jeweils Eigentümer des gesamten ehelichen Vermögens seien, dass insofern mehrere Personen das Eigentum einer Sache jeweils im Ganzen haben (dominium plurium in solidum). Veracius lässt es dabei darauf ankommen, im Widerspruch zu römischen Lehrsätzen zu stehen, die das Eigentum Mehrerer an einer Sache als nicht denkmöglich angesehen hatten. Veracius’ Idee eines entsprechenden „Gesamteigentums“ wird in der deutschen Literatur ab Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend populär und zur Deutung verschiedener Formen von Personenzusammenschlüssen und deren Beziehung zu Vermögensgütern herangezogen, darunter die eheliche Gütergemeinschaft, aber auch die Ganerbschaft und die lehnrechtliche gesamte Hand. Im Unterschied zum gemeinen Miteigentum seien für das Gesamteigentum insbesondere die fehlende Möglichkeit der Teilung sowie die fehlende Verfügungsbefugnis über den eigenen Anteil an der Gesamtsache kennzeichnend. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sieht Philipp Scherer in der Idee des Gesamteigentums außerdem den Mechanismus der Anwachsung begründet. Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Theorie jedoch dem Angriff Johann Christan Hasses ausgesetzt, welcher insbesondere auf die logische Unmöglichkeit zielt, es könnten mehrere Personen gleichzeitig Alleineigentümer eines Vermögensgegenstandes sein; im Zusammenhang mit der ehelichen Gütergemeinschaft plädiert Hasse vielmehr dafür, die Gemeinschaft der Eheleute als „mystische Person“ zu sehen, wobei er damit eine moralische Person nach der Konzeption des Naturrechts im Sinn hat. In der Folge gerät die Figur des Gesamteigentums in die Defensive; auch Autoren der germanistischen Schule wenden sich von ihr ab oder erkennen sie zumindest als korrekturbedürftig an. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schwindet die Bedeutung des Gesamteigentums als Rechtsfigur und wird allenfalls von germanistischen Autoren in die neuere Theorie der deutschen 312  S. insbesondere Kattausch, Miteigentümer und Gesamthänder (1911), S.  71 ff.; Kinsberg, Gesamthand (1912), S.  43 f.; für eine Teilsubjektivität auch Hamel, OHG (1928), S.  27 ff., 44.

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

Genossenschaft eingebettet oder geht, bei Otto Stobbe, in dessen Theorie der Gesamthand auf. Auch die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkeimende Genossenschaftstheorie wird oft mit der Gesamthandtheorie in Verbindung gebracht. Hatte Beseler in den 1830er Jahren in bestimmten historischen Rechtsfiguren ein „genossenschaftliches Element“ identifizieren können, baut er ab den 1840er Jahren eine Theorie der Genossenschaft auf. Er tritt dafür ein, nicht nur die römische universitas als juristische Person aufzufassen, sondern auch deutschrechtliche „Korporationen“, darunter Gemeinden und Genossenschaften. Nach Beseler zeichnen sich Letztere darin aus, dass sie einen Zusammenschluss mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck voraussetzen und in der Weise verdichtet seien, dass sie als solche eigene Rechte und Pflichten begründen können. Von der universitas, als „reiner Form“ der juristischen Person, unterscheiden sich die Genossenschaften seiner Ansicht nach dadurch, dass diese nicht nur ausschließlich Rechtsbeziehungen zwischen der Genossenschaft als Ganzer zu Gegenständen und zu dritten Personen ermöglichen, dass vielmehr als Ergebnis einer organischen und insofern nicht „geplanten“ Entwicklung seit dem Mittelalter auch unmittelbar von den Genossen Rechtsbeziehungen untereinander oder zu Dritten denkbar seien. Unabhängig davon eine die Genossenschaft und die universitas aber letztlich die eigene Subjektivität, welche beide zu juristischen Personen werden lasse. Aus diesem Grund schließt Beseler andere Rechtsgemeinschaften von der Qualifizierung als Genossenschaften aus, welche diese Eigenschaft nicht aufweisen. Dazu zählt er insbesondere die eheliche Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft, welche er als „materielle Rechtsgemeinschaften“ identifiziert. Die Handelsgesellschaft sieht er als eine genossenschaftlich modifizierte (römische) communio. In seinem umfassenden Werk zur Geschichte des Genossenschaftsrechts macht sich Gierke die Theorien Beselers zu eigen. Auch er hält die Rechtsfähigkeit für das wesentliche Merkmal der Genossenschaft, so dass er die eheliche Gütergemeinschaft, die Handelsgesellschaft und die Erbengemeinschaft nicht als Genossenschaften qualifiziert. Letztlich wird man daher die germanistische Genossenschaftstheorie nicht als Vorläuferfigur der Gesamthandtheorie sehen können, sondern lediglich als Konstruktion, welche den späteren konzeptuellen Aufbau der Idee der Gesamthand zwar teilweise beeinflusst, insbesondere aber durch die von der Genossenschaftstheorie erfolgten Abgrenzungen hin zu den „materiellen Rechtsgemeinschaften“ (den späteren Gesamthandgemeinschaften) die Aufmerksamkeit auf dieselben gelenkt hat. Die allgemeine Gesamthandtheorie wurde nicht von der Genossenschaftsidee Beselers und Gierkes angestoßen, sondern entwickelte sich allmählich aus der Untersuchung mittelalterlicher Quellen durch das Schrifttum der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bereits im 18. Jahrhundert hatten manche Autoren den Ausdruck „gesamte Hand“ alten Quellen des ehelichen Güterrechts

Zusammenfassung des 2. Teils

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entnommen, zunächst aber nicht weiter kommentiert. Die erste Schrift, die sich mit einer historischen Figur der gesamten Hand grundlegend auseinandergesetzt hat, ist die von Heinrich Zoepfl verfasste Monografie über das alte Bamberger Stadtrecht und insbesondere dessen Bestimmungen zur fränkischen gesamten Hand des Eherechts. Zoepfl ist somit der erste Autor, der die Bezeichnung „gesamte Hand“ außerhalb des im 19. Jahrhundert noch relevanten lehnrechtlichen Kontexts eingehend untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass die gesamte Hand das „Sozietätsverhältnis“ als solches zwischen beiden Ehegatten bezeichne, an welches die Bamberger Vorschriften besondere Rechtsfolgen knüpfen, darunter insbesondere die fehlende individuelle Befugnis des Ehemannes, über einen ehelichen Vermögensgegenstand zu verfügen. War Zoepfl der Erste, der in dieser Weise eine neue (alte) Form der gesamten Hand bekannt machte, unterließ er es jedoch, über die regionalen, zeitlichen und inhaltlichen Grenzen der Bamberger gesamten Hand des Eherechts hinaus diesen Begriff auch für andere Arten der Personenzusammenschlüsse und auch für das geltende Recht vorzuschlagen. Insofern ähnlich ist auch das Vorgehen Carl Gustav Homeyers, welcher 1841 die gesamte Hand des Sachsenspiegels untersucht und insbesondere die Unterschiede zur lehnrechtlichen gesamten Hand der Neuzeit herausarbeitet. Auch er belässt es bei einer rein quellenorientierten Verwendung jener Bezeichnung; freilich führt seine Untersuchung dazu, dass andere Autoren inhaltliche Verbindungen zwischen zwei historischen Figuren der gesamten Hand ziehen: der gesamten Hand des Eherechts und der des Lehnrechts. In den 1840er Jahren geht ein anderer Autor einen weiteren Schritt in der 480 Ausgestaltung der gesamten Hand zu einer allgemeinen Theorie. Ludwig Euler greift Zoepfls Schrift zum alten Bamberger Recht auf und identifiziert in anderen Quellen ebenfalls juristische Konstruktionen, die denen des fränkischen Eherechts entsprechen. Dies veranlasst ihn, diese Konstruktionen mit demselben Ausdruck zu bezeichnen, den Zoepfl in Bezug auf das Bamberger Recht bekannt gemacht hat, d. h. mit dem Begriff der „gesamten Hand“. Eulers Vorgehen markiert insofern einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der modernen Gesamthand, denn er begnügt sich nicht damit, solche historischen Konstruktionen mit ebenjener Bezeichnung zu belegen, die in den betreffenden Quellen ebenfalls so qualifiziert sind, vielmehr erkennt er die „gesamte Hand“ als willkommenen Begriff zur Identifizierung jeglicher Konstruktionen des fränkischen Eherechts auch dann an, wenn die eigentlichen Quellen diese Bezeichnung nicht verwenden. Damit entwickelt Euler einen modernen Gesamthandbegriff, den er allerdings nur für historische Rechtsinstitute, nicht für solche des geltenden Rechts anwendet. Auch sieht er sich nicht veranlasst, andere Personengemeinschaften mit dem gleichen Begriff zu versehen. Ein ähnliches Vorgehen lässt sich 1855 bei Otto Stobbe beobachten. Dieser stützt sich auf den Gesamthandbegriff, freilich nicht im eherechtlichen Kontext, sondern zur Be-

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3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

schreibung einer Art des Schuldverhältnisses, bei welchem auf einer Seite eine Personenmehrheit beteiligt ist: die Verpflichtung Mehrerer zur gesamten Hand, die er mit der römischrechtlichen Solidarverpflichtung vergleicht. Das Vorgehen Stobbes entspricht insofern dem Vorgehen Eulers, als auch er den Gesamthandbegriff nicht nur dann verwendet, wenn die Quellen dies ebenfalls tun, sondern auch dann, wenn die Quellen lediglich die gleiche juristische Konstruktion offenbaren, diese aber anders oder gar nicht benennen. Die erste Schrift, welche den Gesamthandbegriff auf ein Institut des geltenden Rechts anzuwenden vorschlägt, ist ein in der Literatur zur Geschichte der Gesamthand vergleichbar wenig beachteter, von Kuntze im Jahre 1863 verfasster Aufsatz. Kuntze tritt dafür ein, den Gesamthandbegriff nicht nur im historischen Kontext zu verwenden, sondern auch zur Beschreibung bestimmter Personenzusammenschlüsse des geltenden Rechts. Dabei stützt er sich auf die Arbeit Homeyers zur lehnrechtlichen und auf die Arbeit Stobbes zur schuld­rechtlichen gesamten Hand. Ausgehend von alten germanischen Vereinigungsformen sei kennzeichnend für die gesamte Hand, dass sie nach außen wie ein einziges Subjekt auftrete, wobei sie sich aber von der juristischen Person darin unterscheide, dass es ihr an einem eigenen Vermögen gleich einem „patrimonium“ fehle, sie vielmehr nur über ein unvollkommen verselbständigtes „peculium“ verfüge. Insofern passe dieses Modell, das je nach Art der von ihr betroffenen Personenvereinigung flexibel angepasst werden könne, besonders gut zur Erklärung der Besonderheiten der OHG des ADHGB. Otto Stobbe wird auf den Vorschlag Kuntzes sofort (1864) lobend reagieren und einerseits verschiedene Arten von Personengemeinschaften (darunter die eheliche Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft) aufzählen, welche er den Grundsätzen der gesamten Hand zuordnet, und weitere Eigenschaften nennen, die er mit der Idee der gesamten Hand verbunden sieht. Insbesondere erklärt er, bei der Gesamthand seien nicht mehrere Personen, sondern eine durch eine „persönliche Bande“ geprägte „Zusammengehörigkeit der Personen“ das Zuordnungssubjekt der betreffenden Sache, womit Stobbe insbesondere der Schwäche der rein objektgerichteten Theorie des Gesamteigentums aus dem Weg geht. Außerdem identifiziert er die Idee der Anwachsung als Merkmal der Gesamthand. Der so von Kuntze und Stobbe ins Leben gerufene Gesamthandbegriff wird in der Folge von Beseler in dessen Lehrbuch rezipiert; dieser hat den Begriff aber weder selbst entdeckt noch in der Folge weitergehend gestaltet. Auch Gierke ist nicht der Urheber des modernen Gesamthandbegriffs. In seinem 1868 erschienenen ersten Band seiner Genossenschaftsgeschichte macht er sich die Begrifflichkeit Kuntzes und Stobbes nicht zu eigen; dies erfolgt erst in Gierkes 1873 publizierten zweiten Band, in welchem er sich dem Gesamthandbegriff vertieft zuwendet, dabei insbesondere die Erbengemeinschaft, die eheliche Gütergemeinschaft und die Handelsgesellschaft als Gesamthandgemeinschaften

Zusammenfassung des 2. Teils

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untersucht. Gierke folgt einem flexiblen Begriff der Gesamthand, doch grenzt er diese von der juristischen Persönlichkeit ab: eigens rechtsfähig sei die Gesamthand nicht, doch stimme auch, dass den Mitgliedern der Gesamthand­ gemeinschaft gewisse Rechte und Pflichten zugewiesen seien, die ihnen nur „in ihrer so und so beschaffenen Verbundenheit oder aber als Bestandtheil einer so und so qualificirten objektiven Einheit“ zustehen. Außerdem könne ein eigenes Gesamthandvermögen in der Weise gebildet werden, dass die einzelnen Mitglieder nur Anteile am Vermögen im Ganzen, nicht aber an den einzelnen Vermögensgegenständen halten. Demgegenüber wird Andreas Heusler in seinem 1885/86 erschienen Institutionenlehrbuch eine individualistischere Version der Gesamthand verteidigen; er erkennt durchaus Quotenanteile an den einzelnen Gesellschaftssachen an und verneint nur die dingliche Verfügungsbefugnis der Mitglieder auf diese Anteile. Im Jahre 1887 erscheint Gierkes Genossenschaftstheorie, in der der Autor die Konstruktion der Gesamthand vertieft behandelt. Diese Bearbeitung beschränkt sich nicht auf die Darstellung abstrakter Grundsätze, sondern setzt dieselben mit den verschiedenen Gesamthandgemeinschaften, insbesondere mit der der OHG, in Beziehung und lässt sie in zahlreichen Konstellationen zur Anwendung kommen. So berücksichtigen die Ausführungen etwa den Fall eines Schuldverhältnisses zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter, den der Übertragung von Vermögensgegenständen zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter, den des Ausscheidens eines Gesellschafters u. s. w. Diese praxisfreundliche Darstellung wird möglicherweise zur zunehmenden Attraktivität der Gesamthandtheorie beitragen. Tatsächlich war die Idee der Gesamthand außerhalb des germanistischen 483 Schrifttums zunächst nicht sehr weit vorgedrungen. Die meisten Autoren nahmen bis Ende der 1880er Jahren kaum Notiz von ihr. Erst in den 1890er Jahren änderte sich dies, auch infolge des Impulses jüngerer Autoren. Verschiedene Schriften, deren Verfasser verstorben waren und von jüngeren Bearbeitern weitergeführt wurden, öffnen sich nun der Idee der gesamten Hand. Die Mehrheit bilden diese aber auch bis zur Veröffentlichung des Zweiten Entwurfs des BGB vermutlich nicht. Das Reichsgericht hat sich, mit Ausnahme einer Entscheidung, stets geweigert, die gesamte Hand als allgemeines Prinzip anzuerkennen und etwa der OHG des ADHGB konstruktiv zugrunde zu legen. Damit lässt sich feststellen, dass die Gesamthand bis Einführung des BGB keine allgemein anerkannte Theorie des deutschen Rechts darstellte. Die Dinge ändern sich jedoch im Zuge der Beratungen zum Bürgerlichen 484 Gesetzbuch. Im Ersten BGB-Entwurf war die Idee einer Gesamthandbindung in den Bestimmungen des Sachenrechts und des Rechts der Gemeinschaft eingeflossen, um die Zuordnung von Vermögensgütern etwa im Rahmen der Handelsgesellschaft und der ehelichen Gütergemeinschaft zu regeln. Diese Vorschriften gingen von einer unmittelbaren Berechtigung der Gemeinschaftsmitglieder an den Gesamthandgegenständen aus. Daraus ist zu schließen, dass

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485

486

3. Kapitel:  Gesamthand und Personengesellschaft

insbesondere im Gesellschaftsrecht (des Handelsrechts) nicht von einem zwischengeschalteten eigenen Gesellschaftssubjekt ausgegangen werden sollte; dies deckt sich insoweit mit der Position, die sich bei den Beratungen des ADHGB durchgesetzt hatte. Für die bürgerlichrechtliche Gesellschaft sollten die allgemeinen Regelungen der Gesamthandbindung im Ersten Entwurf aber nicht gelten, denn die BGB-Gesellschaft wurde nach dem Modell der römischen societas ausschließlich als Schuldverhältnis zwischen den Gesellschaftern ausgestaltet. Über das Gesellschaftsvermögen bildeten die Gesellschafter eine Bruchteilsgemeinschaft, so dass ihnen die Rechtsmacht zustand, über ihre Anteile an den einzelnen Gegenständen individuell zu verfügen, selbst wenn sie schuldrechtlich einander verpflichtet waren, dies zu unterlassen. Eine Anwachsung bei Ausscheiden eines Gesellschafters zugunsten der verbleibenden Gesellschafter erfolgte nicht; vielmehr war der ausscheidende Gesellschafter verpflichtet, seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen den anderen Gesellschafter durch Rechtsgeschäft zu übertragen. Diese Eigenschaften der Gesellschaft wurden von Gierke heftig kritisiert, wobei festzustellen ist, dass Gierke, wie auch Beseler und Bluntschli vor ihm, die römischrechtliche Grundlage zuvor nicht in Frage gestellt hatte, soweit sie keine Handelsgesellschaft betraf. Kritisiert wurden die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des Ersten Entwurfs freilich auch vom Stettiner Rechtsanwalt Boyens, der sich in einem veröffentlichten Gutachten dafür aussprach, das Verbot der individuellen Verfügung über Anteile an den Gesellschaftsgegenständen – auf Grundlage der deutschrechtlichen Gesamthand – mit dinglicher Wirkung zu versehen, weil dies dem praktischen Bedürfnis eher entspreche. In der Folge wird die Zweite BGB-Kommission diesen Schritt tatsächlich gehen und in den Protokollen insbesondere den Gesamthandbegriff deutlich aufwerten. Sie entscheidet sich nun für ein dinglich wirkendes Verfügungsverbot über die Anteile an den Gesellschaftsgegenständen sowie an dem Gesellschaftsvermögen im Ganzen und für die Anerkennung des Prinzips der automatischen Anwachsung bei Ausscheiden eines Gesellschafters. Im Detail lehnt die Kommission aber eine Regelung der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand ab; sie überlässt es damit der Wissenschaft, die Frage zu beantworten, ob ein separates Gesellschaftsvermögen ohne eigene Quotenanteile der Gesellschafter an den Vermögensgegenständen gebildet wird oder ob die Gesellschafter Quotenanteile an den einzelnen Gesellschaftsgütern behalten und über diese lediglich – mit dinglicher Wirkung – nicht verfügen können. Nicht anzunehmen ist hingegen, dass die Kommission der Wissenschaft auch die Frage überlassen wollte, ob die Gesellschaft als solche ein eigenes Rechtssubjekt bildet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der BGB-Gesellschaft in der Absicht der Kommission eine Subjektqualität nicht zukommen sollte. Bei der Gestaltung des neuen handelsrechtlichen Gesellschaftsrechts sind offenbar andere Akzente gesetzt worden als für das BGB-Gesellschaftsrecht.

Zusammenfassung des 2. Teils

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Wollte sich die Zweite BGB-Kommission zwischen einem eigenen gesellschaftlichen Sondervermögen und einem lediglich gebundenen Eigentum der Gesellschafter nicht entscheiden, folgt aus den Materialien des HGB, dass trotz subsidiärer Geltung der bürgerlichrechtlichen Vorschriften wohl von einem gesellschaftlichen Sondervermögen ausgegangen wurde. Nicht beantwortet werden sollte lediglich die Frage, ob die OHG und die KG juristische Personen sind, wobei aber ausgesprochen wurde, dass diese Frage unter Geltung des ADHGB in Rechtsprechung und herrschender Lehre bereits abgelehnt worden sei und keine Veranlassung bestehe, diese Lösung abzuändern. Die Anerkennung der Gesamthandtheorie als Grundlage des bürgerlichen 487 Gesellschaftsrechts durch die Zweite Kommission nimmt Gierke mit Genugtuung zur Kenntnis, welcher in der Folge die rechtliche Konstruktion der BGB-Gesellschaft in mehreren Schriften behandelt. Mit Verkündung des BGB, des neuen HGB und der Veröffentlichung der Gesetzesmaterialien findet die Gesamthandtheorie nun auch in Literatur und Rechtsprechung eine breite Zustimmung, die im auffallenden Gegensatz zur reservierten Aufnahme noch bis in die 1890er Jahre steht. War in der Literatur des 19. Jahrhunderts insbesondere der deutschrechtliche Ursprung der Verselbständigungsmerkmale bei Gesellschaften mit Hinweis auf die Rezeption südeuropäischer Impulse mehrheitlich abgelehnt worden, etabliert sich die Ansicht, jene Merkmale seien Ausdruck einer genuinen deutschen Entwicklung. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts, welche sich vor Inkrafttreten des BGB – bis auf eine Ausnahme – geweigert hatte, die Bezeichnung „Gesamthand“ im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht zu verwenden, erkennt jene sofort als bestimmendes Prinzip im BGB-Gesellschaftsrecht sowie auch bei der ehelichen Gütergemeinschaft und der Erbengemeinschaft an.

Ergebnisse der Untersuchung §  1.  Kein terminologischer Zusammenhang zwischen alten Figuren der gesamten Hand und dem modernen Personengesellschaftsrecht Es ist festgestellt worden, dass der Begriff „gesamte Hand“ in der Rechtsge- 488 schichte eine teilweise nicht unbedeutende Rolle gespielt und verschiedene Rechtsfiguren geprägt hat. Davon abgesehen, dass der Ausdruck „gesamte Hand“ auch eine nichtjuristische Bezeichnung im Sinne von „gemeinschaftlich“ darstellen konnte,1 ist er weiter in „rechtsnahen“ Zusammenhängen verwendet worden, etwa bei der Beurkundung von Verfügungen, bei denen auf mindestens einer Seite eine Personenmehrheit beteiligt war.2 Die „gesamte Hand“ hat sich darüber hinaus zu einem juristischen Fachbegriff im sächsischen Lehnrecht entwickelt und dieses bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als typisches Merkmal wesentlich geprägt.3 Auch kann die „gesamte Hand“ in alten Quellen zur Identifizierung einer Verpflichtung mehrerer Personen, ähnlich einer solidarischen Verpflichtung,4 sowie einer ehelichen Gemeinschaft5 nachgewiesen werden. Aus keiner der in dieser Arbeit berücksichtigten Schriften bis Mitte des 489 19.  Jahrhunderts geht ein Gesamthandbegriff hervor, der sich konkret auf das Rechtsinstitut der Gesellschaft bezieht. Es ist insoweit zu vermuten, dass die Bezeichnung „gesamte Hand“ nicht verwendet wurde, um die Konstruktion einer Gesellschaft juristisch zu qualifizieren. Es sind zwar Quellen überliefert, in denen der Begriff der gesamten Hand in einem gesellschaftsrechtlichen Kontext verwendet wird, jedoch beschreibt der jeweils dort gebrauchte Ausdruck nicht eine gesellschaftsrechtliche Konstruktion, sondern bezieht sich auf eine „gesamte Hand“ im Sinne einer solidarischen Verpflichtung.6 Der Terminus „gesamte Hand“ hat das alte Gesellschaftsrecht somit nicht geprägt. In umgekehrter Richtung ist eine Beeinflussung zwar gegeben gewesen. So ist in ver1 

S. o., Rn.  234. S. o., Rn.  232 ff. 3  S. o., Rn.  236 ff. 4  S. o., Rn.  255 ff. 5  S. o., Rn.  263 ff. 6  Zur „gesamten Hand“ im Sinne einer Solidarschuld, s. o., Rn.  5. 2 

392

Ergebnisse der Untersuchung

schiedenen Glossen des Lehnrechtsbuchs des Sachsenspiegels die lehnrechtliche gesamte Hand nach dem Bild der römischen societas gedeutet worden.7 Die Beeinflussung erfolgte aber nur in diese eine Richtung. Eine Rückkopplung mit terminologischen Auswirkungen auf die allgemeinen Gesellschaftsbegriffe hat nach Lage der Quellen nicht stattgefunden. Jedenfalls für die Neuzeit findet sich hiervon keine Spur. Die ersten Schriften, die die Rechtsnatur der Gesellschaft unter Zuhilfenahme des Begriffs der Gesamthand zu konstruieren suchen, stammen von Juristen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, darunter insbesondere von Kuntze.8

§  2  Verbindungslinien zwischen dem modernen Personengesellschaftsrecht und alten Figuren der gesamten Hand I.  Allgemeine Betrachtungen 490

491

Ist man zu der Erkenntnis gelangt, dass alte Quellen den Ausdruck „gesamte Hand“ zur Beschreibung eines gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses nicht verwenden, so kommen jedoch inhaltliche Parallelen zwischen alten Formen der gesamten Hand und der Gesellschaft in Betracht. Möglicherweise zeigen alte – und bis am Vorabend der Einführung des BGB fortdauernde – Merkmale einer Gesellschaft wesensbestimmende Übereinstimmungen mit Merkmalen, die auch in alten Figuren der gesamten Hand zu finden sind. Interessant in diesem Zusammenhang wären Anhaltspunkte dafür, dass alte Figuren der gesamten Hand das historische Gesellschaftsrecht eventuell sogar beeinflusst haben. Der Gesellschaft und den alten Figuren der gesamten Hand ist gemeinsam, dass es sich jeweils um Personenverbindungen handelt, die in der einen oder anderen Weise rechtlich erheblich sind. Die Gesellschaft ist ein auf einem gemeinsamen Willen begründeter Zusammenschluss mehrerer Personen zu einem bestimmten, ihrem eigenen Interesse dienenden (und oftmals lukrativen) Zweck. Die lehnrechtliche gesamte Hand des Mittelalters bezeichnet eine Personenverbindung, die den gemeinschaftlichen Erwerb und die Nutzung eines Lehnguts zum Gegenstand hat; die Verpflichtung mit gesamter Hand benennt eine Schuldnermehrheit, bei der jeder einzelne Schuldner für die gesamte Verpflichtung einsteht; die gesamte Hand des fränkischen sowie des österreichischen Eherechts betrifft rechtliche Aspekte der ehelichen Verbindung zwischen Frau und Mann. Die entscheidende Frage ist aber, ob bei den Gesellschaften gerade diejenigen Merkmale, die als typische Gesamthandmerkmale angesehen werden, auch bei Figuren der gesamten Hand des alten Rechts identifiziert werden können. Im Kern geht es also darum, ob Letztere dadurch charakterisiert 7  8 

S. o., Rn.  242. S. o., Rn.  361 ff.

§  2  Verbindungslinien

393

werden, dass einer Personenmehrheit eine Vermögensgesamtheit oder zumindest bestimmte Vermögensgegenstände zugeordnet werden, über welche die Gemeinschaft nur gemeinschaftlich verfügen kann, in Bezug auf welche also eine „anteilsmäßige“ Verfügung eines einzigen Mitglieds ausgeschlossen ist. Ferner können auch andere Merkmale untersucht werden, die als gesamthandtypisch angesehen werden, etwa die fehlende Möglichkeit einer Teilung der Gemeinschaftsgüter, die Bildung eines eigenen Vermögens, eventuell sogar eines eigenen Rechtssubjekts, außerdem der Mechanismus der „Anwachsung“ für den Fall des Wegfalls eines der Mitglieder. Die Frage nach der Existenz inhaltlicher Verbindungen zwischen Merkmalen 492 alter Rechtsfiguren der gesamten Hand und heute als gesamthandtypisch qualifizierten Merkmalen von Personengesellschaften ist nicht einfach zu klären, da sie einen Vergleich mehrerer Eigenschaften und zwischen verschiedenen Figuren der alten gesamten Hand erfordert. Sie kann aus diesem Grund auch nicht mit ja oder nein, sondern nur differenziert beantwortet werden.

II.  Der inhaltliche Vergleich mit alten Figuren der gesamten Hand 1)  Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ als Bezeichnung einer solidarischen Verpflichtung Die alte Gesamthandfigur der Schuldnermehrheit identifiziert eine besondere 493 Form der solidarischen Verpflichtung,9 welche mit den typischen Gesamthandmerkmalen einer Gesellschaft kaum in Verbindung gebracht werden kann. Sucht man den Vergleich mit einer Gesellschaftsschuld, werden die Strukturmerkmale zwischen einer solidarischen Verpflichtung, also einer Gesamtschuld, und einer Gesamthandschuld offenbar: Als Gegenstück zu einer Berechtigung zur gesamten Hand bezeichnet eine Gesamthandschuld nach heutigem Verständnis die Verpflichtung einer Personenmehrheit, durch besonderes Zusammenwirken gemeinschaftlich eine bestimmte Leistung zu erbringen. Im Gegensatz dazu liegt eine Gesamtschuld dann vor, wenn innerhalb der Schuldnergruppe jeder einzelne Schuldner verpflichtet ist, die geschuldete Leistung im Ganzen zu erbringen. Eine inhaltliche Verbindung lässt sich zwischen der alten gesamten Hand der Schuldnermehrheit und gesellschaftsrechtlichen Gesamthandmerkmalen nicht sinnvoll ziehen. 2)  Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ des Eherechts Nicht ganz einfach ist der Vergleich zwischen den gesellschaftsrechtlichen Ge- 494 samthandmerkmalen und Merkmalen der alten Figur der eherechtlichen gesamten Hand, da es einen einheitlichen historischen Rechtsbegriff der ehelichen 9 

S. o., Rn.  256 ff.

394

495

Ergebnisse der Untersuchung

gesamten Hand nicht gegeben hat.10 Zu unterscheiden ist die fränkische gesamte Hand des Eherechts, welche als Rechtsfigur in der Neuzeit augenscheinlich außer Übung geraten ist, von der auf Grundstücke bezogenen österreichischen gesamten Hand, welche bis in das 18. Jahrhundert überleben konnte. Bei der fränkischen gesamten Hand ist nach Lage der Quellen die Begriffsbildung nicht vollendet gewesen, da etwa im mittelalterlichen Bamberger Stadtrecht die gesamte Hand teilweise eine gemeinsame Handlung der Eheleute (z. B. eine gemeinsame Verfügung über einen Wertgegenstand), teilweise auch einen rechtlichen Zustand (die mit vermögens- und familienrechtlichen Wirkungen versehene Ehegemeinschaft) bezeichnete. Unklar beim mittelalterlichen Bamberger Stadtrecht bleibt außerdem, ob und in welchem Umfang die Ehegemeinschaft zu einer Verschmelzung der jeweiligen Vermögen der Ehegatten zu einem einheitlichen Ehevermögen geführt hat.11 Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Bamberger gesamte Hand in einem engen Zusammenhang mit einem Verfügungsverbot eines nur allein handelnden Ehegatten (d. h. des Ehemanns) steht. Dieses Verfügungsverbot umfasste die Güter der – entweder lediglich addierten oder aber zu einer Einheit verschmolzenen – Vermögen der Eheleute. Hier ist eine strukturelle Gemeinsamkeit mit dem heutigen Verständnis der Gesamthandidee gegeben, gerade auch mit Blick auf den Wortlaut von §  719 Abs.  1 BGB. Freilich ist nicht mit Sicherheit erkennbar, ob ein unerlaubtes Hinwegsetzen über jene Handlungsbeschränkung gleichwohl gegenüber dem Ehepartner wirksam war; offenbar galt der Schutz der Bamberger gesamten Hand in erster Linie dem Interessenausgleich zwischen den besitzenden Eltern und deren Nachkommen; die gesamte Hand schützte das Ehepaar vor Einmischungen der Kinder in ihre Angelegenheiten, aber auch die Kinder vor dem Verlust des Familienvermögens, wenn nur noch einer der Ehegatten lebte und dieser möglicherweise sogar neu heiratete.12 Dass die Figur der fränkischen gesamten Hand auch den einen Ehegatten vor einer vermögensgefährdenden Verfügung des anderen schützen sollte, geht aus den Regelungen weniger deutlich hervor, was das Verfügungsverbot der fränkischen gesamten Hand vom Verfügungsverbot des §  719 BGB wieder entfernt. Eingeschränkt wird die Vergleichbarkeit schließlich, soweit nach heutiger Lektüre der Vorschriften des bürgerlichen Gesellschaftsrechts die Gesellschaft als eigenes Subjekt gesehen wird, also nicht mehr nur als eine Vermögensmasse, welche mehreren Personen zusteht, die lediglich über ihren „Anteil“ nicht verfügen dürfen. Es erscheint damit, dass die fränkische eheliche gesamte Hand durchaus ein Merkmal mit der Gesamthandfigur nach modernem Verständnis geteilt haben kann, dass

10 

S. o., Rn.  266. S. o., Rn.  270. 12  S. o., Rn.  267. 11 

§  2  Verbindungslinien

395

aber dieses Merkmal gerade in der Gesamthand, wie sie nach der Subjekttheorie heute im Gesellschaftsrecht zur Ausprägung kommt, verblasst ist. Die österreichische gesamte Hand des späten Mittelalters und des Usus mo- 496 dernus offenbart sich als Institut mit Elementen aus dem Ehe- und dem Grundstücksrecht. Sie gestaltet sich als gebundenes Eigentum der Ehegatten an einem Grundstück, in der Form, dass beide zur Hälfte an dem Gut beteiligt sind, keiner aber ohne Einwilligung des anderen Veräußerungen an dem Gut vornehmen kann und dass nach dem Tod des einen Ehegatten dessen überlebender Partner seine eigene Quote behält und zusätzlich bzgl. der Quote des vorverstorbenen Ehegatten ein lebenslanges Nutzungsrecht ausübt.13 Anders als die fränkische Variante bezog sich jene österreichische Weiterentwicklung der gesamten Hand also nicht auf das gesamte Vermögen, sondern auf ein Grundstück als bestimmtes Objekt, wobei vermutet werden kann, dass es oft das Gros des ehelichen Vermögens ausgemacht hat. Aus österreichischen Quellen bis Ende des 18. Jahrhunderts ergibt sich ein Bild der gesamten Hand, das in der Konzeption der geteilten Mitberechtigung im Sinne Heuslers14 nicht unähnlich ist: Den Eheleuten steht jeweils ein quotal bestimmter Anteil, nämlich jedem die Hälfte, am Vermögensgegenstand zu, über welchen sie ohne Einwilligung des Partners nicht verfügen können.15 Ein wirkliches „Sondervermögen“ wird hingegen nicht gebildet, noch weniger eine eigene Subjektivität der Personenverbindung. Anknüpfungspunkte sind somit zwischen der österreichischen gesamten Hand des ehelichen Güterrechts und des BGB-Gesellschaftsrechts dann vorhanden, wenn man sich auf eine „sachenrechtliche“ Lösung festlegt, wie sie in den Protokollen der Zweiten BGB-Kommission durchaus in Betracht gezogen worden ist16 und welche außerdem gut zum Wortlaut von §  719 Abs.  1 BGB passt. Diese Konzeption der BGB-Gesellschaft ist zwar von einigen Autoren vertreten worden,17 sie hat sich in der Folge aber nicht durchgesetzt. Sie ist von der Rechtsprechung nach Inkrafttreten des BGB niemals und in der Literatur nach 1910 nur noch sporadisch aufgegriffen worden. Daraus folgt, dass die gesamte Hand des österreichischen Eherechts zwar gut in eine allgemeine, offene Idee der modernen Gesamthand im Sinne Gierkes passt, sich aber speziell von der Konzeption der Personenaußengesellschaften des heutigen deutschen Rechts wesentlich unterscheidet. 13 

S. o., Rn.  278 f. S. o., Rn.  392. 15  S. o., Rn.  278 f. 16  S. o., Rn.  4 44 ff. 17  S. etwa Adler, Gesellschaftsrecht (1895), S.  96 ff.; Cosack, Bürg. R. II1/2 (1900), §  266, S.  367; Joerges, ZHR 51 (1902), 47, 55 f.; Nagler, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695, 723, 731, 744; Affolter, Arch. bürg. R. 35 (1910), S.  225 (Fn.  2), 227 (Fn.  7); Weber-Grellet, AcP 182 (1982), S.  316, 330 f., 334; zu den Vertretern der Theorie der geteilten Mitberechtigung s. auch Seif, ZRG-GA Bd. 118 (2001), S.  302, 317, und insbesondere Buchda, Gesamthandlehre (1936), S.  201 f., sowie Ascheuer, Anteil des Gesamthänders (1992), S.  226 ff. 14 

396

Ergebnisse der Untersuchung

3)  Moderne Gesamthand und alte „gesamte Hand“ des Lehnrechts 497

Gemeinsamkeiten bestehen schließlich zwischen der heutigen Gesamthandidee und der lehnrechtlichen gesamten Hand des Mittelalters. Wie bei der eherechtlichen gesamten Hand steht insbesondere das im Lehnrechtsbuch des Sachsenspiegels ausdrücklich genannte Verfügungsverbot der Mitglieder über ihre „Anteile“ im Vordergrund.18 Auch der Gedanke der „Anwachsung“ bei Wegfall eines der Mitglieder erscheint als hervortretende Gemeinsamkeit der zu vergleichenden Kategorien.19 Die lehnrechtliche gesamte Hand entfernt sich wiederum aus zwei Gründen von der heutigen gesellschaftsrechtlichen Gesamthand: Zum einen ist sie in der Neuzeit einer Entwicklung gefolgt, die ihre Konzeption maßgeblich verändert hat. Zwar regelte sie im Zeitalter des ­Sachsenspiegels offenbar eine im Wesen gleichartige Zuordnung eines Lehnguts zu einer Mehrzahl an Vasallen, in der Art, dass jedem von ihnen ein Nutzungsrecht an dem Lehen gehörte.20 In der Neuzeit entwickelte sie sich aber zum Instrument eines erbrechtsähnlichen Nachfolgerechts für den Fall, dass der betreffende Vasall kinderlos verstarb.21 Die Personenmehrheit bildeten somit nicht mehr Personen, denen im Wesen gleichartige Rechte an dem Lehngut zustanden, sondern ein Hauptbelehnter, dem ausschließlich das Nutzungsrecht gehörte, und die Mitbelehnten, deren einzige Berechtigung am Lehngut nur noch darin lag, dass ihnen, nach einer festgesetzten Rangfolge, im Fall des kinderlosen Versterbens des Hauptbelehnten dessen Nutzungsrechte zufielen. Mit dieser Entwicklung reduzieren sich die Gemeinsamkeiten zwischen der neuzeitlichen lehnrechtlichen gesamten Hand und der Gesamthand nach heutigem Verständnis. Zum anderen sind die Ähnlichkeiten, die die lehnrechtliche gesamte Hand des Mittelalters mit der traditionellen, individualistischen Konzeption der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand noch hatte, mit der seit dem Urteil des II. Zivilsenats vom 29. Januar 2001 mehrheitlich anerkannten Subjektivierung der Personenaußengesellschaften teilweise verloren gegangen. Die im Wortlaut von §  719 Abs.  1 BGB noch berücksichtigte Idee des Verfügungsverbots über eigene Vermögensanteile innerhalb der Gesellschaft läuft praktisch leer, wenn man annimmt, dass der Gesellschafter keinen unmittelbaren Anteil am Gesellschaftsvermögen mehr hat, sondern das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft als solcher zukommt.

18 

S. o., Rn.  239. S. o., Rn.  240. 20  S. o., Rn.  239. 21  S. o., Rn.  246 ff. 19 

§  2  Verbindungslinien

397

III.  Konstruktive Einflüsse alter Gesamthandfiguren auf die Gesamthand des modernen Gesellschaftsrechts? Können inhaltliche Verbindungslinien zwischen alten Figuren der gesamten 498 Hand und den Merkmalen der heutigen Gesamthand, insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand, zumindest teilweise nachvollzogen werden, dann stellt sich weiter die Frage, ob jene alte Figuren der gesamten Hand Impulse für die konstruktiven Besonderheiten des heutigen Rechts der Personenaußengesellschaften gesetzt haben. 1)  Das Gesellschaftsvermögen a)  Gesellschafts- und Privatvermögen als separate Aufrechnungsadressaten Die Bestimmung des §  719 Abs.  2 BGB ordnet an, dass der Schuldner einer 499 Gesellschaftsforderung dieselbe nicht gegen eine Forderung aufrechnen kann, die ihm gegen einen der Gesellschafter zusteht. Diese Vorschrift, welche in den Materialien der Zweiten BGB-Kommission als Konsequenz der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand verstanden worden war,22 geht zurück auf Art.  121 ADHGB,23 wobei sich die Protokolle der ADHGB-Kommission darauf berufen, bereits das Reichskammergericht habe sich seinerseits in einer Kompensationssache zu dem entsprechenden Prinzip bekannt, welches „in der Gestaltung der Handelsgesellschaften des neueren Europa, zunächst in Italien, ihren Ursprung habe, dort in den für das Handelsrecht bedeutenden Schriften und Rechtssprüchen der Gerichte Aufnahme gefunden, von dort ebenso gut nach Deutschland wie nach Frankreich hinübergekommen sei“.24 Berücksichtigt man die hier herangezogenen Quellen, so spricht tatsächlich einiges für diese These: Die Idee der fehlenden Aufrechenbarkeit zwischen Gesellschaftsforderung und Gesellschafterverbindlichkeit findet sich in der französischen Rechtsprechung und Literatur des 17. Jahrhunderts,25 davor bei italienischen Autoren und ursprünglich in der Rechtsprechung der Rota Genuensis des 16. Jahrhunderts,26 welches sich von Passagen bei Baldus und Petrus de Ubaldis27 zur Aufrechnung im Zusammenhang mit Studentenbursen hat leiten lassen. Hingegen lässt sich ein Einfluss alter Figuren der gesamten Hand in dieser Frage zumindest nicht anhand der hier zugrunde gelegten Quellen herleiten. Die Aussage Gierkes, §  719 Abs.  2 BGB sei Ausdruck eines – genuin deutschrechtlichen – Gesamthandgedankens,28 erscheint außerdem gerade in Hinblick auf die Pas22 

S. o., Rn.  2 . S. o., Rn.  187. 24  J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.  1137 f. 25  S. o., Rn.  56. 26  S. o., Rn.  69 f. 27  S. o., Rn.  67 f. 28  Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  842, mit Bezug auf Art.  121 ADHGB. 23 

398

Ergebnisse der Untersuchung

sagen der ADHGB-Protokolle zweifelhaft, welche sich in Rechtfertigungszwang dafür sehen, dass die vermögensrechtlichen Besonderheiten der Handelsgesellschaft auf ausländische Einflüsse zurückzuführen sind.29 b)  Gesellschafts- und Privatvermögen als separate Haftungsmassen 500

501

Die Vorschrift des §  859 Abs.  1 Satz  2 ZPO regelt im Wortlaut, dass die Privatgläubiger eines Gesellschafters dessen wie auch immer gearteten „Anteil“ an den Gesellschaftsgegenständen nicht pfänden können. Auch darin sehen die Protokolle der Zweiten BGB-Kommission ein Merkmal der Gesamthand.30 Betrachtet man aber die maßgeblichen Quellen zu alten Figuren der gesamten Hand, so findet sich dort der privilegierte Zugriff der Sondergläubiger auf ein Sondervermögen zumindest nicht als prominentes, ausdrücklich ausgesprochenes Merkmal. Bei der gesamten Hand als alter Kategorie der Schuldnermehrheit existiert ein Sondervermögen nicht; 31 bei der gesamten Hand des alten ehelichen Güterrechts ist die Bildung eines Sondervermögens zwar denkmöglich, nicht aber mit Sicherheit nachweisbar.32 Bei der gesamten Hand des sächsischen Lehnrechts wurde das Lehngut über den Weg eines dinglich wirkenden Verfügungsverbots hingegen besonders qualifiziert. Dass ein entsprechendes Verfügungsverbot in der Konsequenz auch zu der Ausgestaltung einer separaten Haftungsmasse führte, ist ein naheliegender Gedanke; es wäre nicht erstaunlich, wenn sich herausstellte, dass der Gläubiger eines nach den Grundsätzen der gesamten Hand des Sachsenspiegels Mitbelehnten keinen unmittelbaren Zugriff auf dessen Anteil am Lehngut hatte. Doch geben die zugrunde gelegten Quellen diese Schlussfolgerung nicht ausdrücklich wieder. Vor allem ist fernliegend, dass die fehlende Verfügungsberechtigung (oder ‑befugnis) der Vasallen im Rahmen einer Gesamtbelehnung die Ausgestaltung von Gesellschafts- und Privatvermögen als separate Haftungsmassen konstruktiv beeinflusst hätte. Als sachnähere Impulsgeber für eine entsprechende Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens erscheinen gemeineuropäische handelsgesellschaftsrechtliche Entwicklungen des Mittelalters und der Neuzeit. Der Grundsatz der abgesonderten Haftungsmasse der OHG war im ADHGB in Art.  119 angeordnet gewesen.33 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war er – obwohl im Allgemeinen Landrecht nicht eindeutig vorgesehen – in der preußischen Literatur vertreten und Mitte des 19. Jahrhunderts von der preußischen Rechtspre29  J. Lutz, Prot. ADHGB III (1858), S.   1137 f.; s. auch Verhandl. prADHGB (1861), S.  378, sowie ROHG v. 25.06.1878, I 572/78, ROHGE 24, 156, 161, welche die italienischen und französischen Einflüsse bei der Gestaltung der OHG und der KG ebenfalls hervorheben. 30  Mugdan, Materialien II (1899), S.  988 ff.; s. auch Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  843. 31  S. o., Rn.  256 ff. 32  S. o., Rn.  270. 33  S. o., Rn.  187.

§  2  Verbindungslinien

399

chung anerkannt worden.34 Ein Autor rechtfertigt im Jahre 1811 diese Lösung unter anderem damit, dass sich zuvor Paulus de Castro, Johann Michael Beuther, Hector Felicius, Salgado de Somoza und Benedikt Carpzov, also mittelalterliche und frühneuzeitliche Juristen Italiens, Deutschlands und Spaniens für sie ausgesprochen hatten.35 Tatsächlich ist es so, dass die Idee des privilegierten Zugriffs der Gesellschaftsgläubiger (d. h. anderer Mitgesellschafter oder Dritter) auf das Gesellschaftsvermögen in Deutschland, Frankreich und Spanien spätestens im 17. Jahrhundert, in Italien bereits im 16. Jahrhundert, wohl aber schon im Mittelalter, eingeführt oder zumindest angeregt wurde.36 Offenbar begegnete diese Lösung einem der handelswirtschaftlichen Entwicklung geschuldeten Bedürfnis. Weniger war damit der „germanische Assoziationstrieb“, wie Gierke es annimmt,37 die primäre Ursache einer solchen Entwicklung. Der Gedanke einer separaten Haftungsmasse mag teilweise unabhängig voneinander in verschiedenen Epochen und Regionen Europas umgesetzt worden sein,38 doch die meisten Quellen beziehen sich ausdrücklich und grenzüberschreitend auf frühere Schriften. Berufen sich die Protokolle des ADHGB auf italienische und französische Vorbilder,39 stützen sich wiederum französische Autoren und die Rechtsprechung des Pariser Parlamentshofs des 17. Jahrhunderts auf das genuesische Gesellschaftsrecht des 16. Jahrhunderts und auf iberische Autoren des 17. Jahrhunderts.40 c)  Die Anwachsung bei Ausscheiden eines Gesellschafters Sowohl die Protokolle der Zweiten BGB-Kommission als auch Gierke sehen in 502 der Anwachsung ein weiteres Merkmal der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand.41 Tatsächlich scheint es sich für das Gesellschaftsrecht um eine vergleichsweise junge Idee zu handeln. Zwar hatte sich die Möglichkeit der Fortführung einer Handelsgesellschaft bei Ausscheiden eines ihrer Gesellschafter spätestens zu Beginn der Neuzeit auch in Deutschland etabliert.42 Das Instrument der Anwachsung zur Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse zwischen dem ausscheidenden und den verbleibenden Gesellschaftern findet sich aber als ausdrücklich ausgesprochener Grundsatz vergleichsweise spät. 34 

Preuß. Ob.-Trib. v. 25.10.1845, Ob.-Trib. E. 12, 262, 267 f.; s. o., Rn.  137 f. v. Gmelin, Gantprocess5 (1813), §  62, S.  179 ff. 36  S. o., Rn.  42 ff., 48 ff., 88 ff. 37  Gierke, DPR III (1917), §  209, S.  832. 38 Möglicherweise kannte Johann Michael Beuther nicht die italienischen Quellen des 16.  Jahrhunderts, die das Gesellschaftsvermögen als separater Haftungsmasse ausgestaltet hatten; jedenfalls zitiert er diese nicht; Beuther, Praelation (1598), I, 64 (S.  136 ff.); s. o., Rn.  88 f. 39  S. o., Rn.  181. 40  S. o., Rn.  58 ff. 41  Mugdan, Materialien II (1899), S.  1001; Gierke, Arch. bürg. R. 19 (1901), S.  114, 128 f. 42  S. o., Rn.  76 f. 35 

400

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Ergebnisse der Untersuchung

Möglicherweise schimmert eine entsprechende Idee bereits im Gesellschaftsrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts durch. Als Teil des gleichen Gedankens ist der Ausspruch Tabors im Jahre 1826 zu sehen, kennzeichnend für die Handelsgesellschaft als juristische Person sei der „ungetheilte Sozietätsfond, in welchen der neu Eintretende, gleich den Uebrigen, sukzedirt, und zu welchem die activa sowohl, als auch die passiva gehören“.43 Gesetzlich angelegt war der Grundsatz der Anwachsung jedoch erst in der Vorschrift des Art.  131 ADHGB, womit aber nur beabsichtigt war, eine Regelung zu erhalten, die sich ursprünglich aus der Konstruktion der eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft des Preußischen HGB-Entwurfs von selbst ergab.44 Außerdem sagte der Wortlaut des Art.  131 ADHGB noch nichts über eine Anwachsung im eigentlichen Sinn aus, da er auch die Auslegung ermöglichte, die den ausscheidenden Gesellschafter lediglich schuldrechtlich verpflichtete, seinen (nach dieser Konzeption auch existierenden) realen Anteil an den Gesellschaftsgütern an die verbleibenden Gesellschafter zu übertragen. Nach Lage der hier zugrunde gelegten Quellen hat erst die Rechtsprechung des Reichsgerichts der 1880er Jahre die Frage ausdrücklich gestellt und im Sinn der Anwachsungslösung, also eines automatischen Übergangs des Vermögensanteils an die verbleibenden Gesellschafter entschieden.45 Dabei ist aber in Hinblick auf die verwendeten Formulierungen nicht ausgeschlossen, dass sich das Gericht die römischrechtliche Akkreszenz bei der Dereliktion im Rahmen einer communio zum Vorbild genommen hat. In der Frage der Anwachsung wird der Bezug zur gesamten Hand des Lehnrechts besonders offenbar. Dieser Gedanke wird im Sachsenspiegel zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, doch im Fall des kinderlosen Versterbens eines der Vasallen erscheint es als einzig vernünftige Konsequenz, dass die verbleibenden Vasallen das Lehen fortführten, zumal sich die neuzeitliche Entwicklung genau dieses Instruments bedient, um die modernere besitzlose lehnrechtliche gesamte Hand herauszubilden.46 Danach hatte die gesamte Hand überhaupt nur noch die Funktion, über den Mechanismus der Anwachsung auch kinderlos versterbenden Vasallen die Möglichkeit zu geben, das Lehngut von anderen Seitenverwandten oder auch Nichtverwandten fortführen zu lassen.47 Auch bei der gesamten Hand des fränkischen ehelichen Güterrechts lässt sich zumindest ein entfernter Bezug zum Gedanken der Anwachsung herstellen. Tatsächlich sah das Bamberger Stadtrecht vor, dass im Falle des kinderlosen Versterbens eines der Ehegatten alle den beiden Eheleuten zustehenden Vermö43 

Tabor, Handels-Firma (1826), S.  16; s. o., Rn.  142. S. o., Rn.  183 ff. 45 RG v. 04.02.1882, I 659/81, RGZ 7, 93, 94; s. auch RG v. 09.02.1884, I 494/83, RGZ 11, 123, 130 f.; s. o., Rn.  202. 46  S. o., Rn.  240, 246 ff. 47  S. o., Rn.  246 ff. 44 

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gensgüter dem überlebenden Partner zuteil wurden (§  162 BambStR).48 Doch wird man darin eher eine klassische erbrechtliche Regelung erblicken, die in einer solchen Konstellation auch nicht überraschend erscheint. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Idee der Anwachsung als „germanistische“ Institution als Element der Theorie des Gesamteigentums, gerade auch im Zusammenhang mit der ehelichen Gütergemeinschaft, bereits im 18. Jahrhundert von Scherer wissenschaftlich thematisiert worden ist.49 Letzten Endes ist es nicht ausgeschlossen, dass die Idee der Anwachsung 504 zumindest der lehnrechtlichen gesamten Hand bei der Weiterentwicklung des Rechts der Personengesellschaften insofern eine Rolle gespielt hat, als ihr Gedanke Mitte des 19. Jahrhunderts noch vertraut und der Schritt zu ihrer Anwendung im Gesellschaftsrecht nicht sehr groß war. Durch Quellen belegt ist ein solcher Zusammenhang indes nicht. Bei Kuntze, welcher als erster Autor den Gedanken der gesamten Hand als Grundlage des Gesellschaftsrechts vorgeschlagen hat, ist die Idee der Anwachsung bei Wegfall eines Gesellschafters nicht präsent. Otto Stobbe sieht zwar im Jahre 1864 die Anwachsung als typisches Merkmal der modernen Gesamthand,50 doch setzt er dieses nicht mit der Gesellschaft in einen Zusammenhang. Auch bei Gierke wird eine solche Verbindung zunächst nicht hergestellt, obwohl er die Anwachsung (nach seiner ursprünglichen Terminologie die „Konsolidation“) als Merkmal der Gesamthand anerkennt.51 Erst im Jahre 1887 erklärt Gierke, der Wegfall eines Gesellschafters bedürfe keines Übertragungsaktes über einen Anteil an den Vermögensgegenständen zugunsten der verbleibenden Gesellschafter.52 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Rechtsprechung des Reichsgerichts diese Lösung aber auch schon selbst zu eigen gemacht und dabei möglicherweise die römischrechtliche Akkreszenz zum Vorbild genommen.53 d)  Das dinglich wirkende Verfügungsverbot über „Anteile“ an den Gesellschaftsgegenständen Dass die Gesellschafter nicht über ihre wie auch immer gearteten „Anteile“ an 505 den Gesellschaftsgegenständen verfügen können, wird in den Protokollen der Zweiten BGB-Kommission als maßgebliches Merkmal der Gesamthand hervorgehoben.54 Dieser Wesenszug ist auch besonders charakteristisch für die alten Figuren der lehnrechtlichen und der eherechtlichen gesamten Hand. Im Sachsenspiegel wird ausdrücklich geregelt, dass die Vasallen nicht über ihren 48 

S. o., Rn.  268. S. o., Rn.  305. 50  Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 238 ff., 243 f. 51  Gierke, GenossenschR II (1873), S.  949 ff. 52  Gierke, Genossenschaftstheorie (1887), S.  516. 53  S. o., Rn.  202. 54  Mugdan, Materialien II (1899), S.  988 ff.; s. o., Rn.  2 . 49 

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Ergebnisse der Untersuchung

„Anteil“ am Lehngut verfügen könnten, weil ihnen ein solcher Anteil schlicht nicht zustehe.55 Aus den Vorschriften des Bamberger Stadtrechts folgt ebenfalls ein Verfügungsverbot des einzelnen Ehegatten über Gegenstände, die den beiden Eheleuten zugeordnet sind, solange die „gesamte Hand“ besteht, wobei aber nicht sicher erscheint, inwieweit eine gleichwohl vorgenommene Verfügung dem anderen Ehegatten entgegengehalten werden kann.56 Nun schimmert aber bereits im römischen Gesellschaftsrecht die Idee des Verfügungsverbots insofern hervor, als die Gesellschafter jedenfalls schuld­ rechtlich verpflichtet waren, gesellschaftszweckwidrige Verfügungen eigener Anteile an den Gesellschaftsgegenständen zu unterlassen.57 Eine weitere Differenzierung zwischen dem rechtlichen Können und dem rechtlichen Dürfen war eine nur in Einzelfällen praktisch relevante Frage, die in dieser konkreten Form in der praxisorientierten römischen Literatur nicht prominent gestellt wurde. Jedoch kann aus einer Ulpianstelle58 der Schluss gezogen werden, dass möglicherweise auch im römischen Recht die dingliche Verfügungsbefugnis der Gesellschafter an ihren Anteilen am Gesellschaftsgut beseitigt werden konnte, wenn ein (zeitlich befristetes) Teilungsverbot vertraglich vereinbart war.59 Ein dingliches Verfügungsverbot der Gesellschafter über ihre „Anteile“ an den Gesellschaftsgegenständen musste sich außerdem spätestens im genuesischen Recht der frühen Neuzeit in Rückschluss auf die Ausgestaltung des Gesellschaftsvermögens als separate Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger60 ergeben: Kann der Privatgläubiger deswegen nicht auf den Anteil zurückgreifen, den sein Schuldner als Gesellschafter an einem Gesellschaftsgegenstand hat, weil das Gesellschaftsvermögen zunächst zur Begleichung aller Gesellschaftsschulden herangezogen werden muss, so lässt dies den Schluss zu, dass auch der betreffende Gesellschafter selbst über seinen Anteil nicht verfügen könnte.61 Dieser Gedanke kommt insbesondere im bei Fontanella geäußerten62 und darauf vielfach aufgenommenen Gedanken zum Ausdruck, die Herausbildung einer separaten Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger folge aus dem Grundsatz, der Privatgläubiger könne nicht mehr Rechte am Gesellschaftsvermögen geltend machen als der schuldende Gesellschafter selbst; damit wird signalisiert, ein Gläubiger könne auf die „Anteile“ des Ge55 

S. o., Rn.  236, 239. S. o., Rn.  267, 271. 57  S. o., Rn.  24. 58  Ulpian, Dig. 17, 2, 16, 1. 59  S. o., Rn.  31; jedenfalls war das römische Recht am Vorabend der Einführung des BGB offenbar so ausgelegt worden; s. o., Rn.  33. 60  S. o., Rn.  48. 61 Ein entsprechender Rückschluss lässt sich auch aus der Identifizierung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen als separate Aufrechnungsadressaten (s. o., Rn.  69 f.) herleiten. 62  S. o., Rn.  53. 56 

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sellschafters an den Gesellschaftsgegenständen deshalb nicht zugreifen, weil auch der Gesellschafter selbst keine dinglichen Verfügungen über jene „Anteile“ vornehmen könne. Eine ausdrückliche Erwähnung eines dinglichen Verfügungsverbots findet sich möglicherweise Ende des 16. Jahrhunderts bei Johann Michael Beuther, wobei dieser aber das Verbot auf ein Gesellschaftsgut als Ganzes zu beziehen scheint.63 Spätestens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird im Schrifttum ausdrücklich ausgesprochen, dass ein Gesellschafter über eigene Anteile an den Gesellschaftsgegenständen nicht verfügen kann.64 Aus alten Figuren der gesamten Hand ist diese Idee damit wahrscheinlich nicht hergeleitet worden. Erst Kuntze wird 1863 aus seiner Konzeption der Gesamthand den Gedanken ziehen, dass die Gesellschafter nicht über eigene Anteile an den Gesellschaftsgegenständen verfügen können.65 2)  Die Subjektivität der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand Ansätze einer eigenen Subjektivität lassen sich in alten Gesamthandgemein- 507 schaften kaum identifizieren, da die Idee einer von Menschen abstrahierten rechtlichen Subjektivität im Mittelalter – außerhalb römisch- oder kanonisch­ rechtlich inspirierter Rechtskonstruktionen – nicht entwickelt war. Unabhängig davon ist aber anzuerkennen, dass die Personengemeinschaften der alten Figuren der gesamten Hand durchaus eine gewisse monolithische Struktur aufweisen, welche zwar möglicherweise in erster Linie vermögensbezogen ist, sich aber auch auf das persönliche Element der Personenverbindung auswirkt. Die Gemeinschaft der mit gesamter Hand nach dem Recht des Sachsenspiegels belehnten Vasallen war offenbar darauf ausgelegt, dass die Betroffenen nur mit einer Stimme sprachen. Individuelle Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Mitbelehnten und Dritten mit Bezug auf das Lehngut bzw. auf einen „Anteil“ daran sind schwer denkbar, wenn insbesondere SSp. LehnR, 32, 3, Satz  1, überhaupt ausschließt, dass ein Mitbelehnter über seinen Anteil zugunsten eines Dritten verfügt, weil dem Mitbelehnten ein Anteil im eigentlichen Sinne gar nicht zusteht.66 Der konsequente Schritt hin zu einer rechtlichen Subjektivierung, mit allen materiell- und verfahrensrechtlichen Folgen, ist aber weder im Zusammenhang mit der lehnrechtlichen noch der eherechtlichen gesamten 63 

S. o., Rn.  88. Koch, Forderungen III1 (1843), §  306, S.  540; entsprechend wohl auch Bornemann, Preuß. CivR IV2 (1844), §  250, S.  30; Gelpcke, ZpreußHR 1852, 2, S.  3, 30 ff. 65  S. o., Rn.  366. 66  Ganz konsequent hält der Sachsenspiegel diesen Grundsatz freilich nicht durch, wenn er vor vollendete Tatsachen gestellt wird: Dass eine vom Mitbelehnten dennoch vorgenommene Verfügung seines Anteils gemäß SSp. LehnR, 32, 3, Satz  1, nur von den (geschädigten) anderen Mitbelehnten angegriffen werden kann, zeigt, dass entgegen dem vorangehenden Satz der Vorschrift einem solchen Anteil doch eine gewisse Existenz zugebilligt werden musste. 64 

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Ergebnisse der Untersuchung

Hand und noch weniger mit der gesamten Hand der Schuldnermehrheiten gemacht worden. Demgegenüber erscheint die Subjektivierung im Gesellschaftsrecht das Ergebnis einer eigenen gesellschaftsrechtlichen Entwicklung, die spätestens zu Beginn der Neuzeit durch bestimmte Verselbständigungsmerkmale genuesischer Handelsgesellschaften angelegt war und zu Anfang des 19. Jahrhunderts zu Vorschlägen geführt hatte, die (nach außen hin tätigen) Handelsgesellschaften rechtlich zu personifizieren. Man kann davon ausgehen, dass im Zusammenspiel drei Ursachen zu diesem Ergebnis maßgeblich beigetragen haben.67 Die eine fußt auf einer mehr faktischen Entwicklung aus einem praktischen Bedürfnis heraus, nämlich auf die sich bereits im Mittelalter als Verkehrssitte etablierende Verwendung äußerer Zeichen zur Identifizierung einer Handelsgesellschaft. Dazu gehören die Firma und andere Identitätsmerkmale, wie bestimmte Siegel und Abzeichen, mit welchen insbesondere die Gesellschaftszugehörigkeit von Waren markiert werden konnte.68 Solche identitätsstiftenden Zeichen bewirkten nur eine faktische, keine rechtliche Subjektivierung der Gesellschaft.69 Eine genuin positivrechtliche Entwicklung bildet hingegen die zweite Ursache, nämlich die Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens, welches unter dem Eindruck kontinentaleuropäischer Impulse aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit zu einer separaten Haftungsmasse zugunsten der Gesellschaftsgläubiger ausgestaltet wird. Wird eine solche Regelung bereits im genuesischen Handelsrecht der frühen Neuzeit eingeführt,70 kommt der deutsche Autor Johann Michael Beuther Ende des 16. Jahrhunderts ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Mitgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger über die Gesellschaftsgüter gegenüber den Privatgläubigern eines Gesellschafters zu privilegieren sind.71 Die vergleichsweise schwache dogmatische Begründung dieses Ergebnisses bei Beuther hindert spätere Autoren nicht daran, sich dessen Lösung anzueignen oder sich zumindest mit ihr auseinanderzusetzen. Insbesondere Benedikt Carpzov wird sich Mitte des 17. Jahrhunderts für eine entsprechende Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Privatgläubigern der Gesellschafter stark machen und sich dabei u. a. auf Beuther beziehen.72 Es 67  Auffallend ist, dass sich die nachfolgend vorgestellten Ursachen mit den Strukturmerkmalen (Identitätsausstattung, Haftungsverband und Handlungsorganisation) zur Qualifizierung selbständiger Organisationen nach Uwe Johns „Drei-Elemente-Theorie“ teilweise decken, s. John, Rechtsperson (1977), S.  72 ff. 68  S. o., Rn.  84. 69  Sie mochten aber durchaus andere Rechtswirkungen haben, etwa die solidarische Haftung aller Gesellschafter, wenn sich einer der Gesellschafter unter der Firma der Gesellschaft verpflichtet hatte. 70  S. o., Rn.  48 ff. 71  S. o., Rn.  98 ff.; teilweise auch unter Heranziehung italienischer Autoren, etwa des Negusantius. 72  S. o., Rn.  91.

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existieren auch Hinweise darauf, dass das Reichskammergericht wohl im 17. oder im 18. Jahrhundert diese Lösung übernommen hat.73 Dem gleichen Leitbild folgen Vorschriften der Hamburger Fallitenordnung von 175374 und der Allgemeinen Gerichtsordnung Preußens aus den Jahren 1793/95.75 In Literatur und Rechtsprechung setzt sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Anerkennung der Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger schließlich weitgehend durch, gerade auch unter Bezugnahme auf Beuther und Carpzov. Diese Lösung erhält ihre Bestätigung schließlich mit Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.76 Die dritte Ursache ist schließlich die in der Rechtsliteratur des Naturrechts geborene Theorienbildung um den Begriff der moralischen Person,77 welche ab Ende des 18. Jahrhunderts mit Fragestellungen zur dogmatischen Aufarbeitung der charakteristischen Eigenheiten der Handelsgesellschaft in Berührung kommt. Jene drei Aspekte, äußere Anzeichen einer faktischen Personifizierung der 509 Handelsgesellschaften, die Anerkennung eines zumindest teilweise abgetrennten Haftungsverbands sowie der zur Verfügung stehende dogmatische Unterbau der moralischen, später der juristischen Person haben ab Ende des 18. Jahrhunderts zu den Vorschlägen geführt, die Handelsgesellschaften „wie“ eine Person zu konstruieren. Bereits in den Materialien des Allgemeinen Landrechts Preußens erwägt man die Ausgestaltung der Handelsgesellschaft als moralische Person, diese Idee wird letztlich jedoch wieder verworfen.78 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts treten vereinzelt Autoren für eine Qualifizierung der Handelsgesellschaft als Rechtsperson ein, indem sie die Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger, jedoch auch andere Besonderheiten der Handelsgesellschaften im Drittverhältnis hervorheben, darunter die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter sowie die solidarische Haftung derselben für Gesellschaftsschulden.79 Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht die Idee der Personifizierung der Handelsgesellschaft insbesondere in Preußen einen Höhepunkt. Im Jahre 1852 erscheint der einflussreiche Aufsatz Gelpckes zu der Frage.80 Die preußische Konkursordnung von 1855 stützt sich ausweislich ihrer Materialien ebenfalls auf die Idee der Personifizierung der Handelsgesellschaften.81 Bei der Redaktion des ADHGB wird von preußischer Seite Druck ausgeübt, die Personengesellschaften als juristische Personen auszugestalten, was aber letztlich

73 

S. o., Rn.  181. S. o., Rn.  105. 75  S. o., Rn.  120. 76  S. o., Rn.  181 ff. 77  S. o., Rn.  101 ff. 78  S. o., Rn.  110 f. 79  S. o., Rn.  141 ff. 80  S. o., Rn.  144. 81  S. o., Rn.  169 ff. 74 

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Ergebnisse der Untersuchung

scheitert.82 Nach Inkrafttreten des ADHGB wird die Personifizierung der Handelsgesellschaften insbesondere von gemeinrechtlich orientierten Juristen mit der Begründung weiter bekämpft, das römische Recht setze für die juristische Person (in der Ausprägung als universitas) insbesondere eine obrigkeitliche Privilegierung voraus, weiter die Unabhängigkeit des Gesamtsubjekts vom Wechsel seiner Mitglieder und dass die Mitglieder für Verpflichtungen des Gesamtsubjekts nicht persönlich haften, diese Eigenschaften finden sich aber, so jene Autoren, bei den Handelsgesellschaften nicht wieder.83 In Frankreich war der Einfluss römischrechtlich orientierter Autoren geringer, so dass sich ein naturrechtlich geprägter Begriff der Persönlichkeit durchsetzen konnte.84 Notwendig und hinreichend für die Qualifizierung als „être moral“ oder als „personne morale“ war somit alleine deren eigene Rechtsfähigkeit. Seit Einführung des ADHGB wurde der OHG und der KG die Rechtspersönlichkeit in Deutschland mehrheitlich abgesprochen, insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung seit Reichsgründung lehnte sie ab.85 Stellt man fest, dass die Subjektivierung der Gesellschaft in der Form einer rechtlichen Personifizierung gescheitert ist, erscheint es umso bemerkenswerter, dass sich die Anerkennung der eigenen Subjektivität der Gesellschaft in einer anderen Gestalt, nämlich eingebettet in der Gesamthandtheorie, in Deutschland schließlich weitgehend durchgesetzt hat. Bei Gierkes Ausspruch, die Mitglieder einer Gesamthandgemeinschaft bildeten „in ihrer Verbundenheit“ ein Rechtssubjekt,86 findet sich der Gedanke im Ansatz. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Gierke von der naturrechtlichen Konzeption der moralischen Person und deren Anwendung auf die Gesellschaft sogar hat leiten lassen, wenn er erklärt, das Naturrecht habe „den Gedanken der gesammten Hand in mehr oder minder bewusster Weise bei dem Aufbau seiner Gesellschaftslehre“ verwandt.87 Angesichts dessen, dass sich Flume in der Frage der Subjektivierung der Gesamthandgesellschaften auf Gierke beruft88 und dass die im Jahre 2001 erfolgte Anerkennung der Subjektivität der BGB-Gesellschaft durch den BGH maßgeblich auf Flumes Arbeiten zurückzuführen ist, erscheint die Subjektivität der Personenaußengesellschaft unter einem anderen Licht: Historisch betrachtet ist sie möglicherweise nicht ein Merkmal der ge-

82 

S. o., Rn.  176 ff. o., Rn.  192; nicht zuzustimmen ist daher der Annahme in Lepsius in: HKK III.2 (2013), §§  705–740, Rn.  32, wonach die gemeinrechtliche Auffassung dahin ging, die Handelsgesellschaften als juristische Person zu konzipieren. 84  S. o., Rn.  147 ff. 85  S. o., Rn.  197 ff. 86  Gierke, Arch. bürg. R. 19 (1901), S.  114, 117. 87  Gierke, DPR I (1895), §   80, S.  668; vgl. ferner Gierke, GenossenschR IV (1913), S.  531 ff. 88  Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 186, mit Bezug auf Gierke, DPR I (1895), §  80, S.  682. 83  S.

§  3.  Die gesellschaftsrechtliche „Gesamthand“ als historisierende Fassade

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samten Hand, sondern ein wiederverwertetes Element der naturrechtlichen moralischen Person.

§  3.  Die gesellschaftsrechtliche „Gesamthand“ ist die historisierende Fassade einer in verschiedenen Epochen zusammengetragenen Konstruktion Die Gesamthand blickt, soweit das deutsche Gesellschaftsrecht betroffen ist, 511 auf keine terminologische Kontinuität zurück, die auf eine Zeit noch vor Kuntzes Aufsatz aus dem Jahre 1863 zurückreicht. Auch in der Zeit vor 1900 war die Gesamthand als allgemeine, dem Gesellschaftsrecht zugrunde gelegte Theorie in der Rechtsprechung nicht anerkannt und wurde bis in die letzten Jahren des 19. Jahrhunderts nur von einem – freilich wachsenden – Teil der Lehre vertreten. Nach Lage der zugrunde gelegten Quellen und trotz mancher inhaltlicher Gemeinsamkeiten zwischen Gesamthandlehre und bestimmten Merkmalen der Verselbständigung der Gesellschaft von ihren Mitgliedern kann nicht vermutet werden, dass alte deutschrechtliche Figuren der gesamten Hand einen bestimmenden Einfluss auf die dogmengeschichtliche Entwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts genommen haben; insbesondere sind die Merkmale der Verselbständigung der Gesellschaft nicht Ausdruck einer genuin ­deutschrechtlichen Entwicklung, sondern eingebettet in eine im Mittelalter und in der Neuzeit zu beobachtende europaweite Tendenz, die möglicherweise auf eine gewohnheitsrechtliche Entwicklung in italienischen Handelsstädten zurückgeht. Es spricht viel dafür, dass der von Autoren der germanistischen Schule entwickelten Idee einer gesellschaftsrechtlichen Gesamthand der finale Erfolg im deutschen Recht versagt geblieben wäre, wenn im 19. Jahrhundert die Anhänger der juristischen Person und die Anhänger der römischrechtlichen societas nicht in einer Pattsituation gegenübergestanden hätten: Einerseits vermochte die Qualifizierung der Handelsgesellschaft als römische societas aufgrund der Besonderheiten der Handelsgesellschaft, insbesondere deren Verselbständigungsansätze sowohl in subjektiver (Rechte unter eigener Firma) als auch objektiver Hinsicht (Privilegierung der Gesellschaftsgläubiger), nicht mehr zu überzeugen. Andererseits wurde eine insbesondere von preußischer Seite gewünschte Qualifizierung der OHG als juristische Person von römisch­ rechtlich orientierten Autoren abgelehnt, weil die OHG nicht in das Modell einer römischen universitas passte. Dies und die Tatsache, dass die Zweite BGB-Kommission – möglicherweise gestützt auf das praxisorientierte Gutachten des Rechtsanwalts Boyens – eine dingliche Bindung der Gesellschaftsgüter im BGB-Gesellschaftsrecht für vorzugswürdig hielt, schafften das Spannungsfeld, welches schließlich den Bogen vom Gesamthandbegriff hin zum deutschen Gesellschaftsrecht gespannt hat. Damit erscheint die „Gesamthand“ für

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Ergebnisse der Untersuchung

die Personengesellschaft als die historisierende Fassade einer in Wirklichkeit auf der Grundlage kontinentaleuropäischer Einflüsse entstandenen Konstruktion. Die Bezeichnung ist nur historisierend und nicht historisch, da die Handelsgesellschaft vor dem 19. Jahrhundert mit ihr nie versehen wurde und es nicht anzunehmen ist, dass alte deutsche Figuren der gesamten Hand dieselbe beeinflusst haben, obwohl jene Begrifflichkeit ihrem äußeren Anschein nach diesen Eindruck erweckt. Möchte man den von Flume im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht des Zweiten BGB-Entwurfs geprägten Ausdruck verwenden,89 kann man festhalten, dass Ende des 19. Jahrhunderts der Gesamthandbegriff auf zuvor herausgebildete besondere Merkmale der Gesellschaft lediglich „darüber gestülpt“ wurde.

89 

Flume, ZHR 136 (1972), S. 177, 178 f. = Flume, BGB AT I.1 (1977), §  1, S.  3 f.

Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis Quellen, Rechtsnormen, Materialien u. s. w. ABGB (1811): Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie von 1811, abgedruckt in: Allg. bürg. Gesetzbuch. ADHGB: Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861, Zit.: „ADHGB“, abgedruckt in: J. Lutz, ADHGB. ADHGB-Prot.: Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, abgedruckt in: Lutz, Prot. ADHGB [Bd.]. Ältestes Ritterrecht Livlands: in Auszügen abgedruckt in: Frhr. v. Freytagh-Loringhoven, Schuldenhaftung, ZRG-GA 27 (1906), S.  92, 94 f. äStralsStB: Das älteste Stralsundische Stadtbuch, abgedruckt in: Fabricius, äStralsStB. AHGB-E: Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland von 1849, abgedruckt in: Frankfurter Entwurf. Ahistulfi Leges: 755, abgedruckt in: Beyerle, Germanenrechte III. Aquin, Thomas: S. Thomas von Aquin. Auctor Vetus: De Beneficiis, abgedruckt in: Eckhardt, Auctor Vetus. BadLR: Badisches Landrecht von 1809, abgedruckt in: Bad. LandR. BambLR: Bamberger Landrecht von 1769, abgedruckt in: Fürstenthum Bamberg LandR. BambStR: Bamberger Stadtrecht, abgedruckt in: Zoepfl, Bamberger Recht, und in: Parigger, Bamberger StadtR, S.  40 ff., zur Konkordanz der Nummerierung s. Parigger, Bamberger StadtR, S.  223 ff. BayBGB-E: Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern, Theil I: Von den Rechtsgeschäften, Theil II. Recht der Schuldverhältnisse, 1861, abgedruckt in: Entwurf BayBGB. BayBGB-Mot.: Motive zum Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern, 1861–1864, abgedruckt in: Motive BayBGB. BayLR 1518: Reformation des Bayrischen Landrechts von 1518, abgedruckt in: Ref. Bayr. LR. BGB-Denkschr.: Denkschrift zum Entwurf eines Bügerlichen Gesetzbuchs, abgedruckt in: BGB Denkschrift. BGB-E1: Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission, Erste Lesung, abgedruckt in: Entwurf BGB, 1. Lesung. BGB-E2: Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, Zweite Lesung, Nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, abgedruckt in: Entwurf BGB, 2. Lesung.

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Quellen, Rechtsnormen, Materialien u. s. w.

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Const. Usus: Pisanae Constitutum Usus von 1160, abgedruckt in: Bonaini, Statuti inediti II. CTher: Codex Theresianus, abgedruckt in: v. Harrasowsky, CTher. I – III. Dec. Rot. Gen.: Decisiones Rotae Genuae, abgedruckt in: Decisiones Rotae Genuae de Mercatura Denkschrift HGB-E1: Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1, S.  1 ff. Denkschrift HGB RTVorl: Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs und eines Einführungsgesetzes, abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2, S.  949 ff. Dig.: Digesten des Iustinian, abgedruckt in Corp. Iur. Civ. I. DoStB: Das große Stadtbuch von Dortmund, abgedruckt in: Frensdorff, Dortmunder Statuten, S.  57 ff. DoUrtB: Das Dortmunder Urteilsbuch, abgedruckt in: Frensdorff, Dortmunder Statuten, S.  103 ff. DrsdE: Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, abgedruckt in: Francke, Dresdener Entwurf, auszugsweise auch in: Schubert, Vorlagen SchuldVerh III. DrsdE-Prot.: Protokolle zum Dresdner Entwurf, abgedruckt in: Schubert, Prot. DrsdE [Bd.]. DtSp: Deutschenspiegel, abgedruckt in: Eckhardt/Hübner, DtSp. DzgWillk 1761: Danziger Willkür von 1761, abgedruckt in: Ph. K. Scherer, Gütergemeinschaft I. Edictus Rothari: 643, abgedruckt in: Beyerle, Germanenrechte III. ErfStat: Erfurter Statuten von 1306, abgedruckt in: Walch, Beyträge I, S.  73 ff. FftRef 1509: Erste Frankfurter Reformation von 1509, abgedruckt in: Kunkel/Thieme/ Beyerle, Quellen I.1, S.  221 ff. FftRef 1578: Erneute Frankfurter Reformation von 1578, abgedruckt in: Franckfurt ernew. Ref. FftUB: Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt, abgedruckt in Boehmer/Lau, FftUB I. FrbgStR 1520: Freiburger Stadtrecht von 1520, abgedruckt in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1, S.  241 ff. FrLGO: Deß hochlöblichen Stiffts Wirtzburgs vnnd Hertzogthumbs Francken Keyserlichen Landtgerichts Ordnung, abgedruckt in: Francken LandtgerichtsO. Gaius: Institutiones, zit.: „Gaius, Inst.“, abgedruckt und übersetzt in: Manthe, Gaius Institutiones. Gellius, Aulus: Noctes Atticae, abgedruckt in: Herz, Noct. Attic. I. Gemischte deutsch-lateinische Glosse (Stendaler Glosse) zum Sachsenspiegel Lehnrecht: abgedruckt in: Rynmann von Öhringen, Sassenspegel (1517). Gen. Stat. 1588/89: Genueser Statuten von 1588/89, abgedruckt in: Stat. Reip. Gen. Genossenschaftsgesetz (Preußen): Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften vom 27.03.1867, abgedruckt in: PrGS 1867, Nr.  34 (S.  501). Genossenschaftsgesetz (Norddeutscher Bund): Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften vom 04.07.1868, BGBl. NB 1868, Nr.  24 (S.  415).

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Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

Grimvaldi Leges: 668, abgedruckt in: Beyerle, Germanenrechte III. HbgFallO 1753: Hamburger Fallitenordnung von 1753, abgedruckt in: Hamburg ­FallO. Hbg SchB: Hamburger Schuldbuch, Anfang 14. Jahrhundert, abgedruckt in: v. Lehe, Schuldbuch. HbgStR 1497: Hamburger Stadtrecht von 1497, abgedruckt in: Anderson, Hbg PrivatR I, S.  225 ff. HbgStR 1603: Hamburger Stadtrecht von 1603, abgedruckt in: Hamburg GerichtsO. HessBGB-E: Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Großherzogtum Hessen, abgedruckt in: Entwurf HessBGB. HessBGB-Mot.: Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Großherzogtum Hessen, abgedruckt in: Entwurf HessBGB. HGB, Antrag der Ausschüsse für Justizwesen, für Handel und Verkehr und für Seewesen zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches […] v. 11.01.1897: abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2, S.  938. HGB, Bericht von Heller v. 19.12.1896 über dies Sitzungen der vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Justizwesen, für Handel und Verkehr und für Seewesen: abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2, S.  889. HGB, Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben: abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.2, S.  938. HGB-E1: Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I, S.  217 ff. HGB, Gutachten von Jakob Friedrich Behrend vom 1894: Auszug in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen I, S.  59 ff. HGB, Kommissarische Berathung über den Entwurf eines Handelsgesetzbuchs vom 23.10.1896: Abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1, S.  697 ff. HGB-Prot.: Protokolle über die Berathungen der Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs, Sitzungen vom 21.11. bis 18.12.1895, abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, HGB Quellen II.1, S.  259 ff. HlhLR: Hohenloher Landrecht von 1738, abgedruckt in: Hohenloher LandR. Inst.: Institutionen des Iustinian, abgedruckt in Corp. Iur. Civ. I. KielStB: Kieler Stadtbuch, abgedruckt in: P. Hasse, KielStB. KölnStat 1437: Statuten der Stadt Köln von 1437, abgedruckt in: Statuta und Concordata Köln. KonkO 1877: Konkursordnung vom 10.02.1877, abgedruckt in: RGBl. 1877, S.  351– 389. Kürzere Glosse zum Sachsenspiegel Lehnrecht: abgedruckt in: Kaufmann, Kürzere Glosse. LandauErbR: Des Heil. Reichs Stadt Landau, uhralte Gewohnheit in Erbfaellen, zwischen Eheleuthen, abgedruckt in: v. d. Nahmer, HB rhein. ParticularR II, S.  872. Längere Glosse zum Sachsenspiegel Lehnrecht: abgedruckt in: F.-M. Kaufmann, Längere Glosse. Lex Alamannorum: 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte I.22. Lex Baiuvariorum: 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte II.2.

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Lex Francorum Chamavorum: wohl 802/803, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte II.3. Lex Frisionum: wohl 802/803, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte II.3. Lex Ribuaria: abgedruckt in: Eckhard, Germanenrechte II.1. Lex Salica – Recensio Pippina: ca. 763/764, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte II.1.12. Lex Saxonum: wohl 802/803, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte II.3. Lex Thuringorum: wohl 802/803, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte II.3. Lex Visigothorum: abgedruckt in: Wohlhaupter, Germanenrechte XI. Liutprandi Leges: 713–735, abgedruckt in: Beyerle, Germanenrechte III. LRO: Lex Romana Utinensis, abgedruckt in: Stobbe, ZRG 4 (1864), S.  207, 238. LübNStB: Lübecker Niederstadtbuch, abgedruckt in: Pauli, Lübeckische Zustände, S.  119 ff. LübStR 1586: Revidiertes Lübecker Stadtrecht von 1586, abgedruckt in: Lübeck Statuta. LünbgStR: Lüneburger Stadtrecht, abgedruckt in: Kraut, LünbgStR. LünbStRef: Lüneburger Stadtrechtsreformation, abgedruckt in: F. E. Pufendorf, Observationes IV (1770), S.  624. MlhStat: Mühlhauser Statuten von 1692, abgedruckt in: Mühlhauser Statuten. MlhStB: Das alte Rechtsbuch der Stadt Mühlhausen aus dem 13. Jahrhundert, abgedruckt in: H. Meyer, Mühlhäuser RRB3 ; auch abgedruckt in: Förstemann, MlhStB. MStB: Münchener Stadtbuch von 1347, abgedruckt in: F. Auer, MStR. MzLR: Churfürstlich Mainz’sches Land-Recht von 1755, abgedruckt in: Kurz, MzLR. Nationalversammlung, Stenographischer Bericht: Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, abgedruckt in: Wigard, Nationalvslg. Sten. Ber. [Bd.]. NowgSchr II: Zweite Nowgoroder Schra von 1295, abgedruckt in: Schlüter, Nowgoroder Schra, digitale Fassung in: CD-ROM zu Jenks in: FS Graßmann, S.  393. NüAVB: Nürnberger Acht- und Verbannungsbuch von 1285–1337, abgedruckt in: Schultheiß, NürnbRQ II, S.  1 ff. NüRef 1479: Nürnberger Reformation von 1479, abgedruckt in: Kunkel/Thieme/ Beyerle, Quellen I.1, S.  1 ff. NüRef 1564: Nürnberger Reformation von 1564, abgedruckt in: Nürmberg verneut. Ref. NüSaB: Nürnberger Satzungsbuch von 1302–1315, abgedruckt in: Schultheiß, NürnbRQ III.1, S.  33 ff. ÖstSRevE: Superrevidierter Entwurf eines Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, abgedruckt in: Ofner, Entwurf II (1889). Ordeelbook: Hamburger Ordeelbook von 1270, abgedruckt in: Eichler, Ordeelbook. Ord. comm. 1673: Ordonnance du commerce von 1673: Édit du roi servant de règlement pour le commerce des négociants et marchands tant en gros qu’en détail, abgedruckt in: Recueil IV. Pactus Legis Alamannorum: Anfang 7. Jahrhunderts, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte I.22. Pactus Legis Salicae: ca. 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts, abgedruckt in: Eckhardt, Germanenrechte I.12. PrAGO: Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten, abgedruckt in: Allg. GerichtsO Preuß [Bd.].

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Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

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SSp. LandR: Sachsenspiegel Landrecht, abgedruckt in: Eckhardt, SSp. LandR; übersetzt in: Kaller, SSp. SSp. LehnR: Sachsenspiegel Lehnrecht, abgedruckt in: Eckhardt, SSp. LehnR; v. Schwerin/Ebel, SSp; übersetzt in: Hirsch, SSp. LehnR; Schott, SSp. 2. StmLR: Steiermärkisches Landrecht des Mittelalters, abgedruckt in: Bischoff, StmLR. Tab.: XII Tafeln, abgedruckt in: Flach, Zwölftafelgesetz. Thomas von Aquin: Summa theologiae, abgedruckt in: Gilby, Aquinas Summa XXXVIII. TJurIncorp: Tractatus juribus incorporalibus, abgedruckt in: Codex Austriaci I, S.  581. Walther, Bernhard: De emphyteusi, Von denen dienstparn und zinsparn Gründten und Güetern, 1552, zit.: Walther, Traktat I, abgedruckt in: Rintelen, Walthers Traktate, S.  3 ff. Walther, Bernhard: Von Abferttigung der Wittfrauen ein Tractätl, doch nur auf die von Herrenstandt und Adel gestelt, nach dem Landtsbrauch in Össterreich unter der Ens, 1558, zit.: Walther, Traktat V, abgedruckt in: Rintelen, Walthers Traktate, S.  59 ff. Walther, Bernhard: De successione Mariti Uxore mortua, Ein Underrichtung, was einem Wittiber nach Ableibung seiner Hausfrauen aus derselben verlassen ligünden und varunden Haab und Güettern zunstehen und erfolgen mag, 1558, zit.: Walther, Traktat VI, abgedruckt in: Rintelen, Walthers Traktate, S.  77 ff. Walther, Bernhard: Ein Verzeichnuß, wasmussen die Erbschaften nach dem ­Landsprauch des Erzherzogthums Österreich unter der Enns auf die gesipten Erben fallen thuen, zit.: Walther, Traktat VII, abgedruckt in: Rintelen, Walthers Traktate, S.  81 ff. Walther, Bernhard: Von den Lehengüettern nach dem Landsprauch des Erzhörzogthumbs Össterreich unter der Enns, zit.: Walther, Traktat XV, abgedruckt in: Rintelen, Walthers Traktate, S.  182 ff. WGalBGB: Westgalizisches Bürgerliches Gesetzbuch von 1797, auch: „Martinis Entwurf“ oder „Ur-Entwurf“, abgedruckt in: Ofner, Entwurf I. WienGBO 1566: Wiener Grundbuchordnung von 1566, Der stadt Wienn in Oesterreich grundbuechsordnung und instrüction pro a. 1566, abgedruckt in: Tomaschek, R. u. Fr. Wien II, S.  167 ff. WildhBR: Banntaidiung und Rechte zu Wildenhag von 1454, in: ÖstWeist IX, Nr.  6, S.  55–62. WmsRef: Wormser Reformation von 1498, abgedruckt in: Kunkel/Thieme/Beyerle, Quellen I.1, S.  95 ff. WStRB: Wiener Stadtrechtsbuch, abgedruckt in: Schuster, Wiener StadtRB. WüHGB-E: Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg von 1839, abgedruckt in: Schubert, Entwurf HGB Württ. I. WüHGB-Mot.: Motive des Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg von 1839, Abgedruckt in: Schubert, Entwurf HGB Württ. II. WüLR 1555: Württembergisches Landrecht von 1555, abgedruckt in: Kunkel/Thieme/ Beyerle, Quellen I.2, S.  79 ff. WüLR 1610: Württembergisches Landrecht von 1610, abgedruckt in: Des Her­tzog­ thumbs Württemberg ernewert Gemein Landtrecht. ZGB (1912): Schweizerisches Zivilgesetzbuch von 1912, abgedruckt in: Schweizerisches Zivilgesetzbuch. ZGB-DDR: Zivilgesetzbuch der DDR von 1975, abgedruckt in: GBl. DDR 1975, S.  465–517, s. auch Roggemann, ZGB.

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Veröffentlichungen Anmerkung: Die meisten nachfolgenden Veröffentlichungen sind mit einer Angabe zum Fundort in Bibliotheken und Online-Datenbanken versehen. Ursprünglich dienten diese Angaben eigenen Zwecken des Verfassers, sie können im Einzelfall aber auch dem Leser nützlich sein. Es sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die für diese Arbeit jeweils verwendeten Exemplare nicht notwendigerweise aus den jeweils angegebenen Fundorten stammen. Es sind folgende Bibliotheken und Datenbanken berücksichtigt: Abkürzung Bibliothek HAB Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel SB Kiel Fachbibliothek am Juristischen Seminar der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. SB Gesch Kiel Fachbibliothek Geschichte am Historischen Seminar der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. SSB Berlin Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz. SUB HH Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky UB Freiburg Universitätsbibliothek der Albrecht-Ludwigs-Universität Freiburg. SUB Göttingen Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. UB Greifswald Universitätsbibliothek der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifs­ wald. UB Kiel Universitätsbibliothek der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. USB Köln ZBR HH Zentralbibliothek Recht der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. UB Tübingen Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Universitätsbibliothek. ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (Deutsche Zentralbibliothek für wirtschaftswissenschaften Abkürzung ADB online Bavarica BayStB Digi

Datenbank, URL Allgemeine Deutsche Bibliographie, Online-Fassung. http:// www.deutsche-biographie.de Bayerische Landesbibliothek Online, Volltextangebot. http:// bavarica.digitale-sammlungen.de/ Münchener Digitalisierungszentrum (MDZ) der Bayerischen Staatsbibliothek. http://www.digitale-sammlungen.de

Veröffentlichungen

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DRW

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Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

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Veröffentlichungen

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Veröffentlichungen

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– Pandekten, 1.  Bd., Berlin, 2 Auflage, 1888, zit.: „Dernburg, Pandekten I 2“, MPI PrivR. – Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, 2.  Bd.: Die Schuldverhältnisse, 2. Abt.: Einzelne Obligationen, Halle, 1. und 2. Auflage, 1901, zit.: „Dernburg, Bürg. R. II.21/2“, SB Kiel Mag B III 14. Dernburg, Heinrich; Sokolowski, Paul: System des Römischen Rechts, 2.  Bd., Berlin, 8. Auflage, 1912, zit.: „Dernburg/Sokolowski, System II8“, SB Kiel R III 228. Dersch, Hermann: Das Prinzip der gesamten Hand und dessen Anwendbarkeit auf das Bürgerliche Gesetzbuch, Diss. Darmstadt, 1905, zit.: „Dersch, Gesamte Hand“, SB Kiel Mag A. Derschka, Harald Rainer: Der Schwabenspiegel, München, 2002, zit.: „Derschka, SchwSp.“. Deter, Gerhard: Allodifikation, Grundablösung und das Entschädigungsproblem, ZRG-GA 130 (2013), S.  205–237. Deus, Wolf-Herbert: Soester Recht, eine Quellen-Sammlung, 1. Lieferung: Statuten, Soest, 1969, zit.: „Deus, Soester Recht I“, SB Kiel D 137 fol. Dietherr, Christoph Ludwig: s. Besold, Thesaurus practicus. Dietzel, G.: Das Handelszeichen und die Firma, Jahrb. gem. dt. Rechts 4 (1860), S.  227–308, MPI Zeitschr. – Römische Analogien zum heutigen Handelsrecht, WHRArch 7 (1858), S.  50–70, MPI Zeitschr. Dobberzin, Martin; Reyger, Arnold v.: Repertorium sive Promptuarium iuris universi copiosissimum, Helmstedt, 1589, zit.: „Dobberzin/v. Reyger, Promptuarium iuris“, Google. Dölemeyer, Barbara: S. Coing, Quellen III.2. Dolliner, Thomas: Erklärung des allgemeinen teutschen Lehenrechtes nach Böhmers Principiis Juris Feudalis, Wien, 1793, zit.: „Dolliner, LehenR“, SB Kiel Mag Pr. IV 96. Domat, Jean: Les loix civiles dans leur ordre naturel, Le droit public, et legum delectus (nouvelle edition revuë et corrigée), Paris, 1705, zit.: „Domat, Loix civiles (1705)“, Google. – Les Loix civiles dans leur ordre naturel, Le droit public, et legum delectus, neue Auflage bearbeitet von de Hericourt, de Bouchevret, Berroyer, Chevalier und de Jouy, 1.  Bd., Paris, 1777, zit.: „Domat, Loix civiles (1777)“, Google. Donellus, Hugo: Commentarius absolutissimus […] Codicis, Frankfurt, 1599, zit.: „Donellus, Comment. Codicis“, SB Kiel Mag. R II 4 fol. Dreyer, Heinrich: S. Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR. Drosdowski, Thomas: Das Verhältnis von actio pro socio und actio communi dividundo im klassischen römischen Recht, Berlin, 1998, zit.: „Drosdowski, Pro socio“, SB Kiel D IV 1033, 7, Bd. 72. DRW: Deutsches Rechtswörterbuch, Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache, herausgegeben von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 4.  Bd.: geleitlich bis Handgelobung, Weimar, 1939–1951, zit.: „DRW IV“, SB Kiel D I 0, 2. Du Puy, Jacques: L’art des lettres de change, suivant l’usage des plus célèbres places de l’Europe, Paris (Chez Arnoul Seneuze, rue de la Harpe), 1693, zit.: „Du Puy, Lettres de change“, Google. Duff, P. W.: Personality in Roman Private Law, Cambridge, 1938, zit.: „Duff, Personality“, SB Kiel R IV 96, 1.

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Veröffentlichungen

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Maas, Georg: Bibliographie der amtlichen Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich und zu seinem Einführungsgesetze, Berlin, 1897, zit.: „Maas, Bibliographie“, SB Kiel Mag. B I 1; UB Kiel H 9223. Magna horologii campana tripartita: das ist ein Dreyfache im gantzen Teutsch-Landt hellauttende Glocke und Auffwecker der löblichen Teutschen Nation, den recht- und billichmäßigen defensions-Krieg wider den Römischen Papst und seine Adherenten von allen evangelischen Königen, Chur-Fürsten und Ständen gesampter Hand vorzunehmen, die päpstliche Tyranney abzuwenden und den edlen Frieden zu widerbringen, [s. l.], 1632, BayStB Digi. Malmendier, Ulrike: Societas Publicanorum, Staatliche Wirtschaftsaktivitäten in den Händen privater Unternehmer, Köln u. a., 2002, zit.: „Malmendier, Soc. Public.“, SB Kiel R IV 142, Bd. 49. Mandry, Gustav v.: Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze, Freiburg u. a., 1882, zit.: „Mandry, CivilR“, MPI PrivR. Manthe, Ulrich: Gaius Institutiones – Die Institutionen des Gaius, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Ulrich Manthe, Darmstadt, 2004, zit.: „Manthe, Gaius Institutiones“. – S. auch Nelson/Manthe, Gai III 88–181. Marcadé, V[ictor Napoléon]; Mourlon, F[rédéric]; Pfaff, Adrian: Abriß des französischen Civilrechts, Ins Deutsche übertragen von Adrian Pfaff, 2.  Bd., Heidelberg 1865, zit.: „Marcadé/Mourlon/Pfaff, Frz. CivilR II“, MPI PrivR. Marquard, Johann: Tractatus politico-juridicus de iure mercatorum et commerciorum singulari, Frankfurt, 1662, zit.: „Marquard, De Iure Mercatorum“, SB Kiel H I 0, 02. Martens, Georg Friedrich v.: Grundriß des Handelsrechts – insbesondere des Wechselund Seerechts, Göttingen, 1798, zit.: „Martens, Handelsrecht“, SB Kiel Mag. H III 16. Martitz, Ferdinand von: Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels und der verwandten Rechtsquellen, Leipzig, 1867, zit.: „v. Martitz, Güterrecht“, MPI PrivR. Maurenbrecher, Romeo: Ueber die im Erbfürstenthume Münster geltende eheliche Gütergemeinschaft, [s. l.], 1828, zit.: „Maurenbrecher, Gütergemeinschaft“, MPI PrivR. – Lehrbuch des heutigen gemeinen deutschen Rechts, Bonn, 1. Auflage, 1834, zit.: „Maurenbrecher, Deutsches Recht1“, MPI PrivR. – Lehrbuch des gesammten heutigen gemeinen deutschen Privatrechtes, 2.  Bd., Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Ferdinand Walter, Bonn, 2. Auflage, 1855, zit.: „Maurenbrecher, Deutsches Recht II 2“, MPI PrivR. Mayer, Hermann: Die alten Freiburger Studentenbursen, Beiheft zur Zeitschrift der Gesellschaft zur Beförderung der Geschichts-, Altertums- u. Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften, Freiburg, 1926, zit.: „Mayer, Studentenbursen“, HAB Wolfenbüttel Gm 1758. Mayer-Maly, Theo: s. Honsell/Mayer-Maly/Selb, RömR4. Meder, Stephan: Rechtsgeschichte, Köln u. a., 2. Auflage, 2005, zit.: „Meder, RG2“, SB Kiel Mag. D III 51. – Rechtsgeschichte, Köln u. a., 5. Auflage, 2014, zit.: „Meder, RG5“, SB Kiel Mag. D III 51. Medina, Jaume: Retòrica a Herenni, Barcelona, 2000, zit.: „Medina, Retòrica a Herenni”. Mehr, Ralf: Societas und universitas, Römischrechtliche Institute im Unternehmensgesellschaftsrecht vor 1800, Köln u. a., 2008, mit beigefügter CD-ROM, zit.: „Mehr, Societas“, SB Kiel D IV 99.

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Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

Meichelbeck, Carl: Historiae Frisingensis, Tomi Primi Pars Altera Instrumentaria, ­Augustae Vindelicorum [Augsburg], 1724, zit.: „Meichelbeck, Historia Frisingensis I.2“, SUB HH B 1955/622:1. Meier, Sonja: Gesamtschulden, Entstehung und Regress in historischer und vergleichender Perspektive, Tübingen, 2010, zit.: Meier, Gesamtschulden“, SB Kiel B IV 6412. – S. auch HKK II.2. Meissel, Franz-Stefan: Societas, Struktur und Typenvielfalt des römischen Gesellschaftsvertrages, Wiener Studien zu Geschichte, Recht und Gesellschaft, 3. Bd, Frankfurt u. a., 2004, zit.: „Meissel, Societas“, SB Kiel R IV 329, 8. Melonius, Johann: Thesaurus juris feudalis, civilis et criminalis novus, Nürnberg, 4. Auflage, 1677, zit.: „Melonius, Thesaurus“. Mencke, Lüder: Systema iuris civilis secundum Pandectas, Leipzig [Lipsiae], 1754, zit.: „Mencke, Systema iuris“, SUB HH B/72940. Mevius, David: Commentarius in Ius Lubecense, Rostock, 1664, zit.: „Mevius, Commentarius”, SB Kiel Mag. Pa Va 2923 folio. Meyer, Herbert: Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, Weimar, 3. Auflage, 1936, zit.: „H. Meyer, Mühlhäuser RRB3“, SB Kiel D I 517 (3). Meyer, Justus: Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, Berlin u. a., 2000, Habil. Bielefeld, 1999, zit.: „J. Meyer, Haftungsbeschränkung“, SB Kiel H IV 187, 21. Meyer[-Pritzl], Rudolf: Bona fides und lex mercatoria in der europäischen Rechtstradition, Göttingen, 1994, zit.: „R. Meyer, Bona fides“. – S. auch HKK III.2. Mitteis, Heinrich: Lehnrecht und Staatsgewalt, Weimar, 1933, zit.: „Mitteis, Lehnrecht“. Mittermaier, Carl Joseph Anton: Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, mit Einschluß des Handels- Wechsels- und Seerechts, Landshut, 1. Auflage, 1824, zit.: „Mittermaier, PrivatR1“, SB Kiel Mag. Pr III 261. – Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, mit Einschluß des Handels- Wechsel- und Seerechts, 2.  Bd., Landshut, 4. Auflage, 1830, zit.: „Mittermaier, PrivatR II4“, Google. – Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, mit Einschluß des Handels- Wechsels- und Seerechts, 1.  Bd., Landshut, 5. Auflage, 1837, zit.: „Mittermaier, PrivatR I5“, SBB Berlin Gm 705-1. Morstadt, K[arl] E[mil]: Commentar über das Handelsrecht Deutschlands und Frankreichs, kritisch-pragmatisch: auf der Basis des (mitabgedruckten) Grundrisses von Martens, 1.   Bd.: das Ganze betreffend, außer dem Wechselbrief- und dem Seefracht-Wesen, Heidelberg, 1849, zit.: „Morstadt, HandelsR“, MPI PrivR. Motive BayBGB: Motive zum Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern, [1.  Bd.], München, 1861, zit.: „Motive BayBGB I“, BayStB Digi. Mourlon, F[rédéric]: S. Marcadé/Mourlon/Pfaff, Frz. CivilR II. Mühlenbruch, Christian Friedrich: Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Nach der dritten Auflage der Doctrina Pandectarum deutsch bearbeitet, Halle, 1. Bd, 1835, zit.: „Mühlenbruch, Pandekten I“, MPI PrivR. Mühlhauser Statuten: Statuten und Wilkühr der Kayserlichen Freyen und des Heil. Röm. Reichs-Stadt Mühlhausen vom Jahr 1692, Mühlhausen, 1788, SB Kiel Mag. D I 7952.

Veröffentlichungen

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Müller, Johann Heinrich: Johann Heinrich Müllers Versuch einer Entwicklung und bestimmten Darstellung des fränkischen Gewohnheits-Rechtes von der ehelichen Güter-Gemeinschaft, in Gestalt eines Entwurfs zu einer darüber zu erlassenden Verordnung, wobey auch einiges von lezten Willen und Vormundschaften mit angefüget worden ist, Nürnberg, 1801, zit.: „J. H. Müller, Güter-Gemeinschaft“, MPI PrivR. Müller, Kai: Der Hüter des Rechts, Die Stellung des Reichsgerichts im Deutschen Kaiserreich 1879–1918, Baden-Baden, 1997, zit.: „K. Müller, Hüter des Rechts“, SB Kiel C IV 254,83. Müller, Oskar: Die Haftung der Gesellschafter nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Diss. Leipzig, 1903, zit.: „O. Müller, Haftung“, UB Kiel TU 03 L81. Müller, Peter: S. Struve, Syntagma. MünchHdB GesR: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 1. Bd, BGB-Gesellschaft, Offene Handelsgesellschaft, Partenreederei, EWIV, hrsg. von Hans Gummert und Lutz Weipert, München, 4. Auflage, 2014, zit.: „[Bearbeiter] in: MünchHdB GesR I4“. MünchKomm-BGB: Münchener Kommentar zum BGB, hrsg. von Kurt Rebmann, Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, 11.  Bd.: Internationales Wirtschaftsrecht, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Art.  50–245), Redakteur: Hans Jürgen Sonnenberger, 4. Auflage, 2006, zit. „[Bearbeiter] in: MünchKomm-BGB XI4“. – Münchener Kommentar zum BGB, hrsg. von Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, 5.  Bd.: Schuldrecht, Besonderer Teil III: §§  705–853, Redakteur: Mathias Habersack, 6. Auflage, 2013, zit. „[Bearbeiter] in: MünchKomm-BGB V6“. – Münchener Kommentar zum BGB, hrsg. von Franz Jürgen Säcker und Roland Rixecker, 11.  Bd.: Internationales Privatrecht, Internationales Wirtschaftsrecht, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Art.  25–248), 6. Auflage, 2015, zit. „[Bearbeiter] in: MünchKomm-BGB XI6“. MünchKomm-HGB: Münchener Kommentar zum HGB, hrsg. von Karsten Schmidt, 2.  Bd.: Zweites Buch, Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft, erster Abschnitt, Offene Handelsgesellschaft, München, 3. Auflage, 2011, zit.: „MünchKomm-HGB II3“. Mugdan, Benno: Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1.  Bd.: Einführungsgesetz und Allgemeiner Theil, Berlin, 1899, zit.: „Mugdan, Materialien I“, SB Kiel B I 107. – Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 2.  Bd.: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin, 1899, zit.: „Mugdan, Materialien II“, SB Kiel B I 107. – Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 3.  Bd.: Sachenrecht, Berlin, 1899, zit.: „Mugdan, Materialien III“, SB Kiel B I 107. – Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 4.  Bd.: Familienrecht, Berlin, 1899, zit.: „Mugdan, Materialien IV“, SB Kiel B I 107. – Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 5.  Bd.: Erbrecht, Berlin, 1899, zit.: „Mugdan, Materialien V“, SB Kiel B I 107. Musäus, Johann Daniel Heinrich: Grundsätze des Handlungs-Rechts – zum Gebrauche academischer Vorlesungen, Hamburg und Kiel, 1785, zit.: „Musäus, Handlungsrecht“, SB Kiel Mag H III 16, 45.

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Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

Mylius, Christian Otto: Corpus Constitutionum Marchicarum, Oder Königl. Preußis. und Churfürstl. Brandenburgische Chur- und Marck Brandenburg auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnungen, Edicta, Mandata, Rescripta, Berlin, 1737, zit.: „Mylius, CCM“, PreußRQ Digi. Nagler, Johannes: Die gesammte Hand im Gesellschaftsrechte, Sächs. Arch. 10 (1900), S.  695, MPI Zeitschr. Nahmer, Wilhelm v. d.: Handbuch des rheinischen Particular-Rechts, 2. Bd: Landrechte des Ober- und Mittelrheins, Frankfurt a. M., 1831, zit.: „v. d. Nahmer, HB rhein. ParticularR II“, MPI PrivR. Nathusius-Neinstedt, H. v.: Zum Andenken an Ludwig Heinrich Euler, ZRG-GA 17 (1887), S.  190–198. NCC: Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium Praecipue Marchicarum, Oder Neue Sammlung Königl. Preuß. und Churfürstl. Brandenburgischer sonderlich in der Chur- und Mark-Brandenburg publicirten und ergangenen Verordnungen, Edicten, Mandaten, Rescripten &c., 9.  Bd.: 1791, 1792, 1793, 1794 und 1795, Berlin, 1796, zit.: „NCC IX“, PreußRQ Digi. Negusantius, Antonius: De Pignoribus et Hypothecis, Lugdunum [Lyon], 1549, zit.: „Negusantius, De Pignoribus“, Google. Nelson, Hein L. W.; Manthe, Ulrich: Gai Institutiones III 88–181, Die Kontraktsobligationen, (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, 35.  Bd.), Berlin, 1999, zit.: „Nelson/Manthe, Gai III 88–181“, SB Kiel R I 44, 3. Nesen, Johannes Conrad: s. Thomasius, Christian. Nettelbladt, Daniel: Systema elementare universae iurisprudentiae naturalis in usum praelectionum academicarum adornatum, Halle, 1767 (ed. tertia), zit.: „Nettelbladt, Systema elementare“, Google. Neumann, Paul; Levy, Ernst: Frankfurter Privatrecht, Frankfurt, 1897, zit.: „Neumann/Levy, Fft. PrivR“. Neuß, Johann Wilhelm: Theorie der Lehre von der ehelichen Gütergemeinschaft, Düsseldorf, 1808, zit.: „Neuß, Gütergemeinschaft“, MPI PrivR. Neuwirth, Karin: S. Floßmann/Kalb/Neuwirth, ÖPRG7. Niemeyer, Louis: Hamburger Privatrecht, Hamburg, 1898, zit.: „Niemeyer, Hamb. PrivatR“, MPI PrivR. Nitschke, Hartmut: S. Kleinheyer/Schröder, Juristen5. Nürmberg verneut. Ref.: Der Stat Nürmberg verneute Reformation, Nürnberg, 1564, UB Heidelberg Digi. Observations des trib. d’app.: Observations des tribunaux d’appel sur le projet de code civil, 2.  Bd. (Nanci, Nîmes, Orléans, Paris, Poitiers, Rennes, Rouen, Toulouse), Paris, An IX [1801], zit.: „Observations des trib. d’app., [Gericht]“, Google. Oelrichs, Karl Konrad: Rechtliches Gutachten über die Frage: Ob eine Witwe, welche zu Stargard, in Hinterpommern, nach Lübschem Recht in gänzlicher Gütergemeinschaft mit ihrem unmündigen Kinde verblieben, auch daher von der während derselben dem Kinde von seiner Aeltermutter väterlicher Seits zugefallenen Erbschaft die Hälfte begehren, oder ob das Kind diese ganze Erbschaft allein fordern könne?, Arch. th. pract. Rgel. 6 (1792), S.  297–303, UB Bielefeld Digi. Oertmann, Paul: Das Recht der Schuldverhältnisse, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuche, hrsg. von J. Biermann, G. Frommhold, C. Gareis, E. Hubrich, A. Niedner, P. Oertmann, Berlin, 1. Auflage, 1899, zit.: „Oertmann, Schuldverhältnisse1“, SB Kiel Mag B II 501.

Veröffentlichungen

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ÖstWeist: Österreichische Weistümer, gesammelt von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 9.  Bd.: Niederösterreichische Weistümer (III. Teil: Das Viertel ob dem Wienerwalde), hrsg. von Gustav Winter, Wien u. a., 1909, zit.: „ÖstWeist IX“, SB Kiel D I 914, Bd. 9. Oetker, Hartmut: Kommentar zum Handelsgesetzbuch (HGB), München, 4. Auflage 2015, zit.: „[Bearb.] in: Oetker, HGB 4“, SB Kiel H II 150 (2). Ofner, Julius: Der Ur-Entwurf und die Berathungsprotokolle des Oesterreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1.  Bd., Wien, 1889, zit.: Ofner, Entwurf I“, UB Kiel 19:A 6614-1. – Der Ur-Entwurf und die Berathungsprotokolle des Oesterreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 2.  Bd., Wien, 1889, zit.: Ofner, Entwurf II“, UB Kiel 19:A 6614-2. Ogris, Werner: s. HRG II 2 . Oppitz, Ulrich-Dieter: Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, 1. Bd: Beschreibung der Rechtsbücher, Köln, Wien, 1990, zit.: „Oppitz, Rechtsbücher I“. [Orth, Johann Philipp]: Nöthig und nützlich erachteter Anmerkungen über die so genante erneuerte Reformation der Stadt Frankfurt am Main, 3. Bd: Neunzehn letzte Titel des zweiten Teils, [s. l.], 1742, zit.: „Orth, Anmerkungen III“, UB Kiel A 5474-3. Otto Bischof von Freising: Chronica sive historia de duabus civitatibus, übersetzt von Adolf Schmidt, herausgegeben von Walther Lammers, in: Ausgewählte Quellen zu deutschen Geschichte des Mittelalters, herausgegeben von Rudolf Buchner, 16.  Bd., Darmstadt, 1961, zit.: „Otto von Freising, Chronica, in: Quellen zur deutschen Geschichte des MA XVI“. Paetz, Karl Wilhelm; Goede, Christian August Gottlieb: Lehrbuch des Lehnrechts, Neue Auflage, 1832, zit.: „Paetz/Goede, Lehnrecht“. [Paganucci, Jean]: Manuel historique, géographique et politique des négocians, ou encyclopédie portative de la théorie et de la pratique du commerce, 3.  Bd.: Q – Z, Lyon, 1762, zit.: „Paganucci, Manuel des négocians III“, Google. Pahlmann, Bernhard: s. Kleinheyer/Schröder, Juristen5. Paillet, [Jean-Baptiste Joseph]: Manuel de droit français, Paris, 3. Auflage, 1818, zit.: „Paillet, Droit français3“, Google. Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, München u. a., 7. Auflage, 1949, zit.: „[Bearb.] in: Palandt, BGB7“. Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, München, 32. Auflage, 1973, zit.: „[Bearb.] in: Palandt, BGB32“. Pardessus, J[ean] M[arie]: Cours de droit commercial, 3.  Bd., Paris, 1 Auflage, 1815, zit.: „Pardessus, Dt. com. III1“, Google. – S. auch: Schiebe, August. Parigger, Harald: Das Bamberger Stadtrecht, Würzburg, 1983, zit.: „Parigger, Bamberger StadtR“, SB Kiel D I 586, 5. Parisius, Ludolf: Die Genossenschaftsgesetze im Deutschen Reiche, Mit Einl. u. Erläuterungen zum prakt. Gebrauch f. Juristen u. Genossenschafter, Berlin, 1876, zit.: „Parisius, Genossenschaftsgesetze“, MPI PrivR. Pauli, Carl Wilhelm: Die ehelichen Erbrechte nach Lübischem Recht, Lübeck, 1840, zit.: „Pauli, Eheliche Erbrechte“, SB Kiel Mag. Pa Va 2935. – Lübeckische Zustände im Mittelalter, Vorlesungen, gehalten in den Jahren 1850 bis 1868, Lübeck, 1872, zit.: „Pauli, Lübeckische Zustände“.

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Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

Paulus de Castro: Consilia sive responsa, 2.  Bd., Venedig, 1581, zit.: „Paulus de Castro, Consilia II“, SB Kiel Mag. R IV 73, 8 folio. – Lectura super Digesto veteri, secunda pars [Explicit secunda pars lect. ss. vete. dni Pauli de Castro …], Venedig, 1495, zit.: „Paulus de Castro, Lectura“, BayStB Digi. Perneder, Andreas: Imp. Caes. Justiniani Institutiones, Das ist ein Ausszug und Anleittunng etlicher Keyserlichen, unnd deß heyligen Römischen Reichs geschribner Rechten: Sampt angehängtem gerichtlichen Proceß, Lehenrecht, Halßgerichtsordnung, Summa Rolandini von Contracten und Testamenten, Reguln Bartholomaei Socini, etc. wie dieselbigen jetziger Zeit in stäter Übung und Gebrauch fruchtbar gehalten werden, 1. Teil, Ingolstadt, 1600, zit.: „Perneder, Keyserlichen Rechten I“, UB Kiel Qh 3012. – Imp. Caes. Justiniani Institutiones, Das ist ein Ausszug und Anleittunng etlicher Keyserlichen, unnd deß heyligen Römischen Reichs geschribner Rechten: Sampt angehängtem gerichtlichen Proceß, Lehenrecht, Halßgerichtsordnung, Summa Rolandini von Contracten und Testamenten, Reguln Bartholomaei Socini, etc. wie dieselbigen jetziger Zeit in stäter Übung und Gebrauch fruchtbar gehalten werden, 3. Teil: Lehenrecht, 1600, zit.: „Perneder, Keyserlichen Rechten III“, UB Kiel Qh 3012. Peterka, Otto: Zum handelsrechtlichen Inhalte der Gesellschaftsverträge Jakob Fuggers des Reichen, ZHR 73 (1913), S.  387–428. Petrus de Ubaldis: Tractatus de duobus fratribus et aliis quibuscunque sociis, [Lyon], [1524], zit.: „Petrus de Ubaldis, Duobus fratribus“, Gale. Pfaff, Adrian: S. Marcadé/Mourlon/Pfaff, Frz. CivilR II. Pfeifer, Carl: Die Lehre von den juristischen Personen nach gemeinem und würtembergischem Rechte, Tübingen, 1847, zit.: „Pfeifer, Jur. Pers.“, MPI PrivR. Pfeiffer, B[urkhard] W[ilhelm]; Pfeiffer, F[ranz] G[eorg]: Napoleons Gesetzbuch nach seinen Abweichungen von Teutschlands gemeinem Rechte, 2. Bd, Göttingen, 1810, zit.: „Pfeiffer/Pfeiffer, Nap. GesetzB II“, MPI PrivR. Pfeilschifter, Josef: Das Bamberger Landrecht in systematischer Darstellung, München, 1898, zit.: „Pfeilschifter, Bamb. LandR“, MPI PrivR. Pfennig, Christian-Matthias: Die Kritik Otto von Gierkes am ersten Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Göttingen, 1997, zit.: „Pfennig, Kritik Gierkes“, SB Kiel B IV 300. Philipps, Georg: Grundsätze des gemeinen Deutschen Privatrechts mit Einschluß des Lehnrechts, 2.  Bd., 2. Auflage, Berlin, 1839, zit.: „Philipps, PrivatR II 2“, SB Kiel Mag Pr 29,32. – Die Lehre von der ehelichen Gütergemeinschaft mit besonderer Rücksicht auf Preußisches provinzielles und allgemeines Recht, Berlin, 1830, zit.: „Philipps, Gütergemeinschaft“, SB Kiel Mag. Pa III 810; MPI PrivR. Pinner, Albert: S. Staub, HGB I. Pistoris, Hartmann: Quaestionum Iuris Libri secundi, Pars posterior, Leipzig 1598, zit.: „Pistoris, Quaestionum juris II“, Google. Planck, Gottlieb: Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, erläutert von G. Planck, in Verbindung mit A. Achilles, F. André, M. Greiff, F. Nitgen und K. Unzner, 2.  Bd.: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin, 1. und 2. Auflage, 1900, zit.: „Planck, BGB II1/2“, SB Kiel Mag B II 58 1–2. – Zur Kritik des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich, in: Zum Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches und andere Abhandlungen, 3.  Bd., Freiburg, 1889, S.  327–429, zit.: „Planck in: Entwurf III“, MPI PrivR.

Veröffentlichungen

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Platner, Victor: Die Bürgschaft, Eine germanistische Abhandlung, Leipzig, 1857, zit.: „Platner, Bürgschaft“, MPI PrivR. Poehls, Meno: Darstellung des gemeinen deutschen und des hamburgischen Handelsrechts für Juristen und Kaufleute, 1.  Bd.: Allgemeiner Theil, Hamburg, 1828, zit.: „Pöhls, Hamb. HandelsR“, MPI PrivR. Pölman, Albert: Handtbuch / Darin[n]en in der kürze zu befinden / was sich fast teglich bey Gerichte zutregt / Daraus man sich zu erlernen und zu spieglen habe / Was die Rechte davon sagen / und sich auch mancher für Schaden / unnötigen Rechtsgenge und Unkosten zu hütten, s. l., 1574, zit.: „Pölman, Handtbuch1“, BayStB Digi. – Handtbuch / Darin[n]en in der kürze zu befinden / was sich fast teglich bey Gerichte zutregt / Daraus man sich zu erlehrnen und zu spieglen habe / Was die Rechte davon sagen / und sich auch mancher für Schaden / unnötigen Rechtsgenge und Unkosten zu hütten, s. l., 1576, zit.: „Pölmann, Handtbuch 2“, BayStB Digi. Pöschmann, Karl Magnus: S. Siebenhaar, Commentar. Pohlmann, Hansjörg: s. Coing, Quellen I. Pothier, Robert-Joseph: Traité du contrat de société, in: Œuvres de Pothier contenant les traités du droit français, Nouvelle édition, hrsg. von M. Dupin, 3.  Bd., Paris, 1827, zit.: „Pothier, Société“, Google. Preuß. KonkO: Die Preußische Konkursordnung vom 08.05.1855, u. a., Materialien zusammengestellt und für die Anwendung erläutert durch A. Wentzel und C. Klose, Berlin, 1855, UB Kiel Ka 4962. Pryor, John H.: The Origins of the Commenda Contract, Speculum 52 (1977), S.  5 –37. Puchelt, Ernst Sigismund: Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Leipzig, 1. Auflage, 1874, zit.: „Puchelt, ADHGB1“, MPI PrivR. – Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Leipzig, 2. Auflage, 1876, zit.: „Puchelt, ADHGB2“, SB Kiel Mag. H II 90. – Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Leipzig, 3. Auflage, 1885, zit.: „Puchelt, ADHGB3“, SB Kiel Mag. H II 90. – S. auch Zachariae/Puchelt, Frz. CivilR II6. Puchta, G[eorg] F[riedrich]: Pandekten, Berlin, 1. Auflage, 1838, zit.: „Puchta, Pandekten1“, SB Kiel Mag. R III 85. – Pandekten, Berlin, 2. Auflage, 1844, zit.: „Puchta, Pandekten 2“, SB Kiel Mag. R III 852. Puchta, G[eorg] F[riedrich]; Rudorff, A[dolf August Friedrich]: Pandekten, fortgeführt von A. Rudorff, Berlin, 8. Auflage, 1856, zit.: „Puchta/Rudorff, Pandekten8“, SB Kiel Mag. R III 858. Pütter, Johann Stephan: Auserlesene Rechtsfälle aus allen Theilen der in Teutschland üblichen Rechtsgelehrsamkeit in Deductionen, rechtlichen Bedenken, Relationen, und Urtheilen, theils in der Göttingischen Juristen-Facultät, theils in eignem Namen ausgearbeitet, 1.  Bd., Göttingen, 2. Auflage, 1788, zit.: „Pütter, Rechtsfälle I“, SB Kiel Mag. D IV 891 folio. Pufendorf, Friedrich Esaias: Observationes Juris Universi, 4.  Bd., Hannover, 1770, zit.: „F. E. Pufendorf, Observationes IV“, Google. Pufendorf Samuel: De jure naturae et gentium libri octo, editio nova, autior multo et emendatior, Frankfurt, 1694, zit.: „S. Pufendorf, Jure naturae“, SB Kiel Mag. R. Ph. III Pu 50. Raiser, Thomas: Gesamthand und juristische Person im Licht des neuen Umwandlungsrechts, AcP 194 (1994), S.  495–512.

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Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

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Veröffentlichungen

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Veröffentlichungen

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– Das Französische Civilgesetzbuch und Handelsrecht – erläutert aus Urtheilen der französischen Gerichtshöfe, Gesetzen und andern Quellen, Nach Code civil (et de commerce) annotés des dispositions interprétatives, modificatives et applicatives par J. B. Sirey et L. M. de Villeneuve […] Für das Großherzogthum Baden, 3.  Bd.: enthaltend das erläuterte Handelsrecht und Ergänzungen des erläuterten Civilgesetzbuches, Karlsruhe, 1841, zit.: „Thilo, Frz. CivGB III“, Google. Thöl, Heinrich: Das Handelsrecht – Als gemeines in Deutschland geltendes Privatrecht mit Berücksichtigung des außerdeutschen Handelsrechts, 1.  Bd., Göttingen, 1. Auflage, 1841, zit.: „Thöl, HandelsR I1“, SB Kiel Mag. H III 171. – Das Handelsrecht, 1.  Bd., Göttingen, 3. Auflage, 1854, zit.: „Thöl, HandelsR I3“, SB Kiel Mag. H III 173. – Das Handelsrecht, 1.  Bd., 1. Abt., Leipzig, 5. Auflage, 1875, zit.: „Thöl, HandelsR I.15“, SB Kiel H III 175. – Volksrecht, Juristenrecht, Genossenschaften, Stände, gemeines Recht, Rostock [u. a.], 1846, zit.: „Thöl, Volksrecht“, MPI PrivR. Thomas, Eugen: Sistem aller fuldischen Privatrechte, Ein Beitrag zur Sammlung teutscher Provinzialrechte und Verfassungen, 2.  Bd., Fulda, 1789, zit.: „E. Thomas, Fuldisches PrivatR II“, SB Kiel Mag. Pa Va 205. Thomas, Frank: Die persönliche Haftung von Gesellschaftern von Personengesellschaften in der historischen Entwicklung der Neuzeit, Berlin, 2003, zit.: „F. Thomas, Persönliche Haftung“, SB Kiel D IV 1033, 7, Bd. 102. Thomasius, Christian: De dominio et ejus natura in genere intuitu juris Germanici privati, Diss. Johannes Georg Franck (Respondent), Halle, 1721, Ausgabe Literis Salfeldianis (22 S.), zit.: „Thomasius, Dominio“, SB Kiel Mag. M 20201, Bd. III. – De rerum differentiis intuitu juris Germanici privati, Diss. Johannes Conrad Nesen (Respondent), Halle, 1721, Ausgabe Literis Salfeldianis (22 S.), zit.: „Thomasius, De rerum differentiis“, SB Kiel Mag. M 20201, Bd. III. Timm, Wolfram: Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Haftungsverfassung, NJW 1995, 3209–3218. – Einige Zweifelsfragen zum neuen Umwandlungsrecht, ZGR 1996, 247–271. Tomaschek, Johann Adolf: Der Oberhof Iglau und seine Schöffensprüche aus dem XIII–XVI. Jahrhundert, Innsbruck, 1868, Neudruck Aalen, 1970, zit.: „Tomaschek, Oberhof Iglau“, DRW. – Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, 2.  Bd., Wien, 1879, zit.: „Tomaschek, R. u. Fr. Wien II“, SB Kiel D I 847. Toubeau, Jean: Les institutes du droit consulaire, Ou la jurisprudence des marchands, Ouvrage d’un tres-grand secours au Palais, utile à tous Marchands & Negocians, & neceßaire aux Juges & Consuls, Paris, 1682, zit.: „Toubeau, Dt. consulaire“, Gale. – Les institutes du droit consulaire, Ou les elemens de la jurisprudence des marchands, D’un tres-grand secours au Palais, utiles à tous Marchands & Negocians, & necessaires aux Juges & Consuls, Seconde Edition augmentée, 2.  Bd., Paris, 2. Auflage, 1700, zit.: „Toubeau, Dt. consulaire II 2“, Gale. Toullier, C[harles]-B[onaventure]-M[arie]: Le droit civil français suivant l’ordre du code – Ouvrage dans lequel on a tâché de réunir la théorie à la pratique, 20.  Bd. [Du contrat de société] (= Articles 1582 et suivans, 5.  Bd.), Continuation par J[ean]-B[aptiste] Duvergier, Paris, 5. Auflage, 1839, zit.: „Duvergier in: Toullier, Dt. civ. français XX 5“, Google.

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468

Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

Westphal, Ernst Christian: Westphal, Ernst Christian: Das Teutsche und Reichsständische Privatrecht, 2.  Bd., Leipzig, 1783, zit.: „Westphal, PrivatR II“, SB Kiel Mag. Pa III 40. – Teutschlands heutiges Lehnrecht – bearbeitet wie das Teutsche und Reichsständische Privatrecht, Leipzig, 1784, zit.: „Westphal, Lehnrecht“, SB Kiel Mag. D IV 347. Weyer, Johann Moritz: De communione bonorum inter coniuges eiusque prorogatione, Duisburg, 1697, zit. „Weyer, Communione bonorum“. Widersprecher, Karl A.: Versuch einer Geschichte aller bey uns vorkommenden Arten der Gütergemeinschaft, in: Blätter vermischten Inhalts, 1788, 2.  Bd., S.  261 ff., zit.: „Widersprecher, Blätter verm. Inh. II“. Wieacker, Franz: Das Gesellschafterverhältnis des klassischen Rechts, ZRG-RA 69 (1952), S.  302–344. – Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, Göttingen, 2. Auflage, 1967, zit.: „Wieacker, PRG2“. – Societas, Hausgemeinschaft und Erwerbsgesellschaft – Untersuchungen zur Geschichte des römischen Gesellschaftsrechts, Erster Teil, Weimar, 1936, zit. „Wieacker, Societas“. Wiedemann, Herbert: Gesellschaftsrecht, Ein Lehrbuch des Unternehmens- und Verbandsrechts, 1.  Bd.: Grundlagen, München, 1980, zit.: „Wiedemann, Gesellschaftsrecht Lehrb. I“, SB Kiel Mag. H III 167. Wildt, Joseph: Verhältnis der Gesellschaftsschulden zu den Privatschulden eines Gesellschafters nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Aachen, 1900, zit.: „Wildt, Gesellschaftsschulden“. Windbichler, Christine: Gesellschaftsrecht, München, 23. Auflage 2013, des von Alfred Hueck begründeten und in der 18. und 19. Auflage von Götz Hueck bearbeiteten Werkes, zit.: „Windbichler, Gesellschaftsrecht 23“, SB Kiel Mag. H III 152 (23). Windscheid, Bernhard: Lehrbuch des Pandektenrechts, 2.  Bd., 2. Halbbd., Düsseldorf, 1. Auflage, 1866, zit.: „Windscheid, Pandektenrecht II.21“, MPI PrivR. – Lehrbuch des Pandektenrechts, 1.  Bd., Düsseldorf, 5. Auflage, 1879, zit.: „Windscheid, Pandektenrecht I5“, MPI PrivR. Wittich, Heinrich Georg: Einfaches System des heutigen Civilrechts, Frankfurt, 1805, zit.: „Wittich, CivilR“, MPI PrivR. Wohlhaupter, Eugen: Germanenrechte, 11.  Bd.: Gesetze der Westgoten, Weimar, 1936, zit.: „Wohlhaupter, Germanenrechte XI“, SB Kiel D I 232. Wolff, Carl Wilhelm: Lehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts, 1. Bd: Das deutsche Privatrecht, mit Ausschluß des Lehn- und Handelsrechts, Göttingen, 1843, zit.: „C. W. Wolff, DPR“, MPI PrivR. Wolff, Christian: Institutiones Juris Naturae et Gentium, Halle, 1754, zit.: „Ch. Wolff, Inst.“, SB Kiel Mag. R. Ph. III Wo 62; Google. – Jus naturae methodo scientifica pertractatum, 2. Teil, Frankfurt, 1742 (editio nova), zit.: „Ch. Wolff, Jus naturae II“, Google. – Jus naturae methodo scientifica pertractatum, 7. Teil, Frankfurt, 1742 (editio nova), zit.: „Ch. Wolff, Jus naturae VII“, Gale. Würdtwein, Stephan Alexander: Nova subsidia diplomatica ad selecta juris ecclesiastici Germaniae, et historiarum capita elucidanda ex originalibus et authenticis documentis congesta, notis hinc inde necessariis illustrata et edita, 1.  Bd. [Tomus primus], Heidelberg, 1781, zit.: „Würdtwein, Subsidia diplomatica I“, Google.

Veröffentlichungen

469

Zachariae, Karl Salomo: Handbuch des Französischen Civilrechts, 1.  Bd., Heidelberg, 1. Auflage, 1808, zit.: „Zachariae, Frz. CivilR I1“, MPI PrivR. – Handbuch des Französischen Civilrechts, 1.  Bd., Heidelberg, 3. Auflage, 1827, zit.: „Zachariae, Frz. CivilR I3“. – Handbuch des Französischen Civilrechts, 2.  Bd., Heidelberg, 4. Auflage, 1837, zit.: „Zachariae, Frz. CivilR II4“, SB Kiel Mag. D V 9,6984. – Handbuch des Königlich Sächsischen Lehnrechts, Leipzig, 2. Auflage, 1823, zit.: „Zachariae, LehnR 2“, SB Kiel Mag. Pa Va 1430. Zachariae, Karl Salomo; Anschütz, August: Handbuch des Französischen Civilrechts (Fünfte, vermehrte, die nachgelassenen Zusätze des Verfassers enthaltende und bis auf die neueste Zeit fortgeführte Auflage), 2.  Bd., Heidelberg, 5. Auflage, 1853, zit.: „Zachariae/Anschütz, Frz. CivilR II5“, SB Kiel Mag. D V 9,6984 ; MPI PrivR. Zachariae, Karl Salomo; Dreyer, Heinrich: Handbuch des Französischen Civilrechts, 1.  Bd., Heidelberg, 7. Auflage, 1886, zit.: „Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR I7“, MPI PrivR. – Handbuch des Französischen Civilrechts, 2.  Bd., Heidelberg, 7. Auflage, 1886, zit.: „Zachariae/Dreyer, Frz. CivilR II7“, MPI PrivR. Zachariae, Karl Salomo; Crome, Carl: Handbuch des Französischen Civilrechts, 2.  Bd., Freiburg, 8. Auflage, 1894, zit.: „Zachariae/Crome, Frz. CivilR II8“, MPI PrivR. – Handbuch des Französischen Civilrechts, 3.  Bd., Freiburg, 8. Auflage, 1895, zit.: „Zachariae/Crome, Frz. CivilR III8“, MPI PrivR. Zachariae, Karl Salomo; Puchelt, Sigismund: Handbuch des Französischen Civilrechts, 2.  Bd., Heidelberg, 6. Auflage, 1875, zit.: „Zachariae/Puchelt, Frz. CivilR II6“, MPI PrivR. Zasius, Ulrich: Opera omnia, 1.  Bd.: Commentaria, seu lecturas eiusdem in titulos primae Pandectarum partis, Frankfurt, 1590, zit. „Zasius, Opera I“, SB Kiel R II 125 folio. – Opera omnia, 3.  Bd.: Commentaria, seu lecturas eiusdem in titulos tertiae partis Pandectarum, Frankfurt, 1590, zit. „Zasius, Opera III“, SB Kiel R II 125 folio. Zeiller, Franz v.: Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, 3.  Bd., 2. Halbbd., Wien, 1813, zit.: „v. Zeiller, Commentar III.2“, SB Kiel Mag. D V 63,9. ZGB-Kommentar: Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975, und zum Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975, Autorenkollektiv (G. Baatz u. a.), hrsg. von Ministerium der Justiz, Berlin (O.), 1. Auflage, 1983, zit.: „ZGB-Kommentar1“, SB Kiel B II 1505. Zimmerle, Ludwig: Das deutsche Stammgutssystem, Nach seinem Ursprung und seinem Verlaufe, Tübingen, 1857, zit.: „Zimmerle, Stammgutsystem“, UB Göttingen Digi. Zimmermann, Reinhard: The Law of Obligations, Roman foundations of the Civilian Tradition, Oxford, 1996 (inhaltlich unveränderte Neuherausgabe der Auflage von 1990), zit.: „Zimmermann, Law of Obligations“. Zobel, Christoph [Zobell, Christoff]: Sechsisch Weychbild und Lehenrecht, 2. Teil: Das Sechsisch Lehenrecht (Bl. 2–110), Leipzig, 1537, zit.: „Zobel, Weychbild LR“, SB Kiel Mag. D I 904 folio; BayStB Digi.

470

Quellen- und Veröffentlichungsverzeichnis

Zobel, Christoff; Loss, Wolff: Sachsenspiegel Auffs new fleissig corrigirt, Leipzig, 1545 [neue Auflage des vormals von Christoff Zobel veröffentlichten Werks, dessen Herausgeberschaft jedoch nicht erwähnt ist], zit. „Zobel/Loss, Sachsenspiegel“, SB Kiel Mag D I 675 folio. Zoepfl, Heinrich: Das alte Bamberger Recht als Quelle der Carolina – Nach bisher ungedruckten Quellen und Handschriften zuerst herausgegeben und commentirt, Heidelberg, 1839, zit.: „Zoepfl, Bamberger Recht“, SB Kiel Mag. D I 771, 3. Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs: 2.  Bd., Berlin, 1890, Neudruck Osnabrück, 1967, zit.: „Zusammenst. gutacht. Aeuß. II“, UB Kiel jus 11 AB 1216.

Personenverzeichnis * 1

Baldus de Ubaldis  53, 67 ff., 82, 208, 499 Behrend, Jakob Friedrich  458 f. Berlich, Matthias  246 Beseler, Georg  143, 157, 310, 314 ff., 318 ff., 325, 329 ff., 335 ff., 350, 375, 380 ff., 405 f., 434 Besold, Christoph  245 Beuther, Johann Michael  87 ff., 91, 137, 501, 506, 508 Bluntschli, Johann Caspar  156 ff., 317, 325, 354, 385, 405 f., 434 Boyens  415, 435 f., 438, 451, 452, 511 Buchda, Gerhard  473 Carpzov, Benedikt  91, 93, 106 (Fn. 468), 137, 245 f., 501, 508 Cinus de Pistoia  53, 66 Cosack, Konrad  413, 415, 471 Crome, Carl  415 Danz, Wilhelm August Friederich  304 Dernburg, Heinrich  213, 416 Domat, Jean  62 Duncker, Ludwig  309, 341, 344, 373 Duvergier, Jean-Baptiste  206 ff. Eike von Repgow  235 Estor, Johann Georg  303 Euler, Ludwig Heinrich  331, 346 ff., 354, 346, 360 f., 365, 367, 374 f., 382, 390, 391 (Fn. 190), 393, 397, 411 f., 473 Felicius, Hector  49, 91, 137, 501 Flume, Werner  3, 60, 385, 448, 510 Fontanella, Juan Pedro  53 f., 58, 63, 506 Frémery, A.  150 f * 

Die Zahlen verweisen auf Randnummern.

Gareis, Karl  469 Gelpcke, W.  144 ff., 155, 171, 190, 358, 509 Gerber, Carl Friedrich  308, 350, 415, 472 Gierke, Otto  4, 5, 60, 72, 229, 293, 310 f., 325 ff., 385 ff., 394 ff., 405, 407, 412 f., 415 ff., 419, 431 ff., 451, 462, 467 ff., 496, 499, 501 f., 504, 510 Goldschmidt, Levin  155, 416 (Fn. 332) Green, August Friedrich Sigismund  94 Hasse, Johann Christian  307 f., 310, 316, 373, 390 Heusler, Andreas  391 ff., 407, 413, 415, 496 Homeyer, Carl Gustav  343, 360 f., 363 f. Jacobus de Ravanis  65 Johow, Reinhold  311, 413, 422 ff. Justus Veracius  60, 275, 299 ff., 304, 373, 384 Koch, Christian Friedrich  143, 155, 192 Kohler, Josef  470 Kübel, Franz v.  421 Kuntze, Johannes Emil  327 (Fn. 172), 355, 360 ff., 380, 382 f., 385 f., 387, 390, 405 f., 411 f., 415, 434, 471, 489, 504, 506, 511 Laband, Paul  414, 475 Marquard, Johannes  81 Mencke, Lüder  93, 137 Nettelbladt, Daniel  99, 116

472

Personenverzeichnis

Pardessus, Jean-Marie  148 ff. Paulus de Castro  43 ff., 49 f., 91, 96, 137, 501 Pothier, Robert-Joseph  62 Pufendorf, Samuel  98, 116, 206, 208 Roth, Paul  350, 375, 393, 397 Salgado de Somoza  51 f., 58 f., 96, 137, 501 Salicetus  68, 70 Savigny, Friedrich Carl v.  100, 102, 293, 316 Scaccia, Sigismundus  49, 70 Scherer, Martin Georg Viktor  305, 340 Schilter, Johann  245, 302 Schroeder, Richard 351, 412, 473 Stobbe, Otto  257 f., 311, 352 ff., 364 f., 367 ff., 382, 385 ff., 390, 407, 409, 411 ff., 504

Stracca, Benvenuto  49 Stryk, Samuel  81, 92, 246 Svarez, Carl Gottlieb  110, 116, 155 Thöl, Heinrich  166 Thomas von Aquin  40 Treitschke, Karl Georg  138 Troplong, Raymond-Théodore  29, 208, 210 Weber, Max  414, 471 Windscheid, Bernhard  411 Wolff, Christian  99, 116, 206 Zasius, Ulrich  80 Zoepfl, Heinreich  265 ff., 270 f., 341 f., 344, 348, 375, 397, 473

Sachverzeichnis * 1

Actio communi dividundo  s. Recht auf Teilung Akkreszenz S. Anwachsung Almende 317 Anteilsberechtigung nach Quoten  14 – Communio 20 – Gemeine Gesellschaft (Dresdner Entwurf) 421 – Gesamtbelehnung  343, 352 f., 376 f., 497 – Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  271, 291, 346 – Gesamte Hand (österreichisches Grundstücksrecht)  279, 291, 496 – Gesamte Hand (Schuldrecht)  352 f. – Gesamteigentum 303 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  2, 428, 435, 443 ff. – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  138 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  181, 197, 402 f. – Moderne Gesamthand (eheliches Güterrecht)  373, 396 – Moderne Gesamthand (allgemeine Theorie)  2, 14, 369, 380, 389, 395, 411, 413, 417, 496 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  389, 391 f., 395, 402 f., 413 – Nichtrechtsfähiger Verein  411 – Sachsenspiegel 72 – Societas ercto non cito  16 – Société commerciale (Frankreich vor 1807) 59 Anwachsung  2, 14, 502 ff. – Besondere Gesellschaft (PrALR)  114 – Communio  20, 502 * 

Die Zahlen verweisen auf Rand­nummern.

– Dereliktion von Anteilen  20, 39, 202, 502, 504 – Eheliche Gütergemeinschaft  305 – Erlaubte Privatgesellschaft (PrALR)  112 – Gemeine Gesellschaft (Dresdner Entwurf)  223 (Fn. 1013) – Gesamtbelehnung  377, 389, 497, 503 f. – Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  268, 279, 503 – Gesamteigentum  305, 503 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  2, 438 f., 463 f. – Handelsgesellschaft (ADHGB)  175, 183 ff., 202, 499, 502 – Handelsgesellschaft (Deutschland, Usus modernus)  77 – Handelsgesellschaft (HGB)  463 ff. – Handelsgesellschaft (PrALR)  112 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  142, 502 – Moderne Gesamthand (allgemeine Theorie)  371, 377, 389, 395, 417, 491 – Moderne Gesamthand (eheliches Güterrecht) 409 – Moderne Gesamthand (Erbengemeinschaft) 379 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  2, 463, 402, 504 – Rheinisches Recht  214 (Fn. 978) – Societas ercto non cito  17 – Zweigliedrige Gesellschaft  202, 464 f. Aufrechnung  65 ff. – Besondere Gesellschaft (PrALR)  114 – Deutschrechtliche Tradition  499 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  403

474

Sachverzeichnis

– Gesellschaft bürgerlichen Rechts  2, 438 f., 499 – Handelsgesellschaft (Deutschland, Usus modernus)  80 ff., 107 (Fn. 482) – Handelsgesellschaft (Genua)  69 f., 499 – Handelsgesellschaft (PrALR)  114 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  138, 144, 154, 156 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  181, 403 – Mittelalterliche Studentenbursen  53, 65 ff., 499 – Société commerciale (Frankreich vor 1807)  70, 499 – Société commerciale (Code de commerce, ab 1807)  148 Besondere Gesellschaft (PrALR)  113 ff., 204, 434 – Anwachsung  114, 502 – Aufrechnung 114 – Communio 212 – Deutschrechtliche Tradition  470, 472 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  470, 472 – Moralische Person  115, 212, 509 – Rechtspersönlichkeit 212 – Sprachliche Personifizierung  113 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände 114 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  114, 138, 501 – S. auch Handelsgesellschaft (PrALR) BGB-Gesellschaft s. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGB-Kommission, Erste  417, 419, 425 ff. BGB-Kommission, Zweite  2, 4, 14, 417, 419, 437 ff., 502 Coinvestitur s. gesamte Hand (Lehnrecht) Collectivgesellschaft (Dresdner Entwurf)  225 ff., 406 – Deutschrechtliche Tradition  226, 406 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre) 406

– Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  406 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  227 – Parteifähigkeit 226 – Rechtsfähigkeit 179 – Rechtspersönlichkeit 226 – Redaktion des BGB  421, 430 – Vereinigungen der Gegenseitigkeitshilfe oder zu idealen Zwecken  226 – S. auch Erwerbsgesellschaft (BGB) Commenda  41 f. Communio  18 ff. – Anteilsberechtigung nach Quoten  20 – Anwachsung  20, 502 – Besondere Gesellschaft (PrALR)  212 – Dereliktion von Anteilen  20 – Eheliche Gütergemeinschaft 297 ff., 322 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  316, 319 ff. – Gesamtbelehnung  241 f. – Gesamteigentum  297 ff. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  435 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  143, 153, 323 f., 382, 434 – Recht auf Teilung  20, 297 ff. – Societas 24, 31 ff., 44 ff. – Société (Code civil, ab 1804)  123, 212 – Société commerciale (Frankreich, vor 1807) 64 – Verfügungsmacht über Vermögens­ gegenstände  20, 31 ff. Dereliktion von Anteilen – Anwachsung  20, 39, 202, 502 – Communio  20, 39 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  202, 502, 504 Dominium plurium in solidum  s. Gesamteigentum Eheliche Gütergemeinschaft  2, 238 – Anwachsung 305 – Communio 297 ff., 322 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  322, 331, 333 – Gesamteigentum  297 ff. – Moralische Person  101, 293, 306 ff. – S. auch moderne Gesamthand (eheliches Güterrecht)

Sachverzeichnis

Erbengemeinschaft  2, 238, 304, 331 Erlaubte Privatgesellschaft (PrALR)  112 Erwerbsgesellschaft (BGB)  430 – Erster BGB-Entwurf  430 – Reichstagsvorlage 456 Firma  84, 113, 142, 178 f., 327, 363, 366 Fränkische eherechtliche gesamte Hand  s. gesamte Hand (fränkisches Ehe­recht) Ganerbschaft  9, 72, 229, 238, 273 (Fn. 255), 300 (Fn. 22), 303, 304 (Fn. 47), 309, 316, 392, 470, 477 Gemeine Gesellschaft – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  398 – S. auch societas Gemeine Gesellschaft (Dresdner Entwurf)  191, 222 ff., 406, 421 Genossenschaft (Genossenschaftslehre)  143, 157, 204 – Aktiengesellschaft 321 – Collectivgesellschaft (Dresdner Entwurf) 406 – Communio  316, 319 ff. – Eheliche Gütergemeinschaft  322, 331, 333 – Erbengemeinschaft 331 – Erbverträge  315 f. – Gemeine Gesellschaft  323 – Gesamteigentum  310 f., 316 – Gesamtbelehnung  327 (Fn. 173), 331 – gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  331 – Gesamte Hand (historische Figuren allgemein) 331 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  327, 330 f. – Gesamthand (moderne Theorie)  336 f., 384 ff. – Gewohnheitsrecht 320 – Handelsgesellschaft  323 f., 327, 331, 333, 337, 405 – Korporation  317 ff., 329 ff. – Materielle Rechtsgemeinschaften  323 ff., 382 – Moralische Person 321 – Niedergang  334 ff.

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– Rechtspersönlichkeit  319 ff., 329 – Societas  317 ff. – Staatliche Konzessionierung/Privilegierung  321, 324 – Universitas  317 ff. – Universität 321 – Verein 321 – Vereinigungen der Gegenseitigkeits­ hilfe oder zu idealen Zwecken  204 – Vermögensfähigkeit 320 Genossenschaft (Sozialbewegung)  335 Gesamtbelehnung s. gesamte Hand (Lehnrecht) Gesamte Hand (alte Figuren allgemein)  229 ff., 331, 352 ff. – Antike Quellen  230 – Begriffstransfer zur modernen Gesamthand  6, 10 – Gemeinschaftliches rechtsgeschäft­ liches Handeln  232, 234 – Genetische Verbindungen zur modernen Gesamthand  9, 499 ff., 511 – Germanische Stämme der Völker­ wanderung 230 – Historische Gesellschaftsfiguren  5, 9 – Korporation 38 – Rechtssubjektivität 507 – Strukturgemeinsamkeiten zur modernen Gesamthand  490 ff. Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  263 ff., 341 f., 391, 393, 488, 495 ff. – Anteilsberechtigung nach Quoten  271, 291, 346 – Anwachsung  268, 279, 503 – Bamberger Stadtrecht 264 ff. – Begriff 266 – Brechen der gesamten Hand  266 ff., 272, 277 – Einshand  265, 270, 272, 274, 305 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre) 331 – Gesamtbelehnung  344, 351, 391 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  473 – Gewere  278 f. – Gütergemeinschaft  271, 341 f. – Moderne Gesamthand (eheliches Güterrecht)  374 f., 397, 412 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht) 361

476

Sachverzeichnis

– Mundium  269, 271, 341, 346, 351 – Nichteheliche Gemeinschaften  273 – Niedergang in der Neuzeit  274 f., 280 – Quellenzitat 340 – Rechtssubjektivität 507 – Regionale Verbreitung  272 – Strukturgemeinsamkeiten zur modernen Gesamthand  494 ff. – Verfangenschaft des ehelichen Vermögens  267, 271, 350, 393 – Vermögenszuordnung  270 f., 277, 341, 348, 495, 500 – Zustimmungsbedürftigkeit von Verfügungen  267, 269, 271 f., 278 f., 350, 393, 495, 505 Gesamte Hand (Lehnrecht)  235 ff., 488 – Altes Lehen  248 – Anteilsberechtigung nach Quoten  343, 352 f., 376 f., 497 – Anwachsung  377, 389, 497, 503 f. – Begriffliche Entwicklung  242, 244 ff., 343 – Besitzlose gesamte Hand  247, 250 ff., 497, 502 – Bürgerliches Gesetzbuch  253 – Code civil 253 – Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis 249 – Communio  241 f. – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  327 (Fn. 173), 331 – Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  344, 351, 391 – Gesamteigentum  302, 304 – Gewere  239, 243, 343, 363, 366 – Glossenliteratur  242 f. – Heimfall 240 – Investitura simultanea  245, 252 – Langobardisches Lehnrecht  241, 248, 250 ff. – Lehnnachfolge  240, 246  f., 251 f., 497, 502 – Mittelalterliche lehnrechtliche gesamte Hand  235 ff. – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  360 f., 366 – Moralische Person  343 – Neues Lehen  248

– Neuzeitliche lehnrechtliche gesamte Hand  245 ff. – Niedergang als positives Recht  253 ff. – Preußisches Allgemeines Landrecht  251 – Recht auf Teilung  239 – Rechtshistorische Aufarbeitung  343 f., 352, 473 – Rechtssubjektivität  363, 376, 497, 507 – Regionale Ausbreitung  241, 244 f., 249 ff. – Sachsenspiegel  235 ff., 343 – Seitenverwandte  240, 246 ff., 251 f. – Societas 242 – Strukturgemeinsamkeiten zur modernen Gesamthand  497 – Teilung  239, 247 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände  239, 343, 497, 500, 505 – Zugriff der Privatgläubiger auf das Lehngut 500 Gesamte Hand (österreichisches Grundeigentumsrecht)  276 ff., 496 Gesamte Hand (Quellenzitat)  340 ff. Gesamte Hand (Schuldrecht)  254 ff., 488, 493 – Anteilsberechtigung nach Quoten  352 f. – Geloben mit gesamter Hand  255 – Niedergang in der Neuzeit  261 f. – Rechtshistorische Aufarbeitung  353 ff. – Rechtssubjektivität 507 – Regionale Ausbreitung  259 f. – Solidarische Verpflichtung  256 ff., 263, 340, 353 f. – Strukturgemeinsamkeiten zur modernen Gesamthand  493 Gesamte Hand (moderne Theorie und Figuren) s. moderne Gesamthand Gesamte Hand (untechnischer Begriff) – Gemeinschaftliches Handeln  234, 488 – Karolingische Zeit  232 – Sächsisches Lehnrecht  237 Gesamteigentum  295 ff. – Anteilsberechtigung nach Quoten  303 f. – Anwachsung  305, 503 – Bürgerliches Gesetzbuch  312

Sachverzeichnis

– Communio  297 ff. – Eheliche Gütergemeinschaft  297 ff., 303 ff., 373 – Ganerbschaft 303 – Genossenschaftslehre  310 f., 316 – Gesamtbelehnung 302, 304 – Moderne Gesamthand (allgemeine Theorie)  369, 411 – Moralische Person  304, 307 (Fn. 72) – Niedergang  306 ff., 370 – Propriété solidaire  60 – Recht auf Teilung  297 ff. – Rechtssubjekt  310, 370 – Römisches Recht  298 ff., 303, 307 – Sächsisches BGB  310 – Teilung  297 ff. – Vermögenseinheit 305 – Zivilgesetzbuch der DDR  312 – Zivilgesetzbuch (Schweiz)  312 (Fn. 119) – S. auch Gesamthand (Miteigentum) Gesellschaft (ABGB)  131 ff. Gesellschaft (badisches Landrecht)  126, 161 Gesellschaft (Codex Theresianus)  127 Gesellschaft (deutsche Rechtsfiguren des Mittelalters und der frühen Neuzeit) – Anteilsberechtigung nach Quoten  72 – Anwachsung 77 – Deutsche Autoren der frühen Neuzeit  80 ff., 87 ff. – Faktische Verselbständigungsansätze  84 f., 508 – Firma  84, 508 – Gesellschaftsvermögen  77, 80 ff. – Kommanditkonstruktionen 78 – Neuzeitliche Statuten  76 ff. – Rechtsfähigkeit  77, 84 – Sachsenspiegel  71 ff., 414, 471 – Sendeve 73 – Solidarische Haftung der Gesellschafter 77 – Sprachliche Personifizierung  78 – Stand der Forschung  8, 71 f. – Universalsozietäten 79 – Vertretungsmacht der Gesellschafter  77 – Widerlegung 73

477

– Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände 506 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  73, 87 ff., 506 Gesellschaft (deutsche Rechtsfiguren des Usus modernus) – Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis  107 f. – Erlaubte Privatgesellschaft (PrALR)  112 – Hamburger Fallitenordnung  105 f. – Moralische Person  102, 110 f. – Preußisches Allgemeines Landrecht  109 ff. – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  90 ff., 110 Gesellschaft (deutsches Naturrecht)  97 ff., 116, 133, 293 – Société (Code civil, ab 1804)  206 ff. Gesellschaft (Westgalizisches Gesetzbuch)  128 ff. Gesellschaft (Bayrischer BGB-Entwurf)  217 f. Gesellschaft (Hessischer BGB-Entwurf)  215 f. Gesellschaft (Sächsisches BGB)  219 f. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (deutsches BGB) – Anteilsberechtigung nach Quoten  2, 428, 435, 443 ff. – Anwachsung  2, 438 f.,463 f., 502 – Aufrechnung  2, 438 f., 499 – Bruchteilsgemeinschaft 428 – Communio 435 – Deutschrechtliche Tradition  4 ff., 432, 435 f., 452, 470 ff. – Erster BGB-Entwurf  427 ff. – Gebundendes Miteigentum  443 ff., 476, 496 – Gesamtbelehnung 497 – Gesamte Hand (fränkisches Eherecht) 473 – Gesamthand (moderne Theorie)  432 ff., 438 ff., 468 – Moralische Person des Naturrechts  510 – Parteifähigkeit  7, 449

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Sachverzeichnis

– Recht auf Teilung  429, 438, 454 f. – Rechtsfähigkeit  3, 7 – Rechtssubjektivität  448 ff., 476, 497, 510 – Rechtspersönlichkeit 7 – Römischrechtliche Tradition  4, 435 – Sondervermögen  2, 443 ff., 454 f., 462, 476 – Verfügungsmacht über Vermögens­ gegenstände  2, 428, 436, 438 f., 454 f., 495 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  438, 454 f. – Zweigliedrige Gesellschaft  465 Gesellschaftsvermögen 14 – Deutsche Gesellschaften des Mittel­ alters und der frühen Neuzeit  72 ff. – Deutschrechtliche Tradition  213 – Frankfurter Entwurf eines Handels­ gesetzbuchs 167 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  389 f. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts(deutsches BGB)  2, 443 ff., 454 f., 462 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  158 – Korporation 37 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  180 ff., 196, 201 ff., 399 – Handelsgesellschaft (HGB)  462 – Paulus de Castro  43 ff. – Peculium  44, 68, 363, 365, 400, 481 – Reichsgericht 201 – Societas  24 ff., 33, 214 – S. auch Anteilsberechtigung nach Quoten; Aufrechnung; Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände; Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände Gewere  236, 239, 243, 278 f., 343, 363, 366 Gütergemeinschaft s. eheliche Güter­ gemeinschaft Handelsgesellschaft (ADHGB)  4, 172 ff. – Anwachsung  175, 183 ff., 202, 499, 502 – Aufrechnung  181, 403

– Anteilsberechtigung nach Quoten  181, 402 f. – Deutschrechtliche Tradition  406, 472 – Firma  178 f., 327, 363, 366 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  327, 331, 333 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  327, 358 ff., 382 ff., 398 ff., 407 f. – Gesamthand (Miteigentum)  426 – Gesellschaftsvermögen  399 f. – Korporation 399 – Parteifähigkeit 178 f., 193, 195, 197 ff., 449 – Rechtspersönlichkeit 173 ff., 190, 509, 511 – Rechtssubjektivität  399 f., 408 – Rheinisches Recht 199 – Société commerciale 174, 188 – Solidarische Haftung der Gesellschafter 366 – Universitas  201, 511 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände 366 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  173, 181 f., 193, 366, 501 Handelsgesellschaft (Deutschland, frühe Neuzeit)  75 ff. Handelsgesellschaft (Genua)  48, 69 ff., 150, 208, 499, 501, 506, 508 Handelsgesellschaft (HGB)  457 ff. – Anwachsung  463 ff. – Entsprechende Anwendung bürger­ lichen Gesellschaftsrechts  2, 458 ff., 466 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht) 458 ff. – Parteifähigkeit  458 ff. – Rechtsfähigkeit  3, 458 ff. – Rechtspersönlichkeit  460, 469 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände  458, 462 – Vermögenseinheit 462 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  458, 462 – Zweigliedrige Gesellschaft  465 Handelsgesellschaft (PrALR)  113 f., 144 ff., 434

Sachverzeichnis

– Anwachsung  114, 502 – Aufrechnung 114 – Deutschrechtliche Tradition  472 – Gesellschaftsvermögen  115, 144 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht) 472 – Parteifähigkeit  118 ff., 162 – Rechtspersönlichkeit  144 ff., 169 ff., 509 – Staatliche Konzessionierung/Privilegierung 144 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände 144 – S. auch Besondere Gesellschaft (PrALR) Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  134 ff. – Anteilsberechtigung nach Quoten  138 – Anwachsung  142, 502 – Aufrechnung  138, 144, 154, 156 – Communio  143, 153, 323 f., 382, 434 – Entwurf eines württembergischen HGB 165 – Firma 142 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  323 f., 337 – Recht auf Teilung  153 – Rechtsfähigkeit 163 – Rechtspersönlichkeit  139 ff., 144 ff., 153 ff., 157, 163, 358 f. – Rheinisches Recht 160 ff. – Staatliche Konzessionierung/Privilegierung 144 – Universitas 142 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  137 f., 154, 156, 158, 501 Handelskompanie s. Korporation Haftungsprivileg s. Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände Hentica 42 Investitura simultanea  s. Gesamte Hand (Lehnrecht) Juristische Person  s. Rechtspersönlichkeit

479

Kompanie  13, 38, 122 Konkurs  51 ff. – Société en nom collectif (Code de commerce) 124 – Hamburger Fallitenordnung  105 f. – Handelsgesellschaft (ADHGB)  173 f., 187 – Handelsgesellschaft (PrAGO)  120, 154 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  158 – Preußische Konkursordnung (1855)  169 ff., 174 Korporation – Collegia  36, 207 – Ehegemeinschaft 322 – Genehmigte oder privilegierte Gesellschaften (PrALR)  112 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  317 ff. – Gesamthandkonstruktion 38 – Gewohnheitsrecht 320 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  177, 193 f. – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  157 – Handelskompanie  38, 122, 150, 154 – Parteifähigkeit 37 – Rechtsfähigkeit  37, 319 – Rechtspersönlichkeit  38, 101, 177, 293, 319 ff., 329 – Römisches Recht  35  ff., 331 – Staatliche Konzessionierung/Privilegierung  36, 38, 101, 177, 207 – Steuerpachtsozietäten 36 – Studentenbursen 68 – Vermögensfähigkeit 37 – S. auch universitas Maskopey 13 Miteigentum – Bürgerliches Gesetzbuch  311 – Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis  108, 250 – Frankfurter Entwurf eines Handels­ gesetzbuchs 167 – Gemeine Gesellschaft (Dresdner Entwurf) 223

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Sachverzeichnis

– Gesamtbelehnung  250 ff. – Gesamthand (moderne Theorie)  369 f. – Moralische Person  108 – S. auch Gesamteigentum; moderne Gesamthand (Miteigentum) Moderne Gesamthand (allgemeine Theorie), 362 ff., 369 ff., 386 ff., 391 ff. – Anteilsberechtigung nach Quoten  2, 14, 369, 380, 389, 395, 411, 413, 417 – Anwachsung  371, 377, 389, 395, 417, 491 – Deutschrechtliche Tradition  362, 364, 369, 414, 435 f., 452, 474, 511 – Eheliche Gütergemeinschaft  293 – Genetische Verbindungen zu alten Figuren der gesamten Hand  9, 499 ff., 511 – Genossenschaftslehre  336 f., 384 ff. – Gesamteigentum 369 – Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  393 – Institut und Prinzip  391, 395 – Moralische Person  510 – Recht auf Teilung  395 – Rechtssubjektivität  363 f., 370, 496 – Redaktion des BGB  432 – Reichsgericht  407 f., 474 f. – Rezeption  405 ff., 410, 469 ff. – Rheinisches Recht  409 – Streitgenossenschaft 293 – Strukturgemeinsamkeiten zu alten Figuren der gesamten Hand  490 ff. – Theorie der geteilten Mitberechtigung  392, 476, 496 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände  380, 389, 392, 395, 413, 506 – Vermögenseinheit 395 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gemeinschaftsgegenstände 500 Moderne Gesamthand (eheliches Güterrecht)  373 f., 384, 387, 393, 396 f., 407, 475 – Anteilsberechtigung nach Quoten  373, 396 – Anwachsung 409 – Deutschrechtliche Tradition  416

– Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  374 f., 397, 412 – Rechtspersönlichkeit 396 – Rechtssubjektivität 396 – Redaktion des BGB  416, 422 ff. – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände  373, 409 – Vermögenseinheit  373, 396 – Verwaltungsgemeinschaft 373, 396 Moderne Gesamthand (Erbengemeinschaft)  378 f., 384, 387, 391 f., 407, 409, 475 – Anwachsung 379 – Recht auf Teilung  392 – Rechtssubjektivität 379 – Redaktion des BGB  422 ff. Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  360 ff., 387, 398 ff. – Anwachsung  2, 463, 402, 504 – Anteilsberechtigung nach Quoten  389, 391 f., 395, 402 f., 413 – Aufrechnung  403, 499 – Besitz 403 – Collectivgesellschaft (Dresdner Entwurf) 406 – Deutschrechtliche Tradition  362, 364, 414, 470 ff. – Einfluss auf das ADHGB  360, 405 – Einfluss auf den Dresdner Entwurf  406 – Erster BGB-Entwurf  432 ff. – Firma 363 – Genetische Verbindungen zu alten Figuren der gesamten Hand  9, 499 ff. – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  327, 330 f. – Gesamtbelehnung  360 f., 366, 473 – Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  361 – Gesamteigentum 302 – Geschäftsführung 404 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  431 ff., 438 ff. – Handelsgesellschaft (ADHGB)  327, 358 ff., 382 ff., 398 ff., 407 – Handelsgesellschaft (HGB)  458 ff. – Peculium  362, 365, 400 – Preußisches Gesellschaftsrecht  472

Sachverzeichnis

– Recht auf Teilung 402 – Rechtsfähigkeit  388, 399 f. – Rechtsgeschäfte mit Gesellschaftern  402 – Rechtshistorische Aufarbeitung  473 – Redaktion des BGB  422 ff. – Parteifähigkeit 404 – Quellenbezeichnung  5, 489 – Rechtspersönlichkeit  363, 399 f., 404 – Rechtssubjektivität  363 f., 399 f., 497 – Rezeption  469 ff. – Sachsenspiegel  72, 414, 471 – Solidarische Haftung der Gesellschafter 403 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände  366, 402, 497 – Vermögenseinheit  389 f., 476 – Vertretung der Gesellschaft  404 – Wechsel von Gesellschaftern  402 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände 366 – Zweiter BGB-Entwurf  1 ff., 437 ff. Moderne Gesamthand (Miteigentum)  408 ff., 411, 422, 441 f. – Deutschrechtliche Tradition  422 ff. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  443 ff. – Handelgesellschaft 426 – Redaktion des BGB  422, 426, 441 f. Moralische Person des Naturrechts  8, 60, 97 ff., 508 – Besondere Gesellschaft (PrALR)  115, 212, 509 – Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis 108 – Eheliche Gütergemeinschaft  101, 293, 306 ff. – Entwurf eines württembergischen HGB 165 – Erlaubte Privatgesellschaft (PrALR)  112 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre) 321 – Gesamtbelehnung 343 – Gesamteigentum  304, 307 (Fn. 72) – Gesamthand (moderne Theorie)  510 – Gesellschaft (ABGB)  133 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  196

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– Handelsgesellschaft (PrALR)  163 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  61, 99, 101 ff., 139 ff. – Preußisches Allgemeines Landrecht  110 f. – Streitgenossenschaft  101 f., 293 – Rechtsfähigkeit  98 ff. – Rheinisches Recht  161 – Societas  98 ff. – Société (Code civil)  122 f. – Société commerciale  148 ff. – Statuslehre  98, 100 – S. auch Rechtspersönlichkeit Nichtrechtsfähiger Verein (BGB)  440, 446 Offene Handelsgesellschaft (ADHGB)  s. Handelsgesellschaft (ADHGB) Offene Handelsgesellschaft (HGB)  s. Handelsgesellschaft (HGB) Parteifähigkeit – Collectivgesellschaft (Dresdner Entwurf) 226 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  404 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  7 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  178 f., 193, 195, 197 ff. – Handelsgesellschaft (HGB)  458 ff. – Handelsgesellschaft (PrAGO)  118 ff., 162 – Korporation 37 – Vereinigungen der Gegenseitigkeits­ hilfe oder zu idealen Zwecken  204, 226, 407 Peculium  44, 68, 363, 365, 400 Persona moralis  s. moralische Person des Naturrechts Privatgläubiger s. Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände Quoten s. Anteilsberechtigung nach Quoten Recht auf Teilung – Communio  20, 297 ff. – Eheliche Gütergemeinschaft  297 ff.

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Sachverzeichnis

– Gesamtbelehnung 239 – Gesamteigentum  297 ff. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  429, 438, 454 f. – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  153 – Moderne Gesamthand (allgemeine Theorie) 395 – Moderne Gesamthand (Erbengemeinschaft) 392 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht) 402 – Societas 506 Rechtsfähigkeit 14 – Collectivgesellschaft (Dresdner Entwurf) 179 – Frankfurter Entwurf eines Handels­ gesetzbuchs 167 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  388, 399 f. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  3 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  399 f. – Handelsgesellschaft (HGB)  3 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  142 – Moralische Person  98 ff., 142 – Reichsgericht 197 ff. – Reichsoberhandelsgericht 197 ff. – Rheinisches Recht  160  ff., 195 – S. auch Rechtssubjektivität Rechtspersönlichkeit – Besondere Gesellschaft (PrALR)  212 – Collectivgesellschaft (Dresdner Entwurf) 226 – Firma 363 – Gemeine Gesellschaft (Dresdner Entwurf) 191 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  319 ff., 329 – Gesamtbelehnung 376 – Gesamthand (eheliches Güterrecht)  396 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  363, 399 f., 404 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  7 – Gewohnheitsrecht  150, 174, 181, 188, 200, 320

– Haftung der Mitglieder für Verbandsschulden 177 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  173 ff., 190 ff., 358 f., 363, 405 – Handelsgesellschaft (HGB)  460 – Handelsgesellschaft (PrALR)  144 ff., 155, 163 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  139 ff., 153 ff., 157, 358 f. – Korporation  38, 177, 293, 319 ff., 329 – Nichtrechtsfähiger Verein  440 – Preußische Konkursordnung (1855) 169 ff., 188, 190 – Reichsgericht 197 ff. – Reichsoberhandelsgericht 197 ff. – Relative juristische Person 193, 469 – Rheinisches Recht  160  ff., 174, 195, 199 – Société (Code civil, ab 1804)  205 ff. – Société commerciale  148 ff., 405 – Societas 29 – Staatliche Konzessionierung/Privilegierung/Genehmigung  38, 101, 177, 192, 510 – Universitas  38, 101 ff., 319 ff. – Vereinigungen der Gegenseitigkeits­ hilfe oder zu idealen Zwecken  226 – S. auch moralische Person des Naturrechts; Rechtssubjektivität Rechtssubjektivität  507 ff. – Gesamtbelehnung 376 – Gesamthand (Erbengemeinschaft)  379 – Gesamthand (eheliches Güterrecht)  396 – Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  363 f., 388, 399 f. – Gesamthand (moderne Theorie)  363 f., 370 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  448 ff., 476, 510 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  399 f. – S. auch Rechtsfähigkeit; Rechts­ persönlichkeit Rota Genuensis de Mercatura  69 ff., 208 Separationsgrundsatz s. Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschafts­ gegenstände

Sachverzeichnis

Solidarische Haftung der Gesellschafter  14, 77, 81, 124, 366, 403 – Rechtspersönlichkeit 177 Societas  13, 21 ff. – Argentariergesellschaft  34, 44 – Beendigung  23, 28 – Communio  24, 153 – Eheliche Gütergemeinschaft  342 – Eherechtliche gesamte Hand  273, 342 – Gemeine Gesellschaft (vor BGB)  211 ff., 323 – Gemeinsame Kasse  30 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  317 ff. – Gesamtbelehnung 242 – Gesellschaftsvermögen  24 ff. – Handelsgesellschaft (ADHGB)  405 – Partielle Sozietäten  23, 76 – Rechtsfähigkeit 29 – Rechtspersönlichkeit  29, 208, 212 – Schuldrechtliche Gesellschaft  26 – Societas ercto non cito  16 f., 25 – Societas publicanorum  30, 34 (Fn. 91), 208 – Subjektivität 24 – Teilung  32, 506 – Universalsozietäten  25 ff., 76, 79, 113 – Verfügungsmacht über Vermögens­ gegenstände  24, 28, 31 ff., 213, 506 – Verselbständigungsmerkmale  29 ff. Societas omnium bonorum  s. societas (Universalsozietäten) Société (Code civil, ab 1804)  121 ff., 204 ff. – Communio  123, 212 – Gesellschaft, deutsches Naturrecht  206 ff. – Korporation 212 – Moralische Person  122 f., 205 ff. – Rechtspersönlichkeit  205 ff., 212, 510 – Rheinisches Recht 212, 214 – Sprachliche Personifizierung  121, 206, 208 – Universitas 210 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände 214 Société commerciale (Frankreich, vor 1807)

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– Anteilsberechtigung nach Quoten  59 – Aufrechnung  70, 499 – Communio 64 – Gesellschafter als Gläubiger oder Schuldner der Gesellschaft  59 – Propriété solidaire  60 – Verfügungsmacht über Gesellschaftsgegenstände 62 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände  55 ff. Société commerciale (Code de commerce, ab 1807)  124, 146 ff. – Aufrechnung 148 – Frankfurter Entwurf eines Handels­ gesetzbuchs 167 – Genuesisches Gesellschaftsrecht  150 – Gewohnheitsrecht 147 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  174 – Preußische Konkursordnung (1855) 171 – Rechtspersönlichkeit  148 ff., 154, 160 ff., 405 – Rheinisches Recht 160 ff. – Sprachliche Personifizierung  160 – Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände 147 Studentenbursen  65 ff. – Aufrechnung  53, 65 ff. – Korporation 68 – Peculium 68 Teilung s. Recht auf Teilung Universitas  13, 35, 37 – Genossenschaft (Genossenschafts­ lehre)  317 ff. – Handelsgesellschaft (ADHGB)  201, 509 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  142 – Rechtspersönlichkeit  101 ff., 319 ff. – Staatliche Konzessionierung/Privilegierung  103, 321, 324, 509 – Studentenbursen 68 – S. auch Korporation Verfügungsmacht über Gesellschafts­ gegenstände

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Sachverzeichnis

– Besondere Gesellschaft (PrALR)  114, 213 – Communio  20, 31 ff. – Eherechtliche gesamte Hand 271 – Gemeine Gesellschaft (Dresdner Entwurf)  191, 224 – Genuesisches Gesellschaftsrecht  506 – Gesamtbelehnung  239, 343, 497, 505 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  2, 438 f., 454 f., 495, 505 – Gesellschaft (Bayrischer BGB-­ Entwurf) 218 – Gesellschaft (Hessischer BGB-­ Entwurf)  215 f. – Gesellschaft (Sächsisches BGB)  220 – Handelsgesellschaft (ADHGB)  366 – Handelsgesellschaft (HGB)  458, 462 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  158 – Moderne Gesamthand (allgemeine Theorie)  380, 389, 392, 395, 413, 506 – Moderne Gesamthand (eheliches Güterrecht)  373, 409, 495, 505 – Moderne Gesamthand (Gesellschaftsrecht)  366, 402 – Societas  24, 28, 31 ff., 213, 506 Vermögenseinheit – Gesamte Hand (fränkisches Eherecht)  270, 495 – Gesamteigentum 305 – Gesamthand (eheliches Güterrecht)  373 – Gesamthand (moderne Theorie)  395 – s. auch Gesellschaftsvermögen Vertretungsmacht der Gesellschafter – Deutsche Gesellschaften der frühen Neuzeit 77 – Société (Code civil)  121 Widerlegung 73 – Sendeve 73 Zugriff der Privatgläubiger auf Gesellschaftsgegenstände – Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch  131 ff.

– Besondere Gesellschaft (PrALR)  115 – Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis  107 f. – Codex Theresianus  127 – Deutsche Autoren der frühen Neuzeit  80 ff., 87 ff. – Deutschrechtliche Tradition  501 – Frankfurter Entwurf eines Handels­ gesetzbuchs 167 – Französische Autoren des 18. Jahrhunderts  61 ff. – Französische Vertragsgestaltung des 18. Jahrhunderts  64 – Französische Parlamentshöfe  56 ff., 501 – Genuesisches Gesellschaftsrecht  48, 501, 506 – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  438, 454 f., 500 – Gewohnheitsrecht 181 – Hamburger Fallitenordnung  105 f. – Handelsgesellschaft (ADHGB)  173, 181 f., 187 ff., 193, 366 – Handelsgesellschaft (Deutschland, frühe Neuzeit)  80 – Handelsgesellschaft (HGB)  458, 462 – Handelsgesellschaft (PrAGO)  120 – Handelsgesellschaft (vor ADHGB)  137 f., 154, 156, 158 – Iberische Autoren  51 ff. – Italienische Autoren  49 ff. – Moderne Gesamthand (allgemeine Theorie) 500 – Ordonnance du commerce  55, 147 – Paulus de Castro  43 ff. – Preußische Konkursordnung (1855) 169 ff. – Reichskammergericht 182 – Sachsenspiegel 73 – Sendeve 73 – Société (Code civil)  123, 214 – Société commerciale  124, 147 – Westgalizisches Gesetzbuch  128 ff. – Widerlegung 73