Matrix einer neuen Generation auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungstätigkeit: Extraterritorialer und transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz sowie demokratische Kontrolle bei der auslandsnachrichtendienstlichen strategischen Fernmeldeaufklärung im Rechtsvergleich [1 ed.] 9783428587223, 9783428187225

»Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht«? Die vorliegende Forschungsarbeit stellt das Gegenteil fest: Massenhaftes

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German Pages 660 Year 2023

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Matrix einer neuen Generation auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungstätigkeit: Extraterritorialer und transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz sowie demokratische Kontrolle bei der auslandsnachrichtendienstlichen strategischen Fernmeldeaufklärung im Rechtsvergleich [1 ed.]
 9783428587223, 9783428187225

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Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit

Band 20

Matrix einer neuen Generation auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungstätigkeit Extraterritorialer und transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz sowie demokratische Kontrolle bei der auslandsnachrichtendienstlichen strategischen Fernmeldeaufklärung im Rechtsvergleich

Von

Maik Knaust

Duncker & Humblot · Berlin

MAIK KNAUST

Matrix einer neuen Generation auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungstätigkeit

Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Münster

Band 20

Matrix einer neuen Generation auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungstätigkeit Extraterritorialer und transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz sowie demokratische Kontrolle bei der auslandsnachrichtendienstlichen strategischen Fernmeldeaufklärung im Rechtsvergleich

Von

Maik Knaust

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der FAZIT-STIFTUNG, Frankfurt a.M.

Die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-18722-5 (Print) ISBN 978-3-428-58722-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Urfassung dieser Arbeit wurde im November 2020 nach mehrjähriger Forschung, zuletzt unterbrochen durch das Referendariat, als Dissertation bei der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen eingereicht. Die Intention und das Ziel des Dissertationsvorhabens waren es, dem Diskurs und den teilweise unterschiedlichen Reaktionen der großen Überwacherstaaten auf die Enthüllungen Edward Snowdens im Jahr 2013 durch den Guardian, die Washington Post und den Spiegel eine rechtliche Dimension zu verleihen. Die stetig aufkeimende Debatte bei auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten über Freiheit und Sicherheit sollte auch anhand einer „Best practice“ rechtsvergleichend fruchtbar gemacht werden. Die in 2015 und 2016 in zahlreichen Staaten eingeführten neuen Auslandsnachrichtendienstgesetze dienten hierbei als maßgeblicher Ausgangs- und Themenschwerpunkt. Der wissenschaftliche Austausch in den regelmäßigen Institutsrunden, den Doktorandinnen- bzw. Doktorandentreffen, den vielen Seminaren und die unzähligen politischen und wissenschaftlichen Diskussionen am Lehrstuhl halfen mir dabei wesentlich bei der Fertigstellung meiner Arbeit. Sel­ biges gilt für die netzpolitischen Abende der Digitalen Gesellschaft, die netzpolitischen Kongresse im Paul-Löbe-Haus oder die Veranstaltungen zu Menschenrechten im Digitalen Zeitalter von Amnesty International. Mein Dank gilt daher allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der benannten Veranstaltungen. Im Speziellen gilt zuvörderst mein größter Dank meinem Doktorvater, dem mittlerweile ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Andreas L. Paulus, welcher mir nicht nur größtmögliche wissenschaftliche Freiheit bei der Umsetzung dieser Arbeit zugestanden, sondern mir jederzeit in vielen Treffen mit Rat und Wissen zur Seite stand und zum Feinschliff dieser Arbeit entscheidend beigetragen hat. Des Weiteren möchte ich mich bei Prof. Dr. Thomas Mann für die Übernahme und Erstellung des Zweitgutachtens bedanken, nachdem die ursprüngliche Zweitgutachterin die Korrektur krankheitsbedingt abgegeben hat. Ausdrücklich möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Marcus Schladebach danken, der mich bei der Themenfindung unterstützte und zur Promotion in diesem Themenkomplex motivierte. Bedanken möchte ich mich ferner bei einem Mitglied des PKGr sowie weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Sektor, welche mir

6 Vorwort

durch bereitwillige Interviews und Fragen wertvolle Einblicke in die Praxis der nachrichtendienstlichen Kontrollarbeit gewährten und somit die Arbeit weiter ergänzen halfen. Die Anfertigung einer mehrjährigen Forschungsarbeit erfordert zudem eine besondere Unterstützung von Freunden und der Familie, ohne die eine Fertigstellung womöglich in weite Ferne gerückt wäre. Hervorgehobener Dank gilt dabei meiner Partnerin Franziska Berg, die mir nicht nur durch unzählige Korrekturarbeiten, fundierte Diskussionen und einen ständigen Austausch geholfen, sondern mich in dieser Zeit besonders motiviert und mir stets zur Seite gestanden hat. Ebenfalls sollen neben vielen anderen meine langjährigen Freunde Jan-Henrik Hinselmann und Lennart Wegener, welche mich sowohl im Studium als auch danach begleiteten, nicht unerwähnt bleiben, da die Arbeit in ihrer jetzigen Form ohne ihre zahlreichen Denkanstöße und wertvollen Meinungsaustausche wohl kaum so zustande gekommen wäre. Selbiges gilt für meinen guten Freund Andreas Kraus, der in der finalen Phase mit einem kritischen Blick von außen noch einmal zur Schärfung dieser Arbeit beigetragen hat. Im Rahmen der Drucklegung gilt zuletzt mein spezieller Dank der FAZITStiftung, die meine Veröffentlichung finanziell sehr großzügig unterstützt hat. Göttingen und Lüneburg, im August 2022

Maik Knaust

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Einführendes Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Intention der Arbeit und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Methodische Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Terminologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Die Unterscheidung von Geheim- und Nachrichtendiensten  . . . . . . 30 2. Auslandsnachrichtendienste als spezielle Form der Nachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Verarbeitung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Institutionelle demokratische Kontrolle der Exekutive und innergewaltliche Aufsichtsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Bedeutung und Mehrwert nachrichtendienstlicher Tätigkeit  . . . . . . . 39 2. Untersuchungsobjekt: Auslandsnachrichtendienstliche SIGINTÜberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Untersuchungsgegenstand: Die Auslandsnachrichtendienste Deutschlands, Frankreichs und der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Der Bundesnachrichtendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Verfassungsrechtliche Verankerung des BND im Grundgesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst . . . . . . . . . . . 48 (1) Territoriales Betätigungsfeld des BND: Aufklärungsauftrag über das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (2) Auslandsnachrichtendienstliche Überwachungsbefugnisse des BNDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 cc) Das G10-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Die Auslandsnachrichtendienste in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Struktur und Aufgaben der US-amerikanischen Auslandsnachrichtendienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Gesetzliche Grundlagen für die Wahrnehmung des Tätigkeitsauftrages und daraus folgende Befugnisse der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung in den USA . 64 (1) Der Foreign Intelligence Surveillance Act . . . . . . . . . . . 64 (2) Die Executive Order 12.333 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Die Auslandsnachrichtendienste in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) Struktur und Aufgaben der französischen auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

8 Inhaltsverzeichnis bb) Gesetzliche Grundlagen für die Wahrnehmung des Tätigkeitsauftrages und daraus folgende Befugnisse der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung in Frankreich . . 74 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz bei auslands­ nachrichtendienstlicher Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Die Entwicklung und Bedeutung des Konzepts der Privatheit . . . . . . . . 85 II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutzbei auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Die territoriale Bindungswirkung der deutschen Grundrechte: Räumlicher Anwendungsbereich beim Handeln des BND  . . . . . . . . 91 a) Grundrechtsbindung bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln im Inland – die institutionelle Reichweite von Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Die Ausübung von Staatsgewalt in Form der vollziehenden Gewalt als Ausgangspunkt staatlicher Grundrechtsbindung . 94 bb) Die gesetzliche Ermächtigung des BND zur Ausübung vollziehender Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Grundrechtsbindung bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln mit Auslandsbezug – die territoriale Reichweite von Art. 1 Abs. 3 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Die Theorie zur territorialen Beschränkung des Grundgesetzes auf das Bundesgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Universalistische Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Eingeschränkte Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 dd) Unions- und menschenrechtlicher Einfluss auf die Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG bei Auslandssachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (1) Supranationaler Einfluss auf die Grundrechtsbindungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (2) Regionaler und universeller Einfluss der Menschenrechte auf die Grundrechtsbindungen der deutschen Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (a) Einfluss der EMRK und des EGMR auf die Bindungsreichweite des Art. 1 Abs. 3 GG? . . . . . . . . . . 119 (b) Universelle Menschenrechtsinstitute und deren Einfluss auf Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 ee) Einschränkung der Bindungswirkung i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG bei transnationalen und extraterritorialen Überwachungen des BND? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (1) Notwendigkeit der Bestimmung eines territorialen Anknüpfungspunktes bei digitaler Überwachung? . . . . . 124 (2) Die Grundrechtsbindung des BND bei der transnationalen ­Fernmeldeaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Inhaltsverzeichnis9 (3) Grundrechtsbindung bei der extraterritorialen Fernmeldeaufklärung des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Bewertung der Grundrechtsbindung bei auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Maßnahmen des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Die territoriale Grundrechtsgeltung im Lichte auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung: Privatsphärenschutz in der deutschen Verfassung und das BNDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Anwendbarkeit der Grundrechte aus sachlicher und personeller Sicht: Aktivlegitimation für In- und Ausländerinnen bzw. Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Generelle Grundrechtsgeltung im Inland: Bürgergrundrechte und Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Die territoriale Reichweite der Grundrechtsgeltung  . . . . . . . 143 b) Die Geltungsreichweite der Fernmeldefreiheit nach Art. 10 Abs. 1 GG aus personeller und sachlicher Schutzbereichsper­ spektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Die Geltungsreichweite des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus personeller und sachlicher Schutzbereichsperspektive . . . 150 d) Staatliche Beschränkungsmaßnahmen durch die technische Fernmeldeaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 e) Rechtfertigungskonstellationen auf verfassungsrechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 f) Internationale Einflüsse auf die Grundrechtswertungen bei der technischen Fernmeldeaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Konventionskonforme Auslegung der Grundrechtsgeltung . . 159 bb) Weitere menschenrechtliche Einflüsse auf die Grundrechtsgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 g) Bewertung der Grundrechtsgeltung bei auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Maßnahmen des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Die Grundrechtsbindung und -geltung bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln im Ausland nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung . . . . . 166 4. Die auslandsnachrichtendienstlichen Rechtsgrundlagen im Lichte der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Das G10 im verfassungsrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Das Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung im verfassungsrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und die Grundrechtsgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Das Zitiergebot i. S. d. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG  . . . . . . . . . . . 178 cc) Differenzierung von Aufgaben- und Befugnisnormen des BNDG im Lichte des Vorbehalts des Gesetzes . . . . . . . . . . . 179 dd) Verhältnismäßigkeitserwägungen: Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

10 Inhaltsverzeichnis ee) Verhältnismäßigkeitserwägungen: Verbot der flächendeckenden Totalüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 ff) Verhältnismäßigkeitserwägungen: Der Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern . . . . . . . . 190 gg) Weitere Anforderungen zur Begrenzung der Überwachung . 191 hh) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Ausland-Auslandfernmeldeaufklärung hinsichtlich der Befugnisse des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 5. Fazit zum transnationalen und extraterritorialen Grundrechtsschutz bei auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Überwachungen . . . . . 194 a) Das generelle Problem der Auslandsgeltung bei der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Massenüberwachung und Kernbereichsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger . . . . . . . 202 d) Regelungen zur Individualüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 e) Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutzin anderen Überwachungsnationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Der Schutz der Bürger- und Menschenrechte bei auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung durch französische Dienste – La Vie privée contre l’Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Die Bindungswirkung der französischen Gewalten an den Bloc de constitutionnalité . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Die umfassende Bindung staatlicher Gewalt auf französischem Territorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Die territoriale Reichweite der Bindungswirkung des Bloc de constitutionnalité . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Die Schutzwirkung des Bloc de constitutionnalité für In- und Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Grundrechtsschutz für Inländer im In- und Ausland . . . . . . . 218 bb) Grundrechtsschutz für Ausländerinnen und Ausländer im In- und Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (1) Universalistische Ansätze in der Erklärung von 1789 sowie der Präambel der Verfassung von 1946 . . . . . . . . 223 (2) Die verfassungsrechtliche Auslegung der personellen Geltungsreichweite des Bloc de constitutionnalité  . . . . 225 (3) Das territoriale Verständnis der Geltungsreichweite der bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen für Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (4) Adaption des internationalen Rechts zur Erweiterung des französischen Bürger- und Menschenrechtsschutzes  230 (a) Der Einfluss der primären Unionsgrundrechte auf die Bürger- und Menschenrechte in Frankreich . . . . 232

Inhaltsverzeichnis11 (b) Der Einfluss des internationalen Menschenrechtsschutzes auf die Bürger- und Menschenrechte in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 d) Der Privatsphärenschutz im Lichte auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Der Schutz der Privatsphäre in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Die Privatsphäre und die Loi relative au renseignement . . . 244 cc) Rechtfertigungsmöglichkeiten der Beschränkungen des Privatsphärenschutzes durch nachrichtendienstliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (1) Die gesetzliche Grundlage zur auslandsnachrichtendienstlichen ­Tätigkeit und ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (2) Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte: Der Konflikt des Ordre public und des Schutzes der Privatsphäre . . . . . . 249 e) Rechtliche Würdigung – ein Zwischenergebnis für Frankreich  . 255 2. Verfassungsrechtlicher Privatsphärenschutz in den USA und auslandsnachrichtendienstliche Überwachung US-amerikanischer Dienste  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Territoriale Bindungsreichweite der US-Grundrechte . . . . . . . . . . 262 b) Territoriale Anwendbarkeit der Civil Liberties für In- und Ausländerinnen bzw. Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Persönlicher Anwendungsbereich der Civil Liberties auf US-amerikanischem Hoheitsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 bb) Persönlicher Anwendungsbereich der Civil Liberties außerhalb des US-amerikanischen Hoheitsgebietes . . . . . . . . . . . . 273 c) Internationaler Einfluss auf die Bindungs- und Geltungswirkung auf die Civil Liberties . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 d) Der Schutz des „right to privacy“ in den USA in Zeiten auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 aa) The Constitutional Right to Privacy in the United States of America . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) The Right to Privacy & State Surveillance . . . . . . . . . . . . . . 286 cc) The Right to Privacy & FISA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (1) FISA & reasonable expectation of privacy . . . . . . . . . . . 290 (2) FISA und the reasonable test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (a) Reasonableness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (b) Warrants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (c) Probable Cause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 e) Rechtliche Würdigung – ein Zwischenergebnis für die USA und den FISA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

12 Inhaltsverzeichnis aa) Würdigung in Bezug auf die territoriale Anwendbarkeit bei auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung . . . . . . . . . . . 303 bb) Würdigung in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung des Right to privacy bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Rechtsvergleich – extraterritorialer Grund- und Menschenrechtsschutz in Zeiten auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung . . . . 312 D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen – Asymmetrische Tenden­ zen zwischen Kontrolleuren und Kontrollobjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 I. Kontrolle des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die nachrichtendienstliche Kontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 a) Grundgesetzliche Vorgaben für die Nachrichtendienstkontrolle . . 322 aa) Art. 45d GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 bb) Art. 10 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 b) Verfassungsgerichtliche Vorgaben für die nachrichtendienstliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Einfachgesetzliche Ausgestaltung der Auslandsnachrichtendienstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Parlamentarische Kontrolle der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 aa) Die wesentlichen Änderungen des Kontrollsystems der Nachrichtendienste nach der Gesetzesnovelle 2009 und Gründe für die Re-Novellierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 (1) Unterrichtungspflichten der Bundesregierung . . . . . . . . . 337 (2) Die neuen Informationsrechte: Akteneinsichtsrecht  . . . . 339 (3) Die neuen Informationsrechte: Befragungs- und Auskunftsrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (4) Die neuen Informationsrechte: Zutrittsrecht zu den Diensträumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (5) Weitere Neuerungen des Gesetzes zur Fortentwicklung der ­parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes aus 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (6) Novellierung als erster Schritt zur Re-Novellierung – Öffentliche Kritik an den Gesetzesnovellen von 2009 . . 344 bb) Parlamentarische Kontrolle des BND nach den Reformen 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 (1) Die Einführung einer bzw. eines Ständigen Bevollmächtigten durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 354 (2) Bewertung der Literatur und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . 355 (3) Weitere Neuerungen durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle . . . . . 359 (4) Bewertung der Literatur und der Öffentlichkeit . . . . . . . 362

Inhaltsverzeichnis13 cc) Weitere parlamentarische Kontrollorgane und -mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Exekutive Kontrolle durch Aufsicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 aa) Die Dienst- und Fachaufsicht des BND  . . . . . . . . . . . . . . . . 374 bb) Beauftragte für die Nachrichtendienste des Bundes . . . . . . . 377 cc) Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa­ tionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 dd) Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle des Bundesrechnungshofes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 ee) Interne Kontrolle beim BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 ff) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 c) Gerichts- und Ersatzgerichtsbarkeit zur Kontrolle des BND  . . . 387 aa) Gerichtliche Kontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 (1) Überprüfungsmöglichkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 (2) Überprüfungsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 bb) Quasi-gerichtliche Kontrolle im Bereich des Art. 10 GG und bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung . . . . . . . 402 (1) Die G10-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 (a) Generelle Kontrollaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 (b) Neuerungen durch die Gesetzesreformen 2016? . . . 409 (2) Die Neuschaffung des Unabhängigen Gremium durch das Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (3) Zwischenfazit zur quasi-gerichtlichen Kontrolle der ­Ersatzgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 d) Kontrollverstärkende Faktoren für die staatlichen Gewalten durch die Medien und die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 aa) Mediale Kontrolle und interne Hinweisgebende . . . . . . . . . . 423 bb) Kontrolle durch „hacktivistische“ Initiativen, NGOs und die Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 cc) Auskunftsansprüche und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 3. An einen asymmetrischen Kontrollzustand zu stellende Mindestanforderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a) Menschenrechtliche Mindestanforderungen an die nachrichtendienstliche Kontrolle auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 b) Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen an die Kontrolle des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435

14 Inhaltsverzeichnis

II.

4. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur AuslandAuslandfernmeldeaufklärung hinsichtlich der Kontrolle des BND . . 442 5. Kritische Würdigung unter Bezugnahme erster Erfahrungen aus der Praxis zum aktuellen Stand der Kontrolle des BND . . . . . . . . . . . . . 442 a) Mangelnde Informationsgewinnungsmöglichkeiten für Kontrollorgane  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 b) Mangelnde „Leistungskontrolle“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 c) Mangelnde Leistungsfähigkeit durch Zersplitterung der Kon­ trolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 d) Conclusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich  . . . . . . . 465 1. Die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle in Frankreich . . . . . . . 466 a) Nachrichtendienstliche Kontrolle in Frankreich vor 2015 . . . . . . 467 b) Die Commission nationale de contrôle des techniques de ren­ seignement – Symbiose exekutiver, legislativer und fachlicher Auslandsnachrichtendienstkontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 c) Parlamentarische Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste . . . . 476 d) Exekutive Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste seit den Reformen 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 aa) Die Kontrolle durch die Premierministerin bzw. den Pre­ mierminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 bb) Commission nationale de contrôle des interceptions de sécurité . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 cc) Le groupement interministériel de contrôle . . . . . . . . . . . . . . 482 e) Gerichtliche und quasi-gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 483 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 2. Die Auslandsnachrichtendienstkontrolle in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 a) Entwicklung nachrichtendienstlicher Kontrolle in den USA . . . . 489 b) Exekutive Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 aa) Der Präsident bzw. die Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 bb) Das President’s Intelligence Advisory Board und das Intelligence Oversight Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 cc) National Security Council . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 dd) Director of National Intelligence und Director of the Central Intelligence Agency   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 ee) Privacy and Civil Liberties Oversight Board . . . . . . . . . . . . . 501 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 c) Parlamentarische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 aa) Select Committee on Intelligence of the Senate . . . . . . . . . . 506 bb) Permanent Select Committee on Intelligence of the House of Representatives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508

Inhaltsverzeichnis15 d) Die Kontrolle durch den Foreign Intelligence Surveillance Court . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entwicklung der kompetenziellen Kontrolle – Gatekeeper of Civil Liberties . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einflüsse von 9/11 auf die Kontrolle des FISC – Rule maker for mass surveillance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle unter dem USA FREEDOM Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle durch die ordentliche und verfassungsrechtliche Gerichtsbarkeit der USA . . . . . . . . . . . f) Weitere Kontrollmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelne hervorzuhebende nachrichtendienstliche Kontrollansätze aus weiteren Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ein Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkon­ trolle in den USA und Frankreich im Verhältnis zu Deutschland  . . . . . 1. Exekutiver Kontrollbereich im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parlamentarischer Kontrollvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Judikativer und quasi-gerichtlicher Kontrollvergleich   . . . . . . . . . . . 4. Conclusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

509 511 516 521 524 529 530 533 535 536 540 543 547

E. Matrix – Neun Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienst­ licher Tätigkeit und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 I. Ausgangslage einer deutschen Re-Novellierung: Bestehende positive Ansätze im Regelungssystem der Auslandsnachrichtendienste nach den Novellierungen 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 II. Abbau asymmetrischer Strukturen zwischen Staatsangehörigen und Ausländerinnen bzw. Ausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 III. Einführung gesetzlicher Regelungen zur Stärkung der Berufs­ geheimnisträgerinnen bzw. Berufsgeheimnisträger bei der auslands­ nachrichtendienstlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 IV. Herstellung einer leistungsfähigen Kontrollarchitektur durch „Entsplitterung“ der Nachrichtendienstkontrolle und Steigerung der Koopera­ tion der Kontrollorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 V. Stärkung der Kontrollbefugnisse und der Personal- sowie Sachmittelausstattung der Kontrollorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 VI. Kein Geheimnisschutz gegenüber und unter den Kontrollorganen . . . . . 569 VII. Verbesserung der Kontrolle durch Stärkung der parlamentarischen Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 VIII. Vorbeugung von Missständen und Missbrauch bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen durch Schaffung von Sanktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 IX. Steigerung der Transparenz nachrichtendienstlicher Tätigkeit und deren Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582

16 Inhaltsverzeichnis X.

Regelmäßige Evaluierung der auslandsnachrichtendienstlichen Möglichkeiten durch parlamentarische Gremien zur Anpassung der gesetzlichen Befugnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 XI. Zwischenfazit: Matrix auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 XII. Ausblick: Der Referentenentwurf des Bundeskanzleramtes vom 25.09.2020  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656

Abkürzungsverzeichnis ACLU BfDI

American Civil Liberties Union Bundesbeauftrage/r für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BGH Bundesgerichtshof BKA Bundeskriminalamt BND Bundesnachrichtendienst BRH Bundesrechnungshof BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht CFI Committee on Foreign Intelligence CIA Central Intelligence Agency CLPO Civil Liberties Protection Officer CNCIS Commission Nationale de Contrôle des Interceptions de Sécurité CNCTR Commission Nationale de Contrôle des Techniques de Ren­ seignement CNR Coordonnateur National du Renseignement CSI Code de la Sécurité Intérieure CVFS Commission de Vérification des Fonds Spéciaux DAFIS Daten-Filter-System D-CIA Director of the Central Intelligence Agency DGSE Direction Générale de la Sécurité Extérieure DGSI Direction Générale de la Sécurité Intérieure DNI Director of National Intelligence DNRED Direction Nationale du Renseignement et des Enquêtes Doua­ nières DPR Délégation Parlementaire au Renseignement DRM Direction du Renseignement Militaire DRSD Direction du renseignement et de la Sécurité de la Défense EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EL Ergänzungslieferung FISA Foreign Intelligence Surveillance Act

18 Abkürzungsverzeichnis FISC FISCR GIC HUMINT IAC IC IGH IMINT IOB LfV MAD ND-Lage NGO NSA NSC NSU ODNI OSINT PCLOB PIAB PKGr PR-Lage

Foreign Intelligence Surveillance Court Foreign Intelligence Court of Review Groupement Interministériel de Contrôle Human Intelligence Inter-American Commission United States Intelligence Community Internationaler Gerichtshof Imagery Intelligence Intelligence Oversight Board Landesamt für Verfassungsschutz Militärischer Abschirmdienst Besprechung der nachrichtendienstlichen Lage Non-Governmental Organization National Security Agency National Security Council Nationalsozialistischer Untergrund Office of the Director of National Intelligence Öffentlich zugängliche Quellen Privacy and Civil Liberties Oversight Board President’s Intelligence Advisory Board Parlamentarisches Kontrollgremium „Präsidentenrunde“ der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Nachrichtendienste PSCIHR Permanent Select Committee on Intelligence of the House of Representatives SCIS Select Committee on Intelligence of the Senate SIGINT Signals Intelligence TKÜ Telekommunikationsüberwachung Im Weiteren wird auf die Abkürzungen aus Kirchner, Abkürzungen für Juristen, 2. Aufl. 1993, verwiesen.

„Ich habe […] auch immer wieder gegenüber dem amerikanischen Präsidenten deutlich gemacht: Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht – das habe ich […] gesagt, […] aus dem Interesse für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.“1 Angela Merkel „[Ich bin] irritiert über eine solche Naivität […,] dass unsere Politiker die Berichte nicht lesen, die wir ihnen schicken. […] Die französischen Nachrichtendienste wissen sehr wohl, dass alle Staaten, egal ob sie Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus sind oder nicht, sich gegenseitig jederzeit überwachen.“2 Bernard Squarcini

A. Einleitung Spionage und Überwachung sind keine Nova des digitalen Zeitalters; in Zeiten von Cyberangriffen auf Parlamente, Wahlmanipulationen durch Social Bots3 oder angesichts des weltweiten Terrorismus aus den nationalen Sicherheitsarchitekturen aber kaum noch wegzudenken. Die Vielzahl an unterschiedlich gestalteten Konfliktszenarios machen es Staaten damit schwer, deren verfassungsmäßige Ordnung und die verfassungsverbürgten Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen sowie Sicherheit innerhalb ihrer Grenzen zu gewährleisten. Obgleich nach dem Global Terrorism Index zumindest die weltweite Zahl an terroristischen Opfern seit 2014 zurückgegangen ist, nahmen vor allem terroristische Anschläge und die daraus resultierenden Toten in den westlichen Staaten seit 2014 zu.4 Eine besonders akute 1  Pressestatement vor der Sitzung des Europäischen Rates in Brüssel am 24.10.2013, verfügbar unter: https://archiv.bundesregierung.de/archiv-de/dokumente/ pressestatement-von-bundeskanzlerin-merkel-vor-der-sitzung-des-europaeischen-ratesam-24-oktober-2013-843818 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 2  Siehe dazu Interview mit France 24, zitiert in: Todd, Paris also snoops on US, says French former spy boss, in: France 24 vom 24.10.2013. Bernard Squarcini ist ehemaliger Direktor des französischen Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE). 3  Sie werden auch als „Meinungsbots“ bezeichnet. Hierunter sind Programme zu verstehen, die auf Algorithmen beruhen, die menschliche Verhaltensmuster, vorwiegend in sozialen Medien, simulieren sollen. 4  In den Ländern mit der höchsten Terrorismusquote – Syrien, Afghanistan, Pakistan und Nigeria – ist die Zahl der Anschläge leicht zurückgegangen. Vor allem in Nigeria sind 80 % weniger Menschen dem Terror von Boko Haram erlegen. Vgl. dazu auch Institute for Economics & Peace, Global Terrorism Index 2017, S. 2.

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A. Einleitung

Gefahr für die europäischen Staaten ist seit 2015 der religiös motivierte Terrorismus.5 Allein 2016 sind diesem Terrorismus mehr Menschen in den OECD-Staaten zum Opfer gefallen als in keinem anderen Jahr des 21. Jahrhunderts – ausgenommen 2001.6 Exemplarisch hierfür stehen die Attacken auf die Zentrale von Charlie Hebdo und der „vendredi noir“ – der schwarze Freitag – in Paris 2015, die Lieferwagenangriffe auf dem Berliner Breitscheid­ platz 2016 sowie auf der Promenade des Anglais in Nizza, die Bombendetonationen in Brüssel oder im bayrischen Ansbach aus demselben Jahr, ein Jahr später die Attacken auf den Ramblas in Barcelona und der London-Bridge, der Anschlag auf ein Popkonzert in Manchester 2017 oder die zahlreichen Messerangriffe in London, Turku, Hamburg oder Würzburg.7 Die größte Gefahr geht derzeit in Europa vom sogenannten Islamischen Staat (IS) aus, welcher trotz erheblicher Gebietsverluste in Syrien und im Irak noch immer für ca. 75 % des weltweiten Terrors verantwortlich ist.8 Gerade in Deutschland ist jedoch auch die Frequenz des Terrorismus anderer politisch motivierter Strömungen in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Der NSU, die Freital-Gruppe, das Freie Netz Süd, das Hekla-Komitee oder die Federazione Anarchica Informale bilden nur einen Ausschnitt einer Vielzahl unterschiedlichster Vereinigungen, die alle samt politisch motivierte Straftaten begangen, geplant oder versucht haben.9 Um derlei Gefahren frühzeitig erkennen und effektiv begegnen zu können, erscheint ein gut informierter Sicherheitsapparat unerlässlich. Elementarer Bestandteil eines solchen Sicherheitsapparats sind vor allem auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse zur Informationsgewinnung im Vorfeld. Allein die deutsche Polizei konnte aufgrund nachrichtendienstlicher Informationen einen Bombenanschlag auf dem Ludwigshafener Weihnachtsmarkt verhindern, einen IS-Anhänger mit zwei Kilogramm Sprengstoff in Chemnitz fassen und eine Schläfer-Zelle des IS in Düsseldorf ausheben.10 Den Nachrich5  Dieser erstreckt sich bereits seit 2001 nicht mehr nur auf die „Ursprungsländer“ wie Afghanistan, Irak, Libyen, Mali, Nigeria, Pakistan, Syrien oder Somalia. Zuletzt noch einmal hervorgehoben von Al Hussein, Negative effects of terrorism on the enjoyment of all human rights and fundamental freedoms, UN Doc. A/HRC/34/30, S. 13. 6  Institute for Economics & Peace, Global Terrorism Index, 2017, S. 51 ff. 7  Vgl. die Zusammenschau der Neuen Züricher Zeitung vom 20.08.2017, Terroranschläge in Europa seit 2015. 8  Daneben existieren allerdings eine Vielzahl anderer bedrohlicher Terrorgruppen mit Al-Shabaab, Al-Quaida, Ansar Eddine, Boko Haram oder den Taliban, die jedoch weit überwiegend in ihren Ursprungsregionen aktiv sind. 9  Siehe hierzu auch die Global Terrorism Database, verfügbar unter: https://www. start.umd.edu/gtd/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 10  Zusammenfassend zu finden in der Neuen Züricher Zeitung vom 20.12.2016, Vereitelte und tatsächliche Attentate.



A. Einleitung21

tendiensten stehen dafür heutzutage enorme Ressourcen und wirkmächtige Instrumente zur Hand, um demokratische Freiheiten zu schützen. Besonders wertvoll für die fundamentale staatliche Aufgabe der Sicherheitsgewährleistung sind die technischen Möglichkeiten über digitale und internetbasierte Medien. Nachrichtendienste agieren in Demokratien jedoch unter einer Prämisse: Sie sollen die rechtsstaatlichen und demokratischen Werte und Freiheiten schützen, ohne diese selbst zu untergraben. Im Jahr 2013 veranschaulichten die Enthüllungen des CIA-Mitarbeiters Edward Snowden, wie schwierig dieser Balance-Akt in realiter sein kann und wie sehr nachrichtendienstliches Verhalten zum Schutz der Verfassung droht, auf Kosten tragender Verfassungswerte vollzogen zu werden. Die vom Bundesverfassungsgericht vorgetragene zu vermeidende Gefahr eines „diffus bedrohliche[n] Gefühl[s] des Beobachtetseins“11 durch den Staat ist – schenkt man den Veröffentlichungen des Whistleblower Edward Snowden Glauben – auch in Deutschland längst Realität geworden12 und erschütterte in ihrem deutlich zu Tage getretenem Ausmaß die Gesellschaft als „historische[r] Angriff auf [den] demokratischen Rechtsstaat“.13 Massenhaftes Sammeln und Analysieren von Verbindungs­ daten aus Telefongesprächen, SMS, E-Mails oder Chats; Erstellen von Bewegungsprofilen anhand von Überwachungen von Standortdaten von Mobiltelefonen sowie Echtzeitkontrollen von YouTube, Google-Blog-Plattformen und Facebook-Likes sind nur einige der Möglichkeiten, die moderne Nachrichtendienste für ihre freiheitsbeschränkenden Überwachungsmaßnahmen nutzen.14 Sie sind damit nicht nur auf aktuelle Trends und gesellschaftliche 11  BVerfGE

125, 260, 320 – Vorratsdatenspeicherung. Papier, in: Die Welt, Interview vom 05.08.2013. Seit Juni 2013 werden kontinuierlich neue Erkenntnisse über die Vorgehensweise der amerikanischen Geheimdienste (überwiegend der NSA) und deren Zusammenarbeit mit anderen Nachrichtendiensten bekannt. Vgl. dafür u. a. Greenwald, NSA collecting phone records of millions of Verizon customers daily, in: The Guardian vom 06.06.2013. 13  Stadler, Geheimdienste und Bürgerrechte, in: Beckedahl/Meister, Überwachtes Netz, 2013, S. 145 (145); Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S.  15 ff.; Posener, Datenschutz, in: IP 2013, S. 58 (58 f.). 14  An technischen Programmen existieren dabei bspw. Tempora und PRISM, die Internetknotenpunkte und transatlantische Datenverbindungen angezapft haben, um so viel Internet- und Telekommunikationsdaten wie möglich zu sammeln. Mit Hilfe von XKeyScore ist es möglich, Metadaten und andere Daten von spezifischen Zielpersonen über Stichwort- bzw. Selektorenlisten von Suchmaschineneingaben – ähnlich einer Google-Suche – zu erhalten. Mit dem Programm Squeaky Dolphin kann die NSA in Echtzeit Aktivitäten auf YouTube und Google-Blog-Plattformen und abgegebene Facebook-Likes verfolgen. Vgl. dafür Beckedahl/Meister, Überwachtes Netz, 2013, S.  215 ff.; Schaar, Überwachung total, S. 184; Human Rights Council, UN Doc. A/HRC/28/L.27, S. 2. Siehe für die leichte Auswertbarkeit von Metadaten via Facebook auch die Studie von Kosinski/Stillwell/Graepel, Private traits and attributes 12  Ebenso

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A. Einleitung

Geschehnisse vorbereitet, sondern der immense Umfang der Datensammlung ermöglicht ihnen auch herauszufinden, was eine in den Fokus geratene Person macht, denkt und wie sie bzw. er sich in bestimmten zukünftigen Situationen verhalten wird.15 Das Internet, das noch vor einigen Jahren andernorts als Schutzsymbol der Völker vor diktatorischen Herrschern galt und zur Förderung der Demokratie beitragen sollte, dient mittlerweile den staatlichen Spionage- und Überwachungsbehörden weltweit als die wichtigste Informationsbeschaffungsplattform des 21. Jahrhunderts.16 Die Veröffentlichungen zeigten aber auch, dass weitgehende Informationsgewinnung durch nachlässige staatliche Kontrolle gefördert wird. Von deutscher Seite bestätigte das etwa im Juli 2015 Andrea Voßhoff – die damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – und sprach von einer Reihe „schwerwiegende[r] Rechtsverstöße“ von „herausragender Bedeutung“, die dem „Kernbereich der Aufgabenerfüllung des BND“ zuzuordnen seien und zeigte zudem auf, dass der Bundesnachrichtendienst ohne die erforderlichen Rechtsgrundlagen, „personenbezogene Daten erhoben und systematisch weiterverwendet“ habe.17 Gerade in derart grundrechtssensiblen Bereichen, in denen Nachrichtendienste in der Lage sind, die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger vollkommen zu durchleuchten, steht die staatliche Kontrolle in besonderer Verantwortung, um Missbräuchen vorzubeugen und den „Gläsernen Menschen“ zu verhindern.18 Diametral dazu entwickeln sich die flächendeckende Videoüberwachung und die Ausweitungen von Staatstrojanern inner- und außerhalb des Bundesgebietes erheblich in diese Richtung.19

are predictable from digital records of human behaviour, in: PNAS 2013, Vol. 110, S.  5802 ff. 15  Vgl. dazu La Rue, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, UN Doc. A/HRC/23/40, S. 4 ff.; Bamford, They Know Much More Than You Think, 2013, S. 4; Wolf, Der rechtliche Nebel der deutsch-amerikanischen „NSA-Abhöraffäre“, in: JZ 2013, S. 1039. 16  So Greve, Die Welt nach PRISM: Lektionen und ein überfälliger Anfang, in: Beckedahl/Meister, Überwachtes Netz, 2013, S. 26 (26). Zu benennen wären auch die „Internetrevolutionen“ während des arabischen Frühlings und in Syrien. In Ägypten sind 2009 die „Twitter-Revolution“ und 2011 die „Facebook-Revolution“ zum Auslöser der Proteste gegen das Mubarak-Regime geworden. Auch in Syrien führten zahlreiche Internetblogs und YouTube-Aufrufe zur Revolution gegen das Assad-Regime. 17  Voßhoff, Datenschutzrechtliche Beratung und Kontrolle gemäß § 24 und § 26 Absatz 3 BDSG, Sachstandsbericht (Stand: 30.07.2015). 18  Zum Institut des „Gläsernen Menschen“: Hinrichs, Der gläserne Mensch und sein verfassungsrechtlicher Mantel, in: KJ 2006, S. 60 (60 ff.). 19  Siehe Stöcker, Videoüberwachung am Südkreuz, in: Spiegel Online vom 25.08.2017.



A. Einleitung23

Die Snowden-Enthüllungen verdeutlichten zudem, dass vor allem diejenigen Personen besonders schutzlos gestellt sind, die auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen unterliegen. Dies betrifft ganz überwiegend Ausländerinnen bzw. Ausländer im Ausland, die in sämtlichen großen Überwachungsstaaten fast uneingeschränkt überwacht werden dürfen.20 Der Hintergrund dieser Praktiken ist eine fehlende Akzeptanz darüber, dass auslandsnachrichtendienstliches Handeln im Ausland die Geltung grund- und menschenrechtlicher Gewährleistungen auslöst. Nicht zuletzt appellierte jüngst der Europäische Gerichtshof (EuGH) an die Mitgliedstaaten, dass diese auch im digitalen Zeitalter die damit einhergehenden Grund- und Menschenrechte schützen und fördern müssen, was sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich der britischen Nachrichtendienstgesetze als auch das Bundesverfassungsgericht in seinem BNDGUrteil für den deutschen Auslandsnachrichtendienst kurze Zeit später abermals bekräftigten.21 Das vorliegende Promotionsvorhaben greift jene Entwicklungen der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungstätigkeiten sowie deren gesetz­ liche Regulierungen auf und untersucht sie aus rechtlicher und rechtsvergleichender Perspektive. Die Arbeit konzentriert sich dafür sowohl auf die Bereiche der deutschen als auch der ausländischen Auslandsnachrichtendienste in den USA und Frankreich, welche ihre auslandsnachrichtendienstliche Sicherheitsarchitektur nach den Snowden-Enthüllungen von 2013 neu ausrichteten. Vor allem soll nachfolgend untersucht werden, ob die Novellierungen zur Verbesserung des Grund- und Menschenrechtsschutzes bei transnationalen und extraterritorialen Überwachungsmaßnahmen sowie deren Kontrolle in den ausgewählten Staaten geführt haben. Hierfür ist von besonderer Bedeu20  Teilweise wird zumindest eine gesetzliche Grundlage hierfür verlangt. Vgl. u. a. Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 40 ff.; Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2574 f.); Lafouasse, L’espionnage par consentement mutuel entre Etats, in: Revue Défense Nationale 2012, Vol. 755, S. 44 (44 ff.). Auf internationaler Ebene stellt sich zusätzlich das Problem, ob eigens ratifizierte völkerrechtliche Verträge auch außerhalb des eigenen Territoriums anwendbar sind. Vgl. u. a. HRC, López Burgos v Uruguay, Communication Number R 12/52; Bossuyt, Guide to the „Travaux Préparatoires“ of the ICCPR, 1987, S. 53 f.; da Costa, The extraterritorial application of selected human rights treaties, 2013, S. 12 ff.; Milanovic, Extraterritorial application of human rights treaties, 2011, S. 19 ff. Näher Abschnitt C.II.1. und C.II.2. 21  EuGH, Urteil vom 21.12.2016, Rs. C‑203/15 und C‑698/15, Rn. 100 – Tele2 Sverige AB/Post-och telestyrelsen und Secretary of State for the Home Department/ Watson and Others. Siehe ferner EGMR, Big Brother Watch and Others v. UK, App. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15; BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17 – BNDG.

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A. Einleitung

tung, wie weit der Schutz der Grund- und Menschenrechte im Ausland und gegenüber Ausländerinnen und Ausländern abstrakt und speziell in Bezug auf auslandsnachrichtendienstliche Überwachungstätigkeiten reicht (C.). Im anschließenden Abschnitt soll sich der Kontrolle auslandsnachrichtendienst­ licher Tätigkeit gewidmet werden (D.). Abschließend folgt aus den gewonnenen Erkenntnissen eine Bewertung anhand einer dazu eigens entwickelten Matrix, welche allgemeine Grundprämissen auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung aufstellen soll, um einen angemessenen Ausgleich zwischen den staatlich gewährleisteten individuellen Freiheiten und dem damit korrelierenden generellen Sicherheitsbedürfnis unter Beachtung der internationalen und nationalen Vorgaben herzustellen (E.).

B. Einführendes Kapitel I. Intention der Arbeit und Forschungsstand Eine kontroverse Auseinandersetzung, ob und wie nachrichtendienstliches Handeln mit Mitteln des Rechts reguliert und kontrolliert werden kann, wird schon seit der Einführung der modernen deutschen Nachrichtendienste nach dem Zweiten Weltkrieg geführt.1 Ein rechtsvergleichender Ansatz, der USamerikanische und französische Regulierungen aus den Jahren 2015 mit jenen der bundesdeutschen Novellierungen aus 2016 in Bezug setzt, wurde bislang noch nicht unternommen. Einerseits ist dies der Aktualität der neuen Gesetze geschuldet und andererseits dem Aspekt, dass in Frankreich vor 2015 kein einheitliches Instrument zur Regulierung der Nachrichtendienste und deren Kontrolle existierte. Insgesamt wählen in diesem Bereich bislang kaum rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen einen rechtsvergleichenden Ansatz, sofern nachrichtendienstliche Überwachungen und deren Kontrolle überhaupt Gegenstand monographischer Abhandlungen sind.2 Rechtsvergleiche dieser Themengebiete dürften allerdings angesichts weltweiter Reformen auf absehbare Zeit zunehmen. Auch wenn einzelne Vertreterinnen und Vertreter sich überwiegend darauf berufen, dass den Nachrichtendiensten nur ein sehr beschränktes Spektrum an Überwachungsmaßnahmen zur Verfügung stehe und die existierenden Kontrollinstrumente ausreichend seien,3 halten entgegengesetzt dazu vor al1  Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S. 15 ff.; Schreckenberger, Nachrichtendienste, in: Görges-Gesellschaft, Staatslexikon, 7. Auflage 1987, Bd. 3, S.  1261 (1261 ff.). 2  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011; Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz: demokratische Kontrolle der Geheimdienste im internationalen Vergleich, 2007, S. 31 ff.; Spitzer, Die Nachrichtendienste Deutschlands und die Geheimdienste Russlands, 2011; Hirsch, Kontrolle der Nachrichtendienste: vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform, 1966; Hansalek, Die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung im Bereich der Nachrichtendienste, 2006; Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009; Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011; Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014. Diese Arbeiten betreffen jedoch allesamt den alten Rechtsstand vor 2016. 3  Das BVerwG erklärte am 23.01.2008 die strategische Überwachung der Telekommunikation durch den BND für rechtmäßig: BVerwG 6 A 1.07. Auch verdeutlichte der

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B. Einführendes Kapitel

lem Wissenschaft, Menschenrechtsorganisationen und Teile der Politik re­ stringierte Eingriffsmöglichkeiten der Nachrichtendienste sowie deren stärkere Kontrolle für geboten.4 Ebenso zeigen deutsche höchstrichterliche Urteile, ältere wie neuere, dass der Staat in seiner sicherheitspolitischen Inte­ ressenswahrnehmung einer Vielzahl von Grenzen unterworfen ist und den Schutz der Privatsphäre zu achten hat.5 Mittlerweile fordern daher selbst die regierungstragenden Fraktionen der SPD und CDU/CSU eine stärkere Kon­ trolle der Nachrichtendienste,6 die hierzulande durch die nationalen Gerichte so noch nicht umfassend gewährleistet werden kann7 und immer noch Rechtsschutzlücken aufweist. Ein Seitenblick auf die internationale Praxis zeigt zudem, dass verschiedene Ansätze verfolgt werden, um diesem Problem wirksam zu begegnen. So haben etwa UN-Organe versucht, den globalen Datenschutz weiter zu stärken;8 dem haben sich nicht zuletzt auch die Europäische Union9 und der Europarat10 mit verschiedenen Resolutionen angeschlossen. ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, dass das „Supergrundrecht auf Sicherheit“ über den individuellen Rechten stehe und legitimierte die Vorgehensweise der Nachrichtendienste, zitiert von Bewarder/Jungholt, Friedrich erklärt Sicherheit zum „Supergrundrecht“, in: Die Welt vom 16.07.2013. Im Ergebnis so auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 353 f. 4  Bericht der New America Foundation, Stiftung neue Verantwortung, Open Technology Institute, Law and Policy in Internet Surveillance Programs: United States, Great Britain and Germany, in: Impulse 2013; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag. Auch Matthias Bäcker, Hans-Jürgen Papier und Wolfgang Hoffmann-Riem kamen bei der Expertenanhörung des NSA-Untersuchungsausschusses zum Schluss, dass die Tätigkeiten des BND mit dem Grundgesetz kollidieren und sprachen sich für stärkere Restriktionen aus, verfügbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/text-archiv/ 2014/nsa_untersuchungsausschuss/279296 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 5  BVerfGE 30, 1 – Abhörurteil; 100, 313 – TKÜ I; 125, 260 – Vorratsdatenspeicherung; 133, 277 – ATDG; 141, 220 – BKAG. 6  Süddeutsche Zeitung vom 26.08.2015, „Ständiger Sachverständiger“ soll BND & Co. kontrollieren. 7  So lehnte das BVerwG am 28.05.2014 eine Klage des Beschwerdeführers mangels Zulässigkeit ab: BVerwGE 149, 359 (weitere Verfahren vor dem BVerwG von Reporter ohne Grenzen wegen der Überwachung ihres E-Mail-Verkehrs und wegen der Überwachung des Frankfurter Netzknotens DE-CIX sind anhängig). 8  Zur Einführung einer Digitalen UN-Grundrechtecharta vgl. 35. Internationale Konferenz der Datenschutzbeauftragten, Resolution on anchoring data protection and the protection of privacy in international law. Siehe auch Resolution der UN-Generalversammlung zum „Right to privacy in the digital age“, UN Doc. A/C.3/68/L45. Vgl. auch den Bericht von Pillay, The right to privacy in the digital age, UN Doc. A/ HRC/27/37. 9  Vgl. dazu Richtlinien 96/9/EG und 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Datenbanken und der Privatsphäre, in: ABl. 1996, Nr. L 77 bzw. ABl. 1995, Nr. L 281.



II. Methodische Herangehensweise27

Trotz immer neuer Veröffentlichungen zweifelhafter nachrichtendienst­ licher Programme und Maßnahmen erweist sich die Reformbereitschaft ­hinsichtlich des Privatsphären- und Datenschutzes der Staaten als schleppend. Obgleich alle ausgewählten Vergleichsstaaten neue Gesetze – den US FREEDOM Act, das Loi relative au renseignement oder das Gesetz zur ­ Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung – verabschiedet haben, weisen nicht alle Neuerungen einen umfassenden Grund- und Menschenrechtsschutz auf. Vielmehr deuten die neuerlichen Forderungen zur Ausweitung nachrichtendienstlicher und polizeilicher Überwachungsbefugnisse darauf hin, dass das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit weiter an rechtswissenschaftlicher Bedeutung gewinnen wird.11 Im Gegenzug bleibt perspektivisch allerdings abzuwarten, inwiefern tendenziell abnehmende Terrorismusaktivitäten zu einer Anpassung der gesetzlichen Befugnisse führen – wie es beispielsweise mit der Beendigung des État d’urgence in Frankreich geschehen ist, der jedoch keine Veränderung der nachrichtendienstlichen Befugnisse mit sich brachte.

II. Methodische Herangehensweise Methodisch ist die Arbeit im Schwerpunkt verfassungsrechtsdogmatisch und -vergleichend angelegt und soll aus einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Perspektive Aufschluss über die auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsbefugnisse sowie deren Kontrolle geben.12 Zwar sind bei Rechtsvergleichen stets die unterschiedlichen Verfassungsordnungen im Blick zu behalten, was jedoch keineswegs ausschließt, dass Erfahrungswerte anderer Staaten nicht auch Rückschlüsse auf die eigenen Rechtssysteme bieten. Daher stützt sich die Untersuchung hierfür auf die „Most similar case“-­ 10  Council

of Europe, Resolution 2045 (2015) – Mass Surveillance. BND-Skandal: Rufe nach strengeren Überwachungsregeln werden lauter, in: Heise Online vom 15.10.2015. 12  Generell zu Methoden und dem Sinn des rechtsvergleichenden Verfassungsrechts siehe: Hirschl, The Question of Case Selection in Comparative Constitutional Law, in: AJCL 2005, Vol. 53, S. 125 (126 ff.); Husa, Comparison, in: Law/Langford, Research Methods in Constitutional Law, 2018, Research Paper No. 51, S. 2 ff., 11 ff. Auch wenn ausländisches Recht anderer Staaten zwar prinzipiell nicht in der BRD gilt, greift das Bundesverfassungsgericht vermehrt auf jenes zurück, um Rückschlüsse oder Bewertungen für die eigene Rechtsordnung vorzunehmen. Siehe BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth, in welchem der amerikanischer Verfassungsrichter Cardozo zitiert wird; 69, 315, 343 – Brokdorf, zur Versammlungsfreiheit im anglo-amerikanischen Rechtskreis; 120, 224, 230 – Geschwisterbeischlaf, in welchem sogar ein umfassendes Gutachten des Senats über die Rechtslage inzestuösen Beischlafs aus verschiedensten Ländern angefordert wurde; 127, 132, 139 ff. – Elternrecht des Vaters; 133, 59 (80) – Sukzessivadoption. 11  Krempl,

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B. Einführendes Kapitel

Logik13 und bewertet pointiert technisch-theoretisch lediglich einen spezifischen Teilaspekt ähnlich organisierter Staaten.14 Der Idee methodologischer Verfassungsrechtsvergleichung folgend, die sich aus „experimental research“, „statistical analysis“ und „systematic examination of a small number of ­cases“ zusammensetzt,15 wird nachstehend neben einer umfassenden Untersuchung des jeweiligen ausländischen Rechtskreises eine Auseinandersetzung mit auslandsnachrichtendienstlichen Problemfeldern einer überschaubaren Anzahl von Staaten anhand einer spezifischer Analyse durchgeführt. Die Arbeit intendiert somit keinen umfassenden Rechtsvergleich der in Bezug genommenen Nachrichtendienste. Die gewählten Vergleichsobjekte – Deutschland, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika – weisen alle ein rechtstaatliches demokratisches System auf, dass die nachrichtendienstliche Arbeit anhand von förmlichen Gesetzen regelt, begrenzt und diese Tätigkeit einer Kontrolle unterstellt. Im ersten Themenkomplex werden zur Bestimmung der territorialen und personellen Reichweite des verfassungsrechtlich gewährten Privatsphären- und Datenschutzes im auslandsnachrichtendienstlichen Kontext die grund- und bzw. oder menschenrechtlichen Verankerung in den deutschen, französischen und US-amerikanischen Verfassungssystemen untersucht. Neben der Bundesrepublik wurden gerade die USA und Frankreich als Vergleichsparameter gewählt, weil diese als erste Staaten universalistische Ansätze in ihren jeweiligen Verfassungen verankerten, auf die sich (teilweise) auch Ausländerinnen und Ausländern berufen konnten.16 13  Vgl. zusammenfassend dazu Hirschl, The Question of Case Selection in Comparative Constitutional Law, in: AJCL 2005, Vol. 53, S. 125 (133 ff.). 14  Ebd., S.  126 ff. 15  So u. a. Ebd., S. 132 f. Siehe ferner King/Keohane/Verba, Designing Social Inquiry, 1994, S. 43 ff., 75 ff. 16  Vor allem im Einwanderungsland der USA wurde – wie bspw. in Art. 6 der Verfassung von Pennsylvania von 1776 – die Ausübung des Wahlrechts nicht an die Herkunft geknüpft, sondern vielmehr daran, wie lange man bereits im Staat gelebt hat. Ansonsten fokussierte sich die Bill of Rights von 1791 jedoch fast ausschließlich auf territoriale Aspekte. Im Gegenzug dazu stand die französische Verfassung von 1791 in Art. 2 alle grundrechtlichen Gewährleistungen auch Nichtfranzösinnen und Nichtfranzosen zu und knüpfte an die universalistischen Ansätze der Erklärung von 1789 an. Allerdings darf nicht ausgeblendet werden, dass trotz dieser Ansätze ganze Personengruppen von vielen Rechten ausgeschlossen wurden. Ob die Menschenrechte gelten sollten oder nicht, hing dabei weniger von der Herkunft als eher vom Geschlecht, der religiösen Zuordnung oder davon ab, ob man als Sklavin bzw. Sklave tätig war. Es ist jedoch anzumerken, dass diese anfänglichen personell-universalistischen Ansätze der Erklärung von 1789 sowie deren Modifikation durch die Verfassung von 1791 kurze Zeit später noch stärker in den Hintergrund traten. Die Entwicklungen wurden bereits 1814 in der Charte Constitutionnelle und 1830 in ihrer Neufassung kontinuierlich beschränkt, in welchen fortan die Grundrechte unter dem Titel der



III. Terminologien29

Selbige Vorgehensweise gilt für die methodische Untersuchung der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle. Die existierenden rechtlichen Bestimmungen werden umfassend bewertet und hinsichtlich ihrer Kontroll­ effektivität untersucht. Ebenfalls dienen hierfür Deutschland, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika als passende Vergleichsobjekte, weil alle drei Staaten nach den Snowden-Enthüllungen neue auslandsnachrichtendienstliche Gesetze erlassen und Kontrollmechanismen eingeführt haben und zu den großen demokratischen Überwachungsstaaten der Welt gezählt werden. Ein methodischer Problempunkt hinsichtlich der Quellenlage war jedoch, dass es der auslandsnachrichtendienstlichen Arbeit inhärent ist, dass diese überwiegend im Verborgenen abläuft und keine große Transparenz gewährleistet. Daher soll die Arbeit nicht den Anspruch erheben, eine vollumfäng­ liche Bewertung der auslandsnachrichtendienstlichen Praxis zu erstellen. Vielmehr wird versucht, eine rechtliche Analyse anhand der vorhandenen gesetzlichen Materialien – wie öffentliche Berichte der Kontrollgremien, öffentlichen Stellungnahmen verantwortlicher Personen oder deren Bestätigungen im Rahmen parlamentarischer oder öffentlich dokumentierter exekutiver Handlungen – und der verankerten Normen vorzunehmen, die sich auf grund- und menschenrechtliche Aspekte beschränkt und einem funktionellen Verständnis folgt.17 Hierfür sind Drittquellen von Whistleblowern, Medien oder anderen Enthüllungsplattformen als Indikatoren bzw. interpretative Hilfsmittel mit einbezogen wurden.

III. Terminologien Als Grundlage zum besseren Verständnis sollen zuerst einige Terminologien erläutert werden, um eine klare Abgrenzung zwischen den Begriffen der Geheim-, Nachrichten- und Auslandsnachrichtendienste zu treffen und die Bedeutung der demokratischen Kontrolle und deren Verwendung zu präzisieren.

„Droit public des Franҫais“ aufgeführt wurden und man bewusst – wie auch in anderen Staaten – nur die eigenen Staatsangehörigen besserstellen wollte. Siehe hierzu Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (8 f.); Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 184; Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangold/ Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 88 f. 17  Siehe zu Kritik an der funktionalen Methode der Rechtsvergleichung van Hoecke, Methodology of Comparative Legal Research, in: Law and Method 2015, Vol. 12, S. 9 ff.

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B. Einführendes Kapitel

1. Die Unterscheidung von Geheim- und Nachrichtendiensten Im allgemeinen Sprachgebrauch zu nachrichtendienstlicher Tätigkeit existieren oftmals begriffliche Unschärfen: Geheimdienste werden teilweise als Synonym zu Nachrichtendiensten verwendet oder mit der Geheimpolizei gleichgesetzt.18 Andere halten die Bezeichnung Nachrichtendienst gar für irreführend, da dieser auch als Presseagentur verstanden werden könne und in der DDR sogar der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst – eine Presseagentur – existierte. Auch deshalb sei in der Alltagssprache der allgemein verständlichere Begriff der „Geheimdienste“ der etabliertere.19 Daher wird vermehrt davon ausgegangen, dass die Differenzierung von Nachrichten- und Geheimdiensten lediglich einer Vereinfachung dieses umfassenden Komplexes diene, die nur im amtlichen Sprachgebrauch vorgenommen werde.20 Beiden Sprachvariationen – dem Geheim- und Nachrichtendiensten – ist zumindest gemein, dass es sich um dem Staat untergeordnete Sicherheitsbehörden handelt, die „staatswohlrelevante Informationen“ verdeckt beschaffen 18  Roggan/Bergemann, Die neue Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland, in: NJW 2007, Vol. 60, S. 876 (876). Siehe auch Spitzer, Die Nachrichtendienste Deutschlands und die Geheimdienste Russlands, 2011, S. 11 f., der Geheimdienste als Oberbegriff verwendet, in welchem Nachrichtendienste inkludiert seien. Ähnlich Düx, Globale Sicherheitsgesetze und weltweite Erosion von Grundrechten, in: ZRP 2003, Vol. 36, S. 189 (190), der den BND gar als Geheimdienst einordnet, da zu damaliger Zeit unklar war, wann und gegen wen der BND agierte, und kaum juristische Kontrollinstrumente existierten. Ähnlich Kammergericht Berlin, Urteil vom 12.01.2011, Az.: (1) 3 StE 5-10/2 (7/10), dessen Einordnung allerdings auch dem geschuldet ist, dass der § 99 StGB selbst nur von Geheimdiensten und geheimdienstlicher Tätigkeit spricht. Siehe dazu auch Ellbogen, § 99 StGB, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 40. Ed. 2018, Rn. 5 ff. Ebenso erachtet Alexander Hirsch eine Differenzierung zwischen Geheim- und Nachrichtendiensten für nicht notwendig, weil letzterer keinen Fachterminus darstelle und eine allgemeingültige Definition fehle: ders., Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 20, 26. Ebenso nicht differenzierend Lederer, Demokratie und Verfassungsschutz, in: VS-Vertraulich, PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, 1997, S. 36 ff. Siehe ferner Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 12, welcher davon ausgeht, dass die Bezeichnung Geheimdienste in Teilen der Wissenschaft und im parlamentarischen Sektor verwendet werde. Den Begriff Nachrichtendienste im heutigen Kontext fast meidend Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S. 323 ff. 19  Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004, S. 5. Ähnlich Krieger, Geschichte der deutschen geheimen Nachrichtendienste: eine historische Skizze, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 33 (33), der auch den Begriff „Geheimdienst“ präferiert. 20  Krieger, Geschichte der deutschen geheimen Nachrichtendienste: eine historische Skizze, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 33 (33).



III. Terminologien31

sollen und in einem hohen Maße geheim agieren.21 Neben diesen Gemeinsamkeiten ist die terminologische Differenzierung von Nachrichten- und Geheimdiensten oder gar der Geheimpolizei jedoch mehr als eine verbale Spitzfindigkeit oder Vereinfachung.22 Die Verwendung von Nachrichtendiensten im gesetzlichen und öffentlichen Sprachgebrauch ist nicht nur gewollt, sondern auch eine Lehre aus der Vergangenheit von Geheimer Staatspolizei (Gestapo) und dem Geheimdienst der Staatssicherheit (Stasi).23 Jene Einrichtungen waren dadurch gekennzeichnet, dass sie sich dem Wesen des Rechtsstaates entziehen:24 Über die reine Informationsbeschaffung und -verwertung hinaus können sie die Gesellschaft innen- oder außenpolitisch mit gezielten Fehlinformationen beeinflussen oder gar politische Systeme manipulieren, sabotieren oder unterwandern, politisch unliebsame Gegnerinnen und Gegner in ihren Handlungen stören, gegenüber diesen Zwang oder Gewalt anwenden und sogar durch gezielte Tötungen („targeted killings“) eliminieren.25 Die Einwirkung auf und Beeinflussung von politischen, gesellschaftlichen oder ausländischen Kräften dient auch heute noch vor allem der Sicherung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse und unterliegt keiner demokratischen Kontrolle.26 Daher sind sie oftmals ein Instrument totalitärer 21  Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 10; Dietrich, Das Recht der Nachrichtendienste, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 249 (254 ff.). 22  Dominic Hörauf bezeichnet diesen Sprachtypus sogar als „laienhaft“, welcher jedoch der Vorstellung geheimer nachrichtendienstlicher Tätigkeit am nächsten komme: ders., Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 12. 23  Sich ebenso für eine Differenzierung aussprechend: Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 11 f.; Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 11 ff.; Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004, S. 5 ff.; Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1269; Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 7 ff. 24  So Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004, S. 5. 25  Ähnlich Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  12 f.; Gröpl, Die Nachrichtendienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung, 1993, S. 36 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 27; Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 4; Spitzer, Die Nachrichtendienste Deutschlands und die Geheimdienste Russlands, 2011, S. 11 f. 26  Eine Kontrolle wird allemal als Erfolgskontrolle vom „Auftraggeber“ wahrgenommen. Siehe auch Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 11.

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B. Einführendes Kapitel

Unrechtsstaaten, um deren Macht fernab von Recht und Gesetz zu sichern. Die deutsche Entscheidung zur Einführung von Nachrichtendiensten sollte zugleich eine Abkehr von den menschenrechtsverachtenden Diensten von Gestapo und Stasi darstellen, die in freiheitlich demokratischen Strukturen keinen Platz verdienen.27 Eine automatische Assoziierung mit antidemokratischen Sicherheitsapparaten würde den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten, die im rechtsstaatlichen und demokratischen Rahmen agieren, so nicht gerecht.28 Doch wo genau verläuft die Trennlinie zwischen Geheim- und Nachrichtendienst? Handelt es sich noch um einen Nachrichtendienst, wenn der israelische Nachrichten- und Sicherheitsdienst Mossad29 über seine Abteilung „Kidon“ an mehreren gezielten Tötungen von Palästinensern mitgewirkt haben soll?30 Führen gezielte Fehlinformationen vom russischen SWR und FSB,31 den Nachrichtendiensten der Außen- und Innenaufklärung der Russischen Föderation, in Bezug auf die Situation auf der Krim oder in der Ost­ ukraine und vermeintliche Wahleinmischungen bei der 45. Präsidentschaftswahl in den USA dazu, dass diese Dienste als Geheimdienste zu klassifizieren sind? Oder hat der zentrale Nachrichtendienst CIA in den USA seinen Status als Nachrichtendienst verloren, weil dieser Drogenbosse im Ausland verhaftete und (vermeintliche) Terroristen ohne rechtsstaatliches Verfahren festhielt und folterte?32 Heute wird vermehrt vertreten, dass sich Nachrichten- und Geheimdienste von ihren gesetzlichen Befugnissen und Aufgabenrahmen her unterscheiden, 27  Siehe auch Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004, S. 5 f.; Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 11; Spitzer, Die Nachrichtendienste Deutschlands und die Geheimdienste Russlands, 2011, S. 12. 28  Daher ist mittlerweile Johannes Geismann auch Beauftragter für Nachrichtendienste und nicht wie bis 2005 Ernst Uhrlau noch Geheimdienstkoordinator. Siehe auch Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 11 f. 29  Amtliche Bezeichnung im Original: Mosad Merkazi leModi’in uLeTafkidim Mejuchadim. 30  Siehe hierzu näher Rudolf/Schaller, Gezielte Tötungen als Instrument der Terrorismus- und Aufstandsbekämpfung, 2012, S. 7 f.; Silke, The Case Against Targeted Assassinations, in: Jackson/Sinclair, Contemporary Debates on Terrorism, 2012, S.173 (175 ff.). 31  Amtliche Bezeichnung im Original: Sluschba wneschnei raswedki Rossijskoi Federazii und Federalnaja sluschba besopasnosti Rossijskoi Federazii. 32  Siehe hierzu auch US Senate, Senate Select Committee on Intelligence Report on CIA’s Detention and Interrogation Program (Torture Report), S. Rep. 113-288 (2014).



III. Terminologien33

die Gregor Mayntz mit der Metapher der „Jäger“ und „Sammler“ zu verbildlichen versucht.33 Nachrichtendienste beschaffen und verarbeiten danach „nur“ Informationen, wohingegen Geheimdienste zusätzlich „verdeckte Operationen“ durchführen dürfen, die auch polizeiliche Befugnisse oder noch weitgehendere Zwangsmaßnahmen umfassen.34 Darüber hinaus wird in puncto Geheimhaltung argumentiert, dass Nachrichtendienste zwar geheim agieren, Geheimdienste jedoch so gut wie nie in die Öffentlichkeit treten und frei von demokratischer Kontrolle operieren.35 Geheimdienste agieren wegen ihres Höchstmaßes an Geheimhaltung ohne Rechtsgrundlagen oder sind potenziell bestehende Normen zu vage oder unbestimmt. Demgegenüber sind Nachrichtendienste gesetzlichen Vorgaben und demokratischen Kontrollmechanismen unterworfen.36 Diese Eckpunkte kommen allerdings keiner allgemeingültigen Definition gleich und offenbaren selbst wiederum in manchen Fällen Schwierigkeiten für eine klare Abgrenzung.37 Nicht selten überwachen anerkannte Inlandsnachrichtendienste politische Gegner oder nehmen Auslandsnachrichtendienste diplomatischen Kontakt zu Staaten auf, zu denen offiziell keine di­ plomatischen Beziehungen geführt werden.38 Vermehrt sind ihre gesetzlichen 33  Mayntz,

S. 8.

Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004,

34  Vgl. dazu Krieger, Geschichte der deutschen geheimen Nachrichtendienste: eine historische Skizze, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 207, S. 33 (33); Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1269; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 27; Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 9 f. Siehe auch Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 10, welcher Nachrichtendienste als spezialisierte Form der Geheimdienste betrachtet. Ebenso Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 4, welcher zwischen Nachrichtendiensten im engeren und im weiteren Sinne differenziert, jedoch den BND nicht unter die Beispiele eines Nachrichtendienstes einordnet. 35  Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 11; Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 18; Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 14. 36  Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 18; Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 14. 37  Dietrich, Das Recht der Nachrichtendienste, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 249 (254 ff.). 38  Siehe hierzu Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 5; Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 12; Matz-Lück, Nachrichtendienste im Recht der internationalen Beziehungen in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S.  107 (129 ff.).

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B. Einführendes Kapitel

Grundlagen sehr weit gefasst und relativ unbestimmt gehalten, was eine Kontrolle zusätzlich erschwert. Ebenfalls zeigte das BKAG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wie fließend der Übergang und wie gering die Trennschärfe zwischen Informationsbeschaffung und polizeilichen Gewalten sein kann. All diese Grenzüberschreitungen werden in demokratischen Systemen aber durch verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Kontrollmechanismen auch stets wieder „eingefangen“.39 Im Ergebnis kann mithin festgehalten werden, dass ein inhaltlich hinreichend bestimmtes Regelwerk mit Eingriffs- und Handlungsbefugnissen und effektive demokratische Kontrolle, die auch faktisch Wirkung entfaltet, (eher) für einen Nachrichtendienst sprechen. Die nachfolgende Verwendung des Begriffs des Nachrichtendienstes in dieser Arbeit soll allerdings keine Aussage darüber treffen, ob alle Untersuchungsobjekte alle Merkmale eines Nachrichtendienstes erfüllen. Vielmehr liegt dieser Arbeit das Bewusstsein zu Grunde, dass anerkannte Nachrichtendienste auch – zumindest ansatzweise – geheimdienstliche Strukturen aufweisen können. Die Verwendung der Begrifflichkeit der Nachrichtendienste soll an den entsprechenden Stellen allerdings verdeutlichen, dass es sich nicht um antidemokratische Dienste außerhalb der staatlichen Rechtsordnung handelt, die als Untersuchungs­ objekte herangezogen werden, sondern dass sie zumindest überwiegend den Eckpunkten demokratischer Überwachungseinrichtungen unterliegen.40 2. Auslandsnachrichtendienste als spezielle Form der Nachrichtendienste Als Untersuchungsobjekt liegt dieser Arbeit die spezielle Form des Auslandsnachrichtendienstes zu Grunde, der ebenso Abgrenzungsschwierigkeiten aufzeigt. Generell kann man diese Art der Dienste derart determinieren, dass sie durch nachrichtendienstliche Tätigkeiten Informationen über das Ausland bzw. über Personen im Ausland beschaffen, die von Bedeutung für die natio­ nale Sicherheit des eigenen Landes sind. Auslandsnachrichtendienste müssen nicht notwendigerweise im Ausland agieren, sondern können heutzutage auch vom Inland Informationen gewinnen. Entscheidender Faktor hierfür ist, 39  Vgl. u. a. BVerfGE 125, 260 – Vorratsdatenspeicherung; 133, 277 – ATDG; 141, 220 – BKAG. 40  Ebenfalls benutzen einfachgesetzliche Bundesregelungen den GeheimdienstBegriff nur, wenn sie damit ausländische geheim agierende Dienste tatbestandlich erfassen wollen. Siehe bspw. § 99 StGB im Verhältnis zu § 109f StGB. Überdies ist auffallend, dass die Begrifflichkeit der Geheimdienste lediglich in den Bereichen der Nachrichtendienstgesetze verwendet wird, die der Eigensicherung gegenüber ausländischen Diensten dienen: Siehe § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 1 BVerfSchG, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BNDG.



III. Terminologien35

dass sie nicht – wie Inlandsnachrichtendienste – ausschließlich die jeweils eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger überwachen. Allerdings können ebenfalls solche Personen von nachrichtendienstlichen Maßnahmen betroffen sein, die zumindest irgendwie gearteten Auslandsbezug aufweisen. Ferner existieren hybride Varianten von Nachrichtendiensten, die sich nicht nach ihrem territorialen Aktionsradius definieren, sondern anhand ihres spezifischen Aufgabespektrums nur auf gewisse Bereiche nachrichtendienstlicher Tätigkeit begrenzt sind. So ist es beispielsweise in Frankreich, wo der DGSE kein reiner Auslandsnachrichtendienst ist, sondern gleichermaßen inlandsbezogene Aufgaben wahrnimmt. Die vorliegende Arbeit klammert jedoch die Frage inlandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit aus und beschäftigt sich ausschließlich mit der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung, die darauf abzielt, Informationen über ausländische Gefahren und Personen zu generieren. Da Frankreich ebenso unter den Untersuchungsgegenstand fällt, soll in diesen Fällen lediglich auf die Aufgabenbereiche eingegangen werden, die einen solchen Bezug aufweisen. 3. Verarbeitung personenbezogener Daten Die nachrichtendienstliche Überwachung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Erkenntnisse – darunter auch personenbezogene Daten – gewonnen und im Anschluss daran für eine Vielzahl von Untersuchungen verwendet werden. Früher unterschieden daher unter anderem die §§ 1 Abs. 2 S. 2, 2 Abs. 1 BNDG a. F. vor 2018 diese Tätigkeit der „Gewinnung“ in Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten. Diese Aufteilung wurde gewählt, um den Gesetzesanwender zu zeigen, dass jede dieser Varianten einen eigenen Grundrechtseingriff darstellen kann.41 Die Erhebung sollte dabei die Art umschreiben, wie man an die Informationen gekommen ist; die Verarbeitung sollte hingegen den daran anschließenden Auswertungsprozess illustrieren und die Nutzung die Verwendung im Anschluss umschreiben.42 Hierunter konnten und können auch personenbezogene Daten fallen, welche objektivierte Informationen enthalten, die einen persönlichen oder sachlichen Bezug zu einer bestimmten oder bestimmbaren Person oder Personengruppe aufzeigen.43 Seit einer Gesetzesänderung 2018 finden sich in den §§ 1, 2 des BNDG jedoch lediglich die Bezeichnungen „Verarbeitung“ bzw. „verarbeiten“ wieder. Der Grund hierfür war das Datenschutz-Anpassungs- und Um41  BVerfGE 65, 1, 43 – Volkszählung; 120, 351, 361 – Rasterfahndung; 133, 277, 317 – ATDG. 42  Generell dazu Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1273. 43  Gola, § 3 BDSG, 10. Aufl. 2010, Rn. 2 ff.; Dammann, § 3 BDSG, in: Simitis, BDSG, Rn.  3 ff., 40 ff.

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B. Einführendes Kapitel

setzungsgesetz der EU (DSAnpUG-EU), wodurch in § 46 Nr. 2 BDSG die Begriffsdefinition der Verarbeitung neu gefasst wurde und damit als Folge­ änderung auch das BNDG betraf. Seither fällt unter den Begriff der Verarbeitung „das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung, die Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich, die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung“ von Daten.44 Verarbeiten stellt mithin den Überbegriff für alle Maßnahmen dar, die i. V. m. personenbezogenen Daten vollzogen werden können. Wird im nachfolgenden somit auf den Term „verarbeiten“ eingegangen, soll dieser Begriff i. S. d. § 46 Nr. 2 BDSG verstanden werden, obgleich einige Autorinnen und Autoren diesen nicht als Oberbegriff ansehen oder verwenden. 4. Institutionelle demokratische Kontrolle der Exekutive und innergewaltliche Aufsichtsbefugnisse Als weitere Begrifflichkeit, die dieser Arbeit maßgeblich zu Grunde liegt, soll die institutionelle demokratische Kontrolle der Tätigkeiten der Exekutive in Abgrenzung zur Aufsicht präzisiert werden, weil Kontrolle und Aufsicht ebenfalls teilweise synonym verwendet werden. Kontrolle – als „Schlüsselbegriff des staatlichen Funktionssystems“45 – dient generell der Umschreibung dessen, dass Unbeteiligte einen bestimmten Vorgang auf seine rechtlichen, behördeninternen oder praktischen Erwägungen hin prüfen, beanstanden und damit auch berichtigen können.46 Die praktische Umsetzung von Kontrolle zeigt sich unter anderem an staatlichen Kontrollinstanzen in allen Bereichen staatlicher Gewalt, bei welchen klar 44  Zum Verhältnis BDSG und BNDG sowie kritisch zur Gesetzesnovelle aus 2016 Voßhoff, Schriftliche Stellungnahme der Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmelde­ aufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs. 18/9041), Innenausschuss Drs. 18(4)660, S.  1 ff. 45  So Kahl, Begriff, Funktion und Konzepte von Kontrolle, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2.  Aufl. 2013, S. 459 (461). Ähnlich Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrecht­ liche Systembildung, 2009, S. 263 f. 46  Ähnlich Schulze-Fielitz, Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 291 (298); Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 26; Schambeck, Regierung und Kontrolle, 1997, S. 69; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, S. 257 ff. A. A. dass Kontrolle eben nicht die Berichtigung erfasse Schoenborn, Das Oberaufsichtsrecht des Staates im modernen deutschen Staatsrecht, 1906, S. 60 ff.; Brunner, Kontrolle in Deutschland, 1972, S. 74 f.



III. Terminologien37

normiert ist, wer wen kontrolliert; durch die Festlegung der Kontrollmaßstäbe und -gegenstände sowie deren Voraussetzungen als auch Grenzen und ob wirksame und effektive Sanktionsmechanismen und -mittel zur Verfügung stehen.47 Die demokratische Kontrolle soll im gewaltengeteilten System vor allem dazu dienen, staatliche Handlungen sowohl einer gegenseitigen als auch eigener umfassender Kontrolle aller drei Gewalten zu unterwerfen, um diese demokratisch zu legitimieren.48 Neben der gerichtlichen Rechtskon­ trolle der Einhaltung der Gesetze ist das Postulat parlamentarischer Kontrolle staatlicher Maßnahmen durch das Parlament und seiner Teilorgane zu beachten.49 Darüber hinaus gibt es die Exekutivkontrolle, die alle zusammenfassend die demokratische Kontrolle im Sinne der Gewaltenteilung, des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips widerspiegeln. In der vorliegenden Arbeit soll vor allem auf die Kontrolle der Exekutive durch die drei Gewalten eingegangen werden. Der primär im Verwaltungsrecht verwendete Begriff der Kontrolle ist wegen seiner Vielfalt an unterschiedlichen Erscheinungsformen und seiner Weite für den verfassungsrechtlichen Kontext jedoch nur schwerlich präzise einzugrenzen.50 Vielmehr ist der Begriff der Kontrolle im Verfassungssinne vielförmig ausgeprägt und verfolgt ganz heterogene Zwecke. Daher werden hierfür vorliegend vermehrt engere bzw. genauere Fachtermini wie parlamentarische Kontrolle,51 (ge47  So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VerwArch 2015, Vol. 106, S. 437 (441). 48  Siehe auch Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 112; Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (37 f.). Das BVerfG macht aber deutlich, dass vor allem die parlamentarische Kontrolle der Exekutive nicht nur zur Kontrolle der Regierung und nachgeordneter Behörden diene, sondern auch zur Verbesserung der Gesetzgebung beitrage. BVerfGE 147, 50, 86 – parlamentarischer Informationsanspruch. Dominic Hörauf weist jedoch zu Recht da­ rauf hin, dass demokratische Kontrolle keineswegs nur mit parlamentarischer Kon­ trolle gleichgesetzt werden dürfe, obwohl die etymologische Wortherkunft anderes suggeriert, ders., Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 20. 49  Siehe hierfür auch BVerfGE 67, 100, 130 – Flick-UA. Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, S. 36 (37). 50  So auch Kahl, Begriff, Funktion und Konzepte von Kontrolle, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 459 (461). 51  Siehe vor allem für den Bereich der Nachrichtendienste Art. 45d GG. Vgl. dazu Dietrich, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste als rechtsstaatliches Gebot und sicherheitspolitische Notwendigkeit, in: ZRP 2014, Vol. 47, S. 205 (206); Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 39. Ed. 2018, Rn.  17 ff.

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B. Einführendes Kapitel

richtliche) Prüfung oder Überwachung verwendet.52 Diese können allerdings allesamt systematisch als Unterbegriffe demokratischer Kontrolle verstanden werden.53 Wohingegen parlamentarische und gerichtliche Kontrolle der Exekutive eine Fremdkontrolle des Verwaltungshandelns darstellen, handelt es sich bei der Aufsicht oder auch Exekutivkontrolle hingegen um eine behördeninterne Selbstkontrolle, die von der übergeordneten gegenüber der nachgeordneten Behörde im hierarchischen System vorgenommen wird.54 Diese gliedert sich wiederum in Teilbereiche von Dienst-, Fach- oder Rechtsaufsicht.55 Sie zielt in der Regel darauf ab, dass eine umfassende und lückenlose interne Kon­ trolle durchgeführt wird, in der die tatsächliche Situation mit dem Zielzustand überprüft wird.56 Dies geschieht allerdings nicht gewaltenübergreifend und ist daher allemal ein – wenngleich auch wichtiger – Teilaspekt demokratischer Kontrolle und im Sinne der Gewaltenteilung allein nicht ausreichend für eine effektive Kontrolle staatlicher Gewalt im demokratischen Rechtsstaat.57 Im nachfolgenden wird aufgrund dessen der Begriff der (demokratischen) Kontrolle als Überbegriff verwendet, der Begriff der Aufsicht, genauso wie die Bereiche der gewaltenübergreifenden Kontrolle werden hingegen lediglich als Teilaspekte demokratischer Kontrolle verstanden.

52  So zumindest Kahl, Begriff, Funktion und Konzepte von Kontrolle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 459 (461). 53  So Kahl, Rechts- und Sachkontrolle in grenzüberschreitenden Sachverhalten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 1091 (1101). 54  So Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1499 (1501), welcher diese auch als Behördenaufsicht bezeichnet; Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung der Exekutive, in: HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, S. 409 (411 f.). 55  Siehe dazu auch Schiedermair, Selbstkontrolle der Verwaltung, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 593 (598 f.); Groß, Was bedeutet Fachaufsicht?, in: DVBl. 2002, S. 793 (796). 56  So Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 18  f. mit Verweis auf Wolff, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 25.05.2009, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 E, S. 2. 57  Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 17; Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 21; Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 147; Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, S. 429 (437, 451); Schiedermair, Selbstkontrolle der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 593 (599 f.).



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte39

IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte Wirft man einen Blick auf die internationale Staatengemeinschaft, kristallisiert sich aus exogener Perspektive heraus, dass die überwiegende Anzahl ihrer Mitglieder Einrichtungen betreibt, die durch verdeckte Operationen Informationen über das Ausland verarbeiten.58 Jenes zeigt sich auch bei den drei zu untersuchenden Staaten Deutschland, USA und Frankreich. Bevor deren jeweilige auslandsnachrichtendienstliche Strukturen, ihre rechtlichen Grundlagen, ihr Tätigkeitsauftrag sowie ihre Handlungsmöglichkeiten genauer erschlossen werden, soll ein Überblick über die allgemeine Bedeutung und den Mehrwert von Nachrichtendiensten gegeben werden. 1. Bedeutung und Mehrwert nachrichtendienstlicher Tätigkeit Geheime Informationsgewinnung ist seit tausenden Jahren von immenser Bedeutung für die Erhaltung staatliche Systeme oder deren territorialer Erweiterung, weil sie einen entscheidenden strategischen Vorteil gewährt. Ohne derartige Informationen wäre man blind für bevorstehende Gefahren von innen und außen, die die Existenz eines Herrschaftsapparates in akute Gefahr bringen könnte. Spione waren daher schon im alten China vor ca. 2.500 Jahren „der Schatz eines Herrschers“59, ersetzten „am rechten Ort […] 20.000 Mann an der Front“60 und leisteten zum Bestehen vieler großer Nationen einen entscheidenden Beitrag.61 Die Spione generierten Wissensvorsprünge, die zur Machtsicherung beitrugen, gaben strategische Vorteile im Kampf gegen ­Gegner oder verhinderten Angriffe auf den Staat, weil die Planungen ihrer Durchführung bereits bekannt waren. Ein gutes Spionagesystem konnte dafür Sorge tragen, den Bestand von Dynastien über Jahrzehnte und Jahrhunderte zu sichern. Auch heute haben ähnliche Spionageeinheiten noch einen erheblichen strategischen und sicherheitspolitischen Mehrwert: Von ihrer ursprünglichen Konzeption an tragen sie bis in die Gegenwart durch umfassende Gewinnung von Informationen für die politische Führung zur innen- und außenpoliti58  Generell dazu Farson/Gil/Phytian/Shpiro, Global Secutity and Intelligence, Bd. 1, 2008, S. 21 ff. und Bd. 2, 2008, S. 321 ff. Gewiss können davon nicht alle Dienste als Nachrichtendienste i. S. d. der obigen Begriffsbestimmung qualifiziert werden. 59  Sun Tzu, Die Kunst des Krieges, Neuauflage 2013, S. 67. Erste Spione wurden nachweislich sogar bereits ca. 1.400 v. Chr. im alten Ägypten eingesetzt. 60  Napoleon Bonaparte I, zitiert in: Moor/Haake, Alle Wanzen müssen auf den Tisch, in: JURA 2015, Vol. 37, S. 789 (789). 61  Siehe hierzu allgemein Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S.  15 ff.

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schen Sicherung des Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger bei.62 Geheime und verborgene Informationsgewinnung spielt daher eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und den Bestand des Staates – nicht nur von Autokratien.63 Zwar ist die Aktivität im Verborgenen ein Erfolgsrezept der Nachrichtendienste, sie kann aber in Demokratien mit den staatlichen Prinzipien, die sie zu schützen beauftragt sind, auch in Konflikt geraten.64 Zu nennen wäre diesbezüglich der Grundsatz der Öffentlichkeit, dem die Dienste aus Effektivitätsgründen nicht oder nur sehr beschränkt unterliegen.65 Zöge man hieraus allerdings die Konsequenz, keine Nachrichtendienste zu unterhalten, wäre dies jedoch auch für eine Demokratie durchaus problematisch.66 Nicht zuletzt das Scheitern der Weimarer Republik führen manche auf die unzulänglichen vorbeugenden Sicherungsmechanismen zum Schutz der Demokratie zurück.67 Die Demokratie ist deshalb verpflichtet, Gewähr für ihren Bestand „in sich selbst [zu] tragen“.68 Ganz nach dem Leitbild: „Keine Macht den Feinden der Demokratie“69 müssen Instrumente bereitgestellt werden, die die Demokratie nicht aushöhlen oder gar beseitigen.70 Deshalb kommen selbst demokratische Systeme nicht ohne umfassende Sicherheits62  Fassbender, Wissen als Grundlagen staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, S. 243 (301). 63  Ebenso Vigouroux, Le renseignement, une nécessité au service de la République … à surveiller, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 43 (44 f.), welcher darlegt, wie wichtig Informationen sind, die ohne Verdachtsmomente erhoben werden, weil die Sicherheitsbehörden ohne diese blind für Gefahren wären, die sonst unentdeckt blieben. 64  Wegen ihres geheimen Charakters ist aber nur wenig über die tatsächliche Tätigkeit der Nachrichtendienste bekannt. Christoph Gusy meint, dass es deshalb auch nur zwei Genres in der Literatur gäbe: die, die aus Insiderkreisen die Arbeit der Dienste loben, und jene, welche deren Tätigkeit skandalisieren. Siehe dazu ders., Vorbemerkung BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1262. 65  Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004, S. 5, welcher sie als „Besonderheit für die demokratische Staatsform“ bezeichnet. 66  Ebd., S. 5. 67  So Schliesky, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 847 (848), der dies jedoch nur als Teilaspekt sieht und keinen monokausalen Zusammenhang erkenne. 68  So Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, S. 288. 69  Schliesky, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 847 (848). Siehe ferner zum Konzept der „militant democracy“: Loewenstein, Militant Democracy and Fundamental Rights, in: APSR 1937, Vol. 31, S. 417 (417 ff.); O’Connel, Militant Democracy and Human Rights Principles, in: CLR 2009, Vol. 1, S. 84 (84 ff.). 70  Schliesky, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 847 (848).



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apparate aus und ist auch – wenn nicht sogar vor allem – dort das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung vergleichsweise hoch. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass demokratische Systeme ein „Andersdenken“ zulassen.71 Zwar fordert die pluralistische Demokratie ein Verständnis und eine Akzeptanz grundlegender Verfassungswerte und Freiheiten, zugleich zwingt die Demokratie Personen nicht dazu, sich zu genau diesen Werten zu bekennen, sondern akzeptiert sogar im gewissen Maße, wenn sie in Frage gestellt werden.72 Dieses Maß wird überschritten, wenn Rechtsgüter anderer oder die staatliche Ordnung dadurch in Gefahr geraten. Vor allem die steigende Zahl an extremistisch motivierten Taten gegen europäische Staaten, deren demokratische Rechtsordnungen und deren Bürgerinnen und Bürgern in den letzten Jahren zeigt deutlich die Fragilität demokratischer Regierungsformen.73 Der IS, das Reichsbürgertum, der NSU oder sonstige anarchistische Gruppen74 sind hierfür nur einige Beispiele, die die Demokratie stetig auf die Probe stellen. Darüber hinaus gehen Gefahren von anderen staatlichen Akteuren aus: Wahleinmischung, Wirtschaftsspionage oder die Herstellung neuer atomarer Waffen bedrohen demokratische Systeme und den Frieden weltweit. Deren Schutz – auch demokratischer Systeme – setzt deshalb in erster Linie gut informierte staatliche Organe als Frühwarnsysteme voraus, die rechtzeitig verfassungsfeindliche Bestrebungen erkennen und die politische Führung hierüber unterrichten.75 Das heißt, gut funktionierende Nachrichtendienste sind nicht nur unerlässlich für staatliche Systeme, weil sie dazu beitragen, existentielle Gefahren zu reduzieren bzw. ermöglichen, adäquat darauf zu reagieren,76 sondern insbesondere auslandsnachrichtendienstliche Informatio71  Schliesky, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 847 (848). Eingehend zur Freiheit durch Sicherheit Di Fabio, Sicherheit in Freiheit, in: NJW 2008, Vol. 61, S. 421 (421 ff.). Ferner Spitzer, Die Nachrichtendienste Deutschlands und die Geheimdienste Russlands, 2011, S. 8. 72  So zumindest Roth, § 1 BVerfSchG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1129. 73  Institute for Economics & Peace, Global Terrorism Index, 2017, S. 3, 54 ff. 74  Siehe hierzu bspw. den Verfassungsschutzbericht des Bayrischen Staatsministeriums, 2017, S. 216 ff. 75  Vgl. dazu Rede des damaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler anlässlich der 3. Nachrichtendienst-Konferenz am 29.10.2015, Der nachrichtendienstliche Mehrwert – Möglichkeiten und Grenzen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung, S. 1 ff. So auch Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004, S. 6; Roth, § 1 BVerfSchG, in: in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1129; Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 44; Hirsch, Kontrolle der Nachrichtendienste: vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform, 1966, S. 28. 76  Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (30); Hörauf, Die Demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 43.

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nen sind für den Bestand des demokratischen Systems von entscheidender Bedeutung.77 In Deutschland sind die deutschen Nachrichtendienste ein elementarer Teil der wehrhaften Demokratie.78 Ins Visier der Dienste geraten daher alle Bestrebungen, welche die Demokratie, die Oppositions-, Menschenrechte, den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, die verfassungsmäßige Ordnung oder das pluralistische Parteiensystem abschaffen wollen.79 Diesem Credo werden sie gerade in Zeiten ihrer größten Kritik aber auch zunehmend gerecht: Allein in den letzten Jahren wurden vermehrt Terroranschläge aufgrund eigener oder ausländischer nachrichtendienstlicher Informationen verhindert80 und führten auch wegen guter nachrichtendienstlicher Aufklärung in Deutschland dazu, dass nur wenige terroristische Anschläge hierzulande begangen wurden. Sie sind auch deshalb so wichtig, weil es in Zeiten der Digitalisierung für Täterinnen und Täter nicht nur einfacher wird, Terroranschläge zu planen und durchzuführen,81 sondern Terror generell eine diffuse Angst in der Bevölkerung verbreitet, die wiederum selbst zu antidemokratischen Ent77  So Schliesky, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 847 (869); BVerfGE 107, 339, 391 – Parteiverbotsverfahren NPD (Sondervotum Bertold Sommer). 78  So BVerfGE 143, 101, 139 – NSA-Selektorenliste: Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland.“ Siehe auch Gesetzentwurf der Abgeordneten Norbert Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT Drs. 16/12411, S. 1: „Die Nachrichtendienste des Bundes […] leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.“ Ähnlich dazu Ebert, Vor § 1 BVerfSchG, in: Borgs-Maciejewski/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, Teil A, Rn. 4; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 222; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1977, S. 100; Thiel, Die „wehrhafte Demokratie“ als verfassungsrechtliche Grundentscheidung, in: ders., Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 1 (1). Zur wehrhaften Demokratie siehe grundlegend BVerfGE 5, 85 (139) – KPDUrteil; 10, 118 (123) – behördliches Presseverbot; 39, 334 (349) – Extremistenbeschluss; 80, 244 (253) – Vereinsverbot; BVerwGE 110, 126, 132. Ferner Schliesky, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 847 (869). 79  So auch Mayntz, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2004, S. 6. 80  Veröffentlichung in Süddeutsche Zeitung vom 10.05.2010, Vereitelte Terroranschläge: Deutschland. Vgl. auch nachrichtendienstliche Hinweise für Anschläge in Hannover und München: Rötzer, Bislang keine Hinweise, die die Terrorwarnung in München bestätigen, in: Telepolis vom 01.01.2016. 81  Allein über YouTube war es möglich, anhand von Anleitungsvideos selbständig Bomben herzustellen, deren Materialien man in jedem Baumarkt finden kann.



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wicklungen führen kann. Angesichts diverser besorgniserregender Entwicklungen in der Welt werden die Forderungen gerade hierzulande lauter, die „Leistungsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes [zu] stärken“.82 Paradoxerweise kann man den Ausbau der Sicherheitsarchitektur, der in den letzten Jahrzehnten weltweit zu beobachten ist, als Erfolg der Gruppierungen sehen, die demokratischen Systemen ihrer Freiheiten berauben möchten. Um die staatlich gewährten Freiheiten nicht gänzlich dem Sicherheitsbedürfnis unterzuordnen, müssen nachrichtendienstliche Informationen – ungeachtet deren enormer Wichtigkeit – allerdings auch Grenzen unterliegen, weil die sich rasant entwickelnde Digitalisierung ebenso ein hohes Gefahrenpotential für die demokratischen Freiheiten aufweist. Folglich kann ein Mehrwehrt der Nachrichtendienste für die Demokratie nur dann generiert werden, wenn ein angemessener Ausgleich der in Konflikt stehenden Grundsätze von Sicherheit und Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechten eingehalten wird.83 2. Untersuchungsobjekt: Auslandsnachrichtendienstliche SIGINT-Überwachung Zur Stärkung und zum Schutz der Demokratie haben sich in den letzten Jahren zudem die Varianten der Informationsgewinnung fortlaufend weiterentwickelt. Während in der politischen Vormoderne das Platzieren von Spitzeln in den gegnerischen Reihen, das (un)freiwillige Rekrutieren oder Verhören von Personen aus dem „fremden Lager“ sowie das Abhören wichtiger Korrespondenz über Boten und Briefe die wesentlichen Mittel nachrichtendienstlicher Überwachung waren – man denke etwa an den Fall Günter Guillaume84 –, hat sich das Spektrum dieser Mittel mittlerweile immens erweitert. Zwar zählt selbige Art der Informationsgewinnung über menschliche Quellen auch heutzutage noch zur gängigen Praxis und wird im internationalen Verkehr als Human Intelligence (HUMINT) bezeichnet.85 Neben 82  So Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss A-Drs. 18(4)653 D, S. 2. 83  Siehe auch Spitzer, Die Nachrichtendienste Deutschlands und die Geheimdienste Russlands, 2011, S. 1. 84  Günter Guillaume wurde in Zeiten des zweigeteilten Deutschlands als menschliche Quellen zur Informationsgewinnung der DDR – die hier nicht als demokratisches System verstanden werden soll – als persönlicher Referent des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt eingeschleust. Siehe ausführlich zur sog. GuillaumeAffäre Michels, Guillaume, der Spion: eine deutsch-deutsche Karriere, 2013. 85  Hier wären die Beispiele aus Deutschland zu nennen, in denen der Verfassungsschutz mehrere V-Männer in der rechten Szene platziert hat. Siehe dafür Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der

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die klassische Agententätigkeit trat aber bereits in den 1970er-Jahren die Auswertung von Satelliten- und Radarbildern (Imagery Intelligence: IMINT), die Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen (Open Source Intelligence: OSINT) und wurden weitere Erkenntnisse über Kooperationsmodelle mit anderen Nachrichtendiensten gewonnen.86 Die Verarbeitung von Telekommunikation durch technische Fernmeldeaufklärung (Signals Intelligence: SIGINT) sollte allerdings für die nachrichtendienstliche Tätigkeit eine komplett neue Art der Informationsgewinnung ermöglichen.87 Dies gilt umso mehr im Zeitalter der Digitalisierung und Technisierung. Die Bedeutung von SIGINT zeigt sich nicht nur an der stetigen Erweiterung der Befugnisse zur Massenüberwachung, sondern es stammen auch rein faktisch die meisten auslandsnachrichtendienstlichen Erkenntnisse des BND aus diesem Bereich.88 Deshalb wird die SIGINT-Überwachung der Dienste zu auslandsnachrichtendienstlichen Zwecken den primären Gegenstand dieser Arbeit bilden. Die SIGINT-Überwachung kann sowohl durch Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), die sich auf spezifische und bestimmte Kommunikationen oder Kommunikationsteilnehmerinnen bzw. Kommunikationsteilnehmer bezieht, oder durch die strategische Fernmeldeaufklärung vorgenommen wer17. Wahlperiode vom 22.08.2013 („NSU“), BT-Drs. 17/14600, S. 257 ff. Ebenfalls akquirierte der Niedersächsische Verfassungsschutz zur Beobachtung der Göttinger linken Szene einen V-Mann. Siehe dafür Preker, Verfassungsschutzchefin verliert nach Spitzelpanne ihren Job, in: Spiegel Online vom 21.11.2018. 86  Siehe zu den Methoden generell die Rede des damaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler anlässlich der 3. Nachrichtendienst-Konferenz am 29.10.2015, Der nachrichtendienstliche Mehrwert – Möglichkeiten und Grenzen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung, S. 1, der diese Art der gebündelten Informationsgewinnung auch als „integrierten Ansatz“ bezeichnet. Ferner Gusy, Vorbemerkung BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1263; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 23. 87  Siehe hierzu genauer Lewis, Espionage and the War on Terrorism: Investigating U.S. Efforts, in: BJWA 2004, Vol. 11, S. 175 (175 f.). 88  Vgl. Rede des damaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler anlässlich der 3. Nachrichtendienst-Konferenz am 29.10.2015, Der nachrichtendienstliche Mehrwert – Möglichkeiten und Grenzen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung, S. 5. Dieser spricht von rund 50 % aller Erkenntnisse, die aus SIGINT stammen. Von 90 % berichtet hingegen Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1258); Dietrich, § 6 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1456. Siehe auch die Aussage des Technischen Regierungsdirektor des BND Meyer-Ottens, nach welchem die SIGINT-Aufklärung das Tafelsilber des BND sei. Zitiert im Bericht von Förster, 2. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2018, Vol. 37, S. 711 (712).



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den, die gebündelt eine Vielzahl von Kommunikationen und Metadaten eines unbestimmten Kreises von Kommunikationsteilnehmerinnen bzw. Kommunikationsteilnehmern erfasst und im Anschluss anhand gewisser Merkmale selektiert (sog. Selektoren).89 Je geringer dabei die Voraussetzungen an Be­ schränkungen,90 Zielgerichtetheit und Identifizierbarkeit der strategischen Fernmeldeaufklärung sind, desto vermehrt wird von Massenüberwachung gesprochen, die eine flächendeckende Überwachung einer Vielzahl von Personen ohne Erhebungsbeschränkungen erlaubt. 3. Untersuchungsgegenstand: Die Auslandsnachrichtendienste Deutschlands, Frankreichs und der USA a) Der Bundesnachrichtendienst Auch Deutschland verfügt über spezialisierte Dienste, welche zur Sicherheit und zum Bestand des Staates heimlich Informationen beschaffen.91 Als Nachfolgeorganisation der nationalsozialistischen Feindaufklärungsabteilung „Fremde Heere Ost“ entstand nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Organisation Gehlen, die zu Beginn für die westlichen Besatzungsmächte Deutschlands als Geheimdienst gegen Russland fungieren sollte.92 Im Jahre 1955 wurde diese Einheit durch einen Kabinettsbeschluss in die deutsche Verwaltungsarchitektur integriert und im April 1956 in Bundesnachrichtendienst (BND) umbenannt.93 Damit ging eine deutliche Umstrukturierung einher, in der der BND seine Monopolstellung als Auslandsnachrichtendienst zugeordnet bekam.94 89  Ausführlich dazu Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 23 ff.; Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1277 f.; Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (219). 90  Z. B. durch einen Kernbereichsschutz zu gewinnender Informationen oder allgemeinen Grundrechtsschutz. 91  Singer, Die rechtlichen Vorgaben für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 2002, S. 10. 92  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  109 f. 93  Vgl. zur historischen Entwicklung Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, 2013, S. 94 ff.; Porzner, Der Bundesnachrichtendienst im Gefüge der öffentlichen Verwaltung, in: Die Verwaltung 1993, Vol. 26, S. 235 (236 f.). 94  In Deutschland ist die Kategorisierung des BND als Nachrichtendienst einfach vorzunehmen, da der BND nicht nur in den verfassungsrechtlichen, sondern auch in den einfachen Gesetzen als Nachrichtendienst bezeichnet wird und seine Befugnisse keinen geheimdienstlichen Erkennungswert haben. Indirekt in Art. 45d Abs. 1 GG; direkt in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 BNDG. Siehe ferner Bundesregierung, Entwurf eines

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Auch wenn diese Monopolstellung unstrittig war, gab es einen jahrzehntelangen Streit über die Frage, ob die Einrichtung und Unterhaltung des BND verfassungsrechtlich zulässig sei und ob hierfür einfachgesetzliche Grund­ lagen geschaffen werden müssten. aa) Verfassungsrechtliche Verankerung des BND im Grundgesetz? Der Bundesnachrichtendienst ist heute eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes.95 Allerdings findet sich auf grundgesetzlicher Ebene kein Hinweis darauf, dass sie eine „notwendige […] Bundesbehörde“ ist.96 Angesichts der „Skandale“ über die letzten Jahrzehnte könnte diese Aussage viele dazu verleiten, für eine Abschaffung des wichtigsten deutschen Auslandsnachrichtendienstes zu plädieren.97 Betrachtet man das Grundgesetz genauer, muss man feststellen, dass Christoph Gusy mit dieser These einen wunden Punkt in Bezug auf die „wehrhafte Demokratie“ trifft. Tatsächlich gibt es weder eine unmittelbare Normierung des BND in einer Verfassungsnorm, noch sieht das Grundgesetz Regelungen für auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeiten – mit Ausnahme der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten allgemein in Art. 45d GG – explizit vor. Dies erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, da der BND einen so wichtigen Baustein für den Schutz der Verfassung und seiner Bürger darstellt und bereits über einen derart langen Zeitraum hinweg agiert. Auf der anderen Seite bedeutet die Nichtnennung des BND im Grundgesetz nicht, dass sich aus diesem nicht die Schaffung einer derartigen EinrichGesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes vom 06.04.1989, BT-Drs. 11/4306, S. 70. Darüber hinaus differenziert auch das StGB zwischen geheim- und nachrichtendienstlich strafrechtsrelevanter Tätigkeit. Der § 109f StGB stellt so lediglich die sicherheitsgefährdende nachrichtendienstliche Tätigkeit unter Strafe. Hingegen haben einzelne Gerichte § 99 StGB, welcher die geheimdienstliche Agententätigkeit verbietet, auch im nachrichtendienstlichen Bereich für anwendbar erklärt. Siehe BGH NStZ-RR 2005, S. 305 (306); OLG Hamburg NJW 1989, 1371. Ähnlich Schmidt, § 99 StGB, in: v. Laufhütte/Jähnke, LK-StGB, Bd. 4, 11. Aufl. 2005, Rn. 4; Ellbogen, § 99 StGB, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK 40. Ed. 2018, Rn. 1 ff. Kritisch hierzu Stree, BGH: Ausüben einer geheimdienstlichen Tätigkeit, in: NStZ 1983, Vol. 3, S. 550 (551 ff.). 95  Siehe dazu § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG. 96  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. 97  Vgl. u. a. Baumgärtner et al., Der unheimliche Dienst: in: Spiegel 19/2015; Eipeldauer, Universelle Überwachung, in: Hintergrund 2014, S. 4 (4 ff.); Spiegel-Bericht, Abhör-Affäre: Die Koalition schlingert, in: Spiegel 13/1977. Siehe zudem das ehemalige Mitglied des PKGr Ströbele, Totalversagen einer Behörde, in: T-Online vom 27.11.2018.



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tung herleiten ließe. So zeigt sich im gesetzgebungs- und verwaltungskompetenzrechtlichen Bereich, dass in den Bestimmungen der Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 b) und c) GG sowie Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG zumindest ein Verfassungsschutz vorgesehen ist.98 Ebenso werden nachrichtendienstliche Tätigkeiten in Art. 45d GG zu Grunde gelegt, die einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen sollen. Doch kann der BND sein verfassungsrechtliches Fundament hieraus ableiten? Auch wenn dieser selbst verfassungsrechtlich keine Erwähnung findet, muss der Staat aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der „wehrhaften Demokratie“ effektive Schutzmechanismen zum Bestand der Demokratie einführen – vor allem bei auswärtigen Angelegenheiten.99 Aufgrund dessen hob das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum BNDG 2020 hervor, dass sich die Gesetzgebungskompetenz des BND aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ergebe und eben nicht aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG, da die internationale Bekämpfung von Verbrechen nicht hierunter falle.100 Aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG folgt ferner, dass der Bund dem BND mit der Auslandsaufklärung nicht allgemein zum Zweck der Gewährleistung der inneren Sicherheit betrauen kann.101 Wie der BND ansonsten strukturiert und kompetenziell ausgestattet wird, obliegt dann dem Ermessen des Gesetzgebers, welcher vor allem bei auswärtigen Belangen der Exekutive einen weiten Ermessensspielraum hat.102 Da auch – wenn nicht sogar vor allem – Gefahren für die Demokratie außerhalb des deutschen Territoriums lauern, ist folglich ein Verfassungsschutzorgan für den Auslandsbereich notwendig, der allerdings – wie alle Staatsorgane – Art. 20 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 3 GG unterworfen ist.

98  Dieser macht aber nur einen Teilaspekt verschiedener institutioneller Schutzmechanismen aus. Daneben ist der strafrechtliche, verfassungsrechtliche und behördliche Verfassungsschutz der jeweils zuständigen Organe zu nennen. Vgl. dafür Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 22 ff. Siehe auch Unterrichtungs­ bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 24.02.2006, BT.-Drs. 16/800, S. 6. Aber selbst diese Behörden sind nur rein fakultativer Natur. Siehe dafür auch Hermes, Art. 87 GG, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. III, 2. Aufl. 2008, S. 178. 99  Begriff wurde vom BVerfG auch auf die Nachrichtendienste übertragen: BVerfGE 143, 101, 139 – NSA-Selektorenliste. Vgl. dazu auch Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 20 ff. Generell zur wehrhaften Demokratie bereits Abschnitt B.IV.1. 100  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836, Rn. 122 ff. – BNDG. 101  Ebd., Rn. 127. 102  Siehe dazu BVerfGE 40, 141, 178 – Ostverträge; 55, 349, 364 f. – Rudolf Hess.

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bb) Das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst Ebenso war lange Zeit dogmatisch umstritten, ob der BND eine eigene bundesgesetzliche103 Kompetenz- und Eingriffsbefugnis für die geheimen Operationen benötigt.104 Eine solche existierte bis 1990 jedoch deshalb nicht, weil diese schlicht nicht für notwendig erachtet wurde. Einige vertraten sogar die Auffassung, dass zum einen mit der reinen Beschaffung von Informationen noch kein Eingriff in die Grundrechte vorläge, welche zum anderen ohnehin keine Anwendung fänden, da der BND im Ausland und somit außerhalb des deutschen Staatsgebietes tätig werde.105 Aus Souveränitätserwägungen könnten deutsche Gesetze daher keine rechtfertigende Wirkung im Ausland entfalten. Überdies folgte – nach Peter Lerche und Ernst-Wolfgang Böckenförde – weder aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG noch aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, dass für die Errichtung, Ausgestaltung und Aufgabenverteilung dieser Verwaltungsbehörden unbedingt eine einfachgesetzliche Grundlage geschaffen werden müsse.106 Bei der „gesetzesfreien Verwaltung“ sei dies nämlich 103  Die bundesgesetzliche Zuständigkeit wurde damals in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gesehen. Dies rühre laut Georg Hermes schon aus der systematischen Stellung des Art. 87 GG im VII. Abschnitt her, welcher die Verteilung der Verwaltungskompetenzen auf Bundesebene regelt, ders., Art. 87 GG, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. III, 2. Aufl. 2008, S. 170. Ebenso Hömig, Art. 87 GG, in: ders., Grundgesetz Kommentar, 9. Aufl. 2010, Rn. 7; Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes, BT-Drs. 11/4306, S. 70. Für die umfassende Auslandsaufklärung im Rahmen des Art. 10 GG bestätigte das das BVerfG: E 100, 313, 368 ff. – TKÜ I. Kritisch dazu Huber, Post aus Pullach, in: NVwZ 2000, Vol. 19, S. 393 (394); Staff, Sicherheitsrisiko durch Gesetz, in: KJ 1999, Vol. 32, S. 586 (586). 104  Vgl. Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. 105  Jedoch war dies keineswegs unstreitig: Für eine Normierung war: Gusy, Der Bundesnachrichtendienst, in: Die Verwaltung 1984, S. 273 (275 ff.) sowie im Nach­ hinein Cremer, Organisationen zum Schutz von Staat und Verfassung, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 879 (886 f.). Diese ablehnend: Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, S. 220; Schoreit, Innere Sicherheit in der Bundes­ republik Deutschland, 1979, S. 65 ff.; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, S. 7 ff. Allgemein dazu Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1262; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: SWP-Studien 2016, S. 24. 106  Lerche, Art. 87 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 53. EL 2009, Rn. 170; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 130. Erster gibt jedoch an, dass ein Gesetz nur erforderlich sei, „wenn dies den allgemeinen Lehren (vom institutionellen Gesetzesvorbehalt) für die konkret beabsichtigte Ausgestaltung der bundeseigenen Verwaltung entspringt“. Ähnlich Hermes, Art. 87 GG, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. III, 2. Aufl. 2008, S. 174, welcher aber wenige Seiten später schreibt, dass die Ausübung der Verwaltungskompetenz ein Bundesgesetz erfordere, ebd., S. 195.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte49

nicht notwendig.107 Die Regelungsvermeidung hatte aber auch eine praktische Dimension: der grundlegend geheime Charakter dieser Behörde führte jahrelang auch deshalb zu einer erhöhten Zurückhaltung, die Befugnisse des BND zu normieren, weil man befürchtete, auf diese Weise zu viele Informationen über die Tätigkeiten des BND an diejenigen preiszugeben, die man mit Hilfe des Dienstes ausfindig machen wollte. Nichtsdestotrotz existierten schon damals Regelungen, die zumindest den Auftrag des BND umschrieben. So wurde 1968 eine Dienstanweisung eingeführt, um die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit festzuhalten.108 Dieses rein exekutive Innenrecht109 normierte im dortigen § 1 Abs. 1, dass der BND mit der Aufgabe der Auslandsaufklärung betraut werde, um außenpolitische, wirtschaftliche, rüstungstechnische und militärische Informationen – zur damaligen Zeit noch prioritär über Russland – zu erlangen.110 Die Proteste für eine stärkere Beschränkung des BND wurden jedoch erst öffentlich lauter, als eine Vielzahl rechtlich bedenklicher Einsätze des Dienstes aufgedeckt wurden und niemand bis dato wusste, wozu der Dienst alles befugt war.111 Eine Zäsur der gesetzesfreien Tätigkeiten des BND sollte 1983 allerdings erst durch ein höchstrichterliches Urteil außerhalb des Sicherheitsbereiches eintreten. Das Bundesverfassungsgericht forderte in seinem Volkszählungsurteil nunmehr, dass die staatliche Informationserhebung, ‑speicherung, ‑verarbeitung und -weitergabe von personenbezogenen Daten stets eine gesetzliche Grundlage benötige.112 Wegen dieses Urteils kam die Bundesregierung nicht mehr ohne eine detaillierte Regelung der gesamten nachrichtendienstlichen Tätigkeit aus und sollte, mehr als sieben Jahre später, der Art. 4 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Da107  Bei der „gesetzesfreien Verwaltung“ liegt – im Unterschied zur gesetzesakzessorischen Verwaltung – keine konkrete gesetzliche Grundlage vor. Die Behörde handelt allein auf verwaltungseigener Initiative. Siehe hierzu auch Burgi, Art. 86 GG, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, S. 126 f. 108  Vgl. Bundestag, Bericht und Antrag des 2. Untersuchungsausschusses vom 19.02.1975, BT-Drs. 7/3246, S. 47. 109  Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: SWP-Studien 2016, S. 24. 110  Man kann deshalb die Anfänge des BND in West-Deutschland durchaus als machtpolitisches Instrument des Kalten Krieges verstehen. Siehe dazu auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 109 f. 111  Siehe hierzu auch Baumgärtner u. a., Der unheimliche Dienst: in: Spiegel 19/2015; Eipeldauer, Universelle Überwachung, in: Hintergrund 2014, S. 4 (4 ff.). 112  BVerfGE 65, 1, 43 f. – Volkszählungsurteil, in welchem das BVerfG das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG herleitete. Später kamen weitere Grundrechte hinzu, die es ebenfalls aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ableitete.

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B. Einführendes Kapitel

tenschutzes113 einen jahrzehntelangen Streit über die Einführung einer Gesetzesnorm beenden.114 Das daraus entstandene BNDG regelt seither den Aufklärungsauftrag und die gesetzlichen Befugnisse des BND. Letztlich umfasst dieses in seiner Neufassung aus 2016 drei getrennte Befugnisse: die Auslandsaufklärung mit Inlandsbezug (§§ 2 ff.), die Auslandsaufklärung aus dem Inland, soweit nur Auslands-Auslandkommunikation betroffen ist (§ 6), und die reine Auslandsaufklärung (§ 7). Daneben wurde in § 16 BNDG ein weisungsfreies (Abs. 1 S. 2) und geheim (Abs. 5 S. 1) tagendes Unabhängiges Gremium als weitere Kontrollinstanz im auslandsnachrichtendienstlichen Sektor geschaffen. Flankiert wurde das Gesetzesvorhaben von dem Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, welches insbesondere das Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) reformieren sollte. (1) T  erritoriales Betätigungsfeld des BND: Aufklärungsauftrag über das Ausland Bereits systematisch folgt aus der engen Bindung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG und der strikten Zuständigkeitsabgrenzung zu den Inlandsnachrichtendiensten, dass sich der Tätigkeitsauftrag des Bundesnachrichtendienstes ­primär an das Ausland richtet.115 Dieses Verständnis spiegelt sich auch im 113  BGBl. 1990,

Vol. I, S. 2954 (2979). zu diesem Streit Gusy, Der Bundesnachrichtendienst, in: Die Verwaltung 1984, Vol. 17, S. 273 (276 f.); Rieger, Nachrichtendienst und Rechtsstaat, in: ZRP 1985, Vol. 18, S. 3 (6  ff.); Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 1 PKKG, Rn. 14. Der eigentliche Zweck des Gesetzes wurde auf die „Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Rechtslehre, Rechtsprechung und Gesetzgebung“ gestützt, wodurch erst eine Regelung „notwendig geworden ist.“ Siehe dafür Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes, BT-Drs. 11/4306, S. 70. Hieraus könnte man entnehmen, dass auch die Legislative davon ausging, dass kein Bundesgesetz für den Bundesnachrichtendienst benötigt wurden wäre, hätte es die angesprochenen Entwicklungen nicht gegeben. Siehe allgemein zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Albers, Informationelle Selbstbestimmung, 2005, S. 149 ff. Umfassend zur Rechtsprechungsentwicklung siehe Di Fabio, Art. 2 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 75. EL 2001, Rn. 173. Zur Entwicklung in der Literatur vgl. Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, 1987, S.  23 f.; Scholz/Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, 1984. 115  Dem Bundesnachrichtendienst ist als einzigem deutschem Auslandsnachrichtendienst gesetzlich das Monopol zur Auslandsaufklärung zugeteilt. So auch Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1270; Ibler, Art. 87 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 75. EL 2001, Rn. 157. 114  Vgl.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte51

BNDG wider,116 in welchem der BND über § 1 Abs. 2 S. 1 „zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“ sind, ermächtigt wird.117 Zentrale Faktoren von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind hierbei zumindest die territoriale Integrität, Unabhängigkeit, Hand­ lungsfähigkeit, sowie die verfassungsmäßige Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik.118 Ebenso fallen hierunter der Schutz vor politischem oder militärischem Zwang von außen gegenüber Deutschland als auch gegenüber Bündnispartnern, terroristische Gefahren, der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder die transnational agierende organisierte Kriminalität, sofern hiermit aufklärungswürdige Interessen verfolgt werden.119 Der BND kann überdies gänzlich „legale Handlungen“ aufklären, sofern diese die Bedeutungsschwelle erreichen.120

A. A. in puncto Vorrang der Rechtshilfe: Schünemann, Die Liechtensteiner Steuer­ affäre als Menetekel des Rechtsstaats, in: NStZ 2008, Vol. 28, S. 306 (306). 116  Der § 1 Abs. 2 BNDG begrenzt den Anwendungsbereich des Gesetzes jedoch auf das Inland. Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1265; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 31. 117  Siehe dazu Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ 2016, Vol. 15, S. 1057 (1058). Bereits vor der Einführung des BNDG galt zumindest seit 1968 nach einer „Allgemeinen Dienstanweisung an den Bundesnachrichtendienst durch den Chef des Bundeskanzleramtes“, dass die „nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung (…) auf außenpolitischem, wirtschaftlichem, rüstungstechnischem und militärischem Gebiet“ beschränkt sei. Diese wurde eingeführt, weil das Einsatzgebiet des BND in der Anfangszeit zunehmend verschwamm und entgegen den Willen der damaligen politischen Führung auch innerstaatliche Tätigkeiten vollzogen wurden. So zumindest Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, S. 129, 86 ff. Siehe ferner das Interview mit dem damaligen BND-Präsidenten Gerhard Wessel mit dem ZDF vom 03.02.1970, zitiert nach Ritter, Die geheimen Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 17. 118  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S.  1270 f. 119  Vgl. BVerwGE 130, 180, 186 ff. Ebenso Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1270 f.; Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, S. 133. 120  Ebenfalls kann dies die außenwirtschaftliche Informationsgewinnung betreffen, sofern diese die Stellung Deutschlands in der internationalen Wirtschaft tangieren. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Versorgungssicherheit Deutschlands mit Energie oder bedeutenden Waren, Sicherheit von Verkehrs- u Transportwegen ins und im Ausland gefährdet sind. Diese Art der Überwachung darf jedoch nicht ausschließlich zur Unterstützung der deutschen Unternehmen führen. Vgl. auch Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1271 f.

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B. Einführendes Kapitel

Damit steht zwar die Aufklärung auswärtiger Gefahren im Vordergrund,121 was aber nicht bedeutet, dass der deutsche Auslandsnachrichtendienst nur im Ausland tätig werden darf.122 Mit der Bezeichnung als Auslandsnachrichtendienst geht nicht simultan die Schlussfolgerung einher, dass der BND nur im Ausland agieren und ausschließlich Ausländerinnen und Ausländer in den Fokus nehmen darf.123 Vielmehr darf der Dienst „überall tätig werden“, sofern dies für seine Aufgabenerfüllung erforderlich ist – was damit eine auslandsbezogene Tätigkeit im Bundesgebiet und gegenüber deutschen Staatsangehörigen einschließt.124 Entscheidend für die Bestimmung der Aufklärung über das Ausland ist damit nicht der Ort oder die Staatszugehörigkeit von bestimmten Personen, sondern vielmehr der Inhalt der zu gewinnenden Informationen.125 Erkenntnisse „über das Ausland“ werden generiert, wenn ihr Aussagegehalt sich auf Tatsachen, Vorgänge oder Intentionen bezieht, welche außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes liegen oder stattfinden.126 Das schließt aus personeller Sicht „Sachverhalte, Personen und Vorgänge des innerstaatlichen politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland [… aus, die] nicht Gegenstand der nachrichtendienstlichen Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes sind.“127 Hiervon sind allerdings im begrenzten Rahmen sog. Annexinformationen über das Ausland mit Inlandsbezug umfasst, die eine bestimmte außen- und sicherheitspolitische Relevanz aufzeigen. Darunter könnte das Abhören von Botschaften oder ausländischen Poli121  BVerfGE

100, 313, 370 – TKÜ I; 133, 277, 325 – ATDG. Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, S. 86 ff., 128 f. 123  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S.  1269 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 29. 124  Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 31 f.; Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1269; Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl., S. 142. 125  So auch Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 32. 126  Kretschmer, BKA, BND und BfV, in: JURA 2006, Vol. 28, S. 336 (340); Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, 2013, S. 128. Von dem Verbot der Verarbeitung inlandsbezogener Daten gelten jedoch nach § 2 Abs. 1 BNDG Ausnahmen, sofern es dem „Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen [vor] sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Tätigkeit“ dient; es für eine Sicherheitsüberprüfung von Personen, die für den BND tätig werden sollen oder sind erforderlich ist; es um die notwendigen Nachrichtenzugänge für die Aufgaben­ erfüllung geht und es sich um „Vorgänge im Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die BRD sind, wenn sie nur auf diese Weise zu erlangen sind und für die Erhebung keine andere Behörde zuständig ist.“ Siehe dazu auch Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl., S. 142 f. 127  Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes, BT-Drs. 11/4306, S. 70. Der ursprüngliche Wortlaut bezog sich auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 BNDG a. F. vom 20.12.1990. 122  Weisser,



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte53

tikerinnen und Politikern auf dem deutschen Hoheitsgebiet fallen oder auch Telekommunikationsverkehre, sofern diese über deutsche Telekommunikationssysteme gesendet, empfangen oder geleitet werden.128 Darüber hinaus sind seit längerem Fälle bekannt, in denen der BND ebenfalls anhand von eigens hergeleiteten Theorien auf dem deutschen Territorium und gegenüber deutschen Staatsangehörigen agiert. Nach der sog. „Weltraumtheorie“ könne der BND auch Informationen über deutsche Satelliten unabhängig von deren Inhalt abhören, da sich die Satelliten nicht auf deutschem Hoheitsgebiet – sondern im Weltraum – befinden.129 Die sog. „Funktionsträgertheorie“ erlaubt – zumindest dem BND zufolge – darüber hinaus, Deutsche zu überwachen, wenn sie für eine ausländische Behörde, Firma oder Organisation arbeiten.130 (2) Auslandsnachrichtendienstliche Überwachungsbefugnisse des BNDG Im ersten Gesetzesentwurf von 1990 wurde im damaligen § 1 Abs. 1 BNDG lediglich geregelt, dass dem BND nachrichtendienstliche Mittel zur Verfügung stünden.131 Heute enthält § 1 BNDG eine organisatorische Einordnung und einen generellen Aufgabenbereich zur Informationsgewinnung und -auswertung, die – anders als im Polizeirecht – auch unabhängig von konkreten Gefahren durchgeführt werden können.132 Allgemein überträgt das BNDG dem BND die Befugnis zur Verarbeitung personenbezogener Daten und sonstiger Informationen – was annähernd vollständig die Aufgaben des BND umschreibt.133 Die Gewinnung von Erkenntnissen umfasst vor allem 128  So auch Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1274 f. Diesem Phänomen trägt § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG Rechnung. 129  Biermann, Eine Vertuschung namens Weltraumtheorie, in: Süddeutsche Zeitung Online vom 24.02.2016. 130  Vgl. hierzu die Bewertungen des ehemaligen und der derzeitigen Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar und Andrea Voßhoff, wiedergegeben in: Leyendecker/Mascolo, Abhörpraxis des BND: „Nicht verfassungskonform“, in: Süddeutsche Zeitung Online vom 24.02.2016. 131  Für eine Definition wurde auf den § 6 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG Fassung von 1990 verwiesen. Siehe Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes, BT-Drs. 11/4306, S. 70. Es ist jedoch zu erwähnen, dass die Einführung des BNDG den Zweck verfolgte, eine gesetzliche Grundlage für die „informationserhebende und -verarbeitende Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes, soweit sie zur rechtmäßigen Erfüllung seiner Aufgaben in den Geltungsbereich des Gesetzes stattfinden müssen, […] zu schaffen.“ 132  Siehe dazu auch BVerfGE 133, 277, 325 ff. – ATDG; 122, 120, 145 – Vorratsdatenspeicherung. 133  Ähnlich Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1273.

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B. Einführendes Kapitel

die Auswertung und Bewertung dieser sowie das Ziehen von Rückschlüssen auf Handlungsoptionen, -alternativen oder -chancen für die deutsche Außenund Sicherheitspolitik.134 Im weiteren Verlauf des BNDG werden allerdings nur die Befugnisse gesetzlich näher ausgeformt, die wegen Grundrechtsrelevanz beim Tätigwerden des BND eine gesetzliche Befugnisnorm benötigen.135 Diese finden sich in den §§ 2 ff. BNDG und in Bezug auf die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung in den §§ 6 ff. BNDG wieder, die jeweils nur im Rahmen des Auftrages aus § 1 BNDG erlangt werden dürfen. Die §§ 6 ff. BNDG sind leges speciale gegenüber den Regeln der §§ 2 ff. BNDG und sollen Anwendung bei der strategischen Fernmeldeaufklärung des BND gegenüber Ausländerinnen und Ausländern im Ausland finden, sofern die Überwachungstätigkeiten einen sicherheitsrelevanten Inlandsbezug aufweisen.136 Im Gegensatz dazu ist für die Anwendbarkeit der §§ 2 ff. BNDG nicht die territoriale Lage der Erfassungssysteme des BND ausschlaggebend, sondern dass die Kommunikation an sich einen Inlandsbezug aufweisen muss, aber zusätzlich keinen reinen Inlandsbezug haben darf – dann wären das BfV oder die einzelnen LfV-Behörden zuständig. Erfolgt die Überwachung von Ausländerinnen und Ausländern dagegen im Ausland ohne irgendeinen Inlandsbezug, stützt sich diese Befugnis nach derzeitiger Rechtslage ausschließlich auf § 1 Abs. 2 BNDG.137 Nicht spezialgesetzlich normiert ist zudem die Auswertung offener Quellen, welche der Allgemeinheit oder einer Vielzahl von Personen frei zugänglich sind und ganz überwiegend zur Aufklärungsarbeit des BND gehört.138 Diese wird über die Generalermächtigung umfasst. 134  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1271. Zum Auftrag der Nachrichtendienste allgemein auch BVerfGE 133, 277, 325 ff. – ATDG. 135  Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass alle grundrechtsrelevanten Handlungen des BND bereits mit Befugnisnormen im BNDG versehen sind. Siehe hierzu näher Abschnitt C.II.4.b)cc). 136  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9041, S. 22. Danach sei der Inlandsbezug auch dann hergestellt, wenn sich die Erfassungssysteme in Deutschland befänden. Ferner Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (162 f.); Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kon­ trolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (770 ff.). 137  So Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9041, S. 22. Eine Ausnahme hiervon stellt § 7 BNDG dar. Siehe dazu auch Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (162 f.). 138  So auch Gusy, § 2 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1279. Diese Tätigkeit leite sich aus den allgemeinen Befugnissen aus § 1 Abs. 2 BNDG ab.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte55

Die Generalermächtigung zur Verarbeitung der erforderlichen Informationen – einschließlich personenbezogener Daten – befindet sich in § 2 BNDG und gilt nur für die Fälle der Eigensicherung, Sicherheitsüberprüfung, Prüfung von Nachrichtenzugängen, zur Erfüllung des Auftrages nach § 1 BNDG, sofern eine Erlangung anderweitig nicht möglich ist, und bei Einwilligung der Betroffenen.139 Erforderlich sind dabei auch solche Informationen, die anhand nachrichtendienstlicher Erkenntnisse konkretisierbar sind.140 Nach § 46 Nr. 2 BDSG umfasst der Term „verarbeiten“, der sich in § 2 Abs. 1 BNDG sowie an anderen Stellen des BNDG wiederfindet, seit der Gesetzesänderung 2018 durch das DSAnpUG-EU „das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung, die Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich, die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernich­ tung“.141 Hiervon sind Lage-, Sachdaten oder Infrastrukturmaßnahmen über das Ausland umfasst.142 Nicht inbegriffen von den speziellen Aufgabenbefugnissen ist die Auswertung offener Quellen, die frei zugänglich sind. Diese Tätigkeit stützt sich auf die allgemeinen Aufgabenzuweisungen aus § 1 BNDG.143 Auch legt § 2 Abs. 3 BNDG explizit fest, dass dem deutschen Auslandsnachrichtendienst keine polizeilichen oder sonstige Zwangsbefugnisse zuste139  Durch das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 wurde der frühere § 2 Abs. 1 BNDG vor 2017 dahingehend geändert, dass der Gesetzeswortlaut nur noch die Verarbeitung normiert. Die frühere Fassung enthielt die Passage: „Der Bundesnachrichtendienst darf die erforderlichen Informationen einschließlich personen­ bezogener Daten erheben, verarbeiten und nutzen […].“ Diese Änderung ist jedoch lediglich eine Folgeänderung der neuen Begriffsdefinition des § 46 Nr. 2 BDSG, der mittlerweile von einem sehr weiten Begriff der „Verarbeitung“ ausgeht und die vorherigen Tätigkeiten damit umfasst. Siehe dazu auch Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (DatenschutzAnpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) vom 24.02.2017, BT-Drs. 18/11325, S. 124. 140  So auch Gusy, § 2 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1281. 141  Zum Verhältnis BDSG und BNDG sowie kritisch zur Gesetzesnovelle aus 2016 Voßhoff, Schriftliche Stellungnahme der Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs. 18/9041), Innenausschuss Drs. 18(4)660, S. 1 ff. 142  Gusy, § 2 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1279. 143  Ebd.

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B. Einführendes Kapitel

hen, womit das Gesetz dem deutschen Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten entspricht.144 Der § 2 Abs. 1 S. 1 BNDG ordnet zudem explizit die eigene Subsidiarität an, sofern speziellere Regelungen des BNDG oder des BDSG einschlägig sein sollten.145 Daneben sieht § 2 Abs. 2 BNDG vor, dass der BND einer Zweckbindung bei seiner offenen Verarbeitungs­ tätigkeit unterliegt, d. h. den Betroffenen auch den Erhebungszweck anzugeben hat, und nach § 2 Abs. 4 BNDG stets nur verhältnismäßige Maßnahmen durchführen darf. Darüber hinaus stehen dem BND über §§ 3, 4 BNDG i. V. m. §§ 8a, 8b, 8d BVerfSchG besondere bzw. weitere Auskunftsverlangen zur Verfügung, wenn dies im Einzelfall zur Auftragserfüllung oder Eigensicherung erforderlich ist. Hierbei handelt es sich um die Abfrage von Bestandsdaten bei Telekommunikationsdienstleistern, sonstigen Telediensten, Finanz- und Kreditinstituten oder Unternehmen im Flugverkehr, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die zu schützenden Rechtsgüter nach § 3 Abs. 1 S. 2 BNDG vorliegen. Erfolgt die Erhebung der Informationen und personenbezogenen Daten im Inland – wie es Nachrichtendiensten gewissermaßen inhärent ist – heimlich, ist hierfür der § 5 BNDG i. V. m. § 8 Abs. 2, §§ 9, 9a, 9b BVerfSchG anwendbar. Dieser legt – anders als die Generalklausel – eine erhöhte Eingriffsschwelle wegen der grundrechtsinvasiveren Eingriffe fest.146 Hiernach dürfen heimliche Überwachungsmaßnahmen nur angewendet werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.147 Der § 8 Abs. 2 BVerfSchG zählt als mögliche heimliche Handlungsvarianten den Einsatz von V-Leuten und Observationen jeglicher Art auf.148 Nach Christoph Gusy sind nicht nur die Vielzahl an Grundrechtseingriffen, sondern auch die Wege der Informationsbeschaffung kaum ab144  Damals in § 1 Abs. 3 BNDG Fassung von 1990 i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG Fassung von 1990 normiert. Siehe dazu auch BVerfGE 97, 198, 217 – Bundesgrenzschutz; 133, 277, 329 – ATDG. Das BVerfG leitet das Trennungsgebot aus dem Rechtsstaats-, Bundesstaatsprinzip und den Grundrechten her. In der Entscheidung zum ATDG bezeichnet das BVerfG dieses allerdings als Trennungsprinzip, welches jedoch nicht als strikte Trennung zu verstehen ist. Allgemein dazu auch Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 40 ff.; Dorn, Das Trennungsgebot in verfassungshistorischer Perspektive, 2004, S. 17 ff. 145  Die Anwendbarkeit der Regelungen des BDSG richtet sich nach § 11 BDSG, der jedoch im staatlichen Sicherheitsbereich limitiert ist. 146  Gusy, § 3 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1290. 147  Siehe § 5 S. 1 BNDG. 148  Siehe vor allem zum Einsatz von V-Leuten BVerwG, Beschluss vom 26.05.2010, Az.: 6 A 5.09 (6 PKH 29.09), Rn. 21. Siehe ferner Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 269.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte57

schätzbar.149 Damit wird dem BND ermöglicht, die Zielperson durch eine Täuschung eigens zur Informationspreisgabe zu bewegen oder die Informa­ tionen ohne Mitwirkung der Zielperson – beispielsweise durch den Einsatz technischer Mittel – gegen ihren bzw. seinen Willen zu erheben.150 Daher existiert über § 9 Abs. 1 BVerfSchG eine besonders hohe Erhebungsschwelle aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten.151 Daneben ist 2016 der Abschnitt 2 zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung eingefügt worden, der gegenüber den §§ 2 ff. BNDG spezieller ist. Die dortigen §§ 6 ff. BNDG sollen die strategische Fernmeldeaufklärung des BND gegenüber Ausländerinnen und Ausländern klarstellend regeln. Sofern die Überwachungstätigkeiten einen Inlandsbezug aufweisen, ist dafür § 6 BNDG einschlägig.152 Dieser sei dann hergestellt, wenn sich die Erfassungssysteme in Deutschland befänden.153 Für die reine Auslandskommunikation, d. h. die Kommunikation von Ausländerinnen und Ausländern wird nicht auf deutschem Territorium verarbeitet, gilt § 7 BNDG. Das BNDG geht in beiden Varianten nicht von einer Grundrechtsgeltung aus. Der § 6 Abs. 1 BNDG normiert dabei, dass zur Erfüllung der Aufgaben des BND technische Mittel zur Informationsgewinnung – einschließlich personenbezogener Daten – eingesetzt werden dürfen, sofern dies erforderlich ist, um frühzeitig Gefahren für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands zu erkennen und ihnen begegnen zu können (Nr. 1), die Handlungsfähigkeit Deutschlands zu wahren (Nr. 2) und sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung zu gewinnen (Nr. 3). Diese Informationsgewinnung soll aus Telekommunikationsnetzen erfolgen, worunter alle technischen Einrichtungen zusammengefasst sind, die eine Signalübertragung er149  Gusy, § 3 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1290. Dieser zählt insbesondere auch den Ankauf von Informationen aus dem Ausland, (digitale) Identitätsübernahmen oder Internetanschlussüberwachungen auf. 150  Ebd., S.  1289 f. 151  Siehe dazu auch Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 20.04.2015, ­BT-Drs. 18/4654, S. 36. 152  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9041, S. 22. Ferner Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (162 f.); Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (770 ff.). 153  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9041, S. 22.

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möglichen.154 Damit sind die Eingriffsschwellen im Verhältnis zu den §§ 2 ff. BNDG deutlich niedriger angesetzt. Die Erhebung von Inhaltsdaten anhand von sogenannten Selektoren ist über § 6 Abs. 2 BNDG möglich, sofern sie zur Aufklärung von Sachverhalten nach § 6 Abs. 1 BNDG bestimmt und geeignet sind und mit den außenund sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands im Einklang stehen.155 Überwachungen dieser Art sind in Bezug auf Einrichtungen der EU, öffentliche Stellen der Mitgliedstaaten und Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern unter gewissen Voraussetzungen zulässig. Unzulässig ist hingegen lediglich die Erhebung von Telekommunikationsverkehren deutscher Staatsangehöriger, inländische juristische Personen oder sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen sowie zur Wirtschaftsspionage.156 Für alle weiteren Verarbeitungen der vom Ausland erhobenen Daten gilt § 7 BNDG, der lediglich einen Verweis auf § 6 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3–6 BNDG enthält. Er schließt zudem die gezielte Erfassung von EU-Einrichtungen, öffentlicher Stellen ihrer Mitgliedstaaten sowie von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern aus. Ebenfalls regeln die §§ 13 ff., 23 ff. BNDG den institutionellen Informa­ tionsaustausch mit in- und ausländischen Diensten bzw. öffentlichen Stellen.157 Eine solche Kooperation ist jedoch nur zulässig, wenn sie mit den Zielen des § 6 Abs. 1 im Einklang steht und zur Erfüllung des Aufgabenspektrums des BND dienlich ist.158 Darüber hinaus bestehen Auskunftsrechte der (potenziell) Betroffenen nach § 22 BNDG sowie Kennzeichnungspflichten, Speicher- und Löschungs154  Mit dem Begriff der „Telekommunikationsnetze“ wird ein Bezugspunkt zum TKG hergestellt, welches vorliegend nicht weiter bewertet werden soll. Siehe dazu auch Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs. 18/9041), Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 10 ff. Siehe auch Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 6, welcher zwischen der echten Auslandsaufklärung und den G10-parallel-Fällen bei § 6 Abs. 1 BNDG differenziert. 155  Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (772); Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl. 2017, S. 525 (525 ff.). 156  Vgl. dafür § 6 Abs. 3, 4 und 5 BNDG. Siehe dazu auch Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 6 f. 157  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1269. 158  Siehe dazu auch Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164 f.).



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte59

fristen der erhobenen Daten.159 Ebenso normiert § 11 BNDG einen Kernbereichsschutz für Maßnahmen nach § 6 BNDG. Zur verbesserten Kontrolle wurde 2016 ebenfalls in § 16 BNDG das Unabhängige Gremium eingerichtet.160 Dieses wird umrahmt von einer unabhängigen Datenschutzkontrolle (§§ 32 ff. BNDG) sowie weiteren Kontrollmöglichkeiten über das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr).161 Nicht umfasst vom Befugnisspektrum des BNDG ist sämtliche InlandsKommunikation, die sich nach Art. 10 GG richtet.162 Das BNDG enthält eine klare Trennung der Fernmeldeaufklärung im Vergleich zum Artikel 10-Gesetz (G10).163 cc) Das G10-Gesetz Die Maßnahmen zu laufender Telekommunikationsüberwachung oder auch die dazugehörigen Verbindungsdaten sind allein vom Anwendungsbereich des G10 erfasst, welches weitaus vor dem BNDG eingeführt worden ist. Im Rahmen der Notstandsgesetzgebung 1968 erhielt nicht nur Art. 10 GG seine heutige Fassung,164 sondern wurde zudem mit dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses auch die Beschränkungen und Kontrolle der Brief-, Post- und Fernmeldefreiheit einfachgesetzlich eingeführt.165 159  Siehe

§§ 10 ff., 15, 19 ff. BNDG. BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (165); Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4 f. 161  Siehe zum PKGr Abschnitt D.I.2.a). Ferner Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, S. 162 (166); Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (767 ff.); Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 15 ff. 162  Siehe dazu auch Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (165). 163  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 23. 164  Siehe BGBl. 1968, Vol. I, S. 709. 165  BGBl. 1968, Vol. I, S. 949. Die gesetzlichen Befugnisse des BND waren dort zu Beginn aber nur rudimentär wiederzufinden. So Cremer, Organisationen zum Schutz von Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 879 (886). Daher und aus anderen Gründen wurde die Verfassungskonformität des G10 zunächst angezweifelt. So Hermes, Art. 10 GG, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Rn. 87 ff.; Gusy, Art. 10 GG, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, S. 1017, 1042. Das BVerfG 160  Huber,

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B. Einführendes Kapitel

Der § 1 Abs. 2 G10 regelt, dass die Tätigkeiten nach dem G10 einer Kontrolle durch die G10-Kommission und des PKGr unterliegen. Zudem regelt der § 1 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 G10 die Befugnis des BND, Tele­ kommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Hierfür stellt der BND einen Antrag beim Bundesministerium des Innern, welches daraufhin eine Anordnung einer Beschränkungsmaßnahme erlässt.166 Das G10 lässt nach §§ 3 ff. zielgerichtete individuelle Überwachungen des BND zu, sofern tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die Begehung einer dort aufgelisteten Straftat durchgeführt wurde oder die Durchführung geplant wird bzw. bereits läuft.167 Die Tat muss sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Die Individualüberwachung setzt jedoch stets einen konkreten Verdacht voraus. Vage Anhaltspunkte oder Vermutungen reichen hierfür noch nicht aus.168 Darüber hinaus unterliegen alle Informationen, die aufgrund der Überschreitung der Voraussetzungen aus § 3 G10 erlangt wurden, einem Verwertungsverbot.169 Das G10 enthält somit strengere Vorgaben für die BND-Überwachungen der Art. 10 GG-Kommunikation. Im Gegensatz dazu regeln die §§ 5 ff. G10 die strategische Fernmeldeüberwachung der internationalen Telekommunikationsbeziehungen durch den BND, die eine Erfassung von Kommunikationen einer Vielzahl von Personen ermöglichen.170 Diese Normen regeln somit die zielgerichteten Überwachungsmaßnahmen im Ausland anhand von Selektoren, Satelliten und die Verwertung sowie Weitergabe dieser Informationen. Sie benötigt hierfür aller-

bestätigte allerdings dessen Verfassungsmäßigkeit in der damaligen Fassung von 1978. Siehe BVerfGE 67, 157, 171 ff. – G10. 166  Siehe dazu ausführlich Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, Vol. 15, S. 1 (2). 167  § 3 Abs. 1 S. 1 G10 gilt für die Fälle von Einzelpersonen und S. 2 für Personen, die Mitglied einer Vereinigung sind, die selbige Intentionen hat. Siehe dazu ausführlich BVerfGE 120, 274, 328 ff. – Online-Durchsuchung; Huber, § 3 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1370 ff. 168  Das BVerfG setzt insofern strenge Kriterien an solche Überwachungen: So BVerfGE 113, 348, 377 f. – Vorbeugende TKÜ; 120, 274, 328 f. – Online-Durchsuchung. Ebenso Huber, § 3 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1371. Frederik Roggan will hierfür Indizien genügen lassen: ders., G-10-Gesetz, 2012, § 3 G10, Rn. 5. Ähnlich Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 337. 169  So Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 3 G10, Rn. 12. Der BGH geht sogar noch weiter und bejaht in diesen Fällen auch eine Fernwirkung: BGHSt 29, 244, 249 ff. 170  Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 24.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte61

dings keine konkreten Verdachtsmomente oder eine Gefahr.171 Der Umfang der gebündelten Abhörvorgänge durch den BND bemisst sich anhand der ­Anordnung des Bundesinnenministeriums,172 welche auf Antrag des Dienstes ergeht.173 Die Überwachungen nach den §§ 5 ff. G10 erfordern lediglich, dass der BND Erkenntnisse über Bedrohungen für Deutschland sammelt, die auf einen potenziell bevorstehenden Angriff oder Waffenproliferation hindeuten sowie generell Informationen über terroristische oder organisiert kriminelle Handlungen adressieren.174 Im Rahmen dessen darf der BND nur gebündelte Kommunikation, d. h. die gleichzeitige Kommunikation einer Vielzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, über Datenübertragungsleitungen, Lichtwellenleiter, und nicht-leitungsgebundene Telekommunikationsverkehre überwachen.175 Dafür erhält er entweder durch Telekommunikationsdienstleister oder durch eigene Apparaturen Zugang zu sämtlicher Kommunikation, die ihren Übertragungsweg über die Telekommunika­tionsnetze unter Kontrolle des BND suchen.176 Im Anschluss daran wird die Kommunikation anhand der Selektoren durchsucht und die Art der Telekommunikation herausgefiltert, die entweder für die Erfüllung der Zielvorgaben irrelevant ist oder reine Inlandskommunikation darstellt.177 Die überwachte Telekommunikation darf somit keinen Anknüpfungspunkt zu reiner auf deutschem Staatsgebiet stattfindender Kommunikation haben. Demgegenüber vertrat die Bundesregierung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum BNDG die Ansicht, dass 171  Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (557); Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 3 G10, Rn. 12. Ferner Huber, § 3 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1354. Vgl. auch BVerfGE 100, 313, 383 – TKÜ I; 133, 277, 325 f. – ATDG. 172  Dies ordnet erst seit 2011 alleinig das Bundesministerium des Inneren an. Vgl. dazu die Novellierung des G10 durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des BVerfSchG vom 07.12.2011, BGBl. 2011, Vol. I, S. 2576. 173  Siehe § 5 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 4 G10. Vgl. hierzu auch Huber, § 5 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. S. 1394. Siehe auch BVerwGE 130, 180, 186 ff.; BVerwGE 149, 359, 363. 174  Siehe dazu auch Schantz, Rechtsschutz gegen die strategische Fernmeldeüberwachung: Ein „blinder Fleck“ im Rechtsstaat?, in: NVwZ 2015, Vol. 34, S. 873 (873 ff.). 175  Zu technischen Details siehe die Darstellungen des Bundesministeriums des Inneren in BVerfGE 100, 313, 336 ff. – TKÜ I. Siehe ferner auch Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, 2015, S. 24. 176  Diese sind zur Herausgabe verpflichtet: Siehe § 2 G10. Siehe ferner dazu BVerwG, Urteil vom 30.05.2018, Az. 6 A 3.16 in Bezug auf die Verpflichtung des Internetknotenbetreibers in Frankfurt DE-CIX zur Mitwirkung an Maßnahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung. 177  Ausführlich dazu Schantz, Rechtsschutz gegen die strategische Fernmeldeüberwachung: Ein „blinder Fleck“ im Rechtsstaat?, in: NVwZ 2015, Vol. 34, S. 873 (873 f.).

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B. Einführendes Kapitel

die Überwachung der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nicht unter die Voraussetzungen der §§ 5 ff. G10 fiele.178 b) Die Auslandsnachrichtendienste in den USA Die USA starteten vergleichsweise spät mit dem Aufbau effektiver geheimbzw. nachrichtendienstlicher Strukturen. Wolfgang Krieger schreibt sogar, dass die populärste Erklärung für den Angriff auf Pearl Harbor während des Zweiten Weltkrieges gewesen sei, dass die USA „gar keinen richtigen Geheimdienst besessen“ hätten.179 Der damalige US-Außenminister Henry Stimson soll aus rein ethischen Gründen der Auffassung gewesen sein: „Gentlemen do not read each others’ mail.“180 Tatsächlich existierte bereits 1882 eine spezialisierte militärische Einrichtung mit dem Office of Naval Intelligence, die auslandsnachrichtendienstliche Befugnisse besaß.181 Es fehlte allerdings eine zentrale geheimdienstliche Einrichtung in den USA, in welcher etwaige Erkenntnisse zusammenfließen konnten.182 Nach dem Zweiten Weltkrieg ordneten die USA ihre nachrichtendienstliche Sicherheitsarchitektur komplett neu: Zunächst erweiterten sie ihre internationale auslandsnachrichtendienstliche Kooperation. Hierfür wurde das UKUSA-Abkommen mit Großbritannien abgeschlossen, dem später auch Kanada, Australien und Neuseeland beitraten.183 178  Diese wurde vor der Gesetzesnovelle aus 2016 allein auf § 1 Abs. 2 BNDG gestützt. Siehe auch Bundesregierung, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom 15.05.2012, BT-Drs. 17/9640, S. 6, 10; Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.09.2013, BT-Drs. 17/14739, S. 14. Heute dienen dafür die §§ 6 ff. BNDG. So auch Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (219). Kritisch hierzu Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (560); Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2575 ff.); Lenski, Alter Grundrechtsschutz und neue Datenströme im Lichte der NSA-Affäre, in: ZG 2014, 324 (355). 179  Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S. 216. 180  Siehe Khazan, Gentlemen Reading Each Others’ Mail: A Brief History of Diplomatic Spying, in: The Atlantic vom 17.06.2013. 181  Siehe hierfür die Internetpräsenz des Office of Naval Intelligence (ONI), Proud History, verfügar unter: https://www.oni.navy.mil/This-is-ONI/Proud-History/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 182  So Powers, Intelligence Wars: American Secret History from Hitler to Al-­ Qaeda, 2002, S. 3. Ebenso Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S.  216 f. 183  Siehe hierfür die Presserklärung der NSA, Declassified Documents: UKUSA Agreement Release 1940–1956.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte63

Mittlerweile bilden diese fünf Staaten die sogenannten „Five Eyes“: die größte nachrichtendienstliche Informationsbeschaffungsvereinigung der Welt.184 Des Weiteren reorganisierte man die komplette nachrichtendienstliche Binnenstruktur nach 1945. Im Jahre 1947 wurde so der zentrale Auslandsnachrichtendienst Central Intelligence Agency (CIA) gegründet und der auslandsnachrichtendienstliche Bereich 1952 um die National Security Agency (NSA) erweitert. Beide Dienste bilden auch heute noch die wichtigsten US-Einrichtungen zur Verarbeitung auslandsnachrichtendienstlicher Erkenntnisse. aa) Struktur und Aufgaben der US-amerikanischen Auslandsnachrichtendienste In den USA besteht grundsätzlich ebenfalls eine Aufgabentrennung zwischen in- und auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten. Deren Erkenntnisse werden durch die United States Intelligence Community (IC), die einen Zusammenschluss aller 17 Nachrichtendienste der USA darstellt, mit allen nachrichtendienstlichen Einrichtungen geteilt.185 Für die generelle auslandsnachrichtendienstliche Überwachung ist die CIA die hauptverantwortliche Stelle.186 Sie übernimmt jedoch schwerpunktmäßig die HUMINT-Überwachung.187 Die weltweite – und damit inländische – technische Aufklärung (SIGINT) wird von dem größten Auslandsgeheimdienst der USA wahrgenommen: namentlich der NSA, die daher im Vordergrund der vorliegenden Arbeit stehen soll. Mehr als ein Viertel aller nachrichtendienstlichen Informationen zu terroristischen Aktivitäten stammen aus der Arbeit dieser Einrichtung.188 Im Vergleich zu den circa 23.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der CIA unterstehen der NSA ca. 40.000 bis 55.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.189 184  Vgl. hierfür auch den Bericht des Europäischen Parlaments vom 11.07.2001, A5-0264/2001 endg., welcher zur globalen Spionage der Five Eyes im Rahmen des sog. ECHOLON-Programms Stellung nimmt. Siehe ferner Dix, ECHELON auf dem parlamentarischen Prüfstand, in: DuD 2000, Vol. 24, S. 659 (659 ff.). 185  Siehe dafür Sec. 3.5 (h) Executive Order 12.333. 186  So auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S 289. 187  Ferner Lewis, Espionage and the War on Terrorism: Investigating U.S. Efforts, in: BJWA 2004, Vol. 11, S. 175 (175 f.). 188  Privacy and Civil Liberties Oversight Board, Report On The Surveillance Program operated pursuant to Section 702 of the Foreign Intelligence Surveillance Act, 2014, Vol. 10. Siehe auch Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (671). 189  Die Zahlen sind jedoch lediglich geschätzt, weil diese der nationalen Sicherheit unterliegen und dementsprechend offiziell geheim sind. Siehe aber Schätzungen bei Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 20 (22)

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B. Einführendes Kapitel

Die NSA ist dem Verteidigungsministerium unterstellt.190 Sie gliedert sich in vier Unterabteilungen: den Central Security Service, Director of Operations, Defense Special Missile and Astronautics Center und die Intelligence and ­Security Command. bb) Gesetzliche Grundlagen für die Wahrnehmung des Tätigkeitsauftrages und daraus folgende Befugnisse der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung in den USA Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen zur auslandsnachrichtendienst­ lichen Überwachung finden sich im Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA)191 und der Executive Order 12.333.192 (1) Der Foreign Intelligence Surveillance Act Die Einführung des FISA war politisch eng mit der Watergate-Affäre verknüpft, in der die Republikanische Partei illegal die Nachrichtendienste einsetzten, um die Opposition auszukundschaften.193 Nach den dazu einberu­ fenen Church-194 und Pike-Committees195 brachte der Kongress den FISA auf in Bezug auf die CIA und in Bezug auf die NSA Groll, By the numbers, in: Foreign Policy vom 07.07.2013, welcher jedoch eine Schätzung zwischen 35.000 und 55.000 abgibt. 190  Siehe Part 1.12 Executive Order 12.333. 191  Pub. L. No. 95-511, 92 Stat. 1783 (1978). Spezielle Rechtsgrundlagen, die teilweise auch für auslandsnachrichtendienstliche Handlungen in Betracht kämen, bleiben in der folgenden Bewertung außen vor. Zu nennen wären allerdings Sec. 107 Electronic Communications Privacy Act of 1986 (hinsichtlich von Radiowellen- und elektronischer Kommunikation fremder Mächte), 18 U.S.C. § 2232 (hinsichtlich von Warnungen von Individuen, dass diese unter dem FISA überwacht werden) und den Communications Assistance for Law Enforcement Act. 192  Executive Order 12.333, 3 C.F.R. 200 (1982). Ferner Report of the Commission on the Roles and Responsibilities of the United States Intelligence Community, The Evolution of the US Intelligence Community – an Historical Overview“, 1996; Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 27; Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (645 ff.). 193  Vgl. allgemein hierzu Waldron, Watergate: The Hidden History, 2012, S. 463 ff. 194  Senate Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, 1975–76 (Church Committee), S. Res. 21, 94th Cong. (1975– 76). Siehe zudem den Abschlussbericht: Final Report of the Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, S. Rep. No. 94-755 (1976). 195  Vgl. zum parallelen Ausschuss des Repräsentantenhauses, House Select Committee on Intelligence (Pike-Committte), H.R. Res. 138, 94th Cong. (1975), verlängert nach H.R. Res. 591, 94th Cong. (1975). Siehe auch dessen Abschlussbericht: Recom-



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte65

den Weg, um auslandsnachrichtendienstliche Überwachungstätigkeit einer gesetzlichen Grundlage und verstärkter demokratischer Kontrolle zu unterwerfen. Der FISA klammerte 1978 jedoch bewusst die Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung aus, die damals allein der „President’s constitutional authority“ unterliegen sollte.196 Der FISA sollte zu Beginn nur regeln, dass auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeiten auf nationalem Territorium und gegenüber US-Staatsangehörigen einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen und im Wege sog. „minimization procedures“ Maßnahmen bei dieser Überwachung eingeführt werden müssen, die den Schutz der US Civil Liberties gewährleisten und „unreasonable searches and seizures“ i. S. d. 4th Amendment ohne gerichtliche Anordnung verhindern sollten.197 Die Idee des FISA war simpel: Die Dienste durften aktiv werden, wenn sie annehmen durften, dass eine Zielperson für eine fremde Macht oder eine terroristische Vereinigung tätig war.198 Diese Idee wirkt heute noch fort. Allerdings hat sich seit der Einführung des FISA und den 2015 eingeführten USA FREEDOM Act einiges geändert.199 Zum einen reguliert der FISA nicht mehr nur die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit auf eigenem Territorium (Sec. 101 ff. FISA), sondern existiert mittlerweile mit „Title VII“ ein umfassendes Regelwerk für die Ausland-Ausland-Aufklärung. Zentrale Vorschrift für die individuelle elektronische Überwachung von Kommunikationsinhalten und Verbindungsdaten von Ausländerinnen und Ausländern außerhalb des US-Territoriums ist Sec. 702 FISA.200 Hierunter ist auch die Sammlung solcher personenbezogener Daten erlaubt, die für die technische Analyse notwendig sind, um zu wissen, welche Kommunikationswege mit welchen Personen benutzt wermendations of the Final Report of the House Select Committee on Intelligence, H.R. REP. No. 94-833 (1976). Generell dazu Rascoff, The President as Intelligence Overseer, in: Goldman/ders., Global Intelligence Oversight, 2016, S. 235 ff. 196  Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (675). 197  Siehe dafür FISA Court of Review, In re Sealed Case, 310 F.3d 717 (2002), S. 731. Dies ergibt sich aus dem 4th Amendment. Siehe hierzu näher Abschnitt D.II.2. 198  Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (672). 199  Pub. L. No. 114-23, 129 Stat. 268. Der USA FREEDOM Act wurde 2018 um weitere sechs Jahre verlängert. Vgl. FISA Amendments Reauthorization Act of 2017, verfügbar unter: https://intelligence.house.gov/uploadedfiles/s_139_text_as_amended. pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Allgemein dazu Forsyth, Banning Bulk, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1307 (1335 ff.); Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (800 ff.). 200  Vgl. 50 U.S.C. § 1881a (a), (b) [Sec. 702 FISA]. Siehe aber auch zur Begriffserklärung der elektronischen Überwachung im FISA: 50 U.S.C. § 1801(f) [Sec. 101 FISA].

66

B. Einführendes Kapitel

den.201 Im Rahmen von Sec. 702 FISA können „Downstream“-Überwachungen durchgeführt werden, in welchen die Auslandsnachrichtendienste anhand von Selektoren Telekommunikationsanbieter anweisen, ihnen alle Kommunikationsinhalte dieses Selektors bzw. dieser Zielperson zu übersenden.202 Andererseits können sie anhand der sog. „Upstream“-Überwachungen eigenhändig Überwachungen vornehmen, in dem sie selbst die internationale Internetkommunikation überwachen, die sie abfangen, bevor oder während sie zu den Internetprovidern gelangt.203 Diese Art der Überwachung dient dazu, Kommunikation über einen Selektor oder eine Zielperson zu erhalten, die nicht von dieser ausgeht oder an sie gesendet wird („indirect targeting“).204 Bei dieser Art der Überwachung werden massenhaft alle Kommunikations­ inhalte über das Internet gescannt und, sofern ein Selektor auftaucht, diese Kommunikation herausgefiltert.205 Darüber hinaus können einige auslandsnachrichtendienstliche Stellen operative Aufgaben ausführen, um aktiven politischen Einfluss auf fremde Staaten zu nehmen, wofür ihnen auch gewisse Zwangsmaßnahmen zur Verfügung stehen.206 Gewonnene Zufallsfunde dürfen jedoch grundsätzlich nicht als strafrechtliche Beweismittel herangezogenen werden.207 Wird festgestellt, dass zu der Zielperson doch ein nationaler Anknüpfungspunkt besteht, finden die vorherigen Kapitel zu auslandsnachrichtendienst­ lichen Tätigkeiten mit Inlandsbezug Anwendung. Dies bedeutet jedoch nicht, 201  Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (678 f.). 202  Privacy and Civil Liberties Oversight Board, Report On The Surveillance Program operated pursuant to Section 702 of the Foreign Intelligence Surveillance Act, 2014, Vol. 10, S. 34. 203  Ebd., S. 35  ff. Siehe ebenso Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 60. 204  Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (680). 205  Kris, Trends and Predictions in Foreign Intelligence Surveillance, in: J. Nat. Sec. L. & Pol. 2016, Vol. 8, S. 377 (394); Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (674 f.). Siehe auch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 21 ff., welche aufzeigen, dass aus der ursprünglich gezielten Überwachung von genau benannten Personen aus Sec. 702 FISA ein Instrument zur gezielten Massenüberwachung wurde. 206  Vor allem die CIA kann über den National Clandestine Service derartig tätig werden. Siehe dazu Dietrich, Das Recht der Nachrichtendienste, in: ders./Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 262. Der NSA stehen jedoch keine operativen Aufgaben zu. Siehe Sec. 1.7 (c) (2) Executive Order 12.333. 207  Vgl. dafür u. a. 50 U.S.C. § 1805 (c) (2) (A) [Sec. 701 FISA], § 1824 (c) (2) (A) [Sec. 304 FISA], § 1861 (g) [Sec. 501 FISA], § 1881a (e) [Sec 702 FISA], § 1881b (b) (1) (D) [Sec. 703 FISA], § 1881c (b) (4) [Sec. 704 FISA]. Siehe zudem FISA Court, Memorandum Opinion (2010), No. PR/TT [Redacted], S. 86.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte67

dass die Sec. 702 ff. FISA keine Anwendung finden, wenn es generell nationale Anknüpfungspunkte bei einzelnen Überwachungsmaßnahmen gibt. Der „Title VII“ findet jedoch nur dann keine Anwendung, wenn Personen, die sich auf US-Territorium befinden oder die US-Staatsangehörigkeit besitzen, gezielt überwacht werden, unabhängig davon, ob sie die Kommunikation empfangen oder senden. Die Autorisierung zu derartigen Überwachungsmaßnahmen übernimmt – anders als bei der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit im Inland nach Sec. 102 (a) (1) FISA – nicht die Präsidentin bzw. der Präsident, sondern die bzw. der Attorney General und die bzw. der DNI nach Sec. 702 (a) FISA. Die Präsidentin bzw. der Präsident gibt vorher über Direktiven nach Sec. 3 Executive Order 12.333 lediglich die Ziele der Auslandsaufklärung, die organisatorische Struktur der Auslandsnachrichtendienste und das hierzu notwendige Budget an.208 Bevor eine Autorisierung gezielter Überwachungsmaßnahmen angeordnet werden darf, muss gem. Sec 702 (h) FISA allerdings eine schriftliche eidesstattliche Erklärung (certification) an den Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) abgegeben werden, welcher als quasigerichtliche Kontrolleinheit für auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit fungiert.209 In der certification müssen beide Stellen (unter Eid) bestätigen, dass eine Autorisierung der auslandsnachrichtendienstlichen Aufklärung nach Sec. 702 (a) FISA auf Grund eines „significant purpose“ erfolgt und eine ausländische Zielperson adressiert wird, von der nach verständiger Würdigung ausgegangen werden kann, dass sich diese außerhalb der USA befindet.210 Des Weiteren muss die Autorisierung „targeting procedures“ und „minimization procedures“ enthalten, die vom FISC bereits genehmigt, die208  Rascoff,

(648).

Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633

209  Der Kongress hat hierfür über Art. III der Verfassung die Möglichkeit zusätz­ liche Gerichte zu der bestehenden Gerichtsbarkeit einzurichten. Siehe dazu Art. II, § i der Verfassung der USA. Ferner US District Court of the Southern District of New York, ACLU v. Clapper, 959 F. Supp. 2d 724 (2013), S. 731; Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1177 ff.). Siehe auch Senate Committee on the Judiciary, An Act to authorize Electronic Surveillance to Obtain Foreign Intelligence Information (Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978), S. REP. No. 95-604, Pt. 1, S. 7 (1978); Final Report of the Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, S. Rep. No. 94-755 (1976), S. 292. Vgl. hierzu auch Champion, Note, The Revamped FISA, in: Vand. L. Rev. 2005, Vol. 58, S. 1671 (1681); Mayer, 9-11 and the Secret FISA Court, in: Case W. Res. J. Int. L. 2002, Vol. 34, S. 249 (249 f.); Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1053). 210  Vor allem bei der Kommunikationsüberwachung soll sichergestellt werden, dass keine Empfänger oder Sender sich auf US-Territorium befinden. Vgl. 50 U.S.C. § 1881a (h) (1) (A), (2) (A) (i), (ii) [Sec. 702 FISA].

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B. Einführendes Kapitel

sem zur Genehmigung vorab oder zusammen mit der eidesstattlichen Erklärung übermittelt wurden.211 Die certification muss zudem eine ständige Kontrolle anhand von Guide­ lines vorsehen, ob doch nationale Inhalte überwacht werden und Beeinträchtigungen des 4th Amendment vorliegen.212 Darüber hinaus muss die eidesstattliche Erklärung die potenziell in die Überwachung involvierten Service Provider und eine Bestätigung der Bedeutung der Maßnahme durch eine aus der US-amerikanischen Sicherheitsstruktur stammende Person enthalten.213 Von einer eidesstattlichen Erklärung ist nach Sec. 702 (h) (1) (B) FISA allerdings abzusehen, wenn die bzw. der Attorney General und die bzw. der DNI wegen besonderer Umstände nach Sec. 702 (c) (2) FISA erklären, dass eine unverzügliche Überwachung vorgenommen werden muss, da sonst wichtige Informationen für die nationale Sicherheit der USA nicht oder nicht rechtzeitig erhoben werden könnten. Sie muss aber spätestens sieben Tage nach Beginn der Maßnahme nachgeholt werden. Ebenfalls stellt Sec. Sec. 702 (c) (4) FISA klar, dass Überwachungsmaßnahmen gegenüber Ausländerinnen und Ausländern keiner „court order“ unterliegen, sofern die Person tatsächlich außerhalb des Landes vermutet wird. Lediglich die Einhaltung von „mini­ mization“ und „targeting procedures“ wird über die eidesstattliche Erklärung vorab und deren Einhaltung später vom FISC kontrolliert.214 „Targeting pro211  Vgl.

50 U.S.C. § 1881a (h) (2) (A) [Sec. 702 FISA]. 50 U.S.C. § 1881a (f), (g), (h) (2) (A) (iii), (iv) [Sec. 702 FISA]. Elementare Rechtsverstöße müssen umgehend gemeldet werden, 50 U.S.C. § 1881a (m) (4) [Sec. 702 FISA]. 213  Siehe 50 U.S.C. § 1881a (h) (2) (B) [Sec. 702 FISA], welcher wiederrum die Einhaltung von 50 U.S.C. § 1881a (b) [Sec. 702 FISA] sowie von 50 U.S.C. § 1881a (d), (e) [Sec. 702 FISA] fordert. Des Weiteren setzt 50 U.S.C. § 1881a (h) (2) (C) [Sec. 702 FISA] voraus, dass es sich dabei um eine Person handeln müsse, welche von der Präsidentin bzw. vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats hierzu ernannt wurde oder Vorsitzende bzw. Vorsitzender einer Abteilung der IC ist. Zusätzlich sieht 50 U.S.C. § 1881a (h) (2) (D) [Sec. 702 FISA] eine zeitliche Komponente vor, die das Anfangsdatum der Überwachung angeben muss. Nicht Bestandteil dieser Erklärung sind spezifische Angaben über Örtlich-, Räumlichkeiten oder Eigentum der Zielperson, 50 U.S.C. § 1881a (h) (4) [Sec. 702 FISA]. 214  Vgl. 50 U.S.C. § 1881a (j) [Sec. 702 FISA]. Im Rahmen der Tätigkeit nach Sec. 702 FISA müssen die bzw. der DNI und die bzw. der Attorney General alle sechs Monate dem FISC und den speziellen nachrichtendienstlichen Ausschüssen des Parlaments über die Einhaltung der eidesstattlichen Erklärungen und der jeweiligen Verfahren berichten, 50 U.S.C. § 1881a (j) [Sec. 702 FISA]. Der FISC muss Aufzeichnungen seiner Verfahren hierfür erstellen, 50 U.S.C. § 1881a (k), (l) [Sec. 702 FISA]. Jährlich führt zudem die bzw. der Vorsitzende der auslandsnachrichtendienstlich tätigen Einheit eine Überprüfung durch, ob die gesuchten Informationen durch die autorisierte Überwachung erfasst worden und gibt in einem Bericht wieder, inwieweit die Verfahren zum Schutz der einzelnen Rechtsgüter effektiv waren. Dieser Be212  Vgl.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte69

cedures“ sind deshalb vorgesehen, um zu verhindern, dass Personen innerhalb des US-Territoriums gezielt überwacht werden und dass Kommunikation abgefangen wird, die ausschließlich im Inland stattfindet.215 Ähnliche Schutzintension besteht bei den „minimization procedures“, welche dazu dienen sollen, dass im Zuge der gezielten Ausland-Ausland-Überwachung die Beschränkungen für US-Staatsangehörige weitestgehend minimiert werden.216 Eine darüberhinausgehende Überprüfung oder gerichtliche Kontrolle im Bereich der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit im Ausland bedarf es somit – abgesehen von den nationalen Sicherungsinstrumenten – grundsätzlich nach Sec. 102 (a) (1) FISA nicht.217 Hierunter fallen damit jene Fälle, bei denen es sich ausschließlich um Telekommunikationsinhalte oder sonstige personenbezogene Daten zwischen ausländischen Staaten oder individuelle Gesprächsinhalte von Personen handelt, die der Kontrolle eines anderen Staates unterliegen. In diesen Fällen kommt nur der Präsidentin bzw. dem Präsidenten eine Aufsicht über diese Anordnungen zu. Diese gestaltet sich derart, dass das präsidiale Amt und einzelne Gremien über die Rechtmäßigkeit der auslandsnachrichtendienstlichen Handlungen beraten, damit die Präsidentin bzw. der Präsident diese Erwägungen in die Entscheidungen zur Auswahl und ggf. zur Umsetzung anhand von Zielvorgaben mit einbeziehen kann. Dies richtet sich dann nach der Executive Order 12.333.218 (2) Die Executive Order 12.333 Die Executive Order 12.333 liefert die geltende Rechtsgrundlage für die auslandsnachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung, bei der der FISA keine richt soll dem FISC, Attorney General, DNI und dem im Kongress tätigen Kontrollausschüssen übermittelt werden, 50 U.S.C. § 1881a (m) (3) (C) [Sec. 702 FISA]. 215  Vgl. 50 U.S.C. § 1881a (d) [Sec. 702 FISA]. 216  Vgl. 50 U.S.C. § 1881a (e) [Sec. 702 FISA]. 217  Dies liegt allerdings daran, dass der FISC nicht als ordentliches Gericht angesehen wird. Vgl. dafür Abschnitt D.II.2.d). 218  Vgl. 50 U.S.C. § 1802 (a) [Sec. 102 FISA]. Siehe auch Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court to Curb Executive Branch Abuse of Surveillance Techniques, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (525); Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L.J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1196). Eine solche Überwachung ist jedoch nur gestattet, sofern keine Gesprächsinhalte von US-Bürgerinnen bzw. US-Bürgern abgefangen werden (50 U.S.C. § 1802 (a) (1) (B) [Sec. 102]). Ebenfalls ist der Attorney General dazu verpflichtet sog. „minimization procedures“ einzurichten, um die Anzahl der Überwachungen, die nicht den Kommunikationsinhalt adressieren, und die Weitergabe von personenbezogenen Daten zumindest für US-Bürgerinnen und US-Bürger zu limitieren. Siehe dazu 50 U.S.C. § 1802 (a) (1) (C) i. V. m. 50 U.S.C. 1801 (h) [Sec. 102 i. V. m. Sec. 101 FISA]. Diese „minimization procedures“ sind dem House Permanent Select Committee on Intelligence und dem Senate Select Committee on Intelligence vorzulegen.

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B. Einführendes Kapitel

Anwendung findet oder aber keine Regelungen hierzu beinhaltet.219 FISA findet nur dann Anwendung, wenn es einen nationalen Anknüpfungspunkt gibt. Das ist bei der reinen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nur dann der Fall, wenn die Kommunikation über US-Territorium geleitet wird.220 Die Präsidentin bzw. der Präsident legt nach Sec. 3 Executive Order 12.333 vor den Überwachungsmaßnahmen die Ziele der Auslandsaufklärung, die organisatorische Struktur der Auslandsnachrichtendienste und das hierzu notwendige Budget fest.221 Das Amt kontrolliert ferner die Einhaltung der Zielvorgaben. Die Zuständigkeit für die SIGINT-Aufklärung wird nach Sec. 1.7 (c) Executive Order 12.333 der NSA zugewiesen,222 die zur Unterstützung anderer nationalen Behörden im Wege der technischen Fernmelde­ aufklärung Informationen sammelt, analysiert, produziert und an die Regierung oder andere Stellen, die für die nationale Sicherheit Sorge tragen, weitergeleitet.223 Im Rahmen dieses breiten Befugnisspektrums sind die genauen Maßnahmen jedoch weitestgehend den Diensten überlassen. Es kann aber auch die bzw. der DNI zur Koordinierung und Harmonisierung der gesamten nachrichtendienstlichen Arbeit spezifische Überwachungsaufträge eigens genehmigen, sofern sie mit den Zielvorgaben im Einklang stehen.224 Das gibt der NSA eine weitergehende Freiheit der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung als unter dem FISA.225

219  Schlanger, Intelligence Legalism and the National Security Agency’s Civil Liberties Gap, in: Harv. Nat. Sec. J. 2015, Vol. 6, S. 112 (130). 220  Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (673). 221  Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (648). 222  Sec. 1.3 (b) (12) (i), Sec. 1.7 (c) (2) Executive Order 12.333. Lediglich die bzw. der Secretary of Defense darf in Absprache mit der bzw. dem Director of National Intelligence ausnahmsweise einzelne Behördenabteilungen hiermit betrauen. 223  Die NSA wird nicht nur national, sondern auch international tätig und wirkt auf Vereinbarungen mit ausländischen Regierungen oder internationalen Organisationen hin, den Austausch von SIGINT-Informationen zu vereinbaren. Sec. 1.7 (c) (4), (8) Executive Order 12.333. 224  Siehe Sec. 102A (f) National Security Act. Die Präsidentin bzw. der Präsident muss nur eine Zustimmung zu Überwachungsmaßnahmen geben, wenn diese innerhalb der USA stattfinden, gegenüber US-Bürgerinnen bzw. US-Bürgern vorgenommen werden, bei der Erarbeitung der allgemeinen Grundsätze und bei der Weitergabe von SIGINT-Daten. Vgl. ferner Sec. 1.3 (a) (2), (b (20), Sec. 2.3, 2.4 und 3.2 Executive Order 12.333. Ebenso Schlanger, Intelligence Legalism and the National Security Agency’s Civil Liberties Gap, in: Harv. Nat’l Sec. J. 2015, Vol. 6, S. 112 (130 f.). 225  Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (673).



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte71

Nichtsdestotrotz unterliegt auch diese Tätigkeit einer nachträglichen Kon­ trolle. Die Sec. 3.1 Executive Order 12.333 sieht so eine parlamentarische Kontrolle vor und beauftragt weitere Stellen mit der Berichterstattung zur Kontrolle der auslandsnachrichtendienstlichen Aufklärung an die Präsidentin bzw. den Präsidenten.226 Ebenfalls ist in Sec. 2.2 Executive Order 12.333 festgelegt, dass auch bei Überwachungen im Ausland im Rahmen der Executive Order allgemeine Grundsätze der Behörden beachtet werden müssen.227 Darunter fallen etwa die Einhaltung des anwendbaren Rechts und die daraus folgende Ausbalancierung von notwendigen Informationen mit dem Schutz individueller Interessen. Ebenso nennt die Order nicht explizit die im FISA vorgesehenen „minimization procedures“, aber die Idee hinter dieser exekutiven Prüfung bleibt dieselbe.228 Zusätzlich regelt Sec. 2.2 Executive Order 12.333, dass keine der in ihr benannten Behörden zivil- oder strafrechtliche Verantwortungen besitzt. c) Die Auslandsnachrichtendienste in Frankreich Die Auslandsnachrichtendienste in Frankreich – die sogenannten Services de renseignement („Beobachtungsdienste“) – haben eine lange Tradition. Bereits 1871 wurde das Deuxième Bureau, der militärische Auslandsnachrichtendienst, gegründet, welcher zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges durch Charles de Gaulle nach und nach in das Bureau central de renseignement et d’action (BCRA), dem Auslandsnachrichtendienst, welcher die Aktionen der Résistance koordinieren sollte, umstrukturiert wurde.229 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde ein einheitlicher Auslandsnachrichtendienst mit dem Service de documentation extérieure et de contre-espionnage (SDECE) gegründet, dessen Auftrag es war, im Ausland alle notwendigen Informationen zu erlangen, die von Relevanz für die Belange nationaler Sicherheit sein können.230 Nach weiteren zahlreichen Umstrukturierungsmaßnahmen wurden die bestehenden Auslandsnachrichtendienste 1982 aufgelöst und durch die 226  Hierfür ist überwiegend der National Security Council zuständig. Siehe dazu auch Sec. 1.2 Executive Order 12.333. Siehe ferner zur Kontrolle Abschnitt D.II.2. 227  Diese werden in sog. „AG Guidelines“ festgehalten. Siehe dazu bspw. Department of Defense, Procedures Governing the Activities of DoD Intelligence Components that Affect United States Persons, DoD 5240.1-R, 1982. 228  So Schlanger, Intelligence Legalism and the National Security Agency’s Civil Liberties Gap, in: Harv. Nat’l Sec. J. 2015, Vol. 6, S. 112 (130). 229  Siehe dazu Faure, Du BCRA au SDECE: le renseignement au service de la République, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 12 (12). 230  Vgl. Décret du 04.01.1946, Portant création d’un Service de documentation extérieure et de contre-espionnage (unveröffentlicht). Siehe aber Warusfel, Contreespionnage et protection du secret, 2000, S. 496.

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B. Einführendes Kapitel

Direction générale de la sécurité extérieure (DGSE) ersetzt, welche nachfolgend als Untersuchungsobjekt für Frankreich dienen soll.231 aa) Struktur und Aufgaben der französischen auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit In Frankreich existiert eine Vielzahl von Einrichtungen und Behörden, die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeiten ausüben dürfen.232 Einerseits erlaubt der Art. L811-1 f. Code de la sécurité intérieure (CSI) spezialisierten Nachrichtendiensten – oder wie diese im politischen Kontext auch bezeichnet werden: dem „Premier cercle“ – alle nachrichtendienstlichen Mittel zu verwenden. Welche Behörden jedoch unter den „Premier cercle“ fallen, lässt das Gesetz offen. Art. L811-2 CSI ist allein zu entnehmen, dass die nachrichtendienstliche Arbeit im In- und Ausland nur zur Verhütung schwerster Gefahren für die Französische Nation stattfinden dürfe. In dem früheren Art. L811-1 CSI vor 2015 und dem heutigen Art. L853-1 CSI wird allerdings explizit die Direction générale de la sécurité extérieure unter die berechtigten spezialisierten Überwachungseinheiten eingeordnet.233 Darüber 231  Décret n°82-306 du 02.04.1982, Portant création et fixant les attributions de la Direction générale de la sécurité extérieure. 232  Im allgemeinen und amtlichen Sprachgebrauch werden Nachrichtendienste dort überwiegend als „Services de renseignement“ bezeichnet, was frei übersetzt Beobachtungs- bzw. Informationsdienste bedeutet. Im hier fokussierten Bereich der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit vermeidet Frankreich jedoch bewusst diese Bezeichnung, wie sich bei der Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE) – dem Allgemeinen Auslandssicherheitsdienst – erkennen lässt. Siehe dazu auch Laurent, Les services spéciaux face aux „nouvelles menaces“ de la société ouverte, in: Revue Défense nationale 2012, Vol. 755, S. 55 (55). Diese Bezeichnung liegt vor allem auch daran, dass die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung bis 2015 eher geheimdienstlichen Strukturen glich, da weder Rechtsgrundlagen hierfür noch irgendwelche Kontrollinstrumente existierten. Sie dennoch auch vorher als Nachrichtendienste einordnend: Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 10 f. 233  Vgl. Décret n° 2017-1095 du 14.07.2017, Relatif au coordonnateur national du renseignement et de la lutte contre le terrorisme, à la coordination nationale du renseignement et de la lutte contre le terrorisme et au centre national de contre-terrorisme. Mittlerweile fallen im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich hierunter auch die Direction du renseignement et de la sécurité de la défense (DRSD), die die Spionageabwehr übernimmt, die vom Ausland ausgeht, und die Direction du renseignement militaire (DRM), welche für die militärische Auslandsaufklärung zuständig ist. Diese bleiben für die nachfolgende Untersuchung allerdings außer Betracht. Siehe zum DMR aber genauer Pinoteau, La DRM a vingt ans, in: Revue Défense Nationale 2012, Vol. 755, S. 13 (13 ff.). Ferner Sénat, Rapports d’information: Activité de la délégation parlementaire au renseignement pour l’année 2016, Rapport n° 448 (2016– 2017) vom 02.03.2017, S. 29.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte73

hinaus existieren behördliche Einrichtungen des Verteidigungs-, Innen- und Justizministeriums, denen zweck- und mittelgebunden vereinzelt ebenfalls nachrichtendienstliche Befugnisse unter vorheriger Genehmigung durch ­Dekret des Conseil d’État zustehen: der sog. „Second cercle“.234 Da deren materiell limitierte Befugnisse zusätzlich teilweise zeitlich beschränkt sind, soll daher nachfolgend lediglich der allgemeine Auslandsnachrichtendienst DGSE in Bezug genommen werden, welcher auch auf Grund seiner fast 6.000 Planstellen der größte und bedeutendste Nachrichtendienst Frankreichs ist.235 Die DGSE ist formal dem Verteidigungsministerium unterstellt und teilt sich in fünf Unterabteilungen auf: Die Direction de l’Administration, die Direction des Opérations, die Direction Technique, die Direction de la Stratégie und die Direction du Renseignement.236 Die Hauptaufgaben wurden 2013 durch das Livre blanc sur la défense et la sécurité nationale vorgegeben: Schutz, Abschreckung und Reaktion.237 In den folgenden Jahren kamen der Kampf und die Beseitigung des Dschihadismus und Terrorismus hinzu.238 Für den DGSE heißt das, in gewissen Schlüsselbereichen des internationalen Geschehens Informationen und Erkenntnisse zu sammeln, die von Relevanz für die nationale Sicherheit – vor allem zum 234  Hierunter fallen u. a. die nationale Polizei- und Generaldirektion, die Generaldirektion der Gendarmerie, die Präfektur der Polizei in Paris und weitere Behörden. Für die Genehmigung muss vorher die Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement (CNCTR) konsultiert werden. Im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich ist die Brigade de Renseignement et de Guerre Électronique (BRGE) zu nennen, die als militärischer Aufklärungsdienst überwiegend für die elektronische Aufklärung verantwortlich ist. Ebenso besteht die Direction de la Protection et de la Securité de la Defense, die jedoch nur vereinzelt auslandsnachrichtendienstlich tätig wird. Da diese jedoch überwiegend im militärischen Sektor tätig sind, bleiben diese bei der nachfolgenden Bewertung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit außer Betracht. Siehe generell dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Nachrichtendienste und ihre Aufgaben in ausgewählten EU-Staaten vom 21.03.2017, Az.: WD 3 – 3000 – 034/17, S. 4. 235  Die DGSE hatte (Stand 2015) 5255 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wovon seit 2009 770 neue Agentinnen und Agenten eingestellt wurden. Bis 2019 sind weitere 450 zusätzliche Stellen geschaffen wurden, die vor allem den Bereich der Kryptoanalyse besetzten. So Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 20 (22). Im Verhältnis dazu beschäftigen die BRGE ca. 4200 oder die DRM ca. 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 236  Siehe dafür Ministère de la Défense, Arrêté du 10 mars 2015 portant organisation de la direction générale de la sécurité extérieure, NOR: DEFD1506543A, in: JORF n° 0067, texte n° 13, 2015. 237  So Rondot, Face aux Menaces Diffuses, Le Renseignement Humain Devrait Pouvoir Garder sa Place, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 34 (34). 238  Ebd., S. 34; Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: ebd., S. 20 (20 ff.).

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Schutz vor Terrorismus –, von wirtschaftlichem, kulturellem oder industriellem Interesse sind oder die Bewertungen über die Stabilität bestimmter Re­ gionen zulassen.239 Hierunter fallen vor allem die Bereiche der Waffenpro­ liferation, die internationalisierte organisierte Gewalt, Schutz der nationalen Sicherheit, Bewertung der Stabilität in Krisenregionen, Cybersicherheit und Unterstützung der nationalen Dienste bei wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Informationsgewinnung.240 Die Informationsgewinnung der DGSE lässt sich in vier Kategorien einteilen: menschliche Quellen, technische oder operative Überwachung und Austausch mit anderen nationalen oder ausländischen Nachrichtendiensten.241 bb) Gesetzliche Grundlagen für die Wahrnehmung des Tätigkeitsauftrages und daraus folgende Befugnisse der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung in Frankreich Seit 1871 agieren französische Auslandsnachrichtendienste und beschaffen Informationen über das Ausland überwiegend auf Grund von Tätigkeiten im Ausland. Diese Tätigkeit wurde allerdings mit der Einführung des DGSE 1982 gesetzlich nicht geregelt. Zwar bestätigte der 2008 eingeführte Art. D3126-2 Code de la défense, dass es dem DGSE erlaubt ist, außerhalb des französischen Hoheitsgebietes zu agieren und dafür Informationen zu erheben, zu speichern und zu verwerten. Die Art. D3126-2 f. Code de la défense enthalten aber nur allgemeine Aufgabenzuweisungen, weswegen sie mittlerweile über Art. R1122-8 Abs. 2 Code de la défense auf das Buch VIII des CSI verweisen, das nunmehr die Rechtsgrundlage für die Überwachungsmethoden der französischen Nachrichtendienste darstellt. Die Loi relative au renseignement führte neben anderen gesetzlichen Neuerungen den Abschnitt „Du renseignement“ im achten Buch 2015 neu ein.242 Frankreich verabschie239  Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 20 (20 f.); Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Nachrichtendienste und ihre Aufgaben in ausgewählten EU-Staaten vom 21.03.2017, Az.: WD 3 – 3000 – 034/17, S. 4. Im Bereich der Aufklärung von potenziellen terroristischen Gefahren hat der Inlandsnachrichtendienst DGSI komplementäre Aufgaben für das nationale Hoheitsgebiet. 240  Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 20 (20 ff.). 241  Siehe Internetpräsenz des DGSE, Extraits de l’Art du renseignement, in: Armées d’aujourd’hui 2002/2003 (Mise à jour 13/07/2010), verfügbar unter: https:// www.defense.gouv.fr/dgse/tout-le-site/extraits-de-l-art-du-renseignement-armeesd-aujourd-hui-decembre-2002-janvier-2003 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 242  Code de la sécurité intérieure, Art. 102 Loi n° 2011-267 d’orientation et de programmation pour la performance de la sécurité intérieure du 14.03.2011 (Stand 01.02.2018) ; Loi relative au renseignement, Loi n° 2015-912 du 24.07.2015, veröf-



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dete somit als eine der letzten Staaten der westlichen Hemisphäre einen Regelungskatalog für seine nachrichtendienstlichen Tätigkeiten. Die Intention der Gesetzesnovelle war es, zunächst überhaupt eine gesetzliche Grundlage nachrichtendienstlicher Tätigkeit unter Beachtung des „Bloc de constitutionnalité“ zu schaffen. Zugleich sollte hiermit Frankreichs „Indépendance nationale, l’intégrité du territoire“ und „La défense nationale“ sowie seine Bürgerinnen bzw. Bürger effektiver vor Gefahren und Bedrohungen von innen und außen geschützt werden, was zugleich mit einem Ausbau der bisher ungeregelten Befugnisse einherging.243 Die auslandsnachrichtendienstlichen Befugnisse zur Überwachung der internationalen elektronischen Kommunikation und der Verbindungsdaten, die Verwendung der gewonnenen Daten sowie die Kontrolle dieser Überwachungstätigkeit sind abschließend und gesondert in Art. L854-1 ff. CSI geregelt.244 Die Mittel zur auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung orientieren sich eng an den erlaubten Methoden des Art. L811-3 CSI, weswegen sie nur im Interesse der Wahrung der fundamentalen Werte der Nation ver­ arbeitet werden dürfen.245 Hiernach darf die Informationssammlung nach fentlicht im Journal Official n° 171 am 26.07.2015. Neben der Einführung des Livre VIII durch Art. 1 des Loi relative au renseignement wurden auch die Artikel 773-2 bis 773-7 des Code de justice administrative durch Artikel 10 des Loi relatif du ren­ seignement geändert. Zudem gibt es mit Art. 311-4-1 des Code de justice administrative die Möglichkeit den Conseil d’État als erste Instanz in Sachen „Le contentieux de la mise en œuvre des techniques de renseignement soumises à autorisation et des fichiers intéressant la sûreté de l’État“ anzurufen und somit Gesetze, die staatliche Überwachungsmaßnahmen regeln, abstrakt überprüfen zu lassen. Für deren Verfassungskonformität vergleiche Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 80 ff. – Loi relative au renseignement. Erweitert wurde dieser Schutz gerade in Anbetracht der terroristischen Gefahren durch die Loi renforçant la sécurité intérieure et la lutte contre le terrorisme, Loi n° 2017-1510 Renforçant la sécurité intérieure et la lutte contre le terrorisme du 30.10.2017. 243  Sénat, Loi relative au renseignement: Objet du texte, verfügbar unter: https:// www.senat.fr/dossier-legislatif/pjl14-424.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 244  Vgl. dafür Art. L854-1 Abs. 2 CSI. Ferner Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 5 ff. – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales. 245  Der Art. L811-3 CSI sieht folgende Bereiche als fundamentale Werte vor: die Nationale Unabhängigkeit, territoriale Integrität, nationale Verteidigung (Nr. 1); wenn die außenpolitischen, europäischen und internationalen Interessen Frankreichs berührt sind (Nr. 2); Verhinderung der Einmischung in die inneren Angelegenheiten; wirtschaftliche, industrielle und wissenschaftliche Interessen Frankreichs (Nr. 3); Terrorismus (Nr. 4); Bestand des Staates und der öffentlichen Ordnung (Nr. 5); organisierte Kriminalität (Nr. 6) und Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Nr. 7). Vor allem Art. L811-3 Nr. 4: „La prévention du terrorisme“ wurde seit den Anschlägen in Paris und anderen Orten vermehrt als Grundlage für auslandsnachrichtendienstliches Handeln herangezogen. Zusätzlich regelt Art. L855-1 CSI, dass

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Art. L854-1 ff. CSI nur auf Grundlage der abschließend aufgezählten Aufgaben erfolgen. Die besonderen Regelungen im Bereich der Überwachung der internationalen Kommunikation (Art. L854-1 ff. CSI) sind nach Art. L854-1 Abs. 1 CSI anwendbar, wenn die Kommunikation aus dem Ausland gesendet oder dort empfangen wurde.246 Die Überwachung darf grundsätzlich nicht dazu führen, dass die individuelle Kommunikation von Personen, welche sich auf französischem Hoheitsgebiet befinden, überwacht wird.247 Solche (auch unabsichtlich) auf französischem Hoheits- oder Transitgebiet gewonnenen Daten müssen, sofern sie erhoben wurden, sofort gelöscht werden.248 Selbiges gilt für die daraus gewonnenen Identifikationsnummern, die sich auf das Inland beziehen.249 Weiterhin sind solche Überwachungsmaßnahmen gem. Art. L854-3 CSI unzulässig, wenn mindestens eine Kommunikationspartei ein Mandat oder einen Beruf i. S. d. Art. L821-7 CSI ausübt.250 Im Rahmen der Überwachung der internationalen elektronischen Kommunikation und der Verbindungsdaten wird in Art. L854-2 CSI zwischen der strategischen (Abs. 2) und der individuellen Überwachung (Abs. 3) unterschieden. Jede dieser elektronischen Kommunikationsüberwachungen bedarf einer Ermächtigung vom Premier Ministre, welche bzw. welcher diese Maßnahme zu begründen hat.251 Für die Überwachung nicht individualisierter Nachrichtendienste auch dazu ermächtigt werden können, Gefängnisverwaltungen zu unterstützen, Ausbrüche von Insassinnen bzw. Insassen vorzubeugen und die Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug zu gewährleisten. 246  Siehe auch Commentaire, Décisions nos 2015-713 DC & 2015-714 DC vom 23.07.2015 (Loi relative au renseignement), S. 34. Ebenso unanwendbar sind die Normen, wenn für die Kommunikation französische Telekommunikationsdienstleister benutzt werden. Vgl. dazu Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 5 ff. – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales. 247  Vgl. dazu Art. L854-1 Abs. 1, 3 CSI. Hiervon gilt jedoch für Situationen eine Gegenausnahme, wenn eine Kommunikationspartei Ausländerin bzw. Ausländer ist, welche bzw. welcher eine Bedrohung i. S. d. Art. L811-3 CSI darstellt, und zwar mittlerweile das Hoheitsgebiet verlassen hat, aber zu Zeiten seines Aufenthalts eine Autorisation zur Überwachung i. S. d. Art. L852-1 CSI vorlag. Dann dürfen auch solche Kommunikationen vom Auslandsnachrichtendienst überwacht werden. Sind lediglich Verbindungsdaten von diesen Personen erhoben wurden, richtet sich deren Verwendung und Aufbewahrung nach Art. L852-1 Abs. 4, 5 CSI. 248  Vgl. Art. L854-1 Abs. 4 CSI. 249  Hierfür gelten die Art. L822-2 bis L822-4 CSI. 250  Hierunter fallen Parlamentarierinnen bzw. Parlamentarier, Richterinnen bzw. Richter, Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte und Journalistinnen bzw. Journalisten. 251  Vgl. dafür Art. L854-2 Abs. 1 CSI. Die bzw. der Premier Ministre organisiert unter Einbeziehung der Nationalen Kontrollstelle die Überwachungsmaßnahmen im



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Verbindungsdaten müssen hierfür die Ziele gem. Art. L811-3 CSI, die genauen Handlungen, deren ausführende Einheiten, worunter auch private Dienstleister i. S. d. Art. L811-2 CSI fallen können, die Art der automatisierten Verarbeitung und deren Zweck angegeben werden.252 Diese Maßnahmen sind für maximal ein Jahr zulässig, können aber erneuert werden. Bei der Überwachung individualisierter Kommunikationen oder einzelner Verbindungsdaten müssen nach Art. 854-2 Abs. 3 CSI neben den vorgenannten Voraussetzungen zusätzlich die territoriale Reichweite der Überwachungsmaßnahme und die Angabe der betroffenen Personen, Personengruppen bzw. Organisationen in der Anordnung benannt werden. Hierfür muss die bzw. der Premier Ministre nach Art. L854-3 CSI im Vorfeld der Genehmigung der Nutzung der individualisierten Kommunikation bzw. der Verbindungsdaten die Commission nationale de contrôle des techniques de renseigne­ment (CNCTR) konsultieren, die nach Art. L854-9 CSI zur Kontrolle der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit berufen ist.253 Die Anordnung wird für höchstens vier Monate erteilt, kann aber verlängert werden.254 Zudem sieht Art. L854-2 Abs. 4 CSI vor, auch anlasslos „stichprobenartig“ Kommunikationsüberwachungen im Ausland durchzuführen. Hierfür bedarf es ebenfalls einer Anordnung i. S. v. Art. L854-2 Abs. 3 CSI und muss zusätzlich eine grundlegende und dringende Gefährdung der Interessen Frankreichs i. V. m. einer territorialen Komponente oder die Gefahr einer potenziellen Cyberattacke aus selbigen Beweggründen festgestellt werden. Die Fristen zur Löschung der gewonnenen Daten bestimmt Art. L854-5 CSI, wobei Verbindungsdaten sechs Jahre gespeichert werden können. Zudem muss gem. Art. L854-9 CSI der CNCTR ein dauerhafter Zugriff auf alle gewonnen Daten gewährt und sie bei solchen Überwachungen mit Inlandsbezügen sofort informiert werden. Auf eigene Initiative oder auf Initiative einer vermeintlich beobachteten Person kann die Nationale Kontrollstelle CNCTR einzelne Maßnahmen unangemeldet überprüfen lassen, wobei sie nicht b ­ efugt ist, die gewonnenen Erkenntnisse öffentlich zu machen,255 da der Art. L861-1 Ausland gem. Art. L854-4 CSI und legt zugleich die Maximalzahl der durchgeführten Überwachungsmaßnahmen gem. Art. L854-2 Abs. 5 CSI nach Anhörung der Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement fest. 252  Vgl. dafür Art. L854-2 Abs. 2 CSI. 253  Generell ist die Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement durch das Buch VIII, Titel III geschaffen wurden und deren Befugnisse in den Art. L831-1 ff. CSI normiert. Für die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle ist der Art. L854-9 CSI jedoch lex specialis. 254  Vgl. Art. L854-3 Abs. 3 S. 3 CSI. Hierfür müssen erneut die Voraussetzungen des Art. L854-3 Abs. 3 Nr. 1–4 CSI vorgebracht werden. 255  Agenten können aber nach Art. L862-2 CSI strafrechtlich verantwortlich sein, sollten sie ihre Kompetenzen überschreiten. Art. L863-1 räumt allerdings den Agen-

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Abs. 1 CSI regelt, dass die Personen und Mittel der Nachrichtendienste anonym bleiben sollen und nicht öffentlich verbreitet werden dürfen. Sie teilt bei Anfragen von Personen daher nur mit, ob ein Verstoß vorliegt, ohne diesen genauer darzulegen. Den betroffenen Personen steht nach Mitteilung allerdings ein Klagerecht vor dem Conseil d’État zu.256 Nach Art. L854-1 Abs. 4 CSI ist es möglich, Erkenntnisse aus auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen, die unter Einhaltung der gesetz­ lichen Vorgaben gewonnen wurden, für inlandsnachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen nach Art. L851-1, L851-2 und L852-1 Abs. 1 CSI zu nutzen, sofern deren ursprüngliche Genehmigung dies erlaubt. Unklar bleibt jedoch, ob Auslandsnachrichtendienste über die Art. L854-1 ff. CSI lediglich Überwachung von Verbindungsdaten und Kommunikationsüberwachung vornehmen dürfen oder ob nur für diese Maßnahmen eine Genehmigung erforderlich ist. Die Frage stellt sich einerseits deswegen, weil die Art. L851-1 ff. CSI, die die inlandsnachrichtendienstlichen Maßnahmen regeln, neben der Kommunikations- und Verbindungsdatenüberwachung (Art. L851-1 f. CSI) deutlich ausdifferenzierter gestaltet worden sind.257 So wird dort etwa die automatisierte Verarbeitung der Verbindungsdaten geregelt und erlaubt (Art. L851-3, Art. L852-1 f. CSI), Echtzeit-Ortungen (Art. L851-4 CSI), „Markierungen“ von Zielpersonen dürfen vorgenommen (Art. L851-5 CSI) oder IMSI-Catcher258 genutzt werden (Art. L851-6 CSI). Zusätzlich sind sie berechtigt, das privat gesprochene Wort oder private Bilder zu erfassen (Art. L853-1 CSI) und sich einen Zugang zu gespeicherten Computerdaten via Onlinedurchsuchung zu verschaffen (Art. L853-2 CSI). Andererseits ist nach Art. L821-1 CSI die Informationsbeschaffungsmaßnahme nur zugelassen, sofern die Art. L851-1 bis L853-3 CSI die einzelnen Dienste explizit dazu ermächtigen. Eine Regelung für Auslandsnachrichtendienste fehlt hierzu, was dafür sprechen könnte, dass nur für die zwei benannten Arten eine Genehmigung erforderlich ist, sonstige auslandsnachrichtendienstliche ten besondere Befugnisse ein, die an sich strafbar wären, diese aber einen nach den Voraussetzungen des Titel IV des CSI agierenden Agenten strafbefreit stellen. 256  Zudem beinhaltet der Buch VIII, Titel VI Klagemöglichkeiten gegen die Durchführung von nachrichtendienstlichen Maßnahmen, die sich auf die Autorisation der Maßnahme und deren Interesse für die staatliche Sicherheit beziehen können (Art. L841-1, L841-2 CSI). Für die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle ist der Art. L854-9 CSI lex specialis. 257  Hierfür müssen die Netzbetreiber alle notwendigen Informationen an die Behörden übermitteln. Die Dienste dürfen dafür sog. Interceptions de sécurité (Sicherheitsabfragen) an Internet- und sonstige Kommunikationsdienstleister senden. Zusätzlich dürfen die Nachrichtendienste aber auch Kommunikation abfangen, die nicht über Anbieter transportiert, sondern bspw. über Satelliten geleitet wird. Vgl. dafür Art.  L855-1 ff. CSI. 258  International mobile subscriber identity.



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Maßnahmen aber ohne eine solche erfolgen können und hierfür keine Kon­ trolle vorgesehen ist.259 4. Zwischenergebnis Am deutlichsten unterscheiden sich die Stellen der drei Vergleichsstaaten, die (auch) auslandsnachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen durchführen können, beim Personalumfang. Wohingegen Frankreich mit ca. 6.000 Stellen beim DGSE und Deutschland mit circa 6.500 Stellen beim BND relativ kleine Abteilungen unterhalten, ist die NSA mit circa 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte nachrichtendienstliche Sicherheitsbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika. Dies allein offenbart die hervorgehobene Bedeutung auslandsnachrichtendienstlicher Informationen aus dem SIGINT-Bereich für die USA. Ansonsten weisen die auslandsnachrichtendienstlichen Stellen in Deutschland, Frankreich und den USA zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. In allen drei Vergleichsstatten existieren (mittlerweile) gesetzliche Regelungen zur Beschränkung der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung. Die auslandsnachrichtendienstlich tätigen Stellen dürfen jeweils Informationen, personenbezogene Daten eingeschlossen, nur verarbeiten, wenn diese erforderlich zur Wahrung der nationalen Sicherheit des Staates und seiner Staatsangehörigen sind oder wirtschaftlichen bzw. strategischen Interessen dienen. Hierfür erhalten alle drei Auslandsnachrichtendienste der Vergleichsstaaten umfassende Befugnisse zur Informationsgewinnung, womit – trotz unterschiedlicher Benennung – strategische und individuelle Fernmeldeüberwachungen zulässig sind. Flankiert werden diese Befugnisse mit gesetzlich vorgesehenen demokratischen Kontrollmechanismen, weshalb keine dieser Stellen Merkmale eines Geheimdienstes aufweist. Die Regelungen zur Überwachung und deren Kontrolle weisen allerdings strukturelle Unterschiede auf. So existiert nur in Deutschland eine klare Trennung zwischen In- und Auslandsnachrichtendiensten. Sowohl die DGSE als auch die NSA arbeiten zwar überwiegend auslandsnachrichtendienstlich, verfügen aber zunehmend über innerstaatliche Befugnisse. In Frankreich können auslandsnachrichtendienstliche Mittel sogar von den Inlandsnachrichtendiensten angewandt werden. Ferner findet sich im französischen260 259  Frage offen gelassen bei Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 5 ff. – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales. 260  Seit 1989 sind eine zunehmende Verschmelzung von inneren und äußeren Aufgaben und eine Erweiterung der Befugnisse des DGSE hin zu Zwangs- und Polizeimaßnahmen zu beobachten. Dem DGSE stehen auch innerstaatliche Maßnahmen zur

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und US-amerikanischen System keine klare Trennung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Befugnissen.261 Überdies sind zwar die Anforderungen zur Durchführung auslandsnachrichtendienstlicher Fernmeldeaufklärung in allen Staaten relativ niedrig ausgestaltet, aber nur in Frankreich (Art. L854-2 Abs. 4 CSI) und in den USA (über Sec. 702 FISA) sind anlasslose Massenüberwachungen rechtlich zulässig.262 Vor allem in den USA kam man somit der Forderung des ehemaligen NSA-Präsidenten Keith Alexander nach: „You need the haystack to find the needle.“263 Aber auch in Deutschland besteht eine „kaum konturierte allgemeine Bedrohungslage“ nahezu für sämtliche Überwachungsvorgänge,264 die keinen konkreten Verdacht oder eine Gefahr benötigen.265 Insbesondere deshalb kritisiert etwa der UN-Sonderberichterstatter Joe Cannataci die SchafHand, um seine Aufgaben zu erfüllen. Vgl. Art. D3126-1 oder Art. D2344-2 Nr. 5 2 Code de la défense, wobei letzterer es dem DGSE erlaubt, auch explosive und andere gefährliche Munition in ihren Beständen zu haben. Siehe auch Ministère des Armées, Les opérations mixtes, civiles et militaires, hors du territoire national, verfügbar ­unter: http://www.defense.gouv.fr/english/portail-defense/ministry/missions/les-opera tions-mixtes-civiles-et-militaires-hors-du-territoire-national. Siehe auch für die Verschmelzung polizeilicher und nachrichtendienstlicher Befugnisse Dietrich, Das Recht der Nachrichtendienste, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 262. Darüber hinaus kann die DGSE auch geheime oder verdeckte Operationen durch militärische Spezialkräfte durchführen lassen. Siehe Internet­ präsenz des DGSE, Direction des Opérations, verfügbar unter: https://www.defense. gouv.fr/dgse/tout-le-site/direction-des-operations (alles zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 261  Seit 2001 sei auch in den USA eine „Verpolizeilichung nachrichtendienstlicher Befugnisse“ zu beobachten. So Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 195. 262  Im Zuge der Abschaffung der Sec. 215 USA PATRIOT Act und der Neuschaffung des USA FREEDOM Act 2015 wurden weitere einzelne Neuerungen zur besseren Kontrolle und der Beschränkung der Massenüberwachung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit eingeführt. Allerdings gelten gerade die Beschränkungen der Befugnisse zur Massenüberwachung nicht für Sec. 702 FISA. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Praxis in Deutschland nicht eine ähnliche ist, weil es für die reine Auslandsfernmeldeaufklärung ohne personellen Inlandsbezug quasi keine Regeln gibt. Im Verlauf wird jedoch aufgezeigt, dass es auf die schlichte personelle Komponente nicht allein ankommen kann, um einen territorialen Bezug aus grundrechtlicher Perspektive herzustellen. 263  Keith Alexander, Interview at Aspen Security Forum vom 18.07.2013, zitiert bei Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland – Stößt der Grundrechtsschutz an seine Grenzen?, in: DÖV 2015, S. 593 (593). Aber auch der französische Nachrichtendienst handelt nach einiger Ansicht nach dem Vorbild „ad augusta per angusta“ – der Zweck heiligt die Mittel. So Roussin, Le gendarme de Chirac, 2006, S. 112. 264  So Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (557). 265  Vgl. dazu auch BVerfGE 100, 313, 383 – TKÜ I.



IV. Untersuchungsgegenstände und -objekte81

fung der Sicherheitsgesetze 2015 und 2016 nicht nur in den USA und Frankreich, sondern ebenfalls in Deutschland.266 Die Kritik Cannatacis bezieht sich ferner auf eine weitere Gemeinsamkeit aller drei Staaten: Entgegengesetzt zu den weiten Eingriffsbefugnissen der Auslandsnachrichtendienste bestehen, wenn überhaupt, nur rudimentäre rechtliche Schutzvorkehrungen aus externer grund- und menschenrechtlicher Perspektive, obgleich die Verfassungen aller drei Staaten universalistische Ansätze aufweisen bzw. diese Ansätze entscheidender Bestandteil bei deren Schaffung waren.267 Alle Staaten unterscheiden insoweit zwischen ausländischen Personen, die im Ausland überwacht werden, und Auslandsüberwachungen mit personellem Inlandsbezug. Im ersten Fall sieht kein Vergleichsstaat Beschränkungen oder Schutzvorkehrungen vor, womit diese Personengruppen nahezu rechtsschutzlos gestellt sind. Obwohl Deutschland diesem Problem mit dem Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung begegnen wollte, finden die Neuregelungen für die reinen Auslandsfernmeldeüberwachungen, die keinen personellen Inlandsbezug bei der Auslandsüberwachung aufweisen, keine Anwendung.268 266  Siehe Cannataci, Report of the Special Rapporteur on the right to privacy vom 24.02.2017, UN Doc. A/HRC/34/60, welcher diese als populistisch bezeichnet. Dies basiere schlicht auf der Politik der Angst und stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Recht auf Privatheit. 267  Siehe dazu näher Abschnitt C. 268  Diese werde allein auf die Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 2 BNDG gestützt. Siehe Bundesregierung, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko u. a. und der Fraktion DIE LINKE vom 15.05.2012, BT-Drs. 17/9640, S. 6, 10; Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.09.2013, BT-Drs. 17/14739, S. 14. Kritisch hierzu Bäcker, Strategische Telekommunikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (560); Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2575 ff.); Lenski, Alter Grundrechtsschutz und neue Datenströme im Lichte der NSA-Affäre, in: ZG 2014, 324 (355). In den USA gewährt der Judicial Redress Act zwar nunmehr auch manchen NichtUS-Bürgerinnen bzw. Nicht-US-Bürgern sich auf den US Privacy Acts zu berufen. Beide Acts sind allerdings im Bereich der nationalen Sicherheit nur sehr limitiert anwendbar, da nach Sec. 2 (d) (1) (C) Judicial Redress Act die Auskünfte die nationalen Sicherheitsinteressen der USA nicht wesentlich beeinträchtigen dürfen. Vgl. hierzu 5 U.S.C. § 552a Note (d) (1) (c) [Sec. 2 Judicial Redress Act], in welchem es heißt: „do not materially impede the national security interests of the United States.“ Hierunter fallen aber nicht alle Ausländerinnen und Ausländer. Für eine Liste an „­covered countries“ siehe Attorney General Order No. 3824-2017, Judicial Redress Act of 2015, Attorney General Designations, 82 Fed. Reg. 7860 (2017). Ausführlich dazu Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1114 f.). Siehe zudem Schaar, Ist das „Privacy Shield“ endlich ein sicherer Hafen?, in: Heise Online vom 02.02.2016, welcher kritisiert, dass die Personen zunächst er-

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B. Einführendes Kapitel

Gemein ist den drei Vergleichsstaaten wiederum die Existenz von Kontroll­ einrichtungen zur Überwachung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit. Sie weisen überwiegend gesetzlich normierte vorherige quasi-gerichtliche Kontrollen und abstrakte Kontrollen parlamentarischer Sondergremien der durchgeführten Maßnahmen auf. Weiterhin tagen diese Kontrollstellen geheim, und ihre Entscheidungen sind meist nicht transparent. Die Kontrolleinrichtungen sind allerdings sehr unterschiedlich aufgestellt. In Frankreich besteht die CNCTR, die eine Vorabkontrolle bei auslandsnachrichtendienst­ lichen Überwachungsmaßnahmen mit Inlandsbezug vornimmt, aus Vertreterinnen und Vertretern aller Staatsgewalten sowie IT-Expertinnen und IT-Experten. In den USA entscheidet jeweils nur eine Einzelrichterin bzw. ein Einzelrichter beim FISC über auslandsnachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen mit Inlandsbezug. Diese bzw. dieser kann aber mittlerweile technische Expertise anfordern und existiert mit dem System der „Amicus curiae“ die Möglichkeit, dass die Interessen der betroffenen Zielpersonen gerichtlich vertreten werden. Die Bundesrepublik wiederum unterhält zwei separate Kontrollstellen mit verschiedenen Aufgabenkontexten, die sich überdies auch unterschiedlich zusammensetzen. Das Unabhängige Gremium besteht aus hauptberuflichen Richterinnen und Richtern, die G10Kommission hingegen kann mit Personen besetzt werden, die keine Befähigung zum Richteramt nachweisen müssen. Beide Gremien werden nicht durch IT-Expertinnen oder IT-Experten unterstützt. In der Quintessenz ist damit festzuhalten, dass die drei Vergleichsstaaten Frankreich, Deutschland und die USA auslandsnachrichtendienstliche Einrichtungen betreiben, deren Befugnisse, mit Ausnahme der reinen Auslandsfernmeldeaufklärung, gesetzlich weitestgehend normiert sind und die einer Kontrolle unterliegen. In den nachfolgenden Abschnitten soll diese Perspektive weiter geschärft werden.

folglos den Verwaltungsrechtsweg beschreiten müssen, damit sie diese Klageberechtigung nutzen können. Ebenfalls die „Löcher“ des Judicial Redress Act kritisierend, aber die Intention lobend: Jourová, European Commission: Statement on the sig­ nature of the Judicial Redress Act by President Obama, EC Press Release, Statement/16/401.

„Arguing that you don’t care about the right to privacy because you have nothing to hide is no different than saying you don’t care about free speech because you have nothing to say.“1 Edward Snowden

C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz bei auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung Im folgenden Abschnitt wird die Frage erörtert, ob und unter welchen Voraussetzungen sowohl Grund-, Bürger- oder Menschenrechte generell als auch speziell im Bereich des Privatsphärenschutzes in den jeweiligen Staaten anwendbar sind, wenn sich staatliche Beschränkungen – wie dies bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen der Fall ist – im Ausland und gegenüber Ausländerinnen oder Ausländern auswirken. Dabei sollen sowohl eine endogene als auch eine exogene Perspektive eingenommen werden, die insgesamt drei Aspekte aufzeigen. Einerseits stellt sich die Frage, ob verfassungsrechtliche Grund-, Bürger- oder Menschenrechte bei staatlichen Handlungen, die sich vollständig im Inland vollziehen und auswirken, auch einen Schutz für Nicht-Staatsangehörige bieten. Hierfür soll ebenso die unterschiedliche Schutzintensität zu Staatsangehörigen untersucht werden. Andererseits ist Teil der Untersuchung, ob bei transnationalen hoheitlichen Handlungen des Staates, die innerstaatlich vollzogen wurden, aber über die Grenzen hinaus durch einen „spill over“-Effekt Auswirkungen auf das Ausland und Ausländerinnen sowie Ausländer haben, die Bindungswirkung an verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ausgelöst wird und diese überhaupt anwendbar für betroffene Personen bei derartigen Akten sind. Zu guter Letzt ist problematisch, wie sich diese Bindungswirkung und Anwendbarkeit gestaltet, wenn die hoheitlichen Handlungen einen extraterritorialen Charakter aufweisen, d. h. sowohl der Vollzug als auch die Auswirkung gänzlich im Ausland stattgefunden haben. Die zwei letztgenannten Fallvarianten des transnationalen und extraterritorialen hoheitlichen Handelns sind deshalb von Bedeutung, da bei auslands1  Zitiert in: Rusbridger/Gibson/MacAskill, Edward Snowden: NSA reform in the US is only the beginning, in: The Guardian vom 22.05.2015.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

nachrichtendienstlichen Überwachungstätigkeiten nicht immer festgestellt werden kann, ob diese rein im In- oder rein im Ausland vollzogen wurden.2 Obgleich stets versucht wird, territoriale Anknüpfungspunkte zu finden, gestaltet sich eine diesbezügliche Feststellung im Zeitalter der Digitalisierung immer schwerer. Demgegenüber wird auch in Urteilen und Gesetzen mit Auslandsbezug nicht immer präzise zwischen transnationalen und extraterritorialen Handlungen unterschieden. Transnationale Sachverhalte sind bisher im Bereich des Umweltvölkerrechts und des Migrationsrechts zu beobachten gewesen. Die meisten Entscheidungen zu staatlichen Menschenrechtsverletzungen mit Auslandsbezug hingegen wurden mit Blick auf extraterritoriale Aspekte entschieden, obwohl sich vereinzelt Ursprünge der hoheitlichen Maßnahmen auf das eigene Gebiet zurückführen ließen und somit (teilweise) transnationale Aspekte beinhalteten.3 Da diese Arbeit jedoch die Bindungsund Geltungsreichweite von Grund-, Bürger- und Menschenrechten adressieren will, werden nachfolgend zumindest die letzten beiden Fallvarianten zusammen erörtert, obgleich der Autor noch aufzeigen wird, dass eine Unterscheidung vor allem im digitalen Bereich durchaus sinnvoll ist. Eine Unterscheidung hat zudem allemal eine Auswirkung auf die genaue Ausgestaltung der zu gewährenden Rechte und nicht generell auf die Bindungswirkung sowie die Anwendbarkeit der Grund-, Bürger- oder Menschenrechte. Das entscheidende Kriterium hierfür ist in der Regel die Ausübung von Hoheitsge2  Hierfür wurden von den Auslandsnachrichtendiensten sogar Theorien entwickelt, um die Handlungen formal als extraterritorial zu deklarieren, was sie aber keineswegs waren, weil man der Auffassung war, dass damit die Geltung der Verfassung nicht ausgelöst werde. Siehe zur sog. „Weltraumtheorie“ des BND Krüper, Verfassungsschutz in der wehrhaften Parteiendemokratie, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 160 f. Spätestens seit der Entscheidung des BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17 – BNDG, folgt der BND dieser Auffassung nicht mehr. Siehe zudem Biselli, BND kann Internetverkehr nicht zuverlässig nach In- und Ausland filtern und verstößt so gegen Gesetze, in: Netzpolitik.org vom 07.10.2016. 3  Dies war der Fall in der Wall opinion des IGH zum Bau einer Mauer, die über das israelische Territorium hinaus auf solches des Westjordanlandes gebaut wurde. Der IGH betrachtete hierbei jedoch lediglich die Frage der Extraterritorialität, obwohl die Generalversammlung diese bewusst offenließ. Die Frage, ob auch die Mauer auf israelischem Gebiet transnationale Verletzungen vorbringe, blieb unbeantwortet. Siehe IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, I.C.J. Rep. 2004, S. 136, Rn. 67, 111. Siehe auch Resolution der Generalversammlung, UN Doc. A/RES/ES-10/14. Ebenfalls zeigen vereinzelte Beispiele, dass nur zwischen nationalen und ausländischen Sachverhalten unterschieden wird, ohne zu differenzieren, ob transnationale Bezüge zum einen oder anderen Bereich gehören. Siehe bspw. US Restatement (Third) of Foreign Relations Law, Revised, 1986, in dem es heißt: „The provisions of the United States Constitution […] generally limit governmental authority whether it is exercised in the United States or abroad“.



I. Die Entwicklung und Bedeutung des Konzepts der Privatheit 85

walt, weshalb bei der Bestandsaufnahme zur Bindungs- und Geltungsreichweite verfassungsrechtlicher Individualverbürgungen die aktuelle Rechtslage bei innerstaatlichen Sachverhalten und solchen mit Auslandsbezug – unabhängig von einer stets trennscharfen Unterscheidung transnationalen und extraterritorialen Handelns – untersucht werden soll. Die Hoheitsgewalt selbst kann zwar nur unter ganz engen völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen im Ausland ausgeübt werden, aber schließt aus Souveränitätserwägungen nicht vollends aus, dass diese fundamentalen benannten Rechte nur im engen territorialen und nationalen Rahmen Wirkung entfalten. Dieser These soll nachfolgend abstrakt und speziell für die Fälle des Privatsphärenschutzes bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen in Deutschland (II.) und Frankreich und den USA (III.) nachgegangen werden.

I. Die Entwicklung und Bedeutung des Konzepts der Privatheit „Privat ist, was andere nichts angeht“.4 Dieses Merkmal ist „wesentlich“ für die ansatzweise Determinierung und Konzeptualisierung der Privatheit, deren Schutzbedürftigkeit von jeder modernen freiheitlich orientierten Gesellschaft mittlerweile offiziell anerkannt wird.5 Geheime Messen, Bereiche, die nur für gewisse Leute zugänglich und betretbar sind oder eigene, abgegrenzte Lebensräume gibt es seit Anbeginn der menschlichen Entwicklung in allen Kulturen und zeigen das inhärente Interesse der Menschen daran, einen „privaten Bereich“ zum Reden, Denken oder für andere persönliche Tätigkeiten für sich in Anspruch zu nehmen. Ihre ursprünglichen Wurzeln fand der Begriff der Privatheit im soziologischen, philosophischen und anthropologischen Kontext. Bereits in der Antike unterschied Aristoteles die politische öffentliche Sphäre („Polis“) von der privaten Aktivität im engeren Kreis („Oikos“).6 Der Frage der Differenzierung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit nahmen sich aber vor allem die Philosophen des 17. Jahrhunderts an. Nach John Locke war im Naturstaat grundsätzlich alles öffentlich, was damit 4  Horn, Schutz der Privatsphäre, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, S. 147 (148). 5  Ebd., S. 148, 152. Siehe zudem die verfassungsrechtliche Verankerung der Privatsphäre in Art. 46 Abs. 1 der Algerischen Verfassung, Art. 32 der Angolanischen Verfassung, Part III, 43 der Verfassung von Bangladesch, Sec. 10 der Verfassung von Finnland, Art. 76 der Verfassung Honduras, Art. 15 Verfassung von Kolumbien, Art. 16 der Verfassung von Mexiko oder Sec. 14 der Verfassung von Südafrika. Vgl. auch Art. 8 EMRK, Art. 11 Amerikanische Konvention der Menschenrechte oder Art. 17 IPBürg. 6  Vgl. Stanford Encyclopedia of Philosophy, Privacy.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

sowohl den Ansichten der frühen Denker der antiken Vorstellung als auch ihren zeitgenössischen Kollegen entgegenstand.7 Der Utilitarist John Mill, die Staatsphilosophen Immanuel Kant sowie Wilhelm von Humboldt hoben hingegen die Freiheitsrechte des Individuums hervor, in welchen sie den Schutz der Privatheit aus moralischen Erwägungen für notwendig erachteten.8 Seine juristischen Anfänge hat die Privatsphäre 1890 mit dem von Samuel Warren und Louis Brandeis entwickelten Konzept des „Right to Privacy“.9 Als Antwort auf die die Privatsphäre komplett verkennenden Presseaktivitäten leiteten sie als erste westlich orientierte Juristen das „Right to be let alone“ aus dem Prinzip der Unverletzlichkeit der Persönlichkeit her.10 Sie gaben damit einen Anstoß zu einer Debatte, die über viele Jahrzehnte geführt wurde11 und erst spät tatsächlich zu geltendem Recht erwuchs.12 So wurde erst 1970 das erste Datenschutzgesetz weltweit im Bundesland Hessen verabschiedet.13

7  Locke, Two Treatises of Government, 1689 (reprinted 1772), § 90. Er erkannte aber zumindest in puncto der Selbstbestimmung über den eigenen Körper an, dass es auch Bereiche gebe, die einzig einer Person zugestanden werden können. 8  Vgl. Mill, Über die Freiheit, 1859, S. 19; Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1797, § 49 ff.; von Humboldt, Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, 1792, Abschnitt I. Letzterer prägte allerdings auch den heute viel zitierten Satz: „Denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit“, ebd., Abschnitt IV. 9  Brandeis/Warren, The Right to Privacy, in: Harv. L. Rev. 1890, Vol. IV, S. 193 (193 ff.). Die ersten Vorhaben zur gesetzlichen Determinierung scheiterten jedoch. Erst 1974 wurde der Privacy Act in den USA erlassen, der die Grundgedanken von Louis Brandeis und Samuel Warren aufgriff: Publication Law S. 93–579, 88 Stat. 1896. Siehe dazu näher Abschnitt C.I. Siehe für eine deutsche Übersicht Evers, Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz, 1960, S. 38 ff. 10  Brandeis/Warren, The Right to Privacy, in: Harv. L. Rev. 1890, Vol. IV, S. 193 (193 ff.). 11  Vgl. generell Ariés/Duby, Geschichte des privaten Lebens, Bd. 3, 1991, S. 21 ff.; Elias, Wandlungen der Gesellschaft, 1997, S. 408 ff.; Westin, Privacy and Freedom, 1967, S. 8 ff. Dieser hält eine Definition sogar für unmöglich: „No definition of privacy is possible, because privacy issues are fundamentally matters of values, interests, and power.“ Siehe ders., Privacy in America: An Historical and Socio-Political Analysis, in: Proceedings of the National Privacy and Public Policy Symposium, 1995. 12  Ebenso sah Franklin Roosevelt nach dem Ende des 2. WK vier Freiheiten als Errungenschaft an, die fortan überall auf der Welt Geltung erlangen sollten: Darunter fielen die Freiheit des Denkens und des Redens, die Religionsfreiheit und die Freiheit frei vor Not und Angst zu Leben. Siehe ders. (FD), Annual message to the Congress vom 06.01.1941 (sog. „Speech of 4 Freedoms“). 13  Schon vorher waren allerdings in vielen Rechtsordnungen einzelne Bestimmungen existent, die dem Datenschutz dienten, wie u. a. das Beichtgeheimnis, die beruf­ liche Schweigepflicht oder das Postgeheimnis.



I. Die Entwicklung und Bedeutung des Konzepts der Privatheit 87

Aber selbst nach vereinzelten gesetzlichen Verankerungen war das Recht auf Privatsphäre alles andere als unbestritten. Die Reduktionisten sahen das rechtliche Konzept der Privatsphäre nur als relativ an, welche im Vergleich zu anderen höherwertigen bedeutenden Werten zurücktreten müsse.14 Die Bestimmung der Höherwertigkeit ergäbe sich aus den verfassungsrechtlich verbürgten Freiheiten, dem Bestand der Demokratie, der Sicherheit des Staates aber auch aus wirtschaftlichen Werten und Eigentumsrechten.15 Teilweise wurde sogar argumentiert, dass es kein eigenes Recht der Privatheit gebe, weil sich der Aspekt der Privatheit nur in einzelnen speziellen Rechten widerspiegele.16 Andere wiederum wollten anhand von Naturgesetzen beweisen, dass dem menschlichen Wesen keine naturgegebene Privatheit inhärent sei17 oder wurde die Privatsphäre aus einer feministischen Argumentation heraus abgelehnt, da sie vermehrt als Schutzschild der Dominanz und Kontrolle verwendet wurde, die unterdrückten Frauen ein Gehör verweigern sollte.18 Im Laufe der Zeit ist aus dem Schutz der Privatheit heute allerdings ein universelles Recht erwachsen.19 Ob sich dieses entweder aus der Menschenwürde herleiten lässt, es als eigenes Menschenrecht20 oder nach epistemischen Ansätzen gilt,21 als Kontrollmechanismus über Informationen über sich selbst aus den eigenen Persönlichkeitsrechten folgt oder das Grundele-

14  So Thomson, The Right to Privacy, in: Phil. & Publ. Affairs 1975, Vol. 4 S. 295 (295 ff.). 15  Vgl. u. a. Posner, The Economics of Justice, 1981, S. 231 ff., der den Schutz der Privatsphäre als wirtschaftlich ineffizient bezeichnet. 16  Thomson, The Right to Privacy, in: Phil. & Publ. Affairs 1975, Vol. 4 S. 295 (295 ff.); Westin, Privacy and Freedom, 1967, S. 8 ff. Vgl. auch Bork, The Tempting of America, 1990, S. 110 ff., der zumindest damals eine rechtliche Verankerung der Privatsphäre ablehnte. 17  Westin, Privacy and Freedom, 1967, S. 8 ff. 18  So MacKinnon, Toward a Feminist Theory of the State, 1989, S. 155 ff. 19  Siehe allgemein zu dieser Diskussion: Rössler, Privacies: Philosophical Evaluations, 2004, S. 19 ff. 20  Bloustein, Privacy as an Aspect of Human Dignity, in: NYU L. Rev. 1964, Vol. 39, S. 962 (962 ff.). 21  Nach den erkenntnisbezogenen (epistemischen) Ansichten ist Privatheit nicht absolut, sondern soll nur davor schützen, dass unbefugte Dritte an persönliche Informationen kommen. Sie stelle hiernach vielmehr eine Art Dispositionsbefugnis eines jeden dar, welche Informationen wem preisgegeben werden sollen und ist somit abhängig vom Individuum, dessen Privatsphäre tangiert sein könnte. Vgl. Blaauw, The Epistemic Account of Privacy, in: Episteme 2013, Vol. 10, S. 167 (167 ff.); Matheson, Unknowableness and Informational Privacy, in: J. Phil. Res. 2007, Vol. 32, S. 251 (251 ff.).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

ment interpersoneller Beziehungen darstellt,22 wird zwar in den einzelnen Kulturkreisen noch differenziert gesehen.23 Das Konzept als solches wird dennoch generell anerkannt.24 Gerade in den letzten Jahren zeigte sich vermehrt, dass Menschen ein erhöhtes Interesse daran aufzeigen, wer was über einen weiß, und dass persönliche Informationen nicht einfach jedem (frei) zugänglich sind.25 Der juristische Begriff der Privatheit ist allerdings nicht abschließend definiert, da er im selben Maße von kulturellen Voraussetzungen, eigenen Empfindungen oder Erwartungen geprägt ist, die genauso verschieden und individuell sein können, wie das menschliche Individuum als solches. Ebenso bedarf es der Möglichkeit einer Bildung eines selbstbestimmten privaten Bereiches, in dem die Autonomie zunächst entwickelt und dann auch frei praktiziert werden kann, um einen ungestörten Prozess des Sich-Suchens, Sich-Findens und Sich-Entwickelns zu durchleben, um sich daran anschließend klar zu werden, wer man ist und wer man sein möchte.26 Deshalb bereitet die genaue Ausformung streckenweise Probleme. Man kann das Konzept aber zumindest so umgrenzen, dass es einen Tätigkeitsbereich einer Person voraussetzt, „an welchem die Gesellschaft im Unterschied zum Individuum […] nur indirekt 22  Parent, Privacy, Morality and the Law, in: Phil. & Publ. Affairs 1983, Vol. 12, S.  269 (269 ff.). 23  Teilweise wird die Privatsphäre sogar differenziert in eine europäische und USamerikanische Ansicht. Erstere konzeptualisiert einzelne Aspekte der informationellen Privatsphäre anhand verschiedener Datenschutzbestimmungen und letztere versuche die Privatsphäre an sich im Einzelfall zu gewährleisten. Dass die europäischen Rechtsordnungen aber die Privatsphäre nicht nur durch einzelne Regelungen gewährleisten, sondern ihr auch einen eigenen speziellen (teilweise verfassungsrechtlichen) Rang verleihen, bleibt dabei außen vor. So zumindest Heersmink/van den Hoven/van Eck/van den Berg, Bibliometric mapping of computer and information ethics, in: Ethics Inf. Technol. 2011, Vol. 13, S. 241 (241 ff.). 24  Bloustein, Privacy as an Aspect of Human Dignity, in: NYU L. Rev. 1964, Vol. 39, S. 962 (962 ff.); Gerstein, Intimacy and Privacy, in: Ethics 1978, Vol. 89, S.  76 (76 ff.); Inness, Privacy, Intimacy and Isolation, 1992, S. 15 ff.; Rachels, Why Privacy is Important?, in: Phil. & Publ. Affairs 1975, Vol. 6, S. 323 (323 ff.); Gavisen, Privacy and the Limits of Law, in: 89 Yale Law Journal 1980, S. 421 ff.; Moore, Privacy: Its Meaning and Value, in: Am. Phil. Q. 2003, Vol. 40, S. 215 (215 ff.). Im Bereich der Informationstechnologie entwickelte sich dabei zusätzlich die Ansicht, die bei der Privatsphäre auch kollidierende moralische Werte anerkannte, welche überwiegen könnten. Dies gelte jedoch nicht für einen unantastbaren Kern der Privatsphäre: vgl. DeCew, Pursuit of Privacy: Law, Ethics, and the Rise of Technology, 1997, S.  145 ff.; Solove, A Taxonomy of Privacy, in: Pa. L. Rev. 2006, Vol. 154, S. 477 (487); Nissenbaum, Privacy as Contextual Integrity, in: Wash. L. Rev. 2004, Vol. 79 S. 119 (119 ff.). 25  Stanford Encyclopedia of Philosophy, Privacy and Information Technology. 26  Horn, Schutz der Privatsphäre, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, S. 147 (154).



I. Die Entwicklung und Bedeutung des Konzepts der Privatheit 89

Interesse hat“, was „alle Einzelheiten des persönlichen Lebens und Treibens, die nur ihn selbst angehen“ einbezieht.27 Im Vordergrund steht die Unterscheidung des ausschließlich eigenen und des zumindest auch fremden Interesses der Person, die die Macht über die Dispositionsbefugnis innehat, was welchen Dritten an eigenen persönlichen Informationen zugänglich gemacht wird.28 Mit der Zuordnung, dass etwas privat sei, grenzt man gleichzeitig zum Gegensatz des Fremd- oder öffentlichen Interesses ab und macht so erkennbar, dass das Private vom Fremdinteresse ausgeschlossen sein soll – was damit an den Gedanken von Aristoteles ansetzt.29 Die grundrechtlich verbürgte Privatsphäre wurde zunächst aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet, ergibt sich mittlerweile aber aus einer Vielzahl an Normen, die den einzelnen Aspekten der Privatheit eines Individuums speziell Rechnung tragen sollen.30 Man könnte sie somit als „spezialgesetzlich[e] Teilgewährleistungen“, die primär aus den Freiheitsgarantien der Art. 10 und Art. 13 GG folgen, aber auch über Art. 1 GG sowie Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 5, 6, 8 und 9 peripher verschiedene Aspekte der Privatsphäre beinhalten, bezeichnen.31 Freiheit und Privatheit sind allerdings nicht kongruent zu verstehen.32 Nicht alles, was der freien Willensbildung oder dem eigenen Handlungsentschluss heraus entspringt, ist sogleich als „privat“ anzusehen.33 Ebenso bedeutet Privatheit nicht, dass jedwede Dritte von Informationen einer Person ausgeschlossen sein müssen, da Privatheit auch durch Teilhabe mehrerer Personen entstehen kann (beispielsweise durch Familien, Freunde) – in manchen Bereichen sogar nur so denkbar ist, weil sonst bloß Selbstgespräche unter die Privatsphäre fielen.34 Genauso dient die private Wohnung nicht nur dem Ausschluss von anderen Personen als dem Wohnungsinhaber, sondern viel-

27  So

zumindest Mill, Über die Freiheit, 1859, S. 19. Schutz der Privatsphäre, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, S. 147 (148 f.). Er bezeichnet diese Dispositionsbefugnis als „Kontrolle über den Zugang anderer zur eigenen Sache“ und als „personal[e] Souveränität“. 29  Ferner Horn, Schutz der Privatsphäre, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, S. 147 (149), welcher im Zuge dessen auf empirische Nachweise einer „kulturanthropologischen Universalität des Privaten“ verweist. 30  Vgl. Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S.  1055 f. 31  So auch Horn, Schutz der Privatsphäre, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VII, 2009, S. 147 (158 f.). 32  Ebd., S. 158. 33  Ebd., S. 159. 34  Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S.  1055 f.; Hermes, Art. 10 GG, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Rn. 17. 28  Horn,

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

mehr auch der Verwirklichung der Persönlichkeit Dritter.35 Die Privatsphäre einer Person ist also nicht allein dadurch gekennzeichnet, dass persönliche Informationen nicht an andere gelangen sollen, sondern eben nur an bestimmte andere. Der Schutzbereich der jeweiligen Privatsphärenverbürgungen orientiert sich somit nicht an starren Grenzen, sondern ist vielmehr durch eine im konkreten Einzelfall notwendige Abwägung zwischen öffentlichen und individuellen Belangen ein angemessener Ausgleich zu gewährleisten. Dieser Aspekt wird umso relevanter im Bereich der digitalen Privatsphäre. Moderne Technologien und Soziale Medien können die benannte Kontrolle über persönliche Belange nämlich erheblich reduzieren,36 was sich gerade im Bereich der technischen Fernmeldeaufklärung widerspiegelt.

II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutzbei auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit des BND Grundrechtsähnliche Konzepte gab es in Deutschland bereits zu Zeiten der Entstehung der modernen Grund- und Bürgerrechte in den USA und Frankreich. Zirka 20 Jahre nach den Erklärungen der Vorreiterstaaten gewährte das Königreich Bayern bürgerliche Rechte, deren Gehalt allerdings äußerst vage war.37 Der erste richtige Grundrechtekatalog mit einer umfassenden Bindungsgarantie der staatlichen Gewalt wurde in Deutschland 1848 von der Frankfurter Nationalversammlung ausgearbeitet, der allerdings nie in Kraft treten sollte.38 Auch die Reichsverfassung von Weimar aus dem Jahr 1919 enthielt zwar „Grundrechte und Grundpflichten“.39 Der tatsächliche Gehalt dieser Rechte blieb jedoch unausgeformt und bot keinen Schutz vor staat­

35  So auch Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 1055 f. 36  Daher wird vermehrt versucht, neue Konzepte und Grundbedingungen zum Schutz der Privatsphäre im Digitalen Zeitalter zu schaffen. Beispielhaft sollen hierbei das Recht auf Vergessenwerden (EuGH, Entscheidung vom 13.05.2014, Rs. C131/12, Rn. 91  – Google Spain v. AEPD, Mario Gonzàlez), das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (BVerfG 120, 274, 302 ff. – Online-Durchsuchung) oder die OECD Guidelines on the Protection of Privacy and Transboarder Flows of Personal Data 2013 genannt werden. 37  Dies als „Prototypen moderner Grundrechte“ bezeichnend: Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 6. 38  Siehe Pauly, Die Verfassung der Paulskirche und ihre Folgenwirkung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, 3. Aufl. 2003, S. 93 (120); Höfling, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 82. 39  Vgl. Art.  107 des Entwurfs der Reichsverfassung vom 18.06.1919: „Die Grundrechte und Grundpflichten bilden Richtschnur und Schranken für die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Rechtspflege im Reich und in den Ländern“.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz91

licher Willkür.40 Erst das Grundgesetz sollte diesem Umstand Abhilfe schaffen und ist mittlerweile das wichtigste Instrument des verfassungsrechtlichen Privatsphärenschutzes. Bevor auf jene grundrechtlichen Gewährleistungen eingegangen wird, die die Privatsphäre schützen, und darauf, wann diese vor allem bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen für die betroffenen Personen gelten (2.), soll zunächst untersucht werden, wann und in welchem Umfang die deutschen Grundrechte generell bei Auslandssachverhalten und speziell beim Handeln des BND territorial bindend sind (1.). Im Ergebnis daran wird dann auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung eingegangen (3.). 1. Die territoriale Bindungswirkung der deutschen Grundrechte: Räumlicher Anwendungsbereich beim Handeln des BND Zu Beginn der Analyse soll die räumliche Bindungsreichweite – die Passivlegitimation41 – der grundrechtlichen Gewährleistungen bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln anhand des Art. 1 Abs. 3 GG bestimmt werden. Allerdings sollte vormals angenommen werden, dass das Grundgesetz nur für die von ihm verfasste Staatsgewalt gelte, auf das „Gefüge der deutschen Staatsorganisation“ begrenzt sei.42 Das spiegelt sich auch auf internationaler Ebene wider, auf welcher die souveräne Gleichheit der Staaten sowie das Interventionsverbot dafür sorgen, dass fremde Hoheitsakte nicht nur keine Geltung für andere Staaten haben, sondern vielmehr einen Eingriff in die Souveränität darstellen und demzufolge völkerrechtwidrig sein können.43 Um Hoheitsgewalt – wie es schon John Rawls vorbrachte44 – territorial und gegenüber anderen Staaten größtmöglich einzudämmen, sollten daher nationale Bestimmungen grundsätzlich im Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates ihre Geltung entfalten.

40  Dreier, Die Zwischenkriegszeit, in: Merten/Papier, HGR, Bd. I, 2004, S. 153 (162 ff.). 41  Zur Unterscheidung Aktiv- und Passivlegitimation im transnationalen Kontext siehe Baldus, Transnationales Polizeirecht, 2001, S. 150. 42  Siehe auch BVerfGE 58, 1, 26 – Eurocontrol I, wonach grundsätzlich das Grundgesetz nur für die von ihm verfasste Staatsgewalt gelte, begrenzt auf das „Gefüge der deutschen Staatsorganisation“. 43  Vgl. hierfür Art. 2 Abs. 1 United Nations Charter (15 UNCIO 335). Siehe auch Fassbender, Article 2 (1) UN-Charter, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus, The Charter of the United Nations, 3. Aufl. 2012, Vol. 1, S. 135 ff. 44  Siehe Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit 2002, S. 42 f., welcher daher staatliche Grenzen für „notwendig“ erachtet. Ähnlich Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (433); Ohler, Die Kollisionsordnung des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2005, S. 47.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Gerade in einer globalisierten und zunehmend digitalisierten Welt verschwimmen diese territorialen Grenzen allerdings stetig und erscheinen – wie es bereits früh in Unkenntnis der heutigen technischen Entwicklung Immanuel Kant umschrieb45 – als willkürlich. Daher ist es völkerrechtlich auch möglich, dass nationale Akte über die eigenen Grenzen Wirkung entfalten können – sowohl für die betroffenen Personen als auch für die handelnden Akteure.46 Zudem ist vielmehr von der staatlichen Souveränität umfasst, dass die Staaten selbst entscheiden können, wie weit der räumliche Anwendungsbereich – sowohl der staatlichen Bindung als auch der Gewährleistungen – einer nationalen Norm reicht und einen weiten Ermessenspielraum hierfür haben.47 Es bedarf allerdings stets eines rechtfertigenden Anknüpfungspunktes, da transnationale oder extraterritoriale Normen Kollisions­ probleme mit widerstreitenden Regelungen anderer Staaten hervorrufen, die wiederum im Einzelfall geklärt werden müssen.48 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die transnationale oder extraterritoriale Geltung nationaler Bestimmungen auch für die eigene Staatsgewalt stets die Intention enthält, ausländische Normen zu überlagern, sondern lediglich grenzüberschreitenden Sachverhalten, die in einer globalisierten Welt zunehmend zur Regel werden, gerecht werden wollen. Das Grundgesetz entspricht diesen völkerrechtlichen Rahmenbedingungen und intendiert daher eine umfassende Bindungswirkung der Grundrechte bei staatlichen Handlungen. Ob diese umfassende Bindung der deutschen Staatsgewalt aber ebenso im Ausland gilt oder ob deutsche staatliche Akteure keinen oder nur geminderten grundrechtlichen Verpflichtungen bei transnationalen oder extraterritorialen Tätigkeiten unterliegen, wie es derzeit prima facie bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen den Anschein erweckt, soll im folgenden Abschnitt erläutert werden.

45  Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1797, § 43 ff., § 62, nach welchem diese stets vom Gesellschaftsvertrag abhängig waren. Ferner Kant, Zum ewigen Frieden, 1795, S. 25 f. (Dritter Definitivartikel). 46  Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1059 (1060). 47  So schon Permanent Court of International Justice, SS Lotus, PCIJ 1927 (Ser. A) No. 10, Rn. 46. Ferner Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (433); Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1059 (1060). Nach Hans Kelsen kann die jeweilige Rechtsordnung ihren Anwendungsbereich auf jeden beliebigen Ort erstrecken: ders., Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts, 2. Aufl. 1928, S. 72. 48  Vgl. Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (433).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz93

a) Grundrechtsbindung bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln im Inland – die institutionelle Reichweite von Art. 1 Abs. 3 GG Ausgangspunkt für die Bestimmung der Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte ist Art. 1 Abs. 3 GG, welcher wegen der engen Verknüpfung zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG „Leitnormcharakter“ aufweist und nach Art. 79 Abs. 3 GG zum unveränderlichen Kern der deutschen Verfassung gehört.49 Hiernach sind alle drei Staatsgewalten an die Grundrechte gebunden. Der Art. 20 Abs. 3 GG wird damit um eine Spezialregelung für eine umfassende und lückenlose Verpflichtung des Staates zu grundrechtskonformen Handlungen ergänzt.50 Die Schutzrichtung wurde einerseits negativ als Verbotsklausel, mithin die staatliche Gewalt Eingriffsschranken nicht missachten darf, und positiv als Gebotsklausel ausgestaltet, in dem sich der Staat zur Herstellung eines grundrechtskonformen Zustandes verpflichtet.51 49  Die Bedeutung des Art. 1 Abs. 3 GG wurde erstmals in BVerfGE 6, 386, 387 – Haushaltsbesteuerung hervorgehoben. Siehe für den Leitnormcharakter von Art. 1 Abs. 3 GG auch BVerfGE 31, 58, 72 f. – Spanier-Beschluss. Ebenso Stern, Staatsrecht, Bd. 3, 1988, S. 1178; Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HdStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (794 ff.); Höfling, Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 84. 50  Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 61 f. Unter die Bindungsklausel fallen neben den Grundrechten auch alle anderen in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG benannten Rechte. So Jarass, Art. 1 GG, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 48; Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 9; a. A. Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, S. 51 f. Zudem stellte die Schaffung von Art. 1 Abs. 3 GG einen verfassungsrechtlichen Fortschritt in Deutschland dar. Dieser Bindungsgedanke deutscher Gewalten an essentielle Rechte war aber kein Novum. Bereits die Paulskirchenverfassung kannte eine solche Klausel, welche aber nach deren Scheitern in Vergessenheit geriet. Zudem stellten die Grundrechte des Grundgesetzes – anders als in der Weimarer Reichsverfassung, in der die Grundrechte nur als bloße „Direktiven“ verstanden werden sollten und die Bindung nicht für die Legislative – durch Art. 1 Abs. 3 GG vollgültiges Verfassungsrecht dar. Mit der Einführung des Grundgesetzes wollte man bewusst ein Zeichen gegen die nationalsozialistische Willkürherrschaft schaffen und eine Stärkung der Rechte des Einzelnen gegen staatliche Gewalt durch eine lückenlose staatliche Grundrechtsbindung gewährleisten. Siehe generell dazu BVerfGE 7, 377, 403 ff. – Apothekenurteil; Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, S. 89 f.; Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 61 ff.; Antoni, Art. 1 GG, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz, 11. Aufl. 2016, S. 67; Höfling, Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, S. 85 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. 3, 1988, S. 1179 f. Vgl. zur Paulskirchenverfassung Pauly, Die Verfassung der Paulskirche und ihre Folgenwirkung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, 3. Aufl. 2003, S. 93 (124 ff.). 51  Höfling, Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 101; Herdegen, Art. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 15.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Der BND als Teil der Bundesverwaltungsstruktur könnte somit für die Bewertung seiner Inlandstätigkeiten von den in Art. 1 Abs. 3 GG genannten Gewalten als Teil der Exekutive dieser Bindungswirkung unterfallen.52 Sein Tätigkeitsauftrag erstreckt sich zwar grundsätzlich auf das Ausland. Sowohl die wichtigsten Datenerhebungs- als auch Datenverarbeitungsstellen befinden sich allerdings innerhalb der Bundesrepublik und agieren überwiegend auf oder von deutschem Hoheitsgebiet aus.53 Die Bindungswirkung im Inland tritt im Bereich der Exekutivgewalt als unmittelbar geltendes Recht jedenfalls dann ein, sofern Hoheitsgewalt in Form der vollziehenden Gewalt ausgeübt wird. aa) Die Ausübung von Staatsgewalt in Form der vollziehenden Gewalt als Ausgangspunkt staatlicher Grundrechtsbindung Im Sinne Thomas Hobbes dient die einseitig hoheitlich handelnde Staatsgewalt54 dazu, ein friedlich geordnetes Zusammenleben zu sichern und Rechtsstaatlichkeit sowie Souveränität zu verteidigen.55 Dafür übt sie neben der Gebietshoheit über die in einem Territorium befindlichen Personen Rege52  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1267. Siehe zur Einordnung des BND in die Staatsstruktur bereits Abschnitt B.IV.3.a). 53  BVerfGE 100, 313, 363 f. – TKÜ I; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 64 f. Siehe auch Biselli, BND kann Internetverkehr nicht zuverlässig nach In- und Ausland filtern und verstößt so gegen Gesetze, in: Netzpolitik.org vom 07.10.2016. 54  In diesem Kontext werden Hoheits- und Staatsgewalt synonym verstanden und nicht weiter differenziert. Der Begriff der Staatsgewalt wurde durch Georg Jellinek geprägt und bereits durch Jean Bodin als das wesentliche Merkmal verstanden, nach Innen und von Außen unabhängige Souveränität auszuüben. So Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, Kap. 13; Bodin, Six livres de la république, 1599, Buch I, Kap. 1, S. 8. Der Begriff der Hoheitsgewalt wird vermehrt im internationalen Kontext verwendet und bezeichnet auch hier die Ermächtigung des Staates, einseitig rechtlich verbindliche Anordnungen erlassen zu können. Im deutschen nationalen Kontext wird hoheitliches Handeln aber fast ausschließlich von staatlicher Seite durch Trägerinnen und Träger öffentlicher Gewalt ausgeübt und daher hier synonym verwendet. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nennt als unmittelbare Ausübung staatlicher Gewalt Wahlen und Abstimmungen durch das Volk, da die Staatsgewalt grundsätzlich von jenem ausgeht. Staatsgewalt i. d. S. meint jedoch nur, dass die von staatlicher Seite in Form besonderer Organe ausgeübte Gewalt vom Volk legitimiert sein muss. Vgl. auch Grzeszick, Art. 20 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn.  108 ff.; Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HdStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (796). 55  Hobbes, Leviathan, 1651, Kapitel 13 f. Ferner Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 17. Aufl. 2017, S. 48.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz95

lungsgewalt aus, der sie sich unterwerfen müssen.56 Die Personalhoheit knüpft für natürliche Personen grundsätzlich an die Staatsangehörigkeit an.57 Die Staatsgewalt im heutigen staatsrechtlichen Sinne zeichnet sich jedoch durch die Gewaltenteilung aus, wonach alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts vom Begriff der Staatsgewalt unabhängig davon erfasst sind, in welcher Handlungsform sie tätig werden.58 Für die Ausübung exekutiver Staatsgewalt wurde unter anderem in Art. 1 Abs. 3 GG das Begriffspaar der „vollziehenden Gewalt“ gewählt.59 Diese Bezeichnung ist jedoch erst mit der Grundgesetzänderung vom 19.03.1956 eingeführt worden und löste den vorher zu unbestimmten Begriff der „Verwaltung“ ab.60 Der Art. 1 Abs. 3 GG intendiert damit die von Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG erlaubte Staatsgewalt einzuschränken und diese nur im grundrechtskonformen Rahmen zuzulassen.61 56  Becker, Gebiets- und Personalhoheit des Staates, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 193 (232 ff.). 57  Diese ist nicht völlig unumstritten: Vgl. Becker, Art. 16 Abs. 1 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Bd. I, 5. Aufl. 2005, Rn. 1; Hailbronner, Grundlagen des Staatsangehörigkeitsrechts, in: ders./Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5.  Aufl. 2010, Teil C, Rn. 1 ff. Zum Schutz der eigenen Staatsangehörigen im Ausland siehe IGH, Nottebohm Case (second phase), Judgment, I.C.J. Rep. 1955, S. 4 (22 ff.). Es reicht nach Rechtsprechung des IGH aber nicht aus, dass eine Gesellschaft im Ausland überwiegend aus Staatsangehörigen besteht, um diplomatischen Schutz geltend machen zu können: Barcelona Traction, Judgment, I.C.J. Rep. 1970, S. 3 (38). 58  Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 40 f.; Herdegen, Art. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 3. Differenzierender hierzu Dreier, Art. 20 (Demokratie), in: Dreier, Grundgesetz, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Rn. 132 ff. Aber selbst von dem weiten Staatsgewaltbegriff werden nicht bloß vorbereitende oder rein konsultative Tätigkeiten staatlicher Gewalt umfasst. 59  Diese Wortwahl findet sich auch in Art. 20 Abs. 3 und Art. 20a GG wieder. Allgemein kann es im Bereich der Grundrechtsbindung jedoch nicht auf eine Differenzierung der Gewalten ankommen, da sich bei der Ausübung der Staatsgewalt generelle gewaltenübergreifende Probleme stellen. Die Unterscheidung ist nur eine Hervorhebung der umfassenden Bindung. So Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: H ­ dStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (805). 60  BGBl. 1956, Vol. I, S. 111. Die Änderung sollte vor allem die militärische Gewalt eindeutig mit einbeziehen. Vgl. dazu Stern, Staatsrecht, Bd. 3, 1988, S. 1202, 1321. 61  Die vollziehende Gewalt ist wegen des umfassenden Vorbehaltes des Gesetzes daher auch überwiegend in ihrer Tätigkeit durch die Legislative legitimiert. So Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HdStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (808). Man kann daher konstatieren, dass Art. 20 Abs. 3 GG den Wirkungsbereich deutscher Staatsgewalt umschreibt, der sich mit dem Geltungsbereich der deutschen Grundrechte aus Art. 1 Abs. 3 GG deckt, mithin letzterer eine Spezialregelung zu Art. 20 Abs. 3 für die Grundrechte darstellt. Siehe dazu Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn/Ronzitti, FS Bothe, 2008, S. 1213 (1213); Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007, S. 74 ff.; Hillgruber, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 61. Das verwendete Begriffspaar der „vollziehenden

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Vollziehung in diesem Kontext meint, dass exekutive Stellen zum Vollzug der Gesetze und deren Anwendung im Einzelfall sowie damit einhergehenden Grundrechtsbeschränkungen berechtigt wurden.62 Aber nur in der Regel werden Einschränkungen der Grundrechte durch die gesetzesakzessorische Verwaltung vorgenommen.63 Da die Formulierungen aus Art. 20 Abs. 2 GG nicht abschließend erfasst sind, soll vielmehr ein umfassendes und weites Handlungsverständnis für die vollziehende Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG zu Grunde gelegt werden, um alle öffentliche Stellen, die Gesetze vollziehen, unter die Bindungsklausel einzuordnen.64 Gerade im nicht-gesetzesakzessorischen Bereich können daher Beschränkungen durch vorbereitende, organisatorische, leistende oder eingreifende Tätigkeiten vorgenommen werden, um „grundrechtsfreie Räume“ zu vermeiden.65 Die vollziehende Gewalt muss aber im Rahmen der Verfassung ausgeübt werden und darf dem Gesetzesvorbehalt und dem Vorrang des Gesetzes nicht widersprechen.66 Gewalt“ ist nach letzterem somit als kongruent in beiden Artikeln des Grundgesetzes zu verstehen und für die Bestimmung gleichrangig mit heranzuziehen. 62  Schmitt Glaeser, Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes, 3.  Aufl. 2016, S. 111. Die vollziehende Gewalt kann aber auch selbstständig und aus eigener Initiative heraus agieren und ist durchweg der Bundesregierung und deren nachfolgenden Behörden zugeordnet. Das Exekutivhandeln müsse aber Entscheidungscharakter aufweisen. Vgl. dazu BVerfGE 93, 37, 68 – Einigungsstelle; 107, 59, 87 – Lippeverband. Ferner Sodan/Ziekow, Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 40. 63  Unter vollziehende staatliche Stellen werden zumindest die Regierung, die Verwaltung und die militärische Verteidigung gefasst. So Schmitt Glaeser, Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes, 3. Aufl. 2016, S. 111. 64  Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 65; Sodan/Ziekow, Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 40 f. Dennoch ist die Handlungsbegrenzung der Verwaltung primär auf Art. 20 Abs. 3 GG und die Bindung an Recht und Gesetz ausgelegt. Daher sei die – aus diesem Blickwinkel eher theoretische – Grundrechtsbindung über Art. 1 Abs. 3 GG für die Verwaltung schwerer zu beachten, da sie nicht in der Lage sei, sofern ein nachkonstitutionelles Parlamentsgesetz gegen Grundrechte verstoße, das Gesetz eigenständig zu verwerfen oder auf Dauer nicht anzuwenden. Diese Möglichkeit bestünde nur für die Bundesregierung. Ferner Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 5. Aufl. 2005, S. 127. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass alle Staatsbediensteten auch einen Eid auf die Verfassung und die Einhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung leisten, weswegen offensichtliche Verfassungsverstöße nicht unter die Befolgungspflicht aus Art. 20 Abs. 3 GG fallen können. Ähnlich Bachof, Die Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der Verwaltung gegenüber dem verfassungswidrigen und dem bundesrechtswidrigen Gesetz, in: AöR 1962, Vol. 87, S. 1 (42). 65  Siehe dazu bereits BVerfGE 33, 1, 11 – Strafvollzug. 66  So explizit Sodan/Ziekow, Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 68. Helge Sodan und Jan Ziekow sehen die vielfältigen Aufgaben der Exekutive als kaum beschreibbar und grenzen daher das exekutive Handeln derart ein, sofern es sich weder als legislativ noch judikativ darstelle. Christian Starck schließt sich dem an und sieht die vollziehende Gewalt auch dann hoheitlich handeln, wenn diese nicht primär Gesetze



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz97

bb) Die gesetzliche Ermächtigung des BND zur Ausübung vollziehender Gewalt Eine gesetzliche Rechtsgrundlage ist immer dann erforderlich, wenn hierfür eine besondere verfassungsrechtliche Relevanz gegeben ist, was zumindest bei potenziellen Grundrechtseingriffen stets bejaht wird.67 Seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts gilt das auch für die informationsverarbeitende Tätigkeit des BND, die im Jahr 1990 mit dem BNDG gesetzlich geregelt wurde.68 Im Zuge der Einführung der einfachgesetzlichen Norm war allerdings umstritten, ob der BND eine verfassungsrechtlich notwendige Bundesbehörde sei, da eine direkte Norm, die zur Einrichtung einer auslandsnachrichtendienstlichen Stelle befugt und diese zur Ausübung auswärtiger Gewalt ermächtigt, im Grundgesetz nicht explizit vorgesehen ist.69 Allerdings kann sich trotz fehlender ausdrücklicher Nennung einer spezifischen Behörde die Möglichkeit – wenn nicht sogar die Notwendigkeit – aus dem Gesetzgebungskompetenzgefüge ergeben, welches den Bund (oder die Länder) zum Erlass eines Gesetzes bzw. zur Einrichtung von bestimmten Behörden ermächtigt.70 Das Bundesverfassungsgericht sieht so zumindest die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das BNDG sowie die daraus folgende Legitimierung der Schaffung des BND in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG verankert, da der BND als Auslandsnachrichtendienst dem Kompetenzbereich der auswärtigen Beziehungen unterliege.71

„vollzieht“. Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Bd. I, S. 124. Siehe auch Fastenrath, Gewaltenteilung, in: JuS 1986, S. 194 (196). 67  Meinel, Nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung als Kompetenzproblem, in: NVwZ 2018, S. 852 (855 f.). 68  Siehe BVerfGE 65, 1, 44 ff. – Volkszählung. 69  Ablehnend Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. Demgegenüber sind im Grundgesetz nur wenige Ministerien explizit vorgesehen. Nur das Auswärtige Amt, die Bundesministerien des Innern, der Justiz, der Finanzen und der Verteidigung werden erwähnt. Vgl. hierfür Art. 65a, 69 Abs. 1, 87 Abs. 1 S. 1, 96 Abs. 2 S. 4. 108 Abs. 3 S. 2, 112 und 114 Abs. 1 GG. Dennoch befinden sich beispielsweise die Ministerien für Gesundheit, Wirtschaft und Energie oder für Arbeit und Soziales nicht im verfassungsfreien Raum. Vielmehr ist deren Errichtung Ausfluss der Ressortkompetenz des Bundes oder des Demokratieprinzips und somit verfassungskonform. 70  BVerfGE 100, 313, 369 – TKÜ I. 71  Ebd., S. 368 ff.; BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 122 ff. – BNDG. A. A. Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266, nach dem der Begriff der auswärtigen Angelegenheiten restriktiv auszulegen sei, sodass nicht jede Tätigkeit mit Auslandsbezug hierunter zu subsumieren sei.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Dem Bund sei es daher nicht verwehrt, aus Erkenntnissen über das Ausland „gesetzgeberische Kompetenzen innenpolitischer Art zu ziehen“.72 72  BVErfGE 100, 313, 369 f. – TKÜ I. Diese Frage ist jedoch in der Literatur alles andere als unstreitig. Einerseits wurde eine Annexkompetenz zu Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 bzw. zu Art. 73 I Nr. 10 GG bemüht. So Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 237; Gusy, Die Zentralstellenkompetenz des Bundes, in: DVBl. 1993, S. 1117 (1118 f.); Ahlf, Das Bundeskriminalamt als Zentralstelle, 1985, S. 79. Zudem wurde eine Gesamtschau der Verfassung bemüht: So Brenner, Bundesnachrichtendienst im Rechtsstaat, 1990, S. 34 ff.; Gröpl, Die Nachrichtendienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung, 1993, S. 69 ff. Andere gingen, weil der VIII. Abschnitt der deutschen Verfassung dem Bund kompetenzrechtlich über Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG i. V. m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a und 10 GG gestatte, exekutive Zentralstellen für das „Nachrichtenwesen“ als auch für den „Verfassungsschutz“ einzurichten und ausschließlich Gesetze zu erlassen, im Wege einer Verfassungs- und historischen Interpretation in Konsequenz für den BND davon aus, dass dieser als Zentralstelle hierüber verfassungsrechtlich legitimiert sei. Siehe hierfür Gusy, Der Bundesnachrichtendienst, in: Die Verwaltung 1984, Vol. 17, S. 273 (274 ff.); Burgi, Art. 87 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Rn. 43 ff., der Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG einen dreifachen föderalen Primärgehalt zuordnet; Rieger, Nachrichtendienst und Rechtsstaat, in: ZRP 1985, Vol. 18, S. 3 (10). Ähnlich Becker, Zentralstellen gemäß Art. 87 Abs. 1 GG, in: DÖV 1978, S. 551 (552). Nach mittlerweile einhelliger Ansicht gilt Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG aber nicht für den BND. Hierfür werden im Wesentlichen zwei Argumente angeführt: Einerseits sei der BND bewusst nicht als Zentralstelle ausgeformt worden – sondern vielmehr über § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG als Bundesoberbehörde – und andererseits beziehe sich Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG historisch und systematisch auf Inlandstätigkeiten, was einen Auslandsnachrichtendienst aus der Kompetenzzuweisung ausschließe. Siehe dazu u. a. Pieroth, Art. 87, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 904; Ibler, Art. 87 GG, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 157; Sachs, Art. 87 GG, in: ders., Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 28, 40; a. A. Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 15 f.; Hermes, Art. 87 GG, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Rn. 28, der allerdings davon ausgeht, dass sich die Kompetenz aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG herleite mit Berufung auf Burgi, Art. 87 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Rn. 12, welcher aber selbst davon ausgeht, dass der BND nicht hierunter fällt: ebd., Rn. 49. Aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG lassen sich nach überwiegender Auffassung nur das BKA und das BfV herleiten. Vgl. ebd., Rn. 43; Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2006, S. 30; Pieroth, Art. 87, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 904; a. A. Roth, § 2 BVerfSchG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1133, der das BfV in Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG verankert sieht. Allerdings ist der Unterschied zwischen Bundesoberbehörden und Zentralstellen ungeklärt. Siehe dazu Sachs, Art. 87 GG, in: ders., Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 47. Der Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ist allerdings bewusst nicht als ausufernde Kompetenznorm des Bundes ausgeformt worden. Siehe dafür BVerfGE 30, 1, 19 ff. – Abhörurteil. Trotz alledem stellte das BVerfG in seinem Beschluss zu Errichtung eines Zollkriminalamtes fest, dass der Bund nicht drauf beschränkt sei, eine Bundesverwaltungsbehörde, die den Merkmalen einer Zentralstelle i. S. d. Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG entspricht, nicht auch als Bundesoberbehörde nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG auszugestalten. Vielmehr hat der Gesetzgeber ein Wahlrecht darüber, wie er seine Behörden des Art. 87 GG aufbaut:



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz99

Fraglich ist jedoch, ob daneben unter Art. 1 Abs. 3 GG nur solche Behörden als vollziehende Gewalten in Frage kommen, die zum Zwangsmitteleinsatz befugt sind. Durch das Trennungsgebot ist dem BND gerade ein solcher verwehrt, weswegen ihm vielfach seine exekutive Rolle abgestritten wird.73 Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG tendiert zu dem Erfordernis der Zwangsmittelbefugnis. Man könnte davon ausgehen, dass hiermit der Teil der Exekutive umschrieben wird, dem auch Befugnisse zustehen, Maßnahmen mit Zwang durchzusetzen – sie mithin zu vollziehen. Allerdings ist gerade der Funktionsbereich der exekutiven Verwaltung in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nur grob umrahmt und bleibt weitestgehend offen.74 Vielmehr lässt sich die Verwaltung durch die Verfassung nur „typisieren [und] in der ein oder anderen Richtung begrenzen“75; die vielschichtigen Verwaltungsformen machen die Bestimmung einer einheitlich gesetzlichen Handlungsform indes schwer.76 Wegen dieser Eigenart der Exekutive kann nicht davon ausgegangen werden, dass die grundgesetzlichen Normen inhaltlich abschließend geregelt sind, sondern ein „weite[r] Spielraum bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung“ besteht.77

BVerfGE 110, 33, 47 ff. – Zollkriminalamt. So auch Roth, § 2 BVerfSchG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1133 f. Dieser geht allerdings in der Quintessenz von einer Vermischung aus: einer Bundesoberbehörde mit „zentralstellenmäßigen Koordinierungsaufgaben“. Im Ergebnis so auch Gröpl, Die Nachrichtendienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung, S. 133 ff.; Wagner, Die Bundespolizeireform, in: DÖV 2009, S. 66 (66), der den BND zwar als Zentralstelle bezeichnet, aber dieser Behördentypus seiner Ansicht mit dem der selbstständigen Bundesoberbehörde übereinstimme. 73  So auch BVerfGE 100, 313, 387 – TKÜ I, aber zugleich die Grundrechtsbindung bejahend. Beides ablehnend für Auslandssachverhalte Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (474 ff.). Siehe ferner Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 222 ff., welcher das exekutive Element für den BND für entbehrlich hält, ihn dennoch der Exekutive unterordnet. Vgl. näher zum Zwangsmitteleinsatz Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1268. 74  Den Funktionsbereich durch die Rechtsbindungen und Kontrollen der Verwaltung sogar noch mehr relativierend: Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, S. 387 (395), welcher diese über Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 und 19 Abs. 4 GG herleitet. Zur Zuordnung außenund verteidigungspolitischer Aufgaben siehe Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, S. 183 (219). 75  So Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, S. 387 (396). 76  Ebd., S. 398. 77  BVerfGE 63, 1, 34 – Schornsteinfegerversorgung; 110, 33, 47 ff. – Zollkriminalamt. Ferner Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V,

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Dies wird auch aus einer historischen Perspektive bestätigt. Dabei wird deutlich, dass das Begriffspaar der „vollziehenden Gewalt“ geschaffen wurde, um den früheren Begriff der „Verwaltung“ über die Wehrverfassungsnovelle auszudehnen, um die Einsätze der Bundeswehr im Ausland, die nicht unter die Verwaltungsbehörden i. e. S. zu fassen waren, zu erweitern.78 Der gesetzgeberische Wille adressiert damit eine weite Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG unabhängig der Rechtsform oder des verfolgten Zwecks,79 sondern nur in Bezug auf potenziell grundrechtsrelevantes Verhalten der Verwaltung. Aufgrund der intentionalen Lückenlosigkeit dieser Bindungswirkung soll jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen, das den Anspruch erheben kann, „autorisiert im Namen der Bürger getroffen zu werden“ und „in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt“, die Grundrechtsbindung auslösen.80 Sobald der Staat damit eine Aufgabe an sich zieht, löst das die umfassende Bindungswirkung aus – auch für Träger abgeleiteter oder mittelbarer öffentlicher Gewalt.81 Entscheidend ist, ob das staatliche Verhalten grundrechtsrelevant ist. Vor allem letzteres trifft auch auf den BND zu. Der Dienst befindet sich als Bundesoberbehörde in der verwaltungsrechtlichen Behördenstruktur des Bundeskanzleramtes, dessen eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung er unterliegt.82 Daher ist der BND eine nachgeordnete Behörde,83 die eine 3. Aufl. 2007, S. 457 (495); im Erg. a. A. Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. 78  Vgl. Gesetz vom 19.03.1956, BGBl. 1956, Vol. I, S. 111; Antoni, Art. 1 GG, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz, 11. Aufl. 2016, S. 67; Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 65. 79  Jarass, Art. 1 GG, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 49; Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 92. 80  BVerfGE 128, 226, 244 – Fraport. Ferner Antoni, Art. 1 GG, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz, 11. Aufl. 2016, S. 67. 81  Sie BVerfGE 128, 226, 244 – Fraport; 98, 365, 395 – Versorgungsanwartschaften; BAGE 52, 88, 97 f. Ferner Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (796 f.). Somit wären selbst Private einer umfassenden Grundrechtsbindung unterworfen, wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllen, obwohl sie grundsätzlich nicht grundrechtsgebunden sind. Vgl. auch Jarass, Art. 1 GG, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 52; Hillgruber, Art. 1, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 61 ff. Der BGH fordert jedoch für eine solche Grundrechtsbindung abweichend ein „Unmittelbarkeitskriterium“: BGHZ 36, 91, 95 ff.; 52, 325, 329; 154, 146, 150. Auch zu beachten wäre hier das Konzept der Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht. 82  Siehe § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG. Ferner Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. 83  So Möllers, Von der Kernbereichsgarantie zur exekutiven Notstandsprärogative, in: JZ 2017, Vol. 6, S. 271 (273). Ähnlich Krieger, Geschichte der deutschen geheimen Nachrichtendienste, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichten-



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz101

Sonderstellung als ressortübergreifende und integrierte Exekutivbehörde einnimmt.84 Das weite Verständnis des Art. 1 Abs. 3 GG führt ebenfalls dazu, dass ungeachtet der Zuordnung des BND zur vollziehenden Gewalt der Exekutive i. e. S. dieser durch seine informationsverarbeitenden heimlichen Tätigkeiten im grundrechtsrelevanten Bereich agiert.85 Trotz der fehlenden Zwangsmittelbefugnis ist der BND im Inland daher wegen der eingriffsintensiven heimlichen Informationsbeschaffung als exekutive Stelle auch grundrechtsgebunden.86 Ferner kann aber zumindest eine partielle bzw. mittelbare Zwangsmittelbefugnis daraus hergeleitet werden, dass der BND zumindest Telekommunikationsbetreiber wirksam verpflichten kann, dem Dienst Zugang zu Telekommunikationsnetzen oder -inhalten bzw. -metadaten zu verschaffen.87 Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Urteil zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung jedoch klar, dass Art. 1 Abs. 3 GG gerade keine dienste, 2017, S. 1 (65). Anders Meinel, Nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung als Kompetenzproblem, in: NVwZ 2018, Vol. 37, S. 852 (852 f.), welcher den BND „zwischen einer Ministerialbehörde und einer unmittelbar der politischen Regierungsspitze zugeordneten Organisation“ verortet. Siehe auch Gusy, Organisation und Aufbau der deutschen Nachrichtendienste, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 297 (342), der den BND zumindest nicht als „ministe­ rialfrei“ bezeichnet. Siehe auch Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland, in: DÖV 2015, S. 593 (596), der die Tätigkeit des BND im Rahmen der vollziehenden Gewalt diskutiert. 84  So Lisken, „Nachrichtendienste“ extra legem?, in: ZRP 1984, S. 144 (145); Gusy, Der Bundesnachrichtendienst, in: Die Verwaltung 1984, Vol. 17, S. 273 (273); Porzner, Der Bundesnachrichtendienst im Gefüge der öffentlichen Verwaltung, in: Die Verwaltung 1993, Vol. 26, S. 235 (249); Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (463, 467) mit Verweis auf BVerwGE 63, 210, 212; Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (151), welcher diese Stelle der vollziehenden Gewalt zuordnet, weil ein Auslandsnachrichtendienst Staatsgewalt bei der Überwachung im Ausland ausübe. 85  BVerfGE 115, 320, 381 – Rasterfahndung; Möllers, Von der Kernbereichsgarantie zur exekutiven Notstandsprärogative, in: JZ 2017, Vol. 6, S. 271 (274); Huber, BND-Gesetzreform, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (162); Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (475), der selbige Bindung im Ausland allerdings verneint; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 222 f., 228. Kurt Graulich ordnet den BND trotz fehlender exekutiver Befugnisse, die für den Dienst seiner Ansicht nach allerdings entbehrlich seien, der Exekutive zu. 86  Gusy, Vorb. BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1262; Lampe, Die Schwierigkeiten mit der Rechtfertigung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: NStZ 2015, Vol. 66, S. 361 (362). 87  Vgl. §§ 4, 8 Abs. 1, 12 Abs. 2, 17 Abs. 1 BNDG. Siehe auch die Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 30.05.2018, Az. 6 A 3.16 (DE-CIX).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Zwangsmittelbefugnis erfordere. Die Bindungsreichweite des Art. 1 Abs. 3 GG in seiner individuell abwehrrechtlichen Dimension sei nicht nur auf die Konstellationen beschränkt, in denen der Staat den Betroffenen mit durch das Gewaltmonopol versehener Hoheitsmacht gegenübertrete.88 Art. 1 Abs. 3 GG verdeutliche vielmehr durch die Nennung aller Staatsgewalten, dass alle staatlichen Bereiche, Aufgabenwahrnehmungen und Handlungsformen umfasst seien.89 b) Grundrechtsbindung bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln mit Auslandsbezug – die territoriale Reichweite von Art. 1 Abs. 3 GG Neben der Bestimmung der institutionellen Bindung des BND an die Grundrechte auf dem nationalen Territorium stellt sich in Anbetracht seines Tätigkeitsauftrages als Auslandsnachrichtendienst die Frage der territorialen Bindungsreichweite des Art. 1 Abs. 3 GG. Da die primäre Aufgabe der Staatsgewalt die Regelung und Ausführung der Rechtsverhältnisse auf eigenem Territorium ist,90 richtet sich diese singulär an die deutschen staatlichen Gewalten.91 In wie weit die eigenen grundrechtlichen Gewährleistungen über die Staatsgrenzen hinauswirken, ist weder vom Herrenchiemseer Verfassungskonvent noch durch die nachträglichen Änderungen der Verfassung als möglicher Aspekt bedacht bzw. bewusst offengelassen worden.92 Dies führt heutzutage aber zu Kollisionsfragen, weil sich das Grundgesetz nicht mit der Regelung der Staatsgewalt im innerdeutschen Raum begnügt und verfassungsrechtlich nicht auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt ist, wie die 88  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 90 – BNDG. Näher dazu Abschnitt C.II.3. 89  Ebd., Rn.  90 f. 90  Becker, Gebiets- und Personalhoheit des Staates, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 193 (206). 91  Ausländische Staatsgewalt ist nicht an die deutschen Grundrechte gebunden, genauso wie Deutschland auch nicht an ausländische bürger- oder menschenrecht­ liche Verbürgungen gebunden ist. Siehe BVerfGE 1, 10, 11; von Coelln, Mitwirkung des Verfassungsstaates an Rechtsakten anderer Staaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 475 (495); Jarass, Art. 1 GG, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 52; Kunig, Art. 1 GG, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, 6. Aufl. 2012, Rn. 52. Selbiges gelte auch für supranationale oder internationale Organisationen: Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 80. 92  Stern, Die Idee der Menschen- und Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 1, 2004, § 1; Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (42); Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (517). Allgemein dazu auch Menzel, Internationales Öffentliches Recht, 2011, S. 432.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz103

Art. 23 ff., Art. 32 oder Art. 59 GG zeigen.93 Zwar regelt das Grundgesetz nicht explizit, ob nach außen gerichtete Hoheitsgewalt ausgeübt werden kann, setzt diese aber zumindest voraus.94 Um diese Voraussetzung zu terminieren, wurde das Begriffspaar der „auswärtigen Gewalt“ geschaffen,95 dessen Bezeichnung verfassungsrechtlich ebenfalls ekdemisch im Grundgesetz ist.96 Es soll grob umschreiben, dass Deutschland grenzüberschreitend auch im Ausland durch Staatsorgane tätig werden darf.97 Das Konzept illustriert aber ebenfalls nur eine bloße Richtung staatlichen Handelns, ohne sich in die klassischen Gewaltenmodelle einzureihen, und trifft keine Aussage über die territoriale Reichweite der damit einhergehenden grundrechtlichen Verpflichtungen.98 Die Möglichkeit transnationaler und extraterritorialer Handlungen und das Schweigen der Verfassung zu derartigen Sachverhalten

93  Becker, Gebiets- und Personalhoheit des Staates, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 193 (207). Vielmehr gewährt das Grundgesetz gem. Art. 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 GG sogar die Übertragung von Hoheitsgewalt auf zwischenstaat­ liche Organisationen und erlaubt, Hoheitsrechte außerhalb des Territoriums auszuüben. Vgl. dazu BVerfGE 68, 1, 90 ff. – Atomwaffenstationierung. Siehe ebenfalls für den Einsatz der Bundeswehr im Ausland BVerfGE 90, 286, 349 – AWACS/Somalia. Christian Calliess und Timm Beichelt sprechen sogar mittlerweile von einer „europäisierte[n] Innenpolitik“ in Bezug auf Art. 23 GG. Siehe dafür dies., Die Europäisierung des Parlaments, 2015, S. 24. 94  So auch Menzel, Internationales Öffentliches Recht, 2011, S. 432. 95  Als erster beschreibt Albert Haenel die auswärtige Gewalt daher als „deskriptive[n] Sammelbegriff, der alle nach außen gerichteten Handlungen deutscher Staatsorgane“ – also im weiteren Sinne alle Maßnahmen der Außenpolitik einschließlich der Verteidigungspolitik – „erfassen solle“. Ders., Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt, Bd. 1, 1892, Kap. V. Sie wird – anders als es noch John Locke vertreten hat (ders., Two Treatises of Government, 1689 (reprinted 1772), § 90) – nicht als eigenständige Gewalt begriffen, sondern im Sinne Charles-Louis de Montesquieu (ders., De l’esprit des lois, 1748, Zweiter Teil) überwiegend der Exekutive zugeordnet, um auf wechselnde außenpolitische Lagen schnell und verlässlich reagieren zu können. Siehe zu den Bereichen der auswärtigen Gewalt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung: BVerfGE 55, 349, 365 ff. – Rudolf Hess; 68, 1, 85 ff. – Atomwaffenstationierung; 93, 248, 256 – Sudanesen. 96  Nettesheim, Art. 32 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 9. Dieser macht jedoch deutlich, dass die Art. 23 f., 32 oder auch Art. 59 GG staatliche Handlung außerhalb des Hoheitsgebietes voraussetzen. 97  Insbesondere adressiert es die Pflege und Tätigkeiten der auswärtigen Angelegenheiten Deutschlands. Siehe Nettesheim, Art. 32 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 8; Giegerich, Verfassungsgerichtliche Kontrolle der auswärtigen Gewalt im europäisch-atlantischen Verfassungsstaat, in: ZaörV 1997, Vol. 27, S. 409 (415); Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, in: VVDStRL 1954, Vol. 12, S. 179 (194); Tietje, Internationales Verwaltungshandeln, 2001, S. 102, 182 ff. 98  Vgl. dafür Kunig, Auswärtige Gewalt, in: JURA 1993, S. 554 (554).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

führten zu sehr unterschiedlichen Auffassungen der territorialen Bindungsreichweite des Art. 1 Abs. 3 GG in der Wissenschaft. aa) Die Theorie zur territorialen Beschränkung des Grundgesetzes auf das Bundesgebiet Neben dem Souveränitätsprinzip werden überwiegend prozessuale99 und faktische100 Konsequenzen benannt, die gegen eine transnationale oder gar extraterritoriale Ausstrahlung der deutschen Grundrechte über die eigenen Staatsgrenzen hinaus sprechen würden.101 Grenzüberschreitende Probleme müssten auf internationaler oder supranationaler Ebene gelöst werden, da nationales Recht nicht außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes anwendbar sein könne, ohne dass dies zu einer Verletzung der Souveränität des Staates führe, in dem dieses Recht Anwendung fände.102 Der Grundgedanke hierfür ist, dass Staaten nur auf ihrem eigenen Gebiet berechtigt und verpflichtet sind, ihre menschen- und grundrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.103 Weiterhin würde eine expansive Ausdehnung der räumlichen Geltungsreichweite der Grundrechte für eine Vielzahl von unvorhersehbaren und unbestimmten Fällen anwendbar sein und beispielsweise auch nach Art. 2 Abs. 1 GG jeder Ausländerin und jedem Ausländer ein Recht auf Einreise zustehen, was nicht die Intention der Verfassungsgesetzgeber gewesen sein

99  Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, S. 118; Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte, in: Kroneck, FS Grewe, 1981, S. 521 (524 f.); v. Olshausen, Grundrechte und Anwendung ausländischen Rechts, in: DVBl. 1974, Vol. 89, S. 652 (652 ff.). 100  Bzgl. Art. 10 Abs. 1 GG meint Christoph Gusy, dass dieser „standortgebunden“ sei: ders., Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, S. 982. 101  Siehe auch Hofmann, Grundrechte und Grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994, S.  12 f.; Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit, 2007, S. 119; Doehring, Staatsrecht, 3. Aufl. 1984, S. 209; Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (41). 102  Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte, in: Kroneck, FS Grewe, 1981, S. 521 (524 f.); v. Olshausen, Grundrechte und Anwendung ausländischen Rechts, in: DVBl. 1974, Vol. 89, S. 652 (652 ff.). 103  Ansatzweise so auch Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, in: ZRP 2012, Vol. 45, S. 116 (117), der zwar die Schutzpflichtendimension einer erweiterten Reichweite unterordnet, aber die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte deshalb nicht verletzt sehe, weil diese durch verschiedene Pflichtenkollisionen i. d. R. nicht betroffen seien. Ferner Walter/ von Ungern-Sternberg, Piratenbekämpfung vor Somalia, in: DÖV 2012, S. 861 (864 f.).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz105

könne.104 Die Grundrechte seien nur akzessorisch zum Völkerrecht und nach Art. 1 Abs. 3 GG werde die Bindungswirkung nur bei nach innen gerichteter Staatsgewalt ausgelöst.105 Sie folgen der Staatsgewalt mithin nicht über die staatlichen Grenzen hinweg, da bei internationalen Zuständigkeitsüberschreitungen das Völkerrecht alleinige Anwendung finde.106 Diese Ansicht einer Einschränkung der Grundrechtsgeltung werde auch dadurch unterstützt, dass der Art. 23 GG a. F. „zunächst in den alten Bundesländern gelten sollte“ und somit schon damals auf das „Hoheitsgebiet“ der alten Bundesrepublik beschränkt gewesen sei.107 bb) Universalistische Theorien Den Gegenpol zu den rein territorial beschränkenden Auffassungen stellen die universalistischen Theorien dar, die eine unbeschränkte Bindung der Grundrechte im Ausland bei staatlichem Handeln fordern.108 Diese erkennen zwar aus historischen Gesichtspunkten an, dass der Verfassungsstaat mit der Schaffung der Grundrechte seine Bürgerinnen und Bürger ursprünglich nur auf eigenem Gebiet schützen wollte.109 Allerdings wird mittlerweile das strenge Territorialitätsprinzip als „primitive Version“ angesehen, das durch die stetige Internationalisierung und Globalisierung nicht mehr zeitgemäß sei und dessen Versagung einer transnationalen und extraterritorialen Grundrechtsgeltung eine bloße petitio principii darstelle.110 104  Starck, Art.  1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, S. 118. 105  Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände, 1988, S. 107 ff., 129 f. mit Verweis auf die Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek. Siehe auch Roewer, § 3 BVerfSchG, Nachrichtendienstrecht der BRD 1987, S. 183 f., der aber zumindest eine ausdrückliche grundgesetzliche Absicherung forderte. 106  Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände 1988, S. 110, 118, welcher von einer parallelen, aber eigenständigen Geltung der Menschenrechte ausgeht. 107  Siehe dazu auch näher die Ausführungen bei Becker, welcher allerdings eine gänzlich andere Auffassung hierzu vertritt: Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (519). 108  Yousif, Extraterritoriale Geltung der Grundrechte, 2007, S. 100. Siehe zum Konzept universalistischer Menschenrechte allgemein Paulus, Die Internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2000, S. 253 ff. Später zumindest von einer Geltung der Menschenrechte bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr ausgehend: Paulus, Parlament und Streitkräfteeinsatz, 2006, S. 356 f. 109  Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (517); Stern, Die Idee der Menschenund Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 1, 2004, § 1. 110  So Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, 1992, S. 205; Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Der Art. 1 Abs. 3 GG knüpfe nicht an territoriale Voraussetzungen, einem Subordinationsverhältnis, Finalität oder einem Reziprozitätsprinzip an.111 Die Norm differenziere weder zwischen Handlungs- noch Erfolgsort und stelle generell keine räumlichen Bedingungen auf.112 Dementsprechend seien Interpretationen des Art. 1 Abs. 3 GG, dass dieser nur die nach „innen gerichtete Staatsgewalt“ meine, nicht vom Wortlaut gedeckt. Vielmehr komme es allein auf einen Geltungs- und Wirkungsbereich an (sog. Wirkungsprinzip), nach welchen Grundrechte einschlägig seien, sofern eine Person von Auswirkungen deutscher Staatsgewalt bzw. deutschem staatlichen Handeln betroffen ist.113 Beschränkungen oder Modifikationen – mithin das „Wie“ der Grundrechtsanwendung – sind allerdings keine Fragen der Passivlegitimation bzw. der Grundrechtsbindung, sondern haben erst Auswirkungen auf der Ebene der Grundrechtsberechtigung.114 Ebenfalls wird die Anführung des Art. 23 GG a. F. kritisiert. Die historische Auslegung anhand des Art. 23 a. F. GG führe nicht zu der Konsequenz einer generellen Regelung der territorialen Reichweite des Grundgesetzes, sondern sollte die Norm verdeutlichen, dass das Grundgesetz erst im wiedervereinigten Deutschland gelte, wenn die ehemalige DDR der Bundesrepublik beitrete.115 Ebenfalls wurde der Begriff der „Verwaltung“ des Art. 1 Abs. 3 mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (40); Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (518); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Nr. 1/2008, S. 3. 111  Baldus, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 21; Yousif, Extraterritoriale Geltung der Grundrechte, 2007, S. 100; Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1074). Siehe ferner Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2575), welcher einen vollen Bindungsumfang für Art. 10 GG bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ausmacht. 112  BVerfGE 6, 290 – Washingtoner Abkommen; 57, 9 – Einlieferungsersuchen. Siehe auch Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, 2007, S.  78 f.; Yousif, Extraterritoriale Geltung der Grundrechte, 2007, S. 100. 113  Yousif, Extraterritoriale Geltung der Grundrechte, 2007, S. 100, Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1074). Ebenso Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte, 2005, S. 191, welcher eine umfassende Grundrechtsbindung aus Effektivitätsgründen bejaht, allerdings diese alleinig auf positives Tun im Rahmen völkerrechtsfreundlicher Auslegung beschränkt. Siehe ferner Waldhoff, Die innerstaatlichen Grundrechte als Maßstab der Außenpolitik?, in: Isensee, Menschenrechte als Weltmission, 2008, S. 43 (43 ff.). 114  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VerwArch 2015, Vol. 106, S. 437 (438 f.). 115  Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (519); Hofmann, Grundrechte und Grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994, S. 13.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz107

GG a. F. durch die „vollziehende Gewalt“ ersetzt, um deutlich zu machen, dass auch andere staatliche Organe – wie im speziellen Fall der Wehrverfassungsnovelle die Bundeswehr – an Grundrechte gebunden sind, sofern sie Aufgaben im Ausland wahrnehmen.116 Hieraus lässt sich der Wille des Gesetzgebers schließen, dass die Grundrechtsbindung nicht auf ein Territorium zu beschränken sei, sondern institutionell verankert werden sollte.117 Zudem ist es aus universalistischer Perspektive ein Unterschied, ob die nationalen Regelungen einen anderen Staat verpflichten oder ob deren transnationale oder extraterritoriale Geltung nur eine Selbstbindung ohne Auswirkungen auf den anderen Territorialstaat entfaltet, die den betroffenen Personen lediglich einen weiteren Schutzmechanismus vor staatlicher Ausübung bieten sollen. Nach Hans Kelsen könne sich danach eine nationale Rechtsordnung sogar auf jeden beliebigen Ort erstrecken, wenn deren Geltung nicht mit anderen ausländischen Rechtsnormen kollidiere.118 Zudem fallen völkerund unionsrechtliche Bindungen nicht gänzlich mit dem nationalen Recht auseinander, sondern fließen diese in die Verfassung ein und wurden von selbiger adaptiert. Daher führe die internationale Einwirkung auf die nationalen Grundrechte keineswegs dazu, dass sich ein Staat auf internationaler Ebene einfach von seinen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen lösen könne.119 Auch die Schutzrichtungen der Souveränität und der – zumindest in Deutschland verankerten – grundrechtlichen Gewährleistungen sind keineswegs kongruent, weswegen kaum Situationen denkbar wären, in denen die Verletzung der Gebietshoheit automatisch zur Versagung der individualen Schutzinteressen führe.120 Sofern Grundrechte lediglich zur Beschränkung der Staatsgewalt im Ausland herangezogen werden, käme eine Einschränkung der Grundrechtsbindung nicht in Betracht.121 Völkerrecht, Kollisions116  Vgl. Gesetz vom 19.03.1956, BGBl. I, S. 111; Antoni, Art. 1 GG, in: Hömig/ Wolff, Grundgesetz, 11. Aufl. 2016, S. 67; Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 65. 117  Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HdStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (795). 118  Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts, 2. Aufl. 1928, S. 72. 119  Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (42). 120  Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (518); Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland und fremden Rechts in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (451). 121  So für die abwehrrechtliche Dimension und mit Bezügen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland und fremden Rechts in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (451).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

rechte und die methodische Postmoderne müssten daher zwangsläufig zu einem universalistischen Ansatz führen,122 aus welchem die Grundrechte zur Geltung kommen müssten.123 cc) Eingeschränkte Grundrechtsbindung Einen vermittelnden Weg zwischen universalistischen und streng territo­ rialen Ansätzen der Grundrechtsbindung nehmen die Theorien ein, die eine eingeschränktew Bindungswirkung der Grundrechte bei Auslandssachverhalten befürworten. Die einen Vertreter wollen dabei nur bestimmten Grundrechten eine extraterritoriale Bindungswirkung zuerkennen,124 wohingegen andere ein Wirkungskriterium bei der Grundrechtsbindung im Ausland annehmen oder ein Kollisionsrecht bemühen.125 122  Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug 1998, S. 33 (40); Zweigert, Internationales Privatrecht und Öffent­ liches Recht, in: Sörensen u. a., 50 Jahre Institut für Internationales Recht Uni Kiel, 1965, S. 124 (131); Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland, in: DöV 2015, S. 593 (596); Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992, S. 137 ff. Im Ansatz auch Walter/Ungern-Sternberg, Piratenbekämpfung vor Somalia, in: DÖV 2012, S. 861 (864 f.). 123  Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1060 f. 124  U. a. Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 10, welcher eine abgestufte Bindungswirkung je nach Grundrecht annimmt. So wohl auch Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, S. 28 ff., 633 ff.; Je­ staedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 359 ff.; Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande, 2000, S. 334 ff., 363; Hofmann, Art. 1 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, S. 153. 125  U. a. Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 1992, Rn. 79, 86; Hofmann, Grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994, S. 30, 69 ff.; Thym, Zwischen „Krieg“ und „Frieden“, in: DÖV 2010, S. 621 (628 ff.); von Coelln, Mitwirkung des Verfassungsstaates an Rechtsakten anderer Staaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 475 (496 ff.); Enders, Art. 1 GG, in: Friauf/Höfling, Grundgesetz, Bd. 1, 50. EL 2016, Rn. 166 ff.; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FischerLescano/Gasser/Marauhn/Ronzitti, FS Bothe, 2008, S. 1213 (1213 ff.); Höfling Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 88 ff. Des Weiteren wird beim Handeln bestimmter Institutionen vertreten, dass dies zu einer Relativierung des Grundrechtsschutzes im Ausland führe. Dies betrifft aber lediglich die Grundrechtsbindungen im fiskalischen Bereich und Verwaltungsprivatrecht. Es sei nach Matthias Herdegen gerade beim privatrechtlichen Handeln der Verwaltung nicht ersichtlich, „weshalb die Achtung der Grundrechte der wirtschaftlichen Betätigung des Staates unangemessen Fesseln auferlegen soll.“ Vgl. dafür Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 84. EL 2018, Rn. 95 f. Ferner Grupp, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand unter dem Grundgesetz, in: ZHR 1976, Vol. 140,



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz109

Letztere streben an, die vermeintlich indeterminierten Lücken der Bindungswirkung bei Auslandssachverhalten mit einem grundrechtlichen Kollisionsrecht zu füllen. Hierfür stellen sie Kriterien auf, die als konkretere Leitlinien für die Anwendbarkeit des Art. 1 Abs. 3 GG gerade bei Auslandssachverhalten dienen sollen.126 Neben Art. 24 GG müssten alle wesentlichen Bestimmungen zur Internationalisierung des Grundgesetzes in die Bewertung der Bindungsreichweite mit einbezogen werden.127 Die dafür bestehenden Prinzipien der Völkerrechtsfreundlichkeit oder der Offenheit des Grundgesetzes geben aber nur eine Rückbindung des staatlichen Handelns und sind selbst wertneutral, wodurch sie für die Einzelfallbewertung kein eigenständiges Gemeinwohlinteresse darstellen würden.128 Dennoch versteht Gunther Elbing die Grundrechtsbindung weit und erkennt diese auch für das Ausland an. Gleichzeitig will er diese aber beschränken, da derartige Sachverhalte stets anderen Bedingungen und Besonderheiten unterlägen.129 Hierfür seien sowohl eine restriktive Auslegung des jeweiligen Schutzbereiches als auch zusätzliche Schranken-Schranken notwendig.130 Ein stets reduzierter Geltungsanspruch wird hingegen von ihren Befürwortern angenommen, wenn die deutsche Rechtsordnung „keine exklusive Gültigkeit beanspruchen kann“131, was zu einer notwendigen Lockerung der Grundrechtsbindung bei transnationalen und extraterritorialen Sachverhalten führen müsse.132 Bei grenzüberschreitenden Handlungen erfordern die OffenS. 367 (377 f.). Obgleich der BND sich auch privatrechtlichen Formen bei der Ausgestaltung seiner „Spionageverträge“ mit seinen Agenten bedient, ändert dies nichts an dem öffentlich-rechtlichen Schwerpunkt der Tätigkeit und führt nicht zwangsläufig zum Vorliegen eines verwaltungsprivatrechtlichen Problems, weswegen dieser Aspekt vorliegend außer Betracht gelassen wird. Siehe hierfür aber auch BVerwG, Beschluss vom 26.05.2010, Az.: 6 A 5.09, Rn. 5, das hierfür als Begründung auf die Privatisierungsschranke des Art. 33 Abs. 4 GG Bezug nimmt. 126  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992, S. 35, Siehe ferner Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, § 72 V 2. 127  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992, S. 84 ff. Ähnlich Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grundund Menschenrechte, 2005, S. 191, welcher eine umfassende Grundrechtsbindung aus Effektivitätsgründen bejaht, allerdings diese alleinig auf positives Tun im Rahmen völkerrechtsfreundlicher Auslegung beschränkt. 128  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug, 1992, S. 311 f. 129  Ebd., S.  316 f. 130  Ebd., S.  316 f. 131  BVerfGE 31, 58, 76 f. – Spanier-Beschluss; 92, 26, 41 – Zweitregister. 132  So von Coelln, Mitwirkung des Verfassungsstaates an Rechtsakten anderer Staaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 475 (496 ff.). Siehe auch BVerfGE 66, 39, 57 – Nachrüstung; 92, 26, 42, 47 – Zweitregister; 100, 313, 362 – TKÜ I. Ähnlich Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: VVdStRL

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

heit und die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sowie auf völkerrechtlicher Ebene das verankerte Prinzip der Gegenseitigkeit die Achtung fremder Rechtsordnungen, was einen Vorrang oder eine absolute Geltung der Verfassung im Ausland ausschließe.133 Ansonsten wäre die Bundesrepublik nicht in der Lage, internationale Kooperationen auch im Sinne des Art. 24 GG einzugehen. Dennoch erlaubt gerade Art. 24 GG die Ausübung auswärtiger Gewalt im Rahmen völkerrechtskonformer Auslegung. Dafür entfiele jedoch nicht die Bindungswirkung des Art. 1 Abs. 3 GG und sei eine Reduzierung des Grundrechtsschutzes nicht gleichbedeutend damit, dass die deutsche Staatsgewalt Grundrechte im Ausland gänzlich vernachlässigen dürfe.134 Die Bindung müsse allerdings im Einzelfall bewertet werden und sei abhängig von der Intensität des Grundrechtseingriffs sowie den Besonderheiten im Ausland.135 Ein Verstoß wäre allerdings im Wege der Verhältnismäßigkeit anzunehmen, sofern unverzichtbare Grundsätze und elementare Menschenrechte verletzt oder die Grenzen des Ordre public überschritten würden.136 Bertold Huber nennt beispielhaft dafür die grundrechtlichen Verankerungen des Art. 10 GG oder den Kernbereichsschutz als solchen:137 mithin die Grundrechte, die beim auslandsnachrichtendienstlichen Handeln von entscheidender Bedeutung sind.

1997, Vol. 56, S. 7 (14 ff., 19 ff.); Herdegen, Art. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 71 f.; Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (807); Dreier, Art. 1 III GG, in: ders., Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Rn. 44 ff.; Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 76 ff. 133  So von Coelln, Mitwirkung des Verfassungsstaates an Rechtsakten anderer Staaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl., 2013, S. 475 (495) mit Bezugnahme auf BVerfGE 18, 112, 120 f. – Auslieferung I. 134  Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Bd. I, S. 128. 135  Herdegen, Art. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 71. Soweit ein völkerrechtlicher Akt der BRD die innerdeutsche Rechtsordnung gestaltet, sind die handelnden deutschen Akteure an Grundrechte gebunden. So Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Bd. I, S. 128. 136  Siehe von Coelln, Mitwirkung des Verfassungsstaates an Rechtsakten anderer Staaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 475 (497 f.), welcher auf BVerfGE 91, 335 – Punitive Damages für seine Argumentation Bezug nimmt. Siehe auch Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland und fremden Rechts in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (451); Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1061; Kokott, Grundrechte und Menschenrechte als Inhalt eines internationalen ordre public, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 71 (73 ff.). 137  Huber, Die strategische Rasterfahndung des BND, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2574).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz111

Obwohl das Bundesverfassungsgericht in seinem Eurocontrol I-Beschluss entschieden hat, dass das Grundgesetz „nur für die von ihm verfaßte Staatsgewalt, begrenzt auf das ‚Gefüge der deutschen Staatsorganisation‘ “ gelte,138 hatte diese Entscheidung keine Auswirkung auf die Bejahung der Auslandsbindung der deutschen Staatsgewalt. Bereits im sog. Spanier-Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass Auslandssachverhalte an den deutschen Grundrechten gemessen werden können, aber hat klargestellt, dass hierfür nicht die gleichen Kriterien heranzuziehen seien wie bei Inlandssachverhalten.139 Ebenfalls hat es anerkannt, dass eine Bindung deutscher Staatsorgane auch dann bestehe, wenn Staatsangehörige im Ausland diplomatischen Schutz in Anspruch nehmen wollen.140 Hierfür gelten aber abgesenkte Standards bei Leistungsrechten, die der Exekutive einen weiten Ermessensspielraum zubilligen, weil Auslandssachverhalte so gut wie nie vom alleinigen Willen der deutschen Staatsgewalt abhängen. In der Entscheidung zum Schifffahrtsregister hat das Gericht sogar geurteilt, dass Grundrechte auch bei Auslandssachverhalten gegenüber Ausländerinnen und Ausländern beachtet werden müssen.141 In allen der benannten Entscheidungen adressierte das Gericht jedoch vordergründig die Geltung der Grundrechte für einzelne Personen und ging zumeist davon aus, dass die deutsche Staatsgewalt bei ­Auslandssachverhalten gebunden ist. Dies spiegelt sich ebenfalls in der Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung wider, in welcher das Gericht geurteilt hat, dass sich allein aus Art. 1 Abs. 3 GG noch „keine ­ abschließende Festlegung der räumlichen Geltungsreichweite der Grund­ ­ rechte“142 ergebe. Die Reichweite der Grundrechtsgeltung sei dementsprechend aus dem Grundgesetz selbst zu ermitteln, eine Bindung entfiele nicht per se.143 Das Bundesverfassungsgericht zeigt damit auf, dass die Geltung – hier als Aktivlegitimation verstanden – der jeweils betroffenen Grundrechte Modifikationen oder Differenzierungen unterliegen könne, ohne die Bindungswirkung von dieser Frage abhängig zu machen.144 Laut Christoph Gusy 138  BVerfGE

58, 1, 26 – Eurocontrol I. 31, 58, 67 ff. – Spanier-Beschluss. 140  BVerfGE 55, 349, 364 ff. – Rudolf Hess. 141  BVerfGE 92, 26, 38 ff., 49 ff. – Schifffahrtsregister. 142  BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. Zurückhaltend in Bezug auf das ehemalige DDR-Gebiet BVerfGE 1, 332. Ablehnend in Bezug auf das Wahlrecht, dass nur Staatsangehörigen, die sich im Wirkungsbereich des Grundgesetzes befänden, zustehe: BVerfGE 5, 2. 143  Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1061, 1065; Hofmann, Art. 1 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, S. 153. Sich dem grundsätzlich anschließend v. Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, S. 144 f., jedoch hierfür einen erhöhten Zurechnungseffekt fordert, der „direct, forseeable and substantial“ sein müsse. 144  BVerfGE 100, 313, 363 – TKÜ I. 139  BVerfGE

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

bejaht das Gericht das „Ob“ der Rechtsbindung, aber macht Abstriche beim „Wie“.145 Auf Grundlage dieser Rechtsprechung verweisen andere Autorinnen und Autoren aus dogmatischen Gesichtspunkten darauf, dass die Auslandsgeltung von Grundrechten sich nicht allein aus Art. 1 Abs. 3 GG ergebe.146 Dieser beinhaltet weder ausschließlich personale noch territoriale Anknüpfungspunkte und muss daher im Wege der Voraussetzungen von kompetenzmäßigen und völkerrechtskonformen Verhalten des handelnden Staates bzw. seiner Behörde für die Grundrechtsbindung ausgelegt werden. Aus Art. 1 Abs. 3 GG ließe sich nur herleiten, dass es ein Wirkungskriterium deutscher Staatsgewalt bedürfe, welches in die Grundrechte einer Person eingreife.147 An dieses Wirkungskriterium knüpften auch die Teile der Literatur an, die eine territorial umfassende Grundrechtsbindung bejahen, sofern staatliche Gewalt sich im In- oder Ausland auswirkt.148 Dieses Wirkungskriterium stößt aber vereinzelt auf Widerstand,149 da es zu „unterkomplex“ sei und Grundrechte eben erst Wirkung entfalten könnten, wenn sie anwendbar seien – und eben nicht andersherum.150 Daher verlangen einige eine Handlung aus einem Subordinationsverhältnis heraus als Anwendungsvoraussetzung.151 Es wird – wie schon bei den universalistischen The145  So

BVerfGE 125, 260, 355 f. – Vorratsdatenspeicherung. Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1065. 147  So auch Huber, Art. 19 Abs. 4 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., S. 1813. Hierfür werden neben den bereits aufgeführten Entscheidungen auch BVerfGE 6, 290, 295 – Washingtoner Abkommen; 57, 9, 23 – Einlieferungsersuchen bemüht. 148  Röben, Außenverfassungsrecht, 2007, S. 423 ff. Ebenso Baldus, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 18; sowie ders., Recht der gesamten Telekommunikation, 1999, S. 133 ff., nach welchem sich das konkrete Handeln auch als solches ausgeübt von deutscher Staatsgewalt äußere. Ähnlich Ruthig, Verfassungsrechtliche Grenzen der transnationalen Übermittlung personenbezogener Daten, in: Wolter, FS Hilger, 2003, S. 183 (187). 149  BVerfGE 6, 290, 295 – Washingtoner Abkommen; 57, 9, 23 – Einlieferungsersuchen. 150  So Höfling Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 88 ff.; Enders, Art. 1 GG, in: Friauf/Höfling, Grundgesetz, Bd. 1, 50. EL 2016, Rn. 166 ff.; Thym, Zwischen „Krieg“ und „Frieden“, in: DÖV 2010, S. 621 (628 ff.); Walter/von Ungern-Sternberg, Piratenbekämpfung vor Somalia, in: DÖV 2012, S. 861 (864 f.); Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: Fischer-Lescano/Gasser/Marauhn/ Ronzitti, FS Bothe, 2008, S. 1213 (1213 ff.). 151  Höfling Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 88 ff.; Enders, Art. 1 GG, in: Friauf/Höfling, Grundgesetz, Bd. 1, 50. EL 2016, Rn. 166 ff.; Thym, Zwischen „Krieg“ und „Frieden“, in: DÖV 2010, S. 621 (628 ff.). So aber auch Isen146  Badura,



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz113

orien – zumindest ein Anknüpfungspunkt in Form eines „Handelns deutscher Staatsgewalt“ oder eine Art „Genuine link“ gefordert.152 Andere wiederum machen die Bindungsreichweite von den jeweiligen Grundrechten abhängig.153 Bezogen auf die Telekommunikationsfreiheit entfaltet die Bindungswirkung aber zumindest bei den einschränkenden Theorien nicht nur innerhalb des deutschen Staatsgebietes Wirkung.154 In Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 GG sei Art. 10 Abs. 1 GG vom Wortlaut und der Systematik territorial unbeschränkt, da dieser nicht differenziere, wo deutsche Staatsgewalt in die Telekommunikationsfreiheit eingreife oder die Wirkung dieses Eingriffs eintreten müsse.155 Eine Differenzierung – die von einigen see, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 1992, Rn. 78 ff. 152  Baldus, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 21; Baldus, Transnationales Polizeirecht, 2001, S. 150, der zumindest bei der Überwachung ausländischer Kommunikationsvorgänge einen „Gebietskontakt“ fordert, welcher aber vorläge, wenn deutsche Behörden ihre Überwachungsanlagen im Inland haben. Ob dies auch der Fall wäre, wenn die Abhöreinrichtungen im Ausland wären, bleibt bei ihm offen. Sich dem prinzipiell anschließend Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1066 f. Anders hingegen Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2572 ff.), der gerade im Bereich der Verarbeitung und Weitergabe kein territoriales Problem sehe, da entweder deutsche Behörden handeln oder/und dies auf deutschem Territorium geschieht. Vgl. auch Ruthig, Verfassungsrechtliche Grenzen der transnationalen Übermittlung personenbezogener Daten, in: Wolter, FS Hilger, 2003, S. 183 (187); Herdegen, Art. 1 Abs. 3, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 82. EL 2018, Rn. 71 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, § 72 V 5 a; Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, Nr. 1/2008, S. 3; Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, in: ZRP 2012, Vol. 45, S. 116 (117), in Bezug auf die Bundeswehr. Sich dem anschließend, jedoch das Wirkungskriterium ablehnend Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (518 ff.). 153  Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (151). 154  Baldus, Transnationales Polizeirecht, 2001, S. 150. Siehe ferner Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (150). 155  Huber, § 3 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1355, nach welchem die Aus- und Verwertung sowie Weitergabe im Inland der Informationen aus dem Ausland einer vollen Kontrolle durch Art. 10 GG unterliegt; Baldus, Transnationales Polizeirecht, 2001, S. 150. Aus dem Urteil zur TKÜ-IEntscheidung wird aber gerade eine Verallgemeinerungsfähigkeit gezogen, wonach Art. 10 GG auch für Ausländerinnen und Ausländer im Ausland gelte: Vgl. Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1067, 1073; Möstl, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die strategische Fernmeldeaufklärung und die internationale Vorfeldarbeit im Allgemeinen, in: DVBl. 1999, S. 1394 (1396); Müller-Terpitz, Die „strategische Kontrolle“ des internationalen

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Autoren in diesem Bereich vorgenommen wird156 – nach Deutschen- und den restlichen Grundrechten sei in diesem Fall nicht von Bedeutung, da die benannten Gewährleistungen gerade Ausländerinnen und Ausländern unabhängig davon schützen, ob sich diese im oder außerhalb des Bundesgebietes aufhalten; sich das staatliche Handeln aber auf sie auswirkt.157 Obwohl der BND seine Überwachungen überwiegend geheim praktiziert, wären sämt­ liche Anknüpfungspunkte auch ohnehin gegeben, da das Handeln nach dem BNDG einen erheblichen Inlandsbezug aufweist und die Verarbeitung und die Abhöranlagen sich auf deutschem Hoheitsgebiet befinden und somit einen ausreichenden Anknüpfungspunk darstellten.158 dd) Unions- und menschenrechtlicher Einfluss auf die Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG bei Auslandssachverhalten Die offene Staatlichkeit Deutschlands, die Ideen zu Menschenrechten, aus denen sich die Grundrechte entwickelten, als auch die Integration in die Weltgemeinschaft sind mit Entstehung in das Grundgesetz eingeflossen. Der Verfassung ist neben einer Adaption internationaler Regelungen aber auch eine Beeinflussung der geltenden Bestimmungen nicht fremd, was für die folgende Beurteilung der Reichweite des Art. 1 Abs. 3 GG von entscheidender Bedeutung ist.

Telekommunikationsverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst, in: JURA 2000, S. 302; Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ 2016, Vol. 15, S. 1057 (1059). 156  Teilweise wird für die Grundrechtsbindung gefordert, dass bei einer Auslandsgeltung der Grundrechte zwischen Deutschen- und Jedermann-Grundrechten differenziert werden müsse. Vgl. Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 76 ff.; Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (42); Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften auf Gleichbehandlung im deutschen und US-amerikanischen Recht, 1994, S. 229 ff. Die Bindungswirkung bestehe sogar dann, wenn deutsche Staatsgewalt nur an dem Vollzug ausländischer Hoheitsakte oder der Anwendung ausländischen Rechts mitwirkt. Siehe dafür Jarass, Art. 1 GG, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 52 f. 157  BVerfGE 6, 290, 295 – Washingtoner Abkommen; 57, 9, 23 – Einlieferungsersuchen. Siehe auch Baldus, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 21; Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2574 f.); Hermes, Art. 10 GG, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Rn. 43. 158  Baldus, Transnationales Polizeirecht 2001, S. 150; Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1066 f.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz115

(1) Supranationaler Einfluss auf die Grundrechtsbindungen? Auf unionaler Ebene wird der Schutz der Grundrechte über die EU-Grundrechtecharta gewährleistet, die zum supranationalen Primärrecht gezählt wird und den EU-Bürger- und Menschenrechtsschutz in den Mitgliedstaaten grundsätzlich erweitert. Die Bindungswirkung tritt gem. Art. 51 Abs. 1 S. 1 EU-Grundrechtecharta ein, wenn die Organe der EU oder ihre Mitgliedstaaten Unionsrecht durchführen. Weiterhin schreibt Art. 6 EUV vor, dass sich die Organe der EU bei Auslandshandeln stets an die Unionsgrundrechte sowie menschenrechtliche Standards halten müssen und demnach auch über die EU-Ebene hinaus extraterritorial an diese gebunden sind.159 Weiterhin verpflichten sie sich bei externen Handlungen diese Werte gem. Art. 3 Abs. 5 und Art. 21 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 EUV zu fördern und stets einzuhalten. Lorand Bartels und Samantha Velluti argumentieren sogar, dass die interne Politik der EU, die externe Wirkung haben kann, diese Bindungswirkung auslöse.160 Allerdings ist nach Andrew Williams bei der Einhaltung und dem Schutz der Menschenrechte ein „double standard“ zwischen der internen und externen Politik der EU zu erkennen.161 Dennoch ist bzgl. der extraterritorialen Reichweite der EU-Grundrechtecharta zu konstatieren, dass sich auch Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürger außerhalb der EU auf Unionsgrundrechte berufen können. Dies hat der EuGH im Fall Frente Posario, einer nordafrikanischen Freiheitsbewegung, die für die Unabhängigkeit und Autonomie der Sahrawi in der von Marokko kontrollierten Region der West-Sahara eintritt, zugestanden und verdeutlicht, dass sich die EU auch außerhalb des EU-Territoriums an die Unionsgrundrechte halten müsse, sofern sie hoheitlich handelt.162 Diese generelle Bindung der EU-Organe an die Unionsgrundrechte und der Fakt, dass sich die EU für die Menschenrechte auf internationaler Ebene 159  Vgl. dafür Douma/van der Velde, Protection of Fundamental Rights in Third Countries Through EU External Trade Policy, in: Paulussen/Takács/Lazić/Van Rompuy, Fundamental Rights in International and European Law, 2016, S. 101 (104 f.); Velluti, The Promotion and Integration of Human Rights in EU External Trade Relations, in: Utrecht J. Int. & Eur. L. 2016, Vol. 32, S. 41 (43 ff.). 160  Bartels, The EU’s Human Rights Obligations in Relation to Policies with Ex­ traterritorial Effects, in: Eur. J. Int. L. 2014, Vol. 25, S. 1071 (1074 f.); Velluti, The Promotion and Integration of Human Rights in EU External Trade Relations, in: Utrecht J. Int. & Eur. L. 2016, Vol. 32, S. 41 (46). Ähnlich Borowsky, Art. 51 ­ ­EuGRCH, in: Meyer, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2014, Rn. 16. 161  Williams, EU Human Rights Policies, 2004, S. 110, 192. 162  EuGH, Urteil vom 10.12.2015, Az.: T-512/12, Front Polisario v. Council of the European Union, Rn.  227 f.; Kingreen, Art. 51 EU-GRCharta, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 5; Jarass, Art. 51 GRCh, in: Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Rn. 5 f.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

einsetzen will, geht jedoch nicht simultan mit verpflichtenden Vorgaben für die Mitgliedstaaten einher.163 Obgleich die Mitgliedstaaten gem. Art. 51 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 EU-Grundrechtecharta bei der Durchführung von Unionsrecht an die Unionsgrundrechte gebunden sind, wird kein territorialer Anwendungsbereich – wie beispielsweise in Art. 1 EMRK oder Art. 2 Abs. 1 IPBürg – definiert. Der EuGH, der im EU-Raum keiner territorialen Beschränkung unterliegt, vermeidet sogar bewusst, eine territorial ausgestaltete Bindungsklausel als Standard des unionalen Grundrechtsschutzes für jeden EU-Mitgliedstaat aufzustellen.164 Die Bindungswirkung an EU-Grundrechte tritt aber ausnahmsweise ein, wenn dies den Vorrang des EU-Rechts und dessen einheitliche Anwendung und Auslegung sicherstellen soll; mithin die Mitgliedstaaten unionsrechtliche Vorgaben vollziehen.165 Ob die Unionsgrundrechte jedoch in solchen Konstellationen extraterritorial jene binden, ist offen, da die meisten außerunionalen Handlungen in Ausführung des Unionsrechts von der EU selbst vorgenommen werden. Hinzutritt, dass durch das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 EUV, der die Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten regelt, bestimmte Regelungsbereiche nicht berührt werden dürfen und nicht abgetretene Hoheitsrechte dann primär sowie allein am Maßstab der eigenen nationalen Grundrechte gemessen werden sollen.166 Zwar werden explizit über Art. 7, 8 EU-Grundrechtecharta der Privatsphärenschutz sowie der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet, die auf sekundärrechtlicher Ebene durch eine umfangreiche Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union ergänzt werden.167 Jedoch gelten jene Regelungen nicht, wenn die EU 163  Burca, The Road Not Taken, in: AJIL 2011, Vol. 105, S. 649 (649 ff.); Velluti, The Promotion and Integration of Human Rights in EU External Trade Relations, in: Utrecht J. Int. & Eur. L. 2016, Vol. 32, S. 41 (46). 164  Siehe dafür Canor, Solange horizontal, in: ZaöRV 2013, Vol. 73, S. 249 (266). 165  Vgl. Art. 6 EUV. Siehe ferner EuGH, Urteil vom 11.07.1985, Az.: 60, 61/84 Cinéthèque v. Fédération des cinémas français, Rn. 26; Urteil vom 30.09.1987, Az.: 12/86, Demirel v. Stadt Schwäbisch Gmünd; Urteil vom 29.05.1997, Az.: C-299/95, Kremzow, Rn. 15; Urteil vom 18.12.1997, Az.: C-309/96, Annibaldi, Rn. 13. 166  Calliess, Art. 5 EUV, in: ders./Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 4  f.; Kingreen, Art. 51 EUGRCh, in: ebd., Rn. 7. 167  Die Datenschutzgrundverordnung (Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG) hat die alte Datenschutzrichtlinie des EU Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr abgelöst, um den Privatsphären- und Datenschutz in der EU weiter zu stärken. Siehe dazu Paal/Pauly, Einleitung zur Datenschutzgrundverordnung, in: Paal/Pauly, DSGVO, 2017, S. 2 ff. Vgl. ebenso die Urteile des EUGH, der sich dieser Schutzrichtung anschloss: Urteil vom 07.05.2009, Az.: C-553/07, Rijkeboer; Urteil vom 08.04.2014, Az.: C-293/12 und



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz117

hierfür keine Zuständigkeit hat.168 Dies gilt jedoch für das komplette nationale Sicherheitsrecht – gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung169 – gem. Art. 4 Abs. 2 S. 2, 3 EUV, welches in den alleinigen Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten fällt.170 Ungeachtet dessen, ob auch mittelbare Anknüpfungspunkte über sekundäres EU-Recht für die Anwendbarkeit der ­EU-Grundrechtecharta ausreichen,171 wäre deshalb ebenso die neugefasste EU-Datenschutzgrundverordnung in ihrer unmittelbaren Geltung für die Bereiche der nationalen Sicherheitspolitik ausgenommen.172 Eine mögliche Modifizierung des Grundrechtsschutzes durch das EU-Recht ist somit für den spezifischen Nachrichtendienstbereich nicht ersichtlich, solange dieser nicht „die Verwirklichung der Ziele der Verträge der Union“ gefährdet oder gänzlich rechtsmissbräuchlich zum Unionsrecht ausgestaltet wird.173 C-594/12, Digital Rights Ireland; Urteil vom 13.05.2014, Az.: C-131/12, Google Spain; Urteil vom 06.10.2015, Az.: C-362/14, Schrems. 168  Kingreen, Art. 51 EUGRCharta, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 15. 169  Fischer, Der Vertrag von Lissabon, 2. Aufl. 2010, S. 136. 170  Ebenso Puttler, Art. 4 EUV, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 21; Krieger, The German Bundesnachrichtendienst, in: Johnson, Handbook of National Security Intelligence, 2010, S. 790 (804). 171  So jedenfalls EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Az.: C-617/10, Åkerberg Fransson. Sich dem anschließend; Franzius, Grundrechtsschutz in Europa, in: ZaöRV 2015, S.  389 ff.; Jarass, Art. 51 EUGRCh, in: Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Rn. 23; Kühling, Grundrechte, in: v. Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 682 f.; Ohler, Grundrechtliche Bindungen der Mitgliedstaaten nach Art. 51 GRCh, in: NVwZ 2013, Vol. 32, S. 1433 (1436 f.); Sarmiento, Who’s afraid of the Charter?, in: CMLR 2013, Vol. 50, S. 1267 (1277 f.); a. A. BVerfGE 133, 277 – ATDG; Calliess, Europäische Gesetzgebung und nationale Grundrechte – Divergenzen in der aktuellen Rechtsprechung von EuGH und BVerfG?, in: JZ 2009, S. 113 (120 f.); Huber, Auslegung und Anwendung der Charta der Grundrechte, in: NJW 2011, Vol. 64, S. 2385 (2387); Schorkopf, Grundrechtsverpflichtete, in: Grabenwarter, Enzyklopädie Europarecht, Europäischer Grundrechtsschutz, Bd. 2, 1. Aufl. 2014, Rn. 26 f.; Knaust, Antiterrordatei, in: ZJS 2016, Vol. 2, S.  219 (222 ff.). 172  Paal, Art. 23 DSGVO, in: ders./Pauly, DSGVO, S. 271. Die EU-Richtlinie für die Datenverarbeitung von Sicherheitsstellen gilt jedoch nur für die Polizei: Richtlinie des EU Parlaments, RL 2016/680. 173  Auch offengelassen in BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 112 – BNDG. Siehe auch Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 EUV. Vgl. ferner Siehe Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 EUV. Vgl. auch Puttler, Art. 4 EUV, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 101; Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (483 ff.). Vereinzelt wird aber mittlerweile versucht, zumindest eine Schutzpflichtendimension bei ausländischem Handeln aus den EU-Grundrechten herzuleiten. Vgl. dafür Hoffmann-Riem, Freiheitsschutz in den globalen Kommunikationsinfrastrukturen, in: JZ 2014, Vol. 69, S. 53 (56 ff.); Marauhn, Sicherung grund- und menschenrechtlicher

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

(2) R  egionaler und universeller Einfluss der Menschenrechte auf die Grundrechtsbindungen der deutschen Staatsgewalt Neben den Unionsgrundrechten ist Deutschland ebenso Teil eines weitmaschigen Menschenrechtsgeflechts völkerrechtlicher Verträge. Im Rahmen dessen ratifizierte Deutschland neben zahlreichen weiteren menschenrecht­ lichen Verträgen die Europäische Menschenrechtskonvention sowie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.174 Beide völkerrechtliche Verträge haben in Deutschland – anders als das supranationale EU-Recht – über Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG allerdings den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.175 Verfassungsrechtlicher Gehalt, der zu einer Modifikation des Art. 1 Abs. 3 GG führen könnte, kommt ihnen somit per se nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht stellt jedoch klar, dass wegen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes unter Verweis auf Art. 25 GG und dem Schutz der „unverletzlichen und unveräußerlichen“ (internationalen) Menschenrechte über Art. 1 Abs. 2 GG sowie deren Auslegung durch die zuständigen Stellen sie für die Interpretation der Grundrechte als Auslegungshilfe von Bedeutung sind.176 Standards gegenüber neuen Gefährdungen durch private und ausländische Akteure, in: VVdStRL 2015, Vol. 74, S. 373 (384 ff., 390 ff.); Schmahl, Effektiver Rechtsschutz gegen Überwachungsmaßnahmen ausländischer Geheimdienste?, in: JZ 2014, Vol. 69, S.  226 (226 ff.); Szczekalla, Sicherung grund- und menschenrechtlicher Standards gegenüber neuen Gefährdungen durch private und ausländische Akteure, in: DVBl 2014, Vol. 129, S. 1108 (1110 ff). Diese Ausnahme steht nicht im Widerspruch zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU und ihren Mitgliedstaaten, obwohl im Rahmen der GASP eine umfassende Bindung an Unionsgrundrechte vorgegeben ist. Siehe dazu Schorkopf, Grundrechtsverpflichtete, in: Grabenwarter, Euro­ päischer Grundrechtsschutz, Bd. 2, 2014, S. 135 (142); Kingreen, Art. 51 EUGRCh, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 5. 174  International Covenant on Civil and Political Rights 1966, 999 UNTS 171, BGBl. 1992, Vol. II, S. 1246; Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms 1950, 213 UNTS 221, BGBl. 1952, Vol. II, S. 685. 175  BVerfGE 74, 358, 370 – Unschuldsvermutung; 111, 307, 317 – Görgülü; Pieper, Art. 59 GG, in: Epping/Hillgruber, 39. Ed. 2018, Rn. 27; a. A. dass gerade die EMRK einen „Übergesetzesrang“ für die Regeln habe, die gleichzeitig zu den Regeln des Art. 25 GG zählen: Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, Rn. 11. In Italien und der Türkei hat die EMRK einfachen Gesetzesrang. In Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Frankreich, Portugal, Spanien und in verschiedenen osteuropäischen Staaten hat sie Übergesetzesrang. In der Schweiz ist sie wie auch seit dem Human Rights Act von 1998 in Großbritannien unmittelbar anwendbar. Verfassungsrang genießt sie in Österreich. Weder die EMRK selbst noch der IPBürg sehen Regelung einer Hierarchie zu den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vor. Vgl. dafür auch Vandendriessche, Le droit des étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 20. 176  Vgl. BVerfGE 111, 307, 315 ff. – Görgülü; 120, 180, 200 – Caroline II; 128, 326, 366 ff. – Sicherungsverwahrung II; 134, 1, 16 – Studiengebühren. So auch in



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz119

(a) Einfluss der EMRK und des EGMR auf die Bindungsreichweite des Art. 1 Abs. 3 GG? Eine besondere Bedeutung misst das Bundesverfassungsgericht der konventionskonformen Auslegung der EMRK bei, welche seit der GörgülüRechtsprechung nicht nur eine Berücksichtigungspflicht für nationale Gerichte auslöst,177 sondern seither die EMRK sowie die Entscheidungen des EGMR als Auslegungshilfe für die Grundrechte heranzuziehen sind.178 Letzteres lässt sich auch hinsichtlich der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit beobachten. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung für die Auslandsgeltung von Art. 10 Abs. 1 GG Bezug auf die EMRK genommen, aber eine extraterritoriale Geltung nicht ausdrücklich hierüber hergeleitet.179 Nichtsdestotrotz geht aber Heike Krieger davon aus, dass die Reichweite der Grundrechte und damit der Art. 1 Abs. 3 GG wegen des „Beachtungsgrundsatzes“ in EMRKkonformer Auslegung zu einer territorialen Erweiterung führe.180 In Art. 1 Abs. 3 GG müsse demnach hineingelesen werden, dass es auf die Ausübung von Hoheitsgewalt – auch in Form von Personalgewalt – oder Jurisdiktion ankomme181 und nicht, wo diese ausgeübt werde.182 Der EGMR selbst hat in dieser Argumentationslinie ebenfalls vermehrt darauf hingewiesen, dass die EMRK extraterritorial gilt.183 In einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung hat der EGMR Überwachungsmaßnahmen mit Auslandsbezug an der Bezug zu den Nachrichtendiensten Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 45. 177  Eine Abweichung von den Verpflichtungen aus diesem regionalen Menschenrechtssystem erfordert damit stets eine Begründung. Siehe ausführlich dazu Knaust, Doppelt besteuert, in: Paulus, Staatsrecht III, 2. Aufl. 2021, S. 77 (77 ff.). 178  BVerfGE 111, 307, 324, 327 – Görgülü. 179  BVerfGE 100, 313, 363 – TKÜ I. 180  Krieger, Die Verantwortlichkeit Deutschlands nach der EMRK für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz, in: ZaöRV 2002, Vol. 62, S. 669 (672). Dies strikt ablehnend: Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslands­ bezug, 1992, S. 314. Ähnlich zu letzterem Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland und fremden Rechts in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl., 2013, S. 429 (450 f.). 181  So bspw. EGMR, Al-Skeini and Others v. UK, Appl. No. 55721/07, Rn. 138 ff. So aber auch HRC, General Comment No. 31, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13, Rn. 3, 10. 182  Vgl. zur gängigen Unterscheidung auf internationaler Ebene die Konzepte „jurisdiction to prescribe“ und „jurisdiction to enforce“. Vgl. dazu v. Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, S. 144 f.; Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (518 f.). 183  Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms 1950, 213 UNTS 221. 

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

EMRK gemessen, wobei unter den Beschwerdeführern auch Ausländer waren, die sich nicht in einem Mitgliedstaat aufhielten oder dort wohnten.184 Die EMRK deklariert damit einen universellen Schutzanspruch eines Kernbestandes elementarer Rechte, der durch die räumliche Ausdehnung staatlicher Gewalt über die eigenen Grenzen hinaus eine territoriale Erweiterung erfuhr. Die Geltungs- und Bindungswirkung der EMRK steht jedoch nach Art. 1 EMRK unter der Prämisse der Ausübung von Hoheitsgewalt oder Jurisdiktion.185 Dafür muss im Einzelfall bewertet werden, ob tatsächlich „physische Macht und effektive Kontrolle“ über Personen oder ein Territorium durch staatliche Funktionäre im Ausland ausgeübt wurde, wobei sie dort nur ausnahmsweise gilt.186 Aber gerade der EGMR hat in den Fällen der grenzüberschreitenden und extraterritorialen Kommunikationsüberwachung nicht explizit dargelegt, wieso die EMRK – insbesondere Art. 8 EMRK – territorial anwendbar ist, obwohl das Gericht sich mit Überwachungsmaßnahmen außerhalb des Territoriums beschäftigen musste. Im Fall Big Brother Watch and Others v. UK hat der Gerichtshof lediglich festgestellt, dass die Britische Regierung die Anwendbarkeit des Art. 1 EMRK zumindest nicht bestritten habe, was dem Gericht für eine Prüfung des Art. 8 EMRK ausreichte.187 Zur Vorgängerregelung in Großbritannien, die im Fall Liberty v. UK ebenfalls die grenzüberschreitende Auslandsüberwachung beurteilte, stellte es lediglich fest, dass es keine Gründe gäbe, die einer Prüfung von Art. 8, 13 EMRK widersprächen, ohne Art. 1 EMRK überhaupt zu benennen.188 Ähnlich agierte der EGMR im Fall Centrum För Rättvisa v. Sweden, in welchem es lediglich die Frage der Anwendbarkeit des Art. 8 EMRK für juristische Personen erörterte, jedoch von der territorialen Anwendbarkeit der EMRK bei grenzüberschreitender Kommunikationsüberwachung ausging.189 Daher zeigt die Rechtsprechung des EGMR keine klare Handhabung darüber auf, wann Art. 1 EMRK im Kontext der digitalen Überwachung Anwendung findet, aber geht zumindest 184  EGMR, Big Brother Watch and Others v. United Kingdom, Appl. No. 58170/13 u. a., Rn. 271. Ebenso in EGMR, Centrum för Rättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08. 185  Im englischen Wortlaut wird vermehrt auf die Begriffspaare „jurisdiction and effective control“ verwiesen. 186  EGMR, Al-Skeini v. United Kingdom, App. No. 55721/07, Rn. 136 f. Siehe zum „authority & control test“ auch: HRC, X & Y v. Switzerland, App. No. 7289/75 und 7349/76, § 2; Cyprus v. Turkey, App. No. 6780/74 und 6950/75, S. 116, § 8: „actual authority and responsibility“. Ähnlich bereits HRC, López Burgos v. Uruguay, 52/79, UN Doc. Supp. No. 40 (A/36/40). 187  Siehe EGMR, Big Brother Watch and Others v. UK, App. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 271. 188  EGMR, Liberty and Others v. UK, Appl. No. 58243/00, Rn. 55, 72. 189  EGMR, Centrum För Rättvisa v. Sweden, App. No. 35252/08, Rn. 83 ff.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz121

bei der grenzüberschreitenden und auslandsnachrichtendienstlichen Kommunikationsüberwachung von der Geltung der EMRK aus. (b) U  niverselle Menschenrechtsinstitute und deren Einfluss auf Art. 1 Abs. 3 GG Den menschenrechtlichen Verpflichtungen, die sich aus anderen internationalen Verträgen ergeben, dienen über Art. 1 Abs. 2 GG zwar generell als Auslegungshilfe für grundrechtliche Wertungen. Allerdings sind die Meinungen von Organen der UN für die nationalen deutschen Gerichte unverbindlich.190 Dies gilt insbesondere für das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Stellungnahmen und Entscheidungen von UN-Menschenrechtsinstituten und deren Vertreterinnen und Vertreter.191 Nichtsdestotrotz versucht das Bundesverfassungsgericht im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung, einen einheitlichen nationalen und völkervertragsrechtlichen Rechtszustand herzustellen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht zur Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG ebenso wie bei der EMKR noch keinen Rekurs auf die anderen Menschenrechtsverträge genommen. Aber auch die wichtigsten Menschenrechtsverträge auf internationaler Ebene wie der Zivil- und Sozialpakt, die Amerikanische Menschenrechtskonvention192 oder die Afrikanische Menschenrechtskonvention193 deklarieren alle einen universellen Schutzanspruch eines Kernbestandes elementarer Rechte, der nicht ausschließlich auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt ist.194 Diese Menschenrechte knüpfen nicht an ein starres Territorialkriterium an, um einen umfassenden Schutz zu gewährleisten.195 Selbiges weites Verständnis zeigt sich im internationalen Besatzungs190  So auch BVerfGE 142, 313, 346 f. – Zwangsbehandlung; BVerfG, Urteil vom 24.07.2018, 2 BvR 309/15 und 2 BvR 502/16, Rn. 90 – Fixierung. Sie dürfen zumindest nicht willkürlich von Entscheidungen auf UN-Ebene abweichen. So Herdegen, Art. 1 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 82. EL 2018, Rn. 44. 191  So BVerfGE 142, 313, 346  f. – Zwangsbehandlung; BVerfG, Urteil vom 24.07.2018, 2 BvR 309/15 & 2 BvR 502/16, Rn. 90 – Fixierung. Ebenso Herdegen, Art. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 82. EL 2018, Rn. 44. 192  American Declaration on the Rights and Duties of Man 1948, OAS Res. XXX, abgedruckt in: OAS/Ser.L/V/I.4 Rev. 9 (2003). 193  African (Banjul) Charter on Human and Peoples’ Rights 1981, 1520 UNTS 217, 245. 194  Selbige Auffassung vertreten trotz einzelner Differenzen auch Immanuel Kant und John Rawls: So Lowe, Zum ewigen Frieden: Die Theorie des Völkerrechts bei Kant und Rawls, 2015, S. 161 ff., 167 ff. 195  Vgl. auch den Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 IPBürg: „Each State Party to the present Covenant undertakes to respect and to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

recht196 sowie Umweltrecht,197 bei denen transnationale oder extraterritoriale Handlungen vorausgesetzt werden, allerdings simultan die Anwendbarkeit der Menschenrechte auslösen.198 […]“ und Art. 1 EMRK „The High Contracting Parties shall secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in Section I of this Convention.“ 196  EGMR, Al-Skeini v. United Kingdom, App. No. 55721/07; Hassan v. United Kingdom, App. No. 29750/09; IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opinion), I.C.J. Rep. 2004, S. 136; Military and Paramilitary Activities (Nicaragua v. United States), I.C.J. Rep. 1986, S. 14. 197  IGH, Corfu Channel (United Kingdom v. Albania), I.C.J. Rep. 1949, S. 22; Gabcikovo-Nagymaros Project (Hungary v. Slovakia), I.C.J. Rep. 1997, S. 7; Pulp Mills on the River Uruguay (Argentina v. Uruguay), I.C.J. Rep. 2010, S. 14; Reports on International Arbitral Awards, Trail Smelter case (United States v. Canada), 16.04.1938 & 11.03.1941, Vol. III, S. 1905 ff. Ferner zur „No harm rule“: Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, S. 87. 198  IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opinion), I.C.J. Rep. 2004, S. 136, Rn. 106; Avena and other Mexican Nationals (Mexico v. United States), I.C.J. Rep. 2004, S. 12, Rn. 88 ff.; Military and Paramilitary Activities (Nicaragua v. United States), I.C.J. Rep. 1986, S. 14; EGMR, Banković v. Belgium, App. No. 52207/99, Rn. 59; Al-Skeini v. United Kingdom, App. No. 55721/07, Rn. 101 f.; Al-Jedda v. United Kingdom, App. No. 27021/08, Rn. 64 ff.; Loizidou v. Turkey, App. No. 15318/89, Rn. 52 ff.; Issa v. Turkey, App. No. 31821/96, RN. 68; UN Human Rights Committee (HRC), Consideration of Reports Submitted by States Parties Under Article 40 of the Covenant, Concluding Observations of the Human Rights Comm.: Belgium, 1 14, U.N. Doc. CCPR/C/79/Add.99 (Nov. 19, 1998); Consideration of Reports Submitted by States Parties Under Article 40 of the Covenant, Comments of the Human Rights Comm.: Iran (Islamic Republic of), 1 9, U.N. Doc. CCPR/C/79/Add.25 (Aug. 3, 1993); Views of the Human Rights Comm. Under Article 5, Paragraph 4, of the Optional Protocol to the Int’l Covenant on Civil and Political Rights, 6.1, U.N. Doc. CCPR/C/18/D/77/1980 (Mar. 31, 1983); Consideration of Reports Submitted by States Parties Under Article 40 of the Covenant, Concluding Observations of the Human Rights Comm.: United States of America, 10, U.N. Doc. CCPR/C/USA/CO/3 (Sept. 15, 2006). Zuletzt in Bezug auf das Recht auf Leben bestätigt: HRC, General comment No. 36 (2018) on article 6 of the International Covenant on Civil and Political Rights, on the right to life, UN Doc. CCPR/C/GC/36 vom 30.10.2018, Rn. 22, 30. Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights, The Right to Privacy in the Digital Age, UN Doc. A/HRC/27/37, S. 33; HRC, General Comment No. 31: Nature of the General Legal Obligation on States Parties to the Covenant, UN Doc. CCPR/C/21/ Rev.1/Add. 13 (2004), Rn. 10; HRC, López Burgos v. Uruguay, 52/79, UN Doc. Supp. No. 40 (A/36/40), Rn. 12.3; HRC, Concluding Observations on Croatia, UN Doc. CCPR/C/79/Add.15 (1992), § 9. Siehe auch Inter-American Commission (IAC), Saldaño v. Argentina, Petition, Inter-Am. C.H.R., Report No. 38/99, OEA/Ser.L./V/ II.102, doc. 6 rev. 17 (1999), S. 17 ff., welcher allerdings in Art. 1 lediglich auf die „jurisdiction“ und nicht auf das Territorium verweist. Die IAC geht jedoch dennoch davon aus, dass Menschenrechte aus der American Declaration of the Rights and Duties of Man auch extraterritorial gelten, und folgte der Rechtsprechung des EGMR.



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Noch deutlicher formuliert der UN High Commissioner for Human Rights die Geltung der Menschenrechte bei der auslandsnachrichtendienstlichen ­SIGINT-Überwachung. Dieser stellt klar, dass extraterritoriale Überwachungs­ maßnahmen sehr wohl in das völkerrechtlich bestehende „Right to privacy“ eingreifen und die meisten Staaten hierfür keine adäquaten und effektiven Schutzmechanismen geschaffen haben.199 Der High Commissioner bejaht im Zuge dessen eine Geltung des IPBürg auch für Betroffene im Ausland, sofern ein Staat faktisch Gewalt über die digitale Infrastruktur ausgeübt hat oder sofern Überwachungsmaßnahmen innerhalb der Jurisdiktion eines Staates ausgeübt werden,200 was in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes steht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam überdies der UN-Menschenrechtsausschuss, nach welchem die Menschenrechte nicht nur online wie offline gelten, sondern grenzüberschreitende und extraterritoriale Kommunikationsüberwachung zu einer territorialen Erweiterung des Menschenrechtsschutzes führen.201 (c) Zwischenergebnis Zwar weisen Art. 1 Abs. 3 GG einen unterschiedlichen Wortlaut im Verhältnis zu Art. 1 EMRK bzw. zu Art. 2 Abs. 1 IPBürg auf. Sie eint allerdings im digitalen Bereich, dass eine strikt (analoge) territoriale Betrachtung den Grund- oder Menschenrechtsschutz verkürzen würde, was so weder auf na­ tionaler Ebene noch auf internationaler Ebene gewollt ist. Gerade die Rechtsprechung des EGMR verdeutlicht deshalb, dass man die transnationalen und extraterritorialen Überwachungsmechanismen zwar an der EMRK messen IAC, U.S. Military Intervention in Panama, Case 10,573, reprinted in: Inter-Am. Y.B. on Hum. Rts. 1993, Vol. I, S. 476; Coard v. United States, Case 10.951, Inter-Am. C.H.R., Report No. 109/99, OEA/Ser.L./V/ll.106, doc. 3 rev. 37 (1999), Rn. 37 ff.; Decision on Request for Precautionary Measures (Detainees at Guantdnamo Bay, Cuba), Inter-Am. C.H.R., OEA/Ser.L/V/II.117, doc. 5 rev. 1180 (2002–2003). Vgl. auch Tomuschat, Human Rights between Idealism and Realism, 2003, S. 109 f.; Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, 2011, S. 262 ff.; da Costa, Extraterritorial Application of Selected Human Rights Treaties, 2013, S. 301 ff.; Johann, Art. 1 EMRK, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2012, Rn. 20 ff. 199  Generalversammlung, Summary of the Human Rights Council panel discussion on the right to privacy in the digital age, UN Doc. A7HRC/28/39, Rn. 8 f. 200  Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, The Right to Privacy in the Digital Age, UN Doc. A/HRC/27/37, Rn. 34 ff. 201  Generalversammlung, Summary of the Human Rights Council panel discussion on the right to privacy in the digital age, UN Doc. A7HRC/28/39, Rn. 48, 58. Siehe vorher schon die Besorgnis der Generalversammlung dazu Resolution der UN Generalversammlung, UN Doc. A/RES/68/167, S. 2; UN Doc. A/HRC/DE/C/25/117, S. 2.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

möchte, sich jedoch noch zurückhaltend verhält, die genaue territoriale Reichweite festzulegen. Dass die Menschenrechte aus den jeweiligen Verträgen jedoch auch außerhalb des Hoheitsgebietes bei staatlichen digitalen Überwachungsmaßnahmen Anwendung finden, ist hierbei unbestritten. ee) Einschränkung der Bindungswirkung i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG bei transnationalen und extraterritorialen Überwachungen des BND? Wie bei reinen nationalen Sachverhalten hängt die Frage der Bindungswirkung der Grundrechte bei transnationalen oder extraterritorialen Handlungen des BND von der Anwendbarkeit des Art. 1 Abs. 3 GG ab. Dieser verlangt vollziehende Gewalt einer exekutiven Stelle, die zwar grundsätzlich einen Zwangscharakter aufweisen muss, aber sofern dieses Element fehlt, auch bei grundrechtsrelevantem Verhalten exekutiver Stellen gegeben ist. Fraglich ist jedoch, ob die Überwachungen des BND mit Auslandsbezug strengeren Vo­ raussetzungen bzw. erhöhten Anforderungen unterliegen. Zur Bestimmung dessen wird im nachfolgenden zwischen auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten über das Ausland mit Inlandsbezug sowie solchen, die keinen Inlandsbezug aufweisen, differenziert. (1) N  otwendigkeit der Bestimmung eines territorialen Anknüpfungspunktes bei digitaler Überwachung? Die übliche auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit über Agentinnen und Agenten im Ausland, wie sie aus Zeiten des Kalten Krieges mit der Entführung von Adolf Eichmann aus Argentinien durch den israelischen Geheimdienst oder mit der Versenkung des Greenpeace-Schiffes Rainbow Warrior in Neuseeland durch französische Nachrichtendienste bekannt sind, machen es einfach, das Agieren der Dienste im Ausland zu verorten.202 Wird der BND durch Agentinnen und Agenten im Ausland tätig, lässt sich dieses Handeln ebenfalls eindeutig als auswärtige Tätigkeit außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes einordnen.

202  Siehe dazu und für weitere Beispiele Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S. 329 ff. Siehe zur Entführung Adolf Eichmanns vom israelischen Geheimdienst aus Argentinien: Supreme Court of Israel, ILR 36, 1961, S. 277. Ferner Arbitration Tribunal, Rainbow Warriror (New Zealand v. France), ILM 26 1987, S. 1346. Ähnlich in Bezug auf die Bundeswehr Paulus, Parlament und Streitkräfteeinsatz, 2006, S. 357.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz125

Die Globalisierung hat allerdings vor der „Herausbildung eines grenzüberschreitenden Informationsrechts nicht halt gemacht“.203 Problematischer sind daher die Konstellationen der digitalen Spionage in Form der technischen Fernmeldeaufklärung, die zunehmend zur Transzendenz geografischer Grenzen führt.204 Über die Hälfte der auslandsnachrichtendienstlichen Erkenntnisse des BND werden aus der digitalen Telekommunikationsüberwachung gewonnen.205 Das hierfür zumeist als digitale Infrastruktur genutzte Internet ist jedoch nicht immer leicht zu territorialisieren, da es keine Grenzen im herkömmlichen Sinne kennt und keinem Staat explizit zuzuordnen ist.206 Daten sind vielmehr „überall“ und es kann von fast überall auf diese zugegriffen werden, selbst wenn Webseiten durch Geoblocking, staatliche Zugriffsverweigerungen oder andere technische Mittel gesperrt sein sollten.207 Darüber hinaus ist es kaum vorhersehbar, welchen Weg eine Datenübertragung über die digitale Infrastruktur nehmen wird und welche Länder dafür durchquert werden. Eine versandte E-Mail, ein Telefongespräch über WhatsApp oder selbst das einfache Aufrufen einer Website können dazu führen, dass die hierfür verarbeiteten Daten über die global verbundene Internet­ architektur einmal um die ganze Welt geschickt werden, obwohl sich Kom203  So Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1277. 204  So einige Ländervertretungen bei der Panel discussion der UN. Siehe Generalversammlung, Summary of the Human Rights Council panel discussion on the right to privacy in the digital age, UN Doc. A7HRC/28/39, Rn. 47. 205  Vgl. Rede des damaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler anlässlich der 3. Nachrichtendienst-Konferenz am 29.10.2015, Der nachrichtendienstliche Mehrwert – Möglichkeiten und Grenzen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung, S. 5. Dieser spricht von ca. 50 % aller Erkenntnisse, die aus SIGINT stammen. Ähnlich Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1277, welcher aufzeigt, dass das Internet die Überwachungsmöglichkeiten erheblich erhöht habe und neue Schutzlücken offenbare. 206  Greve, Die Welt nach PRISM: Lektionen und ein überfälliger Anfang, in: Beckedahl/Meister, Überwachtes Netz, 2013, S. 26; Schaar, Überwachung total, 2014, S. 201; Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (770). 207  Hierzu nutzen viele Internetaktivistinnen und Internetaktivisten beispielsweise einen VPN-Client oder andere Entschlüsselungsprogramme, um auf Inhalte zugreifen zu können. Darüber hinaus ist es nicht unbedingt notwendig, dass bei gespeicherter Kommunikation immer nur auf die real existierenden Speicherserver, die sich lokalisieren lassen, von staatlichen Behörden zugegriffen wird und diese Daten nur dort erhoben werden können. Selbst gespeicherte Kommunikation kann auf Mobiltelefonen, die die Kommunikation durchführen, zwischengespeichert werden, auf die durch Hardware- oder Softwaremöglichkeiten bspw. in Form von Trojanern zugegriffen werden kann oder beim Aufrufen eines Profils bei sozialen Medien durch die Umgehung von Zugangsvoraussetzungen zugänglich werden. Auch ist die Verwendung von Scheinprofilen bei sozialen Netzwerken zur Informationsgewinnung möglich, die dann gänzlich im Internet und nicht auf einem spezifischen Territorium stattfindet.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

munikationsparteien in ein und demselben Staat aufhalten.208 Das wirft die Frage auf, ob bei der technischen Fernmeldeaufklärung die Bestimmung eines territorialen Anknüpfungspunktes überhaupt sinnvoll ist. Dies wird vereinzelt verneint.209 Da sich Daten – unabhängig von rein nationaler oder grenzüberschreitender Datenkommunikation – kaum im Wege eines territorialen Anknüpfungspunktes im klassischen Sinne lokalisieren lassen, sei bei der Gewinnung von Daten ein Territorialitätskriterium gar nicht erst anwendbar.210 Ebenfalls argumentierte die deutsche Vertretung vor dem EGMR im Fall Weber & Saravia v. Germany, dass die kabellose Überwachung im Ausland die territoriale Souveränität nicht verletzen könne, weil diese nicht auf fremden Territorium stattfände.211 Demgegenüber blenden sowohl der EGMR als auch das Bundesverfassungsgericht das Territorialitätskriterium im digitalen Überwachungskontext nicht vollständig aus und bemühen vielmehr andere Zurechnungskonstella­ tionen. Der EGMR hat in seiner jüngeren Rechtsprechung nicht auf das Territorialitätskriterium verzichtet: Im Fall Big Brother Watch and Others v. UK ging er davon aus, dass die Überwachungsmaßnahmen der technischen Fernmeldeaufklärung im Ausland durch den britischen Nachrichtendienst in die territoriale Jurisdiktion Großbritanniens fielen.212 Auch stellte das Gericht in Centrum För Rättvisa v. Sweden fest, dass die heimliche Kommunikationsüberwachung im digitalen Bereich alle Nutzerinnen und Nutzer beträfe und damit eine Verletzung von Art. 8 EMRK möglich mache, wenn schwedische Behörden handeln.213 208  Siehe hierzu auch La Rue, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, UN Doc. A/HRC/ 23/40, S.  4 ff.; Wolf, Der rechtliche Nebel der deutsch-amerikanischen „NSA-Abhöraffäre“, in: JZ 2013, Vol. 68, S. 1039 (1039). 209  So Daskal, The Un-territoriality of Data, in: Yale L. J. 2015, Vol. 125, S. 326 (396 f.); Chesterman, The Spy Who Came in From the Cold War, in: Mich. J. Int. L. 2006, Vol. 27, S. 1071 (1098). Ebenso Schaar, Überwachung total, 2014, S. 201, der jenes als „Territorialdilemma“ bezeichnet. Siehe ferner auch Luhmann, Der Staat des politischen Systems, in: Beck, Perspektiven der Weltgesellschaft, 1998, S. 345 (347  f.), nach welchem die territoriale Staatsgewalt das unklarste Element der Jellinek’schen Staatsformel sei. 210  Daskal, The Unterritoriality of Data, in: Yale L. J. 2015, Vol. 125, S. 326 (365 ff.), die jedoch selbst keine anderen Lösungsvorschläge aufzeigt. 211  Der EGMR selbst ließ die Frage in diesem Fall in seiner Begründung offen, stellte aber fest, dass zumindest Indizien für eine territoriale Beeinträchtigung von den Beschwerdeführern hätten vorgebracht werden müssen. Vgl. EGMR, Weber & Saravia v. Deutschland, App. No. 54934/00, Rn. 66, 81 ff. 212  EGMR, Big Brother Watch and Others v. UK, App. No. 58170/13, 62322/14, 24960/15, Rn. 271. 213  EGMR Centrum För Rättvisa v. Sweden, App. No. 35252/08, Rn. 94 f.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz127

Das Bundesverfassungsgericht verlangt zumindest bei Art. 10 Abs. 1 GG einen „hinreichende[n] territorialen Bezug“214 und verwies beispielsweise auf den Ort der Überwachungseinrichtungen, die es als ausreichend für eine territoriale Zuordnung ansah.215 Selbiges müsse für Zugriffe auf lokal bestehende digitale Infrastrukturen gelten. Allein der Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt am Main ist nicht nur einer der weltweit größten Internetknotenpunkte, sondern müssen eine Vielzahl von weltweit versendeten Daten diesen zwangsläufig „passieren“, was für den BND natürlich eine Möglichkeit zur Informationsgewinnung darstellt und durch die bestehende Hardware einen territorialen Anknüpfungspunkt bietet.216 Daher wird vermehrt versucht, einen einfachen Gebietskontakt über nationale Zuordnungskriterien ausreichen zu lassen, um einen territorialen Bezug herzustellen.217 Dieser kann als „digitaler territorialer Link“ verstanden werden, sofern der Staat Kontrolle über die nationale Internetinfrastruktur oder über die gewonnenen Daten ausübe.218 Hierfür werden neben den auf dem Hoheitsgebiet verlaufenden Internetknotenpunkten auch die Rechner der betroffenen Personen, der Netzbetreiber, von denen man die Informationen erlangt, oder die stationierten Überwachungseinheiten herangezogen. Es ist daher festzuhalten, dass ein territorialer Anknüpfungspunkt nicht gänzlich ausgeblendet wird, aber geringeren Anforderungen unterliegt, die anhand von Indizien bestimmbar sein müssen. (2) D  ie Grundrechtsbindung des BND bei der transnationalen ­Fernmeldeaufklärung Die Datenverarbeitungsmöglichkeiten sind nach der datenrechtlichen Begriffsbestimmung aus § 46 Nr. 2 BDSG sehr umfassend aufgeschlüsselt. Durch die Einführung der Sammelbezeichnung der Verarbeitung ist der BND somit befugt, Daten zu erheben, zu erfassen, zu organisieren, zu ordnen, zu 214  BVerfGE

100, 313, 362 – TKÜ I. S.  362 ff. 216  Siehe dafür BVerwG, Urteil vom 20.05.2018, Az.: 6 A 3.16. 217  Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (42). 218  Siehe dazu auch UN Generalversammlung, UN Doc. A/RES/68/167, S. 1 („Noting that the rapid pace of technological development enables individuals all over the world to use new information and communication technologies and at the same time enhances the capacity of governments, companies and individuals to undertake surveillance, interception and data collection, which may violate or abuse human rights […]“); HRC, Concluding Observations on the 4th Report of the USA, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/4, S. 22. 215  Ebd.,

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

speichern, anzupassen, zu verändern, auszulesen, abzufragen, zu verwenden, offenzulegen, zu übermitteln, bereitzustellen, abzugleichen, zu verknüpfen, einzuschränken oder zu löschen bzw. anderweitig zu vernichten.219 All diese Maßnahmen geschehen heimlich und weisen damit keinen Zwangscharakter gegenüber den Betroffenen auf, welcher vermehrt für die Bindungswirkung der vollziehenden Gewalt gefordert wird. Allerdings tritt diese Bindung nach Art. 1 Abs. 3 GG – wie aufgezeigt – auch bei Maßnahmen des BND ein, sofern sie eine Grundrechtsrelevanz und Eingriffsintensität aufzeigen.220 Diese sind innerstaatlich zumindest bei heimlichen Eingriffen gegeben, da diese von staatlicher Seite durch Gesetze legitimiert geschehen.221 Ebenfalls bejahte das Bundesverfassungsgericht zumindest bei Tätigkeiten des BND, die einen Auslandsbezug aufweisen, die Grundrechtsbindung auch dann, wenn die „Erfassung und Aufzeichnung mit Hilfe der auf deutschem Boden stationierten Empfangsanlagen des Bundesnachrichtendienstes […] und [damit] ein […] Gebietskontakt hergestellt“ werde.222 Es begründete diese Entscheidung damit, dass die Bindung staatlicher Stellen umfassend zu wahren sei223 und das Gericht lediglich für die Geltung der jeweiligen Grundrechts219  Zum Verhältnis BDSG, BNDG und kritisch zur Gesetzesnovelle aus 2016: Voßhoff, Schriftliche Stellungnahme der Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)660, S. 1 ff. 220  Siehe dazu bereits C.II.1.a)bb). 221  Siehe dazu BVerfGE 133, 277, 322 ff. – ATDG. Ferner Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (475); Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 89; Grzeszick, Art. 20 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 82. EL 2018, Rn. 219. 222  BVerfGE 100, 313, 362 f. – TKÜ I. Ebenso Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S.  64 f.; Huber, Vorbemerkung G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1355. 223  Dies bestätigt auch der überwiegende Teil der Literatur. Siehe Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2575); Papier, Gutachterliche Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 16.05.2014, MAT A SV-2/2, UA Drs. 54, S. 7; Baldus, Transnationales Polizeirecht, 2001, S. 147 ff.; Hoffmann-Riem, Freiheitsschutz in den globalen Kommunikationsinfrastrukturen, in: JZ 2014, Vol. 69, S. 53 (56); Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 719; Menzel, Internationales öffentliches Recht, 2011, S.  560 ff.; Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (40 f.); Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HdStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (795); Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, 2007, S. 78 f.; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, 1994; Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland und fremden Rechts in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (451). Es wird teilweise aber dennoch davon ausgegangen, dass diese



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz129

normen i. S. d. Aktivlegitimation Modifikationen und Differenzierungen für zulässig erachtete.224 Damit unterliegen das „Hacken“ von Daten durch den Zugriff auf Datenströme über physisch existierende Kabel auf deutschem Gebiet sowie das Abhören und die Kontrolle über die Daten von spezifischen Personen generell der deutschen vollumfänglichen Grundrechtsbindung, sofern ein Gebietskontakt festzustellen ist.225 Selbiges – und hier liegt der Gebietskontakt noch klarer – gelte nach dem Bundesverfassungsgericht für die im Anschluss stattfindende Verarbeitung der gewonnenen Daten, die fast ausschließlich im Inland geschieht.226 Bereits im Volkszählungsurteil machte das Gericht deutlich, dass die Verarbeitung gewonnener Daten durch den Staat die Grundrechtsbindung generell auslöse.227 Ebenfalls richtet sich die Weitergabe von diesen Informationen an innerdeutsche Behörden nach dem Grundsatz der „hypothetischen Datenneuerhebung“, da die Weitergabe von erhobenen Daten einen eigenständigen GrundBindungswirkung nicht permanent sei. Vgl. dafür Bernhardt, Bundesverfassungsgericht und völkerrechtliche Verträge, in: Starck/Drath, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz: Festgabe aus Anlaß des 25-jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. II, 1976, S. 154 (154). Ebenfalls gelte der Grundrechtsschutz wegen des Konfusionsargumentes nicht für Organe ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts, sofern sie in ihrer amtlichen Eigenschaft tätig werden: So BVerfGE 313, 100, 364 – TKÜ I. Ebenso Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland, in: DÖV 2015, S. 593 (596). A. A. Bäcker, Der BND baut sich einen rechtsfreien Raum, in: VerfBlog vom 19.01.2015. 224  BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. 225  So auch Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2576) in puncto Art. 10 GG. Siehe auch Sodan/ Ziekow, Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 68, welche die vielfältigen Aufgaben der Exekutive als kaum beschreibbar einordnen und grenzen daher das exekutive Handeln derart ein, sofern es sich weder als legislativ noch judikativ darstelle. Daher sei auch das Überwachen vom BND der Exekutive zuzuordnen. Christian Starck schließt sich dem an und sieht die vollziehende Gewalt auch dann hoheitlich handeln, wenn diese nicht primär Gesetze „vollzieht“. Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Bd. I, S. 124. Siehe auch Fastenrath, Gewaltenteilung, in: JuS 1986, S. 194 (196). So auch für die internationale Rechtslage UN High Commissioner for Human Rights, Summary of the Human Rights Council panel discussion on the right to privacy in the digital age, UN Doc. A7HRC/28/39, Rn. 12. 226  BVerfGE 100, 313, 362 f. – TKÜ I. Ebenso Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S.  64 f.; Kreuter/Möbius, Verfassungsrechtliche Vorgaben für nachrichtendienstliches Handeln im Ausland, in: BWV 2009, Vol. 53, S. 146 (148). 227  BVerfGE 65, 1, 43 f. – Volkszählungsurteil. Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 65.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

rechtseingriff darstelle.228 Handeln demnach staatliche Behörden auf Grundlage eines Gesetzes, zeichnet sich eine Grundrechtsrelevanz ab, welche wiederum die Ausübung von Hoheitsgewalt erfordert.229 Der BND kann jedoch auch von ausländischen Behörden erhobene Daten erfragen und empfangen. Allerdings ist die Erhebung von Daten durch ausländische Nachrichtendienste nicht an den deutschen Grundrechten zu messen, soweit der BND zumindest nicht die Erhebung in Auftrag gegeben oder anderweitig initiiert hat, um die eigene Verpflichtungen zu umgehen.230 Erfolgt die Anfrage nach Daten auf Initiative von deutschen Behörden, stellt sie in diesem Zusammenhang hoheitliches Handeln dar, das an grundrechtlichen Maßstäben zu messen wäre.231 Eine Entgegennahme und Nutzung ohne eine vorherige Anfrage zur Erhebung wäre aber grundsätzlich nur verfassungskonform, wenn die in Rede stehenden Daten unter Beachtung eines menschenrechtlichen Minimalstandards erhoben wurden.232 Jenes gilt erst Recht bei Kooperationsprogrammen, wonach es ausländischen Diensten erlaubt ist, auf deutschem Territorium Informationserhebungen durchzuführen und die Daten dann an deutsche Behörden weiterleitet.233 Diese Tätigkeit ist von der Zustimmung des hoheitlichen Territorialstaats abhängig, welche selbst einen Hoheitsakt darstellt und wiederum aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension nur unter bestimmten Bedingungen zugestanden werden dürfe.234 228  BVerfGE

141, 220, 327 ff. – BKA-Gesetz. auch BVerfGE 133, 277, 317 – ATDG; 141, 220, 263 f. – BKA-Gesetz. Ferner Gusy, § 2 BNDG, Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S.  1279 ff. 230  So Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland, in: DÖV 2015, S. 593 (598). Ähnlich Antoni, Art. 1 GG, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz, 11. Aufl. 2016, S. 67. 231  Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland, in: DÖV 2015, S. 593 (597 ff.) mit Verweisen auf Markus Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 220. Bei einem „Ringtausch“ verneint aber auch Martin Heidebach eine völlige Zurechnung aller Daten zum deutschen Staat, da dies sonst zu einer „uferlosen Zurechnung führe“. Ferner Jarass, Art. 1 GG, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, S. 52 f., der darauf verweist, dass die Grundrechtsbindung auch dann ausgelöst werde, wenn deutsche Stellen lediglich am Vollzug ausländischer Akte mitwirken. 232  BVerfGE 141, 220, 342 – BKA-Gesetz. 233  Siehe von Coelln, Mitwirkung des Verfassungsstaates an Rechtsakten anderer Staaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 475 (495 f.). 234  Siehe auch Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 76.1; Herdegen, Art. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 82. EL 2018, Rn. 83; Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 82. EL 2018, Rn. 226 ff. In der jüngeren Geschichte wurde dies teilweise im Rahmen eines Memorandum of Agreement bei der Zusammenarbeit von BND und NSA vereinbart, jedoch – wie sich später rausstellte – nicht konsequent eingehalten. Vgl. dafür ausführ229  Siehe



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz131

Nahezu identisch findet dies auf die Weitergabe eigens gewonnener Daten an ausländische Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden Anwendung. Zwar sei die öffentliche Gewalt durch die offene Ausgestaltung des Grundgesetzes dazu aufgefordert, die internationale Zusammenarbeit zu pflegen und zwischenstaatliche Beziehungen zu stärken,235 worunter auch der Austausch von sicherheitsrelevanten Daten gehöre.236 Dennoch heißt dies nicht, dass sie im grundrechtsfreien Raum bei der Übermittlung der Daten agieren dürfen. Da bei der Übermittlung der Informationen an die ausländische Staatsgewalt jene bei der weiteren Verarbeitung dieser Daten nur an die eigene Rechtsordnung gebunden ist, spielt es aus einer Schutzpflichtenperspektive eine erhöhte grundrechtliche Relevanz, da das Schutzniveau im ausländischen Staat durchaus variieren kann.237 Mit der Erhebung der Daten folgt demnach eine weiterführende grundrechtliche Verpflichtung des Staates, wie er mit diesen umgehen muss. Dementsprechend dürfen Daten nur unter eng bestimmten Voraussetzungen, welche sich an den spezifischen Grundrechten orientieren, weitergegeben werden.238 Datenübermittlungen sind jedenfalls verboten, wenn zu erwarten ist, dass der Empfängerstaat elementare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt.239 Die öffentliche Gewalt muss daher genau prüfen, ob die gewonnenen Daten im Ausland grundrechtskonform verwendet werden und ob die entgegengenommenen Daten aus dem Ausland unter einem grundrechtlichen Mindeststandard erhoben wurden. Diese Prüfungspflicht beim zwischenstaatlichen Datenaustausch unter grundrechtlichen Erwägungen führt dazu, dass die Grundrechtsbindung ausgelöst werde. Teilweise wird jedoch argumentiert, dass die Informationsbeschaffung aus öffentlich zugänglichen Quellen keinen grundrechtsrelevanten Zugriff darstelle, da sich jeder aus diesen Quellen Informationen beschaffen könne und lich Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 67 f. Siehe zudem für die Ausübung fremder Hoheitsgewalt von Coelln, Mitwirkung des Verfassungsstaates an Rechtsakten anderer Staaten, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 475 (510), der das Schengen Abkommen und das entsprechende Durchführungsgesetz hierfür anführt. 235  Siehe hierzu BVerfGE 63, 343, 370 – Rechtshilfevertrag; 111, 307, 318 f. – Umgangsrecht; 112, 1, 25, 27 – Rückübertragungsanspruch. 236  BVerfGE 141, 220, 341 f. – BKA-Gesetz. 237  Ebd., S. 344. So auch Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland, in: DÖV 2015, S. 593 (597). Das BVerfG geht jedoch nur von einer Zurechnung aus, wenn die deutschen Behörden bestimmenden Einfluss auf die Nutzung der Daten haben oder beide Behörden kollusiv zusammenarbeiten. Vgl. dazu BVerfGE 57, 9, 24 – Einlieferungsersuchen; 109, 13, 29 – Lockspitzel I. 238  Hoheitliche Handlungen können zudem bejaht werden, sofern deutsche Behörden innerstaatlich ausländische Hoheitsakte umsetzen. Vgl. BVerfGE 31, 58, 76 f. – Spanier-Beschluss; BVerfGE 141, 220, 344 ff. – BKA-Gesetz. 239  BVerfGE 108, 129, 136 f. – Sachaufklärung im Auslieferungsverfahren.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

sich darin kein speziell grundrechtsintensives Verhalten manifestiere.240 Grundrechtsrelevantes Handeln sei vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass nur der Staat befugt sei, die speziellen Informationen zu gewinnen. Allerdings stellte das Bundesverfassungsgericht gerade fest, dass auch die Zusammenführung von Informationen – unabhängig von ihrem Erhebungsort – einen eigenen Grundrechtseingriff darstelle.241 Verarbeitet und nutzt eine öffentliche Stelle persönliche Daten, geht das Bundesverfassungsgericht von einer Grundrechtsbindung aus. Dies gelte zumindest dann, wenn die Datenverarbeitung im Inland stattfindet, obgleich die Daten im Ausland gewonnen wurden.242 Dem wird jedoch von Klaus Gärditz entgegengehalten, dass die Personalhoheit, die innerstaatlich über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BND bestehe, bei auslandsnachrichtendienstlichen Handlungen nicht ausreiche, um die von Art. 1 Abs. 3 GG geforderten hoheitlichen Handlungen zu bejahen, wenn die Daten aus Überwachungen außerhalb des Territoriums stammen.243 Vielmehr könne der BND im Ausland keine Hoheitsgewalt ausüben, weil er dazu einerseits vom Territorialstaat befugt werden müsste und andererseits nachrichtendienstliche Tätigkeiten im Ausland zumeist strafrechtlich verfolgt werden. Daher könnten die Agentinnen und Agenten im Ausland allemal als Private in Illegalität agieren, was jedoch wegen dieses rechtswidrigen Charakters nicht unter die Bindungswirkung falle.244 Dass die Daten dennoch von staatlicher Seite genutzt werden, dürfe nach dem Grundsatz male captus bene detentus nicht dazu führen, dass illegales Handeln auf nationaler Ebene legalisiert wird. Daher bliebe es dabei, dass auch die Verwertung der gewonnenen Daten keine Grundrechtsbindung auslöse. In contrario würde dies aber bedeuten, dass deutsche Beamtinnen und Beamte auf deutschem Hoheitsgebiet grundrechtsrelevante Maßnahmen ausführen, die fern ab jeder Kontrolle wären. Nur weil der Staat entgegen rechtlicher Vorgaben handelt, entbindet ihn das nicht davon, hoheitlich zu agieren. Zudem ist es gerade aus einem singulären innerstaatlichen Verfassungsblickwinkel irrelevant, ob Handlungen gegen das Völkerrecht verstoßen.245 Viel240  Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (471 f.). 241  BVerfGE 133, 277, 324 ff. – ATDG. 242  Huber, BND-Gesetzreform, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (162). 243  Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (476). 244  Ebd., S. 476. 245  Selbstredend gilt dies nicht für supranationales Recht und können auch die menschenrechtlichen Verträge wie insbesondere die EMRK, die Rechtsprechung des EGMR sowie das zwingende Völkerrecht die Grundrechte modifizieren. Andere völ-



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mehr kommt es darauf an, dass ein staatliches Organ in grundrechtsrelevanter Weise Verwertungen im Inland durchführe, weshalb es dann auch nach ­Matthias Herdegen irrelevant ist, ob ein Auslandsbezug vorliege.246 Daher ist nicht generell die Bindungswirkung zu verneinen, weil die Informationsgewinnung ohnehin im Ausland geschieht. Vielmehr ist bei der Datenerhebung mit technischen Mitteln der Standort der Erhebungstechnik maßgeblich und nicht derjenige Ort, an dem die Menschen die Daten auslesen.247 Es ist vielmehr das Argument dafür, dass mit der Verarbeitung in Deutschland die Verbindung zum deutschen Staatsgebiet hergestellt wird. Außerdem würde dies außer Acht lassen, dass die einzelnen Verarbeitungsschritte eigene Grundrechtseingriffe darstellen.248 Folglich ist die im Ausland stattfindende Kommunikation erst recht vor hoheitlicher Beeinträchtigung durch deutsche Behörden geschützt, wenn die Auswertung der Daten in Deutschland erfolgt.249 (3) G  rundrechtsbindung bei der extraterritorialen Fernmeldeaufklärung des BND Mit Ausnahme der Erhebungsprozesse finden die weiteren verarbeitenden Tätigkeiten im Inland statt. Und selbst nicht alle Erhebungstätigkeiten des BND geschehen außerhalb zurechenbaren deutschen Territoriums. Reine Auslandsvorgänge, wie in § 7 BNDG angelegt, wären mithin denkbar, sofern sich die Überwachungseinrichtungen auf Hoher See, auf fremdem Territorium befänden oder von dort der Zugriff auf die Kommunikationsinfrastruktur erfolgt.250 Darüber hinaus gibt es auslandsnachrichtendienstliche Stellen kerrechtliche Verstöße lösen jedoch grundsätzlich keinen Verfassungsverstoß aus, sondern begründen nur eine Schadensersatzpflicht auf internationaler Ebene. 246  Herdegen, Art. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 82. EL 2018, Rn. 72. Zustimmend: Kreuter/Möbius, Verfassungsrechtliche Vorgaben für nachrichtendienstliches Handeln im Ausland, in: BWV 2009, Vol. 53, S. 146 (148), welche eine He­ ranziehung eines territorialen Kriteriums bzw. eines Standortes generell ablehnen, weil die Verarbeitung der Informationen immer innerstaatlich geschehe. 247  Gusy, §  1 BNDG, Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1275. 248  Siehe BVerfGE 100, 313, 360 – TKÜ I. 249  BVerfGE 107, 299, Rn. 41 ff. – Handyüberwachung; 100, 313, 363 f. – TKÜ I. 250  Der Standort der Erhebungstechnik kann für die Frage der Grundrechtsbindung jedoch dann irrelevant sein, wenn keine „räumliche Einheit von überwachtem Kommunikationsvorgang und dem Überwachungsakt selbst“ existiere. Dann käme es auf den Sitz des Standorts der Überwachungstechnik an. Bei der Informationsgewinnung im Internet komme es wiederrum auf den Ort des Zugriffs des BND in das Netz an. Wenn der BND über deutsche Kommunikationsverbindungsleitungen des Internet zugreift, sei er an deutsches Recht gebunden – egal wo die Vorgänge stattfänden. So

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

außerhalb des staatlichen Hoheitsgebietes. Die NSA beispielsweise ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland tätig und hat immer noch ihren deutschen Hauptsitz im NSA/CSS Representative Europe Office in Stuttgart-Vaihingen.251 Selbiges gilt für den BND, der im Ausland Büros führt, von denen aus er agiert.252 Ausgangspunkt ist auch hier wieder Art. 1 Abs. 3 GG, der grundsätzlich „grundrechtsfreie“ besondere Gewaltverhältnisse zu vermeiden versucht.253 Fraglich ist jedoch, ob die Befugnisse des BND die Bindungswirkung aus­ lösen, wenn gar kein Gebietskontakt über Abhör- und Verarbeitungsanlagen hergestellt werden kann.254 Das Bundesverfassungsgericht widersprach im Urteil zur Telekommunikationsüberwachung 1999 der These des BND, dass Hoheitsgewalt nur im Inland ausgeübt werden könne.255 Es erkennt zwar an, dass die Ausübung von Hoheitsgewalt auf fremden Gebiet ohne Zustimmung des Territorialstaates völkerrechtlich wegen des Souveränitätsgrundsatzes grundsätzlich unzulässig und nur innerhalb des eigenen Territoriums vollumfänglich erlaubt sei.256 Die Frage der extraterritorialen Geltung ließ es jedoch offen.257 Andererseits wurde die Geltung der Grundrechte bei AuslandssachGusy, § 1 BNDG, Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S.1275. 251  Siehe hierfür Spiegelbericht vom 18.06.2014, NSA-Standorte in Deutschland: Stuttgart. 252  Siehe dafür Internetpräsenz des BND, Organisation/Standorte. 253  St.Rspr seit BVerfGE 33, 1, 11 – Strafgefangener. Ferner Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 65. 254  BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. Für einen einfachen Gebietskontakt sprach sich aus Kronke, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott, Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 33 (42). 255  BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. So auch später Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 38. 256  So etwas pauschal aber zutreffend Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 65. Siehe näher zum Souveränitätsgrundsatz Fassbender, Art. 2 (1) UNC, in: Simma/Khan/Paulus/Nolte, The Charter of the United Nations, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, S. 133 (133 ff.). Wo die Rechtsanwendung jedoch einvernehmlich erfolgt, stellen sich gar keine Pro­bleme. Zudem achtet Deutschland auch verfassungsrechtlich die internationale Zusammenarbeit und nimmt deshalb seinen Kontrollanspruch im Rahmen des Ordre public auch außerhalb seiner Grenzen zurück. Ähnlich Kokott, Grundrechte und Menschenrechte als Inhalt eines internationalen ordre public, in: Coester-Waltjen/Kronke/Kokott (Hrsg.), Die Wirkungskraft der Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, 1998, S. 71 (73 ff.). Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland und fremden Rechts in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (451). 257  Bei extraterritorialen Handlungen der Bundeswehr wurden bisweilen allerdings aus Grundrechten vorgehende Schadensersatzansprüche verneint: VG Köln, Beschluss



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz135

verhalten und gegenüber Ausländerinnen und Ausländern auf Schiffen bejaht, die nicht unter deutscher Flagge fuhren, aber im deutschen Schifffahrtsregister eingetragen waren.258 In Teilen der Literatur wird davon ausgegangen, dass bei staatlichen Handeln, wenn sich dieses komplett im Ausland abspielt oder auswirkt, eine Grundrechtsbindung bejaht werden müsse.259 Hierbei komme es nicht darauf an, ob im Ausland auch Staatsgewalt ausgeübt werde, da die Grundrechte die behördlichen Stellen nirgends und bei keiner Handlung entbinden sollen.260 Daher eröffne selbst die reine Auslandstätigkeit – wie sie beispielsweise von Botschaften ausgeübt werde – keine Befreiung der Grundrechtsbindung.261 Schließlich dienen die Grundrechte nur als Begrenzung der auswärtigen Gewalt, die bereits im Ausland tätig sei.262 Dennoch wird vereinzelt eine zu weitgehende Grundrechtsreichweite befürchtet, weswegen die Bindungswirkung bereits bei reinen Auslandssachverhalten zu versagen sei: So ist Klaus Gärditz der Ansicht, dass Art. 1 Abs. 3 GG ein Mindestmaß an territorialer Kontrolle fordere, da sonst ein normatives Zurechnungskonzept geschaffen werde, dass nur auf eine Erfolgsverursachung gerichtet sei.263 Er zieht als Begründung weiterhin den vom 07.05.1999, Az.: 19 L 1104/99 – Varvarin; bestätigt vom BGH, Urteil vom 02.11.2006, Az.: III ZR 190/05. Siehe ferner zum Fall Oberst Georg Klein und die Zwischenfälle in Kundus BGH, Urt. v. 06.10.2016, Az.: III ZR 140/15, in dem Schadensersatzansprüche bei Luftangriffen der Bundeswehr, die zu zivilen Opfern führten, den Hinterbliebenen nicht zugesprochen wurden. 258  BVerfGE 92, 26, 49 f. – Schifffahrtsregister. 259  So Hillgruber, Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 76; Dreier, Art. 1 Abs. 3 GG, in: ders., Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Rn. 44 ff.; Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1076). 260  Ähnlich auch Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 71. 261  Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: HdStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 793 (795); Kempen, Grundrechtsverpflichtete, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, Rn. 5 ff. Ähnlich Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn.  71 ff. 262  Walter/von Ungern-Sternberg, Piratenbekämpfung vor Somalia, in: DÖV 2012, S. 861 (865) in Bezug auf militärische Handlungen. Ähnlich Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte, 2005, S. 82 f.; Zimmermann, Grundrechtseingriffe durch deutsche Streitkräfte im Ausland und das Grundgesetz, in: ZRP 2012, Vol. 45, S. 116 (117). 263  So jedenfalls Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (474 f.). Ferner dazu Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung, in: ders./Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 265 (321 f.); Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände, 1988, S. 130 ff.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

EGMR heran, welcher in Bezug auf die Anwendbarkeit der Menschenrechtskonvention auf Art. 1 EMRK verweist und ebenfalls eine Ausübung tatsächlicher Kontrolle über das Gebiet verlangt.264 Weiterhin führt er aus, dass sich gerade bei heimlichen staatlichen Maßnahmen im Ausland keine Hoheits­ gewalt manifestieren könne und Spionagehandeln nur „kontralegale Macht“ darstelle,265 da die Vornahme heimlicher Überwachung eine Verletzung der Gebietshoheit darstelle, sofern sie sich gegen den fremden Staat oder Maßnahmen gegen Personen auf dessen Territorium richte.266 Zwar haben laut Klaus Gärditz die Eingriffe von Agentinnen und Agenten im Ausland auch eine hohe Eingriffsintensität, im Ausland können sie aber – sofern sie bemerkt werden – unterbunden werden.267 Das spreche dafür, dass der BND demnach nicht verwaltungsrechtlich handelt, was eine Grundrechtsbindung noch auslösen könne, sondern Private auf eigenes Risiko in Illegalität agieren, was eine Grundrechtsbindung nicht auslöse.268 Klaus Gärditz verkennt dabei, dass Agentinnen und Agenten von staat­ licher Seite den Auftrag erhalten, Spionagetätigkeiten im Ausland auszuführen.269 Selbst wenn man von illegalem Verhalten ausginge – entgegen der völkerrechtlich anerkannten gängigen Praxis, dass auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeiten auf fremden Territorium ausgeübt werden können270 – ist 264  EGMR, Banković v. Belgium, App. No. 52207/99, Rn. 74 ff.; Al-Skeini v. United Kingdom, App. No. 55721/07, Rn. 131, 138; Chagos Islanders v. United Kingdom, App. No. 35622/04, Rn. 67 ff. In Bezug auf Überwachungen ausländischer Bürgerinnen und Bürger von deutschem Boden aus lehnt aber auch Klaus Gärditz das enge territoriale Zurechnungsmodell ab: ders., Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (480). 265  Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (475.). 266  Auch Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, S. 82, der dafür bspw. Entführungsfälle oder „Targeted killings“ nennt. 267  Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (475). A. A. Rehbein, Die Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen aus dem In- und Ausland im deutschen Strafprozess, 2011, S. 320. 268  Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (476). 269  Klaus Gärditz bemerkt jedoch selbst, dass eine privatrechtlich organisierte Verwaltungstätigkeit im Inland eine Grundrechtsbindung auslöse, obwohl es hierbei auch an einer Durchsetzungskraft des Staates fehle. Dies könne jedoch nicht deckungsgleich für das Handeln im Ausland gelten, da die privatrechtlichen Handlungen des Staates auf eigenem Territorium nur deshalb existieren, weil ein hoheitliches Handeln nicht angemessen erscheint. Vgl. ebd., S.  475 f. 270  Vgl. dazu vormals BVerfGE 92, 277, 328 ff. – DDR-Spione. Ähnlich Aust, Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05.06.2014 vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, Mat A SV-4/1, A-Drs. 56, S. 16; Scott, Territorially Intrusive Intelligence Collection and International Law, in: A.F. L. Rev. 1999, Vol. 46, S. 217 (218);



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz137

dieses dennoch dienstlich veranlasst und entbindet den Staat nicht von seinen Anweisungen und aufgrund deren ausgeführten Handlungen sowie den daraus entstehenden Verpflichtungen.271 Die von ihm angeführte Machtlosigkeit im Ausland spiegelt sich gerade im Bereich der militärischen Interventionen oder Besatzungssituationen wider, in denen die agierenden Staaten einer anderen Macht unterworfen sein müssten, die Organwalter aber nicht ihre staatliche Stellung und Zuordnung verlieren. Ebenso sehen deshalb Peter Badura und Nikolaos Gazeas die auswärtigen Handlungen von staatlichen Akteurinnen und Akteuren als Ausübung von Hoheitsgewalt an, um eine staatliche Verantwortung für die handelnden Organe zu konstruieren.272 Matthias Herdegen befürwortet ebenso die Ausübung von Hoheitsgewalt bei der Aufzeichnung von Daten, sofern die deutsche Staatsgewalt in grundrechtsverkürzender Weise tätig wird, woran auch ein Auslandsbezug nichts ändern könne.273 Michael Antoni ist sogar der Auffassung, dass jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen, sofern es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrages erfolge und den Anspruch erheben könne, autorisiert im Namen aller Bürgerinnen und Bürger getroffen zu werden, die Grundrechtsbindung auslöse.274 Ähnlich wird dies für die digitale Überwachung auf internationaler Ebene vertreten, wonach davon auszugehen sei, dass die Menschenrechte im digitalen Bereich genauso Geltung erfahren wie im analogen Bereich.275

Ewer/Thienel, Völker-, unions- und verfassungsrechtliche Aspekte des NSA-Daten­ skandals, in: NJW 2014, Vol. 67, S. 30 (31). Dies lässt sich überwiegend daraus ableiten, dass seit dem Lotus-Urteil des PCIJ alles als völkerrechtlich erlaubt angesehen werden kann, was nicht explizit verboten ist. Siehe PCIJ, S.S. Lotus (France v. Turkey), Series A. No. 10 (1927). 271  So Ewer/Thienel, Völker-, unions- und verfassungsrechtliche Aspekte des NSA-Datenskandals, in: NJW 2014, Vol. 67, S. 30 (31). Abweichend v. Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, S. 144, der grundsätzlich alle staatlichen Handlungen zurechnen will, aber bei der Jurisdiktion bei Spionagefällen eine Ausnahme sieht. Im Ergebnis so auch Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1076). 272  Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, Rn. 16; Gazeas, Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden, 2014, S. 161. 273  Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 84. EL 2018, Rn. 72. Im Ergebnis so auch Ewer/Thienel, Völker-, unions- und verfassungsrecht­ liche Aspekte des NSA-Datenskandals, in: NJW 2014, Vol. 67, S. 30 (33 f.). 274  BVerfGE 6, 290, 295 – Washingtoner Abkommen; 128, 226, 244 – Fraport. Ferner Antoni, Art. 1 GG, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz, 11. Aufl. 2016, S. 66 f.; Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 15. 275  Generalversammlung, Summary of the Human Rights Council panel discussion on the right to privacy in the digital age, UN Doc. A7HRC/28/39, Rn. 48: „[S]ome

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

c) Bewertung der Grundrechtsbindung bei auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Maßnahmen des BND Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Telekommuni­ kationsüberwachung des BND lässt es sich kaum noch vertreten, dass der BND bei der technischen Fernmeldeaufklärung mit Inlandsbezug nicht an die Grundrechte gebunden ist. Dies muss auch für Überwachungstätigkeiten gelten, die keine originären Exekutivaufgaben darstellen und keine klassische Zwangswirkung entfalten. Würde man – wie es vereinzelt vorgebracht wird – die Grundrechtsbindung der SIGINT-Aufklärung des BND nur anhand der vollziehenden und mit Zwangsmitteln ausgestatteten Gewalt bejahen, käme eine solch starre analoge Sichtweise zu fatalen Lücken im Grundrechtsschutz.276 Auch spiegelt das nicht die Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung wider, die in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht abschließend oder genau deklariert ist.277 Die Vielzahl an technischen Handlungsmöglichkeiten erfordert es vielmehr, dass auch das Grundgesetz digital gedacht werden muss. Da Art. 1 Abs. 3 GG eine lückenlose Grundrechtsbindung aller staat­ lichen Gewalt anordnet, die im grundrechtsrelevanten Bereich agiert, muss ebenso die grundrechtsintensive Tätigkeit des BND unter diese Bindungsklausel fallen. Der BND übt somit zumindest in Bezug auf Art. 1 Abs. 3 GG vollziehende Gewalt i. w. S.  aus. Problematischer sind jedoch die Konstellationen, in denen die Überwachungen gänzlich im Ausland erfolgen – was aufgrund der Technik heute jedoch kaum noch erforderlich ist. Hier wird vermehrt eine Grundrechtsbindung abgelehnt, weil ein globaler Grundrechtsschutz befürchtet wird. Diese Meinungen können allerdings nicht überzeugen. Die vielen transnationalen und extraterritorialen Handlungsmöglichkeiten, die durch die Staaten aufgrund der Globalisierung stetig ausgeweitet wurden, können nicht gänzlich im grundrechtfreien Raum erfolgen. Nur weil das Agieren im Ausland zu Normenkollisionen führen kann, darf das nicht simultan dazu führen, dass conception of the extraterritorial application of human rights was necessary to ensure that human rights could be protected online as well as offline.“ 276  So auch Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (771). 277  Der deutsche Staat kann durch eine Vielzahl von Möglichkeiten agieren, obgleich der Begriff der Hoheitsgewalt im verfassungsrechtlichen Kontext nur spärlich ausgestaltet ist. Dennoch kennt das Grundgesetz viele sprachliche Ausformungen und Varianten des Begriffs der Hoheitsgewalt, ohne diese einmal zu benennen. Allerdings herrscht hierbei der Grundsatz, dass der Staat und seine Tätigkeiten durch die Verfassung konstituiert sein müssen. Genau das leitete das Bundesverfassungsgericht für den BND aus dem BNDG, dem G10 und im Wege der Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG her. Siehe dazu auch Menzel, Internationales Öffentliches Recht, 2011, S. 432.



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staatliche Organe ihre Treue zur Verfassung verlieren. Mit dieser Interpretation würde das Grundgesetz Fälle akzeptieren, in denen offensichtlich staatliche Akteure gesetzlich ermächtigt handeln dürften, ohne dass für diese grundrechtliche Korrektive gälten. Dies ist mit einem effektiv verstandenen Grundrechtsschutz unvereinbar.278 Auch das Modell, dass der BND durch seine Agentinnen und Agenten als „Private in Illegalität“ im Ausland agieren, ist durchaus zweifelhaft. Einerseits müsste man den Blick differenzierter fokussieren, da die moderne nachrichtendienstliche Sicherheitsarchitektur überwiegend kooperativ funktioniert, d. h. eine Kooperation und illegale Aktivitäten in ein und demselben Land sich gegenseitig ausschließen. Andererseits kann der Staat bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln nicht ins Privatrecht flüchten. Das übliche privatrechtliche Handeln unterscheidet sich nicht nur gänzlich von den intensiven Grundrechtseingriffen des BND, sondern führt auch nicht dazu, dass verwaltungsrechtliches Privathandeln im grundrechtsfreien Raum stattfindet. Selbst wenn staatliches Handeln nur außerhalb des eigenen Staatsgebietes Wirkung entfaltet, darf dies nicht zu einer Los­ lösung der legitimatorischen Rückkopplung – vor allem mit Hinblick auf die Grundrechte – zum Inland führen.279 Daher muss gelten, wenn hoheitliche Akteure auf Grundlage einer hoheitlichen Norm agieren, sind sie stets an die Grundrechte gebunden, um zu vermeiden, dass staatliche Gewalt im grundrechtsfreien Raum vollzogen werden kann. Darüber hinaus erfährt der Art. 1 Abs. 3 GG eine territoriale Erweiterung über die menschenrechtskonforme Auslegung des EGMR. Obgleich dieser nicht ausdrücklich Bezug auf Art. 1 EMRK nimmt, erkennt der Gerichtshof an, dass die Staaten auch über ihre Staatsgrenzen hinaus an die Konventionsrechte gebunden sind. Da der internationale Menschenrechtsschutz über Art. 1 Abs. 2 GG ein additives Element der deutschen Grundrechte ist, sich beide mithin ergänzen statt ausschließen, kann die Interpretation des EGMR auch für die Bindungsreichweite des Art. 1 Abs. 3 GG im Wege der völkerrechtsfreundlichen Auslegung herangezogen werden. Eine vollständige Ablehnung der Bindungsreichweite bei Auslandssachverhalten stünde ansonsten im Widerspruch zur EMRK. Selbiges zeigt sich bei anderen internationalen Menschenrechtsinstrumenten, nach denen sich Staaten bei transnationalen oder extraterritorialen Handlungen nicht ihren Menschenrechtsverpflichtungen entziehen können. 278  Ähnlich Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte, 2005, S. 191. 279  So auch Nettesheim, Art. 32 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 82. EL 2018, Rn. 10, welcher jedoch die Begrifflichkeiten als zu unscharf und mit Abgrenzungsproblemen kritisiert. Zudem erzeuge der Begriff keine Aussage über die Bindungsreichweite und die Ausübung von Hoheitsgewalt im nationalen Kontext.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Die Konsequenz einer umfassenden Grundrechtsbindung im Ausland ist gerade nicht, dass Deutschland entgegen der Zustimmung eines anderen Staates oder durch andere humanitäre Notwendigkeit Hoheitsgewalt auf dessen Territorium ausüben darf.280 Das Staatsgebiet und die darüber bestehende Hoheitsgewalt ist selbstredend auch heute noch entscheidendes verfassungsidentitätsstiftendes Merkmal.281 Vielmehr müssen transnationale und extraterritoriale Handlungen grundsätzlich mit anderen nationalen und internationalen Rechtsordnungen abgestimmt werden.282 Die selbst auferlegte Bindungswirkung der staatlichen Gewalt darf allerdings nicht mit einer Missachtung der Souveränität anderer Staaten gleichgesetzt werden. Die Beschränkung der Souveränität wäre nur zu bejahen, wenn der fremde Staat durch die Grundrechte auch gebunden wird, sie für ihn Verpflichtungen enthalten oder völkerrechtlich die Handlungen gar nicht erst legitimiert geschehen. Die Grundrechtsbindung allein deswegen zu versagen, weil ein Staat sich seinen eigenen verfassungsrechtlichen Standards im Ausland unterwirft, führt nicht zwangsläufig zur Verletzung des Rechts des Staates, in dem agiert wird. Vielmehr gebietet das Grundgesetz über den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der Bundesrepublik die fremden Rechtsordnungen zu achten und dem hiermit einhergehenden Territorialitätsprinzip dadurch Rechnung zu zollen, dass die eigenen Rechte nur im eigenen Hoheitsbereich Geltung erfahren.283 Aber weder das Völkerrecht noch das nationale Recht fordern explizit, dass die staatliche Bindung an die eigenen nationalen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen stets an den eigenen Grenzen enden muss – im Gegenteil obliegt dies den Staaten selbst.284

280  So Hillgruber, Art.  1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 76.1, v. Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, S. 144 ff. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen von rechtmäßigen Souveränitätsbeschränkungen, die unabhängig von der Zustimmung des Territorialstaates z. B. im Humanitären Völkerrecht (Dem Genfer und Haager Recht), bei Humanitären Interventionen, Selbstverteidigungssituationen nach Art. 51 UN-Charter oder nach Kapitel-VII-Resolutionen möglich wären. 281  Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1061. 282  BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 45. 283  Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1060. 284  Ebd., obgleich Peter Badura allerdings anerkennt, dass bei Auslandsbezügen eine Ein- bzw. Beschränkung des Grundrechtsschutzes möglich sein muss.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz141

2. Die territoriale Grundrechtsgeltung im Lichte auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung: Privatsphärenschutz in der deutschen Verfassung und das BNDG Geht man von einer Bindungswirkung über Art. 1 Abs. 3 GG bei der auslandsnachrichtendienstlichen Fernmeldeaufklärung aus, ist hiermit noch nicht die Frage beantwortet, ob eine überwachte Person sich auch auf die deutschen Grundrechte berufen kann. Zwar enthält die Bindungsklausel des Art. 1 Abs. 3 GG die Vermutung, dass sich Betroffene gegenüber dem Staat auf die Grundrechte berufen können.285 Die Aktivlegitimation hängt bei Auslandssachverhalten jedoch ebenso von territorialen und sachlichen Erwägungen ab. Weil bei der Frage der Anwendbarkeit der deutschen Grundrechte überwiegend nicht zwischen der Bindungs- und Geltungswirkung differenziert wird, sind auch hier die im vorherigen Abschnitt dargestellten Meinungen existent. Daher soll nachfolgend abstrakt (a.) und danach anhand des Fernmeldegeheimnisses (b.) und des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (c.) die territo­ riale Geltungsreichweite der Grundrechte bewertet werden. Im Anschluss daran soll thematisiert werden, welche Anforderungen an verfassungskonforme Eingriffe der Auslandsnachrichtendienste zu stellen sind (e.–f.). a) Anwendbarkeit der Grundrechte aus sachlicher und personeller Sicht: Aktivlegitimation für In- und Ausländerinnen bzw. Ausländer aa) Generelle Grundrechtsgeltung im Inland: Bürgergrundrechte und Menschenrechte Die Grundrechte sind subjektiv-öffentliche Rechte, die vor Eingriffen und Willkür der deutschen staatlichen Gewalt sowohl natürliche als auch juristische Personen schützen sollen.286 Diese werden somit berechtigt, vom Staat ein Tun oder Unterlassen in Form von Abwehrrechten (status negativus) oder Leistungsrechten (status positivus) über die jeweilige grundrechtlich bestehende Rechtsposition zu fordern.287 Die Geltung der Grundrechte hängt jedoch davon ab, ob diese personell und sachlich an-

Art. 1 GG, Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 13. Art. 1 GG, in: Epping/ders., BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 62; Wolfgang Rüfner führt auch Personenvereinigungen hierunter auf. Siehe dazu näher Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (732). 287  So Herdegen, Art. 1 GG, Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 12 ff. 285  Herdegen,

286  Hillgruber,

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

wendbar sind.288 Ebenso variieren diese Rechtspositionen vom Anwendungsbereich des jeweiligen Grundrechts: Wohingegen manche Grundrechte als sog. „Jeder­manngrund­rechte“ oder „Menschenrechte“ ausgestaltet sind, die allen Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit zustehen, nennt das Grundgesetz auch Deutschengrundrechte, welche wiederrum die Staatsangehörigkeit i. S. d. Art. 116 Abs. 1 GG für eine Geltendmachung voraussetzen.289 Die Einordnung eines Grundrechts als Deutschengrundrecht bedeutet jedoch nicht, dass die Verfassung Ausländerinnen und Ausländer in diesen Bereichen schutzlos stellt oder Deutschengrundrechte eine Sperrwirkung für jene entfalten.290 Vielmehr zwingt das Grundgesetz nicht zu einer Differenzierung zwischen In- und Ausländerinnen bzw. Ausländern.291 Daher genießen auch jene Menschen einen – wenn gleich auch subsidiären – Freiheitsschutz sogar bei Deutschengrundrechten, weil nur so ein lückenloser Grundrechtsschutz gewährleistet wird.292 Vereinzelt wird sogar davon ausgegangen, dass die zunehmende Internationalisierung der Grundund Menschenrechte die Differenzierung zwischen Bürger- und Menschenrechten immer unwichtiger erscheinen lasse, da mittlerweile auch Deut288  Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (732, 744 ff.). Dies gilt zumindest nicht für ausländische juristische Personen, die schon vom Wortlaut her über Art. 19 Abs. 3 GG von der Berufung auf die Grundrechte ausgeschlossen sind. Siehe dazu BVerfGE 21, 207, 208 f. – Flächentransistor. Ebenso BFHE 195, 119 LS; BVerwGE 111, 284, 291; 117, 332 (338 f.). Siehe auch Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, 1988, S. 1135 ff.; Remmert, Art. 19 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 76, der jedoch meint, dass für Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 GG etwas Anderes gelte, ebd., Rn. 112; Sachs, Art. 19 GG, in: ders., Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 51 ff. 289  Sodan/Ziekow, Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 177. 290  BVerfGE 78, 179, 196 ff. – Heilpraktikergesetz; 35, 382, 399 – Palästinenserbeschluß. Ferner Lang, Art. 2 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 20; Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (747). 291  Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (746 f.) mit Verweis auf die Gleichbehandlung beider Gruppen im Versammlungsrecht. 292  Der Art. 2 Abs. 1 GG bietet eine Auffangwirkung in personeller Hinsicht für jene Sachverhalte, in denen Ausländerinnen und Ausländer in einem Grundrecht beeinträchtigt werden, dass unter dem Vorbehalt der deutschen Staatsangehörigkeit steht. Vgl. BVerfGE 78, 179, 196 ff. – Heilpraktikergesetz. So auch Lang, Art. 2 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 20; Bunmke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 3; Manssen, Staatsrecht II, 15. Aufl. 2018, Rn. 245; Sodan/Ziekow, Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 193. A. A. Starck, Art. 2 Abs. 1 GG, in: Mangoldt/Klein/ders., Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 190 f. Ähnlich Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, S. 265. Vgl. zur Geltung von Deutschengrundrechten für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger BVerfGE 129, 78, 94 ff. – Le Corbusier. A. A. hierzu Quaritsch, Der grundrechtliche Status der Ausländer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, S. 663 (680 ff.).



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schen-Grundrechte vollumfänglich für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger gälten.293 Der Schutz für Ausländerinnen und Ausländer unterliegt dennoch Einschränkungen.294 Diese können sich nicht generell auf einen identischen Schutz der Grundrechte wie deutsche Staatsangehörige berufen.295 Für sie gelten besondere Grundrechtsschranken, deren Modifikation davon abhängt, wie stark sich der Auslandsbezug gestaltet.296 Vor allem im Sicherheitsrecht sind Einschränkungen aufgrund der nationalen Sicherheit und öffent­lichen Ordnung vermehrt vorgebracht worden, die eine Modifikation und Differenzierung des Grundrechtsschutzes rechtfertigen konnten.297 Diese Andersbehandlung ist nicht nur üblich, sondern stellt verfassungsrechtlich ein legitimes Differenzierungskriterium dar.298 bb) Die territoriale Reichweite der Grundrechtsgeltung Die Grundrechte gelten prinzipiell in Deutschland.299 Dennoch kommt es – wie bereits aufgezeigt – durch transnationale und extraterritoriale Handlungen zu Fragen der Grundrechtsgeltung außerhalb der staatlichen Territo­ rialgrenzen. Hierbei spielt die Unterscheidung der Staatsangehörigkeit ebenso eine Rolle. Für Deutsche haben Grundrechte auch Wirkung, wenn sich diese Personen im Ausland aufhalten.300 Andererseits sind im 293  Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (747). Ferner dazu auch Schmitt Glaeser, Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes, 3. Aufl. 2016, S.59. 294  Nur eine abwehrrechtliche Dimension annehmend für den Schutz über Art. 2 Abs. 1 GG: Schnapp, Verfassungswidrigkeit ohne Grundrechtsverletzung?, in: DÖV 1973, 593 (593); Stein, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle abgelehnter Ermessenseinbürgerungen?, in: DÖV 1984, S. 177 (183). 295  Sodan/Ziekow, Öffentliches Recht, 7. Aufl. 2016, S. 193. Es ist jedoch anzumerken, dass die meisten grundrechtlichen Gewährleistungen nicht unter dem „Deutschenvorbehalt“ stehen. 296  BVerfGE 31, 58, 76  f. – Spanier-Entscheidung. Siehe auch Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (753). 297  BVerfGE 100, 313, 363 – TKÜ I. Siehe aber auch BVerfGE 92, 26, 36 ff. – Schifffahrtsregister. 298  Bunmke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7.  Aufl. 2015, S. 4; Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (746); Huber, Natürliche Personen als Grundrechtsträger, in: Merten/Papier, HGR, Bd. II, 2006, Rn.  27 f. 299  Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (744). 300  Ebd., S. 745. Siehe auch Buchholtz, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: NVwZ 2016, Vol. 35, S. 1353 (1356 ff.).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Ausland Deutschengrundrechte für Ausländerinnen und Ausländer nicht einschlägig.301 Darüber hinaus gibt der sachliche Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts Aufschluss darüber, ob eine Auslandsgeltung überhaupt in Betracht kommen kann.302 Nichtsdestotrotz machte das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass die Geltung der Grundrechte außerhalb des Staatsgebietes für Ausländerinnen und Ausländer nicht prinzipiell ausgeschlossen sei.303 Ist ein auswärtiges Verhalten dem deutschen Staat zurechenbar, ergebe sich die räumliche Anwendbarkeit der Grundrechtsgeltung aus dem persönlichen und sachlichen Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts.304 Das Gericht betrachtet zunächst, ob ein Gebietskontakt vorliegt oder ob eine Geltung der Grundrechte über die Staatsgrenzen hinaus möglich ist.305 Dabei dürfe eine uneingeschränkte oder zu weit reichende Grundrechtsgeltung im Ausland den Sinn und Zweck des Grundrechts nicht verfehlen, was unter Umständen in bestimmten Fällen zwingend einen Lebenssachverhalt innerhalb Deutschlands voraussetze.306 Hierfür komme es neben dem Telos auf den Wortlaut der Norm an, ob die Anwendung bei Auslandssachverhalten zulässig ist und, sollte dies bejaht werden, ob eine Differenzierung auf Verhältnismäßigkeitsebene wegen des internationalen Kontextes notwendig erscheint.307 Die Intensität der Auslandsbeziehung spiele dafür eine entschei-

301  Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (542). 302  So ergibt sich bspw. aus Art. 11 GG, dass die Freizügigkeit nur im Bundesgebiet gewährleistet werden kann, aber sich zumindest Deutsche auch außerhalb des deutschen Territoriums hierauf berufen dürfen. Siehe BVerfGE 2, 266, 273 – Notaufnahmegesetz; Pagenkopf, Art. 11 GG, in: Sachs Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 18. Ferner Huber, Vorbemerkung G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1354. 303  BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. Siehe auch BVerfGE 2, 266, 272 ff. – Notaufnahme; 12, 6, 8 f. – Société Anonyme; 60, 348, 354 ff. – Auslieferung III. Ferner Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (546); v. Lampe, Bekämpfung der organisierten Kriminalität, in: Diedrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 781 (810). 304  Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (542), nach welchem es auf den persönlichen und sachlichen Schutzbereich ankomme, weil beide Bereiche „miteinander verwoben“ seien. So zuletzt auch OVG Münster, Urteil vom 19.03.2019, Az.: 4 A 1361/15. 305  BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. 306  BVerfGE 31, 58, 77 – Spanier-Entscheidung. 307  Ebd. Siehe auch Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (542).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz145

dende Rolle, die Modifikationen oder Differenzierungen zulassen könne oder gar verlange.308 b) Die Geltungsreichweite der Fernmeldefreiheit nach Art. 10 Abs. 1 GG aus personeller und sachlicher Schutzbereichsperspektive Art. 10 Abs. 1 GG steht nicht unter der Prämisse der „Deutscheneigenschaft“, sondern können sich alle natürlichen Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit hierauf berufen. Das trifft demnach für In- sowie Ausländerinnen und Ausländer im Inland zu. Darüber hinaus stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen im Ausland Grundrechte gelten, sofern ein Gebietskontakt hergestellt werden kann.309 Das ist zumindest für Personen unstreitig, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben und deren Kommunikation im Ausland überwacht wird.310 Ebenfalls wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für all die Fälle unstreitig, in denen sich die Überwachungseinrichtungen oder verarbeitenden Stellen auf deutschem Hoheitsgebiet befinden.311 Es stellte fest, dass unter diesen „eine Kommunikation im Ausland mit staatlichem Handeln im Inland derart verknüpft [ist], daß die Bindung durch Art. 10 GG selbst dann eingreift, wenn man dafür einen hinreichenden territorialen Bezug voraussetzen wollte.“312 Da das Gericht jedoch nicht explizit urteilte, ob jenes nur für Staatsangehörige gilt, wird vereinzelt davon ausgegangen, dass dies nicht auf Kommunikationsüberwachungen von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland zutreffe.313 Hierfür wird zum Teil eine verfassungsimmanente Schranke des Schutzbereiches bemüht, da das Bundesverfassungsgericht vor allem im Si308  BVerfGE 31, 58, 72 ff. – Spanier-Entscheidung; 92, 26, 41 f. – Schifffahrts­ register; 100, 313, 363 – TKÜ I. Ferner Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1074 f.). Siehe auch zur stetigen Transnationalisierung des Rechts Viellechner, Transnationalisierung des Rechts, 2013; Teubner, Transnationaler Verfassungspluralismus, in: ZaöRV 2016, Vol. 76, S. 661 (662 ff.). 309  BVerfGE 100, 313, 363 ff. – TKÜ I. Siehe auch OVG Münster, Urteil vom 19.03.2019, Az.: 4 A 1361/15. 310  So Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 1059 f. Zur Auslandsgeltung im Bereich des diplomatischen Schutzes siehe BVerfGE 55, 349, 364 ff. – Rudolf Hess. 311  So BVerfGE 100, 313, 363 – TKÜ I. 312  Ebd., S.  363 f. 313  So bspw. Gärditz, Die Rechtsbindung des Bundesnachrichtendienstes bei Auslandstätigkeiten, in: Die Verwaltung 2015, Vol. 48, S. 463 (479). Ähnlich auch Hochreiter, Die heimliche Überwachung internationaler Telekommunikation, 2002, S.  110 f.; Doehring, Staatsrecht, 3. Aufl. 1984.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

cherheitsbereich versuche, eine zu weit reichende Geltung zu vermeiden: „Wenn die Verfassung sich für die Zulassung [… der] Landesverteidigung entscheidet […], nimmt sie zugleich hin, daß im Zuge ihrer Verwirklichung auch Gefahren und Schäden zu Lasten der […] Zivilbevölkerung eintreten können.“,314 was nach Wolfgang Rüfner eine Schlechterstellung von Ausländerinnen und Ausländern erlaube.315 In Heranziehung des historisch intendierten Telos von Art. 10 Abs. 1 GG kommen die gegenteiligen Auffassungen jedoch zu einem anderen Ergebnis. Die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG schützen die Disposition, über den Ort, die Zeit und den Umstand des Kontaktes und der Kommunikation selbst zu entscheiden, und ob sie Dritten – und wenn ja, welchen Dritten – persönliche Tatsachen oder Kommunikationsinhalte preisgeben wollen.316 Diese Dispositionsbefugnis ist deshalb schützenswert, weil die Fernkommunikation nicht mehr der ausschließlichen Verfügung der Kommunikationsparteien unterliegt. Wegen der räumlichen Entfernung zwischen mindestens zwei Beteiligten sind diese auf die Über- oder Vermittlung eines Fernkommunikationsvorgangs auf „fremde“ Dritte angewiesen – die Fernkommunikationsanbieter. Dem Einzelnen soll daher, da die notwendige Einbeziehung von Dritten simultan mit einer Einbuße an Privatheit einhergeht und wodurch die Rahmenbedingungen einer Kommunikation nicht in ihrer alleinigen Verantwortung liegen, zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit ein Austausch von Kommunikation zugesichert werden, welcher der Öffentlichkeit verborgen bleibt.317 Vielmehr gewährleistet Art. 10 Abs. 1 GG, dass Beteiligte auch bei einem Fernkommunikationsvorgang weitestgehend so gestellt werden wie bei einem Gespräch unter gleichzeitiger Anwesenheit beider Kommunikationspartner.318 Die Schutzverpflichtung richtete sich bereits bei den klassisch libera314  Wiefelspütz, Auslandseinsatz der Streitkräfte und Grundrechte, in: NZWehrR 2008, S. 89 (102); Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (544 f.). Letzterer präferiert aber die Beschränkung nicht bereits auf Schutzbereichs- sondern auf Rechtfertigungsebene. Ebd., S. 546. 315  Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (747). Zugleich vertritt er aber, dass jeder Mensch grundrechtsberechtig sei, sofern sie oder er von deutscher Staatsgewalt erfasst werde, egal ob sich In- oder Ausländerinnen bzw. Ausländer in Deutschland oder im Ausland befänden. Ebd., S. 745. 316  So Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 1057. 317  BVerfGE 67, 157, 171 f. – G10-Gesetz; 85, 386, 396 – Fangschaltungen; 106, 28, 36 – Mithörvorrichtung; 110, 33, 53 – Zollkriminalamt. Siehe auch Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Auflage, 2015, S. 249. 318  BVerfGE 115, 166, 182 – Kommunikationsverbindungsdaten; Wolff, Art. 10 GG, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz, 11. Aufl. 2016, S. 184. Vgl. zur Privatheit auf



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len Rechten des Brief- und Postgeheimnis,319 als die technische Fernkommunikation noch nicht der breiten Bevölkerung zugänglich oder entwickelt war, weniger gegen die einzelnen Postbotinnen und Postboten als vielmehr gegen den Staat, der aufgrund des damals bestehenden Postmonopols Zugriff auf den Inhalt der postalischen Sendungen erhielt.320 Aber bereits damals waren diese Gewährleistungen unabhängig davon, von wo aus die Kommunikation geführt wurde und wer die Beteiligten waren, sofern die deutsche Staats­ gewalt auf den Kommunikationsvorgang zugegriffen hat.321 Nichts anderes könne in Bezug auf die neuen Kommunikationsmöglichkeiten gelten, da „[d]­er Nachrichtenaustausch per E-Mail und SMS […] nichts anderes als eine Fortsetzung des brieflichen Verkehrs mit […] anderen Mitteln“ sei.322 Dementsprechend müsse sich die Überwachung und Verarbeitung von Kommunikationsdaten und -inhalten auf deutschem Hoheitsgebiet auch auf ausländische Staatsangehörige erstrecken.323 Unklar ist jedoch, ob selbiges für Handlungen zutrifft, die vollständig im Ausland stattfinden. In der Spanier-Entscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass ein wichtiger Aspekt der Auslandsgeltung von Normen die Eigenständigkeit und Beachtung der fremden Rechtsordnung sei.324 Diese ist jedoch bei der Gewährung von Rechten – also aus einer abwehrDistanz: Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 1057. 319  Ihre Ansätze finden sich bereits 1712 in Kapitel VIII, § 4 der Preußischen Postordnung. Diese war allerdings als Strafnorm ausgestaltet. Einklang in die deutsche Verfassungstradition erhielt sie erst 1850 mit der Preußischen Verfassung. Das Fernmeldegeheimnis an sich geht auf Art. 117 Weimarer Reichsverfassung zurück, wobei die dortigen Gewährleistungen des „Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis“ sprachlich zusammengefasst wurden. Diesem Schutz trägt seit dem Beschluss des Parlamentarischen Rates Art. 10 Abs. 1 GG Rechnung. Vgl. hierfür Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 1048 ff.; Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 249. 320  Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 249. Das damalige Postmonopol des Staates war in Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG a. F. festgehalten. 321  So Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 15; Zuleeg, Grundrechte für Ausländer, in: DVBl. 1974, S. 341 (346); Ogorek, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 47; Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (547). 322  Nickisch, Der Brief – historische Betrachtungen, in: Höflich/Gebhardt, Vermittlungskulturen im Wandel, 2003, S. 63 (72). Sich dem anschließend Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 15; Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (547). 323  So Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 15. 324  BVerfGE 31, 58, 74 ff. – Spanier-Beschluss.

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rechtlichen Dimension heraus – für die Betroffenen nicht in Gefahr, sondern erweitert vielmehr deren Schutzspektrum gegen staatliche (ausländische) Überwachungsmaßnahmen, ohne die fremde Rechtsordnung zu beschränken. Ebenfalls ist fraglich, ob bei der Fernmeldeüberwachung überhaupt ein hinreichender Gebietskontakt zwingend notwendig ist. Das Bundesverfassungsgericht ließ das zumindest in der Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung des BND 1999 offen.325 Ein solcher Gebietskontakt folgt zumindest nicht aus dem Wortlaut der Art. 1 Abs. 3 GG oder Art. 10 Abs. 1 GG.326 Vom Sinn und Zweck kann die Fernmeldefreiheit auch nicht ausschließlich auf Kommunikationsvorgänge im Inland beschränkt sein, da – wie bereits dargestellt – eine rein nationale digitale Kommunikation kaum noch von staatlicher Seite gewährleistet werden kann.327 Ferner wird hervorgebracht, dass der Gebietskontakt vereinzelt nur schwer festzustellen sei und sich die Geltung im Einzelfall bereits aus der staatlichen Bindungswirkung ergebe.328 Da sich im Zweifel der bzw. die Einzelne auf die Grundrechte berufen können soll,329 greife die Grundrechtsgeltung für all jene Personen, bei denen der BND im Ausland auslandsnachrichtendienstliche Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen durchführt.330 Das steht auch im Einklang mit Entschei325  BVerfGE

100, 313, 363 f. – TKÜ I. Art. 10 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 64. 327  Ogorek, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 48; v. Lampe, Bekämpfung der organisierten Kriminalität, in: Diedrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 781 (810). 328  Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7.  Aufl. 2018, S.  1059 f.; Durner, Art. 10 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 64; Schaar, Überwachung total, S. 201. Ähnlich auch Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (547). 329  BVerfGE 6, 386, 387 – Haushaltsbesteuerung. 330  So Gröpl, Das Fernmeldegeheimnis des Art 10 GG vor dem Hintergrund des internationalen Aufklärungsauftrages des Bundesnachrichtendienstes, in: ZRP 1995, S.  13 (13 ff.); Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung bei nachrichtendienstlichem Handeln, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 31 (33 ff.); Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (163); Arndt, Grundrechtsschutz bei der Fernmeldeüberwachung, in: DÖV 1996, S. 459 (461); Durner, Art. 10 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 64; Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (6 f.); Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (966 ff., 974); Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (225 ff.); Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S.  148 (155 f.); Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 8 ff.; Lüders, Gesetzlich enthemmter Geheimdienst, in: Vorgänge 326  Durner,



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dung des Bundesverfassungsgerichtes zum Schifffahrtsregister, in welcher das Gericht urteilte, dass Grundrechte auf Auslandssachverhalte und gegenüber Ausländerinnen und Ausländern im Ausland anwendbar seien, wenn diese auf einem Schiff tätig sind, dass in Deutschland registriert wurde, aber unter anderer Flagge fuhr.331 Generell kann jedoch aus der Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung herausgelesen werden, dass dies nicht eine Frage ist, ob die Grundrechte in diesen Fällen gelten, sondern wie.332 Nicht unter den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG fallen solche Informationen, die nicht die laufende Fernkommunikation oder die in diesem Zusammenhang stehenden Verbindungsdaten betreffen.333 Unbeachtlich ist 2016, S. 43 (44 f.). Siehe auch Ogorek, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOKGG, 39. Ed. 2018, Rn. 48, welcher das auch aus dem Sinn der Ausgestaltung als Menschenrecht ableitet. Ebenso Bäcker, Stellungnahme zu den Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 G, S. 2, nach welchem die besondere Lage von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland keine generelle Abschwächung des Grundrechtsstandards erlaube. 331  BVerfGE 92, 26, 49 f. – Schifffahrtsregister. 332  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VerwArch 2015, Vol. 106, S. 437 (438 f.) mit Verweis auf BVerfGE 125, 260, 355 f. – Vorratsdatenspeicherung. Ähnlich Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (546); Bäcker, Expertenanhörung NSA-Untersuchungsausschuss vom 22.05.2014, MAT A SV-2/2, UA Drs. 54, S. 23; Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (966 ff., 974); Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4; Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (6 f.); Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (163). A. A. Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl. 2017, S. 525 (528), nach welchem ein Eingriff in Art. 10 GG schon deswegen nicht vorläge, weil der Schutzbereich bei strategischen Maßnahmen erst tangiert sei, wenn eine De-Anonymisierung der Kommunikation vorläge. Ähnlich Proelß/Daum, Verfassungsrechtliche Grenzen der Routinefernaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst, in: AÖR 2016, Vol. 141, S. 373 (406 f.). 333  Das wäre bei Telefonaten das „Auflegen“ und bei Briefen der Einwurf in den Empfängerbriefkasten. Die E-Mail ist dem Brief vergleichbar. Allerdings sind auch die näheren Umstände der E-Mail geschützt. Daher spräche die Effektivität des Grundrechtsschutzes dafür, dass gewisse Daten auch nach Beendigung geschützt sein müssten, sofern sie als Speicherung aus der Beendigung des Gesprächs resultieren. So BVerfGE 124, 43, 55 – Beschlagnahme von E-Mails, nach welchem das Versenden und (erstmalige) Abrufen einer E-Mail von Art. 10 Abs. 1 GG umfasst werde. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass beim E-Mail-Verkehr nur Art. 10 Abs. 1 GG einschlägig sei, da diese auf dem Provider-Server gespeichert sind und dieser permanent den Mailserver bereitstellt – in conclusio erst mit Beendigung der Bereitstellung des Providers würde ein Kommunikationsvorgang beendet sein. Würde der Schutz von Art. 10 GG nur so lange reichen, bis man ordnungsgemäß zum ersten Mal Kenntnis der E-Mail erhält, würde der Schutz leerlaufen, da technisch bedingt Ver-

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

jedoch, ob die Kommunikation über das Internet oder herkömmliche Leitungen vermittelt wird.334 c) Die Geltungsreichweite des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus personeller und sachlicher Schutzbereichsperspektive Im Unterschied zu Art. 10 GG schützt das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nur die abgeschlossenen und gespeicherten Telekommunikationsvorgänge, die Einzelne einem informationstechnischen System anvertraut haben, auf welches der Staat erst nach Beendigung der Telekommunikation zugreift.335 Dieses vielfältigungen ohne weiteres möglich seien. Ein Ende kann somit allemal dann angenommen werden, wenn die E-Mail von der Empfängerin bzw. vom Empfänger unwiderruflich beim Provider gelöscht wird und sie einzig auf einem in deren Herrschaftsbereich befindlichen Speichermedium abgelegt wird oder der Zugriff auf die E-Mail nur auf diesem Speichermedium erfolgt. Siehe dazu ausführlich Schwabenbauer, Kommunikationsschutz durch Art. 10 GG im digitalen Zeitalter, in: AÖR 2012, Vol. 137, S. 1 (12); Störing, Zum strafprozessualen Zugriff auf gespeicherte E-Mails, in: MMR 2008, S. 187 (188). 334  Beispielsweise werden Gespräche von Skype- oder WhatsApp-Call nicht über Satelliten-, sondern direkt über Internetleitungen verbunden. Vgl. Wolff, Art. 10 GG, in: Hömig/ders., Grundgesetz, 2016, S. 183; Schwabenbauer, Kommunikationsschutz durch Art. 10 GG im digitalen Zeitalter, in: AÖR 2012, Vol. 137, S. 1 (9). 335  Hierunter würden die gespeicherte SMS auf der SIM-Karte eines Handys fallen sowie die gespeicherte E-Mail auf dem Computer oder einer externen Festplatte. Nicht hingegen gelangt eine E-Mail automatisch in den Herrschaftsbereich der Empfängerinnen bzw. Empfänger, soweit sie ausschließlich beim Provider gespeichert ist. Vgl. hierzu BVerfGE 115, 166, 184 – Kommunikationsverbindungsdaten; Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Rn. 14 ff.; Bär, Auslesen der SIM-Karte bei beschlagnahmtem Mobiltelefon, in: MMR 2005, S. 523 (524); Günther, Zur strafprozessualen Erhebung von Telekommunikationsdaten, in: NStZ 2005, S. 485 (489); Murswiek/Rixen, Art. 2 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 73c; Schwabenbauer, Kommunikationsschutz durch Art. 10 GG im digitalen Zeitalter, in: AÖR 2012, Vol. 137, S. 1 (9). Es ist umstritten, ob es zusätzlich zur Ausprägung dieses Rechts das Allgemeine Persönlichkeitsrechts oder die informationelle Selbstbestimmung bedarf. Siehe für ersteres Hoffmann-Riem, Der grundrechtliche Schutz der Vertraulichkeit und Integrität eigengenutzter informationstechnischer Systeme, in: JZ 2008, S. 1009 (1015); Britz, Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, in: DÖV 2008, S. 411 (411 ff.); Leisner, Das neue „Kommunikationsgrundrecht“, in: NJW 2008, Vol. 61, S. 2903 (2903 ff.); Roßnagel/ Schnabel, Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und sein Einfluss auf das Privatrecht, in: NJW ­ 2008, Vol. 61, S. 3534 (3534). A. A. Dreier, Art. 2 I GG, in: ders., Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Rn. 84. Den Streit für obsolet erklärend, da beide Ausprägungen einen ähnlichen Grundrechtsschutz gewährleisten: Starck, Art. 2 GG, in: Mangoldt/Klein/ Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 246.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz151

„Computer-Grundrecht“ kommt nur zum Tragen, wenn speziellere Grundrechte – wie insbesondere Art. 10 Abs. 1 GG – nicht oder nicht hinreichend greifen.336 Die Einführung sollte vor allem die Lücken schließen, die im Rahmen der sog. „Quellen-TKÜ“ entstanden, bei der auf abgeschlossene Kommunikationen, die in informationstechnischen Systemen aller Art gespeichert werden, zugegriffen wurde.337 Das Grundrecht zum Schutz informationstechnischer Systeme bezieht sich nicht nur auf Kommunikationsvorgänge, sondern erfasst alle Daten – sog. Metadaten – die in solchen Systemen hinterlassen oder generiert werden.338 Hierbei stellt sich ebenso die Frage der räumlichen Geltungsreichweite, sofern der BND nicht nur auf laufende Kommunikationen und entsprechende Verbindungsdaten zugreift, sondern vor allem informationstechnische Systeme infiltriert und Metadaten überwacht und verarbeitet werden. Persönlich schützen auch die Gewährleistungen aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG alle Menschen und stehen nicht unter dem Vorbehalt der deutschen Staatsbürgerschaft.339 Sachlich ist zu konstatieren, dass das Bundesverfassungsgericht zwar die Frage offen ließ, ob die räumliche Geltungsreichweite bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen ebenso für andere Grundrechte nach den für Art. 10 GG aufgestellten Kriterien gelten.340 Betrachtet man sich jedoch die Schutzintention, die die Lücken von Art. 10 Abs. 1 GG schließen soll, kommt man nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Bundesverfassungsgericht verwies vermehrt darauf, dass trotz anderem Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG und des Schutzes informationstechnischer Systeme dieselbe Intention und ähnliche Maßstäbe gelten.341 Betrachtet man (menschliche) Kommunikation als ein „auf Verständigung angelegtes, prozesshaftes Geschehen […], das Informationen, Mitteilungen und Verstehen zu einer einheitlichen Operation verknüpft“ und will man diese Kommunikation geheim halten vor staatlicher Einflussnahme,342 kann 336  Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7.  Aufl. 2018, S. 1068; BVerfGE 120, 274, 302 – Online-Durchsuchung; 113, 348, 364 – vorbeugende TKÜ in Bezug auf ISB. Roßnagel/Schnabel, Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und sein Einfluss auf das Privatrecht, in: NJW 2008, Vol. 61, S. 3534 (3534 f.). 337  BVerfGE 120, 274, 306  f. – Online-Durchsuchung. Siehe ausführlich dazu Sachs/Krings, Das neue „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“, in: JuS 2008, Vol. 48, S. 481 (481 ff.). 338  BVerfGE 120, 274, 308 f. – Online-Durchsuchung. 339  Murswiek/Rixen, Art. 2 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 39; Di Fabio, Art. 2 Abs. 1 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 223. 340  BVerfGE 100, 313, 364 – TKÜ I. 341  Siehe BVerfGE 133, 277, 373 – ATDG; 141, 220, 269 ff. – BKAG. 342  Schwabenbauer, Kommunikationsschutz durch Art. 10 GG im digitalen Zeit­ alter, in: AÖR 2012, Vol. 137, S. 1 (8).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

es mithin keine Differenzierung zwischen andauernder und abgeschlossener Kommunikation geben. Aus diesem Verständnis heraus urteilte das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung, dass die Maßstäbe des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sich auf Art. 10 GG übertragen ließen.343 Daher muss im Umkehrschluss auch hier gelten, wenn auslandsnachrichtendienstliche Stellen vom deutschen Boden aus agieren und auf informationstechnische Systeme zugreifen, die Grundrechte qua Gebietskontakt gelten. Selbiges muss der Fall sein, wenn informationstechnische Systeme sich eindeutig in Deutschland befinden – mithin die Server der Telekommunikationseinrichtungen, das Handy samt gespeicherter Kommunikation oder der Laptop mit dem Browserverlauf tatsächlich in Deutschland ortbar sind. Problematisch ist aber auch hier, ob eine Geltung bei reinen Auslandssachverhalten eintritt. Die informationstechnischen Systeme dienen ebenso der Fernkommunikation und der Persönlichkeitsentfaltung, für welche sie auf Dritte angewiesen sind, was mit einer Einbuße an Privatheit einhergeht und die abwehrrechtliche Dimension hervorhebt.344 Geschützt ist mithin das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer darin, dass deren Daten in den informa­ tionstechnischen Systemen vertraulich bleiben.345 Ähnlich wie bei Art. 10 Abs. 1 GG soll somit nicht ein örtlicher Kommunikationsvorgang, sondern vielmehr bereits stattgefundene Kommunikation und generierte Daten vor dem Zugriff des Staates und unbefugten Dritten geschützt werden. Nur weil eine Kommunikation bereits in realer Zeit abgeschlossen ist, heißt dies nicht, dass eine gespeicherte Kommunikation wesentlich weniger schutzwürdig ist. Da die Nutzerinnen und Nutzer informationstechnischer Systeme darauf vertrauen können, dass die Daten nicht durch unbefugte Dritte benutzt werden, was eine Manipulation oder Ausspähung verhindern soll, besteht sogar ein erweitertes Schutzbedürfnis vor Ausspähungen.346 Daher gilt erst recht das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informa­ tionstechnischer Systeme, sofern der BND zurechenbar ausländische Telekommunikation überwacht.347 343  BVerfGE 100, 313, 359 – TKÜ I mit Bezug zu BVerfGE 65, 1, 44 ff. – Volkszählung. Im Ergebnis auch Papier, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz in der digitalen Gesellschaft, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 3025 (3029). 344  Sachs/Krings, Das neue „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“, in: JuS 2008, Vol. 48, S. 481 (486). 345  Roßnagel/Schnabel, Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und sein Einfluss auf das Privatrecht, in: NJW 2008, Vol. 61, S. 3534 (3535). 346  So vormals BVerfGE 120, 274, 314 – Online-Durchsuchung. Ein Vertrauen besteht jedoch nur so lange, wie ausgeschlossen werden kann, dass nur berechtigte Nutzerinnen und Nutzer das System nutzen.



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d) Staatliche Beschränkungsmaßnahmen durch die technische Fernmeldeaufklärung Ein Eingriff in den geschützten Bereich von Art. 10 GG liegt vor, wenn sich staatliche Behörden – ohne Kenntnis oder Zustimmung der Betroffenen – Inhalte oder Erkenntnisse der Telekommunikation, Verbindungs- oder Standortdaten verschaffen, sofern nicht die Telekommunikation (zwischen deutschen Anschlüssen) technisch bedingt ungezielt miterfasst wird, „aber unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder spurenlos ausgesondert“ wurde.348 Diese Maßnahmen haben wegen ihrer Heimlichkeit eine hohe Eingriffsintensität.349 Zudem erstreckt sich der Schutz vor staatlichen Eingriffen auf den Prozess der Datenverarbeitung, weswegen „jedes Erfassen, Speichern, Abgleichen, Auswerten, Selektieren und Übermitteln“ einen weiteren eigenen Eingriff in Art. 10 GG darstellt.350 Das gilt auch dann, wenn der ursprüngliche Erhebungszweck geändert wird.351 Ebenfalls wäre die gesetzliche Verpflichtung privater Telekommunikationsanbieter, die über sie erfolgten Verbindungen Kommunikationsinhalts- bzw. Kommunikationsverkehrsdaten zu erheben, zu speichern oder herauszugeben, ein Eingriff in Art. 10 GG, da diese „allein als Hilfspersonen für die Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden in Anspruch genommen“ werden.352 Die weitere Verwendung, anschließende Speicherung nach Auswertung dieser erfassten Informationen sowie die Weitergabe an andere innerstaatliche oder ausländische Behörden stellen eigene Eingriffe in Art. 10 GG dar – unabhängig da-

347  Papier, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz in der digitalen Gesellschaft, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 3025 (3029), der den Schutz nur insbesondere über Art. 10 GG gewährleistet sieht. Für weitere Grundrechte, die transnationale oder extraterritoriale Geltung auslösen können: Paulus, Schutz des geistigen Eigentums, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 825 (852), welcher zumindest für den Schutz des geistigen Eigentums i. S. d. Art. 14 GG und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Verpflichtung im Ausland anerkennt. 348  BVerfGE 100, 313, 359, 366 f. – TKÜ I. 107, 299, 313 – Handyüberwachung; 125, 260, 309 f. – Vorratsdatenspeicherung; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 13. 349  BVerfGE 113, 348, 365 – vorbeugende TKÜ. 350  BVerfGE 100, 313, 359, 366 f. – TKÜ I. 351  BVerfGE 113, 348, 365 ff. – vorbeugende TKÜ. 352  BVerfGE 125, 260, 311 – Vorratsdatenspeicherung. Siehe auch Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2010, S. 256; Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 1061 ff.; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 13.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

von, ob die weiteren Maßnahmen maschinell oder personell erfolgen.353 Die Verhinderung von Kommunikation stellt hingegen keinen Eingriff in Art. 10 GG dar.354 Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Konstellation, sofern ausschließlich der Standort des Handys ermittelt wird. Das Bundesverfassungsgericht lehnt hierbei einen Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG mit der Begründung ab, dass die Bestimmung des Standortes unabhängig davon erfolgt, ob das Handy zur Telekommunikation genutzt werde oder nicht.355 In der Literatur wird dies zumindest deshalb teilweise abgelehnt, da sich mit Verweis auf den Schutz der näheren Umstände eines Telekommunikationsvorgangs eine spezifische Gefahr verwirkliche, die eng mit der Telekommunikationstechnik verbunden sei.356 Ungeachtet dessen wäre es jedoch ein Eingriff in das Grundrecht auf die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Erfolgt demnach ein Zugriff auf abgeschlossene Telekommunikationen oder sonstige gespeicherten Metadaten, ist ein staatlicher Eingriff unmittelbar oder mittelbar anzunehmen. Dies gilt ferner für alle daran anschließenden Verarbeitungsvorgänge, die eigene Grundrechtseingriffe darstellen.357 e) Rechtfertigungskonstellationen auf verfassungsrechtlicher Ebene In Bezug auf auslandsnachrichtendienstliche Telekommunikationsüberwachungen führte das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich Art. 10 Abs. 1 GG aus, dass diese Beschränkungsmaßnahmen eine gesetzliche Regelung benötigen, die verhältnismäßig sein müsse.358 Hierfür verweist es auf die im Volkszählungsurteil aufgestellten Maßstäbe zu Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, die genauso für die Fernmeldefreiheit gelten.359 Umfang und Voraussetzungen der Beschränkungen müssten sich demnach für die Einzelnen klar und erkennbar aus einem Gesetz ergeben, der Zweck 353  BVerfGE 100, 313, 366 – TKÜ I; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 13. 354  So Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2010, S. 256. 355  Ebd., S. 256. Siehe auch BVerfGE 85, 386, 399 – Fangschaltung, wonach ein Eingriff erst bei Zustimmung beider Kommunikationsteilnehmer ausgeschlossen ist. 356  Hermes, Art. 10 GG, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Rn. 56. 357  BVerfGE 100, 313, 360 – TKÜ I. 358  Ebd., S. 359. Ferner BVerfGE 125, 260, 313 – Vorratsdaten­speicherung. 359  BVerfGE 100, 313, 359 – TKÜ I mit Verweis auf BVerfGE 65, 1, 44 ff. – Volkszählung. Ähnlich Papier, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz in der digitalen Gesellschaft, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 3025 (3029).



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der Eingriffe muss bereichsspezifisch und präzise bestimmt sein sowie die gewonnenen Daten den üblichen Verhältnismäßigkeitserwägungen standhalten.360 Hinsichtlich der Zweckbindung der Daten bei deren weiteren Verarbeitung ist strikt zu beachten, dass bei Zweckänderungen und der Weitergabe an andere Stellen für andere Zwecke selbst eine formell und materiell verfassungskonforme Rechtsgrundlage benötigt wird, die mit dem ursprünglichen Erhebungszweck nicht unvereinbar ist.361 Eine Kennzeichnung ist hierbei zwingend erforderlich.362 Ebenfalls müssen normenklare und bestimmte Regeln existieren, die die Vernichtung der Daten vorsehen, wenn sie nicht mehr benötigt werden oder nicht dem Erhebungszweck dienen.363 Darüber hinaus müssen heimliche Anordnungen unter einem Richtervorbehalt stehen364 und unterliegen zumindest Beschränkungen der Fernmeldefreiheit dem Zitiergebot.365 Bei der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit kommt es zudem darauf an, wie hoch die Anordnungsschwellen, wie viele Personen betroffen, wie intensiv die Maßnahmen sind und welche Informationen erfasst werden.366 Durch den einfachen Gesetzesvorbehalt wird der Staat somit ermächtigt, besonders weitgehende Eingriffe vorzunehmen.367 Daher sind diese Maßnahmen restriktiv anzuwenden. Unverhältnismäßig weit wäre beispielsweise ein Gesetz, dass auf die vorsorgliche flächendeckende Speicherung aller als nützlich erachteten Daten abzielen würde. Das Verbot der Totalerfassung, für die die Streubreite der gesetzlichen Ermächtigung entscheidend ist, leitet sich nach dem Bundesverfassungsgericht aus Art. 1 Abs. 1 GG her, das

360  BVerfGE 100, 313, 359 f. – TKÜ I. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber nicht, dass die konkrete Maßnahme explizit vorhersehbar ist, wohl aber, „dass die betroffene Person grundsätzlich erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist.“ BVerfGE 113, 348, 376 – vorbeugende TKÜ. Ferner BVerfGE 120, 274, 315 f. – Online-Durchsuchung; 125, 260, 313 – Vorratsdatenspeicherung; 141, 220, 269 – BKAG. 361  BVerfGE 65, 1, 51, 62 – Volkszählung; 100, 313, 360 – TKÜ I. 362  BVerfGE 100, 313, 360 f. – TKÜ I. 363  Ebd., S. 362. 364  Siehe zu den weiteren Anforderungen an effektiven Rechtsschutz und bei Mitteilungspflichten an die Betroffenen Abschnitt D.I. 365  BVerfG 65, 1, 43 ff. – Volkszählung. 366  BVerfGE 113, 348, 382 – vorbeugende TKÜ. 367  Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2010, S. 256; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 13 f.

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gem. Art. 79 Abs. 3 GG zur Identität der Verfassung gehört.368 Ebenfalls stellte es klar, dass die „Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder nicht bestimmbaren Zwecken“ mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre.369 In der Anschlussentscheidung zur vorbeugenden Telekommunikationsüberwachung erhöhte das Gericht sogar die Anforderungen an die Bestimmtheit, „wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert.“370 Daher seien vor allem Verdachtsüberwachungen und Vorfeldermittlungen nur in ganz engen Grenzen möglich.371 Das bedeutet jedoch nicht, dass von Überwachungsmaßnahmen stets nur Zielpersonen betroffen sein müssen. Zwar dürfen sich solche Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich nur gegen die Zielpersonen richten, allerdings ist es verfassungsrechtlich zulässig, wenn die zielgerichteten Maßnahmen unvermeidbar auch Dritte miterfassen – beispielsweise wenn die Zielperson mit einer anderen Person kommuniziert und davon auszugehen ist, dass sie ein relevantes Gespräch führen oder sich Dritte zur gleichen Zeit mit der Zielperson in der überwachten Wohnung aufhalten.372 Ein heimlicher Zugriff zu präventiven Zwecken erfordert angesichts der Intensität des Eingriffs eine im Einzelfall hinreichend konkrete Gefahr für besonders gewichtige Rechtsgüter.373 Aber bereits in den Entscheidungen zur Online-Durchsuchung und zum BKAG entschied das Bundesverfassungsgericht für den polizeilichen Bereich, dass selbst hier die „tradierten“ Anforderungen des Polizeirechts an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert werden müssten und Überwachungen selbst dann zulässig wären, wenn sich „noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr schon in näherer Zukunft eintritt“.374 In Bezug auf terroristische Straftaten darf darauf abgestellt werden, „ob das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in überschaubarer Zukunft terroristische Straftaten begeht.“375 Diese Vorverlagerung wäre allerdings überschritten, wenn sich noch nicht einmal „Konturen [einer] absehbaren konkreten Gefahr für die Schutzgüter der Norm“ bestimmen lie368  BVerfGE

100, 313, 366 – TKÜ I; 125, 260, 323 f. – Vorratsdatenspeicherung. 100, 313, 360 – TKÜ I. 370  BVerfGE 113, 348, 376 – vorbeugende TKÜ. 371  Ebd., S.  377 f. 372  BVerfGE 109, 279, 352 ff. – Großer Lauschangriff; 141, 220, 273 f. – BKAG. 373  BVerfGE 120, 274, 326 ff. – Online-Durchsuchung. Siehe auch BVerfGE 141, 220, 270 f. – BKAG, worin das Bundesverfassungsgericht Leib, Leben, Freiheit der Person und den Bestand und die Sicherheit des Staates fasst. 374  BVerfGE 120, 274, 326 ff. – Online-Durchsuchung; 141, 220, 272 – BKAG. 375  BVerfGE 141, 220, 291 – BKAG. 369  BVerfGE



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ßen.376 Das hielt das Gericht zumindest in Fällen für unverhältnismäßig, in denen bloß die Vorbereitung einer terroristischen Straftat ausreichte.377 Ob diese Ansicht für die nachrichtendienstliche Überwachung adaptiert werden kann, dürfte jedoch fraglich erscheinen.378 Ein Eingriff muss vor allem mit der Bedeutung des legitimen Ziels und den dahinterstehenden Rechtsgütern sowie der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Rechtsverletzung abgewogen werden.379 Je tiefer die Überwachungen in das Privatleben reichen, desto strengere Anforderungen gelten.380 Insbesondere bedarf es hinreichender Vorkehrungen, dass Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung vermieden werden.381 Dessen Berührung schließt selbst bei einem überragenden öffent­ lichen Interesse eine Rechtfertigung aus.382 Bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen ist es hingegen nicht immer von Vornherein möglich vorherzusehen, ob auch Gespräche mit höchstpersönlichem Charakter erhoben werden.383 Um der Bestimmung kernbereichsrelevanter Sachverhalte Rechnung zu tragen, reicht laut dem Bundesverfassungsgericht ein zweistufiges Schutzkonzept aus, nach welchem vor Verwendung der Daten kernbereichsrelevan-

376  BVerfGE

141, 220, 273 – BKAG. S. 310. 378  Vgl. dazu dann näher Abschnitt C.II.3. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Wilhelm Schluckebier vertrat auf dem 2. Symposium zum Nachrichtendienstrecht allerdings die Ansicht, dass die Ausführungen des BKAG-Urteils grundsätzlich auch auf die Nachrichtendienste übertragbar seien. So zitiert im Bericht von Förster, 2. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2018, Vol. 37, S. 711 (711). 379  BVerfGE 113, 348, 382 – vorbeugende TKÜ. 380  BVerfGE 141, 220, 269 – BKAG. 381  BVerfGE 120, 274, 302, 335 – Online-Durchsuchung. 382  BVerfGE 34, 238, 245 f. – Tonbandaufnahme; 80, 367, 373 ff. – Tagebuchaufzeichnung; 109, 279, 313 ff. – Großer Lauschangriff.; 113, 348, 391 f. – vorbeugende TKÜ; 120, 274, 335 ff. – Online-Durchsuchung; 129, 208, 245 ff. – TKÜ-Neuregelung. Ebenso Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S.  13 f.; Lang, Art. 2 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 46. 383  Bspw. können hierfür innere Vorgänge, Empfindungen, Gefühle, Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art sowie Ausdrucksformen der Sexualität benannt werden. So Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 13 f. Nicht in den Kernbereich fallen hingegen Sachverhalte mit unmittelbarem Bezug auf konkret geplante oder vergangene Straftaten. Siehe BVerfGE 80, 367, 375 – Tagebuchaufzeichnung; 109, 279, 319 – Großer Lausch­angriff. 377  Ebd.,

158

C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

tes Material herausgefiltert wird.384 Auf einer ersten Stufe muss bereits sichergestellt werden, dass die Erhebung kernbereichsrelevanter Daten möglichst vermieden wird. Werden die Daten ausnahmsweise – beispielsweise wegen einer besonderen Gefahrenlage – doch erhoben, dürfen diese auf zweiter Stufe zumindest „nicht gespeichert, verwertet oder weitergegeben werden, sondern sind sie unverzüglich zu löschen“.385 Für diese bestehen mithin Verwertungsverbote und Verpflichtungen zur Protokollierung der Löschungen.386 Selbige Vorkehrungen gelten für bestehende Vertrauensverhältnisse von beruflichen Geheimnisträgern.387 Das Bundesverfassungsgericht stellte auch klar, dass bei starkem Auslandsbezug staatlicher Überwachungsmaßnahmen Modifikationen und Differenzierungen dieser Vorgaben möglich seien, die im Einklang mit den völkerrechtlichen Bestimmungen stehen müssen.388 Das Gericht ließ genaue Ausführungen hierzu jedoch unbeantwortet. Zutreffend müssen jedoch folgende Überlegungen Berücksichtigung finden: Je mehr ein Grundrecht auf die bundesdeutsche Rechts- und Sozialordnung bezogen ist, desto eher wäre die Wirkung auch auf jene beschränkt.389 Je deutlicher allerdings der universelle Schutz der Grundrechte – insbesondere der Menschenwürde – hervortritt, desto eher gelten die Grundrechte unverändert gegenüber In- oder Aus384  BVerfGE 113, 348, 391 f. – vorbeugende TKÜ; 120, 274, 337 ff. – OnlineDurchsuchung; 141, 220, 275 – BKAG. Ferner Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 13 f. 385  BVerfGE 120, 274, 338 – Online-Durchsuchung; 141, 220, 307 – BKAG. So auch Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S.  13 f. 386  BVerfGE 141, 220, 307 ff. – BKAG. 387  BVerfGE 109, 279, 319 – Großer Lauschangriff; 141, 220, 277 – BKAG. Bspw. Beichtväter bzw. Beichtmütter, Psychologinnen bzw. Psychologen, Strafverteidigerinnen bzw. Strafverteidiger. 388  BVerfGE 31, 58, 74 ff. – Spanier-Beschluss; 100, 313, 363 – TKÜ I. So auch bzgl. aller Grundrechte in diesem Zusammenhang Papier, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz in der digitalen Gesellschaft, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 3025 (3029). Vgl. ferner Stettner, Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 4, 2011, S. 335, Rn. 25 f., welcher zu Recht auf die völkerrechtlichen Grenzen der Grundrechtsgeltung hinweist. Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (552); Hofmann, Art. 1 GG, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, S. 153. 389  So schon Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (548) mit Verweis auf Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 4, Art. 14 GG. Ähnlich Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, S. 265.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz159

länderinnen und Ausländern.390 Auf der anderen Seite dürfen Aspekte der internationalen Kooperation,391 der außenpolitischen Belange, die Durchsetzbar- oder die Realisierbarkeit des außerterritorialen Grundrechtsschutzes nicht außen vor bleiben.392 Vor allem letzteres kam in der Entscheidung zum Schifffahrtsregister zum Tragen: Wenn die Grundrechte nicht vollständig verwirklicht werden können und ein Nichthandeln des Gesetzgebers den Grundrechtsschutz noch weniger gerecht würde, kann ein Zustand, der „näher am Grundgesetz“ ist, gefordert sein.393 f) Internationale Einflüsse auf die Grundrechtswertungen bei der technischen Fernmeldeaufklärung aa) Konventionskonforme Auslegung der Grundrechtsgeltung Wie bereits dargelegt, sind für die Auslegung der deutschen Grundrechte die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR von entscheidender Bedeutung.394

390  Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (548). Ähnlich Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (732), nach welchem die internationalen Menschenrechte und die Würde des Menschen zu den Einzelgewährleistungen des Grundgesetzes in engem Zusammenhang stehen. 391  BVerfGE 143, 101, 139 ff. – NSA-Selektorenliste. 392  Baldus, Transnationales Polizeirecht, 2000, S. 185 ff.; Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (553). 393  BVerfGE 92, 26, 45 ff. – Schiffahrtsregister; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte, 2005, S. 128; Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (552); Kingreen/Poscher, Grundrechte, 32. Aufl. 2016, S. 56. 394  BVerfGE 92, 26, 45 ff. – Schiffahrtsregister; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte, 2005, S. 128; Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (552); Kingreen/Poscher, Grundrechte, 32. Aufl. 2016, S. 56. Siehe u. a. BVerfGE 31, 58, 74 ff. – Spanier-Beschluss; 100, 313, 363 – TKÜ I; 141, 220, 275 – BKAG. So auch bzgl. aller Grundrechte in diesem Zusammenhang Papier, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz in der digitalen Gesellschaft, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 3025 (3029). Vgl. ferner Stettner, Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 4, 2011, S. 335, Rn. 25 f., welcher zu Recht auf die völkerrechtlichen Grenzen der Grundrechtsgeltung hinweist. Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (552); Hofmann, Art. 1 GG, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, S. 153; Huber, Vorbemerkung G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1354. Siehe dafür auch Abschnitt C.II.1.b)dd)(2).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Der EGMR – unter Berufung auf die Venice Commission395 – stellte dabei dezidiert fest, welche Anforderungen staatliche Überwachungsmaßnahmen im digitalen Zeitalter einhalten müssen. Der Gerichtshof misst jede nachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahme an Art. 8 EMRK unabhängig davon, wo diese vollzogen wird.396 Er hat unterschiedliche Aspekte der Überwachungsmaßnahmen in den Schutzbereich eingeordnet, die er grundsätzlich am Einzelfall misst.397 Danach fallen die Überwachung von stattfindender und abgeschlossener Kommunikation, zielgerichtete und flächendeckende Maßnahmen sowie Kommunikationsinhalts- sowie Metadaten oder GPS-Überwachungen unter Art. 8 EMRK, wobei die Liste an Maßnahmen nicht abschließend ist.398 Ebenso wurde in der Entscheidung der ersten Kammer des EGMR in Big Brother Watch and Others v. United Kingdom die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen mit Zielen im Ausland an der Konvention gemessen, obgleich zu den Beschwerdeführern ausländische Staatsangehörige zählten, die sich gerade nicht in einem Konventionsstaat aufhielten oder dort wohnhaft waren.399 Ähnlich entschied der EGMR in der Entscheidung Centrum för Rättvisa v. Sweden, in der er auslandsbezogene strategische Überwachungsbefugnisse ebenfalls ohne Bedenken an der EMRK gemessen hat.400 Die Entscheidungen sind jedoch beide noch nicht rechtskräftig, da sie bei der Großen Kammer anhängig sind. Bei der Rechtfertigung all dieser Maßnahmen stellte der EGMR fest, dass die Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum haben, um zu bestim395  Report of the European Commission for Democracy through Law („Venice Commission“) on the Democratic Oversight of Signals Intelligence Agencies, CDLAD(2015)011, 2015. Diese forderte Mindestanforderungen für Anordnungen von Überwachungen und deren unabhängige, externe Kontrolle, ebd., S. 20, 27 ff. Ähnliche Anforderungen seitens der UN: Report of the Office of the UN High Commis­ sioner for Human Rights, The Right to Privacy in the Digital Age, UN Doc. A/ HRC/27/37, S.  5 ff. 396  EGMR, Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn.  407 ff.; Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 87. Teilweise werden aber auch Art. 10 oder 6 EMRK geprüft. 397  Siehe dazu bereits EGMR, Klass and Others v. Germany, Appl. No. 5029/71, Rn. 34; Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 124; Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 78; Liberty and Others v. UK, Appl. No. 58243/00, Rn. 56 f.; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 164, 232. Anders jedoch bei EGMR, Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 98. 398  EGMR, Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 130; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 173 ff., 227; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 52; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 303, 311 ff. 399  EGMR, Big Brother Watch and Others v. United Kingdom, Appl. No. 58170/13 u. a., Rn.  271. 400  EGMR, Centrum för Rättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz161

men, wann Gesetze effektiv die nationale Sicherheit oder den Ordre public schützen401 – was auch in anderen internationalen Instrumenten jeweils als legitime Ausnahme gilt.402 Allerdings besteht wegen der großen Missbrauchsgefahr geheimer moderner Überwachungsmaßnahmen, die mittlerweile sehr tiefgehende Eingriffe ermöglichen, nur ein eingeschränkter Ermessensspielraum. Daher ist eine Rechtfertigung solcher Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässig, wenn innerstaatlich ein Gesetz existiert, dass notwendig ist, um einen der dort aufgezählten Gründe zu verwirklichen und mit einer demokratischen Gesellschaft und rechtsstaatlichen Prinzipien im Einklang steht.403 Zu dessen Bestimmung stellt der EGMR gewisse Mindestanforderungen auf, die sowohl für gezielte als auch flächendeckende Überwachungen gelten.404 Es bedarf eines Gesetzes, das zur Erreichung eines legitimen Ziels – in diesen Fällen zumeist der nationalen Sicherheit – dient und die Interessen zur Erreichung dieses Ziels mit den Interessen der Individuen auf Privatheit und dem Erhalt eines demokratischen, rechtstaatlichen Systems in ein angemessenes Verhältnis setzt.405 Dafür muss das Gesetz allgemein zugänglich und hinreichend vorhersehbar sein, welche klar definierten Straftaten und Personen bzw. Personengruppen von solchen Überwachungsmaßnahmen betroffen sein können.406 Es bedarf normenklarer, bestimmter Regelun401  Art. 8 Abs. 2 EMRK. Vgl auch EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 232; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 55 f.; Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 108 ff. 402  U. a. IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opinion), I.C.J. Rep. 2004, S. 136, Rn. 106, Rn. 129, 136 f.; UN High Commissioner for Human Rights, Report on the right to privacy in the digital age, UN Doc. A/HRC/27/37, S. 8 f.; HRC, General Comment No. 34, UN Doc. CCPR/C/GC/34, S. 5; Art. 4 Abs. 2 EUV. Auch die OECD Guidelines on the Protection of Privacy and Transborder Flows of Personal Data, die 2013 für den digitalen Schutz der Privatsphäre überarbeitet wurden, enthalten in Part I Ausnahmen für die nationale Sicherheit, die jedoch restriktiv ausgelegt werden sollen. 403  EGMR, Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 130, 151; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 227 ff. 404  EGMR, Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 315; Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 99 ff. 405  EGMR, Malone v. UK, Appl. No. 8691/79, Rn. 67; Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 151; Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 93; Association for European Integration and Human Rights and Ekimdzhiev v. Bulgaria, Appl. No. 62540/00, Rn. 75; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 228 f., 232; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 56, 59; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 305 f. 406  So schon EGMR, Rotaru v. Romania, Appl. No. 28341/95, Rn. 52; S. and Marper v. UK, Appl. No. 30562/04 & 30566/04, Rn. 95. Das heißt jedoch nicht, dass der Personenkreis nicht auch legitim ausgeweitet werden darf oder überhöhte Anforderungen hierfür gelten. Die Regelungen dürfen jedoch nicht zu einer unbestimmten Anzahl an potenziell Betroffenen führen. Es kann aber gerechtfertigt sein, wenn auch

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

gen zur Begrenzung der Abhördauer,407 zum Verfahren der Verarbeitung der (personenbezogenen) Daten, Vorsichtsmaßnahmen bei der Weitergabe und Löschungsregelungen für nicht einschlägige oder nicht verwertbare Daten, die erhoben wurden.408 Darüber hinaus werden auch die Kontrolle dieser Tätigkeiten, Benachrichtigungspflichten und Rechtsbehelfe verlangt.409 Ob ein Gesetz nicht mehr dem demokratischen Rahmen unterfällt, bemisst sich dabei vor allem am Umfang (Massenüberwachung oder spezifische Überwachung)410, der Dauer, der Bestimmtheit der Regeln, wer die Maß­ nahmen erlassen darf, wie weit der Ermessensspielraum der Exekutive zur Bestimmung der nationalen Sicherheit ist411 und der Art der Rechtsmittel, die gesetzlich vorgesehen sind, sowie, ob eine effektive, unabhängige und externe Kontrolle gegeben ist.412 Die Überwachungsmaßnahmen müssten ­ restriktiv verstanden werden.413 bb) Weitere menschenrechtliche Einflüsse auf die Grundrechtsgeltung Wegen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und der Bedeutung von Art. 1 Abs. 2 GG spielen mithin auch Erwägungen der weiteren menschenrechtlichen Instrumente im Wege der völkerrechtskonformen AusPersonen überwacht werden, die nicht selbst eine Straftat begangen haben, aber in Verbindung dazu stehen oder Informationen beitragen können – der Personenkreis darf jedoch nicht zu weit gestreut sein. Siehe dazu EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 245; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 62. 407  Eine Dauer von sechs Monaten mit sechs Monaten Verlängerung wurde nicht bemängelt: EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 249. 408  So bereits EGMR, Huvig v. France, Appl. No. 11105/84, Rn. 34; Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 46; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/ 06, Rn. 231, 253 ff.; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 307. Siehe auch Ewer/Thienel, Völker-, unions- und verfassungsrechtliche Aspekte des NSA-Datenskandals, in: NJW 2014, Vol. 67, S. 30 (33 f.). 409  EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 238; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 307. 410  Wobei Massenüberwachungen zwar verboten sind, aber durch die Einhaltung von Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung einer allumfassenden Überwachung erlaubt sein können. So im Fall EGMR, Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 307, Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 108 ff. Nicht jedoch bei EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 265; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 52 ff.; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 311. 411  EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 248. 412  Ebd., Rn. 165, 232, 284, der hierin an die Forderungen der Venice Commission anknüpft. Siehe auch Fn. 395, Abschnitt C. Siehe zur Kontrolle näher Abschnitt D. 413  EGMR, Klass and Others v. Germany, Appl. No. 5029/71, Rn. 49 f., 59; Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 106; Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 153 f.; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 232.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz163

legung der Grundrechte eine Rolle. So ist auf internationaler Ebene die Geltung der Menschenrechte auch außerhalb des Territoriums weitestgehend anerkannt bei Gerichten,414 UN-Menschenrechtsorganen415 und in der Völkerrechtswissenschaft.416 Selbst andere Staaten gewährten Bürger- und Menschenrechte Ausländerinnen und Ausländern, die nicht auf dem eigenen Territorium von staatlichen Maßnahmen beschränkt wurden.417 Seit den Veröffentlichungen von Edward Snowden gab es gerade auf internationaler Ebene mehrere Impulse zum Schutz der Privatsphäre, die die extensive Überwachung im Ausland verurteilten und extraterritorialen Schutz forderten.418 Die Tendenz zur Ausweitung extraterritorialer Menschenrechtsverpflichtungen im digitalen Bereich tritt hier deutlich zu Tage, ohne jedoch die Tiefe angenommen zu haben, die der EGMR bereits vorweisen kann. g) Bewertung der Grundrechtsgeltung bei auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Maßnahmen des BND Wie bei der Bindungsreichweite spielen bei der Geltung der Grundrechte territoriale Aspekte eine entscheidende Rolle. Obgleich beide Anwendungsbereiche miteinander eng verknüpft sind, folgt die Geltungsreichweite nicht per se aus der Bindungsreichweite der Grundrechte, sondern muss positiv anhand jedes einzelnen betroffenen Grundrechts festgestellt werden. Dies fällt vor allem schwer, sofern es sich um auslandsbezogene Sachverhalte handelt. Dass Eingriffe staatlich gebundener deutscher Gewalt bei Auslands414  Siehe

schon Fn. 198, Abschnitt C. Concluding Observations on the 4th USA report, UN Doc. CCPR/C/ USA/CO/4, Rn. 22(d); UN Generalversammlung, Resolution on „the Right to Privacy in the Digital Age“, UN Doc. A/RES/68/167 68/167. 416  Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, 2011, S.  262 ff.; da Costa, Extraterritorial Application of Selected Human Rights Treaties, 2013, S.  301 ff.; Johann, Art. 1 EMRK, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2012, Rn. 20 ff. 417  U.K. House of Lords, British South African Co. v. Companhia de Moҫambique, A.C. 602 (1893), S. 624, in welchen das britische Gericht auch Übersee Kompensa­ tionen aussprach; Majesty’s Court of China and Japan, Hart v. Gumpach, 4 L.R.-P.C. 439 (1872), S. 463 f. 418  La Rue, Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, UN Doc. A/HRC/23/40; „Resolution on anchoring data protection and the protection of privacy in international law“ der 35th International Conference of Data Protection and Privacy; UN Generalversammlung, Resolution on the Right to Privacy in the Digital Age, UN Doc. A/RES/68/167 68/167; HRC, Concluding Observations on the 4th USA report, UN Doc. CCPR/C/ USA/CO/4, Rn. 22(d); UN High Commissioner for Human Rights, Report on the right to privacy in the digital age, UN Doc. A/HRC/27/37. Auch die EU hat zu weitreichende Überwachungen verurteilt: Report on the US NSA surveillance programme, 2013/2188(INI). 415  HRC,

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

bezügen generell nicht die Grundrechtsanwendung auslösen, kann jedoch nicht überzeugen. Wenn die Grundrechtsgeltung auf nationaler Ebene bei Überwachungsmaßnahmen wegen ihrer erhöhten Eingriffsintensität bejaht wird, verliert sie diese nicht nach dem Verlassen der nationalen Grenzen. Das hierfür vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wirkungs- oder Effektprinzip kann für diese Fälle nicht außer Acht gelassen werden. Daneben ist das Argument abzulehnen, eine Geltung der Grundrechte wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht in Form der Verletzung der Souveränität eines anderen Staates. Das Völkerrecht lässt gerade die Ausübung extraterritorialer Hoheitsgewalt zu, woraus allein jedenfalls noch keine Verkürzung des Grund- und Menschenrechtsschutzes geschlussfolgert werden kann.419 Zum einen ist eine selbstauferlegte Bindung an staatliche Gewährleistungen, ohne dass diese gleichzeitig andere Staaten bindet, nicht als Verletzung der Souveränität zu sehen. Zum anderen kann eine extraterritoriale oder transnationale Handlung, die sich auf fremdem Territorium auswirkt, nicht automatisch dazu führen, dass der räumliche Anwendungsbereich der nationalen Verfassungen ignoriert werden darf.420 Die fehlende extraterritoriale Grundrechtsgeltung würde sonst gerade zur Folge haben, die betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Ausland rechtsschutzlos zu stellen, was dem Sinn und Zweck grund- und menschenrechtlicher Regelungen klar widerstrebt.421 In contrario sollen aber vor allem die Grund- und Menschenrechte als „Antwort auf die Tendenzen zur Souveränität“422 verstanden werden und somit als Korrektiv der staatlichen Machtausübung zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger gelten.423 Entscheidend für die Bestimmung der Auslandsgeltung der deutschen Grundrechte muss vielmehr sein, ob das betroffene Grundrecht im speziellen Fall im Ausland Wirkung entfalten kann und ob hierfür ein hinreichend ter419  Badura, Der räumliche Geltungsbereich der Grundrechte, in: Merten/Papier, HGR, Bd. 2, 2006, S. 1060. Er umschreibt, dass es vielmehr der Begrenzung des Staates obliegt, auf dessen Gebiet agiert wird, wie er die Akte ausformt (bspw. im konsularischen, diplomatischen Bereich, Genehmigung von Gebietsbetretungen oder Einreisen über den Luft-, See- oder Landweg). 420  So Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (518 f.); Menzel, Internationales öffentliches Recht, 2011, S. 567. 421  Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland – Stößt der Grundrechtsschutz an seine Grenzen?, in: DÖV 2015, S. 596; Menzel, Internationales öffentliches Recht, 2011, S. 565. 422  Kriele, Zur Geschichte der Grund- und Menschenrechte, in: Achterberg, FS, Scupin, 1973, S. 187 (194 f.). 423  Vgl. Walter, Anwendung deutschen Rechts im Ausland und fremden Rechts in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 429 (451 f.).



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ritorialer Bezug zwischen verletzter Person und der beschränkenden staat­ lichen Handlung vorliegt.424 Durch die positive Feststellung dieser beiden Kriterien, wird der befürchteten Gefahr, dass der Grundrechtsschutz durch seine ausufernde und inflationäre Geltung an Effektivität verlieren könne, vorgebeugt. Vielmehr ist die Effektivität des Grundrechtsschutzes entscheidendes Argument, dass bei einem dem deutschen Staat zurechenbarem Handeln, welches andere Personen auch im Ausland beschränkt, die Grundrechte Wirkung entfalten müssen. Das generelle „ob“ der Geltung aller Grundrechte von Anfang an schon zu verneinen, würde diese Effektivität aushöhlen.425 Sicherlich – und das deutete das Bundesverfassungsgericht bereits an – können Modifizierungen beim „wie“ der speziellen Grundrechtsgeltung vorgenommen werden. Die bei der auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Überwachung vordergründig in Rede stehenden Grundrechte des Art. 10 GG und des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme stehen nicht unter der Prämisse der deutschen Staatsangehörigkeit. Erfolgen die Überwachung von auf deutschem Hoheitsgebiet stationierten Abhöreinrichtungen, ist zudem ein hinreichend territorialer Bezug zu bejahen.426 Dieser müsste erst recht zu bejahen sein, sofern die weitere Verarbeitung der erlangten Informationen auf deutschem Hoheitsgebiet vorgenommen wird. Der bisher verwendete „digitale territoriale Link“ im Bereich der G10-Überwachung ist somit nicht ausreichend, sofern die Einteilung – wie es derzeit der Fall ist – nur in Anwendbarkeit und Nicht-Anwendbarkeit der Grundrechte erfolgt. Eine Differenzierung wäre hingegen zulässig, sofern die Einteilung nicht die Anwendbarkeit der Grundrechte automatisch ausschließt, sondern vielmehr zwischen absolutem und modifiziertem Schutz unterscheidet. Letzterer kann – je nach Grad des Auslandsbezuges – wiederum feineren Differenzierungen unterliegen. Die vom Bundesverfassungsgericht ins Spiel gebrachten und noch unausgeformten Modifikationen der Grundrechte bei Auslandssachverhalten erhielten über die Auslegung der Menschenrechte der EMRK durch den EGMR eine ansatzweise Verfeinerung. Auch der EGMR stellte fest, dass bei der nachrichtendienstlichen Überwachung im Wege des Schutzes der nationalen Sicherheit Abstriche beim Geltungsumfang zu machen sind. Dies führte allerdings nicht dazu, dass dieser bei der auslandsnachrichtendienstlichen Aufklärung keine Verletzung der Menschenrechte prüfte. Der Gerichtshof 424  Ähnlich

auch BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. Grundsatz wäre dies allemal für im Ausland betroffene ausländische juristische Personen denkbar und sofern sich Ausländerinnen bzw. Ausländer auf Deutschengrundrechte berufen, die vermeintlich im Ausland tangiert werden. 426  So bereits angedeutet BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. 425  Im

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modifizierte die Geltung der EMRK-Gewährleistungen jedoch derart, dass er gewisse Mindestanforderungen aufstellte. Obgleich der EGMR nicht ausdrücklich Bezug auf Art. 1 EMRK nimmt, geht er von der Geltung der Menschenrechte der EMRK aus. Da der internationale Menschenrechtsschutz über Art. 1 Abs. 2 GG ein additives Element der deutschen Grundrechte ist, sich beide mithin ergänzen statt ausschließen sollen, kann die Interpretation durch den EGMR auch für die Grundrechtsgeltung als Argument für eine territoriale Erweiterung im Zuge der menschenrechtskonformen Auslegung herangezogen werden.427 Im Ergebnis muss man aber konstatieren, dass die Frage der rein extraterritorialen Geltung bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen ein Scheinproblem darstellt, weil heutzutage der weit überwiegende Teil der Maßnahmen auf deutschem Hoheitsgebiet oder durch deutsche Staatsbedienstete durchgeführt wird. Zudem wäre ein hinreichend territorialer Bezug ebenso dann zu bejahen, wenn neben den Überwachungs- und Verarbeitungsanlagen auch Kontrolle über die nationalen Zugriffspunkte (wie Internet­ knotenpunkte, Satelliten, Server etc.) oder die gewonnenen Daten ausgeübt wird. Dieser hinreichend territoriale Bezug ist zumindest dann gegeben, wenn unbefugt auf Verbindungspunkte zugegriffen wird, sich diese im „freien Himmel“ befinden oder man Informationen aus Kooperationsmodellen erhält.428 Mithin ist in der Regel ein hinreichend territorialer Bezug anzunehmen und stellt sich die Frage der extraterritorialen Geltung gar nicht erst. 3. Die Grundrechtsbindung und -geltung bei auslandsnachrichtendienstlichem Handeln im Ausland nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung In seinem Urteil vom Mai 2020 nahm das Bundesverfassungsgericht erstmals zu der Neuregelung der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung von 2016 umfassend Stellung. Es stellte dabei hinsichtlich der Grundrechtsbindung klar, dass die Grundrechte des Grundgesetzes den BND und den seine Befugnisse regelnden Gesetzgeber unabhängig davon binden, ob der Dienst 427  Hierbei ist festzustellen, dass die Anwendungsklausel der EMRK vom Wortlaut her sogar enger als Art. 1 Abs. 3 GG auf die Jurisdiktion zugeschnitten ist. Da der EGMR eine extraterritoriale Geltung der EMRK dennoch dort hineinliest, wäre eine Geltung im Ausland bzw. mit Auslandsbezügen für die sprachlich weiter gefasste Anwendungsklausel des Art. 1 Abs. 3 GG erst recht möglich. 428  Dies gilt mithin auch beim Zugriff auf Glasfaserleitungen oder auf Hoher See, wenn der Zugriff nicht mehr auf eigenem Staatsgebiet erfolgt, was auch bei (deutschen) Satelliten im Weltraum vormals angenommen wurde.



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im In- oder Ausland gegenüber In- oder Ausländerinnen bzw. Ausländern handele.429 Der hier vertretenen Ansicht folgend hat der Erste Senat aus Art. 1 Abs. 3 GG dabei eine umfassende Bindungswirkung hergeleitet, da die Norm gerade keine territorialen Einschränkungen enthalte und von der Ausübung spezifischer Hoheitsakte nicht abhängig sei.430 Der Grundrechtsschutz stelle den Menschen vielmehr in den Mittelpunkt des Grundgesetzes, was dafür spreche, dass die Grundrechte „immer dann schützen sollen, wenn der deutsche Staat handelt und damit potentiell Schutzbedarf auslösen kann – unabhängig davon, an welchem Ort und gegenüber wem.“431 „[E]ine umfassende, in der Menschenwürde wurzelnde Grundrechtsbindung“ sei gerade die Intention des Art. 1 Abs. 3 GG gewesen, der eine Antwort auf die national­ sozialistische Willkürherrschaft geben sollte.432 Ebenso wenig sei die Bindungsreichweite des Art. 1 Abs. 3 GG in seiner individuell abwehrrechtlichen Dimension nur auf die Konstellationen beschränkt, in denen der Staat den Betroffenen mit Gewaltmonopol versehener Hoheitsmacht gegenübertrete.433 Art. 1 Abs. 3 GG verdeutliche vielmehr durch die Nennung aller Staatsgewalten, dass alle staatlichen Bereiche, Aufgabenwahrnehmungen und Handlungsformen umfasst seien.434 Art. 1 Abs. 2 GG stelle die Grundrechte in einen Zusammenhang mit den internationalen Menschenrechten, die einen staatenübergreifenden Schutz gewährleisten.435 Ein rein territoriales Verständnis der Grundrechte konterkariere die deutschen Verpflichtungen auf internationaler Ebene. Zudem sei Art. 1 Abs. 3 GG gerade in der Überzeugung geschaffen worden, dass sich Deutschland in die internationale Staatengemeinschaft einfüge. Ferner stehe der Grundrechtsbindung im Ausland auch nicht die staatliche Souveränität eines anderen Staates entgegen, da die Bindung lediglich deutsche Staatsorgane binde, ausschließlich bundesdeutsche Handlungsspielräume begrenze und auf Rechtsordnungen anderer Staaten keine Wirkung entfalte.436 Der Senat schränkt diese Auffassung allerdings dahingehend ein, dass sie nur für die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte gegenüber Überwachungsmaßnahmen gelte.437 Außerdem lasse die umfassende Bindung unbe429  BVerfG, 430  Ebd., 431  Ebd., 432  Ebd., 433  Ebd., 434  Ebd., 435  Ebd., 436  Ebd., 437  Ebd.,

Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 87 ff. – BNDG. Rn. 88. Rn. 89. Rn. 89. Rn. 90. Rn.  90 f. Rn. 90, 96 ff. Rn.  100 ff. Rn.  104 ff.

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rührt, dass die Reichweite der Schutzwirkung einen unterschiedlichen Umfang der jeweiligen Gewährleistungen im Verhältnis vom In- und Ausland zulasse.438 4. Die auslandsnachrichtendienstlichen Rechtsgrundlagen im Lichte der Grundrechte Folgert man bei der Überwachung von Telekommunikationsverkehren zwischen dem In- und Ausland oder bei reiner Auslandskommunikation eine Grundrechtsbindung und -geltung, bedürfen derartige Eingriffe nach den bereits dargestellten Grundsätzen eine gesetzliche Grundlage, die in formeller Hinsicht insbesondere normenklar und bereichsspezifisch ausgestaltet ist sowie Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit und den Kernbereichsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG wahrt. Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich in seinem Leiturteil zum BKAG umfassend Stellung zu heimlichen Überwachungsmaßnahmen bezogen, die trotz des polizeilichen Kontextes auf die Nachrichtendienste übertragbar sind.439 Im Folgenden soll daher das G10, was speziell für die Kommunikationsüberwachung im Bereich des Art. 10 Abs. 1 GG Anwendung findet, sowie das 2016 novellierte BNDG, das als Rechtsgrundlage dem Erkenntnisgewinn außer- und sicherheitspolitischer Informationen zum Schutz der nationalen Sicherheit und Ordnung dient, die nicht unter G10 fallen, anhand der vorgegebenen Anforderungen beleuchtet werden.440 Am Ende wird diesbezüglich 438  BVerfG,

Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 104 – BNDG. bereits Wilhelm Schluckebier zitiert im Bericht von Förster, 2. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2018, Vol. 37, S. 711 (711). Siehe zudem BVerfGE 141, 220 – BKAG. Zum Trennungsgebot siehe ausführlich Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S.  1427 ff. 440  Das G10 regelt die strategische Überwachung der Kommunikation zwischen dem deutschen Inland und dem Ausland, die reine Auslandstelekommunikationsüberwachung regelt hingegen das BNDG. Zwar könne man die Voraussetzung der „internationalen Telekommunikationsbeziehungen“ i. S. d. § 5 Abs. 1 G10, die eine strategischen Telekommunikationsüberwachung erlaubt, auch so verstehen, dass damit reine Auslandstelekommunikationsverkehre unter die Norm zu subsumieren sind. Allerdings ist die Bundesregierung der Auffassung, dass diese strengen Voraussetzungen gerade nur gelten, wenn Deutsche mit dem Ausland kommunizieren und daher die strategische Überwachung der reinen Auslandskommunikation nicht über das G10 beschränkt sei. Siehe dazu Bundesregierung, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom 15.05.2012, BT-Drs. 17/9640, S. 6, 10; Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 12.09.2013, BT-Drs. 17/14739, S. 14. Ähnlich 439  So



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auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur novellierten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung eingegangen. a) Das G10 im verfassungsrechtlichen Kontext Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs regelt abschließend, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff deutscher Nachrichtendienste nach Art. 10 Abs. 2 GG vorgenommen werden darf.441 Es differenziert zwischen individuellen (§§ 3 ff. G10) und strategischen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen (§§ 5 ff. G10) und regelt deren Anordnungen (§§ 9 ff. G10) sowie deren Kontrolle (§§ 14 ff. G10).442 Um eine umfassende oder pauschale Überwachung zu vermeiden und vor allem den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen, sieht das G10 diverse Sicherungsmechanismen vor.443 Bei der strategischen Überwachung soll eine gezielte Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse ausgeschlossen werden (§ 5 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 G10) und dem Kernbereich privater Lebensgestaltung ein besonderer Schutz zukommen (§ 5 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 5a G10). Die auf Antrag vom BND über eigene Mittel oder durch die Zurverfügungstellung der Telekommunikationsanbieter gewonnenen Telekommunikationsdaten werden dafür in dem eigenen Filtersystem DAFIS geprüft, um nur zu solchen Daten Zugang zu erhalten, die der BND auf Grundlage seines Tätigkeitsauftrages im Wege der strategischen Fernmeldeaufklärung erheben darf.444 Diese dann übrig bleibenden Daten werden anhand von Selektoren auf sicherheits- und auftragsrelevante Informationen hin durchsucht.445 Die Filterung erfolgt vor allem nach Staatsangehörigkeits- oder Standortmerkmalen wie telefonische

Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (219); Höl­ scheidt, JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (154 f.); Bäcker, Strategische Telekommunika­ tionsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (556). Diese Ansicht ablehnend Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (2). Dies spiegelt auch die Wortwahl in § 6 BNDG wider, welcher stattdessen Telekommunikationsnetze verwendet. 441  Riegel, Vorbemerkung G10, G10, 1997, S. 10; Huber, § 1 G10, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1356. 442  Siehe zur auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle des BND näher Abschnitt D.I. 443  Anknüpfend an BVerfGE 100, 313, 376 – TKÜ I; 141, 220, 276 ff. – BKAG. 444  Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 27 ff. 445  Ebd.

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Ländervorwahlen oder Top-Level-Domains.446 Damit dürfen insbesondere auch Anschlüsse im Ausland durch Rasterfahndung gezielt erfasst werden, wie § 5 Abs. 2 S. 3 G10 zeigt.447 Obgleich Art. 10 Abs. 1 GG selbst keine personelle Einschränkung des Schutzbereiches vornimmt, geht das einschränkende G10 damit jedoch von einer rechtlichen Differenzierung von In- und Ausländerinnen und Ausländern aus. Die Gesetzesbegründung zeigt, dass die Hauptintention des G10 der umfassende Schutz deutscher Staatsangehöriger vor zu weitreichender Überwachung war.448 Exemplarisch spiegelt dies § 5 Abs. 2 S. 3 G10 wider, der explizit den Schutz vor Identifizierbarkeit und den Kernbereichsschutz von Ausländerinnen und Ausländern bei der strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland ausklammert. Die Regierung erachtet auch in der Praxis einen Schutz des Kernbereiches, der Identifizierbarkeit und erhöhte Verhältnismäßigkeitsaspekte für Ausländerinnen und Ausländer sowie für ausländische juristische Personen nicht für juristisch notwendig.449 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung aus dem Jahr 1999 die Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerregelung des § 3 Abs. 2 S. 3 G10 a. F. offengelassen.450 Und auch ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn einzelne gesetzliche Befug446  Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 27 f.; Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (219); Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (2). 447  Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2574). 448  Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, BT-Drs. 14/5655, S. 20. 449  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22 in Bezug auf die Erfassung der Daten. Noch weitgehend sieht das der BND. Siehe dafür Deutscher Bundestag, Vernehmung des Zeugen Burbaum, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, Stenografisches Protokoll der 24. Sitzung vom 27.11.2014, S. 31. Ähnlich Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 44. Im Rahmen der Funktionsträgertheorie können jedoch ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines deutschen Unternehmens im Ausland von Art. 10 Abs. 1 GG geschützt werden, sofern sie eine berufliche Telekommunikation führen. Dies gelte umgekehrt jedoch nicht für deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem ausländischen Unternehmen. Dies ablehnend Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 30. Allgemein dazu auch Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (3 ff.). 450  BVerfGE 100, 313, 384 – TKÜ I. Dieser Paragraf war im damaligen Sachverhalt nicht einschlägig, weil es lediglich um die Fragen von Überwachungen Staatsangehöriger ging.



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nisse Inländerinnen und Inländer privilegieren.451 Eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren in der Literatur geht allerdings dennoch von der Verfassungswidrigkeit dieser Norm aus, da die einfachgesetzliche Ausgestaltung die Vorgaben des Grundgesetzes verkenne und eine ungerechtfertigte Differenzierung zwischen In- und Ausländerinnen bzw. Ausländern vornehme.452 Die unterschiedliche Behandlung bei der Identifizierbarkeit sei mit Art. 10 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Sie fordern, das Verbot der Erfassung gezielter Telekommunikationsanschlüsse auf das Ausland zu erweitern.453 Umstritten ist jedoch, ob diese Andersbehandlung auch für den Kernbereichsschutz vorliegt. Bertold Huber ist der Ansicht, dass für den Kernbereichsschutz bei reiner Auslandskommunikation trotz § 5 Abs. 2 S. 3 G10 über § 5a G10 ein ausnahmsloser Kernbereichsschutz bestehe und daher 451  Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1076). 452  Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (3 ff., 7, 14), welcher einen ­Verstoß von Art. 10 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ausmacht; ähnlich Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (227), welcher hierbei eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG wegen einer sachlich nicht zu rechtfertigenden ­Ungleichbehandlung ausmacht. Im Ergebnis ebenso Bäcker, Strategische Telekom­ mu­ nikationsüberwachung auf dem Prüfstand, in: K&R 2014, S. 556 (559); ders., Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses, MAT A Sv-2/3, A-Drs. 54, S. 14 f.; Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: ­ DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1076 f.); Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 20 ff., 31; Huber, § 5 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1402; Roggan, § 5 G10, G-10-Gesetz, 2012, Rn. 22; Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (156). Siehe zur ähnlichen Vorgängerregelung des § 3 Abs. 2 S. 3 G10 a. F. mit selbiger Bewertung Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Stellungnahme gegenüber dem BVerfG: E 100, 313, 348; Riegel, § 3 G10, G10, 1997, S.  37 f.; Gröpl, Das Fernmeldegeheimnis des Art 10 GG vor dem Hintergrund des internationalen Aufklärungsauftrages des Bundesnachrichtendienstes, in: ZRP 1995, S. 13 (15 f., 17); Arndt, Die Fernmeldekontrolle im Verbrechensbekämpfungsgesetz, in: NJW 1995, Vol. 48, S. 169 (172). Andere Ansicht Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 41 ff., 44 ff., der der Rechtsauffassung der Bundesregierung folgt. 453  Huber, § 5 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1402; Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (2). Im Bereich des DAFIS findet eine Aussonderung anhand formaler und inhaltlicher Kriterien statt. Formale Kriterien sind vor allem Telefonnummern und Top-Level-Domänen. Inhalt­ liche Kriterien sind solche, die in § 5 Abs. 1 S. 3 G10 genannt sind. Siehe dazu näher Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 24 ff.

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keine kernbereichsrelevante Kommunikation von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland verarbeitet werden dürfe.454 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass der Ausschluss der menschenwürderelevanten Garantien für Ausländerinnen und Ausländer wegen der expliziten Ausnahme in § 5 Abs. 2 S. 3 G10 nicht über § 5 a G10 gewährleistet werde, was mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sei und daher zur Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 2 S. 3 G10 führe.455 Eine ähnliche Bewertung trifft Markus Löffelmann für den Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern bei der strategischen Fernmeldeüberwachung. Dieser fehle im G10 und lasse sich auch nicht analog über § 3b G10 generieren.456 Dahingegen habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung aus dem Jahr 1999 explizit auf dessen Notwendigkeit hingewiesen.457 Generell ist bei der strategischen Überwachung fraglich, ob sie gesetzlich hinreichend begrenzt ist. Zwar sieht § 10 Abs. 4 G10 vor, dass maximal 20 % der Übertragungskapazitäten überwacht werden dürfen, um eine flächendeckende und umfassende Überwachung zu verhindern. Gerade bei Internetknotenpunkten entfaltet diese Regelung allerdings nur begrenzt Wirkung. Daher weist Hans-Jürgen Papier darauf hin, dass die ursprüngliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur leitungsgebundenen Telekommunikation auf IP-basierte und paketvermittelte Telekommunikation unter technischen Gesichtspunkten nicht vergleichbar sei, weil hier keine Zieladressen existieren, die eine Ausfilterung nach geografischen Merkmalen ermöglichen.458 In der Praxis zeige sich vielmehr, dass der Verkehr über den Knotenpunkt DE-CIX vollständig erhoben wurde, weil eine Filterung der Pakete 454  Huber, § 5 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1401 f., 1405. 455  Roggan, § 5 G10, G-10-Gesetz, 2012, Rn. 22. Ähnlich Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (221); Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1076 f.); Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (14), welchem hinreichende Limitierungen zur Beschränkung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung fehlen. Siehe auch Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1252). 456  Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1252 f.). Ähnlich Huber, §5a G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1406. 457  BVerfGE 100, 313, 365, 387 – TKÜ I. 458  Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (13 f.).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz173

technisch nur schwerlich möglich war.459 Auch wenn der BND selbst angab, dass die begrenzten Kapazitäten dazu führten, dass eine umfassende Auswertung und Überwachung gar nicht möglich seien,460 hindert dies nicht, strengere Begrenzungen festzulegen.461 Daneben bestehen verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der individuellen Kommunikationsüberwachung. Gerade das Bundesverfassungsgericht forderte strenge Kriterien bei Individualüberwachungen.462 Nach § 3 G10 dürfen Telekommunikationsdaten nur dann gezielt erhoben werden, wenn die Personen verdächtig sind, eine Straftat aus dem Katalog des § 3 Abs. 1 G10 zu planen, zu begehen oder begangen zu haben.463 Frederik Roggan macht verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der tatbestandlichen Schwelle des § 3 Abs. 1 G10 geltend, dem handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale fehlten, die ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit aufzeigten.464 Ebenso werde der Kernbereichsschutz bei derartigen Maßnahmen über § 3a G10 nicht ausreichend gewährleistet. Die dortige Ausführung, dass lediglich die alleinige Betroffenheit der Intimsphäre eine Überwachungsmaßnahme unzulässig werden lasse, verkenne, dass das Risiko einer Verletzung des Kernbereichs generell minimiert werden solle.465 Letzterer Kritik hält 459  So der Rechtsvertreter von DE-CIX Sven-Erik Heun im Wege der Klage vor dem BVerwG, Urteil vom 30.05.2018, Az.: 6 A 3.16, zitiert in: Oliver Bünte, BND darf weiterhin Internet-Knoten De-CIX anzapfen, in: Heise Online vom 31.05.2018. Ebenso Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (13). 460  So Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, BT-Drs. 14/5655, S. 18. 461  So Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (14). A. A. Bauer, Die Nachrichtendienste der Bundesrepublik, in: Kaltenbrunner, Wozu Geheimdienste?, 1985, S. 127 (142), welcher der Auffassung ist, dass „niemals auf eine breit angelegte, letztlich alle Kontinente umfassende Aufklärung verzichtet werden [darf], da durch die zunehmende enge wirtschaftliche Verflechtung aller Länder der Erde sowie ideologische und rassistische Einflüsse die Entwicklung auch in abgelegenen Räumen für die eigene Politik von Bedeutung sein kann.“ 462  Roggan, § 3a G10, G-10-Gesetz, 2012, Rn. 5 mit Verweis auf BVerfGE 113, 348, 377 f. – Vorbeugende TKÜ; 120, 274, 328 ff. – Onlinedurchsuchung. 463  Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (2). 464  Roggan, § 3 G10, G-10-Gesetz, 2012, Rn. 6. Ebenfalls bewertet er es als zweifelhaft, dass Individualüberwachungen zur Vorfeldaufklärung bei Straftaten verhältnismäßig seien, die lediglich eine Höchststrafe von drei Jahren vorsehen, ebd., Rn. 8. Siehe dazu auch Huber, § 3 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1370; OVG Münster, NJW 1983, S. 2346 (2347). 465  Roggan, § 3a G10, G-10-Gesetz, 2012, Rn. 5 mit Verweis auf Hoffmann-Riem, Der grundrechtliche Schutz der Vertraulichkeit und Integrität eigengenutzter informationstechnischer Systeme, in: JZ 2008, S. 1009 (1021).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Bertold Huber jedoch korrekt entgegen, dass der Schutzumfang dieser Norm nicht nur auf einen Teil des Kernbereichsschutzes beschränkt sei.466 Darüber hinaus lasse sich aus dem Umkehrschluss des § 3 Abs. 1a G10 herleiten, dass die individuelle Fernmeldeaufklärung im Ausland nicht von § 3 G10 umfasst ist und somit eine Regelung hierzu im G10 fehlt.467 Eine Sonderregelung zur reinen Auslandfernmeldeaufklärung außerhalb des G10 sei allerdings zulässig.468 b) Das Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung im verfassungsrechtlichen Kontext Das BNDG erhielt mit der Novellierung zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung 2016 seine umfassendste Änderung seit Inkrafttreten im Jahr 1990. Ein Kernstück sollten die §§ 6 ff. BNDG werden, die „Rechtsklarheit“ bei der strategischen Überwachung von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland mit Inlandsbezug und ein angemessenes Schutzniveau für Betroffene schaffen sollte.469 Die Einführung spezieller Rechtsgrundlagen und die neuen Grenzen bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung begrüßte auch der damalige BND-Präsident Gerhard Schindler.470 Die gutachterlichen Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf zeigten sich jedoch weitestgehend uneinig über die Verfassungskonformität einer Vielzahl der Bestimmungen, die von „eine Art pragmatisches Notprogramm“471, „in seiner Gesamtheit verfassungs­ widrig“472 bis hin zu einer „Reform mit Augenmaß“473 bewertet wurden. Im 466  Huber, § 3a G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1380. Siehe auch Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes vom 25.03.2009, BT-Drs. 16/12448, S. 10. 467  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (526). Ähnlich Dietrich, § 6 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1457. 468  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 7. 469  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 19, 22. 470  Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S.  3 f. 471  Graulich, Anhörung zur öffentlichen Sitzung vom 26.09.2016 zu den BNDGesetzen, Protokoll-Nr. 18/89, S. 18. 472  Bäcker, Stellungnahme zu den Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 G, S. 2 ff. 473  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 25.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz175

Folgenden soll jedoch nur auf Aspekte eingegangen werden, die vor allem mit dem transnationalen und extraterritorialen Grundrechtsschutz in Verbindung stehen.474 Abschließend daran folgt eine kurze Zusammenfassung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND anhand dieser Punkte. aa) Die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und die Grundrechtsgeltung Zu Beginn ist festzustellen, dass die Neuregelungen der §§ 6 ff. BNDG nicht mit der Intention eingeführt wurden, dass man eine gesetzliche Grundlage für Beschränkungsmaßnahmen nach Art. 10 GG oder anderen grundrechtlichen Bestimmungen brauchte. Vielmehr geht der neue Gesetzesentwurf zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung davon aus, dass Grundrechte bei der strategischen Auslandsfernmeldeaufklärung keine Rolle spielen, obwohl die Anwendung der Regelungen erst bei einem Inlandsbezug, d. h. wenn sich die Erfassungssysteme in Deutschland befinden, hergestellt ist.475 Eine den §§ 6 ff. BNDG vergleichbare Erhebungsregelung zur reinen Auslandsfernmeldeaufklärung ist nicht vorgesehen, sondern stützt sich allein auf § 1 Abs. 2 BNDG.476 Vereinzelt wird dies als konsequent und folgerichtig bewertet, weil weder Art. 10 GG noch die speziellen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gälten.477 Die Geltung des Art. 10 GG stehe auch deshalb nicht in Rede, weil sich die Aufklärung auf strategische Ziele beschränke, abstrakte 474  Nicht in die Bewertung sollen die Regelungen zur auslandsnachrichtendienst­ lichen Kooperation fallen. Siehe dazu aber ausführlich Graulich, Nachrichtendienst­ liche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, offener Bericht für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, S. 31; Dietrich, § 13 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1479 ff.; Huber, BND-Gesetzreform, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164 f.). 475  So Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22. 476  Ebd. 477  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 4. So bei der reinen Auslandsfernmeldeaufklärung Proelß/Daum, Verfassungsrechtliche Grenzen der Routinefernaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst, in: AÖR 2016, Vol. 141, S. 373 (406 f.). Ähnlich auch Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, offener Bericht für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, S. 31.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Suchbegriffe verwendet werden und keine gezielte Erfassung vorgenommen werde.478 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive sei ein Eingriff in Art. 10 GG erst gegeben, wenn eine De-Anonymisierung der Kommunikation vorläge.479 Jedoch weist der Gesetzesentwurf bei Kritikern einer weitreichenden Auslandsgeltung der Grundrechte Inkohärenzen auf. Die Einführung des Kernbereichsschutzes für Maßnahmen nach §§ 6 ff. BNDG hat Kurt Graulich überrascht, weil dieser typisch für Eingriffsbefugnisse in Art. 10 Abs. 1 GG sei.480 Auf der anderen Seite wird vor allem die Auffassung der Bundesregierung, die seit Jahren die Praxis des BND darstellt, vermehrt kritisiert. Das BNDG weise ein falsches Verständnis der Reichweite der Grundrechtsbindung und -geltung bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung und bei reiner Auslandskommunikationsüberwachung auf.481 Das Bundesverfassungsgericht habe zwar nicht abschließend festgestellt, wann die Grundrechte im Ausland bei der Fernmeldeaufklärung gälten, aber diese grundsätzlich bejaht, wenn die Empfangsanlagen auf deutschem Boden stationiert seien.482 Die Novel478  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S.  525 (528). A. A. Bäcker, Die Vertraulichkeit der Internetkommunikation, in: Rensen/Brink, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 99 (104), welcher darauf hinweist, dass auch im Rahmen von Massenkommunikation im Internet individuelle Daten anfallen können. 479  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (528). 480  Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 4, 20. 481  Bäcker, Stellungnahme zu den Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 G, S. 2 ff.; Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 2 f.; Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 9 f.; Huber, BND-Gesetzreform, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (163); Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (6 f.); Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (225 ff.); Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (966 ff., 974); Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (771 f.); Höl­ scheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S.  148 (155 f.); Lüders, Gesetzlich enthemmter Geheimdienst, in: Vorgänge 2016, S. 43 (44 f.). Siehe auch Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1074 ff.). 482  Vgl. BVerfGE 100, 313, 363 – TKÜ I. Siehe schon Abschnitt C.II.1. und C.II.2. Genau in den Konstellationen sollten die §§ 6 ff. BNDG eigentlich auch anwendbar sein, wie es die Gesetzesbegründung vorsieht, was widersprüchlich zur



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz177

lierung der §§ 6 ff. BNDG geht jedoch immer noch von einer Andersbehandlung von In- und Ausländern bzw. Ausländerinnen mangels Geltung der Grundrechte aus – zur vorherigen Rechtslage habe sich damit lediglich die Art der Ungleichbehandlung geändert, die einen verfassungsrechtlichen Rechtsverstoß darstelle.483 Ähnlich kritisch fielen die internationalen Reaktionen aus.484 Der UN Sonderberichterstatter Joe Cannataci kritisierte die Schaffung der Sicherheitsgesetze seit 2015 in Deutschland, USA sowie Frankreich scharf und bezeichnete sie als populistisch, auf der Politik der Angst beruhend und in keinem angemessenen Verhältnis zum Recht auf Privatsphäre, die für alle Menschen gälte, stehend.485 Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar spricht hierbei von einem „Territorialdilemma“ in zweierlei Hinsicht: einerseits seien die Gesetze national ausgestaltet, andererseits sei gerade das Internet nicht an starre Territorialgrenzen gebunden und bei der strategischen Fernmeldeaufklärung nur schwer ein territorialer Anknüpfungspunkt auszumachen bzw. von vielerlei Unwägbarkeiten geprägt.486 „Deshalb machen es sich diejenigen zu einfach, die stets nur auf die Einhaltung des heimischen Rechts pochen, wenn es um globale Geheimdienstaktivitäten geht.“487 Dies sah das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung aus 2020 genauso und erteilte der beschränkten Grundrechtsbindung beim Handeln des BND eine klare Absage. Vielmehr folge aus Art. 1 Abs. 3 GG nicht nur, dass sämtliche Handlungsformen und Bereiche staatlicher Gewalt an die Grundrechte gebunden seien, sondern im Zusammenspiel mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 GG auch, dass sich Ausländerinnen und Ausländer auf die Grundrechte berufen können.488

­ raxis und der Auffassung der Grundrechtsgeltung ist. Siehe Gesetzentwurf der Frak­ P tionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Aus­ land-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22. 483  Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (156). 484  UN OHCHR, Communication OL DEU 2/2016, verfügbar unter: https://www. ohchr.org/Documents/Issues/Opinion/Legislation/OL_DEU_2.2016.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 485  Cannataci, Report of the Special Rapporteur on the right to privacy vom 24.02.2017, UN Doc. A/HRC/34/60. 486  Schaar, Überwachung total, 2014, S. 201. Ähnlich Daskal, The Un-territoriality of Data, in: Yale L. J. 2015, Vol. 125, S. 326 (365 ff.). 487  Schaar, Überwachung total, 2014, S. 202. 488  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 87 ff. – BNDG.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

bb) Das Zitiergebot i. S. d. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG Mit der Grundrechtsgeltung eng verknüpft ist dementsprechend die Frage, ob Art. 10 GG bei Beschränkungsmaßnahmen nach dem BNDG Erwähnung finden müsste. Zwar ist die Bedeutung des Zitiergebots als Kriterium der formellen Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes wegen der restriktiven Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes rechtspolitisch und dogmatisch bescheiden geblieben.489 Dennoch hat die Bedeutung dieser formell-rechtlichen Garantie in letzter Zeit zugenommen. Wenn die vom Zitiergebot ausgehende Warn-, Klarstellungs- und Verdeutlichungsfunktion eines Grundrechtseingriffs im einschränkenden Gesetz keine Verankerung findet, kann es den Verfassungsanforderungen nicht standhalten.490 Das traf vermehrt ebenso bei nationalen Sicherheitsgesetzen zu.491 Auch das BNDG erwähnt Art. 10 Abs. 1 GG lediglich beiläufig an zwei Stellen und missachtet das Zitiergebot für die §§ 6 ff. BNDG gänzlich.492 Zwar ist es korrekt, dass für die speziellen Beschränkungen des Art. 10 GG bei Überwachungen eigener Staatsangehöriger, inländisch juristischer Personen oder sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen durch den BND primär das G10 gilt und eine klare Trennung zwischen G10 und BNDG existiert.493 Aus dem G10 folgt jedoch keine Befugnis zur Auslandsfernmeldeaufklärung. Alle über das G10 hinausgehenden auslandsnachrichtendienstlichen Beschränkungsmaßnahmen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND sind daher 489  Der Wortlaut sowie die systematische Verknüpfung zum Allgemeinheitsgebot aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG führte dazu, dass das Zitiergebot nur für solche Grundrechte Beachtung finden sollte, die aufgrund eines besonderen Gesetzesvorbehaltes beschränkt werden dürfen. Dies betreffe lediglich Art. 2 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 8, Art. 10, Art. 11, Art. 13 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 GG. Ausführlich dazu Huber, Art. 19 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1810. 490  BVerfGE 113, 348, 366 f. – TKÜ I; 120, 274, 343 f. – Onlinedurchsuchung. Ferner Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, 1994, S. 747; Huber, Art. 19 GG, in: Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1810 f. 491  BVerfGE 120, 274, 343 f. – Onlinedurchsuchung; 130, 151, 204 – Bestandsdatenspeicherung; 133, 277, 335 ff. – ATDG; 135, 48, 78 f. – behördliche Vaterschaftsanfechtung; 141, 220, 317 ff. – BKAG. 492  Für besondere und weitere Auskunftsverlangen nach §§ 3, 4 BNDG findet sich ein spezieller dem Zitiergebot entsprechender Verweis. Schon 2014 kritisch dazu Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2576). Siehe auch Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (155). A. A. Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (528), welcher dies nur konsequent erachtet. 493  Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 12 f.



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im BNDG niedergelegt – §§ 6 ff. BNDG bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung mit Inlandsbezug und § 1 Abs. 2 BNDG, sofern dieser Inlandsbezug fehlt.494 Beide BNDG-Konstellationen eröffnen jedoch nach dargelegter Auffassung den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG; haben in der Konsequenz aber keinen Hinweis auf dessen Einschränkbarkeit im Gesetz niedergelegt. Dies stellt mithin einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG dar.495 Selbst Klaus Gärditz, der als Gutachter für das BNDG bestellt wurde und eine Auslandsgeltung des Art. 10 GG generell ablehnte, legte nahe, vorsorglich eine dem Zitiergebot entsprechende Klausel einzuführen, damit das Gesetz bei einem Rechtsstreit nicht an formellen Kriterien scheitere.496 cc) Differenzierung von Aufgaben- und Befugnisnormen des BNDG im Lichte des Vorbehalts des Gesetzes Seit dem Kreuzbergurteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 1882 ist klar, dass die Polizei wegen des Grundsatzes des Vorbehaltes des Gesetzes bei Eingriffen in Grundrechte eine gesetzliche bereichsspezifische Ermäch­ tigungsgrundlage benötigt.497 Eine bloße Aufgabenzuweisungsnorm ohne konkrete Befugnis ist hierfür nicht ausreichend, sondern danach sind nur Maßnahmen ohne Eingriffscharakter erlaubt.498 Diese strikte Trennung gilt heute für alle exekutiv tätig werdenden Behörden.499 494  Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22. Siehe auch Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4; Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (948). 495  Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (163); Bäcker, Stellungnahme zu den Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 G, S. 19; Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (7); Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (227). 496  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 4, nach welchem eine Festlegung der Geltungsreichweite des Art. 10 GG damit nicht zusammenhänge. 497  Preußisches OVGE 9, 353 – Kreuzbergurteil. Ferner dazu Walther, Das Kreuzbergurteil, in: JA 1997, Vol. 29, S. 287 (287 ff.). Siehe auch Kretschmer, BKA, BND und BfV, in: JURA 2006, Vol. 28, S. 336 (340). 498  Das BVerwG nimmt an, dass eingriffsgleiche und eingreifende Maßnahmen stets eine gesetzliche Ermächtigung i. S. e. Befugnisnorm bedürfen. Siehe BVerwGE 141, 122; 152, 241. 499  Siehe Knemeyer, Funktionen der Aufgabenzuweisungsnormen in Abgrenzung zu den Befugnisnormen, in: DÖV 1978, S. 11 (11 ff.); Zähle, Originäre und übertra-

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Die Unterscheidung zwischen Befugnis- und Aufgabenzuweisungsnorm ist auch für das neue BNDG aus 2016 von erheblicher Bedeutung, welches bei der grundrechtseingreifenden Informationsgewinnung spezifische gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen benötigt. Die Befugnisse des BND waren über Jahre hinweg nur rudimentär normiert,500 was auch das Verständnis vom Geltungsumfang der Grundrechte widerspiegelt.501 Sowohl für die AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung als auch für die reine Auslandsfernmeldeaufklärung existieren keine Befugnisnormen, sondern stellt § 1 Abs. 2 BNDG eine klassische und §§ 6 ff. BNDG lediglich eine erweiterte Aufgabenbeschreibung dar.502 Besonders der § 6 Abs. 1 Nr. 3 BNDG gebe nach Christian Marxsen nur den Auftrag des BND aus § 1 Abs. 2 BNDG wieder, was keine neuen Eingriffsbeschränkungen zur vorherigen Rechtslage darstelle und den grundrechtlichen Anforderungen keineswegs gerecht werde.503 Dabei sollte zumindest mit den §§ 6 ff. BNDG eine klarstellende Regelung geschaffen werden,504 die allerdings gerade nicht determiniert, dass und unter welchen Voraussetzungen Grundrechte gelten.505 Stattdessen folgt der Gesetzesentwurf der bisherigen Praxis des BND und der Auffassung der Bundesregiegene Aufgaben der Polizei, in: JUS 2014, Vol. 54, S. 315 (315 f.); Voßkuhle/Kaiser, Informationshandeln des Staates, in: JUS 2018, Vol. 58, S. 343 (344), welche das Informationshandeln bei staatlichen Warnungen der Bundesregierung nicht als Eingriff ansahen. Siehe dazu u. a. auch BVerfGE 105, 279 – Osho; 105, 252 – Glykol; 138, 102 – Schwesig. 500  Cremer, Organisationen zum Schutz von Staat und Verfassung, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 879 (886); Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2573). 501  Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 4. Kritisch dazu schon vor der Novellierung des BNDG: Fraktion DIE GRÜNEN, in: BT-Drs. 11/7235, S. 110; Bäumler, Das neue Geheimdienstrecht des Bundes, in: NVwZ 1991, Vol. 10, S. 643 (645). 502  So Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (163). Siehe auch Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (155 f.); Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4. 503  Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (227). A. A. Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (525 f.). 504  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22. 505  Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 42.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz181

rung, dass bei diesen Maßnahmen weder Art. 10 GG noch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gelten.506 Daher reichte für jene auch eine Aufgabenbeschreibung aus und musste keine Befugnisregelung eingeführt werden.507 Diese Auffassung ist jedoch auf harsche Kritik gestoßen und führte nach überwiegender Auffassung zur Verfassungswidrigkeit der Normen.508 Die stetige Ausweitung von Aufgabenzuweisungsnormen ist nach Matthias Bäcker problematisch, weil eine klare Abgrenzung von Aufgabenzuweisungs- und Befugnisnormen fehle oder unterlaufen werde.509 Selbst Alexander Proelß und Oliver Daum schlugen eine Ergänzung einer Befugnisnorm für die Formen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vor, obgleich sie die Ansicht vertreten, dass weder Art. 10 Abs. 1 GG noch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Routineaufklärung im Ausland zwischen Ausländerinnen bzw. Ausländern anwendbar seien.510

506  Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 4 f. 507  Ebenso Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (526). 508  Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (163), nach welchem spätestens mit der weiteren Verarbeitung von Daten aus reiner Auslandsfernmeldeaufklärung, sollte man eine Grundrechtsgeltung für derartige Sachverhalte ablehnen, eine Grundrechtsgeltung bestünde. Zustimmend Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (155 f.). Siehe auch schon zur Debatte vor den Gesetzesnovellen aus 2016 zu mangelnden Befugnisnormen Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (7); Cremer, Organisationen zum Schutz von Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 879 (882); Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe, 2013, S. 17; Huber, Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes, in: NJW 2013, Vol. 66, S. 2572 (2576); Riegel, Zur Suche nach Rechtsgrundlagen für die Fernmeldeaufklärung oder strategische Rasterfahndung durch den Bundesnachrichtendienst (BND), in: ZRP 1993, Vol. 26, S. 468 (470 f.), der selbige Überlegungen auch schon beim G10 a. F. anstellte, welches gerade in Bezug auf die Befugnisanforderungen reformiert wurde. Zu einer ähnlichen Kritik an unzureichenden Befugnisnormen im Bereich des BfV siehe Denninger, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, in: VVDStRL 1979, Vol. 37, S. 7 (35 ff.). 509  So zitiert im Bericht von Fremuth, 1. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 688 (689). 510  Proelß/Daum, Verfassungsrechtliche Grenzen der Routinefernaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst, in: AÖR 2016, Vol. 141, S. 373 (406 f.), wobei dieser lediglich der klarstellenden Funktion diene.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

dd) Verhältnismäßigkeitserwägungen: Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung Zusätzlich zu vorbenannten Bedingungen hat das Bundesverfassungsgericht bei staatlichen Überwachungsmaßnahmen aus den jeweils einschlägigen Grundrechten i. V. m. der Menschenwürdegarantie einen Schutz des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung hergeleitet.511 Diesem Schutz soll bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach den §§ 6 ff. BNDG der § 11 BNDG nachkommen. Der Kernbereichsschutz wird in § 11 BNDG zweistufig gewährleistet: Satz 1 verbietet, dass bei Maßnahmen nach § 6 BNDG allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden, sofern hierfür tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen; werden solche Daten zufällig doch erhoben, besteht nach Satz 2 ein Verwertungsverbot und nach Satz 3 eine Löschungspflicht, die über Satz 4 mit einer Protokollierungspflicht flankiert wird.512 Das Verbot der Erhebung nach § 11 S. 1 BNDG beschränkt sich allerdings ausschließlich darauf, dass „allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt“ werden. Daher lässt sich nach vereinzelter Sichtweise aus dem Wortlaut dieser Norm nicht entnehmen, dass eine zielgerichtete Erhebung kernbereichsrelevanter Informationen zu unterbleiben habe.513 Vielmehr gehe aus dem Wortlaut hervor, dass eine zielgerichtete Erhebung möglich wäre, wenn nicht ausschließlich – aber auch – Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erhoben werden.514 Dass der BND stets nur gezielt und ausschließlich nach kernbereichsrelevanten Information sucht, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.515 Deshalb ist eine Regelung zur 511  BVerfGE 109, 279, 313 ff. – Großer Lauschangriff; 120, 274, 335 ff. – Onlinedurchsuchung; 129, 208, 245 – TKÜ-Neuregelung; 141, 220, 276 ff. – BKAG. 512  Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474; Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 4, 20. 513  Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/ Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1268), der dieser Norm daher lediglich einen theoretischen Anwendungsbereich zuschreibt. Siehe auch Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474; Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (224). Allerdings sieht die Gesetzesbegründung diese Begrenzung vor: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 28. 514  Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1268). 515  Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (224). Ähnlich Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (529).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz183

Miterfassung solcher Daten viel entscheidender, weil sonst auf Erhebungsebene kaum eine Selektion des zu achtenden Kernbereichs privater Lebensgestaltung erfolgt und von § 11 BNDG nur ein schwacher Schutz ausgeht.516 Manche Kritiker, die eine Geltung des Art. 10 Abs. 1 GG bei § 6 BNDG ablehnen, kommen trotz dieses verminderten Schutzes überwiegend zu der Erkenntnis, dass § 11 S. 1 BNDG dennoch verfassungskonform sei, da die Norm ohnehin nur theoretischer Natur sei.517 Ob daher § 11 BNDG tatsächlich einen umfassenden Schutz des Kernbereiches privater Lebensgestaltung normiert oder normieren wollte,518 sei daher irrelevant. Es sei jedenfalls verfassungsrechtlich ausreichend, dass auf zweiter Ebene ein Verwertungsverbot und eine Löschungspflicht bestehe.519 Jedoch bezeichnet Kurt Graulich die Einführung des Kernbereichsschutzes in § 11 BNDG als überraschend, weil dieser typisch für Eingriffsbefugnisse in Art. 10 Abs. 1 GG sei, dessen Geltung im § 6 BNDG allerdings abgelehnt werde.520 Daher fordern selbst Vertreter, die eine Auslandsgeltung ablehnen, eine klarstellende Norm bei der Erhebung kernbereichsrelevanter Daten bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung.521 516  Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474; Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (529); Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (224); Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 11, welcher den Kernbereichsschutz des § 11 BNDG gemessen an den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zum BKAG schwach einstuft. 517  Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1268). Ähnlich Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (529). 518  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (529). Siehe auch Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1473, der § 11 BNDG als Generalklausel zum Schutz des Kernbereiches privater Lebensgestaltung deklariert. 519  Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1268). Ähnlich Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 11, der diesen geringeren Schutzstandard aber angesichts der Besonderheiten der Fernmeldeaufklärung für vertretbar erachtet. 520  Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 4, 20. Anzumerken ist dabei allerdings, dass die Grundlage des Kernbereichsschutzes aus dem Menschenwürdegehalt folgt. 521  Proelß/Daum, Verfassungsrechtliche Grenzen der Routinefernaufklärung durch den Bundesnachrichtendienst, in: AÖR 2016, Vol. 141, S. 373 (406 f.).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Ungeachtet dessen, ob der Kernbereichsschutz auch für die Erhebung nach § 6 BNDG gilt, fehlt ein solcher bei der reinen Auslandsfernmeldeaufklärung gänzlich.522 Sollten kernbereichsrelevante Daten doch zufällig erhoben worden sein, stellt dies noch nicht per se eine Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG dar. Um auf Verwertungsebene den Kernbereichsschutz zu gewährleisten, lässt sich nicht vermeiden, dass eine sachverständige Person die erhobenen Daten prüft, weil anders der Schutz der Menschenwürde gar nicht gewährleistet werden kann.523 Hierfür bedarf es allerdings einer unabhängigen Kontroll­ stelle,524 die in § 11 BNDG nicht vorgesehen ist.525 Vor allem wegen der kaum stattfindenden Selektion auf Erhebungsebene, die bereits beim DAFIS nicht sicher stattfindet,526 geht Jan-Hendrik Dietrich davon aus, dass eine dauerhafte Kontrolle einer unabhängigen Stelle umso wichtiger und geboten sei, weswegen er § 11 BNDG diesbezüglich für klarstellungsbedürftig erachtet.527 ee) Verhältnismäßigkeitserwägungen: Verbot der flächendeckenden Totalüberwachung Das Bundesverfassungsgericht machte bereits bei der Vorratsdatenspeicherung deutlich, dass aus der Identität der Verfassung ein Verbot der Totalerfassung aller Bürgerinnen und Bürger folge.528 Unverhältnismäßig weit wäre damit eine Regelung, die auf eine vorsorgliche flächendeckende Speicherung 522  Kritisch dazu Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164). 523  BVerfGE 141, 220, 280 – BKAG. Es müssen aber Löschungspflichten und Verwertungsverbote und Protokollierungen hierüber geregelt sein. Siehe bereits BVerfGE 113, 348, 392 – vorbeugende TKÜ. Ferner Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (529), der § 11 S. 2–4 BNDG daher als konsequent erachtet, obgleich er diese für nicht notwendig hält. 524  BVerfGE 141, 220, 302 – BKAG; EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/ 06, Rn. 238; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 307. 525  Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474. 526  So Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (162). 527  Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474. Derzeit sieht § 15 Abs. 3 S. 7 BNDG nur ein stichprobenartiges Recht zur Kontrolle durch das Unabhängige Gremium vor. Siehe auch Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (225). 528  BVerfGE 125, 260, 323 f. – Vorratsdatenspeicherung.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz185

aller als nützlich erachteten Daten abzielen würde.529 Daher seien vor allem Verdachtsüberwachungen und Vorfeldermittlungen nur in ganz engen Grenzen möglich.530 Auch der EGMR betonte, dass eine anlasslose Massenüberwachung nicht konventionskonform sei.531 Beide Spruchkörper stellten aber auch klar, dass eine strategische Überwachung im Einklang mit der Verfassung und der EMRK stehen könne, wenn gewisse Mindestanforderungen eingehalten werden.532 Heimliche Überwachungen zu präventiven Zwecken sind nur verhältnismäßig, „wenn eine Gefährdung dieser Rechtsgüter im Einzelfall hinreichend konkret absehbar […] und der Adressat der Maßnahmen aus Sicht eines verständigen Dritten den objektiven Umständen nach in sie verfangen ist.“533 Beide sind sich jedoch einig, dass die betroffene Personenanzahl legitim ausgeweitet werden kann.534 Das Bundesverfassungsgericht verzichtet in diesen Fällen allerdings nicht auf hinreichend konkretisierte Gefahren i. d. S., dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr für die normierten Schutzgüter bestehen.535 Bei terroristischen Straftaten, „die oft durch lang geplante Taten von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, können Überwachungsmaßnahmen auch dann erlaubt werden, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird.“536 529  BVerfGE 100, 313, 360 – TKÜ I: Die „Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder nicht bestimmbaren Zwecken“ wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. 530  BVerfGE 113, 348, 377 f. – vorbeugende TKÜ. 531  EGMR, Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 307; Liberty and Others v. UK, Appl. No. 58243/00, Rn. 62 ff.; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 311. 532  Siehe EGMR, Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 73 ff., der die G10-Überwachung in der Entscheidung Weber & Saravia bestätigte, weil dort eine Begrenzung der potenziell betroffenen Personen und eine ausreichende Kontrolle dieser Maßnahmen geregelt war. 533  So BVerfGE, 141, 220, 271 – BKAG. Ferner auch EGMR, Rotaru v. Romania, Appl. No. 28341/95, Rn. 52; S. and Marper v. UK, Appl. No. 30562/04 & 30566/04, Rn. 95. 534  Siehe dazu BVerfGE 141, 220, 273 ff. – BKAG; EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 245; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 62. 535  BVerfGE, 141, 220, 272 – BKAG. 536  Ebd., S. 272 f., 291. Zum Verbot der Totalüberwachung siehe BVerfGE 100, 313, 366 – TKÜ I; 125, 260, 323 f. – Vorratsdatenspeicherung. Massenüberwachungen sind zwar auch nach der EMRK verboten, aber können durch die Einhaltung von Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung einer allumfassenden Überwachung erlaubt

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Allgemeine Erfahrungssätze, sehr weit vorverlagerte Sachverhalte, diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren sind dafür nicht ausreichend und dürfen die Regelungen nicht zu einer unbestimmten Anzahl an potenziell Betroffenen führen.537 Die §§ 6 ff. BNDG normieren keinen spezifischen Personenkreis, sondern adressieren Ausländerinnen und Ausländer, die sich im Ausland aufhalten. Daher trug bereits Eric Töpfer vor, dass die Regelungen hinter den Mindestanforderungen an heimliche Überwachungsmaßnahmen zurückblieben, da der Entwurf keine Angaben zur Art der sicherheitsbedrohlichen Verhaltensweisen oder den Kategorien von Personen mache, auf welche eine strategische Überwachung abziele.538 Die menschenrechtlich unzulässige Differenzierung des § 6 Abs. 3 BNDG zwischen In- und Ausländern sowie die rudisein. So im Fall EGMR, Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 307, Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 108 ff. Nicht jedoch bei EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 265; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 52 ff.; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 311. 537  BVerfGE 141, 220, 273 – BKAG. Allerdings dürfen – sofern es sich nicht vermeiden lässt – ebenso Personen überwacht werden, die nicht selbst eine Straftat begangen haben, aber eine spezifische Nähe zur Zielperson aufweisen oder Informationen zum Ermittlungsziel, dass seiner Art nach konkretisiert und zeitlich absehbar ist, beitragen können. Nichtsdestotrotz darf dieser Personenkreis nicht zu weit ausgestaltet sein, weswegen der bloße Kontakt zu einer Zielperson nicht ausreichend sein könne. Siehe ebd., S. 273 f., 291. Ferner BVerfGE 109, 279, 352 ff. – Großer Lauschangriff. In den Entscheidungen des EGMR zur Auslandsfernmeldeüberwachung in Liberty v. UK und Big Brother Watch and Others v. UK stellte der Gerichtshof fest, dass keine hinreichend bestimmten Regelungen zum überwachten Personenkreis bestanden und dem Staat ein zu weiter Ermessensspielraum eingeräumt wurde, wer überwacht werden durfte, keine Schutzmechanismus vor Missbrauch vorgesehen waren oder keine der Öffentlichkeit zugänglichen Regeln geschaffen wurden, die klar das Verfahren zur Auswahl der abgefangenen Daten, deren Umgang, Verarbeitung und Löschung festhielten. EGMR, Liberty and Others v. UK, Appl. No. 58243/00, Rn.  60 ff.; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 311 ff. Siehe auch EGMR, Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 180. Hier hat der Gerichtshof vor allem angegriffen, dass Regelungen fehlen, die zum Schutz persönlicher Daten anderer Staaten und Internationaler Organisationen beitragen. Ebenso wurden in der Vergangenheit zu weitgehende Regelungen zur innerstaatlichen Überwachung in Russland oder Ungarn als konventionswidrig angesehen, weil sie ebenso einen zu unbestimmten Personenkreis adressierten sowie Schutzmechanismen oder normenklare Bestimmungen zur Verarbeitung der Daten fehlten. Siehe Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 152 ff., 245; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 62 ff. 538  Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 9. Ähnlich Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (156); Lüders, Gesetzlich enthemmter Geheimdienst, in: Vorgänge 2016, S. 43 (44 f.).



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mentär geregelte Überwachung von Verkehrsdaten führe dazu, dass de facto jede Ausländerin und jeder Ausländer von einer Erhebung durch den BND betroffen sein könnte.539 Ähnlich sehen dies Christian Marxsen und Christian Schaller, nach welchen die Regelungen des BNDG unverhältnismäßig in Art. 10 Abs. 1 GG eingreifen, da – anders als das G10 – dieses nicht an das Vorliegen schwerwiegender Gefahren oder bestimmter Personengruppen, die im Zusammenhang zur Gefahr stehen, anknüpfe.540 Dabei müssen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit und die Gefahrenprognose in einem angemessenen Verhältnis zur Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung stehen,541 was hier nicht der Fall sei. Auch die Unterscheidung zwischen nationaler und internationaler Kommunikation ist aus technischer Sicht nur schwerlich machbar, weswegen die gesetzliche Differenzierung nur bedingt sinnig erscheine.542 Dieser Kritik schließt sich Bertold Huber an, der eine vergleichbare Regelung zu § 5 G10 fordert, da die derzeit geregelte umfassende Telekommunikationsüberwachung verfassungsrechtlich untragbar sei.543 Die Begründung seitens des BND, dass wegen mangelnder Kapazitäten eine umfassende Überwachung gar nicht möglich wäre, sei verfassungsrechtlich kein trag­bares Argument.544 Darüber hinaus sei gerade § 12 BNDG bedenklich, weil dieser einen sog. „full-take“ ermögliche, d. h. ein gesamter Datenstrom an den BND 539  Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 9 f. Massenhafte Grundrechtseingriffe für möglich erachtend: Cremer, Organisationen zum Schutz von Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, S. 879 (882); Schwabenbauer, Heimliche Grundrechtseingriffe, 2013, S. 17. 540  So Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (227) mit Verweis auf §§ 1 Abs. 2, 6 Abs. 1 Nr. 3 BNDG. Ferner Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S.  941 (956 f.); Lüders, Gesetzlich enthemmter Geheimdienst Anmerkungen zur parlamentarischen Debatte um das BND-Reformgesetz, in: Vorgänge 2016, S. 43 (43). 541  Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (9). 542  Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (978) mit Verweis auf Rechthien/Rieger/Kurz, Sachverständigengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, S. 2, welche die technischen ­Voraussetzungen bei der Paketvermittlung beschreiben. Ferner Rodosek, Sachverstän­ digengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1.  Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, S. 19 ff. 543  Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164). 544  Ebd.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

weitergeleitet werden könne, ohne dass sich an die 20 %-Grenze aus dem G10 gehalten werde.545 Klaus Gärditz ist hingegen der Ansicht, dass die durchaus vagen Bestimmungen des BNDG schlicht die Konsequenz des außenpolitisch-strategischen Aufklärungsauftrags seien und der Handlungsfähigkeit der Bundesregierung dienten.546 Daher seien keine erhöhten Anforderungen an einen bestimmten Personenkreis zu stellen, da bei der strategischen Überwachung ohnehin nicht nach individuellen Personen gesucht werde.547 Da der § 6 BNDG sich an den §§ 5, 9, 10 G10 orientiere und das Bundesverfassungsgericht die §§ 5 ff. G10 bereits früher für verfassungskonform erklärt habe, gelte für die §§ 6 ff. BNDG nichts anderes.548 Überdies wird vertreten, dass die Eingriffe des BND bei der reinen Auslandsfernmeldeaufklärung zwar ein hohes Gewicht hätten, die eine „flächendeckende und anlasslose Überwachung“ ohne Zweifel ermöglichten. Eine solche sei aber deshalb relativiert, weil die Aufklärung sich auf strategische Ziele beschränke, abstrakte Suchbegriffe verwende und keine gezielte Erfassung vorgenommen werde.549 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive sei ein Eingriff in Art. 10 GG erst dann gegeben, wenn eine De-Anonymisierung der Kommunikation vorläge.550

545  Zwar sind hierfür kurze Löschungspflichten vorgesehen, aber nicht die Gefahr gebannt, dass diese Daten rekonstruiert werden können und demnach nicht „spurenlos“ gelöscht werden. Siehe Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164); Lüders, Gesetzlich enthemmter Geheimdienst Anmerkungen zur parlamentarischen Debatte um das BND-Reformgesetz, in: Vorgänge 2016, S. 43 (43 f.). 546  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (526). 547  Ebd. A. A. Bäcker, Die Vertraulichkeit der Internetkommunikation, in: Rensen/ Brink, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 99 (104), welcher darauf hinweist, dass auch im Rahmen von Massenkommunikationsüberwachung im Internet individuelle Daten anfallen können. 548  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (528); Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S.  4 f., 8. 549  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (528). Ähnlich Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 23, der meint, dass „die unscharfe Streuung der Maßnahmen im Übrigen auch dadurch vermieden wird, dass mit Suchbegriffen gearbeitet wird, deren Vergabe an bestimmte Voraussetzungen genknüpft ist“. Für die §§ 6 ff. BNDG ebenso Karl/Soiné, Neue Rechtsprechung für die Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 919 (925).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz189

Dem schließt sich Jan-Hendrik Dietrich an, nach welchem die Intensität der Überwachung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beschränkt sei, weil eine globale Überwachung über die §§ 6 ff. BNDG ausgeschlossen werde. Dies zieht er ebenfalls daraus, dass die Verwendung bestimmter Telekommunikationsnetze und bestimmter Suchbegriffe eine flächendeckende Überwachung ausschließe. Die niedrigen Eingriffsschwellen könnten zumindest durch verfahrensrechtliche Absicherungen kompensiert werden, weshalb diese verfassungskonform seien.551 Diesen Argumenten wird allerdings entgegengehalten, dass im Rahmen von Massenkommunikation und -überwachung im Internet sehr wohl individuelle Daten anfallen können.552 Es wird angezweifelt, dass Suchbegriffe – wie E-Mail-Adressen – tatsächlich immer ohne Personenbezug gespeichert werden können.553 Ebenfalls zeigen Wilfried Karl und Michael Soiné auf, dass bei der reinen Auslandsfernmeldeaufklärung gar keine Sicherungsmechanismen existieren.554 Insbesondere weisen sie darauf hin, dass die Regelungen des § 6 BNDG nicht anwendbar seien, wenn die Aufklärung auf ausländischem Hoheitsgebiet, auf Hoher See oder im internationalen Luftraum sowie im Weltall stattfände.555 Einen weiteren Aspekt führt Thorsten Wetzling an, welcher eine regelmäßige Evaluation der Wirksamkeit der weiten Maßnahmen nach §§ 6 ff. BNDG fordert, da die Regierung zwar behaupte, dass die Ausland-Ausland-Fern­ meldeaufklärung unverzichtbar für die Aufgabenerfüllung des BND sei,556 den Beweis hierüber aber nicht erbringen müsse.557 550  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (528). 551  Dietrich, § 6 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1459. Ähnlich Karl/Soiné, Neue Rechtsprechung für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 919 (925). 552  Bäcker, Die Vertraulichkeit der Internetkommunikation, in: Rensen/Brink, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 99 (104). 553  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 8. 554  Karl/Soiné, Neue Rechtsprechung für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 919 (925). 555  Ebd., S. 919. Für § 6 BNDG ist ausschließlich der Standort der Erhebungstechnik ausschlaggebend. Siehe auch Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1275. 556  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22. 557  Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND sowie weiterer Vorlagen, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 6. Ähnlich schon Matthias Bäcker beim 1. Symposium der Nachrich-

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

ff) Verhältnismäßigkeitserwägungen: Der Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern Vor allem die Presseaktivitäten des „public watchdog“, die Gespräche von Mandantinnen und Mandanten mit den Strafverteidigerinnen bzw. Strafverteidigern oder mit Ärztinnen und Ärzten zählten das Bundesverfassungsgericht sowie der EGMR als besonders schutzwürdig auf.558 Daher müsse der Gesetzgeber bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen gewährleisten, dass die Behörden die besondere Vertraulichkeit bei Kommunikationen dieser Personenund Berufsgruppen beachten.559 Eine derartige Regelung ist jedoch ekdemisch im BNDG, weswegen die OSZE-Sonderberichterstatterin Dunja Mijatović sowie das Büro des Hohen UN-Menschenrechtskommissar das Gesetz als erhebliche Gefahr insbesondere für die Presse- und Meinungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger, Journalistinnen und Journalisten sowie für Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter ansehen.560 Ebenso kritisiert Markus Löffelmann die fehlende Regelung, weist jedoch darauf hin, dass für Nachrichtendienste nicht dieselben strengen Anforderungen gelten sollten wie für Strafverfolgungsbehörden, eine Regelung aber zumindest notwendig sei.561 Ähnliches brachten zahlreiche Medienvertretungen in einer gemeinsamen Stellungnahme tendienste, zitiert im Bericht von Fremuth, 1. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 688 (689). 558  Vgl. BVerfGE 20, 162, 176 – Spiegel-Entscheidung; 100, 313, 365 – TKÜ I; 109, 279, 322 – Großer Lauschangriff; 117, 244, 259 – CICERO; 129, 208, 265 ff. Ebenso EGMR, Observer u. Guardian v. United Kingdom, Appl. No. 13585/88, Rn. 59; Thorgeir Thorgeirson v. Island, Appl. No. 13778/88, Rn. 63; Társaság a Szabadságjogokért v. Hungary, Appl. No. 37374/05, Rn. 38. Aufhänger hierfür war vor allem Art. 10 EMRK (Freedom of expression). Siehe auch die Rechtsprechung des EGMR zur Ermittlung einer „undichten Stelle“ eines Nachrichtendienstes: EGMR, Telegraaf Media Nederland Landelijke Media B.V. u.  a. vs. Netherlands, Appl. No. 39315/06, Rn. 61. Ferner Starck/Paulus, Art. 5 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Kommentar, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 676. Zum Verhältnis von Art. 5 GG und der Kommunikationsfreiheit aus Art. 10 GG vgl. Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1068; Durner, Art. 10 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 211, die beide für nebeneinander anwendbar erachten. A. A. Jarass, Art. 10 GG, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 14. Aufl. 2016, S. 326; Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfasungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 255, nach welchen Art. 5 Abs. 1 gegenüber Art. 10 GG subsidiär sei. 559  BVerfGE 141, 220, 280 – BKAG. 560  Siehe Dunja Mijatović, zitiert in: Adams, Surveillance amendments in new law in Germany pose a threat to media freedom, OSZE vom 08.07.2016, verfügbar unter: https://www.osce.org/fom/252076//; UN OHCHR, Communication OL DEU 2/2016, verfügbar unter: https://www.ohchr.org/Doc-uments/Issues/Opinion/Legislation/OL_ DEU_2.2016.pdf (beides zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 561  Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1268).



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zum Entwurf des neuen BNDG vor, die mehr Schutz für Journalistinnen und Journalisten sowie deren Quellen einforderten.562 Klaus Gärditz wiederum ist der Ansicht, dass bei der strategischen Überwachung ein besonderer Schutz nicht notwendig sei, weil nicht einzelne Individuen adressiert werden und der Aufklärungsauftrag des § 6 BNDG nicht speziell pressegrundrechtliche Aktivitäten in den Fokus nehme.563 Jan-Hendrik Dietrich meint sogar, dass ein besonderer Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern im Ausland nicht not­ wendig sei, da die Definitionsmacht über die Geheimhaltungsbefugnis dem nationalen Recht des ausländischen Staates obliege und diese Personen keine Privilegierung über deutsche Regelungen erwarten könnten.564 gg) Weitere Anforderungen zur Begrenzung der Überwachung Bei der heimlichen Überwachung durch staatliche Stellen bestehen strenge Anforderungen an Bestimmtheit und Normenklarheit, die nur bei einer hinreichenden Begrenzung verfassungskonform sind.565 Christoph Gusy wies bereits bei der Vorgängerregelung darauf hin, dass bewusst im Nachrichtendienstrecht apodiktische Normentexte geschaffen wurden, um über die auslandsbezogenen Aufgaben und Aktivitäten des BND nicht mehr als zwingend nötig offenzulegen, was oftmals mit den Bestimmtheitsanforderungen kollidiere.566 Für die zu fordernde Bestimmtheit kommt es auf das Gewicht des Eingriffs an.567 Heimliche Überwachungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr, die tief in das Privatleben hineinreichen, sind nur zum Schutz besonders gewich-

562  Gemeinsame Stellungnahme Rundfunkanstalten und Medienverbände zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)654, S. 1 ff. 563  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 5. Ähnlich zur strategischen Überwachung und dem Berufsgeheimnisschutz Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1253). 564  Dietrich, § 6 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1459 mit Verweis auf BMI, Verfassungsschutzbericht 2016, S. 267. 565  BVerfGE, 141, 220, 265, 269 – BKAG. 566  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S.  1269 ff.; Sommermann, Art. 20 GG, in: v. Mangold/Klein/Starck, GG Kommentar, 7. Aufl. 2018, S. 128 ff. 567  BVerfGE 141, 220, 269 – BKAG.

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tiger Rechtsgüter – wie Leib, Leben, Freiheit der Person, Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes – zulässig.568 Die im BNDG formulierten Rechtsgüter zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung ergeben sich aus § 6 Abs. 1 S. 1 BNDG und bei der reinen Auslandsaufklärung aus § 1 Abs. 2 BNDG. In Bezug auf § 6 Abs. 1 BNDG wurden vor allem die Varianten Nr. 2 – die Wahrung der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik – und Nr. 3 – sonstige Erkenntnisse von außen- und sicher­heitspolitischer Bedeutung – kritisiert, weil diese zu vage ausgeformt seien und weit über die vorbenannten hinreichend gewichtigen Rechtsgüter hinausgehen.569 Wie auch im BKAG zur präventiven heimlichen Überwachung geschehen,570 wird daher gefordert, eine Begrenzung der zu schützenden Rechtsgüter auf „Gefahren für die innere und äußere Sicherheit“ und durch Nennung von Phänomenbereichen oder Bedrohungslagen vorzunehmen.571 Ebenfalls war Jan-Hendrik Dietrich unklar, welche unterschiedlichen Rechtsgüter von der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik (Nr. 2) im Verhältnis zum Schutz der außenpolitischen Belange (Nr. 1) geschützt werden sollen.572 Die Gesetzesbegründung gibt hierüber keinen Aufschluss, sondern signalisiert nur, dass die einzelnen Auflistungen den Auftrag nicht einengen sollen,573 was deren Weite noch einmal verdeutlicht.574 568  BVerfGE 120, 274, 328 – Onlinedurchsuchungen; 125, 260, 330 – Vorratsdatenspeicherung; 141, 220, 270 – BKAG. Noch weiter ist der Art. 8 Abs. 2 EMRK, nach welchen eine gesetzliche Grundlage dem Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, dem wirtschaftlichen Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit, Moral oder der Rechte anderer dienen muss. 569  Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S.  8 f. 570  BVerfGE, 141, 220, 288 – BKAG. Beim BKAG war es verfassungskonform, dass die aufgeführten Ziele von „einzeln festgelegten und besonders qualifizierten Straftaten ausgehen“. 571  Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 10. 572  Dietrich, § 6 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1460. 573  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22. 574  Vgl. Karl/Soiné, Neue Rechtsprechung für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 919 (920 f.), nach welchen hierunter die Aufrechterhaltung staatlicher Handlungsfähigkeit i. S. e. Sicherungen gegen militärische Angriffe, terroristische Bedrohungen oder illegitimes Abschneiden der Energiezufuhr falle.



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Darüber hinaus bleibt nach Heinrich Wolff unklar, ob auch die Erhebung von Verkehrsdaten in § 6 BNDG geregelt ist. Lediglich § 6 Abs. 6 BNDG normiere eine Höchstspeicherungsfrist von diesen. Die § 6 Abs. 1-3 BNDG beziehen sich jedoch nur auf Telekommunikationsnetze, Inhaltsdaten und Such­begriffe.575 hh) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Ausland-Auslandfernmeldeaufklärung hinsichtlich der Befugnisse des BND Zu den vorbenannten Punkten nahm das Bundesverfassungsgericht 2020 in seiner Entscheidung zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung umfasst Stellung. Dabei erteilte es insbesondere der Ansicht der Bundesregierung, die Grundrechtsbindung beim Handeln des BND sei territorial absolut b ­ eschränkt, eine klare Absage. Vielmehr folge aus Art. 1 Abs. 3 GG nicht nur, dass sämtliche Handlungsformen und Bereiche staatlicher Gewalt an die Grundrechte gebunden seien, sondern im Zusammenspiel mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 GG auch, dass sich Ausländerinnen und Ausländer auf die Grundrechte berufen können.576 Folge daraus war, dass das BNDG aus 2016 bereits formell verfassungswidrig ist, da das Gesetz dem Zitiergebot nicht nachkomme. Auch hinsichtlich § 7 BNDG, der gerade nicht als Befugnisnorm ausgestaltet wurde, stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass eine solche Datenerhebung eine Ermächtigungsgrundlage benötige.577 Allein durch eine punktuelle Beschränkung der Datenerhebung werde diese Regelung nicht verfassungskonform, was ferner für die im Übrigen ohne weiteres stattfindende weitere Verarbeitung gelte.578 Das Gericht führte aber ebenso aus, dass vor allem die strategische Fernmeldeaufklärung nicht grundsätzlich mit den Grundrechten unvereinbar sei, obwohl sie nicht auf bestimmte und konkrete Anlassfälle begrenzt ist.579 Anlasslose Überwachung sei jedoch nur als Ausnahmebefugnis mit hinreichend begrenzter Ausgestaltung zulässig.580 Dabei dürfe der BND keine operativen Befugnisse haben und müsse eine Aussonderung der erhobenen 575  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 7 f. Auch bemängelt er aus systematischen Gesichtspunkten die unterschiedliche Normierung der Suchbegriffe in § 6 und § 9 BNDG. Daher schlägt er die Schaffung einer einheitlichen Reglung vor. 576  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 87 ff. – BNDG. 577  Ebd., Rn. 309. 578  Ebd., Rn. 309. 579  Ebd., Rn. 143. 580  Ebd., Rn.  142 ff.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Telekommunikationsdaten von Deutschen und Inländerinnen bzw. Inländern vornehmen. Eine gesetzliche Regelung müsse Überwachungszwecke qualifiziert festlegen und es bedürfe besonderer Anforderungen an gezielte personenbezogene Überwachungsmaßnahmen, Grenzen für bevorratete Speicherungen von Verkehrsdaten, Rahmenbestimmungen zur Datenauswertung, Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern, die Gewährleistung eines Kernbereichsschutzes sowie Löschungsverpflichtungen.581 Daneben sei die Übermittlung von personenbezogenen Daten an andere Stellen nur zum Schutze besonders gewichtiger Rechtsgüter zulässig und es bedürfe hierfür der Normierung einer konkretisierten Gefahrenlage bzw. eines hinreichend konkreten Verdachts.582 Übermittlungen seien zu protokollieren und vorab sei sich über den rechtsstaatlichen Umgang zu vergewissern.583 Für einen solchen Umgang der Partnerdienste seien gehaltvolle Zusagen einzuholen.584 All diese Anforderungen gelten im Kern ebenso im Rahmen von internationalen Kooperationsmodellen.585 Diesen Vorgaben entspreche das BNDG aus 2016 in weiten Teilen gerade nicht, weswegen insbesondere die §§ 6 ff. BNDG für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden sind. 5. Fazit zum transnationalen und extraterritorialen Grundrechtsschutz bei auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Überwachungen a) Das generelle Problem der Auslandsgeltung bei der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung Sowohl das G10 als auch das BNDG verkennen die Auslandsgeltung des Art. 10 GG bzw. weiterer Grundrechte im Zusammenhang mit heimlichen SIGINT-Maßnahmen durch den BND, was auch dessen „amtlicher Praxis“ entspricht.586 Wie bereits aufgezeigt, ist aber genau die transnationale Geltung explizit vom Bundesverfassungsgericht bejaht worden, wenn sich die Überwachungssysteme auf deutschem Boden befinden. Wenn der Gesetzentwurf also vorsieht, dass die §§ 6 ff. BNDG genau für die Situationen gelten 581  BVerfG,

Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 142 ff. – BNDG. Rn.  211 ff. 583  Ebd., Rn. 174, 291. 584  Ebd., Rn.  259 ff. 585  Ebd., Rn.  243 ff. 586  Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland – Stößt der Grundrechtsschutz an seine Grenzen?, in: DöV 2015, S. 596; Bäcker, Der BND baut sich einen rechtsfreien Raum, in: VerfBlog vom 19.01.2015. 582  Ebd.,



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sollen, in denen die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung von Überwachungsanlagen auf deutschem Boden aus vorgenommen wird, ist es nicht verständlich, wieso simultan die Geltung des Art. 10 GG verkannt wird. Sicherlich hat das Bundesverfassungsgericht angemerkt, dass bei starken Auslandsbezügen Modifikationen oder Differenzierungen zulässig – wenn nicht sogar notwendig – seien, dies hingegen die Grundrechtsgeltung nicht derart modifiziert, dass sie von vornherein generell ausgeblendet werden kann.587 Selbiges gilt für die reine Auslandsfernmeldeaufklärung. Auch hier kann – wie die bereits vorgebrachten Begründungen zeigen – nicht von vornherein eine Grundrechtsbindung oder gar -geltung generell abgelehnt werden, wenn staatliche Behörden im Auftrag des Staates agieren. Selbst wenn die Intensität des Auslandsbezuges sich als intensiv gestaltet, gibt es kein juristisch tragbares Argument, dass staatliche Stellen derart tief die Privatsphäre eingreifen dürfen, ohne irgendwelchen Grenzen zu unterliegen. Das hierfür zumeist vorgebrachte Argument, dass das Grundgesetz deshalb nicht über die deutschen Staatsgrenzen hinaus gelten könne, weil dies in die Souveränität der anderen Staaten eingreife, geht schon im Ansatz fehl. Die Grundrechte binden nur die deutsche Staatsgewalt, weswegen den anderen Staaten keinerlei Verpflichtungen auferlegt werden, und sie dienen bei einer Auslandsgeltung nur als zusätzliches Schutzkonzept für Betroffene ausländische Bürgerinnen und Bürger, ohne dass die nationalen Instrumente angetastet werden. Die fremde staatliche Souveränität als Rechtfertigung von massenhaften Ausspähungen von Ausländerinnen und Ausländer im Ausland ohne eigene gesetzlich hinreichend bestimmte Beschränkungen heranzuziehen, läuft zudem nicht nur dem internationalen Menschenrechtsschutz zuwider, sondern steht auch im Konflikt dazu, dass die meisten Staaten ausländische Spionagetätigkeit strafrechtlich sanktionieren. Im Gegenteil verstoßen die Auslandsnachrichtendienste systematisch gegen diese Rechtsvorschriften im Opera­ tionsgebiet. Dies kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass Spionage völkerrechtlich vermeintlich nicht verboten sei.588 Selbst wenn man davon ausginge, dass Spionage völkerrechtlich erlaubt sei, weil jeder Staat im Ausland spioniert, hebelt das nicht den individuellen Menschenrechtsschutz aus, der ohnehin – in Anbetracht der Notwendigkeit von Spionagetätigkeiten – nur einen Minimalschutz einfordert. Dieser muss daher auch von Deutschland bei seinen Spionagetätigkeiten gewährt werden und darf eine Auslands587  BVerfGE 100, 313, 363 – TKÜ I. Siehe aber auch BVerfGE 31, 58, 72 ff. – Spanier-Entscheidung; 92, 26, 41 f. – Schifffahrtsregister. Ferner Payandeh, Entterritorialisierung des Öffentlichen Rechts, in: DVBl. 2016, Vol. 131, S. 1073 (1074 f.). Siehe auch zur stetigen Transnationalisierung des Rechts Viellechner, Transnationa­ lisierung des Rechts, 2013; Teubner, Transnationaler Verfassungspluralismus, in: ­ZaöRV 2016, Vol. 76, S. 661 (662 ff.). 588  Schaar, Überwachung total, S. 203.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

fernmeldeaufklärung weder komplett vorbei an Art. 10 GG noch an Art. 8 EMRK stattfinden.589 Auch das weitere Argument gegen eine Bindung und Geltung der Grundrechte im Ausland, wonach Deutschland sich einer Vielzahl von Fällen ausgesetzt sehen müsste, wenn eine Auslandsgeltung bejaht werde, trifft nicht den Kern der Debatte. Sicherlich ist es korrekt, dass das Grundgesetz nicht als Vorreiter einer einheitlichen Weltrechtsordnung fungieren soll, um allen Weltbürgerinnen und Weltbürgern einen umfassenden Grund- und Menschenrechtsschutz vor staatlichem Handeln deutscher Organe zu garantieren. Aufgrund der zahllosen Kollisionen der verschiedenen Rechtsysteme wäre das Grundgesetz hierzu schlicht nicht in der Lage. Folgt man dieser Ansicht aber, gäbe es – nach Teilen dieser Auffassung – staatliche Gewalt, die ungebunden agieren könnte oder – wie es andere Vertreterinnen und Vertreter sehen – zumindest bei Eingriffen von deutschen Stellen, die sich selbst an die Grundrechte halten sollen, für Betroffene nicht die Möglichkeit hiergegen gerichtlich vorzugehen, wenn die deutschen Stellen sich doch nicht oder nicht vollends an die verfassungsrechtlichen Vorgaben hielten. Beide Ansichten kommen zwangsläufig dazu, dass es gesetzesfreie Räume staatlichen Handelns gibt, die mit einem lückenlosen Grundrechtsschutz und der Verpflichtung zum – auch extraterritorialen – Schutz unveräußerlicher Menschenrechte deutlich im Widerspruch stehen. Ebenfalls verkennen die Vertreterinnen und Vertreter dieser Ansicht, dass das Grundgesetz schon längst einen sachlichen und räumlichen „expansiven touch“ aufweist, den sie nicht zuletzt durch die offene Staatlichkeit des Grundgesetzes erlangt haben.590 Andererseits hat jenes Argument, wenn man es zu Ende denkt, einen korrekten Kern, sofern man nicht pauschal die Grundrechtsbindung und -geltung verkennt: Manche Grundrechte beziehen sich tatsächlich nur auf bundeseigene Spezifika, die im Ausland anderen Bewertungen unterliegen. Das deutsche soziale Existenzminimum kann somit denknotwendigerweise nicht global allen Menschen gewährt werden, die nicht Teil dieses Sozialsystems sind, was national gespeist wird. Daher sollte gelten, je eher ein Grundrecht sich auf bundeseigene Spezifika bezieht, die vor allem das deutsche Rechts-, Wahl- und Sozialsystem betreffen und – wie zuletzt auch das Oberverwal589  So nun auch BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 87 ff. – BNDG. 590  Vgl. auch Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, S.  87 ff., 118 f.; Höfling, Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 2; Herdegen, Art. 1 Abs. 2 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 85. EL 2018, Rn. 22 ff., 47 ff. Jene verweisen dafür u. a. auf die Entscheidungen BVerfGE 111, 307, 315 ff. – Görgülü; 128, 326, 370 ff. – Sicherungsverwahrung I; 131, 268, 296 ff. – Sicherungsverwahrung II; 134, 1, 16 – Studiengebühren.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz197

tungsgericht Münster hervorgehoben hat591 – die betroffene Person keinen hinreichend engen Bezug zu Deutschland aufzeigen kann, desto eher wäre die Wirkung dieser Grundrechte auf das deutsche Territorium beschränkt.592 Diese Überlegung gilt jedoch nicht für Grundrechte, die einen universellen Charakter aufweisen und insbesondere Einflüssen der Menschenwürde unterliegen, und sofern die Maßnahmen einen hinreichend engen territorialen Bezug zu Deutschland aufweisen. Je deutlicher also der universelle Schutz der Grundrechte – insbesondere der Menschenwürde – vor Deutschland zurechenbaren staatlichen Maßnahmen hervortrete, desto eher gelten die Grundrechte unverändert gegenüber In- und Ausländerinnen bzw. Ausländern.593 Das hieße für die in Rede stehenden Grundrechte des Art. 10 GG und des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, dass je eher der Kerngehalt dieser Gewährleistungen und damit der Menschenwürdegehalt, der diesen inhärent ist, berührt wird, eine Auslandsgeltung anzunehmen ist. Dies muss aber auch erst recht für alle anderen Grundrechte gelten, die den Schutz der Privatsphäre adressieren und einen unantastbaren Kernbereich gewährleisten. Dieser kann jedoch nur die absolute Grenze darstellen, wann die grundrechtlichen Gewährleistungen in jedem Fall anwendbar sein müssen. Nimmt man diese Prämisse als Grundlage, ist nicht ersichtlich, wieso die Fernkommunikation, die seit der digitalen und internetgeleiteten Telekommunikation ohnehin nicht mehr an staatliche Grenzen gebunden ist, ein derart starkes bundeseigenes Spezifikum sein soll, so dass diese nur in Deutschland Geltung erlangen könnte. Vielmehr sind Art. 10 GG und das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme Paradebeispiele, dass die Grundrechte wegen der technischen Gegebenheiten nicht mehr rein national gedacht werden können.594 Daher muss die Erkenntnis erlangt werden, dass die Kommunikation immer schwerer zu territorialisieren ist, weswegen Peter Schaar und seinem „Territorialdi591  OVG

Münster, Urteil vom 19.3.2019, Az.: 4 A 1361/15. bereits Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (548) mit Verweis auf Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 4, Art. 14 GG. Ähnlich Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, S. 265. 593  Becker, Grenzüberschreitende Reichweite deutscher Grundrechte, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, S. 515 (548). Ähnlich Rüfner, Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 731 (732), nach welchem die internationalen Menschenrechte und die Würde des Menschen zu den Einzelgewährleistungen des Grundgesetzes in engem Zusammenhang stehen. 594  Im Ansatz so auch schon BVerfGE 100, 313, 362 – Telekommunikationsüberwachung I, welches feststellt, dass erst die Technik es ermöglichte, dass auch ohne Organwalter die Staatsgewalt im Ausland tätig werden könne. Es signalisiert, dass die ursprünglichen Staatsgrenzen einem tradierten Verständnis folgen, dass in Zeiten fortschreitender Technik überdacht werden müsse. 592  So

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

lemma“ dahingehend zuzustimmen ist, dass „es sich diejenigen zu einfach [machen], die stets nur auf die Einhaltung des heimischen Rechts pochen, wenn es um globale Geheimdienstaktivitäten geht.“595 Aus dem grenzüberschreitenden Aktionsfeld folgt, dass diese Grundrechte auch dort gelten müssen. Daraus folgt jedoch noch nicht, ob auch Abstriche beim „Wie“ dieser Geltung vorgenommen werden können, die das Bundesverfassungsgericht in Aussicht stellte.596 Folgt man diesen Erwägungen, hat das zur Konsequenz, dass eine Geltung – mag sie auch abgeschwächt im Verhältnis zum G10 ausgestaltet sein – zumindest von Art. 10 GG i. S. d. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG im BNDG angezeigt werden muss. Da dies weder für die §§ 6 ff. BNDG noch für die reine Auslandsfernmeldung geschehen ist, ist das BNDG aus formellen Mängeln verfassungswidrig. Darüber hinaus folgt aus der Auslandsgeltung der Grundrechte, dass Grundrechtseingriffe einer Befugnisnorm und keiner schlichten Aufgabenzuweisungsnorm bedürfen. Die Trennung ist deshalb wichtig, weil letztere lediglich den generellen Auftrag festschreibt und eine Zuständigkeit bestimmt, aber erst die Befugnisnormen die konkreten Maßnahmen zur Erfüllung dieser Aufgaben regeln.597 Wegen des Vorbehalts des Gesetzes und der Möglichkeit zum Eingriff sind an diese strenge Anforderungen zu stellen: Es müssen die Voraussetzungen, die Intensität und der Umfang des Rechtseingriffes normiert werden. Eine Regelung, die lediglich von „Gefahren […] abzuwehren“ ausgeht, legitimiert nicht zu einem konkreten Eingriff und ist damit als Aufgabenzuweisungsnorm zu sehen, die nicht für Grundrechtseingriffe ausreicht. Der § 1 Abs. 2 BNDG, der für die reine Auslandsfernmeldeaufklärung herangezogen wird, stellt mithin eine klassische Aufgabenzuweisungsnorm dar, in der lediglich der Auftrag zur Sammlung und Auswertung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind, festgeschrieben werden. Geht man also – wenngleich stark vermindert – von einer Grundrechtsgeltung sowohl von Art. 10 GG als auch vom Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme aus, bedürfen diese einer genaueren Befugnisregelung. Die Novellierungen aus 2016 entsprechen somit nicht den Verfassungsanforderungen.598 Überwachung total, 2014, S. 202. Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 104 – BNDG. 597  Siehe für das Polizeirecht hierzu Holzner, Art. 2 PAG, in: Möstl/Schwabenbauer, Polizei- und Sicherheitsrecht, 8. Ed. 2018, Rn. 1 f. 598  Heinrich Wolff schlägt hierfür vor, dass die Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 2 BNDG erweitert werden müsse und fordert die Einführung der Passagen: „­Außerhalb des Geltungsbereiches nimmt er seine Aufgaben wahr, sofern dies geboten ist. Er hat dabei auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu achten.“ Siehe ders., Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 595  Schaar,

596  BVerfG,



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz199

Ob dieselbe Bewertung für die §§ 6 ff. BNDG anzunehmen ist, ist nicht ganz eindeutig zu bestimmen. Zu Recht wird von Teilen der Literatur darauf hingewiesen, dass der § 6 Abs. 1 BNDG lediglich eine erweiterte Aufgabenbeschreibung darstellt, ohne konkrete Befugnisse zu normieren.599 Der Norm ist jedenfalls eine gewisse hybride Ausgestaltung inhärent. Anders als § 5 G10 knüpft sie an viel weitere unbestimmtere Gefahrenbereiche an, die – wie § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BNDG – keine konkreten Befugnisse zum Grundrechtseingriff beinhalten. Hinsichtlich letztgenannter Nummern ist somit nicht mehr von einer Befugnisnorm zu sprechen. Ob allerdings – wie das § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BNDG macht – ein weiter Gefahrenbegriff wegen des Auslandsbezugs und der Besonderheit der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit ausreichen kann, bleibt abzuwarten. Eine Aufteilung der Befugnisse i. S. d. § 5 G10 wäre hierbei allerdings wünschenswert, um eine Begrenzung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit auch i. S. d. Vorgaben des EGMR gerecht zu werden. Daher ist auch der Meinung von Klaus Gärditz nicht zuzustimmen, der die Verfassungsmäßigkeit des § 6 BNDG daraus herleitet, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung 1999 u. a. den § 5 G10 für verfassungskonform erklärte. Dieser Meinung wäre zuzustimmen, wenn § 6 BNDG sich den Vorgaben des § 5 G10 annähern würde. Denn „der Schluss von entgrenzten Gefährdungen auf entgrenzte Handlungsbefugnisse [ist] nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch rechtlich unhaltbar.“600 b) Massenüberwachung und Kernbereichsschutz Ein aus den vorbenannten Feststellungen anschließende Conclusio ist ferner, dass derzeit mangels hinreichend bestimmter und beschränkter Personenkreise und Gefahren im Ausland eine Vielzahl an Personen überwacht werden kann. Im BNDG fehlt dafür eine dem § 10 Abs. 4 G10 vergleichbare Regelung, wonach maximal 20 % der Übertragungskapazitäten überwacht werden dürfen, um die vom Bundesverfassungsgericht befürchtete flächendeckende Totalerfassung zu vermeiden. Auch wenn die G10-Regelung, wie im DE-CIX Verfahren vorgetragen wurde, bereits in der Praxis Schwächen auf26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4. Fraglich ist jedoch, ob dies den Bestimmtheitserfordernissen genügen würde. 599  Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (163). Siehe auch Hölscheidt, Das neue Recht des Bundesnachrichtendienstes, in: JURA 2017, Vol. 39, S. 148 (155 f.); Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4. 600  Meinel, Nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung als Kompetenzproblem, in: NVwZ 2018, 852 (852).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

zeigte, weil der BND beim Zugriff auf den Internetknotenpunkt den Datenverkehr vollständig erhoben hat,601 ist die Regelung an sich zu befürworten. Entgegen der vereinzelt vorgebrachten Ansicht, dass eine Totalüberwachung nach den §§ 6 ff. BNDG ausgeschlossen sei, weil diese auf bestimmte Telekommunikationsnetze und bestimmte Suchbegriffe begrenzt sei und keine gezielte Erfassung stattfinde,602 ist ein sog. „full-take“ über § 12 BNDG gerade möglich.603 In Kombination mit dem weiten Personenkreis, der hiervon erfasst wird, ist zwar keine globale Überwachung, aber eine massive, überregionale und ganze geografische Regionen abdeckende Überwachung möglich. Im engen Zusammenhang damit steht auch die Frage, wie der Kernbereich privater Lebensgestaltung bei derartigen umfassenden Überwachungen geschützt wird. Denn laut Bundesverfassungsgericht ist es „[m]it der Menschenwürde unvereinbar […], wenn eine Überwachung […] derart umfassend ist, dass nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert werden und zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können.“604 Die strategische Fernmeldeaufklärung – wie beispielsweise nach §§ 6 ff. BNDG – zeichnet sich dahingehend aus, dass der BND die Kommunikation einer Vielzahl von Personen erfasst, worunter ganze geografische Regionen fallen können, und anhand von Selektoren deren Inhalt und Metadaten durchsucht.605 Gerade die Metadatenüberwachung generiert aber in einem immensen Umfang individuelle Daten und weisen einige Selektoren – wie E-Mail-Adressen – schon von vornherein personenbezogene Zuordnungsmerkmale auf.606 Teilweise wird sogar vorgebracht, dass die 601  So der Rechtsvertreter von DE-CIX Sven-Erik Heun im Wege der Klage vor dem BVerwG, Urteil vom 30.05.2018, Az.: 6 A 3.16, zitiert in: Oliver Bünte, BND darf weiterhin Internet-Knoten De-CIX anzapfen, in: Heise Online vom 31.05.2018. Ebenso Papier, Beschränkungen der Telekommunikationsfreiheit durch den BND an Datenaustauschpunkten, in: NVwZ-Extra 2016, S. 1 (13). 602  Dietrich, § 6 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1459. 603  Zwar sind kurze Löschungspflichten vorgesehen, aber nicht die Gefahr gebannt, dass diese Daten rekonstruiert werden können und demnach nicht „spurenlos“ gelöscht werden. Siehe Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164); Lüders, Gesetzlich enthemmter Geheimdienst Anmerkungen zur parlamentarischen Debatte um das BND-Reformgesetz, in: Vorgänge 2016, S. 43 (43 f.). 604  BVerfGE 141, 220, 280 – BKAG mit Verweis auf BVerfGE 109, 279, 323 – Großer Lauschangriff; 112, 304, 319 – GPS-Überwachung; 130, 1, 24 – Al Qaida. 605  Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, offener Bericht für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, S. 24. 606  Bäcker, Die Vertraulichkeit der Internetkommunikation, in: Rensen/Brink, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 99 (104).



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz201

technische Vernetzung personenbezogener Daten einen derartigen Umfang einnimmt, dass von Betroffenen ein wesentlicher Teil der Lebensgestaltung adressiert oder sogar die Erstellung kompletter Persönlichkeitsprofile ermöglicht wird.607 Je umfassender diese Daten und deren Verknüpfung sind, was heutzutage technisch schon möglich ist, desto eher sind sie in der Lage, den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zu tangieren. Das heißt ebenso, dass solche Überwachungsmaßnahmen, die zu derartigen Möglichkeiten in der Lage sind, nicht durch sicherheitsrelevante Argumente relativiert werden können.608 Vielmehr ist Art. 1 Abs. 1 GG so existenziell für unser Rechtsverständnis, dass eine uneingeschränkte Geltung die logische Konsequenz sein müsste, und diese Norm auch gerade deswegen eingeführt wurde, um staatliche deutsche Gewalt daran zu erinnern, dass allen Menschen die Würde nicht genommen werden darf und Leitbild für alle staatlichen Handlungen ist. Aus dieser Sichtweise heraus ist es nur kohärent – im Gegensatz zu den Ausführungen von Kurt Graulich –, den Kernbereichsschutz zu normieren, selbst wenn man eine Grundrechtsgeltung des Art. 10 GG ablehnt. Im Hinblick dessen ist es weiterhin fraglich – wie Heinrich Wolff609 argumentiert –, ob das Bundesverfassungsgericht einen geringeren Schutzstandard des Kernbereiches privater Lebensgestaltung für Ausländerinnen und Ausländer angesichts der Besonderheit der Fernmeldeaufklärung annimmt, obwohl dieses keine Abstriche bei Art. 1 Abs. 1 GG zulässt. Allerdings wird von verfassungsgerichtlicher Seite in Fällen von strategischen Überwachungsmaßnahmen nur gefordert, dass diesen höchstpersönlichen Informationen ausreichend Rechnung getragen werde.610 Das führt jedoch nicht dazu, dass gezielt oder peripher kernbereichsrelevante Informa­ tionen miterhoben werden können. Dies spiegelt der Wortlaut des § 11 BNDG aber nicht wider, da er lediglich einen Schutz für Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung bietet, sofern „allein“ diese gezielt erhoben werden.611 Die Regelung nimmt fälschlich an, dass der BND immer 607  BVerfGE 120, 274, 302 f., 323 – Online-Durchsuchung; Murswiek/Rixen, Art. 2 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 73c; Lang, Art. 2 GG, in: Epping/ Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 46. 608  BVerfGE 109, 279, 314 – Großer Lauschangriff; 120, 273, 339 – Onlinedurchsuchung. Ferner Lang, Art. 2 GG, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG, 39. Ed. 2018, Rn. 46; Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien 2016, S.  13 f. 609  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 11. 610  BVerfGE 141, 220, 278 ff. – BKAG. Bspw. wenn auf einer zweiten Ebene eine unabhängige Kontrollstelle für das Ausfiltern kernbereichsrelevanter Informationen eingerichtet wird. 611  Siehe dazu schon vorher Abschnitt C.II.4.b)dd).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

nur gezielt und ausschließlich kernbereichsrelevante Daten erhebt, und verkennt, dass diese (auch gezielt) miterfasst werden können. Deshalb ist eine Regelung zur Miterfassung solcher Daten viel entscheidender, weil sonst auf Erhebungsebene kaum eine Selektion des zu achtenden Kernbereichs privater Lebensgestaltung erfolgt.612 Die Meinungen, die es allerdings als verfassungsrechtlich ausreichend ansehen, dass auf zweiter Ebene ein Verwertungsverbot und eine Löschungspflicht bestehe,613 verkennen, dass die zweite Ebene nur bei unvermeidlichen Zufallsfunden solcher Daten einschlägig ist und eben nicht eine Erhebung generell erlaubt.614 Zudem bedarf es hierfür eine unabhängige Kontrollstelle,615 die in § 11 BNDG aber nicht vorgesehen ist.616 Ebenfalls gelten all diese Regeln – auch wegen der expliziten Ausnahme in § 5 Abs. 2 S. 3 G10 – nicht für die die reine Auslandsfernmeldeaufklärung im BNDG, weshalb diese Novellierung aus 2016 den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht ausreichend Rechnung trägt. c) Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger Sowohl bei der strategischen Fernmeldeaufklärung nach dem G10 als auch im BNDG fehlen besondere Regelungen zum Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern, die das Bundesverfassungsgericht aber explizit fordert.617 612  Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474; Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (529); Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (224); Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 11, welcher den Kernbereichsschutz des § 11 BNDG gemessen an den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zum BKAG schwach einstuft. 613  Löffelmann, Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1159 (1268). Ähnlich Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 11, der diesen geringeren Schutzstandard aber angesichts der Besonderheiten der Fernmeldeaufklärung für vertretbar erachtet. 614  BVerfGE 141, 220, 279 – BKAG. 615  Ebd., S. 302; EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 238; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 307. 616  Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474. Derzeit sieht § 15 Abs. 3 S. 7 BNDG nur ein stichprobenartiges Recht zur Kontrolle durch das Unabhängige Gremium vor. Siehe auch Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (225). 617  Siehe zuletzt BVerfGE 141, 220, 279 – BKAG.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz203

Nach Meinungen von Jan-Hendrik Dietrich ist ein Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern im Ausland nicht notwendig, weil unklar sei, wer im Ausland diese Geheimhaltungsbefugnis innehabe. Nach Klaus Gärditz werden zudem presserechtliche Aktivitäten nicht speziell bzw. bei der strategischen Überwachung ohnehin keine individuellen Personen überwacht, was daher keinen besonderen Schutz erfordere. In Bezug auf die Aussagen von Jan-Hendrik Dietrich ist nicht ersichtlich, wieso die Schweigepflicht einer Anwältin oder eines Anwalts im Ausland nicht als vertraulich eingestuft werden können sollte. Selbst wenn die Geheimhaltungsverpflichtung in manchen Staaten stärker oder schwächer ausfallen, kann die Konsequenz daraus doch nicht sein, dass alle besonderen Vertrauensverhältnisse keinen besonderen Schutz erhalten. Eine Auf­ listung der von internationalen Gerichten und Institutionen anerkannten Berufsgeheimnisgruppen wäre hierfür eine einfache Lösung. Eine solche ­ Regelung zum Schutz vertrauenswürdiger Kommunikationsbeziehungen könnte überdies ähnlich wie § 3b G10 ausgestaltet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass § 3b G10, ebenso wie die fast gleichlautenden § 160a StPO und § 20u BKAG, eine Differenzierung von verschiedenen Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern etabliert hat. Hiernach existiert eine Art abgestuftes „Zweiklassensystem“, das vor allem Geist­ liche, Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Abgeordnete privilegiert. Eine Erweiterung dieses engeren Kreises – insbesondere auf Journalistinnen und Journalisten sowie bestimmte Gruppen von Heilberufen – wäre jedoch gerade in Anlehnung an die internationale Praxis und die besondere Stellung dieser Gruppen wünschenswert. In Bezug auf die Stellungnahme von Klaus Gärditz ist zu erwidern, dass sich bereits gezeigt hat, dass der BND vermehrt Reporterinnen und Reporter überwachen ließ. Um eine freie Presse oder um die Vertraulichkeit zwischen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern zu ermöglichen, braucht es hierfür Schutzvorkehrungen. Wenn auf einen Schutz solcher besonders vertraulichen Berufsfelder vermehrt verzichtet wird, birgt diese eine immense Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Gerade die internationale Staatengemeinschaft und die Bundesregierung kritisieren Russland und China dafür, dass – auch durch Geheimdienste – Medien unterwandert und die öffentliche Meinungsbildung beeinflusst werden. Selbst diesen Schutz jedoch nicht vorzusehen, ist nicht nur widersprüchlich, sondern verstößt gegen Grundkonzepte unseres demokratischen Fundaments. Und dieses Grundkonzept wird überdies nicht dadurch gefördert, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste offen eine überbe-

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

tonte „Skandalisierung“ der Medien beklagen.618 Wenn somit selbst solche Berufsgruppen in keiner Weise geschützt werden – nicht einmal unter abgesenkten Standards – trägt dies zu einer immensen Erweiterung von „chilling effects“ bei. Denn wer „nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden.“619 d) Regelungen zur Individualüberwachung Neben den strategischen Maßnahmen bleibt die individuelle Fernmeldeüberwachung im Ausland trotz der §§ 6 ff. BNDG ungeregelt und existiert aus dem Umkehrschluss zu § 3 Abs. 1a G10 auch nicht im G10, sondern ist nur auf inländische Maßnahmen anwendbar. Dies sei zwar nach Klaus Gärditz unproblematisch, da im Ausland die Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 2 BNDG dies abdecke.620 Geht man jedoch – anders als Klaus Gärditz – von einer Grundrechtsgeltung aus, müssen hierfür Regelungen eingeführt werden. Ob dies im G10 geschieht oder im BNDG vorgenommen wird, ist dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen. e) Schlussbemerkung Wenn bereits die Chef-Etage der Bundesregierung nicht weiß, ob „[d]as Ausspähen unter Freunden […] gar nicht“621 geht oder auch die deutsche Regierung keine Abhörsicherheit für Freundinnen bzw. Freunde und Partnerinnen bzw. Partner garantiert, die – wie der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen – großen Wert auf ihre Privatsphäre legen,622 wird offensichtlich, dass etwas im Argen liegt. Sicherlich ist es aus einer sicher618  Rusteberg, Wandel durch Annäherung? Zum 2. Symposium über das Recht der Nachrichtendienste, in: VerfBlog vom 21.03.2018. 619  BVerfGE 65, 1, 43 – Volkszählung. 620  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (526). 621  Pressestatement vor der Sitzung des Europäischen Rates in Brüssel am 24.10.2013, verfügbar unter: https://archiv.bundesregierung.de/archiv-de/dokumente/ pressestatement-von-bundeskanzlerin-merkel-vor-der-sitzung-des-europaeischenrates-am-24-oktober-2013-843818 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 622  Statement vom österreichischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen vom 16.06.2018, dokumentiert in: Schüller, Die Statements von Van der Bellen und Kurz zur Nachschau, in: Der Standard vom 16.06.2018.



II. Der grundrechtliche Privatsphärenschutz205

heitsorientierten Perspektive verständlich, dass die Bundesregierung und der BND apodiktische Normentexte präferieren, um so wenig wie nötig über die Fernmeldeaufklärung zu offenbaren und diese damit effektiv zu halten. Dennoch bedarf es hierfür gesetzliche Begrenzungen, die ohnehin nur als Mindestanforderungen eingefordert werden. Daher ist eine Neufassung in vielerlei Hinsicht zwingend notwendig,623 die nicht nur die verfassungsrechtlichen Vorgaben umsetzt, sondern dem BND und dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Klarheit und Rechtssicherheit bei deren Handeln verschafft. In der Debatte darf aber nicht vergessen werden, dass der BND in aller Regel zum Schutz unserer Verfassung einen immensen Anteil hat und seinen Fokus zumeist auf Extremistinnen und Extremisten legt.624 Um jedoch diesen Verfassungsschutz nach innen und nach außen zu gewährleisten, ist die Bedeutung klarer Regelungen für die Tätigkeit des BND in enger Abstimmung auch mit der Wissenschaft – wie es sowohl Thomas de Maizière als auch der ehe­ malige Beauftrage für die Nachrichtendienste Klaus-Dieter Fritsche beim 1. Symposium des Nachrichtendienstrechts 2017 anmahnten – unumgänglich.625 Nimmt man also den grundrechtlichen Schutz ernst, bedürfen Teile des BNDG und des G10 einer Neufassung. Die transnationale und extraterrito­ riale Geltung muss in eine Novellierung einfließen, die bestimmtere, begrenztere und mit besonderen Schutzmechanismen vorgesehene Regeln braucht, um einen „Orwell’schen Überwachungsstaat“ nicht entstehen zu lassen.626 Auch sollte man sich fragen, ob in einer globalisierten Welt, in der die Verständigung über soziale Medien, Messengerdienste oder über das schon fast altmodisch erscheinende Handy einen Großteil unseres Fern­ kommunika­tionskontaktes einnimmt und kaum noch einfach zu territorialisieren ist,627 eine Differenzierung zwischen reiner Ausland-Auslandskommu623  So zuletzt auch Johannes Masing, der in der Eröffnungsrede des 1. Symposiums zum Recht der Nachrichtendienste eine – in Angesicht der bereits 2016 stattgefundenen Reform somit eine weitere – Reform und klare Bestimmungen forderte. So zitiert im Bericht von Fremuth, 1. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 688 (689). 624  Rusteberg, Wandel durch Annäherung? Zum 2. Symposium über das Recht der Nachrichtendienste, in: VerfBlog vom 21.03.2018. 625  So zitiert im Bericht von Fremuth, 1. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 688 (689). 626  So nach den Snowden-Enthüllungen mahnend ein Richter des US District Courts des District Columbia, Klayman et al. vs. Obama et al., Civil Action No. 130851 (RJL), S. 49. 627  Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest, JIM-Studie: 2016, S. 6, 31. Allein 98 % der deutschen Haushalte besitzen ein Smartphone und einen Laptop. Vor allem Jugendliche nutzen Messengerdienste und soziale Medien mehrmals die Woche (95 %) oder gar täglich (89 %).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

nikation und Kommunikation mit Inlandsbezug technisch überhaupt noch möglich ist. Selbst die existierenden Filtermethoden nach Telefonvorwahlen oder Top-Level-Domain sind dafür nicht ausreichend, weil sie lediglich als Anhaltspunkte, aber nicht als sichere Beweise dienen können, weswegen die gesetzliche Differenzierung nur bedingt sinnig erscheint.628 Da aus dem Grundgesetz kein Recht auf „Weiterleben in einer analogen Welt“ folge, müssen sich auch die Gesetze den technischen Gegebenheiten und der Digitalisierung anpassen.629 Im Wesentlichen ist dieser Auffassung auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 19.05.2020 gefolgt. Die Klarstellung der Reichweite des Art. 1 Abs. 3 GG ist dabei die zentrale Komponente der Entscheidung, die dem BNDG eine neue Generalüberholung auferlegt. Elementare Schutzmechanismen, wie u. a. der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und von besonderen Vertrauensverhältnissen, müssen damit bei der Auslandsüberwachung generell beachtet werden. Ferner sind die weiteren Begrenzungsmechanismen positiv hervorzuheben und geben sowohl dem Gesetzgeber als auch dem BND klare Vorgaben für eine verfassungskonforme Ausgestaltung. Allerdings forderte es nicht die Differenzierung von In- und Auslandskommunikation oder zwischen In- und Ausländerinnen bzw. Ausländern aufzuheben, obgleich dem Senat bewusst war, dass diese Differenzierung technisch schwierig ist. Diese Entscheidung ist damit dem Gesetzgeber überlassen worden.

III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz in anderen Überwachungsnationen Im nachfolgenden Abschnitt soll erörtert werden, inwieweit sowohl Frankreich als auch die USA ihre verfassungsrechtlichen Individualverbürgungen auch außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes garantieren und wie der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der Privatsphäre in beiden Ländern bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen gewährleistet wird. 628  Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (978) mit Verweis auf Rechthien/Rieger/Kurz, Sachverständigengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, S. 2, welche die technischen Voraussetzungen beid er Paketvermittlung beschreiben. Ferner Rodosek, Sachverstän­ digengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1.  Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, S. 19 ff. Siehe ferner Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (227 f.), der diese Differenzierung als impraktikabel bezeichnet. 629  So bezogen auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: LSG Stuttgart, Urteil vom 21.06.2016, Az.: L 11 KR 2510/15, Rn. 24.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz207

1. Der Schutz der Bürger- und Menschenrechte bei auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung durch französische Dienste – La Vie privée contre l’Ordre public Der Bürger- und Menschenrechtsschutz hat in Frankreich eine lange Tradition. Bereits am 26.08.1789 verabschiedete die Grand Loge Nationale die Déclaration des droits de lʼhomme et du Citoyen, wodurch neben staatsorganisationsrechtlichen Fragen vor allem die individuellen menschen- und bürgerrechtlichen Errungenschaften der Revolution erstmals verschriftlicht wurden.630 Diese ähnelten der dreizehn Jahre früher verabschiedeten Virginia Bill of Rights, was nicht zuletzt an Marquis de Lafayette lag, welcher sich als Verfechter der amerikanischen Unabhängigkeit zuerst in den USA für die individuellen Freiheitsrechte einsetzte und später den ersten Entwurf der Erklärung zu den Menschen- und Bürgerrechten in der französischen Nationalversammlung einbrachte. Dies erklärt auch die naturrechtliche Prägung der Déclaration des droits de lʼhomme et du Citoyen zu Zeiten der Aufklärung, die nicht primär die Schaffung von Grundrechten intendierte, sondern vielmehr ein Gesellschaftsmodell deklarieren wollte.631 Die dort verankerten Prinzipien von Demokratie, der Republik und eine starke Ausprägung des Souveränitätsgedankens sowie die Bekennung zu den unveräußerlichen Menschenrechten sind heute noch die elementaren Grundlagen des französischen Verfassungsverständnisses.632 Wegen der überragenden Bedeutung wurde die Erklärung von 1789 in den ihr folgenden Verfassungen in den jeweiligen Präambeln integriert, was lange Zeit den einzigen verfassungsrechtlichen Verweis in Frankreich auf menschenrechtliche Verbürgungen darstellen sollte.633 Diese Konzeption wurde 630  Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (4). 631  So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 58; Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, Bd. I, 1986, S. 203 (207). 632  Vgl. Art. 3 Verfassung von 1789: „Le principe de toute souveraineté réside essentiellement dans la nation. Nul corps, nul individu ne peut exercer d’autorité qui n’en émane expressément.“ Hierzu kann man Jean Bodins Staatstheorie des Ancien Régime durchaus als Ausgangspunkt betrachten: Bodin, Les six livres de la République, 1599, S. 20 ff. Ebenso verweist Malberg darauf, dass die Souveränität des Staates gem. Art. 3 Déclaration des droits de lʼhomme et du Cityon von 1789 die „caractère suprême d’un pouvoir“ sei: Carré de Malberg, Contribution à la théorie générale de l’Etat, 1922, S. 70 ff. Vgl. auch Pactet/Mélin-Soucramnien, Droit constitutionnel, 23. Aufl. 2004, S. 341 ff. 633  Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (325); Esmein, Éléments de droit constitutionnel français et comparé, 6. Aufl. 2001, S. 558 f.; Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 58; Etien, Jurisprudence Constitutionnelle: La nature juridique de la déclaration de 1789 en 1989, in: Revue Administrative 1989, S. 142 (142 ff.).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

erst mit der Verfassung von 1946634 erweitert, die zwar den obligatorischen Verweis auf die Erklärung von 1789 in ihrer Präambel enthielt, seitdem aber erstmals eigene weitere subjektiv öffentliche Rechte deklarierte.635 Selbige Konstruktion führte die heutige Französische Verfassung der V. Republik von 1958636 fort, die in ihrer Präambel den Bezug zu den Bürger- und Menschenrechten von 1789 enthält, zudem aber auch auf die neu begründeten Errungenschaften der Verfassung von 1946 verweist sowie eigene grundrechtliche Gewährleistungen einführte. Trotz der Verankerung dieser Gewährleistungen wirkte der französische Grundrechtsschutz lange Zeit sehr rudimentär, weil die Benennung einzelner Verbürgungen aus vorherigen verfassungsrechtlichen Instrumenten in der Präambel wegen ihrer schlichten einleitenden Bedeutung zunächst für nicht unmittelbar anwendbar gehalten wurden und ebenfalls nicht als Prüfungsmaßstab für die Kontrolle der Gesetze herangezogen werden konnten.637 Um diesen Schutz zu stärken, fanden zumindest in der Lehre bereits 1954 Bestrebungen statt, einen stärkeren unmittelbar geltenden Bezug zu den Menschenrechten der Vorläuferverfassungen herzustellen. Im Zuge dessen wurden die Gedanken zu den „Libertés publiques“ entwickelt, die unter starken Einfluss von Louis Favoreu später in die „Droits des libertés fondamentales“ umbenannt wurden.638 Hieran knüpfte auch der Conseil Constitutionnel – Jahre später – 1971 seine Entscheidung zur Vereinigungsfreiheit an. Das oberste Verfassungsgericht leitete sich ab dato selbst die Kompetenz aus der Präambel der Verfassung der V. Republik her, die Erklärung von 1789 als Maßstab zur Überprüfung von Gesetzen zu nutzen, und fügte seinem gerichtlichen Prüfungsumfang eine bürger- und menschenrechtliche Komponente hinzu. Er erweiterte diese unter Bezugnahme auf die Präambel der Verfassung von 1946 um die dort verankerten „Principes fondamentaux reconnus par les lois

634  Constitution de la République française du 27.10.1946, veröffentlicht in: JORF vom 28.10.1946, S. 9166. 635  So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 59. 636  Constitution du 4 octobre 1958, veröffentlicht in: JORF vom 05.10.1958, S. 9151. 637  Vgl. Carré de Malberg, Contribution à la théorie générale de l’Etat, 1922, S. 580; Esmein, Eléments de droit constitutionnel, 6. Aufl. 1914, S. 559; Bacot, La Déclaration de 1789 et la Constitution de 1958, in: RDP 1989, Vol. 3, S. 685 (719); Jeanneau, Juridicisation et actualisation de la Déclaration des Droits de 1789, in: RDP 1989, Vol. 3, S. 635 (635 ff.). 638  Favoreu et al., Droit des libertés fondamentales, 6. Aufl. 2012, S. 1 ff. Siehe auch Jouanjan, Conseil Constitutionnel und Bundesverfassungsgericht, in: Stolleis, Herzkammern der Republik, 2011, S. 137 (139). Obgleich die Bezeichnung in Frankreich heute sehr geläufig ist, wird sie nicht von allen befürwortet. Siehe dazu Wachsmann, Libertés publiques, 5. Aufl. 2005, S. 227.



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de la République“, die damit Verfassungsrang verliehen bekamen.639 Er sah sich hierzu befugt, da es – anders als in der Verfassung von 1946 – keinen Hinweis darüber gegeben habe, ob die Präambel vollwertiges Verfassungsrecht darstellt.640 Dieser erste Rekurs über die Präambel auf die Erklärung von 1789 und die Verfassung von 1946 sollte – trotz kritischer Stimmen641 – jedoch für den Conseil Constitutionnel nur der Anfang sein, um im Laufe der Zeit ein Einfallstor zu schaffen, um aus den Vorläuferverfassungen bürgerund menschenrechtliche Verbürgungen in das heutige Verfassungsgefüge zu übertragen und deren unmittelbare Bedeutung als vollwertiges Verfassungsrecht für die Begrenzung staatlicher Gewalt in Frankreich zu etablieren.642 639  Court Constitutionnel, Entscheidung Nr. 71-44 DC vom 16.07.1971, Rn. 2 ff. – liberté d’association. Dieser eröffnete sein Urteil mit den Worten: „Vu la Constitution et notamment son préambule“. Im speziellen Fall 71-44 DC leitete der Conseil Constitutionnel 1971 das „Grundrecht“ der Vereinigungsfreiheit her. Ursprünglich fiel die gerichtliche Überprüfung und Kontrolle der bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen allerdings nicht in dessen Kompetenzbereich, da gerade die Verfassungsgerichtsbarkeit in Frankreich traditionell schwach ausgeprägt war. Siehe dazu Classen, Verfassungsrecht der V. Republik – Grundrechte, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl. 2012, S. 74 (75); Scheffler, Das französische Verfassungsverständnis angesichts der Anforderungen des EG/EU-Rechts, in: ZaöRV 2007, Vol. 67, S. 43 (47). 640  Court Constitutionnel, Entscheidung Nr. 71-44 DC vom 16.07.1971, Rn. 2 ff. – liberté d’association. Für Auffasungen, die dies verfassungshistorisch anders sahen vgl. Rousseau, Droit du contentieux constitutionnel, 8. Aufl. 2008, S. 29; Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 59; Comité national chargé de la publication des travaux préparatoires des institutions de la V République, Documents pour server à l’histoire de l’élaboration de la Constitution du 4 octobre 1958, Vol. II 1987, S.  256 f. 641  Jeanneau, Juridisation et Actualisation de la Déclaration des Droits de 1789, in: RDP 1989, Vol. 3, S. 635 (S. 638 ff., 661 f.); Bacot, La Déclaration de 1789 et la Constitution de 1958, in: RDP 1989, Vol. 3, S. 685 (719). 642  Siehe ebenso Court Constitutionnel, Entscheidung Nr.  74-54 DC vom 15.01.1975, Rn. 10 – L’interruption volontaire de la grossesse, in welcher der Conseil Constitutionnel erstmals die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Grundsätze der Präambel von 1946 zum vollwertigen Verfassungsrecht hinzugefügte. Dabei wurde nicht vordergründig versucht, aktuellen politischen Entscheidungen zu folgen, sondern der besonderen humanen und republikanischen Tradition der Französischen R ­ epublik Rechnung zu tragen. Selbst aus einfachem Recht leitete der Conseil Constitutionnel i. V. m. mit den fundamentalen Prinzipien der Verfassung Verfassungsgrundsätze her. Zuletzt geschah dies durch die Schaffung eines besonderen Strafrechts für Minder­ jährige: Court Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2002-461 DC vom 29.08.2002, Rn. 26 ff. – Droit Pénal des Mineurs. Vgl. dazu auch Rousseau et al., Droit du contentieux constitutionnel, 11. Aufl. 2016, S. 231 ff.; Starke, Die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle durch den Conseil constitutionnel, 2000, S. 55 ff.; Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 60. Die Gerichte differenzieren allerdings auch in Frankreich nach der Anwendbarkeit, der inhaltlichen Ausgestaltung und dessen zu rechtfertigender Beschränkung. Siehe hierzu Classen, Verfassungsrecht der V. Re-

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Mittlerweile bilden mit terminologisch leicht abweichenden Unterschieden die „Droits de l’homme“, die „Libertés publiques“, das „Droit des libertés fondamentales“ bzw. die „Droits fondamentaux“643 den Grundbaustein für das französische Pendant zu den deutschen Grundrechten.644 Die Gesamtheit dieser Gewährleistungen wird in Frankreich auch Bloc de constitutionnalité genannt und mittlerweile zum zwingenden Verfassungsrecht gezählt.645 Diepublik – Grundrechte, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl. 2012, S. 74 (76). 643  Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (2). Vgl. auch Classen, Verfassungsrecht der V. Republik – Grundrechte, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl. 2012, S. 74 (75). 644  Um diese Grundgedanken von 1789 sowie 1946 auch zu verschriftlichen, wurde zudem vorgeschlagen, dass man zur Vereinheitlichung für die neue Verfassung der V. Republik einen einleitenden Grundrechtskatalog – ähnlich dem des deutschen Grundgesetzes – hinzufügt. Diesen kannte man schon aus der Post-Revolutionszeit. Siehe Comité national chargé de la publication des travaux préparatoires des institutions de la V République, Documents pour server à l’histoire de l’élaboration de la Constitution du 4 octobre 1958, Vol. I 1987, S. 243. Siehe auch Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (329 ff). Dieser Gedanke wurde bei der Schaffung der derzeitigen Verfassung allerdings verworfen, weil es nicht mit der verfassungsrechtlichen Tradition in Frankreich übereinstimmte, dass de facto die Regierung einen komplett eigenen Bürgerrechtekatalog schaffen sollte. Siehe Comité national chargé de la publication des travaux préparatoires des institutions de la V République, Documents pour server à l’histoire de l’élaboration de la Constitution du 4 octobre 1958, Vol. I 1987, S. 243; Colliard, Libertés publiques, 4. Aufl. 1972, S. 14 ff.; Morange, Une Catégorie juridique ambiguë: Les principes généraux du droit, in: RDP 1977, S. 761 (761 ff.). Ebenfalls lag es unter Umständen daran, dass die Grundrechte an sich ein eher deutsches Produkt sind und Frankreich sich in einer viel längeren Tradition den Menschenrechten verschrieben hat. Menschenrechte in ihrer naturrechtlichen Ausprägung knüpfen im Unterschied dazu an das Menschsein an und gehören nur bedingt zum positiven Recht. Vgl dazu Wachsmann, Les droits de l’homme, 5. Aufl. 2008, S. 2; Favoreu et al., Droit des libertés fondamentales, 6. Aufl. 2012, S. 1 ff. Vgl. zu den Grundrechten Kingreen/Poscher, Grundrechte, 32. Aufl. 2016, S. 12 f. Trotz unterschiedlicher Terminologien ist beiden Konstrukten allerdings eines gemein: sie sind subjektive Rechte des Einzelnen, um staatliche Willkür zu begrenzen. Siehe dazu Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (324). Siehe ferner Luchaire, La protection constitutionnelle des droits et libertés, 1987, S. 1; Oberdorff, Droits de l’homme et libertés fondamentales, 3. Aufl. 2011, S. 87. 645  Geprägt hat den allgemein anerkannten Terminus des „Bloc de constitutionnalité“ Louis Favoreau. Vgl. dafür Favoreu, Le principe de constitutionnalité, Essai de définition d’après la jurisprudence du Conseil constitutionnel, in: Eisenmann, Recueil d’études en hommage à Charles Eisenmann 1975, S. 33 (34 ff.). Er bezeichnete diesen sogar als die Spitze der Normenhierarchie in Frankreich, ebd. S. 33. Eine Hierarchie dieser einzelnen Verfassungswerte lehnte der Conseil Constitutionnel jedoch stets ab. Einschränkend muss man jedoch hervorheben, dass wichtige Prinzipien nur dann vor-



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ser unterteilt sich einerseits in die geschriebenen und die ungeschriebenen Verfassungswerte: Die Allgemeine Erklärung von 1789, die Präambel der Verfassung von 1946 und die Charte de l’environnement, die den Schutz auf Menschenrechte der dritten Generation erweitert,646 fallen unter die sog. „Normes complémentaires explicites“; wohingegen die „Principes fondamentaux reconnus par les lois de la république“, „Principes à valeur constitu­ tionnelle“ und „Objectifs de valeur constitutionnelle“ unter die „Normes complémentaires implicites“ eingeordnet werden.647 liegen, wenn sie bereits in der legislativen Republik vor 1946 existierten und seither ununterbrochen angewendet wurden. Vgl. dazu Court Constitutionnel, Entscheidung Nr. 88-244 DC vom 20.07.1988, Rn. 12 – Loi portant amnistie. Siehe ferner dazu Favoreu/Philip, Les grandes décisions du Conseil constitutionnel, 8. Aufl. 1995, S. 925; Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 63. Beinhaltet sind Gewährleistungen wie ein allgemeiner Gleichheitsgrundsatz, die Religionsfreiheit (beides in Art. 1 Abs. 1 Französische Verfassung von 1958), die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit (Art. 4); über die Erklärung von 1789 werden zusätzlich das generelle Freiheits- und Gleichheitsgebot (Art. 1), die Vereinigungsfreiheit (Art. 2 S. 1 Alt. 1), die Unveräußerlichkeit von Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung (Art. 2 S. 1 Alt. 2, S. 2.), die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art 4), Religionsfreiheit (Art. 10, 11) sowie einzelne Justizgrundrechte (Art. 7, 8, 9) in den Schutz inkorporiert. Hinzutreten durch die Präambel der Verfassung von 1946 politische, wirtschaftliche und soziale Grundsätze wie besondere Gleichheitsrechte (insbesondere von Mann und Frau, Abs. 3, 5, 10), das Asylrecht (Abs. 4), der Schutz von Familie, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, soziale Leistungen für Benachteiligte (Abs. 9), Gewährleistung schulischer und beruflicher Ausbildung für jeden (Abs. 11). Die verfassungsrechtliche Adaptierung des „Bloc de constitutionalité“ brachte anfangs jedoch erhebliche dogmatische Probleme mit sich. Gerade in Bezug auf die Rechtsnormqualität der Erklärung von 1789 wurden zahlreiche Ansichten laut. Hin zu der Auffassung, dass aus dieser eine „überkonstitutionelle Wertung“ fließe (so bereits früh Duguit, Traité de droit constitutionnel, 3. Aufl. 1930, S. 603), über die Geltung als „soziale Verfassung“ Frankreichs, die gleichrangig neben der Verfassung stehe (Hauriou, Précis de droit constitutionnel, 2. Aufl. 1929, S. 269 f., 625), bis zu den absoluten Gegenauffassungen, dass die Erklärung von 1789 nur philosophische oder moralische Bedeutung habe ohne rechtlichen Bindungswert bzw. spätestens mit der Beseitigung durch die Verfassung von 1792 keine Verbindlichkeit mehr auslöste (Carré de Malberg, Contribution à la théorie générale de l’Etat, 1922, S. 580; Esmein, Eléments de droit constitutionnel, 6. Aufl. 1914, S. 559; Bacot, La Déclaration de 1789 et la Constitution de 1958, in: RDP 1989, Vol. 3, S. 685 (719)), wurde fast alles vertreten. 646  So Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 201. Deren Geltungsrang ist allerdings umstritten. Siehe dazu Prieur, Vers un droit de l’environnement renouvel, in: CCC 2004, Vol. 15, S. 130 (136); Rousseau, Jurisprudence constitutionnelle 2005, in: RDP 2006, Vol. 1, S. 245 (247 f.). 647  Gaudemont/Lascombe/Vandendriessche, Code constitutionnel et des droits fondamentaux 2014, 3. Aufl. 2013, S. 2964 f.; Pactet/Mélin-Soucramanien, Droit constitutionnel, 23. Aufl. 2004, S. 543 f.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Die Hauptfunktion der französischen Bürger- und Menschenrechte ist jedoch nicht – anders als in Deutschland – die Abwehrkonstellation, sondern darauf gerichtet, die Gesetzgebung zu beschränken und zu legitimieren.648 Nach dem Verständnis des Conseil Constitutionnel sind die französischen Freiheitsgewährleistungen vornehmlich dem Gesetz denn der Verfassung anvertraut.649 Daher wird vielfach versucht, die „Libertés publiques“ nicht mit Grundrechten, sondern vielmehr mit „öffentlichen Rechten“ zu übersetzen, was deren Ausgestaltung näher kommt.650 Diese Gewährleistungen wurden vom Conseil Constitutionnel zwar unter die gerichtliche Prüfungskompetenz eingeordnet, deren Ausgestaltung und deren Einschränkbarkeiten sind aber dem Gesetzgeber überlassen, der in Frankreich somit eine starke Position einnimmt, die „Volonté générale“ umzusetzen.651 a) Die Bindungswirkung der französischen Gewalten an den Bloc de constitutionnalité aa) Die umfassende Bindung staatlicher Gewalt auf französischem Territorium Im Hinblick auf die Herleitung des Bloc de constitutionnalité mag es kaum verwundern, dass keine explizite Bindungsklausel für die bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen der staatlichen Gewalt existiert.652 Nichts648  Classen, Verfassungsrecht der V. Republik – Grundrechte, in: Sonnenberger/ Classen, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl. 2012, S. 74 (75 f). Auch in Frankreich stellen die Grundrechte primär aber Abwehrrechte dar, dienen hingegen auch Schutzkonstellationen, wobei letzteres nur schwerlich aus den einzelnen Texten rausgelesen werden kann und in der Rechtsprechungslinie des Conseil Constitutionnel nicht explizit auftaucht. Die Begründung dafür ist, dass das Unterlassen einer grundrechtlichen Notwendigkeit von staatlicher Seite nicht vor diesem gerügt werden darf. Dies ginge nur, wenn der Gesetzgeber bereits tätig geworden wäre, er aber dadurch gewisse Schutzpflichten nicht richtig eingehalten hätte. Siehe hierfür detailliert Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (344). 649  Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (326). 650  Siehe Grimm, L’interprétation constitutionnelle, L’exemple du développement des droits fondamentaux par la Cour constitutionnelle fédérale, in: Jus Politicum 2011, Vol. 6, S. 1 (5), der die amtliche Übersetzung der „Libertés publiques“ mit „Grundrechten“ als irreführend bezeichnet. 651  Siehe auch Weil, Les techniques de protection des libertés publiques en droit francais, in: Université de Lausanne, Mélanges Marcel Bridel, 1968, S. 609 (622 ff.). 652  Zwar gibt es in der Erklärung von 1789 in Art. V f. zumindest einen Hinweis darauf, dass die Legislative die „Herrin über die Rechte“ ist, was allerdings keineswegs eine explizite Bürger- und Menschenrechtsverpflichtung darstellt. Eine



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destotrotz strebt man im heutigen Frankreich einen lückenlosen Freiheitsschutz an.653 Daher ist es mittlerweile einhellige Auffassung, dass die bürgerund menschenrechtlichen Verbürgungen mit Verfassungsrang alle drei Gewalten in Frankreich binden, ohne dass hierfür eine separate Klausel bestehen müsste.654 Vielmehr könnte man sogar sagen, dass die vom Conseil Constitutionnel anerkannten verfassungsrechtlichen Gewährleistungen größtenteils durch die legislative Überführung in die französische Rechtsordnung ihren gesetzlichen Feinschliff durch die „Constitutionnalisation des branches du droit“ erhielten.655 Dieses Prinzip soll zwar nur aufzeigen, dass die Verfassung dem einfachen Recht wegen ihrer höherrangigen Stellung Leitcharakter verleiht.656 Die umfassende Bindung folgt aber unmittelbar daraus, dass die Verfassung an der Spitze der Normenhierarchie steht. Zumindest implizit ergibt sich dies aus dem in Art. 2 der Verfassung von 1958 verankerten Gleichheitsgrundsatz, dem Unteilbarkeitsgrundsatz der Französischen Republik sowie aus den Zuständigkeitsregeln der Art. 61 f. der Französischen Verfassung, woran sich sowohl die Gesetzgebung als auch deren ausführende Organe halten müssen.657 Diese eher theoretische umfassende Bindungswirkung der Exekutive an den Bloc de constitutionnalité begegnet jedoch in der Praxis gleichwohl Prosolche galt allemal für die Exekutive sowie für die judikative nach Art. VII–IX der Erklärung von 1789 bei der Anwendung und Auslegung des Rechts. Dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1789 dem Gesetzgeber in seiner Macht begrenzt: Champeil-Desplats, La théorie générale de l’État est aussi une théroie des libertés fondamentales, in: Jus Politicum 2012, Vol. 8, S. 1 (8); Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 3, 3. Aufl. 1930, S. 603 f. A. A. Carré de Malberg, Contribution à la Théorie générale de l’État, 1. Bd., 1920, S. 236 ff.; Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (10). 653  Wachsmann, Libertés publiques, 5. Aufl. 2005, S. 74 f. 654  Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (231). 655  Generell Favoreu, La constitutionnalisation du droit, 1996, S. 25 ff. Vgl. zum deutschen Pendant der „Ausstrahlungswirkung der Grundrechte“: BVerfGE 7, 198, 207 – Lüth. 656  Vgl. Favoreu, La constitutionnalisation du droit, in: Auby et al., L’unité du droit – Mélanges en hommage à Roland Drago, 1996, S. 25 (25 ff.); Meindl, La notion de droit fondamentale dans les jurisprudences et doctrines constitutionnelles françaises et allemandes, in: RIDC 2003, Vol. 56, S. 243 (244). 657  So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 92 f.; Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (228). In der Literatur wird hierfür teilweise – anknüpfend an Favoreus Terminologie – versucht, einen „Bloc de légalité“ zu bemühen, der die rechtliche Bindung der staatlichen Gewalt widerspiegeln soll und direkt aus dem „Bloc de constitutionalité“ folge. Vgl. dafür Vedel, Excès de pouvoir administratif et excès de pouvoir législatif (II), in: CCC 1997, Vol. 2, S. 77 (77 ff.).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

blemen, da das zuständige Fachgericht für die Kontrolle exekutiver Maßnahmen – der Conseil d’État – kein Verfassungsrecht überprüft.658 Das Gericht überprüft nur die Rechtmäßigkeit der Handlungen nach den einfachgesetz­ lichen Grundlagen und selbst bloß dann, wenn hierfür keine bürger- und menschenrechtlichen Wertungen in seine gerichtliche Beurteilung mit einfließen müssen.659 Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch für sämtliche Fachgerichte, die keine Überprüfung einfachen Rechts anhand der Verfassung vornehmen, weshalb oftmals die verfassungsrechtlichen Wertungen in ihren Urteilen komplett ausgeblendet und allein dem Conseil Constitutionnel überlassen werden. Dieser wiederum schaut aber lediglich auf die gesetzliche Grundlage und beurteilt nicht die konkreten Handlungen.660 Trotz dieses Kontrolldefizits entledigt es die Exekutive allerdings nicht von ihren verfassungsrechtlichen Bindungen. Eine ähnliche Problematik existierte lange Zeit in Bezug auf judikative Überprüfungsmechanismen bei legislativem Handeln mit Bürger- und Menschenrechtsbezug.661 Die ursprüngliche Auffassung von verfassungsmäßig verliehenen Rechten war, dass deren Existenz allein schon genüge, weil der Staat sich unumstößlich daran halten müsse und diesem die „Obhut aller Tugenden“ anvertraut wurde.662 Im modernen Frankreich schuf man dennoch einzelne Korrektive. Daher wurde 1958 der Conseil Constitutionnel zur Kontrolle verfassungsrechtlicher Grundsätze und zum Schutz individueller Freiheiten vor staatlicher Beeinträchtigung geschaffen.663 Dieser Überprüfungs658  Vielmehr sieht sich der Conseil d’État gar nicht erst für zuständig, wenn das Handeln der Verwaltung auf Grundlage einer verfassungsrechtlichen Norm geschieht. So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 67; Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (232). 659  So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 68. 660  Manche sprechen hierbei von einem „Loi-écran“, ein Vorhang, der die Verfassung ausblende: Siehe dazu Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (335). 661  Eisenmann, La justice constitutionnel et la Haute Cour constitutionnelle d’Autriche, 1928, S. 97; Esmein, Éléments de droit constitutionnel français et comparé, 6. Aufl. 1914, S. 564. 662  Siehe hierfür Esmein, Éléments de droit constitutionnel français et comparé, 6. Aufl. 1914, S. 555; Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (328); Bryde, Programmatik und Normativität der Grundrechte, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. 1, 2004, Rn. 15. 663  Vgl. u. a. Conseil d’État, Entscheidung Nr. 20838 vom 01.07.1983 – Syndicat unifié de la radio et de la télévision CFDT; Entscheidung Nr. 278291 vom 30.11.2005 – Syndicat des médecins d’Aix et région et autres; Entscheidung Nr. 294505 vom 26.06.2006 – Mme Anfian; Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2001-455 DC vom 12.01.2002, Rn. 49 – Loi de modernisation sociale; Schrameck, L’autorité des décisions du Conseil constitutionnel, in: Les Cahiers Constitutionnels de Paris I 2010,



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz215

mechanismus wurde letztlich durch die Einführung der Question prioritaire de constitutionnalité noch einmal verstärkt.664 Mittlerweile ist die Legislative über Art. 34 der Französischen Verfassung von 1958 grundsätzlich an die Bürger- und Menschenrechte gebunden, wenn ein solches Recht nach Erlass eines Gesetzes durch den Conseil Constitutionnel Verfassungsrang erlangt hat und für dieses Gesetz hätte beachtet werden müssen. Ebenso ist sie generell verpflichtet, bei Gesetzesänderungen und -neuerungen den Gleichheitsgrundsatz zu beachten.665 Wie diese freiheitlichen Gewährleistungen allerdings umgesetzt und eingeschränkt werden können, ist überwiegend dem Gesetzgeber überlassen, der aber zumindest den „Volonté générale“ zu achten hat.666 Somit besteht heute trotz der Abwesenheit einer expliziten und umfassenden Bindungsklausel ein durch den Conseil Constitutionnel entwickelter bürger- und menschenrechtlicher Schutzmechanismus vor staatlicher Willkür, der dessen Kontrolle unterliegt.667 bb) Die territoriale Reichweite der Bindungswirkung des Bloc de constitutionnalité Die Feststellung der staatlichen Bindung an die Bürger- und Menschenrechte gilt zunächst für das französische Hoheitsgebiet und den darauf befindlichen Staatsangehörigen. Weiterhin ist allgemein anerkannt, dass die S. 382; Salles, Michel Debré et la protection de la liberté individuelle par l’autorité judiciaire, in: CCC 2009, Vol. 26, verfügbar unter: http://www.conseil-constitutionnel. fr/conseil-constitutionnel/francais/nouveaux-cahiers-du-conseil/cahier-n-26/micheldebre-et-la-protection-de-la-liberte-individuelle-par-l-autorite-judiciaire.51501.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 664  Siehe zur Question prioritaire de constitutionnalité genauer Conseil Constitutionnel, Urteil vom 03.12.2009, n° 2009-595 DC – Loi organique relative à l’application de l’article 61-1 de la Constitution; Guillaume, La question prioritaire de constitutionnalité, in: J&C 2010, Vol. 8, S. 279 (279 ff.). 665  Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (231). 666  Die gesetzgebende Gewalt ist verfassungsrechtlichen Grenzen unterworfen, die sich aus der französischen Verfassungstradition ergeben. 667  Vgl. Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (328). Ungeachtet dieser Bindungswirkung gibt es aber in verschiedenen Regionen einzelne inhaltlich divergierende Ausgestaltungen. Siehe dafür Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (228). So z. B. für Elsass-Lothringen, wo das deutsche Recht nach der Zuordnung zu Frankreich nicht gänzlich aufgehoben wurde. Vgl. dafür Weil, Droit civil, Introduction général, 1973, S. 108 ff. Selbige Sonderstatūs haben aber auch Korsika und die überseeischen Regionen.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Bindungen der staatlichen Gewalt gegenüber Personen auf dem eigenen Territorium nicht einfach erlöschen können, selbst wenn diese nicht die französische Staatsangehörigkeit besitzen. Dennoch darf das hierfür zu gewährende Schutzniveau in gewissen Maßen variieren.668 Es ist aber auch einhellige Auffassung in Frankreich, dass die nationalen Gesetze die staatliche Gewalt grundsätzlich nur auf dem Hoheitsgebiet binden, auf welchem die territoriale Souveränität vermutet wird.669 Selbst die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die stetig zur Interpretation des Bloc de constitutionnalité herangezogen wird und eine universelle Geltung für sich beanspruchte, war zwar nicht personell, aber doch territorial beschränkt und sollte nur auf dem französischen Hoheitsgebiet gelten.670 Dieses protektionistische Verständnis änderte sich allmählich mit der Integration in die internationale Staatengemeinschaft und der damit einhergehenden transnationalen Kooperation. Obwohl Souveränität auch heute noch derart verstanden wird, dass man unabhängig von anderen Staaten hoheitliche Maßnahmen auf seinem eigenen Territorium durchführen und andere Staaten von seinem Hoheitsgebiet ausschließen kann, ging diese staatlich souveräne Öffnung nach außen mit einer extraterritorialen Erweiterung der hoheitlichen Maßnahmen einher.671 So gilt mittlerweile das Steuerrecht für Bürgerinnen und Bürger, die sich im Ausland befinden; das Strafrecht findet zusätzlich Anwendung für Personen, die eine Tat auf fremden Hoheitsgebiet begangen haben, oder das Zivilrecht kann für diejenigen herangezogen werden, die keine französische Staatsangehörigkeit haben, und auch das Militär sowie nachrichtendienstliche Behörden agieren im Ausland nicht im rechtsfreien Raum.672 Gerade in Bezug auf letztgenannte Einrichtungen gehen einige Autorinnen und Autoren davon aus, dass bei Handlungen von im Ausland stationierten Soldatinnen und Soldaten bzw. Agentinnen und Agenten diese

668  Vgl.

Dupuy, Droit international Public, 8. Aufl. 2006, S. 64 f., 123, 136. Patrén, Affaire du lac Lanoux (Espagne, France), in: RSA 1957, Vol. XII, S. 281 (301). 670  Samwer, Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789/91, 1970, S. 23. 671  Huber, Islands of Palmas Case (Netherlands, USA), in: RSA 1928, Vol. II, S.  829 (832 ff.). 672  Combacau/Sur, Droit International Public, 8. Aufl. 2008, S. 355. Die Befugnis zu Auslandseinsätzen ergibt sich aus multilateralen Verträgen oder beruht auf bilateralen Abkommen mit dem Staat, in dem die französischen Truppen stationiert werden sollen. Bei Auslandseinsätzen der Streitkräfte besteht aber zumindest verfassungsrechtlich über Art. 35 der Französischen Verfassung von 1958 eine Mitteilungspflicht für das französische Parlament. Siehe hierfür auch Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2009-581 DC vom 25.06.2009, Rn. 47, 58 – Résolution tendant à modifier le règlement de l’Assemblée nationale. 669  Siehe



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz217

stets an die französische Rechtsordnung gebunden seien.673 Hierfür verweisen Jean Combacau und Serge Sur als Anknüpfungspunkt auf die „Doctrine des effets“, wonach ein bloßer effektiver Anknüpfungspunkt für die Bindungswirkung ausreichend sei.674 Pierre-Marie Dupuy fordert hingegen für die verfassungsrechtliche Bindungswirkung, dass französische Hoheitsgewalt ausgeübt werden müsse.675 Dies steht im Einklang mit dem Conseil Constitutionnel, der ebenso für die Geltung des Bloc de constitutionnalité einen personellen oder territorialen Anknüpfungspunkt zu Frankreich verlangt, der unabhängig vom Aufenthaltsort ist.676 b) Die Schutzwirkung des Bloc de constitutionnalité für In- und Ausländer Die französische Verfassung ist ein dynamisches Konstrukt, dessen Interpretationen und Erweiterungen weit über das eigentliche Verfassungsdokument hinausgehen.677 Die hierfür herangezogene Erklärung von 1789 sowie die Präambel der Verfassung von 1946 waren nicht nur für die Erweiterung des Bürger- und Menschenrechtsschutzes ausschlaggebend, sondern enthielten selbst Hinweise über den personellen Geltungsrahmen dieser Gewährleistungen. Das französische System bezieht auch deshalb Nicht-Franzosen in die „Grundrechtsfähigkeit“ mit ein. Sowohl die Relativierung der Theorie der „Territorialité de la loi national“ als auch die stetige Entwicklung des Schutzes für Ausländer zu Beginn des 19. Jahrhunderts erweiterten die personelle Anwendbarkeit des französischen Bloc de constitutionnalité.678 673  So Combacau/Sur, Droit International Public, 8. Aufl. 2008, S. 356 f. Für die extraterritoriale Geltung beim Einsatz von Kriegsschiffen: Rodière/Pontavice, Droit maritime, 12. Aufl. 1996, S. 64. Die Territorialitätserweiterung für Kriegsschiffe hingegen ablehnend: Lucchini/Voelckel, Droit de la mer, 1990, S. 285. Der Conseil Constitutionnel hat sich mit der Frage der extraterritorialen Geltung der Bürger- und Menschenrechte bei Auslandseinsätzen noch nicht beschäftigt. 674  Combacau/Sur, Droit International Public, 8. Aufl. 2008, S. 358. Sie ziehen hierfür aber vor allem auch völkerrechtliche Aspekte heran. 675  So Dupuy, Droit international Public, 8. Aufl. 2006, S. 64 f. 676  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2010-1 QPC vom 28.05.2010, Rn. 10 – Consorts L. Vgl. Dazu auch Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (228). 677  Siehe hierfür ferner auch Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 37. 678  Dupuy, Droit international Public, 8. Aufl. 2006, S. 123 f., 135. Für letztere Konstellation existiert im französischen Recht allerdings keine allgemeine Regel, da es vielmehr von den nationalen Kompetenzen und der Souveränität der anderen Staaten abhängig ist, ob eine extraterritoriale Geltung möglich ist bzw. gerechtfertigt werden kann. Siehe hierfür auch Combacau/Sur, Droit International Public, 8. Aufl. 2008, S. 355; Rodière/Pontavice, Droit maritime, 12. Aufl. 1996, S. 64, welche gerade aus dem Flaggenprinzip für Schiffe oder Flugzeuge eine derartige extraterrito­ riale Geltung herleiten. Zudem ist auch anerkannt, dass bestimmte schwerwiegende

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

aa) Grundrechtsschutz für Inländer im In- und Ausland In Frankreich konstituieren die verfassungsrechtlichen Verbürgungen vielmehr in ihrer Gesamtheit die Rechtsstellung des Menschen allgemein und eine Idee von gesellschaftlichem Zusammenleben, ohne dass man sich auf die knappen und allgemein gehaltenen Wortlaute allein beriefe.679 Diese Ansicht wird auch dadurch gefördert, dass in der französischen Theorie der Bürger- und Menschenrechte nicht primär nach Grundrechtsadressaten gefragt wird, sondern vielmehr nach den Rechtsfolgen der Gewährleistungen: der Freiheit und der Gleichheit.680 Da vormals die Machthaber jedoch zumeist nur innerhalb ihres Territoriums agierten, folgte der ursprüngliche Gedanke hinter den Menschen- und Bürgerrechten territorialen Erwäggründen.681 Für deren Begrenzung galt – wie heute noch – als entscheidender Anknüpfungspunkt primär die französische Staatsangehörigkeit (Citoyenneté), die die territoriale Zugehörigkeit einer Person zu dem französischen Hoheitsgebiet und deren Unterwerfung darunter manifestierte.682 Eine strikte Trennung zwischen Staat und Gesellschaft ist wie in Deutschland, wo die Grundrechte eine Garantie für die Personen geben, auf welche sie sich bei staatlichem Handeln berufen können, einen Rang haben und durchsetzbar sind,683 in Frankreich nicht aufzufinden.684 Die Bürger- und Menschenrechte sind in ihrer grundlegenden Ausgestaltung vordergründig nicht dazu konziHandlungen im Ausland, die von Ausländerinnen und Ausländern begangen werden, vom französischen Staat kriminalisiert werden können, wenn dies die grundlegenden Interessen des Staates berührt (Weltrechtsprinzip). 679  Gusy, Grundrechtsbindung Privater, in: Masing/Jestaedt/Capitant/Le Divellec, Strukturfragen des Grundrechtsschutzes in Europa, 2015, S. 93 (99). 680  Ebd., S. 97. 681  Siehe dafür die Charte Constitutionnelle von 1814 sowie ihre Neufassung von 1830, in welcher die universalistischen Ansätze von 1789 kontinuierlich restringiert wurden und erste territoriale Beschränkungen der Geltungsreichweite vorgenommen wurden. 682  Dennoch wurde von Beginn an kontrovers diskutiert, ob einzelne Personengruppen von den deklarierten Bürger- und Menschenrechten ausgeschlossen sein sollten, obwohl dies nicht den universalistischen Ansprüchen der Erklärung von 1789 entsprach. Tatsächlich galten auch Ausnahmen für nicht-katholische Glaubensanhängerinnen und Glaubensanhängern und in vielen Bereichen auch generell für Frauen. Vgl. Kirchhof, Art. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 86. EL 2019, Rn. 68 ff. Der persönliche Anwendungsbereich wurde zudem auch in den Folgeverfassungen Frankreich weiter restringiert. 683  So bspw. Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, S. 569 (589). 684  So können sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts auf Grundrechte berufen. Vgl. dazu Fromont, Die französische Tradition und das Grundgesetz, in: Stern, 40 Jahre Grundgesetz, 1990, S. 33 (35).



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz219

piert worden, um den Bürgerinnen und Bürgern, die unter staatlicher Herrschaft standen, Schutz zu gewährleisten, sondern um die Machthaber in ihren Handlungen gegen jene zu beschränken.685 Erst spät erhielten deshalb französische Staatsangehörige mit der Einführung der Question prioritaire de constitutionalité auf dem eigenen Hoheitsgebiet die Möglichkeit, die bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen aus dem Bloc de constitutionnalité unmittelbar gegen jene durchzusetzen, denen sie unterworfenen waren, ohne dafür auf staatliche Organe angewiesen zu sein.686 Aus diesem Verständnis heraus unterscheidet der Conseil Constitutionnel heute für die personale Anwendbarkeit der bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen zwischen den Bénéficiaire („Grundrechtsberechtigten“) und den Titulaire („Grundrechtsbefugten“).687 Letztere besitzen die Fähigkeit, Bürger- und Menschenrechtsverletzungen vor Gericht geltend zu machen, wohingegen die Bénéficiaire zwar von den Grundrechten profitieren, sie aber nur unter strikten Bedingungen gerichtlich geltend machen können.688 Citoyen und Citoyenne besitzen grundsätzlich eine vollumfängliche Grundrechtsbefugnis.689 Wer jedoch die französische Staatsangehörigkeit bekommt, war lange Zeit nicht eindeutig geklärt. Anfang des 19. Jahrhunderts deklarierte die Erklärung von 1789, dass allen Menschen, die auf französischem Gebiet geboren wurden, die Staatsangehörigkeit zuerkannt wird (Jus soli); der Code Civil von 1804 formulierte hingegen das Jus sanguinis als entscheidendes Merkmal für die Citoyenneté.690 Letzteres Prinzip hat sich heute mit

685  Siehe

dafür die Präambel der Erklärung von 1789. Favoreu et al., Droit des libertés fondamentales, 6. Aufl. 2012, Rn. 118; Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (228 f.); Classen, Verfassungsrecht der V. Republik – Grundrechte, in: Sonnenberger/ Classen, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl. 2012, S. 74 (76); Scheffler, Das französische Verfassungsverständnis angesichts der Anforderungen des EG/EURechts, in: ZaöRV 2007, Vol. 67, S. 43 (78); Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 62. 687  Siehe generell dazu Favoreu et al., Droit des libertés fondamentales, 6. Aufl. 2012, S.  113 ff.; Ribes, L’Etat protecteur des droits fondamentaux, 2005, S. 73, 138. 688  Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (337). 689  Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (228 f.). 690  Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 185. Vgl. zu den vielen Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts auch Long, Etre français aujourd’hui et demain, 1988; Commission Recours Refugies, Le Droit des réfugiés en France, 2000. Zur aktuellen Situation im französischen Flüchtlingsrecht vgl. Castillo, Les interprètes de la Convention de Genève du 28 juillet 1951 relative au statut des réfugiés, 2016. 686  Vgl.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

dem Code de la Nationalité Française durchgesetzt, welcher den Erwerb, die Erteilung und Versagung der Staatsangehörigkeit in Frankreich regelt.691 Doch gelten die Grund- und Menschenrechte für die Titulaires auch außerhalb des französischen Hoheitsgebietes? Dass die nationalen Rechtsordnungen auf dem Staatsgebiet gelten, ist allgemein anerkannt, da die souveräne Gleichheit der Staaten als entscheidendes Kriterium die Geltungsreichweite der nationalen Gesetze begrenzt.692 Von der ursprünglich geltenden Theorie der „Territorialité de la loi national“, welche die Rechtsordnungen an den Staatsgrenzen stets enden lassen wollte, rückte man allerdings seit der Öffnung des Staats nach außen ab.693 Mit der Integration in die internationale Staatengemeinschaft und die Anbindung an die Europäische Union akzeptierte man, dass französische Staatsangehörige im Ausland ihren ständigen Wohnsitz haben können, jedoch allein deshalb nicht von allen bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen ausgeschlossen sein dürfen.694 Vielmehr muss es bei der Heranziehung der Nationalität territorial irrelevant sein, wo sich die Personen aufhalten, die unter den bürger- und menschenrechtlichen Schutz des französischen Bloc de constitutionnalité fallen.695 Dem stimmt auch der Conseil Constitutionnel zu, welcher in solchen Fällen eine transnationale Geltung bejaht. So entschied er, dass französische Staatsangehörige erworbene Rentenansprüche im Ausland geltend machen können, wenn sie dort ihren ständigen Wohnsitz haben.696 Die Höhe dieses Anspruchs 691  Vgl. dazu Art. 35–86 Code de la Nationalité Française. Aber unter bestimmten Voraussetzungen findet auch das Jus soli Anwendung, wenn bspw. ein Kind in Frankreich geboren ist und zumindest ein Elternteil auch in Frankreich geboren wurde. Jedoch entschied die Commission de nationalité, dass Kindern, die in Frankreich von ausländischen Eltern geboren wurden, nicht automatisch die Staatsangehörigkeit verliehen wird. Vgl. Art. 17 ff. Code Civil, Décret no. 93-1362 du 30.12.1993 relatif aux déclarations de nationalité, aux décisions de naturalisation, de réintégration, de perte, de déchéance et de retrait de la nationalité française du 31.12.1993, (NOR: JUSX9301612) und modifiziert durch Décret no. 2016-872 du 29.06.2016 (NOR: INT/V/16/12065/D). Siehe auch Long, Etre français aujourd’hui et demain, 1988; Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 186. 692  Dupuy, Droit international Public, 8. Aufl. 2006, S. 123. 693  Ebd., S. 123 f., 135. 694  So Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2010-1 QPC vom 28.05.2010, Rn. 10 – Consorts L; Entscheidung Nr. 2011-631 DC vom 09.06.2011, Rn. 47 ff. – l’immigration, à l’intégration et à la nationalité. Siehe auch Schwartz, Constitution et nationalité, in: Nouveaux CCC 2013, No. 39, verfügbar unter: http://www.conseilconstitutionnel.fr/conseil-constitutionnel/francais/nouveaux-cahiers-du-conseil/cahier -n-39/constitution-et-nationalite.136897.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 695  So auch Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (228). 696  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2011-137 QPC vom 17.06.2011, Rn. 5 – Attribution du revenu de solidarité active aux étrangers.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz221

kann aber im Vergleich zu in Frankreich lebenden Personen durchaus geringer ausfallen.697 Auch erkennt er die Geltung der bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen auf den weiteren überseeischen Territorien und Départements an.698 Aber diese können im Ausland ebenfalls erheblichen Einschränkungen unterliegen.699 Der Conseil Constitutionnel akzeptiert somit zwar eine transnationale Geltung der Bürger- und Menschenrechte für Citoyen und Citoyenne, setzt hierfür aber teilweise geringere Schutzstandards an.700 bb) Grundrechtsschutz für Ausländerinnen und Ausländer im In- und Ausland Der Grundgedanke der Citoyenneté war ursprünglich, dass es ein exklusives Konzept für französische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sein sollte, um Ausländerinnen und Ausländer von bestimmten politischen und sozialen Handlungen auszuschließen.701 Daher wurde lange Zeit vertreten, dass die 697  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2010-1 QPC vom 28.05.2010, Rn. 10 – Consorts L. 698  Siehe hierfür Art. 73 Abs. 4 Französische Verfassung von 1958. Ferner Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 228. Das Recht auf Selbstbestimmung der ehemaligen Kolonial- und protektionistischen Gebiete wird hiervon allerdings seit der Verfassung von 1958 nicht berührt. 699  In Bezug auf die ehemalige Kolonie Algerien, in der per Gesetz 1944 einigen Algerierinnen und Algeriern die französische Staatsbürgerschaft zugesprochen wurde, entschied der Conseil Constitutionnel, dass unter besonderen Konstellationen sogar Staatsangehörige im Ausland einen divergierenden rechtlichen Status haben könnten und sich nur bedingt auf bürger- und menschenrechtliche Verbürgungen berufen könnten. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2012-259 QPC vom 29.06.2012, Rn. 3 ff. – M. Mouloud A. So wurde beispielsweise durch Gesetz von 1944 geregelt, dass allen Algerierinnen und Algeriern, die sich zu Zeiten der französischen Besatzung in diesem Gebiet aufhielten, die französische Staatsbürgerschaft zuerkannt werden konnte. Diejenigen, die hiervon Gebrauch gemacht haben, konnten diesen Status auch behalten, obwohl Algerien 1962 offiziell die Unabhängigkeit von Frankreich proklamierte. Mit in Kraft treten der neuen Verfassung entschied der Conseil Constitutionnel, dass die alten Gesetze nicht mehr vollumfänglich gelten könnten, sondern nur deren weiterbestehenden Auswirkungen zur Überprüfung stehen. Die Entziehung der Staatsangehörigkeit war dabei jedoch nicht beabsichtigt. Vgl. zu Ausnahmen etwa Art. 25 und 25-1 des Code Civil sowie Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 96377 DC vom 16.07.1996, Rn. 4 ff. – la loi tendant à renforcer la répression du terrorisme. 700  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 12./13.08.1993, Rn. 5 ff. – Maîtrise de l’immigration. 701  Strudel, Polyrythmie européenne, in: Revue française de science politique 2003, Vol. 53, S. 3 (3 ff.); Vandendriessche, Le droit des étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 7.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Gewährleistungen des Bloc de constitutionnalité für letztere keine Geltung hätten. Jean Baechler verteidigt diese Ansicht insbesondere damit, dass diese sich gar nicht auf die gleichen Rechte wie Staatsangehörige berufen könnten, weil sie nicht der gleichen gesetzlichen Unterwerfung des Staates unterlägen.702 Nur durch diese spezielle Unterordnung in das staatliche System würden den Staatsangehörigen bestimmte Rechte und Schutz von staatlicher Seite zugebilligt. Zudem interpretiert Jean Baechler den Begriff der Souveränität nach Art. 3 der Französischen Verfassung von 1958 als ein Konstrukt, welches in Frankreich nach Vorbild Rousseaus nur von den Franzosen i. S. e. Souveraineté nationale selbst ausgeübt werden könne.703 Ausländerinnen und Ausländer besäßen danach im Gegenteil zu französischen Staatsangehörigen keine vollumfängliche Titulaire, um sich auf die Bürger- und Menschenrechte berufen zu können.704 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass diametral dazu die systematische Abwesenheit des Konzepts der Staatsangehörigkeit in der Verfassung auffällt, welche ihr aber nicht gänzlich fremd ist und doch nur äußerst selten Verwendung findet.705 Die Verfassung von 1958 verbindet vielmehr die Gedanken Jean-Jacques Rousseaus mit den Montesquieu’ischen Vorstellungen, dass die staatliche Souveränität in Form der repräsentativen Demokratie stattfinden müsse (Souveraineté populaire), ohne jedoch explizit zu definieren, auf welche Bürgerinnen und Bürger die Herrschaftsgewalt Frankreichs Auswirkungen haben soll, und ohne Bezug auf die Geltungskraft der Bürgerund Menschenrechte zu nehmen.706 Zudem wird es den umfassenden Handlungsmöglichkeiten des Staates nicht gerecht und überspannt den Wortlaut, Démocraties, 1985, S. 76 ff., 155 ff. S. 77 f. So auch Drago, Article 3, in: Luchaire/Conac/Prétot, La constitution de la République française, 3. Aufl. 2008, S. 179. Zu dieser Ansicht rein nationalen Interpretation trug auch Conseil Constitutionnel bei, indem er das Prinzip der „Unité des citoyens français“ zu einem Wert von Verfassungsrang ernannt hat. Siehe hierfür Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 91-290 DC vom 09.05.1991, Rn. 10 – Statut de la collectivité territoriale de Corse. In dieser Entscheidung hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Korsikas auch zum französischen Staatsvolk gehören und keine separate korsische Identität haben. 704  Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (228 f.). 705  Lochak, La citoyenneté, un concept juridique flou, in: Colas/Emeri/Zylberberg, Nationalité et citoyenneté. Perspectives en France et au Québec, 1991, S. 179 (180); Michon-Traversac, La citoyenneté en droit public français, 2009, S. 7; Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 183 f. Das ist auch der Grund dafür, weswegen viele die Auffassung vertreten, dass das Konzept der Staatsangehörigkeit überholt sei. 706  So Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 182 f. Vgl aber auch Montesquieu, The complete Works, Vol. I, S. 52 f., worin dieser zumindest die gleichen Rechte aller „genau hier [in Frankreich]“ forderte. 702  Baechler, 703  Ebd.,



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz223

wenn man allein aus der politischen Partizipation heraus eine Versagung aller Bürger- und Menschenrechte abzuleiten versucht. Ebenso hält auch die Interpretation des Art. 3 der Verfassung der V. Republik nicht stand, wonach dieser ein Indiz dafür sei, dass sich nur Französinnen und Franzosen auf die Verfassung und die dahinter verbürgten Rechte berufen könnten.707 Zum einen gehört dieser Artikel nicht einmal direkt zum Bloc de constitutionnalité und kann somit nicht unmittelbar zur Interpretation der personellen Anwendbarkeit der Bürger- und Menschenrechte herangezogen werden. Zum anderen fällt systematisch-historisch auf, dass nur Art. 3 der Vorgängerverfassung von 1946 den Zusatz enthält, dass die Souveränität vom französischen Volk ausgeübt werde und dieser Artikel fast inhaltsgleich in Art. 3 der derzeitigen Verfassung von 1958 übernommen wurde, ohne allerdings die Einschränkung über die Staatsangehörigkeit zu wählen. Dieser bewusste Verzicht auf den Zusatz der „Peuple français“ deutet dabei gerade nicht auf eine Beschränkung des personellen Geltungsbereiches hin. In dogmatischer Hinsicht gibt es darüber hinaus mehrere Gründe, dass Ausländerinnen und Ausländer nicht gänzlich (bürger- und menschen-) rechtsschutzlos gestellt sein sollten. Zum einen sind universalistische Ansätze in der Erklärung von 1789 sowie in der Präambel der Verfassung von 1946 zu finden, die als die wichtigsten Instrumente des Bloc de constitutionnalité gelten.708 Zum anderen zeigte gerade die Globalisierung der reinen nationalen Interpretation staatlicher Gesetze deutliche Grenzen auf, die die Rechtsprechung veranlasste, die Verfassungsstaatlichkeit ein stückweit zu öffnen. (1) U  niversalistische Ansätze in der Erklärung von 1789 sowie der Präambel der Verfassung von 1946 Während fast alle anderen Rechtsordnungen bis zum Zweiten Weltkrieg rein national ausgerichtet waren, deklarierten die Verbürgungen der Erklärung von 1789 erstmals Ansätze von universellen Menschenrechten, die von der konzeptionellen Reichweite – bei der Geltung auch für „Nichtfranzösinnen und Nichtfranzosen“ – Neuland sein sollten.709 Für die Urväter der Erklärung war es aufgrund des fest verankerten Gleichheitsgedankens und der naturrechtlichen Prägung undenkbar, dass bestimmte gesetzliche Regelungen 707  Drago, Art. 3, in: Luchaire/Conac/Prétot, La constitution de la République française, 3. Aufl. 2008, S. 179 ff. 708  So ständige Rechtsprechung des Conseil Constitutionnel seit Court Constitutionnel, Entscheidung Nr. 71-44 DC vom 16.07.1971, Rn. 2 ff. – liberté d’association. Siehe bezogen auf die Erklärung von 1789 auch Samwer, Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789/91, 1970, S. 29. 709  Siehe zum französischen Verständnis des universellen Menschenrechtsschutzes Gaillet, L’individu contre l’État, 2012, S. 191.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bevorzugten.710 Die Erklärung von 1789 deklarierte vielmehr angeborene Rechte für alle unabhängig von der dahinter stehenden Staatsform.711 Dies lässt sich bereits am Wortlaut einzelner Normen ableiten, welche nicht zwischen Staatsangehörigen und Ausländerinnen bzw. Ausländern differenzierte, sondern sie vielmehr auf eine Ebene stellte.712 Die fehlende personelle Beschränkung, sich auf die Grundrechte zu berufen, wurde jedoch durch eine territoriale Grenze eingefangen, wonach die universellen Rechte nur auf dem französischen Hoheitsgebiet gelten sollten.713

710  So Samwer, Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789/91, 1970, S. 29. 711  Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (9). 712  Vgl. u.  a. Art. 1, 7 oder Art. 11. Siehe auch Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 6 f. Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass die Menschen auf französischem Territorium, die keine oder nicht ausreichend genug Steuern gezahlt haben, nur „citoyens passifs“ ohne Wahlberechtigung waren. 713  Samwer, Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789/91, 1970, S. 23, 29. Diesem Vorbild einer formal absoluten Gleichheit auf französischem Territorium entsprach die aus der Revolution entstandene Verfassung von 1791 allerdings nicht mehr. Sie sah die Erklärung von 1789 eher als philosophisches Ideal statt als geltendes Recht, weswegen sie gerade die Menschen aus den Kolonien oder nichtkatholische Glaubensanhängerinnen und Glaubensanhänger rechtlich und faktisch als Menschen zweiter Klasse auswiesen, welche sich lange Zeit nicht auf die in der Erklärung deklarierten Rechte berufen konnten. Wenige Jahre später schränkte man somit klar den Gedanken eines personal-universalistischen Grundrechtsschutzes ein und verengte obendrein den persönlichen Anwendungsbereich. Das stand vor allem diametral zu einer Kernforderung der französischen Revolution, die das Recht auf Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten für ein vernünftiges Zusammen­ leben untereinander forderte. Siehe hierfür Thürer/Burri, Self-Determination, in: ­MPEPIL 873, Rn. 1; Kirchhof, Art. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 86. EL 2019, Rn. 70. Trotz alledem verlieh die Verfassung von 1791 grundrechtliche Gewährleistungen auch an Nichtfranzösinnen und Nichtfranzosen und kehrte sich nicht vollends vom universalistischen Ansatz ab. So Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (8 f.). Es ist jedoch anzumerken, dass diese anfänglichen personell-universalistischen Ansätze der Erklärung von 1789 sowie deren Modifikation durch die Verfassung von 1791 kurze Zeit später noch stärker in den Hintergrund traten. Die Entwicklungen wurden bereits 1814 in der Charte Constitutionnelle und 1830 in ihrer Neufassung kontinuierlich restringiert, in welchen fortan die Grundrechte unter dem Titel der „Droit public des Franҫais“ aufgeführt wurden und man bewusst – wie auch in anderen Staaten – nur die eigenen Staatsangehörigen besserstellen wollte. Siehe hierzu Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 184; Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Mangold/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S.  88 f.



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Neben den universalistischen Ansätzen der Erklärung von 1789 findet sich ein weiterer personell-universalistischer Ansatz in der Präambel der Verfassung von 1946. Grammatikalisch auslegend enthält er zahlreiche Verbürgungen, die lediglich generelle Kategorien statt rein staatsbürgerliche Privilegierungen aufstellen: „Principe d’égalité des hommes et des femmes“, „Droits reconnus à tout travailleur“ oder „Tout être humain a le droit d’obtenir de la collectivité des moyens convenables d’existence“.714 Es gibt auch generell in der Verfassung von 1946 nur zwei Gewährleistungen, die sich auf französische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger beschränken: Abs. 10 der Präambel, die die Gleichheit aller Franzosen in Zeiten nationalen Notstandes (État d’urgence) deklariert, und Art. 3, wonach die absolute Souveränität nur vom französischen Volk ausgeht.715 Letzterer fand jedoch – wie bereits aufgezeigt – nur ohne den Zusatz „Peuple français“ den Weg in die derzeitige Französische Verfassung, weil man sich gerade wegen der universalistischen Tradition der Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 entschieden hat, dass man Ausländerinnen und Ausländer nicht gänzlich (bürger- und menschen-)rechtsschutzlos stellen wollte.716 (2) D  ie verfassungsrechtliche Auslegung der personellen Geltungsreichweite des Bloc de constitutionnalité Obgleich die heutige Französische Verfassung Formulierungen wie „Les hommes“ (Art. 1 Erklärung von 1789), „Tout hommes“ (Art. 9 Erklärung von 1789) oder „Nul“ (Art. 10 Erklärung von 1789) nur selten gebraucht, erkennen heutzutage doch alle drei Gewalten an, dass sich im gewissen Maße jeder Mensch auf die inkorporierten bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen berufen können muss.717 Dies spielt gerade bei asyl-, aufenthaltsund einreiserechtlichen Fragen eine große Rolle.718 So hat die Legislative Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 7. Art. 3 Abs. 1 der Verfassung von 1946: „La souveraineté nationale appartient au peuple français“ sowie Art. 3 der Verfassung von 1958: „La souveraineté nationale appartient au peuple qui l’exerce par ses représentants et par la voie du référendum“. 716  Schwartz, Constitution et nationalité, in: NCCC 2013, Vol. 39, S. 43 (44 ff.). 717  Vgl. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 79-109 DC vom 09.01.1980, Rn. 2 ff. – Prévention de l’immigration; Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 12./ 13.08.1993, Rn. 5 ff. – Maîtrise de l’immigration; Entscheidung Nr. 97-389 DC vom 22.04.1997, Rn. 8 ff. – Diverses dispositions relatives à l’immigration. Siehe ferner Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (229). Siehe ferner Art. 66 Französische Verfassung, in der geschrieben steht, dass „Nul ne peut être arbitrairement détenu.“ 718  Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 8. Der Gesetzgeber kann im Bereich der Sicherung der öffentlichen Ordnung aber auch über das Polizei714  Vandendriessche, 715  Vgl.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

nach dem Conseil Constitutionnel die Aufgabe, einen angemessenen Ausgleich zwischen der öffentlichen Ordnung – einem Wert mit Verfassungsrang in Frankreich – und anderen Rechten ausländischer Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen, wobei hieraus kein absolutes Verbot für Ausländerinnen und Ausländer entstehen darf, regulären Zugang zum französischen Territorium zu erhalten oder sich legal auf diesem aufzuhalten.719 Neben dem Asylrecht gilt die Prämisse, dass Ausländerinnen und Ausländer auch für die individuellen Freiheiten wie gleichfalls für den Bereich der Justizgrundrechte720 sowie in Bezug auf die Menschenwürde, welche nach dem Conseil Constitu­ tionnel „allen Menschen“ zustehe, nicht gänzlich rechtsschutzlos gestellt sind.721 Im Sinne des Art. 2 der Französischen Verfassung wäre es zudem verfassungswidrig, ein Differenzierungskriterium wegen der Rasse, Herkunft oder der Religion heranzuziehen.722 Mittlerweile ist zu konstatieren, dass – abgesehen von politischen Bürgerrechten723 – Ausländerinnen und Ausländer fast alle grundrechtlichen Gewährleistungen genießen.724 recht gegenüber Ausländerinnen und Ausländern spezifische Strafmaßnahmen erlassen. Vgl dafür Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 89-261 DC vom 28.06.1989, Rn. 12 ff. – Conditions de séjour et d’entrée des étrangers en France. 719  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2005-528 DC vom 15.12.2005 – Loi de financement de la sécurité sociale pour 2006; Entscheidung Nr. 2003-484 DC vom 20.11.2003 – Loi relative à la maîtrise de l’immigration. Siehe auch Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 8 f. 720  Vgl. dazu Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  79-109 DC vom 09.01.1980 – Loi relative à la prévention de l’immigration; Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 13.08.1993 – Maîtrise de l’immigration; Entscheidung Nr. 2011-631 DC vom 09.06.2011, Rn. 88 – Loi relative à l’immigration, à l’intégration et à la nationalité. Zuletzt auch in Bezug auf den Privatsphärenschutz Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015 – Loi relative au renseignement; Entscheidung Nr. 2016-580 QPC vom 05.10.2016 – M Nabil F, wobei die QPC zurückgewiesen wurde. Einziges Grundrecht, dass in Frankreich nur für Ausländerinnen und Ausländer gilt, ist das Asylrecht: Abs. 4 der Präambel von 1946, Art. 53-1 der Französischen Verfassung. 721  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 343-344 DC vom 27.07.1994, Rn. 2, 18 – Loi relative au respect du corps humain. Er konstruierte das Recht auf Menschenwürde aus der Präambel von 1946. Siehe ferner Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 8. 722  Siehe auch Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 9. 723  Vgl. dazu aber die Debatte zum Kommunalwahlrecht für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger und die Entscheidung des Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 92308 DC vom 11.04.1992, Rn. 21 ff. – Traité sur l’Union européenne. Siehe ferner Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 204. 724  Das ist bspw. bei der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft der Fall. So Kugelmann, Wirtschaftliche und soziale Grundrechte in Frankreich, in: Grewe/Gusy, Französisches Staatsdenken, 2002, S. 233 (238); Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/ Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (337 f.). Ferner Favoreu et al., Droit des libertés fondamentales, 6. Aufl. 2012, S. 113 ff.



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Die Rechtsprechung des Conseil Constitutionnel zeigt deutlich, dass dieser stetig versucht, Diskriminierungen von Ausländerinnen und Ausländern gegenüber Staatsangehörigen zu vermeiden. Er versucht dafür nicht nur den personellen Anwendungsumfang der Bürger- und Menschenrechte zu erweitern, sondern hierfür hohe Rechtfertigungshürden anzusetzen.725 Der Conseil Constitutionnel erkennt allerdings vom Schutzniveau – im Verhältnis zu eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern – in gewissem Maße Abweichungen an.726 (3) D  as territoriale Verständnis der Geltungsreichweite der bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen für Ausländer Doch kann selbiges für die Fallkonstellationen gelten, in denen die französische Staatsgewalt im Ausland agiert oder deren Handeln sich dort auswirkt und dabei Ausländerinnen und Ausländer betroffen sind? Die Teile der Literatur, die die Geltungskraft der Bürger- und Menschenrechte für Ausländerinnen und Ausländer auf französischem Hoheitsgebiet anerkennen, sprechen sich gleichzeitig überwiegend für eine territorial begrenzte Geltungskraft der Bürger- und Menschenrechte im Ausland aus und sehen diese ausschließlich für das französische Hoheitsgebiet gewährleistet, um eine Vielzahl von unvorhersehbaren Verpflichtungen zu begrenzen.727 Sie sehen wegen der starken Ausprägung des Souveränitätsgedankens nur die dem französischen Staat unterworfenen Personen als Berechtigte an.728 Nur wer sich territorial dieser Souveränität unterwerfe, kann auch – mit Abstrichen – am System teilhaben. Diesen Gedanken folgt ebenso der Conseil Constitutionnel, der die Geltung des Bloc de constitutionnalité für Ausländerinnen und Ausländer im Ausland grundsätzlich verneint. Die Gewährleistungen kämen von ihrer territorialen Reichweite nur zur Anwendung, sofern die betroffenen Auslän­ derinnen und Ausländer „auf dem Territorium der Republik wohnen.“729 So 725  Schwartz, Constitution et nationalité, in: NCCC 2013, Vol. 39, S. 43 (44 ff.). Rémy Schwartz behauptet, dass es kaum noch nennenswerte Unterschiede zwischen Inländer- und Ausländerrechtfertigungskonstellationen gebe. 726  Siehe bereits Fn. 699, Abschnitt C. Ferner Dupuy, Droit international Public, 8. Aufl. 2006, S. 123. 727  So Kugelmann, Wirtschaftliche und soziale Grundrechte in Frankreich, in: Grewe/Gusy, Französisches Staatsdenken, 2002, S. 233 (238). 728  Siehe dafür Schwartz, Constitution et nationalité, in: NCCC 2013, Vol. 39, S.  43 (44 ff.). 729  Vgl. dazu Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  89-269 DC vom 22.01.1990, Rn. 33 f.- La sécurité sociale et à la santé. Siehe auch Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 12./13.08.1993, Rn. 3 ff. – Maîtrise de

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

genießen beispielsweise in puncto Sozialversicherungsbeiträge zumindest im Bereich der sozialen Bürger- und Menschenrechte nur regulär in Frankreich befindliche und wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer dieselben Rechte wie Staatsangehörige. Das Gericht stellt somit neben dem Kriterium der Nationalität klar, dass der territoriale Anknüpfungspunkt mit Frankreich auf französischem Hoheitsgebiet stattfinden müsse.730 Eine Ungleichbehandlung von ausländischen Bürgerinnen und Bürgern zu französischen Staatsangehörigen läge nicht vor, da es sich bei Ausländerinnen und Ausländern im Ausland von vornherein nicht um vergleichbare Interessenlagen handele.731 Diese Haltung bekräftigte er auch noch einmal im Urteil zum Einreise- und Aufenthaltsrecht, indem er die Rechte von Ausländerinnen und Ausländern in diesen Fällen als keineswegs absolut oder vergleichbar zu Staatsangehörigen ansah, da nur letztere zum steuerlichen Ertrag der Republik einen Beitrag leisten würden.732 Nur in absoluten Ausnahmefällen hat der Conseil Constil’immigration; Entscheidung Nr. 97-389 DC vom 22.04.1997, Rn. 9 ff. – Diverses dispositions relatives à l’immigration; Entscheidung Nr.  2011-631 DC vom 09.06.2011, Rn. 20 ff. – Loi relative à l’immigration, à l’intégration et à la nationalité. Siehe auch Dupuy, Droit international Public, 8. Aufl. 2006, S. 136; Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 9. 730  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  89-269 DC vom 22.01.1990, Rn. 33 f.- La sécurité sociale et à la santé. Obgleich das zunächst an die Prämisse einer legalen Aufenthaltserlaubnis geknüpft wurde, lehnte man diese Differenzierung später jedoch als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ab: Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 12./13.08.1993, Rn. 3 ff. – Maîtrise de l’immigration. Siehe auch Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 9; Kugelmann, Wirtschaftliche und soziale Grundrechte in Frankreich, in: Grewe/Gusy, Französisches Staatsdenken, 2002, S. 233 (237 f.). Dem wird auch der Art. 14 des Code Civil gerecht: „L’étranger, même non résidant (…) en France, pourra être cité devant les tribunaux français, pour l’exécution des obligations par lui contractées en France avec un Français; il pourra être traduit devant les tribunaux de France, pour les obligations par lui contractées en pays étranger envers des Français.“ Hiernach können auch Ausländerinnen und Ausländer ohne Wohnsitz in Frankreich vor französische Gerichte ziehen. 731  So auch Schwartz, Constitution et nationalité, in: NCCC 2013, Vol. 39, S. 43 (44 ff.). 732  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 12./13.08.1993, Rn. 115 ff. – Maîtrise de l’immigration; Entscheidung Nr. 2010-1 QPC vom 28.05.2010, Rn. 9 – Consorts L. Er führte dabei auch aus, dass Ausländerinnen und Ausländer in diesen Fällen keineswegs rechtsschutzlos gestellt seien, da sie sich vollumfänglich auf den Schutz ihres Heimatstaates berufen könnten und gem. Art. 13 EMRK oder Art. 12 des IPBürg ein Recht darauf hätten, in ihr Heimatland zurückzukehren. Allerdings zeigt gerade die Heranziehung der internationalen Regeln deutlich auf, dass internationale Verträge und Gerichte nicht nur auf die Staatsangehörigkeit abstellen. So spricht Art. 12 Abs. 4 IPBürg davon, dass niemandem „willkürlich das Recht entzogen werden [darf], in sein eigenes Land einzureisen.“ Dementsprechend könnte Abs. 4 auch so interpretiert werden, dass neben der Staatsangehörigkeit auch eine besondere Nähebeziehung zu dem Land, in welches man einreisen will, ausreichen



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tutionnel sein Territorialitätskriterium auf Ausländerinnen und Ausländer außerhalb des Territoriums erweitert. Ein genuiner Link zu Frankreich kann mithin dann vorliegen, wenn Asylsuchende bereits einen Asylantrag außerhalb des Territoriums gestellt haben. Im Ergebnis ändert dies jedoch nichts an der Haltung des Conseil Constitutionnel, der die Bürger- und Menschenrechte Frankreichs für Ausländerinnen und Ausländer fast ausschließlich innerhalb des Territoriums als gewährleistet ansieht. Es ist jedoch anzumerken, dass in den bisherigen Situationen, in denen das Verfassungsgericht die Auslandsgeltung zu entscheiden hatte, allerdings nur Bürger- und Menschenrechte in ihrer Ausgestaltung als Leistungsrechte in Frage standen. Es gibt jedoch Situationen, die nicht an eine Leistungskomponente des französischen Staates anknüpfen, sondern vielmehr eine abwehrrechtliche Dimension – wie beispielsweise bei auslandsnachrichtendienstlichen Beschränkungen – haben. Auch wenn diese Dimension in Frankreich eher schwach ausgeprägt ist, müssen bei Handlungen des Staates, die über die Grenzen hinauswirken, Bürger- und Menschenrechte anwendbar sein, obgleich hiervon einzelne territoriale Einschränkungen durchaus vertretbar erscheinen.733 Nach Jean Combacau und Serge Sur kann dies ausnahmsweise für akkreditierte Missionen ausländischer Agenten, für diplomatisches Personal oder bei Auslandseinsätzen der Armee gelten.734 Sie ziehen als Anknüpfungspunkt auch hier die Doctrine des effets heran, wonach ein bloßer Effekt auf die Betroffenen durch das staatliche Handeln als Anknüpfungspunkt ausreichend sei, unabhängig vom Ort der Beeinträchtigung.735 Hierfür reiche schon die Compétence personnelle passive aus, welche den Anknüpfungspunkt zum Handeln des französischen Staates ausdehnt.736 Die stetige Ausweitung der räumlichen Geltungsreichweite nationaler Gesetze, die Vielzahl an extraterritorialen Handlungen und transnational wirkenden Gesetzen erfordere es daher, dass auch die Geltung der Bürger- und Menschenrechte im abwehrrechtlichen Bereich territorial erweitert werden müsse, um keine rechtsfreien Räume zu schaffen.737 Zusätzlich werden in Bezug auf die Pirateriebekämpfung oder bei Auslandseinsätzen der Armee außerhalb des Staatsgebietes neben den nationalen könne. So Julien-Laferrière, Nature des droits attachés à la nationalité, in: CCC 2008, Vol. 23, S. 82 (82 ff.). 733  So Onida, Pour le dépassement définitif de la „souveraineté“ de la loi, in: CCC 2008, Vol. 25, S. 70 (71 ff.). 734  So Combacau/Sur, Droit International Public, 8. Aufl. 2008, S. 356. 735  Ebd., S.  357 f. 736  Ebd., S. 357 f. Dies wird überwiegend für den strafrechtlichen Bereich angenommen. 737  Ebd., S. 357.

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auch die internationalen Bestimmungen zur Interpretation der territorialen Geltungsreichweite herangezogen.738 Nach Pierre-Marie Dupuy muss dafür vor allem die EMRK berücksichtigt werden, die seit einigen Jahren einen immer größeren Einfluss in Frankreich bekommt und die Verfassungsgesetzgebung sehr stark beeinflusst. Vor allem die Urteile des Conseil Constitutionnel zu Abwehrkonstellationen und transnationalen Bürger- und Menschenrechtsschutz sind allerdings noch nicht mit Rekurs auf die EMRK entschieden worden. Dennoch gibt es auch in Frankreich die Pflicht für den Staat, die internationalen Verpflichtungen sowie fundamentale Prinzipien zu berücksichtigen.739 Demzufolge ist die Bewertung der territorialen Reichweite im Zusammenhang mit dem folgenden Abschnitt zu beurteilen. (4) A  daption des internationalen Rechts zur Erweiterung des französischen Bürger- und Menschenrechtsschutzes Das starke Souveränitätsverständnis Jean Bodins und Jean-Jacques Rousseaus sind über Art. III der Erklärung von 1789 in die heute geltende Französische Verfassung eingeflossen. Nach diesem sei das Gesetz der Ausdruck des Gemeinwillens und es dürften darüber hinaus keine weiteren höherrangigen Instanzen existieren.740 Diese damals vorherrschende Auffassung war der Grund dafür, dass die Akzeptanz der Einwirkung des internationalen Rechts in die nationale Rechtsordnung lange Zeit sehr gering war.741 Frankreich sah trotz dieser verwurzelten Paradigmen allerdings nicht von einer Verfassungsgesetzgebung ab, die den Staat für das internationale und supranationale Recht öffnen sollte.742 Erste Ansätze einer Inkorporierung des in738  Siehe Dupuy, Droit International Public, 8. Aufl. 2006, S. 552 ff. So aber auch Combacau/Sur, Droit International Public, 8. Aufl. 2008, S. 357 f. 739  So Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 10. Implizit auch im Urteil des Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 89-269 DC vom 22.01.1990, Rn. 33 f. – La sécurité sociale et à la santé. 740  Siehe Art. III Erklärung von 1789: „Le principe de toute souveraineté réside essentiellement dans la nation. Nul corps, nul individu ne peut exercer d’autorité qui n’en émane expressément.“ Vgl. dazu Art. 3 Abs. 1 Französische Verfassung von 1958: „La souveraineté nationale appartient au peuple qui l’exerce par ses représentants et par la voie du référendum“. Siehe auch Bodin, Les six livres de la république, Livre premier, 1576, S. 1; Rousseau, Du contrat social: ou principes du droit politique, Livre I, 1762, S. 19 ff., der dort den Volonté générale nennt. Ferner Burdeau/ Hamon/Troper, Droit constitutionnel, 25. Aufl. 1997, S. 186 ff. 741  Vgl. auch Decaux, France, in: Shelton, International Law and Domestic Legal Systems, 2011, S. 207 (207 ff.). 742  Es ist jedoch zu erwähnen, dass diese Ansätze im Verständnis der französischen Verfassungstradition einen „Gesetzesabsolutismus“ widerspiegeln. So regelt Art. 3 Abs. 1 der Verfassung von 1958, dass sich die Staatsordnung sowohl aus repräsentativen als auch direktdemokratischen Elementen zusammensetzt. Vgl. zudem



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz231

ternationalen Rechts fanden sich in Abs. 12 der Präambel der Verfassung von 1946, die sich allgemein zur Einhaltung des internationalen Rechts bekennt.743 Daneben geben in der derzeitigen Verfassung der Titre VI und insbesondere Art. 54 f. eine Auskunft zu den Bindungswirkungen völkerrecht­ licher Verträge. Es existiert für deren Inkorporierung in die französische Rechtsordnung eine Zustimmungspflicht für die Ratifikation, um sicherzustellen, dass die grundlegende Möglichkeit der Ausübung von Souveränität der Republik nicht gefährdet wird.744 Nach gemäßigt monistischem Vorbild wird dem Völkervertragsrecht genau diametral dem deutschen Model ein sofort mit Ratifikation und Inkrafttreten geltender Übergesetzesrang zugesprochen, sofern diese Verträge ordnungsgemäß ratifiziert wurden und – mit dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit (Non adimpleti contractus)745 – eingehalten werden.746 Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 92-312 DC vom 02.09.1992, Rn. 15 ff., 46 – Traité sur l’Union européenne II; Burdeau/Hamon/Troper, Droit constitutionnel, 25. Aufl. 1997, S. 186 ff. 743  Vgl. bereits Court Constitutionnel, Entscheidung Nr. 71-44 DC vom 16.07.1971, Rn. 29 – liberté d’association. Allgemein hierzu: Pactet/Mélin-Soucramanien, Droit constitutionnel, 23. Aufl. 2004, S. 542 ff. 744  Vgl. Court Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2007-560 DC vom 20.12.2007 – Traité de Lisbonne modifiant. 745  Der Wortlaut („l’autre partie“) tendiert nach einer Ansicht jedoch dazu, dass das Gegenseitigkeitskriterium nur bei bilateralen Verträgen greift. Siehe Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 74-54 DC vom 15.01.1975, Rn. 2 – L’interruption volontaire de la grossesse. Ebenfalls ergibt sich aus Art. 60 Abs. 5 WVK, dass das Gegenseitigkeitskriterium im menschenrechtlichen Bereich ausgeschlossen ist. Vgl. dazu Cocâtre-Zilgien, Constitution de 1958, droit international, relations extérieures et politique étrangère, in: AFDI 1958, S. 645 (647); Roux, L’abandon de la jurisprudence IVG, in: RDP 2009, Vol. 125, S. 645 (661); Rousseau, L’intégration de la Convention Européenne des Droits de l’homme au bloc de constitutionalité, in: ders./ Sudre, Conseil Constitutionnelle et Cour Européenne des droits de l’homme, 1990, S. 117 (121). Selbiges lässt sich auch aus dem IGH-Gutachten zur Völkermordkonvention ableiten, indem er deutlich machte, dass die Vertragsstaaten an einer Einhaltung kein schlichtes eigenes, sondern vielmehr ein gemeinschaftliches Interesse besäßen. Siehe dazu IGH, Reservations to the Convention on Genocide (Advisory Opin­ ion), I.C.J. Rep. 1951, S. 15 (23). Vgl. speziell zur EMRK auch EGMR, Urteil vom 06.12.1983, Nr. 9940-9944/82, S. 143 ff. – Frankreich et al. v. Türkei; Urteil vom 18.01.1978, Nr. 5310/71, Rn. 239 – Irland v. Vereinigtes Königreich. Ähnlich mittlerweile auch: Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 98-408 DC vom, 22.01.1999 – Traité portant statut de la Cour pénale internationale. Allgemeiner: Conseil d’Etat, Urteil vom 22.05.1992, Rec., S. 203 – Mme Larachi. 746  Systematisch und unter interpretativer Hinzunahme von Art. 54 der Französischen Verfassung von 1958 lässt sich jedoch konstatieren, dass verfassungswidrige völkerrechtliche Verträge erst nach einer Verfassungsänderung ratifiziert werden dürfen. Vgl. dazu Conseil d’État, Urteil vom 09.07.2010, RFDA 2010, S. 1144 – Mme Souad Chériet-Benseghir; Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 74-54 DC vom 15.01.1975 – L’interruption volontaire de la grossesse; Cour de Cassation, Urteil vom

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

(a) D  er Einfluss der primären Unionsgrundrechte auf die Bürger- und Menschenrechte in Frankreich Die Integration in die Europäische Union und die mittlerweile bestehende Akzeptanz des supranationalen Einflusses hatten vor allem auch eine Reihe von Auswirkungen auf den nationalen Bürger- und Menschenrechtsschutz in Frankreich. Die damit einhergehende Unionsbürgerschaft sowie die mit ihr verbundenen unionalen Grundrechte standen zunächst im Konflikt mit der starken souveränen Ausprägung des Prinzips der Citoyenneté und eröffnete an der Erweiterung des Staatsbürgerinnen- und Staatsbürgerbegriffs zunächst arge Zweifel. Frankreich tat sich enorm schwer, anderen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern dieselben staatsbürgerlichen Rechte wie Französinnen und Franzosen zu gewähren, dem der EuGH allerdings früh einen Riegel vorschob.747 Nach einem langen Integrationsprozess und mehreren Verfassungsänderungen748 ist der Conseil Constitutionnel allerdings von einem absoluten Vorrang der Verfassung abgerückt und versucht deutlich differenzierter, die 24.05.1975, D 1975, S. 487 – Société Jacques Vabre; Dupuy, Droit international public, 6. Aufl. 2002, S. 397 ff.; Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 46; Shaw, International Law, 6. Aufl. 2008, S. 174; Mellech, Die Rezeption der EMRK sowie der Urteile des EGMR in der französischen und deutschen Rechtsprechung, 2012, S. 13. Dies gilt jedoch nicht für die restlichen Rechtsquellen des Völkerrechts, obgleich sich deren Inkorporierung und Geltungskraft aus der Präambel von 1946 herauslesen lassen. Vgl. gerade in Bezug auf das Völkergewohnheitsrecht Conseil d’État, Urteil vom 06.07.1997, Rec. 206 – Aquarone. 747  EuGH, Urteil Nr. 36/75 vom 28.10.1975, Slg. S. 1219 – Rutili. Hierbei hat ein italienischer Arbeitnehmer keine freie Wohnortwahl von den französischen Behörden zugesprochen bekommen und hat erst nach Erschöpfung des Rechtsweges in Frankreich vor dem EuGH EU-Grundrechte zuerkannt bekommen. 748  In Bezug auf das aktive und passive Wahlrecht für Kommunalwahlen von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern erklärte der Conseil Constitutionnel jedoch den damaligen Art. 19 Abs. 1 EGV (heute Art. 22 Abs. 1 AEUV) für verfassungswidrig. Grund hierfür war, dass die mittelbare Wahl des Senats in Frankreich über die Gemeinderäte erfolgte und somit indirekt eine Beteiligung an den landesweiten Senatswahlen vorläge, was mit dem französischen Souveränitätsgedanken und dem französischen Wahlrecht nicht im Einklang gestanden habe. Siehe Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 92-308 DC vom 11.04.1992, Rn. 21 ff. – Traité sur l’Union européenne I. Ferner Boyron, The Constitution of France, 2013, S. 204. Pragmatisch fügte man daher im Wege einer Verfassungsänderung den Art. 88-3 der Französischen Verfassung von 1958 hinzu, welcher das Wahlrecht heute allen EU-Staatsangehörigen einräumt. Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger dürfen aber nicht die Ämter des Bürgermeisters oder Beigeordneten ausüben. Zwar wurde das unionsrechtlich bisher noch nicht beanstandet, aber es erscheint durchaus fraglich, ob dies mit den Europäischen Verträgen vereinbar ist. So auch bereits schon für die Rechtslage vor dem Lissabon-Vertrag Scheffler, Das französische Verfassungsverständnis angesichts der Anforderungen des EG/EU-Rechts, in: ZaöRV 2007, Vol. 67, S. 43 (79 f.); Rosanvallon, Le sacre du citoyen, 1992, S. 441.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz233

Vereinbarkeit von Unions- und Verfassungsrecht herzustellen. Er erweiterte den Begriff der Citoyenneté um die Unionsbürgerschaft.749 Dementsprechend können sich mittlerweile die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger auf fast alle Rechte des Bloc de constitutionnalité berufen. Der Auffassung folgend akzeptieren auch die höchsten Gerichte in Frankreich die Erweiterung des Grundrechtsschutzes über die EU-Grundrechtecharta.750 Im Ergebnis führte das dazu, dass die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger im Einklang mit Art. 18 AEUV mit den französischen Staatsangehörigen im Bereich der na­ tionalen Bürger- und Menschenrechte fast gänzlich gleichgestellt wurden.751 Hierfür wurde mit Art. 88-3 der Französischen Verfassung eine Norm geschaffen, die einerseits die unionalen Grundrechtsbindungen vollständig in das nationale Verfassungsrecht transferiert, wodurch dem gesamten Primärrecht auf Verfassungsebene eine supranationale Wirkung zugestanden wurde. Andererseits erweiterte es aber auch die Grundrechtsbindungen über die Grenzen Frankreichs hinaus, sofern gem. Art. 51 Abs. 1 Alt. 1 EU-Grundrechtecharta Anwendung findet.752 Dennoch vermeidet der EuGH, der in seinen Mitgliedstaaten keiner „territorialen Beschränkung“ unterliegt, eine (extra)territoriale Bindungsklausel als Standard des Grundrechtsschutzes für jeden EU-Mitgliedstaat aufzustellen.753 749  Conseil d’État, Entscheidung Nr. 200286/200287 vom 30.10.1998 – Sarran; Entscheidung Nr. 226514 vom 03.12.2001 – Syndicat national de l’industrie pharmaceutique; Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2004­ -496 DC v. 10.06.2004, Rn. 101 – Loi pour la confiance dans l’économie numérique. Der Conseil Constitutionnel stellte jedoch keine allgemeinen normenhierarchischen Aussagen auf und wies dem EU-Recht auch keinen expliziten und umfassenden Vorrang aus. 750  Siehe dafür Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2011-123 QPC vom 29.04.2011, Rn. 3 – Mohamed T. Der Conseil d’État geht mittlerweile von einem umfassenden Vorrang der Verfassung vor dem EU-Recht aus, wohingegen das Verfassungsrecht unionsrechtskonform interpretiert werden müsse, was vom Ergebnis nicht von der Rechtsprechung des Conseil Constitutionnel abweicht. Vgl. Conseil d’État, Entscheidung Nr. 287110 vom 03.06.2009 – Société Arcelor Atlantique et Lorraine. 751  Grundlegend zum EU-Staatsangehörigenrecht EuGH, Entscheidung Nr. C-369/ 90 vom 07.07.1992 – Micheletti; Entscheidung Nr. C-135/08 – Rottmann. Siehe ferner Weber, Staatsangehörigkeit und Status, 2018. 752  Siehe zuletzt im Bereich des Abzugsverbotes für ausländische Sozialversicherungsbeiträge EuGH, Entscheidung Nr. C-20/16 vom 22.06.2017 – Bechtel. Zu beachten ist jedoch, dass trotz alledem die Ausübung der meisten Freiheiten sowohl für EU-Staatsangehörige als auch für Ausländerinnen und Ausländer der staatlichen Erlaubnis bedürfen. So Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 203 (229). 753  Siehe dafür Canor, Solange horizontal – Der Schutz der EU-Grundrechte zwi­ schen Mitgliedstaaten, in: ZaöRV 2013, Vol. 73, S. 249 (266). Vgl. zur Anerkennung extraterritorialer Geltung von EU-Grundrechten bereits vor Inkrafttreten der EUGrCh Ehlers, Die Grundrechte der Europäischen Union, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, S. 443 (470); Heid/Schmidt, EU-Grundrechte,

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

(b) D  er Einfluss des internationalen Menschenrechtsschutzes auf die Bürger- und Menschenrechte in Frankreich Für die Erweiterung des Bürger- und Menschenrechtsschutzes spielt überdies der regionale Menschenrechtsschutz über die EMRK in Frankreich eine hervorgehobene Rolle.754 Die Auffassung, dass sich aus Art. 54 der Französischen Verfassung von 1958 ergebe, dass sich die Verfassung den völkerrechtlichen Verträgen dynamisch im Wege legislativer Änderung anpassen müsse und demnach insbesondere die essentiellen völkerrechtlichen Verträge – wie die EMRK – über der Verfassung stünden, setzte sich jedoch nicht durch.755 Die höchsten Gerichte folgten – mit teils abweichenden Ar2009, S. 39. Speziell für das Asylrecht: Garlick, The EU Discussions on Extraterritorial Processing: Solution or Conundrum?, in: IJRL 2006, Vol. 18, S. 601 (628). 754  Zwar nimmt der Conseil Constitutionnel auch Rekurs auf bspw. den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte als Internationales Abkommen, welcher in Art. 2 Abs. 1 auch eine Bestimmung enthält, die extraterritoriale Erweiterungen des Menschenrechtsschutzes beinhaltet (vgl. dazu IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opin­ ion), I.C.J. Rep. 136, Rn. 106; IGH, Urteil vom 31.03.2004, Avena and other Mexican Nationals (Mexico v. United States), I.C.J. Rep. 2004, S. 12, Rn. 88 ff.). Die Urteile des Conseil Constitutionnel hierzu bewegen sich allerdings überwiegend im Bereich der Vereinbarkeit neuer Ratifikationen mit der Verfassung oder vermeiden es auf konkrete Inhalte einzugehen. Vgl. dazu u.  a. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2005-524/525 DC vom 13.10.2005, Rn. 7 – Engagements internationaux relatifs à l’abolition de la peine de mort; Entscheidung Nr. 2002-2665 AN vom 25.07.2002, Rn. 2 – A.N. Ging der Conseil Constitutionnel jedoch in den wenigen Entscheidungen zum Pakt auf dessen Rechte ein, wurden keine extraterritorialen Verpflichtungen thematisiert. Vgl. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  20073451/3452/3535/3536 AN vom 12.07.2007, Rn. 2 ff. – Bouches-du-Rhône et autres; Entscheidung Nr. 2004-3384 SEN vom 04.11.2004, Rn. 6 – Yvelines. Daher wird im Folgenden der Fokus auf die EMRK gelegt. 755  Zu sehen wäre dies bereits bei der Integration in die EU, welche zu zahlreichen Verfassungsänderungen führte. Zudem manifestiert das auch die exekutive Eigenverantwortung in Frankreich, die es der Exekutive auf internationaler Ebene erlaubt, völkerrechtliche Bindungen einzugehen, die über die verfassungsrechtlichen Grenzen hinausgehen. So jedenfalls Rideau, Constitution et droit international dans les Etats membres des Communautés européennes, in: RFDC 1990, Vol. 2, S. 259 (267); Pinto, Art. 55, in: Luchaire/Conac, La Constitution, 2. Aufl. 1979, S. 1069; Nguyen, Le Conseil Constitutionnel Français et les règles du droit public international, in: RGDIP 1976, Vol. 80, S. 1001 (1004). Dem ist entgegenzuhalten, dass Verfassungsänderungen keineswegs obligatorischer Natur sind und es der Grundgedanke des exekutiven Handelns darstelle, dass völkerrechtliche Verträge von der Exekutive abgeschlossen werden. Zudem steht es mit dem französischen Souveränitätsverständnis nicht im Einklang, dass ein schlichter völkerrechtlicher Vertrag die Verfassung ersetzen könne. So auch Abraham, Droit international, 1989, S. 34 f.; Blumann, L’article 54 de la Constitution et le contrôle de la constitutionnalité des traités en France, in: RGDIP 1978, Vol. 82, S. 537 (567).



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz235

gumenten – dieser Ansicht nicht und siedeln zumindest die völkerrechtlichen Verträge gem. Art. 55 zwischen der Verfassung und den einfachen Gesetzen an.756 Dennoch wird die EMRK – ähnlich wie in Deutschland – mittlerweile von den Verfassungsgerichten zur Auslegung und Orientierung für die Grundbzw. Bürger- und Menschenrechte herangezogen. Die EMRK steht gem. Art. 55 der Französischen Verfassung von 1958 über dem einfachen Recht. Sie ist weiterhin direkt anwendbar und kann nationale Gesetze überschreiben.757 Zudem ist wegen der geringeren Möglichkeiten zur Verfassungsmäßigkeitsüberprüfung die EMRK für den Individualrechtsschutz in Frankreich eine wichtige Konstante geworden.758 Da Frankreich seit 1981 auch das Individualbeschwerdeverfahren vor dem EGMR anerkannt hat,759 können sich die einzelnen Bürgerinnen und Bürger unter Umständen direkt auf diese berufen.760 Der EGMR übernimmt so eine Art „Ersatzverfassungsgerichtsbarkeit“ für Individuen, da es in Frankreich einzelnen Bürgern nicht möglich ist, unmittelbar eine Verfassungsbeschwerde vor dem Conseil Constitutionnel einzulegen, und ist für die weite Auslegung vieler verfassungsrechtlicher Verbürgungen mitverantwortlich.761 Unklar ist heute allerdings, wie sich diese Rechtsprechung der internationalen Ebene auf die nationale Ebene auswirkt.762 Dabei ist im Bereich des regionalen Menschenrechtsschutzes ein Auseinanderdriften des Conseil d’État und der Cour de Cassation fest­ zustellen, wobei sich ersterer nicht an die Rechtsprechung des EGMR binden will und diese auch nicht als „l’autorité absolue de la chose jugée“ an­ 756  So auch Mellech, Die Rezeption der EMRK sowie der Urteile des EGMR in der französischen und deutschen Rechtsprechung, 2012, S. 22 f., welcher der Auffassung ist, dass Art. 54 nur prozessuale Fragen klärt, weil die Norm bei einem potenziellen Überprüfungsverfahren noch gar nicht existiere. 757  Siehe Shaw, International Law, 6. Aufl. 2008, S. 174; Mellech, Die Rezeption der EMRK sowie der Urteile des EGMR in der französischen und deutschen Rechtsprechung, 2012, S. 13 ff. 758  Canas, L’influence de la fondamentalisation du droit au respect de la vie privée sur la mise en oeuvre de l’article 9 du code civil, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 47 (52 ff.); Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (335 f.). 759  Vandendriessche, Le droit des étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 20. 760  Siehe hierzu Conseil d’État, Entscheidung Nr. 322326 vom 11.04.2012 – GISTI et FAPIL. 761  Siehe Canas, L’influence de la fondamentalisation du droit au respect de la vie privée sur la mise en oeuvre de l’article 9 du code civil, in: NCCC 2015, Vol. 48, S.  47 (52 ff.); Chromik, Die Entscheidungskriterien des Zivilrichters bei der Abwägung von Privatsphärenschutz und öffentlichem Informationsinteresse, 2010, S. 14; Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 62. 762  Proelß, Bundesverfassungsgericht und überstaatliche Gerichtsbarkeit, 2014, S.  157 f.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

erkennt;763 letzterer hingegen zu einer Akzeptanz der erga-omnes-Wirkung menschenrechtlicher Bestimmungen tendiert.764 Beim Conseil Constitutionnel zeichnet sich mittlerweile eine Tendenz ab, dass dieser stark bemüht ist, den Entscheidungen des EGMR zu folgen,765 obwohl er den EGMR bisher nur einmal selbst direkt in seinem Urteil erwähnte.766 Obwohl die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag nur einen subsidiären Status neben den bürger- und menschenrechtlichen Verbürgungen in Frankreich genießt,767 ließ der Conseil Constitutionnel – wie in seinen Grundsätzen auch das Bundesverfassungsgericht – über die „Principes fondamentaux reconnus par les lois de la République“ die internationalen Verpflichtungen in die verfassungsrechtliche Bewertung mit einfließen.768 Dieser durch den Conseil Constitutionnel angestoßene menschenrechtliche Integrationsprozess hatte vor allem auch Auswirkungen auf den Bloc de constitutionnalité.769 So flossen allmählich nach dieser Adaption langsam positive Verpflichtungen in das französische Verfassungsrecht mit ein,770 die Bedingung des Pluralismus für eine demokratische Gesellschaft wurde inhalts763  Conseil d’État, Entscheidung Nr. 296327 vom 25.05.2007 – Courty. Dennoch sind auch beim Conseil d’État Ansätze zu erkennen, die Entscheidungen des EGMR zu berücksichtigen. Vgl. Conseil d’État, Entscheidung Nr. 140032 vom 05.12.1997 – Mme Lambert. Siehe auch Sudre, Vers la normalisation des relations entre le Conseil d’État et la Cour européenne des droits de l’homme, in: RFDA 2006, S. 286 (286 ff.). 764  So zumindest in Bezug auf die EMRK: Cour de Cassation, Entscheidung Nr. 82-16.968 vom 10.01.1984. Siehe auch Mellech, Die Rezeption der EMRK sowie der Urteile des EGMR in der französischen und deutschen Rechtsprechung, 2012, S. 173. 765  So Jauréguiberry, L’influence des droits fondamentaux européens sur le contrôle a posteriori, in: RFDA 2013, S. 9 (10); Mazeaud, La constitutionnalisation du droit au respect de la vie privée, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 5 (12 ff.). Diese verweisen z.  B. auf Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2011-173 QPC vom 30.09.2011 – M Louis C.; Entscheidung Nr. 2013-347 QPC vom 11.10.2013 – M Kara­moko F.; Entscheidung Nr. 2014-439 QPC vom 23.01.2015 – M Ahmed S. 766  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2004-505 DC vom 19.11.2004, Rn. 18 – Traité établissant une Constitution pour l’Europe. 767  Vandendriessche, Le droit des étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 20. 768  U. a. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 92-308 DC vom 09.04.1992, Rn. 2  ff. – Traité sur l’Union européenne I; Entscheidung Nr. 98-408 DC vom 22.01.1999, Rn. 10 ff. – Traité portant statut de la Cour pénale internationale; Entscheidung Nr. 2004-505 DC vom10.06.2004, Rn. 3 ff. – Traité établissant une Constitution pour l’Europe. 769  So Combacau, La souveraineté internationale de l’État dans la jurisprudence du Conseil constitutionnel français, in: CCC 2000, Vol. 9, S. 113 (113 ff.); BurgorgueLarsen, L’autonomie constitutionnelle aux prises avec la Convention européenne des droits de l’homme, in: RBDC 2001, Vol. 1, S. 31 (45). 770  Sudre, Les „obligations positives“ dans le jurisprudence de la Cour européene des droits de l’homme, in: RTDH 1995, S. 363 (363 ff.); Champeil-Desplats, Des



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz237

gleich für die Meinungsfreiheit übernommen771 und ebenso folgte der Conseil Constitutionnel im strafrechtlichen und strafprozessualen Bereich vermehrt den Ansichten des EGMR.772 Diese Ausstrahlungswirkung des internationalen Rechts hat den Bloc de constitutionnalité weiter geformt und zu dessen Internationalisierung beigetragen.773 So folgten bezogen auf den transnationalen Bürger- und Menschenrechtsschutz aus der Verfassungsrechtsprechung in Frankreich zusätz­ liche „extrakonstitutionelle“ Verpflichtungen.774 Paul Mougeolle sieht gerade die aus den universellen Menschenrechten erwachsende verfassungsrecht­ liche Komponente für die Vereinfachung der Schutzsysteme im unternehmerischen Bereich für Ausländerinnen und Ausländer auf nationaler Ebene.775 Unter den bereits im vorherigen Abschnitt aufgezeigten Voraussetzungen sowie deren Einschränkungen ist somit auch in Frankreich eine territoriale Erweiterung des Menschenrechtsschutzes über die EMRK möglich.776

„libertés publique“ aux „droits fondamentaux“, in: Jus Politicum 2010, Vol. 5, S. 1 (8). 771  Vgl. Leclerc, Du sérieux de l’enquête et de la prudence de l’expression dans les sujets d’intérêt générale, in: Légipresse vom 01.04.2011, S. 226. Siehe ferner EGMR, Entscheidung Nr. 5493/72 vom 07.12.1976, Ser. A 24 – Handyside v. Vereinigtes Königreich; Entscheidung Nr. 9815/82 vom 08.07.1986, Ser. A 103 – Lingen v. Österreich; Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 86-217 DC vom 18.12.1986, Rn. 10 ff. – Liberté de communication I; Entscheidung Nr. 89-271 DC vom 11.01.1990, Rn. 12 – Limitation des dépenses électorales et à la clarification du financement des activités politiques. 772  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  82-155 DC vom 30.12.1982, Rn. 29 ff. – Finances rectificative pour 1982; Entscheidung Nr. 88-248 DC vom 17.01.1989, Rn. 21 ff. – Liberté de communication II. 773  So Flavier, Boris Mirkine-Guetzévitch: la conscience juridique des peuples, moteur de l’évolution des rapports entre droit international et droit constitutionnel, in: Dupéré, Constitution et droit international, 2016, S. 37 (44 f.). Andere hingegen sahen das internationale Recht nur als „nationales Recht mit Außenwirkung“. So Burdeau, Traité de science politique, 3. Aufl. 1980, S. 411 ff. 774  So Roblot-Troizier, Réflexions sur la constitutionnalité par renvoi, in: CCC 2007, Vol. 22, S. 198 (198 ff.). 775  Siehe hierfür Mougeolle, Sur la conformité constitutionnelle de la proposition de loi relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d’ordre, in: RevDH 2017, S. 1 (11, 16 f.). Ferner Potier, Bericht Nr. 2628: Au Nom de la Commission des Lois Constitutionnelles, de la Législation et de l’Administration Générale de la République sur la Proposition de Loi (N° 2578), Relative au Devoir de Vigilance des Sociétés Mères et des Entreprises Donneuses d’Ordre, S. 16, S. 29 f. 776  So im Ergebnis auch Vandendriessche, Le droit des étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 20.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

c) Zwischenergebnis Obgleich Frankreich in vielerlei Hinsicht als „die Mutter“ der europäischen Verfassungen gilt, sind ihre bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen heute nicht – wie aber in Deutschland – katalogartig verschriftlicht.777 Vielmehr musste der Conseil Constitutionnel, was eher untypisch für das französische System ist, wie im Commonwealth von Fall zu Fall einen Bürger- und Menschenrechtsschutz herleiten,778 was vor allem für den hier adressierten Privatsphärenschutz gilt. Allerdings führt die gerichtliche Entwicklung dieser Gewährleistungen auch zu offenen Fragen, die der Conseil Constitutionnel erst nach und nach zu lösen versuchte. Vor allem in Bezug auf die personelle Geltungsreichweite ist festzuhalten, dass im Hinblick auf internationale und unionsrechtliche Standards sich nicht nur eigene Staatsangehörige in Frankreich auf den Bloc de constitutionnalité berufen können, sofern sich diese auf französischem Hoheitsgebiet aufhalten. Da der primäre Anknüpfungspunkt für die Geltungsreichweite dieser Rechte die Staatsangehörigkeit ist, können sich unter gewissen teils abweichenden Schutzstandards auch französische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger hierauf berufen, wenn diese sich im Ausland aufhalten. Selbiger Schutz gilt jedoch nicht für Ausländerinnen und Ausländer, obwohl sich der Conseil Constitutionnel in anderen Bereichen stark an der Rechtsprechung des EGMR orientiert, welcher eine Schutz- und Bindungswirkung an die EMRK nicht nur auf dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten bejaht. Leistungsrechte können diese Personen daher aus den Bürger- und Menschenrechten nicht herleiten, jedoch kann wegen des starken Einflusses des internationalen Rechts in Frankreich zumindest ein Bürger- und Menschenrechtsschutz in seiner abwehrrechtlichen Dimension existieren, sofern hierfür Anknüpfungspunkte zum französischen Staat gegeben sind. Diesbezüglich blieb ein Urteil des Conseil Constitutionnel allerdings noch aus. d) Der Privatsphärenschutz im Lichte auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit in Frankreich Die Einführung der Loi relative au renseignement, die zahlreiche Artikel des CSI und des Code de justice administrative abgeändert hat, verschriftlichte 2015 das umfassende Reservoir an Überwachungsbefugnissen für die 777  Onida, Pour le dépassement définitif de la „souveraineté“ de la loi, in: CCC 2008, Vol. 25, S. 70 (70 ff.). 778  Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (329 ff.). Siehe auch Champeil-Desplats, La théorie générale de l’État est aussi une théroie des libertés fondamentales, in: Jus Politicum 2012, Vol. 8, S. 1 (20).



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz239

Nachrichtendienste.779 Die Debatte um die neuen Überwachungsgesetze bewegte sich neben dem Recht auf Privatsphäre, welches die Unverletzlichkeit der Wohnung genauso wie die Telekommunikationsfreiheit garantiert, auch im Bereich der Meinungsfreiheit und des effektiven Rechtsschutzes, die vorliegend jedoch außer Betracht gelassen werden.780 aa) Der Schutz der Privatsphäre in Frankreich Verfassungsrechtlich ist die Privatsphäre nicht explizit normiert. Weder findet sich in der Erklärung von 1789 noch in der Präambel der Verfassung von 1946 ein direkter Hinweis auf solch eine Verbürgung. Dem Vorschlag eines verfassungsändernden Gremiums, dem Art. 66 der Französischen Verfassung von 1958 den Absatz hinzuzufügen: „Chacun a droit au respect de sa vie priveé et de la dignité humaine“, wurde bisher ebenso wenig ent­ sprochen,781 da man lange am verfassungsrechtlichen Wert der Privatsphäre zweifelte.782 Auch der Conseil Constitutionnel tat sich lange Zeit schwer, den Schutz der Privatsphäre als Menschenrecht anzuerkennen, obwohl er ihn in früheren Entscheidungen implizierte.783 Mit der Entscheidung zur Vidéosurveillance 1995 änderte sich das jedoch. Obgleich das Gericht die Privatsphäre nicht explizit zu den „Valeurs constitutionnelles“ einordnete, konstatierte es, dass dieses Recht geeignet sei, die „Liberté individuelle“ zu verletzen.784 Es präferierte – wie der offenbar hierfür vorbildlich wirkende EGMR – trotz sehr 779  Siehe

hierzu Loi n° 2015-912 du 24.07.2015, JORF 26.07.2015, S. 12735. Conseil Constitutionnel leitet neben der Meinungsfreiheit aus Art. 4 der Französischen Verfassung von 1958 aus Art. 16 der Erklärung von 1789 ein Recht auf effektiven Rechtsschutz her, die beide bei heimlichen staatlichen Überwachungsmaßnahmen von Bedeutung sind. Siehe dazu Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 13.08.1993, Rn. 50 ff. – Maîtrise de l’immigration; Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 5, 16 ff. – Loi relative au renseignement. 781  Vedel,  Propositions pour une révision de la Constitution, Comité consultatif pour la révision de la constitution: La Documentation française, Collection des rapports officiels, 1993, S. 99. 782  Molfessis, Le Conseil constitutionnel et le droit privé, 1997, Rn. 163. 783  So Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 76-75 DC vom 12.01.1977, Rn. 3 ff. – Fouille de véhicules, welche als erster Schritt zur Anerkennung der Privatsphäre gedeutet wurde. So Favoreu, Le Conseil constitutionnel et la protection de la liberté individuelle et de la vie privée, in: Université Paul Cézanne, Études offertes à Pierre Kayser, 1979, S. 411 (411); Kayser, La protection de la vie privée par le droit, Protection du secret de la vie privée, 3. Aufl. 1995, S. 265. 784  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 2 ff. – Vidéosurveillance. Siehe auch Molfessis, Le Conseil constitutionnel et le droit privé, Rn. 157 ff. 780  Der

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

kritischer Stimmen in der Literatur785 ein sehr weites Verständnis des Schutzbereiches der „Liberté individuelle“,786 was dazu führte, dass sie ähnlich wie die deutsche Variante des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt für all die bürger- und menschenrechtlichen Freiheiten fungiert, die nicht explizit normiert sind.787 Dies war der Ausgangspunkt für den unaufhaltsamen Aufstieg des verfassungsrechtlichen Privatsphärenschutzes.788 In seiner Entscheidung 1999 zum Loi portant création d’une couverture maladie universelle leitete er das Recht auf Privatsphäre schließlich aus Art. 2 der Erklärung von 1789 her.789 In seinen jüngeren Entscheidungen verankert er den Privatsphärenschutz in seinen einzelnen Ausprägungen in Art. 2 und 4 der Erklärung von 1789.790 Heute wird der verfassungsrecht­ liche Schutz der „Vie privée“ in Frankreich aus verschiedenen Verfassungsdokumenten – wie Art. 66 Französische Verfassung von 1958 i. V. m. Art. 2 und Art. 4 der Erklärung von 1789 sowie der Präambel von 1946 – hergeleitet.791 785  Für eine extensive Auslegung vgl. Burdeau, Libertés publiques, 4. Aufl. 1972, S. 111. Für eine eher restriktive Auslegung vgl. Rivero, Libertés publiques, 8. Aufl. 1997, S. 23. Und für eine vermittelnde Position siehe Colliard, Libertés publiques, 5. Aufl. 1977, S. 218. 786  Die Liberté individuelle unterteilt sich einerseits in die physischen Freiheiten („Libertés des la personne“), worunter u. a. das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit fallen, und die geistigen Freiheiten („Libertés de la pensée“). Siehe Canas, L’influence de la fondamentalisation du droit au respect de la vie privée sur la mise en oeuvre de l’article 9 du code civil, in: NCCC 2015, Vol. 48, S.  47 (52 ff.). 787  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 2  ff. – Vidéosurveillance; Entscheidung Nr. 2004-499 DC vom 29.07.2004, Rn. 16 – Protection des données personnelles; Entscheidung Nr. 83-164 DC vom 29.12.1983, Rn. 25 ff. – Perquisitions fiscales; Entscheidung Nr. 94-343/344 DC vom 27.07.1994, Rn. 3 f. – Bioéthique. Siehe auch Bauer, Verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 152. 788  Meulders-Klein, L’irrésistible ascension de la vie privée au sein des droits de l’homme, in: Sudre, Le droit au respect de la vie privée au sens de la Convention européenne des droits de l’homme, 2005, S. 305 (305 f.). 789  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 3 – loi portant création d’une couverture maladie universelle. 790  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn.  2 – Loi relative au renseignement; Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 2 – Surveillance des communications électroniques internationales. 791  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 19  f. – Vidéosurveillance; Entscheidung Nr. 2004-499 DC vom 29.07.2004, Rn. 25 f. – Protection des données personnelles; CC, D Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 2 ff. – Loi relative au renseignement. Siehe auch Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 70; Tourkochoriti, Speech, Privacy and Dignity in France and in the U.S.A., in: Loy. L.A. Int’l & Comp. L. Rev 2016, Vol. 38, S. 217 (235 f.).



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Dadurch, dass der Bürger- und Menschenrechtsschutz in Frankreich primär an den Gesetzgeber gerichtet und es den Bürgerinnen sowie Bürgern nur sehr begrenzt möglich ist, sich auf die grundrechtlichen Wertungen direkt vor dem Conseil Constitutionnel zu berufen, obliegt es der Legislative, widerstreitende Positionen der Bürger- und Menschenrechte mit den anderen Verfassungs­ gütern in Einklang zu bringen.792 Daher ist der Schutz der Privatsphäre ausdrücklich nur einfachgesetzlich in Art. 9 des Code Civil793 verankert.794 Probleme bereitet trotz der einfachgesetzlichen Regelung und der verfassungsrechtlichen Herleitung die exakte Reichweite des französischen Verständnisses des Begriffs des Privatlebens, das gerade wegen seiner Relativität nur schwerlich zu definieren ist.795 Die französische Literatur weist hierfür viele verschiedene Ansätze auf, um zumindest eine Eingrenzung vorzunehmen. So wurde der Begriff der „Vie privée“ in Abgrenzung zur „Vie publique“ definiert.796 Die Privatsphäre sei danach von geringerer Intensität, je mehr sie im öffentlichen Bereich ausgeübt werde. Dieser Schutz gelte deswegen erst recht nicht vollumfänglich für eine Person des öffentlichen Lebens, weil dann das öffentliche Informationsinteresse überwiegen könne. Hieran anknüpfend wurde ebenso vertreten, dass Art. 9 Abs. 2 Code Civil zur Bestimmung des Umfangs heranzuziehen sei, der abweichend von Abs. 1 nicht mehr von der „Vie privée“, sondern der „Intimité de la vie privée“ spricht. In Konsequenz umfasse die „Vie privée“ i. V. m. Art. 9 Abs. 2 des Code Civil nur den ganz intimen Bereich einer Person und sei der Schutz des Privatlebens allein hierauf beschränkt.797 792  So Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 79-105 DC vom 25.07.1979, S. Rn. 1, 4  f. – Droit de grève; Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 13.08.1993, Rn. 2 ff. – Maîtrise de l’immigration; 18.01.1995, Entscheidung Nr. 94-352 DC, Rn. 2 ff. – Vidéosurveillance. Ferner Wachsmann, Libertés publiques, 5. Aufl. 2005, Nr. 94 ff. Gem. Art. 20 der Französischen Verfassung von 1958 ist das Parlament für die Gesetzgebung zuständig. 793  Art. 9 Abs. 1 Code Civil (Loi n° 1803-03-08 vom 18.03.1803): „Chacun a droit au respect de sa vie privée.“ 794  Siehe dafür Loi n° 70-643 vom 17.07.1970. Vgl. auch Canas, L’influence de la fondamentalisation du droit au respect de la vie privée sur la mise en oeuvre de l’article 9 du code civil, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 47 (52 ff.). 795  Rigaux, La protection de la vie privée et des autres biens de la personnalité, 1990, S. 716, 725. Dieser bevorzugt eine reine Interessenabwägung anstelle einer klaren Definition. Siehe dazu auch Kayser, Le secret de la vie privée et la jurisprudence civile, Mélange Savatier, S. 246. 796  Malaurie, Droit civil, Les personnes, Les Incapacités, 3. Aufl. 2007, S. 126 ff. 797  Kayser, Le secret de la vie privée et la jurisprudence civile, in: Université de Poitiers, Mélanges offerts à Savatier, 1965, S. 230 f.; Derieux, Vie privée et données personnelles, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 21 (21 ff.).

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Andere wiederum legten den Fokus auf die Freiheitskomponente des Schutzes des Privatlebens, wonach eine Person das Recht habe, selbst über ihr Dasein zu verfügen und dabei frei von staatlicher Beeinflussung zu sein.798 Dadurch entstünde eine geheime Sphäre bzw. ein „Recht in Ruhe gelassen zu werden“, wodurch Dritte ausgeschlossen sein sollen, sofern nicht das öffentliche Interesse an den privaten Inhalten überwiege.799 Diese Variante ähnelt stark dem vom Bundesverfassungsgericht angewandten Sphärenmodell, weicht unter den Autorinnen und Autoren in einzelnen Punkten aber durchaus ab.800 Überwiegend wird wegen der fehlenden Präzision der vorgebrachten Abgrenzungsversuche gerade auf judikativer Seite auf spezielle und abschließend benannte Bereiche der Privatsphäre zurückgegriffen: „La vie sentimentale“, „La vie familiale“, „La santé“ und „La domicile“ sind dabei höchstrichterlich von den Fachgerichten anerkannt.801 Der Conseil Constitutionnel vermeidet in seiner Rechtsprechung ebenso eine verallgemeinernde Definition und versucht wie auch die Fachgerichte gewisse Schutzgüter aufzulisten, die unter den Privatsphärenschutz fallen. Hierfür nimmt er Rekurs auf die „Liberté individuelle“, welche als Teil der „Principes à valeur constitutionnelle“ Verfassungsrang hat,802 und spezifische Fallgruppen aufstellt.803 Darunter fallen nach dem Conseil Consti­ tutionnel gerade die engsten Bereiche der persönlichen Lebensführung:804 die Unverletzlichkeit der Wohnung („Principe de l’inviolabilité du domi­ 798  Nerson, Chronique de jurisprudence française en matière de droit civil, RTD civ. 1971, S. 109 (115). 799  Carbonnier, Droit civil, Vol. I, 21. Aufl. 2000, S. 518. 800  Terré/Fenouillet, Droit civil, Les personnes, la famille, les incapacités, 7. Aufl. 2005, S. 109. 801  Vgl. Cour de Cassation, 1er civ., Entscheidung vom 06.10.1998, JCP 1998, Vol. IV, S. 3294; Tribunal de grande instance de Paris, 1re ch. 1re sect., Entscheidung vom 04.03.1993, Légipresse no. 105, 1993, I, S. 122. Diese Fallgruppen sind nicht abschließend. So Canas, L’influence de la fondamentalisation du droit au respect de la vie privée sur la mise en oeuvre de l’article 9 du code civil, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 47 (51 ff.). Ähnlich Mazeaud, La constitutionnalisation du droit au respect de la vie privée, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 5 (12 ff.), der Fallgruppen für die Bestimmung hilfreich hält, sieht es aber kritisch, dass diese nicht abschließend gereglt werden. Weitere umfassende Rechtsprechungsübersicht bei Chromik, Die Entscheidungskriterien des Zivilrichters bei der Abwägung von Privatsphärenschutz und öffentlichen Informationsinteresse, 2010, S. 32 ff. 802  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 3 – Vidéosurveillance. 803  Chromik, Die Entscheidungskriterien des Zivilrichters bei der Abwägung von Privatsphärenschutz und öffentlichen Informationsinteresse, 2010, S. 27. 804  Siehe hierfür Luchaire, Le Conseil constitutionnel, 1980, S. 87.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz243

cile“),805 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung („Liberté per­ sonnelle“),806 das Briefgeheimnis („Droit au secret de l’être“)807 sowie andere Rechte, die mit der Achtung der Privatsphäre verbunden sind („Droit au respect de la vie privée“).808 Letztere enthalten dabei Aspekte des Rechts am eigenen Bild, des Sexuallebens und garantieren den Schutz privater Korrespondenz.809 Der Schutz der Korrespondenz gewährleistet zusammen mit dem „Droit au secret de l’être“ mittlerweile eine umfassende Kommunikationsfreiheit und den Schutz von persönlichen Daten,810 deren Schutzbereich stetig erweitert wird.811 Der Conseil Constitutionnel teilt somit die 805  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  83-164 DC vom 29.12.1983, Rn. 28 ff. – Perquisition fiscales; Entscheidung Nr. 94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 3, 15 – Vidéosurveillance; Entscheidung Nr. 96-377 DC, 16.07.1996, Rn. 15 ff. – Répression du terrorisme; Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 2 ff. – Loi relative au renseignement. Hierunter fällt sogar schon die Adresse einer Bürgerin oder eines Bürgers. 806  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  91-294 DC vom 25.07.1991, Rn. 49 – Accord de Schengen. 807  Vgl. dazu Moderne, Les protections et les garanties constitutionnelles des droits et libertés, in: Droit constitutionnel et droits de l’homme, Economica 1987, S. 64; Rousseau, Droit du contentieux, S. 329; Favoreu/Philip, Le grandes décision du Conseil constitutionnel, 7. Aufl. 1993, S. 346. 808  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 2  ff. – Vidéosurveillance; Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 1 ff. – Loi relative au renseignement. Impliziert bereits in Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 76-75 DC vom 12.01.1977, Rn. 1 ff. – Fouille de véhicules herauslesen. Dies befürwortend Turpin, Contentieux constitutionnel, 1986, S. 304; Favoreu/ Philip, Les grandes décisions du Conseil constitutionnel, 11. Aufl. 2001, S. 346. 809  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 2 ff. – Loi d’orientation et de programmation relative à la sécurité; Entscheidung Nr. 2012-227 QPC vom 30.03.2012, Rn. 6 – M Omar S.; Entscheidung Nr. 2015-464 QPC vom 09.04.2015, Rn. 3 f. – M Marc A.; Entscheidung Nr. 2003-467 DC vom 13.03.2003, Rn. 47 ff. – Loi pour la sécurité intérieure; Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 2 ff. – Loi relative au renseignement. Hieraus wird insbesondere auch die Kommunikationsfreiheit hergeleitet, woraus ein umfassendes Kommunikationsgrundrecht entstanden ist. Die „Liberté de communication“ beinhaltet die Meinungsäußerungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Pressefreiheit und die Freiheit der audiovisuellen Medien. Die Meinungs- und Gewissensfreiheit werden – anders als in Deutschland – als alleiniges Grundrecht verstanden. 810  Die Erhebung personenbezogener Daten stellt allerdings nicht gleich auch eine Verletzung der Privatsphäre dar. Vielmehr soll die Loi n° 78-17 du 6 janvier 1978 einen Schutz vor automatisierten Verarbeitungen personenbezogener Daten garantieren. Diese dürfen nach Art. 6 ff. Loi n° 78-17 nur verarbeitet werden, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist und nur für den erhobenen Zweck benutzt und nicht ohne deren Einwilligung verarbeitet werden. Dazu Derieux, Vie privée et données personnelles, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 21 (28 ff.). 811  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 89-1138 AN vom 06.03.1990 – A.N.; Entscheidung Nr. 2003-467 DC vom 13.03.2003 – Loi pour la sécurité;

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Privatsphäre auf und trennt einzelne Aspekte voneinander ab, um spezielle Ausprägungen einfließen zu lassen.812 Er unterscheidet zudem einerseits zwischen dem „Secret de la vie privée“, dass die Privatsphäre ein bestimmtes privates Geheimhaltungsinteresse generiert, und andererseits der „Liberté de la vie privée“, die eher die Freiheit widerspiegelt, ohne staatliche Beeinflussung das zu tun, was man möchte.813 Generell kann man den gewährleisteten Privatsphärenschutz in Frankreich seither als ein Recht, das Privatleben zu respektieren, verstehen,814 wobei die Menschenwürde dieser Konzeption als Ausgangspunkt zugrunde liegt.815 Das Gericht lehnte allerdings auch Klagen ab, die sich auf noch nicht verankerte Bereiche der Privatsphäre richteten.816 bb) Die Privatsphäre und die Loi relative au renseignement In seiner ersten Entscheidung zu den Gesetzesnovellen aus 2015, die allgemein die nachrichtendienstliche Tätigkeit regeln sollten, sah der Conseil Constitutionnel mehrere Privatsphärenaspekte tangiert. Durch die Überwachungen sah das Gericht vor allem die Art. 2 und 4 der Erklärung von 1789 und die damit garantierten Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung und der Korrespondenz als betroffen an.817 Daneben prüfte es zudem eine VerletEntscheidung Nr. 2006-532 DC vom 19.01.2006 – Loi relative à la lutte contre le terrorisme; Entscheidung Nr. 83-164 DC vom 29.12.1983 – Perquisitions fiscales; Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015 – Loi relative au renseignement. Ferner Mazeaud, La constitutionnalisation du droit au respect de la vie privée, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 5 (12 ff.). 812  Mazeaud, La constitutionnalisation du droit au respect de la vie privée, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 5 (12 ff.). 813  Canas, L’influence de la fondamentalisation du droit au respect de la vie privée sur la mise en oeuvre de l’article 9 du code civil, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 47 (52 ff.); Rigaux, La liberté de la vie privée, in: RIDC 1991, Vol. 43, S. 539 (547 f.). 814  Halpérin, Protection de la vie privée et privacy, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 69 (69 ff.). 815  Whitman, The Two Western Cultures of Privacy, in: Yale L. J. 2004, Vol. 131, S.  1151 (1160 f.); Post, Three Concepts of Privacy, in: Geo. L. J. 2001, Vol. 89, S. 2087 (2087 ff.). 816  So fällt das Verbergen des Gesichts im öffentlichen Raum nicht unter den Schutzbereich. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2010-613 DC vom 07.10.2010 – Dissimulation du visage. Dies sah der EGMR jedoch anders: Entscheidung Nr. 43835/11 vom 01.07.2014, Rn. 106 ff. – SAS v. Frankreich. 817  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 2 – Loi relative au renseignement. Die Gesetzesänderungen wurden vom Präsidenten zur Überprüfung der Verfassungskonformität vorgelegt. Die französische Generalversammlung hat zusätzlich die Verfassungswidrigkeit einzelner Normen im Hinblick auf das Recht auf Privatsphäre und der Meinungsfreiheit angezweifelt.



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zung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 66 der Französischen Verfassung i. V. m. Art. 16 der Erklärung von 1789.818 Wenige Monate später wiederholte das Gericht diese Aspekte in der Entscheidung zur Auslandsfernmeldeaufklärung nach Art. L854-1 ff. CSI, ohne hierbei jedoch einen Bezug darauf zu nehmen, ob diese verbürgten Rechte auch für Ausländerinnen und Ausländer gelten.819 Dies liegt aber vor allem an dem Umstand, dass die Art. L854-1 ff. CSI lediglich dazu dienen sollen, die Überwachung mit nationalen Anknüpfungspunkten zu regeln. Die Frage des Schutzes von Nichtfranzösinnen und Nichtfranzosen im Ausland blieb damit generell außen vor. Der Conseil Constitutionnel erkannte jedoch die Geltung der Achtung der Privatsphäre im Bereich des Familienlebens für Ausländerinnen und Ausländer an, sofern ein nationaler Bezug zu Frankreich vorliegt.820 Da die Privatsphäre gerade nicht an die Nationalität und ein Bürgerrecht anknüpft, gilt auch für diese ein umfassender Schutz.821 cc) Rechtfertigungsmöglichkeiten der Beschränkungen des Privatsphärenschutzes durch nachrichtendienstliche Maßnahmen Die Bürger- und Menschenrechte unterliegen in Frankreich keiner uneingeschränkten Geltung, vielmehr kann der Bloc de constitutionnalité auch beschränkt werden.822 Sollte der Conseil Constitutionnel nicht bereits den 818  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 4 f. – Loi relative au renseignement. 819  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 2  ff. – Surveillance des communications électroniques internationales. Siehe ebenso Commentaire zur Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015 – Surveillance des communications électroniques internationales, S. 1 ff. Auch bereits in der Entscheidung zuvor bezog sich der Conseil Constitutionnel zumindest auf die Art. L854-1 ff. CSI und erklärte sie teilweise für verfassungswidrig. 820  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 12./13.08.1993, Rn. 106 f. – Maîtrise de l’immigration; Entscheidung Nr. 97-389 DC vom 22.04.1997, Rn. 44 – Diverses dispositions relatives à l’immigration; Entscheidung Nr. 2003-484 DC vom 20.11.2003, Rn. 11 – Maîtrise de l’immigration; Entscheidung Nr. 2013-347 QPC 11.10.2013, Rn. 7 – M Karamoko F. Liegen aber gerade im familiären Bereich Betrugssituationen vor, verliert die Person das Recht, sich auf die Privatsphäre zu berufen. Vgl. dazu Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2012-227 QPC vom 30.03.2012 – M Omar S. 821  Bei der Abstufung einzelner Rechte für Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und Ausländerinnen und Ausländern komme es bei der Interpretation verfassungsmäßig gewährter Rechte allerdings stark auf die Differenzierung zwischen Bürger- und Menschenrechten an. Siehe für den Zugang zu öffentlichen Ämtern Julien-Laferrière, Nature des droits attachés à la nationalité, in: CCC 2008, Vol. 23, S. 82 (82 ff.). 822  Siehe bspw. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  90-283 DC vom 08.01.1991, Rn. 14 – Lutte contre le tabagisme et l’alcoolisme: „La liberté d’entreprendre n’est ni générale ni absolue“.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Schutzbereich verengen, finden sich einzelne parallele Korrektive auf Rechtfertigungsseite.823 (1) D  ie gesetzliche Grundlage zur auslandsnachrichtendienstlichen T ­ ätigkeit und ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben Zunächst dürfen Einschränkungen grundsätzlich nur durch ein Gesetz erfolgen.824 Hierfür greift der Conseil Constitutionnel zuvörderst auf einen einfach und allgemein definierten Gesetzesvorbehalt zurück. Danach muss das beschränkende Gesetz – wie auch in der deutschen Rechtsordnung gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG – „allgemein“ sein und gewissen Bestimmtheitskriterien gerecht werden.825 Ebenfalls stellen die Bürger- und Menschenrechte in Frankreich eine Garantie dar, sodass die Legislative sie allemal beschränken, aber nicht (de facto) abschaffen kann.826 Hierfür enthält nach der ständigen Rechtsprechung des Conseil Constitutionnel jedes „Grundrecht“ einen Minimalschutzstandard, der durch den Gesetzgeber nicht unterschritten werden darf.827 Für die auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen des DGSE müssen die gesetzlichen Bestimmungen des CSI den vom Conseil Constitutionnel aufgestellten Kriterien entsprechen.828 Die Intention der Aus823  Siehe für einen einfachen Gesetzesvorbehalt in Frankreich Art. 11 Erklärung von 1789 oder Abs. 7 der Präambel von 1946. Qualifizierte Gesetzesvorbehalte finden sich in in Art. 4, 5 Erklärung von 1789. Diese ähneln der deutschen Grundrechtsdogmatik. So Favoreu, Les libertés protégés par le Conseil constitutionnel, in: Rousseau/Sudre, Conseil constitutionnel et Cour européenne des droits de l’homme, 1990, S.  41 ff.; Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (359 ff.), wobei letzterer meint, dass in der Rechtfertigung meist auf „lakonische Argumente“ zurückgegriffen werde. 824  Weil, Les techniques de protection des libertés publiques en droit francais, in: Université de Lausanne, Mélanges Marcel Bridel, 1968, S. 609 (622 ff.). 825  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 1 ff. – Loi relative au renseignement. Siehe zudem Art. 6 Erklärung von 1789. 826  Vgl. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 13.08.1993, Rn. 90 f. – Maîtrise de l’immigration. Es ist zudem möglich, dass einzelne Grundrechte einen speziellen Gesetzesvorbehalt normieren. Vgl. dazu etwa Art. I, V Erklärung von 1789. Siehe auch Eisenmann, La justice constitutionnelle el la Haute Cour constitutionnelle d’Autriche, 1928, S. 99. 827  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  86-210 DC vom 29.07.1986, Rn. 17 ff. – Réforme du régime juridique de la presse; Entscheidung Nr. 99-423 DC vom 13.01.2000, Rn. 2 ff. – Réduction négociée du temps de travail. Ebenso Eisenmann, La justice constitutionnelle el la Haute Cour constitutionnelle d’Autriche, 1928, S. 99. 828  Auch käme der Code de la défense in Betracht. Aufgrund dessen, dass dieser in Art. R1122-8 Abs. 2 für die spezifische Aufgabenwahrnehmung explizit auf den



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weitung der auslandsnachrichtendienstlichen Befugnisse 2015 war wegen der steigenden Zahl an terroristischen Anschlägen die individuellen Freiheiten, das französische Hoheitsgebiet und seine Staatsangehörigen effektiver vor deren Gefahren und Bedrohungen zu schützen.829 Diesem Schutz im Ausland kommt überwiegend die DGSE nach, welche unter die Services spécialisés de renseignement gefasst wird, die nach Art. L811-2 i. V. m. Art. L854-1 ff. CSI ihre nachrichtendienstliche Arbeit im Ausland zur Verhütung schwerster Gefahren für die Französische Nation ausüben dürfen.830 Die Ausweitung der Befugnisse zielte abstrakt auf eine Vielzahl von anwendbaren Fällen ab und ist, trotz ihrer überwiegenden Ausrichtung auf das Ausland, nicht auf eine genau bestimmbare Zahl an Personen beschränkt und wird somit der Voraussetzung der „Allgemeinheit“ nach Art. 6 der Erklärung von 1789 gerecht.831 Anders sah dies jedoch zunächst für den Wesensgehalt des Privatsphärenschutzes bei auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung aus. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es keine eindeutige und ausschließliche lokale Kompetenzverteilung der Nachrichtendienste. Dies macht die Regelung der Art. 854-1 ff. CSI noch bedeutender für den Bürger- und Menschenrechtsschutz, da diese genau bestimmt und ebenfalls mit Schutzvorkehrungen ausgestattet sein müssen. In seiner ursprünglichen Variante genügten die Regelungen nicht den verfassungsrechtlichen Ansprüchen, weil der Gesetzgeber weder die Bedingungen der Nutzung, Speicherung und Löschung der gewonnenen Daten aus dem Ausland regelte noch ausreichend Sicherungsmechanismen für die Bürger- und Menschenrechte im Sinne der Wesensgehaltsgarantie angegeben hat, die hierbei verletzt werden könnten.832 Die wenige Monate später folgende Nachbesserung des IV. Kapitels enthielt nunmehr explizit Normen für die Überwachungstätigkeit im Ausland, die einen ausreichenden Schutzmechanismen darstellen sollten.833 In der daran anschließenden verfassungsrechtlichen Überprüfung stand jedoch weiterhin der Hauptkritikpunkt an der Rechtsgrundlage der Neufassung des CSI in Rede, wonach CSI verweist, der in seinem Livre VIII den durch die Loi n° 2015-912 neu eingeführten Titel Du renseignement beinhaltet, werden die dortigen Regelungen im Fokus stehen. 829  Sénat, Loi relative au renseignement: Objet du texte, verfügbar unter: https:// www.senat.fr/dossier-legislatif/pjl14-424.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Diese Aufgabe ist der Regierung über Art. 20 f. Französische Verfassung übertragen. 830  Vgl. dazu Décret n° 2017-1095 du 14.07.2017. 831  Im Ergebnis bestätigt durch Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015722 DC vom 26.11.2015 – Surveillance des communications électroniques internationales. 832  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 78 f. – Loi relative au renseignement. 833  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 9 ff. – Surveillance des communications électroniques internationales.

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die in Art. L811-3 CSI aufgeführten Umstände,834 die ausreichen, um auslandsnachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, nicht den Bestimmtheitskriterien entsprächen.835 Die kaum greifbaren Varianten der „Intérêts majeurs de la politique étrangère“ (Nr. 1) oder der zahlreichen Präventionsmaßnahmen (Nr. 4–7) ließen nicht erkennen, welche Fälle noch ausgenommen schienen. Diese Auflistung hielt der Conseil Constitutionnel jedoch für verfassungskonform, da sie auf das Ziel, die öffentliche Ordnung zu wahren sowie schwerste Straftaten zu verhindern, ausreichend beschränkt seien und somit keine unbeschränkte Überwachung einer immensen Zahl von Personen erlaubten.836 Der Verfassungsrat sieht zwar auch, dass die sehr weit gezogenen Bereiche durchaus ein sehr umfangreiches Anwendungsfeld erlauben. Dieses bedürfe es in Bezug auf die präventive Verbrechensbekämpfung jedoch auch, da es für die Sicherheitsbehörden ein entscheidendes Mittel zur Verbrechensverhütung darstelle.837 Zudem führte der Conseil Constitutionnel aus, dass der besagte Privatsphärenschutz nicht ausgehöhlt werden dürfe und zumindest ein Minimalschutz gewährleistet sein müsse. Hierfür verlangte er gewisse Sicherungsmechanismen, die dem vorbeugen sollten. So müssten die Bestimmungen des Art. L811-3 i. V. m. Art. L801-1 CSI derart gelesen werden, dass alle Maßnahmen nur unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit erlaubt seien und diese wiederum von einer Nationalen Kontrollstelle überprüft wurden.838 Auch die neu hinzugefügten Sicherungsmechanismen sollten den Ansprüchen 834  Explizit sind das „L’indépendance nationale, l’intégrité du territoire et la défense nationale [Nr. 1]; Les intérêts majeurs de la politique étrangère, l’exécution des engagements européens et internationaux de la France et la prévention de toute forme d’ingérence étrangère [Nr. 2]; Les intérêts économiques, industriels et scientifiques majeurs de la France [Nr. 3]; La prévention du terrorisme [Nr. 4]; La prévention [Nr. 5]: Des atteintes à la forme républicaine des institutions [lit. a]; Des actions tendant au maintien ou à la reconstitution de groupements dissous en application de l’article L. 212-1 [lit. b]; Des violences collectives de nature à porter gravement atteinte à la paix publique [lit. c]; La prévention de la criminalité et de la délinquance organisées [Nr. 6]; La prévention de la prolifération des armes de destruction massive [Nr. 7].“ 835  So die Abgeordneten der Generalversammlung: Vgl. dafür Conseil Constitut­ ionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 1 ff. – Loi relative au renseignement. 836  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 10 – Surveillance des communications électroniques internationales. 837  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 7 ff. – Loi relative au renseignement. 838  Ebd. Siehe ferner Art. L801-1 CSI: „Le respect de la vie privée, dans toutes ses composantes, notamment le secret des correspondances, la protection des données personnelles et l’inviolabilité du domicile, est garanti par la loi. L’autorité publique ne peut y porter atteinte que dans les seuls cas de nécessité d’intérêt public prévus



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des Minimalschutzstandards bzw. einer Wesensgehaltsgarantie genügen. Umfassende Kontrollmöglichkeiten sowie die mittlerweile geltenden erhöhten Anforderungen des Art. L811-3 CSI, dass die nicht-individualisierbaren Daten nur im begrenzten Umfang zu automatisierten Vorgängen genutzt werden können, die zeitlich zusätzlich limitiert sind, feste Löschungsfristen839 sowie weitere Begrenzungen in Bezug auf das französische Territorium reichten dem Conseil Constitutionnel aus, um die Auslandsüberwachung über die Art.  L854-1 ff. CSI trotz der erhöhten Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt für verfassungskonform zu erklären.840 (2) V  erhältnismäßigkeitsgesichtspunkte: Der Konflikt des Ordre public und des Schutzes der Privatsphäre Das Verfassungsgericht, das anfangs jeden Eingriff für verfassungskonform erklärte, der mit dieser Wesensgehaltstheorie im Einklang stand, zieht mittlerweile allerdings auch Aspekte einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Rechtfertigungsebene heran.841 Im Gegensatz zu den vorbenannten Anforderungen stellen diese Verhältnismäßigkeitserwägungen jedoch nur eine relative Begrenzung zur Beschränkung der französischen Bürger- und Menschenrechte dar,842 obwohl der Bloc de constitutionnalité selbst Verfassungsrang aufweist.843 Wird also der Minimalschutzstandard dieser Rechte gepar la loi, dans les limites fixées par celle-ci et dans le respect du principe de proportionnalité.“ 839  Die Art. L854-5 i. V. m. Art. L822-2 CSI bestimmen die maximalen Zeitspannen, wie lange die gewonnenen Informationen gespeichert werden dürfen: 30 Tage für Daten, die aus Abhören von Telekommunikation stammt, 120 Tage für das Abfangen von elektronischen Daten und Bildern, 4 Jahre für das Speichern von Verbindungsdaten und 6 Jahre für verschlüsselte Daten (um diese zu entschlüsseln). Vgl. dazu Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 38 f. – Loi relative au renseignement. 840  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 12 f. – Surveillance des communications électroniques internationales. 841  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2000-423 DC vom 27.07.2000, Rn. 24 ff. – Réduction négociée du temps de travail; Entscheidung Nr. 2000-439 DC vom 16.01.2001, Rn. 14 ff. – L’archéologie préventive. 842  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  90-283 DC vom 08.01.1991, Rn. 14 – Lutte contre le tabagisme et l’alcoolisme; Entscheidung Nr. 93-325 DC vom 13.08.1993, Rn. 2, 58 – Maîtrise de l’immigration. Generell dazu Philippe, Le côntrole de proportionnalité dans les jurisprudences constitutionnelle, 1991. 843  So u.  a. in Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2008-562 DC vom 21.02.2008, Rn. 6 ff. – Rétention de sûreté; Entscheidung Nr. 2010-3 QPC vom 28.05.2010, Rn. 6 ff. – Union des familles en Europe; Entscheidung Nr. 2010-71 QPC vom 26.11.2010, Rn. 16, 28 – Hospitalisation sans consentement. Das Gericht hält jedoch nicht – wie in Deutschland – die strikte Reihenfolge der Verhältnismäßigkeits-

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wahrt, können andere überwiegende Werte mit Verfassungsrang auch alle Bürger- und Menschenrechte beschränken. Der Conseil Constitutionnel differenziert in seiner Abwägung hierfür aber zwischen fundamentalen Rechten (die Meinungs-, Presse-, Vereinigungsfreiheit, Freizügigkeit und das Asylrecht), die nur unter ganz engen und bedeutenden Voraussetzungen eingeschränkt werden dürfen, und sonstigen Bürger- und Menschenrechten, die nicht diesen erhöhten Beschränkungskriterien unterliegen.844 Letztere können daher bereits im Wege des allgemeinen Interesses (Fins d’intérêt général) beschränkt werden.845 Hierunter fallen vor allem Erwägungen des Gesetzgebers zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Ordre public), welche ebenfalls als Objectifs de valeur constitutionnelle Verfassungsrang haben.846 Zulässig wäre eine Beschränkung, wenn sie erforderlich ist und ein angemessener Ausgleich zwischen den tangierten Bürger- und Menschenrechten mit dem zu schützend intentionierten Objectifs valeur constitutionnelle vorgenommen wurde.847 Der Conseil Constitutionnel agiert im Bereich der nationalen Sicherheitsarchitektur allerdings immens zurückhaltend, da er nicht als prüfung ein oder wendet sie konsequent an. Dies liegt daran, dass man diese intensivere Prüfung abhängig von den jeweiligen Grundrechten und deren Eingriffsqualität macht. Vgl. dazu auch Hochmann, Grundrechte, in: Marsch/Vilain/Wendel, Französisches und Deutsches Verfassungsrecht, 2015, S. 323 (366). 844  So Classen, Verfassungsrecht der V. Republik – Grundrechte, in: Sonnenberger/Classen, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl. 2012, S. 74 (76). 845  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 79-107 DC vom 12.07.1979, Rn. 4 – Ouvrages reliant les voies nationales ou départementales; Entscheidung Nr. 93-335 DC vom 21.01.1994, Rn. 4 ff. – Dispositions en matière d’urbanisme et de construction. Nach sozialdemokratischer Interpretation, welche sich in der Verfassungsrechtsprechung durchgesetzt hat, soll eine größtmögliche Freiheit für alle gewährleistet werden, indem man in die Abwägung stets gleichermaßen die Rechte anderer mit einbezieht und versucht diese miteinander abzuwägen, was im deutschen Verständnis einer praktischen Konkordanz ähnelt. Den liberalen Auffassungen, die die Verwirk­ lichung der größtmöglichen Freiheit der Bürger- und Menschenrechte dadurch gewährleistet sehen, dass im Wege der Abwägung zum Schutze des Einzelnen andere ihre verfassungsrechtlichen Verbürgungen wiederum gar nicht ausüben könnten, wird dabei nicht mehr gefolgt. Vgl. zum Streitstand Gusy, Grundrechtsbindung Privater, in: Masing/Jestaedt/Capitant/Le Divellec, Strukturfragen des Grundrechtsschutzes in Europa, 2015, S. 93 (98); Engel, Freiheit und Autonomie, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. 2, 2006, S. 389 (389). 846  Ständige Rechtsprechung seit Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 82141 DC vom 27.07.1982, Rn. 5 – Loi sur la communication audiovisuelle. Zudem meint Agnès Roblot-Troizier, dass diese lediglich für die nicht-fundamentalen Rechte herangezogen werden können, dies., Réflexions sur la constitutionnalité par renvoi, in: CCC 2007, Vol. 22, S. 198 (198 ff.). Ferner Pactet/Mélin-Soucramanien, Droit constitutionnel, 23. Aufl. 2004, S. 543. 847  Vgl. dazu Art. IV Abs. 2 Erklärung von 1789: „Ainsi, l’exercice des droits naturels de chaque homme n’a de bornes que celles qui assurent aux autres membres de la société la jouissance de ces mêmes droits.“



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politischer Gegenspieler des Parlaments auftreten will und tendenziell der Legislative einen weiten Ermessensspielraum zur Verwirklichung des Verfassungswertes des Ordre public einräumt.848 Deswegen prüft das Gericht auf Abwägungsebene fast ausschließlich, ob eine ausreichende Kontrolle zur Sicherung der Mindestschutzstandards normiert und die jeweiligen staatlichen Eingriffe beschränkt sind.849 Bei auslandsnachrichtendienstlichen Maßnahmen steht zuvörderst das Recht auf Privatsphäre in Rede. Dieses weist jedoch nach dem Conseil Constitutionnel keinen fundamentalen Charakter auf, was allein schon an seiner eher rudimentär verschriftlichen Verankerung deutlich wird.850 Demgegenüber steht auch hier der Ordre public, der seit 2015 mit dem Loi relative au renseignement im Bereich der auslandsnachrichtendienstlichen Sicherheits­ architektur ausgebaut wurde. Der Grund hierfür war, dass die schweren Anschläge in Paris vom November 2015 zeigten, dass die französischen Nachrichtendienste trotz ihres bereits damals bestehenden großen Maßnahmenpools weder etwas über die bevorstehenden Taten noch über die Täterinnen und Täter wussten. Die weiteren Anschläge in Frankreich bestätigten, dass man noch effektivere Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen benötigte, um diesen Gefahren besser begegnen zu können. Angesichts dessen hielt man den Ausbau der auslandsnachrichtendienstlichen Befugnisse zum Schutz und Aufrechterhaltung der staatlichen Sicherheit und Ordnung für erforderlich.851 Dies bestätigte der Conseil Constitutionnel für die Auslandsfern­ meldeaufklärung.852 Ebenfalls beschränkte man diese Maßnahmen nach Art. L811-3 CSI auf die „Prévention du terrorisme“ und den Schutz der 848  Mazeaud, La constitutionnalisation du droit au respect de la vie privée, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 5 (12 ff.). 849  So bspw. Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 4  ff. – Vidéosurveillance; Entscheidung Nr. 2011-202 QPC vom 02.12.2011, Rn. 10 ff. – Mme Lucienne Q.; Entscheidung Nr. 420/421 QPC vom 09.10.2014, Rn. 24 – M Maurice L. 850  Vgl. für die leichtere Einschränkung der Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 76 ff. – Loi relative au renseignement. So auch Mazeaud, La constitutionnalisation du droit au respect de la vie privée, in: NCCC 2015, Vol. 48, S. 5 (12 ff.). 851  Siehe auch Sénat, Loi relative au renseignement: Objet du texte, verfügbar unter: https://www.senat.fr/dossier-legislatif/pjl14-424.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 852  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 11, 13 ff. – Surveillance des communications électroniques internationales. Dennoch dürfen sie nicht zur Strafverfolgung, sondern nur zur präventiven Sicherung des Staates eingesetzt werden, um die abschließend geregelten Ziele des Art. L811-3 CSI nachzukommen. Ebd., Rn. 10 f. Zuvor zumindest trotz teilweiser Verfassungswidrigkeit auch Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 76 ff. – Loi relative au renseignement.

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„L’indépendance nationale, l’intégrité du territoire et la défense nationale“. Diese Teilaspekte des Ordre public ordnete der Conseil Constitutionnel bereits in der Entscheidung zur Vidéosurveillance unter die Werte von Verfassungsrang und betonte die Bedeutung von effektiven Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung.853 Aus Abwägungsgesichtspunkten kennt diese Bedeutung effektiver Verbrechensbekämpfung aber auch deutliche Grenzen hinsichtlich des Rechts auf Privatsphäre. In seiner Entscheidung zur Erfassung biometrischer Daten bei Identitäts- und Reisedokumenten führte das Gericht aus, dass eine umfassende Datensammlung von allen Staatsangehörigen nicht nur besonders empfindlich sei, sondern nicht mit der Verfassung im Einklang stehe.854 Selbiges gilt für den Bereich staatlicher Überwachungsmaßnahmen im ­Inland, sofern die hierfür geschaffenen Normen einen zu weiten und unbestimmten Personenkreis betreffen und diese nur vermeintlich ohne gesicherte Erkenntnisse in Verbindung mit einem Terroristen stehen.855 Zusätzlich wies er darauf hin, dass solche Daten nur für die im Gesetz bezeich­ neten Zwecke erhoben werden dürften und selbst in ihrem Anwendungs­ umfang eine Abwägung der gegenüberstehenden Werte von Verfassungsrang gegeben sein müssten.856 Er erkennt zwar an, dass in Bezug auf die nachrichtendienst­ lichen Tätigkeiten wegen der Heimlichkeit der Eingriffe eine erhöhte Intensität bei der Entscheidungsbegründung im Wege verhältnismäßiger Gesichtspunkte mit berücksichtigt werden müsse, lässt aber überwiegende Gründe des Allgemeininteresses als Rechtfertigung für die Verarbeitung personenbezogener Daten und die Echtzeitüberwachung aus853  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  94-352 DC vom 18.01.1995, Rn. 3 ff. – Vidéosurveillance. Siehe ferner Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 6 ff. – Loi relative au renseignement; Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 9 ff. – Surveillance des communications électroniques internationales. 854  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2012-652 DC vom 22.03.2012, Rn. 7 ff. – La protection de l’identité. Bereits angelegt in Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2004-499 DC vom 29.07.2004, Rn. 12 – Protection des données personnelles. Ebenso wurden an die Hausdurchsuchungen strenge Maßstäbe angesetzt, wonach es hierfür einer richterlichen Anordnung und einen engen zeitlichen Zusammenhang mit einer bevorstehenden (zumeist terroristischen) Tat bedarf. Vgl. dafür Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 96-377 DC vom 16.07.1996, Rn. 18 – Répression du terrorisme. 855  So Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2017-648 QPC von 04.08.2017, Rn. 11 – La Quadrature du Net et autres. Der Art. L851-2 CSI wurde dabei im Vergleich zum Loi 2015 um weitere Personen, die vermeintlich in Verbindung zu einer terroristischen Person oder Organisation stehen, erweitert. 856  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2012-652 DC vom 22.03.2012, Rn. 8 ff. – La protection de l’identité; Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 56 – Loi relative au renseignement.



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reichen.857 Das ist auch der Grund, dass es kaum Entscheidungen in diesem Themenbereich gibt, in denen der Ordre public es nicht vermochte, Einschränkungen der Kommunikationsfreiheit oder des Schutzes der persönlichen Daten zu rechtfertigen.858 Dies bestätigen ebenso die Entscheidungen des Conseil Constitutionnel hinsichtlich der neuen Regelungen zur Überwachungsarchitektur, die überwiegend Verhältnismäßigkeitserwägungen des Conseil Constitutionnel standhielten. Zwar erachtete er den ersten Entwurf des Loi relative au renseignement zur Auslandsaufklärung teilweise für verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber weder die Verarbeitung der gewonnenen Daten regelte, noch Schutzmechanismen für die Bürger- und Menschenrechte vorsah, die hierbei verletzt werden könnten.859 Die Neufassung der Art. L854-1 ff. CSI, welche diese Defizite nachbesserte und Regelungen zur internationalen elektronischen Überwachung einführte, erachtete der Conseil Constitutionnel (mittlerweile) als vollends verfassungskonform. Er kam zu dem Schluss, dass die nationalen Sicherheitsinteressen den Eingriffen in die Privatsphäre überwiegen würden.860 Zur Begründung verwies er ferner darauf, dass keine umfassende Datensammlung erfolge, weil nicht zwangsläufig auf Kommunikationsinhalte zugegriffen werde und die Inhalte, die Nachrichtendienste von Social Media und anderen Internetprogrammanbietern bekämen, ohnehin von den betroffenen Personen der Öffentlichkeit frei zur Verfügung gestellt würden.861 Sollte hingegen doch auf Inhalte zugegriffen werden, was der Gesetzgeber in seinen Befugnisnormen klar definieren müsse,862 gebe es genügend eng gefasste Voraussetzungen, die eine umfassende Überwachung ausschlössen. Auch bestünde kein per-

857  Siehe Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2012-652 DC vom 22.03.2012, Rn. 8 – La protection de l’identité. Das bestätigend: Cour de Cassation, 1re civ., Entscheidung vom 16.05.2006, Légipresse n° 235, 2006, Vol. I, S. 171; Cour d’appel Paris, 1re ch. A, Entscheidung vom 05.07.1993, Légipresse n° 105, 1993, Vol. I, S.  121 f. 858  So Lebreton, Libertés publiques et droits de l’homme, 2008, S. 313 Siehe für eine der wenigen Ausnahmen: Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 80 ff. – Loi relative au renseignement. 859  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 78 f. – Loi relative au renseignement. 860  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 15 ff. – Surveillance des communications électroniques internationales. Vor allem kamen neben klareren Eingriffsbefugnissen und Löschungsfristen vor allem auch die Kontrolle durch den CNCTR hinzu. 861  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 55 – Loi relative au renseignement. 862  Ebd., Rn.  55 ff.

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manenter Zugriff auf diese Dateien, weil feste Löschungsfristen bestünden.863 Des Weiteren implizierte der Conseil Constitutionnel in beiden Entscheidungen, dass auch für die Fernmeldeaufklärung im Ausland verfassungsrechtliche Gewährleistungen gelten können. Er führte allerdings genauso aus, dass nicht die identischen Regelungen und Maßstäbe für die Überwachungsmaßnahmen im Ausland heranzuziehen seien. Vielmehr duldete das Gericht die Schlechterstellung von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland.864 In vorherigen Entscheidungen machte das Gericht zwar ebenfalls deutlich, dass verfassungsmäßige Rechte von diesen Personengruppen keineswegs absolut seien – vor allem nicht im Verhältnis zu französischen Staatsangehörigen.865 Gerade die Andersbehandlung von Ausländerinnen und Ausländern zu Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern kann im Hinblick auf den Ordre public und wegen der Relativität des Gleichheitsgrundsatzes gerechtfertigt sein.866 Allerdings überraschte die Entscheidung zur Auslandsfernmeldeaufklärung auch deswegen, weil in anderen Entscheidungen der Conseil Constitutionnel den bürger- und menschenrechtlichen Gewährleistungen, die dem Menschsein innewohnen, auch gegenüber dem Ordre public eine bedeutende Stellung einräumte867 und für derartige Rechtfertigung erhöhte Maßstäbe forderte, wonach diese auf schlicht objektiven Kriterien beruhen müssten und einer besonderen Begründung bedürften.868 Diese Aspekte blieben in den Entscheidungen zur Auslandsfernmeldeaufklärung jedoch außen vor.

863  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 56 – Loi relative au renseignement. Es ist jedoch anzumerken, dass diese Fristen gem. Art. L821-4 CSI erneuert werden können. 864  Vielmehr hat der Gesetzgeber hierfür nur ein abgestuftes System eingeführt, im welchen die Überwachungsmittel lediglich geringeren Einschränkungen unterliegen. So Commentaire zur Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015 – Surveillance des communications électroniques internationales, S. 7. 865  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  93-325 DC vom 13.08.1993, Rn. 46 – Maîtrise de l’immigration. 866  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2016-580 QPC vom 05.10.2016, Rn. 2 f., 7 ff. – M Nabil F. Siehe auch Favoreu, Les décisions du Conseil constitutionnel dans l’affaire des nationalisations, in: RDP 1982, S. 377 (377 ff.); Julien-Laferrière, Nature des droits attachés à la nationalité, in: Cahiers du Conseil constitutionnel (CCC) 2008, Vol. 23, S. 82 (82 ff.). 867  So Vandendriessche, Le droit des Étrangers, 5. Aufl. 2012, S. 11, der hierfür als Beispiel den Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 86-216 DC vom 03.09.1986 – Conditions d’entrée et de séjour des étrangers en France bennent. Siehe auch Kugelmann, Wirtschaftliche und soziale Grundrechte in Frankreich, in: Grewe/Gusy, Französisches Staatsdenken, 2002, S. 238. 868  Schwartz, Constitution et nationalité, in: NCCC 2013, Vol. 39, S. 43 (44 ff.).



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz255

e) Rechtliche Würdigung – ein Zwischenergebnis für Frankreich Positiv hervorzuheben ist, dass seit 2015 auch in Frankreich – als einer der letzten westlichen Staaten – eine gesetzliche Grundlage für die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit und eine Kontrollstelle hierfür existiert. Hingegen war Frankreich die erste Nation, die ihre neuen Nachrichtendienstgesetze verfassungsgerichtlich überprüfen ließ. Im Zuge dessen wurden Eingriffsbefugnisse zur Verarbeitung gewonnener Daten sowie Löschungsfristen eingeführt, Mandatsträgerinnen und Mandatsträger i. S. d. Art. L821-7 CSI von individuellen Überwachungen ausgenommen869 und die internationale Kommunikation der Kontrolle des CNCTR unterstellt.870 Ferner wurde der Anwendungsbereich nach Art. L854-1, L854-2 CSI genauer bestimmt und die einzelnen rechtfertigenden Aspekte des Ordre public hierin verankert.871 Auch wenn diese Entscheidung in vielerlei Hinsicht die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung beschränkt hat, ging sie vielen Kritikerinnen und Kritikern nicht weit genug.872 Vor allem nach der EGMR-Entscheidung 869  So

Art. L854-3 CSI. Art. L854-9 CSI. 871  Der Conseil Constitutionnel führt aus, dass die Mittel zur auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung sich eng an den erlaubten Methoden des Art. L811-3 CSI orientieren müssen, weswegen sie nur im Interesse der Wahrung der fundamentalen Werte der Nation gesammelt und verarbeitet werden dürfen. Die aufgestellten Fallgruppen in Art. L811-3 CSI blieben unbeanstandet. Siehe Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 11 ff. – Surveillance des communications électroniques internationales. 872  Die Generalversammlung brachte einerseits vor, dass die Bezeichnung der zu sammelnden Verbindungsdaten zu ungenau sei und es gerade angesichts der Bedeutung dieser Daten um tiefe Menschenrechtseingriffe handele. Siehe Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 54 – Loi relative au renseignement. Vgl. generell zu Kritik an der Entscheidung Bonnet/Roblot-Troizier, Chronique de droits fondamentaux et libertés publiques, in: NCCC 2016, Vol. 50, S.  85 (90 ff.); Desaulnay/Ollard, Le renseignement français n’est plus hors-la-loi, in: DP 2015, Vol. 9, S. 6 (6 ff.); Verpeaux, La loi sur le renseignement, entre sécurité et libertés, in: JCPG 2015, Vol. 38, S. 1639 (1639 ff.); Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32); Mothes, La Déontologie EstElle Envisageable pour les Services de Renseignement?, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 37 (38); Tréguer, French Constitutional Council Strikes Down „Blank Check“ Provision in the 2015 Intelligence Act, in: VerfBlog vom 26.10.2016, verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.17176/20161027-101951; Jean-Jacques Hyest, ehemaliges Regierungsmitglied und Vorsitzender des Verfassungsausschusses im Sénat, welchem der Blankocheck zur Überwachung zu weit gehe, zitiert in: Follorou, ­Comment la DGSE a pu espionner des Français, in: Le Monde vom 13.04.2016, verfügbar unter: https://www.lemonde.fr/societe/article/2016/04/13/comment-la-dgsea-pu-espionner-des-francais_4901155_3224.html. Ferner Jean-Jacques Urvoas, Rapporteur des Nachrichtendienstgesetzes aus 2015, welcher die Ausnahme des Art. 20 als „zone grise“ bezeichnete, zitiert in: Kallenborn, La DGSE exploite un article de 870  Vgl.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

zu Big Brother Watch v. Vereinigtes Königreich muss man konstatieren, dass die anlasslosen Massenüberwachungsmöglichkeiten aus dem CSI hätten gestrichen werden müssen.873 Dieses Ausmaß an Überwachungsmöglichkeiten hat über die Erlaubnis des Premier Ministre zur Wahrung der fundamentalen Werte der Republik im Ausland einen unbeschränkten Anwendungsbereich. So können Personen beobachtet werden, die in keiner Weise in Verbindung zu terroristischen Taten oder Täterinnen bzw. Tätern stehen.874 Die bis dato existierende Jurisprudenz, dass Überwachungen lediglich gegen bestimmte Individuen zu richten seien und nicht gegen einen unbestimmten Personenkreis, ist mit der Novellierung aufgegeben worden. Nunmehr können ganze Personengruppen überwacht werden, was erhebliche Zweifel an der Bestimmtheit diesen Normen hervorruft.875 Dass dies im Wege des Ordre Public zu rechtfertigen ist, scheint durchaus fragwürdig zu sein.876 loi pour aspirer légalement nos métadonnées, in: 01net vom 28.08.2013, verfügbar unter: https://www.01net.com/actualites/la-dgse-exploite-un-article-de-loi-pouraspirer-toutes-nos-metadonnees-601918.html (alle zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Siehe bereits früher kritisch zu einem unzureichenden Privatsphärenschutz BurgorgueLarsen, L’appréhension constitutionnelle de la vie privée en Europe, in: Sudre, Le droit au respect de la vie privée, 2005, S. 69 (111). Siehe zur Kritik an den französischen Diensten generell Roussin, Le gendarme de Chirac, 2006, S. 112, welcher vertritt, dass die Dienste nach dem Credo „ad augusta per angusta“ handeln – der Zweck heiligt die Mittel. 873  Siehe Art L854-2 Abs. 2, L854-3 Abs. 4 CSI. Solche hielt der EGMR in Bezug auf das britische Überwachungssystem, das ähnliche Maßnahmen vorsah, für konventionsrechtswidrig: EGMR, Entscheidung Nr.  58170/13 et al. vom 12.09.2018, Rn.  490 ff.  – Big Brother Watch and Others v. Vereinigtes Königreich. 874  Dies stelle nach Félix Tréguer einen Blankoschein zur umfassenden Überwachung dar. Ders., French Constitutional Council Strikes Down „Blank Check“ Provision in the 2015 Intelligence Act, in: VerfBlog vom 26.10.2016, verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.17176/20161027-101951 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ähnliches Prinzip existierte auch schon vorher. Mit Art. 20 des Loi relative au secret des correspondances émises par la voie des communications électroniques (Loi n° 91-646 vom 10.07.1991) konnte auch hier ohne große Begründung ein Antrag zur Verteidigung der nationalen Sicherheit für nachrichtendienstliche Überwachungen von höchster Stelle angefordert werden. Danach unterlagen alle Kommunikationen, die satelittenbasiert waren, gar keiner Kontrolle. So der ehemalige Berater des Verteidigungsministeriums Pierre Joxe, zitiert in: Jauvert, Le DGSE écoute le monde (et les Français) depuis plus de trente ans, in: L’Obs vom 04.07.2013, verfügbar unter: http://globe.blogs.nouvelobs.com/archive/2013/07/04/comment-la-france-ecoute-lemonde.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Selbige Passage wurde auch in Art. L811-5 CSI übernommen, jedoch vom Conseil Constitutionnel gekippt, ohne jedoch die anlasslose Massenüberwachung der Auslandsfernmeldeaufklärung zu beanstanden. 875  Umfassend dazu Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32), der die Regelung zur Massenüberwachung ebenfalls als zu unbestimmt einordnet.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz257

Demgegenüber zeigt die derzeitige Praxis in Frankreich, dass in nur wenigen Fällen die Bürger- und Menschenrechte nicht dem Ordre public weichen mussten. Das steht wiederum im Kontrast zu den universellen Ursprüngen der Erklärung von 1789 und negiert aus systematischer Perspektive den Wortlaut des Art. 2 S. 2 der Erklärung von 1789, der die Freiheitsrechte generell vor der Sicherheit ansiedelt und eine andere Wertigkeit intendiert.877 Darüber hinaus kann die Argumentation des Conseil Constitutionnel nicht überzeugen, dass Inhalte, die die Nachrichtendienste von sozialen Medien und anderen Internetprogrammanbietern bekämen, freiwillig von der betroffenen Person der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt würden.878 Er nimmt damit eine generelle Zustimmung einzelner Internetnutzerinnen und Internetnutzer an, die damit einverstanden sein müssten, dass alle im Internet kursierenden Daten, die nicht einmal jemand selbst über sich hinterlassen haben muss, den Nachrichtendiensten zur freien Verfügung stehen. Dies negiert nicht nur die Möglichkeiten der Nachrichtendienste, dass sowohl offene und verborgene Daten kombiniert und damit potenziell ebenfalls in Frankreich neue Bürger- und Menschenrechtsverletzungen gegeben sein können, als auch Serviceprovider verpflichtet werden dürfen – ohne Kenntnis der Betroffenen – sog. „Hintertüren“ in deren Systeme einzubauen.879 Darüber hinaus werden solche Daten verarbeitet, die in sozialen Netzwerken zugangsbeschränkt hochgeladen werden. Des Weiteren sprechen die weltweite Empörung und die vielen Klagen gegen die derzeitige Überwachungsarchitektur. Außen vor bleibt überdies, inwieweit ein Schutz vor automatisierten Verarbeitungen personenbezogener Daten gewährleistet wird. Personenbezogene 876  So auch Jacquin, Libertés surveillées, in: Le Monde vom 08.06.2017, verfügbar unter: http://www.lemonde.fr/libertes-surveillees/article/2017/06/08/l-integralitedu-projet-de-loi-du-gouvernement-pour-banaliser-les-mesures-de-l-etat-d-urgence_ 5140602_5109455.html, welcher von einer Verharmlosung des Ordre public für die Freiheitsrechte spricht. Ebenso keinen ausreichenden Schutz der Privatsphäre in der Gesetzesnovelle erkennend Sales, Gutachten für die Paris Bar Association zum Loi relative au renseingnement, verfügbar unter: http://insct.syr.edu/wp-content/uploads/ 2015/07/Sales_France_surveillance_legislation_an-alysis_0715.pdf (alles zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 877  Vgl. Art. 2: „Le but de toute association politique est la conservation des droits naturels et imprescriptibles de l’homme. Ces droits sont la liberté, la propriété, la sûreté et la résistance à l’oppression.“ 878  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 55 – Loi relative au renseignement. 879  Siehe dazu auch Sales, French Surveillance Law Compared to US Surveillance Law, in: Just Security vom 31.07.2015, verfügbar unter: https://www.justsecurity. org/25143/snapshot-french-surveillance-law-compared-surveillance-law/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Daten dürfen nach den Art. 6 ff. Loi n° 78-17 du 6 janvier 1978 nur verarbeitet werden, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist und nur für den erhobenen Zweck benutzt und nicht ohne Einwilligung verarbeitet werden. Ebenfalls ist kritisch festzuhalten, dass die Art. 854-1 ff. CSI nur die Fälle behandeln, in denen die Kommunikation vom Inland in das Ausland gesendet oder vom Ausland in Frankreich empfangen wurde.880 Die reine AuslandAusland-Kommunikation bleibt gänzlich ungeregelt. Bezüge zu EU-Einrichtungen, Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern oder zur Rechtsprechung des EGMR fehlen ebenso, obwohl gerade bei letzterem die Ausübung von ­Hoheitsgewalt auch außerhalb des Territoriums die Verpflichtungen der Konvention auslösen.881 Zwar akzeptierte der Conseil Constitutionnel im­ plizit die Geltung der französischen Bürger- und Menschenrechte außerhalb französischen Territoriums, zog jedoch als Anknüpfungspunkt hierfür lediglich heran, ob die Kommunikation einen nationalen Bezug besaß, und ließ die hoheitliche Eingriffshandlung der Überwachung als staatlichen Anknüpfungspunkt hoheitlichen Handelns gänzlich außer Betracht.882 Dennoch ist zu konstatieren, dass der Conseil Constitutionnel im Rahmen der Rechtfertigung die aufgestellten Grundsätze des EGMR beachtet,883 der den Ordre public stets als legitime Einschränkung – auch im Bereich des Art. 8 Abs. 2 EMRK – heranzieht.884 Diese sind jedoch nicht besonders hoch, da der EGMR die genaue Ausgestaltung und Wertigkeit des Begriffs des Ordre public den einzelnen Mitgliedstaaten überlässt. Der EGMR hat aber in seiner jüngsten Entscheidung zu Big Brother Watch v. Vereinigtes Königreich angedeutet, dass zu weitgehende Überwachungsmaßnahmen nicht

880  Siehe auch Commentaire, Décisions nos 2015-713 DC & 2015-714 DC vom 23.07.2015 (Loi relative au renseignement), S. 34. Ebenso unanwendbar sind die Normen, wenn für die Kommunikation französische Telekommunikationsdienstleister benutzt werden. Vgl. dazu Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2015-722 DC vom 26.11.2015, Rn. 5 ff. – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales. 881  Siehe dazu bereits Abschnitt C.II.1.b)dd). So auch für Frankreich Combacau/ Sur, Droit International Public, 8. Aufl. 2008, S. 356 ff., welche die sog. „Doctrine des effets“ vertreten, wonach ein bloßer Effekt auf die Betroffenen durch staatliches Handeln als Anknüpfungspunkt ausreichend sei. 882  Vgl. dazu auch Commentaire zur Entscheidung Nr.  2015-722 DC vom 26.11.2015 – Surveillance des communications électroniques internationales, S. 2 ff. 883  Siehe auch CC, 18.01.1995. dec no 94-352 DC, Rec. CC, S. 170, Vidéosurveillance; 09.11.1999, dec no 99-419 DC – PaCS. 884  Vgl. EGMR, Entscheidung Nr. 44647/98 vom 28.01.2003, Rn. 68 ff. – Peck v. Vereinigtes Königreich; Entscheidung Nr. 62332/00 vom 06.06.2006, Rn. 74 ff. – Segerstedt-Wiberg and Others. v. Schweden.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz259

mehr zu rechtfertigen seien.885 Ob dies auch für den auslandsnachrichtendienstlichen Bereich und vor allem für die reine Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung zutrifft, welche Bedingungen der EGMR bei extraterritorialen Überwachungssachverhalten aufstellt und wie der Conseil Constitutionnel hierauf reagiert, bleibt abzuwarten. 2. Verfassungsrechtlicher Privatsphärenschutz in den USA und auslandsnachrichtendienstliche Überwachung US-amerikanischer Dienste Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und nachdem sich die nationale Krise in dem losen Staatenverbund zuspitzte, folgte 1787 eine kleine Gruppe von Delegierten aus zwölf der dreizehn Staaten auf dem Gebiet der USA dem Aufruf von Alexander Hamilton, in Annapolis einen Verfassungskonvent abzuhalten.886 Den ersten Entwurf einer Verfassung legte James Madison vor.887 Dieser Entwurf war nicht nur von der europäischen Aufklärung und den universalistischen Gedanken von John Locke, David Hume, Montesquieu oder Jean-Jacques Rousseau beeinflusst, sondern er sollte vor allem mit verbindlichen Bürgerrechten die korrupte und autoritäre staatliche Führung beenden.888 Der erste verabschiedete Verfassungsentwurf889 sah – mit Ausnahme grundrechtlicher Züge in den Art. 1 und Art. 3 885  Siehe Art L854-2 Abs. 2, L854-3 Abs. 4 CSI. Solche hielt der EGMR in Bezug auf das britische Überwachungssystem, das ähnliche Maßnahmen vorsah, für konventionsrechtswidrig: EGMR, Entscheidung Nr.  58170/13 et al. vom 12.09.2018, Rn.  490 ff.  – Big Brother Watch and Others v. Vereinigtes Königreich. 886  Critchlow, American Political History, 2015, S. 12. Lediglich Rhode Island nahm nicht an dem Kongress teil. 887  Siehe hierzu Madison, Notes of the Virginia Convention, Manuscript, 1776, verfügbar unter: https://www.loc.gov/exhibits/creating-the-united-states/Declaration ofIndependence/BattleJoined/Assets/us0033_ 02p01_enlarge.jpg (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 888  Der Entwurf adressierte daher vor allem die Interessen der Minderheiten. Siehe dafür Kriele, Zur Geschichte der Grund- und Menschenrechte, in: Achterberg, FS Scupin, 1973, S. 187 (188 ff.); Critchlow, American Political History, 2015, S. 7; Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 84. EL 2018, Rn. 4. 889  Nach langem Disput um die Ratifizierung des Verfassungsentwurfs, in welchem Alexander Hamilton und James Madison in 85 Zeitungsartikeln diesen gegen zahlreiche Kritikerinnen und Kritiker verteidigten, kam es schließlich ein Jahr später zum Inkrafttreten der ältesten Verfassung der Welt, die auch heute noch gilt. So Blaustein, Constitutions of the World, 1993, S. 15. Die älteste Verfassung generell stammt nach Recherchen der UNESCO aus Mali, wo bereits im 13. Jahrhundert die MandeCharta existierte, aber lediglich mündlich überliefert wurde. So UNESCO, Decision of the Intergovernmental Committee, UN Doc. 4.Com 13.59 (2009).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

der Verfassung von 1787890 – ursprünglich aber keine individuellen Rechte vor. Dennoch wurde dieser verabschiedet, da die Verfassungsväter zunächst die horizontale und vertikale Gewaltenteilung als ausreichend für einen umfassenden Schutz der Bürgerinnen und Bürger ansahen und die Ausgestaltung individueller Rechte den Bundesstaaten überließen.891 Wegen der Befürchtungen, dass die neue Verfassung der Exekutive auf übergeordneter Ebene zu viel Macht einräumen könnte,892 wurde wenige Jahre später mit der Bill of Rights ein zusätzliches Instrument geschaffen, um diese Machtposition verfassungsrechtlich zu beschränken.893 Hierfür sollte die Bill of Rights im Jahre 1791 um zehn Anhänge zur Verfassung (Amendments) und zahlreiche individuelle Freiheiten (Civil liberties) erweitert werden, die konstitutionellen Rang bekamen.894 Obgleich die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen 890  Hierin wurden das Umgehungs- und Rückwirkungsverbot im strafrechtlichen Bereich sowie ein Haftprüfungsanspruch und ein Recht auf Verhandlung vor einem Geschworenengericht normiert. 891  So auch Hamilton, Federalist Article No. 84, in: Rossiter, The Federalist Papers 1999, S.  478 ff. 892  Einer der mächtigsten Vertreter der hierfür tätigen anti-föderalistischen Bewegung war Richard Lee, welcher „essential rights of mankind without which liberty cannot exist“ forderte, zitiert in: National Archives of the United States of America, Constitution of the United States – A History, verfügbar unter: https://www.archives. gov/founding-docs/more-perfect-union (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 893  So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 44 f.; Johnson, Vereinigte Staaten von Amerika, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 885 (892); Critchlow, American Political History, 2015, S. 15 ff. Ebenso sollte die bereits 1776 verabschiedete Virginia Bill of Rights immensen Einfluss auf die französischen Menschenrechte haben. Einhellig dazu auch Georg Jellinek, welcher den Ursprung der Menschenrechte nicht in der französischen Revolution, sondern in der Geschichte Amerikas sah: ders., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 3. Aufl. 1919. Anders bewertete dies Emile Boutmy, welcher Frankreich als das Ursprungsland der Menschenrechte ausmachte. Ebenfalls stellte der Delegierte Roger Mason aus Virginia, die bereits 1776 eine eigene Bill of Rights hatten, zu Beginn klar, dass er eine Verfassung ohne individuelle Freiheiten nicht unterstützen könne. Siehe dafür Harper, The U.S. Constitution, 2. Aufl. 2016, S. 32. Generell dazu Kriele, Zur Geschichte der Grund- und Menschenrechte, in: Achterberg, FS Scupin, 1973, S.  187 (189 f.); Carstens, Grundgedanken der amerikanischen Verfassung und ihre Verantwortlichkeit, 1954, S. 157. Vgl. zudem Pieroth, Amerikanischer Verfassungsexport nach Deutschland, in: NJW 1989, Vol. 21, S. 1333 (1337), welcher die deutschen Grundrechte sowie die Verfassungsgerichtsbarkeit auf das US-amerikanische Modell zurückführt. 894  Vgl. 1 Stat. 97 (1791). Die ersten zehn Amendments wurden schon im September 1789 an das Parlament übermittelt. Deren Inkrafttreten zog sich allerdings zwei Jahre hin. Siehe dazu Harper, The U.S. Constitution, 2. Aufl. 2016, S. 36. Nach dem Urteil des US Supreme Court in Chisholm v. Georgia (2 U.S. 2 Dall. 419 (1793)), in dem das Gericht urteilte, dass ein Bundesstaat der USA sich nicht auf seine Immunität bei Klagen von Bürgerinnen und Bürgern anderer Bundesstaaten berufen kann, fügte man wenige Jahre später den elften Zusatzartikel ein. Ferner Belz, The Civil



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz261

stetig erweitert wurden,895 basiert das US-amerikanische Grundrechtsverständ­ nis – im Gegensatz zu den französischen Ansätzen896 – nur auf einer mittelbaren gesetzlichen Verankerung der Einzelnen, da man davon ausging, dass die Freiheit des Individuums über die staatliche Regelungsbefugnis hinausginge.897 Sie wurden vielmehr als unmittelbare Grenzen staatlicher Regelungsgewalt verstanden, weswegen die überwiegende Anzahl der Grundrechte als Verbotsnorm gegenüber dem Staat ausgestaltet wurde.898 Mittlerweile ist jedoch ein Wandel von den ursprünglich reinen „individual civil liberties“ hin zu mehr „individual civil rights“ vor allem durch den US Supreme Court vollzogen worden,899 welcher in den USA als verfassungsergänzende Grund-

War Amendments to the Constitution, in: Const. Comment. 1988, Vol. 5, S. 115 (115 ff.); Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (176). Die Individualrechte wurden seit der ersten Federal Bills of Rights nicht nur als negative Kompetenzen betrachtet. So Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (5). 895  Weitere Zusatzartikel kamen nach dem Bürgerkrieg hinzu (sog. Civil War Amendments), die zur Abschaffung von Sklaverei, der Einführung der Gleichberechtigung und einzelner Justizgrundrechte führten sowie zugleich explizit Schranken für die Landesebene normierten. Diese wurden auch als „Second Bill of Rights“ bezeichnet. Später wurden im Bereich des Wahlrechts weitere Zusatzartikel eingeführt. Vgl. Belz, The Civil War Amendments to the Constitution, in: Const. Comment. 1988, Vol. 5, S. 115 (115 ff.); Kommers, Right to Vote and Its Implementation, in: Notre Dame Law. 1964, Vol. 39, S. 365 (367 ff.); Kirby, The Constitutional Right to Vote, in: NYUL Rev. 1970, Vol. 45, S. 995 (995 ff.). 896  In Frankreich hingegen sollten die Verbürgungen gerade durch das Parlament und die Gesetze verwirklicht werden. So Classen, Französischer Einfluss auf die Grundrechtsentwicklung in Deutschland, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts 3. Aufl. 2011, Bd. IX, S. 153 (156  ff.); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, 15. Aufl. 2016, S. 28 ff.; Hofmann, Die Grundrechte 1789 – 1949 – 1989, in: NJW 1989, S. 3177 (3180). 897  Im Idealfall sollte der Staat nicht tätig werden, um den Einzelnen weitestgehende Freiheit zu gewährleisten, da das amerikanische Verständnis selbst in jedem schützenden Eingriff oder in der Leistungsgewährung einen Eingriff in freiheitlichen Autonomierechte des Individuums sah. Siehe Kühne, Die Französische Menschenund Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (15); Eberle, Human Dignity, Privacy, and Personality in German and American Constitutional Law, in: Utah L. Rev. 1997, Vol. 4, S. 963 (974). 898  So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 54 f. Daher kennt das US-amerikanische System auch keine mittelbare Drittwirkung, weil die US-Verfassung lediglich vor staatlichen Handlungen schützt. Siehe dazu auch US Supreme Court, Moose Lodge v. Irvis, 407 US 163 (1972), S. 173 ff. 899  Das oberste Gericht entwickelte die Civil Liberties teilweise zu „fundamental rights“. Vgl. US Supreme Court, Griswold v. Connecticut, 381 U.S. 479, 500 (1965); Palko v. State of Connecticut, 302 U.S. 319, 325 (1937).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

rechtsreserve fungiert.900 Wegen der vielen Regelungen in den Amendments, die „open-ended“ formuliert wurden,901 musste das oberste Gericht der USA vermehrt zur verfassungsrechtlichen Klärung beitragen, obgleich auch nach zwei Jahrhunderten der Rechtsprechungspraxis Raum für neue Auslegungen und Interpretationen bzw. gar neue Grundrechtskonstruktionen besteht.902 a) Territoriale Bindungsreichweite der US-Grundrechte Eine klärende Rechtsprechungslinie bedurfte es auch in Bezug auf die Bindungswirkung der Civil Liberties. Zwar sollte das Amendments-System die Macht des Bundesstaates begrenzen und fand sich im 1st Amendment der Bill of Rights 1789 eine Verpflichtung für die Legislative; die Festschreibung einer allgemeinen Bindungsklausel an die Civil Liberties fehlte allerdings in den Anhängen zur Verfassung.903 Ebenfalls adressierten die ersten zehn 900  Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (5). Das Common law-System ist gewohnheitsrechtlich sehr stark vom Richterrecht geprägt. So Henkin, Rights: American and Human, in: Colum. L. Rev. 1979, Vol. 79, S. 405 (416). 901  Ausführlich dazu Graglia, The Open-Ended Clauses of the Constitution, in: Harv. J. L. & Pub. Pol. 1988, Vol. 11, S. 87 (87 ff.). 902  So Moore, Constitutional Rights and Powers of the People, 2017, S. 196 ff. So leitete der US Supreme Court aus dem 1st Amendment die Vereinigungsfreiheit oder spezielle Gleichheitsgrundsätze aus dem allgemeinen Gleichheitsgebot ab. Siehe zu ersterem US Supreme Court, National Association for the Advancement of Colored People v. Alabama, 357 U.S. 449 (1958). Siehe zu letzterem die Urteile US Supreme Court, Reed v. Reed, 404 U.S. 71 (1971), in welcher Entscheidung das Gericht den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz für die sexuelle Diskriminierung von Frauen erweiterte oder Lawrence v. Texas, 539 U.S. 558 (2003), in welchem spezielle Gleichheitsrechte für homosexuelle Menschen entwickelt wurden. Teilweise wird auch der 5. Zusatzartikel als Einfallstor aller ungeschriebenen Civil Liberties verwendet. So Tribe, American Constitutional Law, 3. Aufl. 2000, Vol. 1, S. 1332 ff. Dem US Su­ preme Court wurde allerdings wegen dieser Entwicklungen ein „judicial activism“ vorgeworfen, welcher so die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der ökonomischen und sozialen Gesetzgebung enorm einenge. Deswegen zeige er sich mittlerweile zunehmend zurückhaltender in der Ausgestaltung neuer Grundrechte. So Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 47 f., 56, die auch darauf hinweist, dass die gerichtlichen Entscheidungen daher im besonderen Maße auf die Selbstbestimmung und den Willen des Bürgers sowie dessen Zustimmung zurückführbar sein müssen. Ähnlich Kau, Roosevelts Court-Packing Plan von 1937 und seine Folgen, in: JÖR 2008, Vol. 56, S. 599 (600 f.). 903  Siehe dafür das 1st Amendment: „Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.“ Hierin erkennt Pieroth, Amerikanischer Verfassungsexport nach Deutschland, in: NJW 1989, Vol. 21, S. 1333



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz263

Amendments der Bill of Rights ausschließlich den Bundesstaat, da die verschiedenen Bundesländer eigene Verfassungen mit grundrechtlichen Gewährleistungen besaßen, an die sie sich ausschließlich gebunden fühlten.904 Seit dem Urteil zu Twining v. State of New Jersey wurde die Geltung aller Civil Liberties sowohl für den Bundesstaat als auch für die Bundesstaaten bestätigt.905 Darin stellte der US Supreme Court fest, dass sich aus den Bürgerrechten selbst ergebe, dass alle staatliche Gewalt auf Bundes- und Landesebene vollständig an die Verfassungsrechte gebunden sei und diese unmittelbar geltendes sowie bindendes Recht darstelle.906 Ungeklärt blieb jedoch, ob diese Bindungsreichweite ausschließlich für das territoriale Hoheitsgebiet der USA Anwendung findet. Lange Zeit wurde vertreten, dass weder die Amendments noch andere internationale menschenrechtliche Verpflichtungen eine extraterritoriale Bindungswirkung für die Vereinigten Staaten entfalten können.907 Dieses Verständnis folgt den Auffassungen des 19. Jahrhunderts, in denen Jurisdiktion noch rein geografisch verstanden und Extraterritorialität zu beschränken als Verstoß gegen die

(1337) die Inspiration der deutschen umfassenden Grundrechtsbindung und versteht die US-amerikanische Verfassung als „Paramount law“. Ferner Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (1 ff.); Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 84. EL 2018, Rn. 5; Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 53, 91; Giegerich, Privatwirkung der Grundrechte in den USA 1992, S. 39. 904  Vgl. US Supreme Court, John Barron v. Mayor and City Council of Baltimore, 32 U.S. 243, 247, 249 (1833). So auch Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 22; Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95, S. 463 (464 f.). 905  Der US Supreme Court nutzte dafür die sog. „due process clause“ des 14th Amendment: US Supreme Court Twining v. State of New Jersey, 211 U.S. 78, 99 ff. (1908). Siehe auch Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers 2010, S. 46, 91; Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95, S. 463 (464 f.). Umgekehrt entfaltet das 5th Amendment Bindungs­ charakter für die Bundesebene wie auch für die einzelnen Gliedstaaten. Siehe US Supreme Court, Bolling v. Sharpe, 347 U.S. 497, 499 f. (1954). 906  US Supreme Court, Twining v. State, 211 U.S. 78, 78, 100 ff. (1908). Siehe ferner US Supreme Court, Duncan v. Katanamoku, 327 U.S. 304, 319 (1975); United States v. Vallarin Gerena, 553 F. 2d 723 (Cal. Puerto Rico 1977). Siehe auch Lobel, Seperation of Powers, Individual Rights, and the Constitution Abroad, in: Iowa L. Rev. 2013, Vol. 98, S. 1629 (1635); Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95 463 (506). 907  Generell dazu Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S.  22 ff.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

staatliche Souveränität eines anderen Staates erachtet wurde.908 Darüber hi­ naus wollten die USA einen zu starken Einfluss internationalen Rechts vermeiden.909 Aufgrund dessen stellte der US Supreme Court klar, dass die USA ausschließlich auf dem eigenen Hoheitsgebiet in der Lage seien, ihre rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.910 Das Gericht hob Anfang des 20. Jahrhunderts zusätzlich hervor, dass die Bindungswirkungen auch nicht in Regionen gelten, in denen die USA durch Besetzung oder Erwerb von Territorium effektive Hoheitsgewalt ausübe.911 908  Das war durchaus kurios, weil die Fälle zumeist in derartigen Konstellationen entschieden wurden, in denen die USA bereits außerhalb des Staatsgebietes Hoheitsgewalt ausgeübt haben und folglich in der Regel auch gegen die Souveränität des jeweiligen Staates verstoßen haben. Siehe US Supreme Court, The Schooner Exchange v. McFaddon, 11 U.S. (7 Cranch) 116, 136 (1812), welcher aber dennoch anerkannte, dass extraterritoriale Handlungen nicht absolut verboten seien. Ähnlich auch US Supreme Court, Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714 (1877), welcher internationale Regelungen als Limitierung der Jurisdiktion sah. Das Gericht ging dabei aber nicht der eigentlichen Frage nach, ob die staatliche Gewalt, die außerhalb des Territoriums agiert, auch an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist. Siehe ferner Wheaton, Elements of International Law, 8. Aufl. 1866, S. 133 ff., welcher eine extraterritoriale Wirkung und Bindung der Verfassung damals vollends ablehnte. 909  Siehe US Supreme Court, EEOC v. Arabian American Oil Co., 499 U.S. 244, 248 (1991). Ferner Liddick, Respecting the Constitution Abroad, in: Dartmouth L. J. 2006, Vol. 4, S. 56 (60). 910  Es gab allerdings im späten 19. Jahrhundert bereits Fälle in anderen Staaten, in denen extraterritoriale Sachverhalte geregelt werden durften: U.K. House of Lords, British South African Co. v. Companhia de Moҫambique, A.C. 602 (1893), S. 624, in welchen das britische Gericht auch Übersee Kompensationen aussprach; Majesty’s Court of China and Japan, Hart v. Gumpach, 4 L.R.-P.C. 439 (1872), S. 463 f., welcher britischen Gerichten die Jurisdiktion über britische Staatsangehörige zusprach, die in China lebten. 911  So US Supreme Court, Neely v. Henkel, 180 U.S. 109 (1901), S. 120 ff., welcher urteilte, dass US-Staatsangehörige auch für Taten im damals besetzten Kuba keine Geltung der US-amerikanischen Verfassungswerte erwarten konnten, da dieses Gebiet nur zeitlich befristet okkupiert sei. Siehe ferner US Supreme Court, Fleming v. Page, 50 U.S. (9 How.) 603 (1850), S. 611, welcher urteilte, dass in besetzten Gebieten so lange keine verfassungsrechtlichen Vorgaben galten, bis der Kongress diese explizit ausgedehnt habe. Vgl. zudem zu den sog. Insular Cases, über die die USA volle Souveränität beanspruchten (darunter Puerto Rico, Hawaii und Alaska), aber damals die Verfassung nur in sehr geringem Maße gelten sollte: US Supreme Court, Downes v. Bidwell, 182 U.S. 244, (1901), S. 279 f. Auch später akzeptierte man einen viel geringeren Schutz der Verfassung in Puerto Rico. Siehe dafür US Supreme Court, Harris v. Rosario, 446 U.S. 651 (1980). Ähnlich zu diesem Komplex auch Cleveland, Embedded International Law and the Constitution Abroad, in: Colum. L. Rev. 2010, Vol. 110, S. 225 (240). Siehe ferner Johnson, Vereinigte Staaten von Amerika, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 920, welcher damals feststellte, dass die Geltung der Verfassung auf US-amerikanischen Territorien für die Gebiete Guam, Virgin Islands und amerikanisch Samoa beschränkt war.



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Von dieser Ansicht rückten die USA allerdings nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Stück weit ab. Im Jahre 1974 ging der 2nd Circuit Court im Fall United States v. Toscanino soweit, dass dieser in Bezug auf einen von US-Behörden gekidnappten Ausländer urteilte, die „Constitution of the United States is in force […] whenever and wherever the sovereign power of that government is exerted“.912 Ohne dieser Ansicht explizit zu folgen, urteilte der US Supreme Court nur wenige Jahre später im Bereich des 14th Amendments, dass die Bindung nicht ausschließlich auf das eigene Territorium beschränkt sei, sondern sie zumindest auch dann eintrete, wenn die Effekte staatlichen Handelns innerstaatlichen Ursprung haben.913 Der Anknüpfungspunkt der Bindung an die Verfassung hing somit von einer „state action“ oder „governmental action“ ab.914 Kurz darauf wurde gar mit Sec. 721 des Restatement of Foreign Relations Law von legislativer Seite eine einfachgesetzliche Norm geschaffen, welche beinhaltete: „The provi­ sions of the United States Constitution […] generally limit governmental authority whether it is exercised in the United States or abroad“.915 Diametral zu dieser Entwicklung entnahm die Regierung der Verfassung in Bezug auf die Fälle von Inhaftierten in Guantánamo jedoch keine solche extraterritoriale Bindungswirkung und versagte daraufhin diesen Personen das Recht auf Habeas corpus. Dem widersprach der US Supreme Court in der Rechtssache Boumediene v. Bush und wies darauf hin, dass die Bindung an die Civil 912  US District Court for the Eastern District of New York, United States v. Toscanino, 500 F.2d 267 (1974), S. 281. Das Gericht nahm in dieser Passage Bezug auf US Supreme Court, Balzac v. Porto Rico, 258 U.S. 298 (1922), S. 312 f., in welcher der US Supreme Court deutlich machet, dass Hoheitsgewalt auch im Ausland Grenzen unterliege, die sich aus der Verfassung herleiten, ohne jedoch explizit auf die Reichweite der Bindung einzugehen. 913  US Supreme Court, Calder v. Jones, 465 U.S. 783 (1984), S. 789; Asahi Metal Industrial Cooperation v. Superior Court, 480 U.S. 102 (1987), S. 116, wobei in letzterem Urteil einer ausländischen Firma verfassungsrechtlicher Schutz zugesprochen wurde. 914  So auch in US Supreme Court, Columbia Broadcasting System, Inc. v. Democratic National Committee, 412 U.S. 94 (1973), S. 114 ff. Siehe ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 424. Eine Bindung in Bezug auf auslandsnachrichtendienstliche Überwachung bejahend Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, 55, S. 23 f. Diese Ansicht strickt ablehnend: Yoo, The Legality of the National Security Agency’s Bulk Data Surveillance Programs, in: ­ISJLP 2014, Vol. 10, S. 301 (316). 915  Restatement (Third) of Foreign Relations Law, Revised, 1986. Die USA ziehen für die Auslandsgeltung einer Norm seitdem u. a. die Kriterien Territorialität, Staatsangehörigkeit, Staatsinteressen oder den Schutz bestimmter Interessen der Staatengemeinschaft (Weltrechtsprinzip) heran. Ebd., § 10. So aber auch ähnliche Bewertung für den Bereich des Internationalen Strafrechts Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, S. 779.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

­Liberties nicht nur bis zu dem „formal sovereign [territory]“ der USA reiche.916 Auch in weiteren Entscheidungen setzte der US Supreme Court bei Handlungen im Ausland voraus, dass US-Verantwortliche Hoheitsgewalt ausüben, die im Einklang mit der Verfassung vollzogen werden müsse, und dass eine Bindung auch eintrete, wenn die Handlungen von US-amerikanischen öffentlichen Stellen sich außerhalb des Territoriums auswirken.917 Das Gericht implizierte aber ebenso, dass diese Bindung Limitierungen und einem Ermessensspielraum der Exekutive unterliege.918 Wie sich diese genau ausgestalten, blieb bisweilen von höchstrichterlicher Stelle unbeantwortet. Ebenfalls ist unklar, ob lediglich die Rechte zu Habeas corpus hiervon betroffen sind oder auch weitere. Festzuhalten ist allerdings, dass der oberste Gerichtshof der USA zumindest grundsätzlich davon ausgeht, dass die Exekutive nur auf Grundlage der Verfassung handeln darf, der Exekutive aber vor allem im Bereich der auswärtigen Gewalt ein weiter Ermessensspielraum zuzugestehen ist.919 In der US-amerikanischen Literatur bejahen hingegen einzelne Autorinnen und Autoren die extraterritoriale Bindungsreichweite dann, wenn die Beschränkungen seitens der US-Behörden im Ausland struktureller Natur seien.920 916  So in US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 US 723 (2008), Teil IV. B. Ebenso in US Supreme Court, Munaf v. Geren, 128 S. Ct. 2207 (2008), S. 2218. Ähnlich vorher US Supreme Court, Rasul v. Bush, 542 US 466 (2004). Ebenfalls US Court of Appeals (District of Columbia Circuit), Al Maqaleh v. Gates, 605 F.3d 84 (2010), welcher die Rechtsprechung auch auf eine Airbase in Afghanistan erweitern wollte. Siehe ferner Cleveland, Embedded International Law and the Constitution Abroad, in: Colum. L. Rev. 2010, Vol. 110, S. 225 (257, 270). 917  So US Supreme Court, Reid v. Covert, 354 U.S. 1 (1957), S, 5 f. Ferner US Court of Appeals (Federal Circuit), El-Shifa Pharmaceutical Industries Company v. United States, 55 Fed. Cl. 751 (2003), S. 760. 918  US Supreme Court, Rasul v. Bush, 542 U.S. 466 (2004), Abschnitt II, in welcher das Gericht zwischen „ultimate souvereignty“ und „plenary and exclusice jurisdiction“ unterscheidet. Eine zu weite Bindungswirkung anzweifelnd US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 268 f. 919  Grundsätzlich anerkennend US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 293, wobei es auch erwähnt, „if there were a constitutional violation, it occurred solely in Mexico“, S. 264. Ebenso US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 US 723 (2008), Teil IV. B.; Rasul v. Bush, 542 US 466 (2004); Reid v. Covert, 354 U.S. 1 (1957), S. 6. 920  Brief of Amici Curiae Certain Former Federal Judges in Support of Petitioner, Hamdan v. Rumsfeld, 548 U.S. 557 (2006) (No. 05-184), 2006 WL 53990; Raustiala, Does the Constitution Follow the Flag? The Evolution of Territoriality in American Law, 2009, S. 244 f.; Borrowman, Sosa v. Alvarez-Machain and Abu Ghraib Civil Remedies for Victims of Extraterritorial Torts by U.S. Military Personnel and Civilian Contractors, in: BYU L. Rev. 2005, S. 371 (406); Knowles/Falkoff, Toward a Limited-Government Theory of Extraterritorial Detention, in: NYU Ann. Surv. Am. L. 2007, Vol. 62, S. 637, (641 f.), wobei letztere die Position einer „nonrights based, lim­ited-government theory“ folgen. Siehe ferner dazu Lobel, Seperation of Powers,



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz267

Diese nicht vollends geklärte Bindungswirkung ist auch dem Systemverständnis des Supreme Courts und dem case law der USA geschuldet, die nicht strikt zwischen Grundrechtsbindung und -berechtigung differenzieren. Fast alle genannten Fälle zur extraterritorialen Reichweite vor dem US Supreme Court adressierten dementsprechend lediglich peripher die Bin­ dungswirkung oder die verfassungsrechtliche Genehmigung zur Ausübung von Hoheitsgewalt außerhalb des eigenen Territoriums. Zuvörderst wurde auf die Folgen einer Bindungswirkung eingegangen: die extraterritoriale Geltung der Verfassungsrechte für Staatsangehörige sowie deren persönlicher Anwendbarkeit für Nichtstaatsangehörige.921 b) Territoriale Anwendbarkeit der Civil Liberties für In- und Ausländerinnen bzw. Ausländer Die Frage der territorialen Reichweite der Civil Liberties ist mithin auf der Ebene der persönlichen Anwendbarkeit zu prüfen, die im deutschen Verständnis der Grundrechtsberechtigung nahekommt. Eine Differenzierung dahingehend, wer sich auf die gewährten Verfassungsrechte berufen konnte, hat in den USA – auch aufgrund des Alters der Verfassung – bereits eine lange Rechtsprechungstradition. aa) Persönlicher Anwendungsbereich der Civil Liberties auf US-amerikanischem Hoheitsgebiet Eingangs konnte die US-amerikanische Bill of Rights nicht an die kon­ zeptionelle Weite der französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärung heran­reichen.922 Nach Emile Boutmy lag das vor allem daran, dass Frankreich universelle Menschenrechte den Bürgerinnen und Bürgern zugestanden habe und die USA „bloß Grundrechte“ einführten.923 Zur Wahrheit gehört aber Individual Rights, and the Constitution Abroad, in: Iowa L. Rev. 2013, Vol. 98, S.  1629 (1631 ff.). 921  Ähnlich Cleveland, Embedded International Law and the Constitution Abroad, in: Colum. L. Rev. 2010, Vol. 110, S. 225 (234 ff.). 922  So Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 9. 923  So zitiert in Kriele, Zur Geschichte der Grund- und Menschenrechte, in: Achterberg, FS Scupin, 1973, S. 187 (189 f.). Ähnlich Kingreen, Das Verfassungsrecht der Zwischenschicht, in: JÖR 2017, Vol. 65, S. 1 (2). Siehe ferner Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (9), welcher anmerkte, dass die Civil Liberties allemal unter Berücksichtigung der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung universalistische Ansätze hätten.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

auch, dass sowohl in Frankreich als auch in den USA diese fundamentalen Neuerungen zunächst nicht für alle gelten sollten – von Universalität mithin nur in Ansätzen gesprochen werden kann.924 Ausgangspunkt der Debatte um die Reichweite der personellen Anwendbarkeit der Civil Liberties in den USA waren die vagen Formulierungen vor allem in den ersten zehn Amendments, die u. a. von „the people“ oder „no person“ sprachen. Besonders aufgrund der Schaffung weiterer Amendments, die zusätzlich den Begriff des „citizen“ einführten, blieb lange Zeit unklar, wen die begrifflich personell unterschiedlich gestalteten Garantien adressieren sollten.925 Der US Supreme Court befasste sich mit der Frage der personellen Anwendbarkeit der verfassungsrechtlichen Garantien der Bill of Rights im Fall Dred Scott v. Sandford und bewies alles andere als ein universelles Verständnis: Nach der Mehrheit der Richter sollten die verfassungsrechtlichen Verbürgungen auf einen schwarzen Sklaven, welcher seine Freiheit erlangt hatte, nicht anwendbar sein.926 An dieser Auffassung hat sich einiges geändert. Heutzutage gelten die Civil Liberties für alle US-Staatsbürgerinnen und US-Staatsbürger unabhängig von deren Geschlecht, Hautfarbe oder indigenen Abstammung.927

924  Einen solchen universellen Geltungsansatz aber bejahend Johnson, Vereinigte Staaten von Amerika, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 885 (922) mit Verweis auf § 1 S. 2, 2. und 3. Halbs. des 14th Amendment der USA. Dieser räumt jedoch ein, dass sich dieser Anspruch nicht für alle gleichermaßen auswirkt(e). 925  So auch Neuman, Strangers to the Constitution: Immigrants, Borders, and Fundamental Law, 1996, Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 424; Critchlow, American Political History, 2015, S. 14; Morrison, Foreign in a Domestic Sense, in: Hastings Const. L. Q. 2013, Vol. 41, S. 71 (94); S. 52 ff. Ähnlich Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, 2010, S. 54, die darauf verwies, dass der Charakter der Civil Liberties als universelle Rechte sich nicht direkt aus der Verfassung ableiten lassen könne. 926  Siehe dazu US Supreme Court, Dred Scott v. Sandford, 60 U.S. (19 How.) 393 (1857), S. 404 ff. Siehe generell dazu Fehrenbacher, The Dred Scott Case: Its Significance in American Law and Politics, 1987, Kapitel 14. 927  Die Staatsangehörigkeit für die damaligen Indianerstämme wurde allerdings erst 1924 durch den General Indian Citizenship Act 1924, 9 U.S.C. § 3, welcher durch § 201 (b) des Nationality Act 1940 ersetzt wurde, anerkannt. Vgl. dazu auch Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 162. Obwohl die Sklaverei und Ungleichbehandlung von ehemaligen Sklavinnen und Sklaven zwar 1865 und 1866 mit dem 13th und 14th Amendment beendet wurde, schafften die USA die diskriminierenden Rassengesetze erst mit der Rechtsprechung zu Brown v. Board of Education 1954 ab. Siehe dazu US Supreme Court, Brown v. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954). Ferner Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (87 f.), nach welchem das ausschlaggebende Kriterium die Staatsangehörigkeit sei.



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Der US Supreme Court bestätigte allerdings, dass es eine inhaltliche Unterscheidung zwischen der verfassungsrechtlichen Reichweite der Begriffe „persons“, „people“ und „citizens“ gebe.928 Letztere und engste personelle Anwendbarkeitsvoraussetzung ist im 14th Amendment definiert: „All persons born or naturalized in the United States, and subject to the jurisdiction there­of, are citizens of the United States.“ Daher gelten diese personell auf „­citizens“ beschränkten verfassungsrechtlichen Garantien nicht für Ausländerinnen und Ausländer.929 Die Literatur optierte für universalistische Ansätze der Rechte der Bill of Rights, die nicht die Staatsangehörigkeit voraussetzen.930 Die Abwesenheit des den Personenbereich beschränkenden Begriffs der „citizen“ in den ersten zehn  Amendments sei ein Indiz dafür, dass sich auch Ausländerinnen und Ausländer auf jene Rechte berufen können. 928  So

Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 424. US Supreme Court, Asbury Hospital v. Cass County, 326 U.S. 207 (1945), S. 211, in welcher einem ausländischen Unternehmen, weil es ausländisch war, die Berufung auf das 15th Amendment verwehrt wurde. Ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 424. Die USA unterscheiden jedoch zusätzlich zwischen US nationals und US citizens. So erhalten bspw. Personen aus Amerikanisch Samoa oder Swains Island den Status der US nationals, dürfen aber weder wählen, noch gewählt werden und sich somit nicht auf die Civil Liberties berufen, die für die „citizens“ vorgesehen sind. Vgl. Morrison, Foreign in a Domestic Sense, in: Hastings Const. L. Q. 2013, Vol. 41, S. 71 (74 ff.); Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (87 f.). Für die Schlechterstellung Puerto Ricos im sozialen Bereich: US Supreme Court, Harris v. Rosario, 446 U.S. 651 (1980), in welchem sich das Gericht gegen eine vollkommene Angleichung der Sozialleistungen ausspricht. 930  Vgl. für die Erweiterung auf Ausländerinnen und Ausländer Ginsburg, Looking Beyond Our Borders, in: Yale L. & Pol. Rev. 2004, Vol. 22, S. 329 (334); Sievert, War on Terrorism or Global Law Enforcement Operation?, in: Notre Dame L. Rev. 2003, Vol. 78, S. 307 (318); Aleinikoff, Citizens, Aliens, Membership and the Constitution, in: Const. Comment. 1990, Vol. 7, S. 9 (21 f.). Siehe auch Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 425, nach welchem alle Rechte bis auf die „privileges and immunities clauses“ für Ausländerinnen und Ausländer anwendbar seien. Ähnlich Cole, Are Foreign Nationals Entitled to the Same Constitutional Rights as Citizens?, in: T. Jefferson L. Rev. 2003, Vol. 25, S. 367 (368), nach welchem die Verfassung lediglich die Wahlrechte auf „citizens“ beschränke. Ebenso zeigt er aber auf, dass dieses Thema bei der Schaffung der Bill of Rights umstritten war, ebd., S. 371. Ferner Moore, Aliens and the Constitution, in: NYU L. Rev. 2013, Vol. 88, S. 801 (808), nach welchen das 1st, 2nd und 4th Amendment nicht nur auf „citizens“ beschränkt sei und das 5th, 6th und 14th Amendment sogar noch weiter gelte. A. A. Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95 463 (485), welcher aus einer Gesamtschau der US-Verfassung selbiger eine extraterritoriale Weite abspricht. Nur einen Mindeststandard befürworten, aber generell akzeptierend, dass die Verfassungsrechte für Staatsangehörige vorgesehen sind: Neuman, Strangers to the Constitution, 1996, S. 52 ff., 919. 929  Siehe

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Dieser Ansicht folgte der US Supreme Court jedoch nicht. In der Rechtssache United States v. Verdugo-Urquidez ging das oberste Gericht näher auf die inhaltliche Bedeutung von „the people“ ein: Diese Form der personellen Anwendbarkeit sei zwar breiter als „citizen“ zu verstehen, aber weniger weit als „persons“.931 Der US Supreme Court zeigte auf, dass unter „the people“ ursprünglich „the people of the United States“ verstanden werden sollten und damit abgeleitet aus dem Personalitätsprinzip die Staatsangehörigkeit der grundsätzliche Anknüpfungspunkt für die Gewährung dieser Rechte der Bill of Rights sei.932 Der US Supreme Court wies aber ebenfalls in der Entscheidung United States v. Verdugo-Urquidez darauf hin, dass die Amendments zwar ursprünglich nur US-amerikanische Staatsangehörige einschließen sollten, aber eine Gesamtschau der Verfassung zeige, dass „the people“ i. S. d. Bill of Rights „a class of persons who are part of a national community or who have otherwise developed sufficient connection with this country to be considered part of that community“ umfasse.933 Um als Ausländerin oder 931  US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 269. Siehe ferner US Court of Appeals (10th Circuit), United States v. HuitronGuizar, 678 F.3d 1164 (2012), S. 1168. 932  So ursprünglich US Supreme Court, United States v. Williams, 194 U.S. 279 (1904), S. 292. Ebenso US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 260, 264 f. Dieses grundlegende Verständnis spiegelt sich auch in den Verfassungen der einzelnen Bundesstaaten wider, in denen vielmals von Grundrechten nur für die „inhabitants of the state“ die Rede ist. Vgl. bspw. Art. I § 5 Constitution of the Commonwealth of Pennsylvania; Art. 1 Sec. 1 § 4 Constitution of the State of Georgia; Art. II Constitution of North Carolina. Ebenso ist der Part the First of the Massachusetts Constitution“ überschrieben mit „A Declaration of the Rights of the Inhabitants of the Commonwealth of Massachusetts“. Ferner dazu Sandweg, Rationales Naturrecht als revolutionäre Praxis, 1972, S. 299 (in Hinblick auf die USBundesstaaten Pennsylvania und Massachusetts). Zudem ergebe sich dies auch daraus, da die Staatsangehörigkeit in den Amendments selbst geregelt sei. Vgl. 14th Amendment sowie den Immigration and Nationality Act 1952, 8 U.S.C. § 1101 (a) (3) (1970). Ebenso US Supreme Court, Afroyim v. Ruck, 382 U.S. 253 (1967). Ähnlich Johnson, Vereinigte Staaten von Amerika, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 923, welcher betont, dass den Staatsangehörigen die Personen mit ständigen Aufenthaltstitel gleichgestellt sind; Palmer, The Age of the Democratic Revolution, 1959, S. 215, welcher als konstituierenden Faktor das eigene Staatsvolk ausmacht. Historisch habe das Verständnis eines strengen Personalitätsprinzips vor allem seinen Ursprung in der damaligen Sezession von Großbritannien. Vgl. dafür Kühne, Die Französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung im Rechtsvergleich mit den Vereinigten Staaten und Deutschland, in: JÖR 1990, Vol. 39, S. 1 (9). Dieses strenge Personalitätsprinzip ablehnend: Brief for American Civil ­Liberties Union as Amici Curiae et al. n. 4, S. 12, welche das enge Verständnis von „the people“ als „awkward rhetorical redundancy“ bezeichnen. 933  US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 265. Ebenso US Supreme Court, District of Columbia v. Heller, 554 U.S. 570 (2008), S. 579 ff., welcher die Reichweite des Begriffs „the people“ diskutiert und



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz271

Ausländer folglich Teil dieser „community“ zu werden, benötigt man eine „substantial connection“ zu den USA, die bereits im US Supreme Court Urteil zu Plyler v. Doe entwickelt wurde.934 Die genauen Voraussetzungen hierfür sind allerdings bis heute nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Ausländerinnen und Ausländer, die rechtmäßig eingereist oder eingewandert sind – mithin eine legale Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung besitzen („Green Card“) – und nicht als „enemy alien“ gelten, können diese Verbindung grundsätzlich nachweisen.935 Im Fall INS v. Lopez-Mendoza stellte das oberste Gericht der USA indes klar, dass die Anwendbarkeit der Civil Liberties vom Einzelfall und nicht von einer fehlenden Aufenthaltsgenehmigung abhängen sollte.936 Diese Personen müssen dafür aber eine gewisse Zeit in den USA gelebt haben,937 die Rechts- und Verfassungsordnung der USA anerkennen und benötigen eine soziale Verankerung in der US-amerikanischen Gesellschaft.938 Ersteres wurde im Fall United States v. Verdugo-­ Urquidez abgelehnt: Herr Verdugo-Urquidez war in den Mord eines DEAAgenten in Mexiko verwickelt und wurde daraufhin von US Marshalls in seinem Haus in Mexiko verhaftet, in die USA gebracht sowie dort inhaftiert. bereits eine semantische Unterscheidung zu anderen Begriffen erkennt. Ähnlich US Court of Appeals (10th Circuit), United States v. Huitron-Guizar, 678 F.3d 1164 (2012), S. 1168, welcher „people“ im Hinblick auf den personellen Anwendungsbereich weiter als „citizen“, aber enger als „person“ erachtet. 934  US Supreme Court, Plyler v. Doe, 457 U.S. 202 (1982), S. 212. Siehe auch US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 265 ff. Ferner Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (691); Cleveland, Embedded International Law and the Constitution Abroad, in: Colum. L. Rev. 2010, Vol. 110, S. 225 (227, 242). 935  So bereits angelegt im Urteil des US Supreme Court, Yick Wo v. Hopkins, 118 U.S. 356 (1886), welcher Personen mit Aufenthaltsgenehmigung damals bereits zum „part of the community“ zählte, wohingegen illegale hiervon ausgeschlossen sein sollten. Zur Bestätigung der Berufung auf das 4th Amendment eines Mexikaners mit legalem Arbeitstitel vgl. zudem US Supreme Court, Almeida-Sanchez v. United States, 413 U.S. 266 (1973), S. 266 ff. Siehe für die Differenzierung zwischen „migrants“ und „nonmigrants“ im US-Asylrecht auch den Immigration and Nationality Act 2006, 8 U.S.C. § 1101 (15). Im nationalen Sicherheitsrecht unterscheidet man zudem zwischen befreundeten und befeindeten Ausländern. Ausländische Feinde waren so nur ihrer eigenen Jurisprudenz unterworfen. Vgl. US Supreme Court, Johnson v. Eisentrager, 339 U.S. 763 (1950), S. 769. Nach dem Alien Enemy Act 1798, der bis heute Geltung hat, kann nach präsidialer Order eine derartige Person verhaftet, in Gewahrsam genommen oder zurückgeschickt werden. An Act Respecting Alien Enemies (Alien Enemy Act), 1 Stat. 577 (1798) (kodifiziert in 50 U.S.C. §§ 21–24). Siehe ferner Scaperlanda, Immigration Law, 2009, S. 39. 936  US Supreme Court, INS v. Lopez-Mendoza, 468 U.S. 1032 (1984), S. 1039 ff. 937  Ebd. 938  So rauszulesen aus US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 260 ff. Ähnlich bereits US Supreme Court, Johnson v. Eisentrager, 339 U.S. 763 (1950), S. 770.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Ihm war es unter anderem deshalb versagt, sich auf das 4th Amendment zu berufen, weil das Verbringen in die USA noch keine „substantial connection“ zu den USA aufgewiesen habe.939 Bezogen auf die Anerkennung der Rechtsund Verfassungsordnung sind diese Punkte demnach auch dann abzulehnen, wenn es sich um eine Person handelt, die in den USA bereits ein Verbrechen begangen hat.940 In den Fällen, in denen die Civil Liberties hingegen „persons“ adressieren, sei der personelle Anwendungsbereich weiter als „the people“ auszulegen941 – sie gelten allerdings nicht gänzlich ohne die vorbenannten Einschränkungen für einen noch breiteren Personenkreis.942 Weil die Staatsangehörigkeit in diesen Fällen dennoch nicht gänzlich ausgeblendet wird, können sich Ausländerinnen und Ausländer nicht vollumfänglich auf jene Rechte berufen.943 939  US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 260, 271. Darin verwendet das Gericht aber auch das Wortpaar „sufficient connection“, ebd., S. 260. Siehe auch Liddick, Respecting the Constitution Abroad, in: Dartmouth L. J. 2006, Vol. 4, S. 56 (61); Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95, S. 463 (475 f.). 940  US District Court for the District of Utah, United States v. Esparza-Mendoza, 265 F. Supp. 2d 1254, S. 1271; US District Court for the District of Kansas, United States v. Gutierrez-Casada, 553 F. Supp. 2d 1259 (2008), S. 1272. A. A. und für eine Gleichbehandlung von In- und Ausländerinnen bzw. Ausländern in Fragen der Civil Liberties: US Court of Appeals (Ninth Circuit), United States v. Juda, 46 F.3d 961 (1995), S. 967. Der US Supreme Court wies allerdings darauf hin, dass ein Missbrauch von Verfassungsrechten zu deren Limitierung führen könne. Vgl. US Supreme Court, Bivens v. Six Unknown Fed. Narcotics Agents, 403 U.S. 388 (1971), S. 396. 941  Siehe hierzu US Supreme Court, Wong Wing v. United States, 163 U.S. 228 (1896), S. 238; Russian Volunteer Fleet v. United States, 282 U.S. 481 (1931); Hai Chew v. Colding, 344 U.S. 590 (1953), S. 596 (alles in Bezug auf das 5th  Amendment). 942  Siehe auch Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95, S. 463 (514), welcher auch hier eine besondere Verbindung zu den USA zwingend für erforderlich hält. 943  So ausdrücklich in US Supreme Court, Mathews v. Diaz, 426 U.S. 67 (1976). Die Civil Liberties wurden Ausländerinnen und Ausländern in Bezug auf einzelne gerichtliche Verfahrensrechte zuerkannt und bezogen auf die „equal protection clause“ gestand der US Supreme Court diesen gewisse Verfassungsrechte auch in den USA zu: US Supreme Court, Yick Wo v. Hopkins, 118 U.S. 356 (1886), S. 369, bezogen auf das 14th Amendment. Eine pauschale Differenzierung von In- und Ausländerinnen bzw. Ausländern hält der US Supreme Court seit Graham v. Richardson ebenfalls nicht für sachgerecht. Vgl. US Supreme Court, Graham v. Richardson, 403 U.S. 365 (1971), S. 405. In Re Griffiths wurde entschieden, dass ein totaler Ausschluss von Ausländerinnen und Ausländern, die in den USA juristisch tätig werden wollen, gegen den Gleichheitsgrundsatz des 14th Amendments verstoße, US Supreme Court, In Re Griffiths, 413 U.S. 717 (1973). Siehe auch US Supreme Court, Sugarman v. Dougall, 413 U.S. 634 (1973); Examining Board. of Engineers, Architects & Survey-



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz273

bb) Persönlicher Anwendungsbereich der Civil Liberties außerhalb des US-amerikanischen Hoheitsgebietes Ungeachtet der semantischen Unterscheidung der einzelnen Civil Liberties sollte die Bill of Rights ursprünglich nur für das US-amerikanische Territorium gelten. Die Historie habe gezeigt, dass der Sinn und Zweck der Bill of Rights der Schutz der US-Bürgerinnen und US-Bürger vor willkürlichen Maßnahmen der US-Regierung innerhalb der staatlichen Grenzen gewesen sei.944 Das bestätigte der US Supreme Court zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Downes v. Bidwell, da der Verfassung die Möglichkeit einer extraterritorialen Geltung nicht entnommen werden könne.945 Dies war deshalb bemerkenswert, weil dasselbe Gericht zehn Jahre zuvor geurteilt hatte, dass USStaatsangehörige sich dann auf die Verfassung berufen könnten, wenn im Ausland US-amerikanische Hoheitsgewalt ausgeübt werde.946 In Abkehr von ors v. Flores de Otero, 426 U.S. 572 (1976), S. 602 ff.; Nyquist v. Mauclet, 432 U.S. 1, 12 (1977); Bernal v. Fainter, 467 U.S. 216 (1984). Zudem dürfen die einzelnen Bundesstaaten auch keine Gesetze erlassen, die Ausländerinnen und Ausländern bei der Einreise diskriminieren, da Einwanderungsfragen allein in der Bundeskompetenz liegen, Art. 1 § 8 Verfassung der USA. Vgl. auch Johnson, Vereinigte Staaten von Amerika, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, 1986, S. 923. Dennoch kann eine Differenzierung nach Staats- und Nicht-Staatsangehörigen auch legitim sein. Siehe in Bezug auf Lehrerinnen und Lehrer US Supreme Court, Foley v. Connelie, 435 U.S. 291 (1978). Siehe in Bezug auf Polizistinnen und Polizisten US Supreme Court, Amback v. Norwick, 441 U.S. 68 (1979). Vgl. zur Due process clause US Supreme Court, Truax v. Raich, 239 U.S. 33 (1915), S. 36; Terrace v. Thompson, 263 U.S. 197 (1923), S.  218 ff.; Plyler v. Doe, 457 U.S. 202 (1982); Zadvydas v. Davis, 533 U.S. 678 (2001), S. 693. Zur Selbstbezichtigungsfreiheit siehe Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 424 f. Ebenfalls spielte es oftmals keine Rolle, ob die Personen illegal ins Land gekommen sind. Dafür spricht vereinzelt die Rechtsprechung: US Supreme Court, Plyler v. Doe, 457 U.S. 202 (1982), S. 210 ff.; Zadvydas v. Davis, 533 U.S. 678 (2001), S. 693; Wong Wing v. United States, 163 U.S. 228 (1896), S. 238. Dies sei jedoch nicht vollends eindeutig nach Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (92). Andere untere Gerichte urteilten zudem, dass illegal eingereiste Personen auf ein Mindestmaß an verfassungsrechtlichen Garantien wie dem Schutz der Person, des Eigentums oder dem rechtlichen Gehör vertrauen dürften. Siehe US Court of Appeals (Eigth Circuit), Whitfield v. Hanges, 222 Fed. 745 (1915); US Court of Appeals (Fifth Circuit), Arteaga v. Allen, 99 F. 2d 509 (1938). 944  So in einer historischen Auslegung der US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 266. Siehe ebenso Wheaton, Elements of International Law, 8. Aufl. 1866, S. 133: „[N]o State can, by its laws, directly affect, bind, or regulate property beyond its own territory, or control persons who do not reside within it, whether they be native-born subjects or not“. 945  US Supreme Court, Downes v. Bidwell, 182 U.S. 244 (1901), S. 246 ff. 946  Siehe US Supreme Court, In Re Ross, 140 U.S. 453 (1891), S. 453, 468 ff. Ferner Neuman, The Extraterritorial Constitution after Boumediene v. Bush, in: Cal. L. Rev. 2009, Vol. 82, S. 259 (275).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Downes v. Bidwell und dem strengen territorialen Verständnis der Verfassung sowie in Anknüpfung an letztbenanntes Urteil von 1891 beschränkte das oberste Gericht ab der Entscheidung zu United States v. Curtiss-Wright Export Corporation die verfassungsrechtlichen Errungenschaften fortan nicht mehr nur auf das eigene Territorium.947 Diese sollte allerdings nur für USStaatsangehörige gelten: „Neither the Constitution nor the laws passed in pursuance of it have any force in foreign territory unless in respect of our own citizens.“948 US-Bürgerinnen und US-Bürger sollten sich damit fortan auf die Civil Liberties im Ausland berufen können, sofern die USA die vollständige Kontrolle und Jurisdiktion über das auswärtige Territorium aus­ übten.949 Dass sich diese extraterritoriale Geltung der Constitutional rights nicht auch auf Ausländerinnen und Ausländer erstreckt, selbst wenn US-Behörden die administrative Kontrolle über Einrichtungen auf fremdem Hoheitsgebiet innehaben, hielt der US Supreme Court 1950 deutlich in der Entscheidung Johnson v. Eisentrager fest.950 Damit rückte das Gericht von den Urteilen zu Chy Lung v. Freeman sowie zu Kentucky Finance Corporation v. Paramount Auto Exchange Corporation ab. In ersterem erkannte es 1875 noch die verfassungsrechtliche Klage einer Nicht-US-Bürgerin an, ohne dass sich diese auf US-amerikanischem Hoheitsgebiet befand;951 und in letzterem erweiterte es 1923 sogar die extraterritoriale Geltung der Equal protection clause auf

947  US Supreme Court, United States v. Curtiss-Wright Export Corp., 299 U.S. 304 (1936). 948  Ebd., S. 318. 949  Dies bestätigend US Supreme Court, Reid v. Covert, 354 U.S. 1 (1957) S. 7 ff., 74 f.; Kinsella v. United States ex rel. Singleton, 361 U.S. 234 (1960), S. 236 f., 249; Rasul v. Bush, 542 U.S. 466 (2004). Ersteres Urteil distanzierte sich sogar direkt von den Entscheidungen des vorangegangenen Jahrhunderts, ohne sich jedoch gänzlich von der Rechtssprechungslinie abzukehren. Siehe für eine teilweise abweichende Rechtsprechung US Court Berlin, 86 F.R.D. 227 (1979), S. 239. 950  US Supreme, Court, Johnson v. Eisentrager, 339 U.S. 763 (1950), S 767 ff. Siehe ferner US Supreme Court, United States v. Verdugo Urquidez, 494 U.S. 259 (1990); US Court of Appeals (11th Circuit), Cuban American Bar Association v. Christopher, 43 F3d 1412 (1995), S. 1430. Siehe auch US Court of Appeals (Ninth Circuit), United States v. Peterson, 812 F.2d 486, 490 (1987), welcher die Ansicht damit erklärte, dass auch andere Staaten Ausländerinnen und Ausländern kein Recht im Ausland einräumten. Ferner Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland, in: DÖV 2015, S. 593 (594). 951  US Supreme Court, Chy Lung v. Freeman, 92 U.S. 275 (1875). Dabei wurden vermeintlich 21 japanische Frauen auf einem Schiff, welches unter der chinesischen Flagge fuhr, im Hafen von Kalifornien eingesperrt und gingen nicht von Bord. Die Frauen machten hierfür das Recht auf Habeas corpus in den USA geltend.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz275

alle Personen, die „subject to the law of the state“ seien.952 Das Urteil zu Johnson v. Eisentrager sollte zudem durch die Entscheidung in United States v. Verdugo-Urquidez bestätigt werden. Hierin hob das Gericht erneut hervor, dass die Grund- und Bürgerrechte der USA gegenüber Ausländerinnen und Ausländern im Ausland keine Geltung erlangen können, weil eine solche Konzeption sonst zu „significant and deleterious consequences for the ­United States“ führe.953 Dies untermauerten zahlreiche andere Urteile in den USA unter Bezugnahme auf die Rechtsprechungslinie aus den beiden vorbenannten Entscheidungen.954 Trotz dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung bleibt die Frage der extraterritorialen Geltung nicht gänzlich unumstritten.955 Das liegt vor allem auch daran, dass der US Supreme Court in jüngeren Urteilen von der rein territorialen Sichtweise abgewichen ist und sich der Entscheidung in Ken­ tucky Finance Corporation v. Paramount Auto Exchange Corporation annäherte. Ausnahmsweise gesteht das oberste Gericht so Ausländerinnen und 952  US Supreme Court, Kentucky Finance Corporation v. Rnmount Auto Exchange Corporation, 262 U.S. 544 (1923). 953  US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 273 ff. Vor allem werden die Befürchtungen von Schadensersatzforderungen vorgebracht mit Verweis auf US Supreme Court, Bivens v. Six Unknown Federal Narcotics Agents, 403 U.S. 388 (1971); Tennessee v. Garner, 471 U.S. 1 (1985); Graham v. Connor, 490 U.S. 386 (1989). Siehe ferner auch Cleveland, Embedded International Law and the Constitution Abroad, in: Colum. L. Rev. 2010, Vol. 110, S. 225 (244); Moore, Aliens and the Constitution, in: NYU L. Rev. 2013, Vol. 88, S. 801 (835). 954  US Court of Appeals (Second Circuit), In Re Terrorist Bombings of U.S. Embassies in East Africa, 552 F.3d 157 (2008), S. 168, welcher ebenfalls die Geltung des 4th Amendments gegenüber Ausländerinnen und Ausländern außerhalb der USA versagte (vom US Supreme Court wurde eine Berufung versagt: 130 S. Ct. 1050 (2010)); US Court of Appeals (First Circuit), United States v. Bravo, 489 F.3d 1 (2007), S. 9, in welchem das Gericht direkt die Rechtsprechung zu Verdugo-Urquidez adaptierte und seine Begrünung darauf stützte (vom US Supreme Court wurde eine Berufung versagt: 552 U.S. 939 (2007)); US Court of Appeals (Ninth Circuit), United States v. Davis, 905 F.2d 245 (1990), S. 251, welcher die Rechtsprechung des US Supreme Court sogar um die Versagung der extraterritorialen Geltung für Ausländerinnen und Ausländer auf die Hohe See erweiterte; US District Court for the Eastern District of New York, United States v. Defreitas, 701 F. Supp. 2d 297 (2010), S. 304. 955  Siehe für abweichende Meinungen Richter William Brennan, United States v. Verdugo Urquidez, 494 U.S. 259 (1990) S. 283 (welcher sich Richter Thurgood Marshall anschloss): welche das territoriale Kriterium in Frage stellten. Fermer US Court of Appeals (Second Circuit), In Re Terrorist Bombings of U.S. Embassies in East Africa, 552 F.3d 157 (2008), S. 169, welcher die Geltung für Ausländerinnen und Ausländer zwar versagte, aber darauf hinwies, dass Haftbefehle oder Hausdurchsuchungen im Ausland gar nicht vorgenommen werden dürften. Ähnlich US District Court for the Northern District of Illinois, United States v. Stokes, 710 F. Supp. 2d 689 (2009), S. 700.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Ausländern einen gewissen Mindestschutzstandard zu, sofern die Personen dem US-Recht unterworfen werden. Offenkundig wird dies in der Rechts­ sache Asahi Metal Industrial Cooperation v. Superior Court, in welcher einer ausländischen Firma im Ausland verfassungsrechtlicher Schutz über das 14th Amendment zugesprochen wurde, da die Effekte des US-staatlichen Handelns innerstaatlichen Ursprung hatten.956 Überdies gewährte der US ­Supreme Court jüngst in dem Urteil zu Boumediene v. Bush einzelnen ausländischen Gefangenen vom kubanischen Guantánamo Bay zumindest das Rechtsmittel des Habeas corpus und ließ Fragen von Nationalität und Territorium beiseite.957 Das Gericht vermied es allerdings, eine genaue Geltungsreichweite aufzustellen und den Mindestschutzstandard weiter auszuformen.958 Daher wird teilweise in Frage gestellt, ob diese Entscheidung auch auf Rechte Anwendung finden kann, die nicht lediglich Justizgrundrechte betreffen.959 Nichtsdestotrotz hat der US Supreme Court aber zumindest die Tür für ein extraterritoriales Verfassungsverständnis für Ausländerinnen und Ausländer ein Stück weit geöffnet.960

956  US Supreme Court, Asahi Metal Industrial Cooperation v. Superior Court, 480 U.S. 102 (1987), S. 116, wobei in letzterem Urteil einer ausländischen Firma verfassungsrechtlicher Schutz zugesprochen wurde. 957  So in US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 US 723 (2008). Ebenso in US Supreme Court, Munaf v. Geren, 128 S. Ct. 2207 (2008), S. 2218. Ähnlich vorher US Supreme Court, Rasul v. Bush, 542 US 466 (2004). Siehe dafür auch US Court of Appeals (Fifth Circuit), United States v. Cortes, 588 F.2d 106 (1979). Siehe ferner US District Court for the District of Columbia, United States v. Larrahondo, 885 F. Supp. 2d 209 (2012), S. 221, welcher die Rechtsprechung zu Verdugo-Urquidez nur solange akzeptiere, „where the method of gathering evidence ‚shocks the conscience‘.“ 958  Ähnlich auch Cleveland, Embedded International Law and the Constitution Abroad, in: Colum. L. Rev. 2010, Vol. 110, S. 225 (279). 959  So Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 23 f. 960  Von exekutiver Seite wurde deshalb im Kontext der „Targeted killings“ vom damaligen Präsidenten Barack Obama versichert, dass Nicht- und US-Bürgerinnen bzw. US-Bürger gleichermaßen behandelt werden. Siehe The White House, Press Release, Fact Sheet: U.S. Policy Standards and Procedures for the Use of Force in Counterterrorism Operations outside the United States and Areas of Active Hostilities vom 23.05.2013, verfügbar unter: http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2013/ 05/23/fact-sheet-us-policystandards-and-procedures-use-force-counterterrorism (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Diese Erweiterung auf Ausländerinnen und Ausländer im Ausland (noch) nicht sehend: Abweichende Meinung von Richter Antonin Scalia in US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 U.S. 723 (2008). Sie auch Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (93), der die Geltung allerdings als moralische Verpflichtung erachtet.



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c) Internationaler Einfluss auf die Bindungs- und Geltungswirkung auf die Civil Liberties Die internationalen Einflüsse von menschenrechtlichen Verträgen und völkerrechtlichen Einrichtungen haben in Deutschland und Frankreich gezeigt, dass im Bereich der elementaren Grund-, Bürger- und Menschenrechte auf nationaler Ebene extraterritoriale Erweiterungen stattgefunden haben und deren Bedeutung für die Interpretation der nationalen Regeln gestiegen ist. Auch in den USA ist der Einfluss internationalen Rechts für die Interpretation nationalen Verfassungsrechts nicht vollends unerheblich. Die US-amerikanischen Gerichte betrachten die aktuellen völkerrechtlichen Entwicklungen und versuchen unter deren Bezugnahme, nationale Regelungen mit diesen in Einklang zu bringen961 oder nehmen Bezug auf ausländische Normen als Interpretationshilfe.962 Sarah Cleveland meint allerdings, wenn eine Verfassungsnorm unter Bezugnahme auf das internationale Recht vom US Supreme Court ausgelegt wurde, gelte diese unbegrenzt und könne von dieser Auslegung zumeist nicht abgewichen werden – egal wie weit diese Entscheidung zurückliege.963 Das führe ihrer Ansicht dazu, dass die meisten Gerichte auch Jahrzehnte später auf die damaligen Entscheidungen aus vergangenen Jahrhunderten Bezug nehmen, die das internationale Recht lediglich für ihre damalige Zeit eruiert haben.964 Allerdings hat den US Supreme Court die Frage der extraterritorialen Reichweite von internationalen Menschenrechten noch nicht erreicht und hat dieser in früheren Entscheidungen zur extraterritorialen 961  Dies passierte bspw. im Bereich des internationalen Seerechts oder bei der Auslegung der grausamen und ungewöhnlichen Bestrafung i. S. d. 8th Amendment. Siehe dafür US Supreme Court, Roper v. Simmons, 543 U.S. 551 (2005), S. 576; Trop v. Dulles, 356 U.S. 86 (1958), S. 102. Siehe ebenfalls Richterin Sandra O’Connor, Remarks at the Southern Center for International Studies, 2003, S. 1 f., verfügbar unter: http://www.southerncenter.org/OConnor_transcript.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020), welche sich stetig für die völkerrechtlichen Regeln als Interpretationshilfe für den US Supreme Court einsetzte. Siehe auch US Supreme Court, Air France v. Saks, 470 U.S. 392 (1985), S. 404. Generell dazu Cleveland, Our International Constitution, in: Yale J. Int. L. 2006, Vol. 31, S. 1 (1 ff.). 962  Siehe US Supreme Court, Abbott v. Abbott, 130 S. Ct. 1983 (2010), S. 1993 f., in welcher das oberste Gericht anerkannte, dass „[i]n interpreting any treaty, [t]he opinions of our sister signatories […] are entitled to considerable weight.“ Andererseits stellte zumindest Richter Antonin Scalia klar: „I do not use foreign law in the interpretation of the United States Constitution.“ Scalia/Breyer, U.S. Association of Constitutional Law Discussion: Constitutional Relevance of Foreign Court Decisions vom 13.01.2005, verfügbar unter: http://www.freerepublic.com/focus/news/1352357/ posts (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 963  So Cleveland, Embedded International Law and the Constitution Abroad, in: Colum. L. Rev. 2010, Vol. 110, S. 225 (245 f.). 964  Ebd., S.  245 f.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Reichweite der eigenen Civil Liberties keine Bezüge zum internationalen Recht herangezogen bzw. wurde das internationale Recht als irrelevant für die Verfassungsinterpretation im jeweils spezifischen Fall erachtet.965 Trotz fehlender Entscheidung des US Supreme Court ist jedoch festzuhalten, dass auf internationaler Ebene das US-amerikanische Verständnis von Ausländerinnen- und Ausländerschutz im Kontrast zum Verständnis des IGH, des EGMR, des UN Menschenrechtsausschusses und der Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte steht.966 Die Exekutive in den USA lehnt eine extraterritoriale Geltung menschenrechtlicher Verpflichtungen – trotz vielseitiger Kritik und entgegen der breiten Staatengemeinschaft967 – als persistent objector generell ab.968 Eine bindende Verpflich965  Siehe US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 296. Ferner Hathaway, Human Rights Abroad, in: Ariz. St. L. J. 2011, Vol. 43, S. 389 (395). 966  Siehe hierfür bereits Abschnitt C.II.1.b)dd)(2). 967  Vgl. UN Human Rights Committee, Report vom 11.05.1994, UN Doc. A/50/40, S. 284; Summary Record of the 1405th Meeting vom 31.03.1995, UN Doc. CCPR/C/ SR, Rn. 20; Consideration of Reports Submitted by States Parties Under Article 40 of the Covenant: Third Periodic Report vom 28.11.2005, Annex I, UN Doc. CCPR/C/ USA/3, S. 110; Consideration of Reports Submitted by States Parties under Article 40 of the Covenant: Concluding Observations of the Human Rights Committee, United States of America, 87th Session vom 18.12.2006, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/3/ Rev.1, S. 10; Consideration of Reports Submitted by States Parties Under Article 40 of the Covenant: Comments by the Government of the United States of America on the Concluding Observations of the Human Rights Committee vom 02.02.2008, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/3/REV.1/ADD.1, S. 2. Der EGMR bemühte sich allerdings im Fall Soering, seine extraterritoriale Interpretation der EMRK nicht auch auf die USA auszudehnen. So jedenfalls Milanovic, The Extraterritorial Application for Human Rights Treaties, 2011, S. 8. Siehe ferner ders., Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (103), welcher keinen klaren Willen der USA aus den Travaux préparatoires herauslesen könne. Ebenso auch IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory (Advisory Opinion), 2004 I.C.J. 136, S. 179; da Costa, The Extraterritorial Application of Selected Human Rights Treaties, 2012, S. 40; Gondek, The Reach of Human Rights in a Globalising World: Extraterritorial Application of Human Rights Treaties, 2009, S. 118 f.; Margulies, The NSA in Global Perspective, in: Fordham L. Rev. 2014, Vol. 82, S. 2137 (2137); Giuffré, Watered-down Rights on the High Seas, in: Int. & Comp. L. Q. 2012, Vol. 61, S. 728 (734); Canor, Solange horizontal – Der Schutz der EU-Grundrechte zwischen Mitgliedstaaten, in: ZaöRV 2013, Vol. 73, S. 249 (266). 968  Deutlich wurde diese Auffassung formuliert vor dem UN Human Rights Committee, Summary Record of the 1405th Meeting vom 31.03.1995, UN Doc. CCPR/C/ SR, Rn. 20; Consideration of Reports Submitted by States Parties Under Article 40 of the Covenant: Third Periodic Report vom 28.11.2005, Annex I, U.N. Doc. CCPR/C/ USA/3; UN Commission Against Torture, Consideration of Reports Submitted by States Parties under Article 19 of the Convention, 2nd Periodic Report of States Parties due in 1999 vom 29.06.2005, United States of America, UN Doc. CAT/C/48/



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz279

tung erkennt sie selbst dann nicht an, wenn durch extraterritoriale Handlungen ihrer Einheiten zivile Opfer zu beklagen waren.969 Änderungsversuche dieser Haltung seitens der Exekutive wurden – mit Ausnahme der Zusicherung seitens Barack Obamas zur Einführung eines Minimalschutzes bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung970 – stets abgelehnt.971 Im Gegenteil deuten die neuerlichen Entwicklungen der Abkehr der USA vom UNMenschen­rechtsrat,972 der Aufkündigung des Iran-Atom-Deals973 und des Add.3 S. 12, 75 f., 86. Siehe ebenso Waxman, Head of U.S. Delegation, U.S. Delegation Response to Oral Questions from the Members of the Committee vom 18.07.2006, verfügbar unter: http://www.usmission.ch/Press2006/0718iccprResponse.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020), in welcher Matthew Waxman klarstellt, dass die Inhaftierungen von Menschen außerhalb des US Territoriums lediglich vom „law of war“ geregelt und menschenrechtliche Verträge nicht anwendbar seien. Ähnlich bereits Brief vom Permanent Representative of the U.S. to the U.N. and Other International Organs in Geneva, to the Office of the High Commissioner for Human Rights vom 31.01.2006, abgedruckt in: UN High Commissioner on Human Rights, Report of the Chairman of the Working Group on Arbitrary Detention et al. on the Situation of Detainees at Guantánamo Bay vom 27.02.2006, U.N. Doc. E/CN.4/2006/120, Annex II. Die extraterritoriale Geltung von menschenrechtlichen Verträgen lehnen auch Israel und zeitweilig auch Großbritannien ab. Siehe überblicksartig dazu Tomuschat, Human Rights between Idealism and Realism, 3. Aufl. 2014, S. 101; Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (102 ff.). 969  Vgl. Santicola, Extra-Territorial Use of Force, Civilian Causalities, and the Duty to Investigate, in: Colum. Hum. R. L. Rev. 2018, Vol. 49, S. 183 (212 ff.). 970  Vgl. dafür Podesta et al., Executive Office of the President, Big Data: Seizing Opportunities, Preserving Values, in: Obama White House Online vom 01.05.2014; Monaco, Obama Administration: Surveillance Policies Under Review, in: USA ­TODAY vom 24.10.2013. 971  Dies zeigt der Entwurf des Berichts für das Human Rights Committee seitens des Rechtsberaters Harold Koh, der von der extraterritorialen Geltung der ICCPR ausging, aber die entscheidenden Funktionäre in der Exekutive von dieser Änderung der politischen Linie nicht überzeugen konnte. So wiedergegeben in Savage, U.S. Seems Unlikely to Accept That Rights Treaty Applies to Its Actions Abroad, in: New York Times vom 07.03.2014, verfügbar unter: http://www.nytimes.com/ 2014/03/07/world/us-seemsunlikely-to-accept-that-rights-treaty-applies-to-its-actionsabroad.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 972  Vgl. hierfür das Statement der damaligen UN Botschafterin der USA Nikki Haley, zitiert in: Morello, U.S. withdraws from U.N. Human Rights Council over perceived bias against Israel, in: Washington Post vom 19.06.2018, verfügbar unter: https://www.washingtonpost.com/world/national-security/us-expected-to-back-awayfrom-un-human-rights-council/2018/06/19/a49c2d0c-733c-11e8-b4b7-308400242c2e _story.html?utm_term=.ca809f63ddd9 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 973  Vgl. Statement von Präsident Donald Trump vom 08.05.2018 zur Ankündigung der Aufkündigung des Iran-Atom-Deals, ein vollständiges Transkript findet sich bei The New York Times vom 08.05.2018, verfügbar unter: https://www.nytimes.com/ 2018/05/08/us/politics/trump-speech-iran-deal.html?action=click&module=inline& pgtype=Article (zuletzt abgerufen am 30.10.2020).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Pariser Abkommens974 an, dass in naher Zukunft eine Kehrtwende hin zur Akzeptanz einer extraterritorialen Geltungsreichweite nicht zu erwarten ist. Daher hat das internationale Recht auf die nationale Verfassungsebene so gut wie kaum Einfluss hinsichtlich einer Erweiterung der territorialen Geltungsreichweite der Civil Liberties. d) Der Schutz des „right to privacy“ in den USA in Zeiten auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung aa) The Constitutional Right to Privacy in the United States of America Die US-Verfassung ist heute als „supreme law of the land“ nicht nur das wichtigste nationale Instrument zum Schutz der Civil Liberties, sondern zugleich die bedeutendste Limitierung staatlicher Gewalt – insbesondere im Bereich des Schutzes der Privatheit bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen.975 Allerdings normieren die US-amerikanischen Verfassungsdokumente – wie auch in Deutschland und Frankreich – nicht ausdrücklich ein Recht auf Privatheit.976 Seinen Ursprung hat dieses Indivi974  Siehe Statement von Präsident Donald Trump vom 31.05.2017, in welcher er verlauten ließ: „In order to fulfill my solemn duty to protect America and its citizens, the United States will withdraw from the Paris climate accord“, verfügbar unter: https://www.whitehouse.gov/briefings-statements/statement-president-trump-parisclimate-accord/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 975  Vgl. Art 6 Abs. 2 US Verfassung: „This Constitution […] shall be the supreme Law of the Land“. Ähnlich Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 16. 976  Privatsphäre, Persönlichkeitsrechte oder gar etwas Vergleichbares wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind der US Verfassung nicht bekannt. So Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (176); Tourkochoriti, Speech, Privacy and Dignity in France and in the U.S.A., in: Loy. L.A. Int’l & Comp. L. Rev 2016, Vol. 38, S. 217 (246). Auf bundesstaatlicher Verfassungsebene existieren allerdings eine Reihe von Regelungen: In Alaska wurde 1972 in der bundesstaatlichen Verfassung in Art. I, § 22 Alaska’s Constitution eingeführt: „The right of the people to privacy is recognized and shall not be infringed. The legislature shall implement this section“. Ähnliche Regelungen gibt es in Art. 1 Sec. 1 California Constitution; Art. 1 §§ 6, 7 Constitution of the State of Hawaii; Art. 1 § 5 Constitution of the State of Louisiana; Art. 1 § 10 Constitution of the State of South Carolina; Art. 1 §§ 6, 12 Constitution of the State of Illinois; Art. II, Sec. 10 Constitution of the State of Montana. Der Art. 1, Sec. 23 Florida Constitution wurde 1980 eingeführt und fokussiert sich mehr auf das „right to be let alone“. Ebenso ist das unterschiedliche Konzept der Privatsphäre im Kontext von bestimmten öffentlichen Ämtern in der EU und den USA hervorzuheben: Auf das „right to privacy“ in der EU dürfen sich staatliche Funktionäre nur berufen, wenn sie nicht in Ausübung ihres Amtes handeln und auftreten; in den USA ist



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz281

dualrecht aber dennoch in den USA, wo Louis Brandeis und Samuel Warren 1890 das „Right to be let alone“ aus dem Prinzip der Unverletzlichkeit der Persönlichkeit herleiteten.977 Es sollte zur damaligen Zeit als Antwort auf die den privaten Lebensbereich komplett verkennenden Presseaktivitäten dienen und löste einen Anstoß zu einer Debatte aus, die über mehrere Jahrzehnte geführt wurde.978 Beide fokussierten sich anfangs nicht darauf, staatliche Eingriffe in dieses Recht zu limitieren, sondern schufen vielmehr ein allgemeines Verständnis dafür, dass jeder und jedem ein psychischer und physischer privater Lebensbereich zustehe.979 Nach der Berufung Louis Brandeis zum Richter des US Supreme Court 1916 begann das Gericht sich vermehrt mit diesem Themenkomplex auseinanderzusetzen. Im Jahre 1925 akzeptierte es, dass Bereiche existieren, die frei von staatlicher Einflussnahme seien, und Individuen eine verfassungsrechtlich garantierte Freedom of choice zustehe.980 Fünf Jahre später brachte Louis Brandeis seine mittlerweile auf staatliche Eingriffe erweiterte Konzeption des „Right to be let alone“ im Urteil zu Olmstead v. United States ein, die allerdings keine Mehrheit bei den restlichen Richtern erreichen sollte und lediglich über seine abweichende Meinung den Weg in die Rechtsprechungslinie des US Supreme Court fand.981 Dieser Rückschlag zur Etablierung eines derartigen Rechts sollte dazu führen, dass über Jahrzehnte hierzu Stillstand herrschen sollte. Neuen Aufschwung bekam die Konstituierung eines Rechts auf Privatheit erst wieder 1961 mit der Entscheidung Poe v. Dullman, in welcher – abermals in einer abweichenden Meinung – Richter John Harlan ein Right to es hingegen der Person selbst überlassen, zu entscheiden, ob sie amtlich oder als Privatperson auftritt – sie muss es nur kenntlich machen. Siehe hierzu Tourkochoriti, Speech, Privacy and Dignity in France and in the U.S.A., in: Loy. L.A. Int’l & Comp. L. Rev. 2016, Vol. 38, S. 217 (236 f.) mit Verweis auf EGMR, Tammer v. Estonia, Urteil vom 06.02.2001, Appl. No. 41205/98, Rn. 46. 977  Brandeis/Warren, The Right to Privacy, in: Harv. L. Rev. 1890, Vol. IV, S. 193 (193 ff.). 978  Ebd., S. 196 ff. Vgl. ferner Westin, Privacy and Freedom, 1967, S. 8 ff., welcher eine Definition sogar für unmöglich hielt: „No definition of privacy is possible, because privacy issues are fundamentally matters of values, interests, and power“. Ähnlich Duerr, Der Mythos vom Zivilisationsprozeß, 1988, S. 165 ff. 979  Brandeis/Warren, The Right to Privacy, in: Harv. L. Rev. 1890, Vol. IV, S. 193 (193 ff.). Vgl. auch Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (177). 980  US Supreme Court, 268 U.S. 510 (1925), S. 532. Ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1008, die beide die „freedom of choice“ als Ausgangs­ punkt für die Entwicklung sehen. Allerdings ist zu erwähnen, dass der US ­Supreme Court bereits 1886 davon sprach, dass die Amendments generell „the privacies of life [against …] arbitrary power“ schützen, ohne das Recht auf Privatheit anzuer­kennen. Siehe US Supreme Court, Boyd v. United States, 116 U.S. 616 (1886), S. 630. 981  US Supreme Court, Olmstead v. United States, 277 U.S. 438 (1928), S. 478.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

privacy verletzt sah. Er wies darauf hin, dass ein Gesetz im Bundesstaat Connecticut, welches die Verwendung von Verhütungsmittel und die medi­ zinische Beratung hierüber verbot, „the most intimate concerns of an individual’s personal life“ berühre, obwohl diese frei von staatlicher Einflussnahme seien.982 Vier Jahre später sollte sich auch die Mehrheit der Richterinnen und Richter zu einem solchen Recht bekennen. Das Right to privacy wurde im Landmark judgement zu Griswold v. Connecticut vom US Supreme Court verfassungsrechtlich anerkannt.983 Dieser bestätigte, dass verschiedene „[Amendments] create zones of privacy“ und obgleich sie nicht in der Bill of Rights verschriftlich wurden, dennoch von vergleichbarer Wichtigkeit für das verfassungsrechtliche Verständnis seien.984 Es ließe sich aus den „penumbras [and …] emanations“ der jeweiligen verfassungsrechtlichen Garantien herleiten, dass es ohne ein „fundamental right to privacy“ keine Sicherheit der Person oder des Eigentums gäbe. Das Recht auf Privatheit soll dementsprechend vor Eingriffen in das „individual personal life“ schützen und garantieren, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, ohne durch den Staat grundlos beeinflusst oder daran gehindert zu werden.985 Dieser Schutz wurde allerdings lange Zeit ausschließlich räumlich verstanden und umfasste nur die Wohnung, bewegliches Eigentum sowie deren willkür982  Siehe US Supreme Court, Poe v. Dullman, 367 U.S. 467 (1961), S. 539 ff. Als weiterer Grundstein hierfür gilt auch die Entscheidung des US Supreme Court, Skinner v. Oklahoma, 316 U.S. 535 (1942), in welcher das Gericht anerkannte, dass es „fundamental rights“ gebe, die vor der Mehrheit der Gesellschaft schützen würden. 983  Estelle Griswold war medizinische Direktorin eines Familienplanungszentrums und wurde dafür strafrechtlich sanktioniert, weil sie über Verhütungsmittel aufklärte, was damals in der Verfassung von Connecticut verboten war. Der Supreme Court bezog sich in seinem Urteil auf mehrere verletzte Amendments, die alle samt einen Privatsphärenkern hätten: das 1st Amendment und die Vereinigungsfreiheit, das 4th Amendment und das Recht auf Sicherheit sowie Schutz vor unbegründeten Durchsuchungen und Beschlagnahmen, das 5th Amendment und das Recht sich nicht selbst belasten zu müssen. Das Gericht hob hierbei hervor: „We deal with a right of privacy older than the Bill of Rights – older than our political parties“. Siehe US Supreme Court, Griswold v. Connecticut, 381 U.S. 479 (1965), S. 484, 486. Zuvor verwies der US Supreme Court aber bereits auf ein „right to privacy“ aus dem 4th Amendment in Mapp v. Ohio, 367 U.S. 643 (1961), S. 656. Bestätigt in US Supreme Court, Roe v. Wade, 410 U.S. 113 (1973). Das ungeschriebene Right to privacy ist eines von fünf weiteren, die das oberste Gericht bisher entwickelt hat. Siehe dafür umfassend Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 502 f.  US Supreme Court, Griswold v. Connecticut, 381 U.S. 479 (1965), S. 484. In ihren übereinstimmenden Meinungen gaben die Richter Arthur Goldberger, William Brennan, John Harlan und Byron White an, dass auch das 9th und 14th Amendment Elemente des Right to privacy beinhalten. Ebd., S. 486 ff., 499 ff., 503 ff. 984  US Supreme Court, Griswold v. Connecticut, 381 U.S. 479 (1965), S 484, 486. 985  So Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 503; DeCew, Pursuit of Privacy: Law, Ethics, and the Rise of Technology, 1997, S. 110 ff.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz283

liche Beschlagnahme oder Durchsuchungen.986 Der Schutz der Privatheit lässt sich aber in den USA nicht mehr nur auf den Schutz der räumlichen Integrität der Wohnung reduzieren, sondern hat Einfluss auf diverse private Lebensbereiche gefunden.987 Mittlerweile sieht das Gericht die Privatsphäre im 1st, 3rd, 4th, 5th, oder auch im 9th Amendment verankert.988 Trotz der seither bestehenden verfassungsrechtlichen Anerkennung des Right to privacy ist deren Schutz vage und schwach ausgestaltet, was für alle Verfassungsrechte gilt, die der US Supreme Court ohne geschriebene Grundlage hergeleitet hat.989 Prinzipiell sollte diese Konzeption nach damaliger Rechtsprechung nicht generell Verstöße gegen private Lebensumstände untersagen, aber die Exekutive zumindest daran hindern, ohne legitimen und erkennbaren Grund (Reasonableness) in die Privatheit von US-Bürgerinnen und US-Bürgern einzugreifen.990 Des Weiteren verlangte das 4th Amendment detaillierte richterliche Anordnungen (Warrants) für einen spezifischen Fall, welcher einen hinreichenden Verdacht zulasse (Probable cause).991 Um sich auf dieses Recht berufen zu können, müssen Personen zudem anhand des „reasonable expectation of privacy“-Test aufzeigen, dass jemand in ihrer 986  So Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (177). 987  „[T]he Fourth Amendment protects people, not places“. So US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 351. Ebenso US Supreme Court, Soldal v. Cook County, 506 U.S. 56 (1992), S. 64; Lawrence v. Texas 539 U.S. 558 (2003), welches das in Bowers v. Hardwick, 478 U.S. 186 (1986) bestätigte Sodomieverbot abschaffen sollte. Siehe ferner Wittmann, Nobody Watches the Watchmen, in: ZaörV 2013, Vol. 73, S. 373 (416). 988  Im Bereich staatlicher Überwachung nimmt der US Supreme Court jedoch fast ausschließlich Rekurs auf das 4th Amendment. 989  So Katz, In Search of a Fourth Amendment for the Twenty-first Century, in: Ind. L. J. 1990, Vol. 65, S. 549 (549 f.); Price, Rethinking Privacy, in: J. Nat. Sec. L. & Pol. 2016, Vol. 8, S. 247 (247). Zusammenfassend für Kritik an dem „Aktivismus“ des US Supreme Courts, neue Grundrechte ohne schriftlichen Anknüpfungspunkt aufzuweisen: Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 499 ff. 990  Aus dem 4th Amendement folgt lediglich das Verbot von „unreasonable searches and seizures“. Siehe dazu US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 350 f. Ferner US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 266 mit Verweis auf US Supreme Court, Boyd v. United States, 116 U.S. 616 (1886), S. 625 f. Ebenso US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2481: „the ultimate touchstone of the Fourth Amendment is ‚reason­ ableness‘.“ Siehe ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1011. 991  So auch Goldberger, Consent, Expectations of Privacy, and the Meaning of Searches in the Fourth Amendment, in: J. Crim L. & Criminology 1984, Vol. 75, S. 319 (338 ff., 348), welcher klarstellt: „[W]arrant and probable cause [are] the two cornerstones of reasonableness.“ Ferner Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 20.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

bzw. seiner individuellen Freiheit auf Privatheit verletzt sei.992 Danach müsse die betroffene Person sowohl subjektiv die Erwartung gehabt haben, dass in einem gewissen privaten Bereich keine staatliche Beeinträchtigung vorgenommen wird, weil diese wegen des Right to privacy geschützt ist, als auch diese Annahme objektiv begründbar sein.993 Alles, was diesem Test nicht standhält, sollte ausschließlich privatrechtlich determiniert werden.994 Das führte in der Praxis dazu, dass der US Supreme Court ein Right to privacy fast ausschließlich auf einer Case-by-case basis gewährte.995 Als weitere Grenze legt der US Supreme Court Wert darauf, dass man sich nicht auf sein Right to privacy i. S. d. entwickelten Third-party Doctrine beziehen könne, wenn man freiwillig persönliche Informationen – in welcher Weise auch immer – in den Umlauf oder direkt an Dritte gegeben habe.996 Das gelte danach insbesondere für Kommunikationsverbindungsdaten, die zur Kommunikationsherstellung freiwillig an Dritte weitergeleitet werden und damit ihren Schutz verlieren.997 Vielmehr wird Data Mining998 in den Grenze wurde in Bezug auf das 4th Amendment entwickelt. Siehe US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 347, 356. 993  Diese Erwartung kann eine Person nicht mehr haben, wenn sie mit einer staatlichen Maßnahme rechnen musste. Notwendig für das objektive Kriterium ist u. a., dass der Schutz legitim oder gesellschaftlich akzeptiert ist. So Wittmann, Nobody Watches the Watchmen, in: ZaörV 2013, Vol. 73, S. 373 (387). Der Test dient des Weiteren dazu, der Legislative mehr Flexibilität bei der Gesetzgebung einzuräumen und einen klassischen Persönlichkeitsrechtsschutz zu vermeiden. So zumindest Klar/ Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (177). Ebenso dient ein schwächerer Schutz verbraucherpolitischen Zielen. So zumindest Weichert, Privatheit und Datenschutz im Konflikt zwischen den USA und Europa, in: RDV 2012, S. 113 (114). 994  Einfachgesetzlich wurde 1974 das Right to privacy im Privacy Act verschriftlicht, welcher die konzeptionellen Grundgedanken von Louis Brandeis und Samuel Warren übernahm. Publication Law S. 93–579, 88 Stat. 1896. Zwar gibt es mittlerweile auch weitere einfachgesetzliche Regelungen zur Privatsphäre, diese verteilen sich allerdings auf eine Vielzahl von verschiedenen Regelungen und es gibt kein – effektives und durchgreifendes – Gesetz auf Bundesebene. Siehe ferner DeCew, Pursuit of Privacy: Law, Ethics, and the Rise of Technology, 1997, S. 26 ff., nach welcher das Tort right to privacy überwiegend die Kontrolle und Verwendung von personenbezogenen Daten betreffe. Vgl. dafür auch 5 U.S.C. § 552a (a) (1). Vgl. auch Klar/ Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (179); Schwartz, The EU-U.S. Privacy Collision, in: Harv. L. Rev. 2013, S. 1966 (1994 ff.). 995  Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1008. 996  US Supreme Court, United States v. Miller, 425 U.S. 435 (1976); Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979). 997  So Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979), S. 744 f. Siehe zur Einschränkung dieser Rechtsprechung aber auch den folgenden Abschnitt C.III.2.d)cc). Vgl. auch Yoo, The Legality of the National Security Agency’s Bulk Data Surveillance Pro992  Diese



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USA sogar als wirtschaftlich geschützte Tätigkeit betrachtet, weswegen die Aufsicht datenschutzrelevanter Angelegenheiten nicht – wie es in Deutschland der Fall ist – eine Datenschutzbeauftragte bzw. ein Datenschutzbeauftragter, sondern die Federal Trade Commission übernimmt.999 Dort werde – nach Manuel Klar und Jürgen Kühling – darauf vertraut, dass bei zu weitgehenden Eingriffen der Unternehmen in das Recht auf Privatheit der Bürgerinnen und Bürger ein immenser Imageschaden und wettbewerbsrechtliche Nachteile drohten, weswegen sich ein angemessenes Privatheits- und Datenschutzniveau anhand der Nachfrage einpendeln werde.1000 Ein weiterer Grund für die tendenziell schwache Ausgestaltung dieser verfassungsrechtlichen Garantie hängt mit dem sehr starken Schutz der Freedom of speech zusammen.1001 Diese gilt auch im kommerziellen Sektor und kann grams, in: ISJLP 2014, Vol. 10, S. 301 (314). Kritisch dazu Solove, Nothing to Hide, 2011, S. 103, der die Third-party doctrine den „greatest threat to privacy in our times“ nennt. 998  Bezeichnet Datenverarbeitungsprozesse von Dritten. 999  Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (178 f.); Spies, Neue Datenschutzvorschriften auf dem Prüfstand, in: ZD 2011, S. 12 (13). Zur Federal Trade Commission allgemein vgl. Serwin/ McLaughlin/Tomaszewski, Privacy, Security and Information Management, 2011, S.  421 ff. 1000  So Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (179), nach welchen sich die Unternehmen bewusst so ausrichten, dass in die Privatsphäre ihrer Kundinnen und Kunden nur mit „Augenmaß“ eingegriffen werde. Sie halten es daher auch für konsequent, dass Persönlichkeitsrechtsverletzung über das Deliktsrecht abgewehrt werden müssten. Siehe dazu auch Prosser, Privacy, in: Calif. L. Rev. 1960, Vol. 48, S. 383 (389). Auf bundesstaatlicher Ebene haben aber einige Staaten die Datenschutzgesetze verstärkt. Gerade Kalifornien gilt als Vorreiter für den Datenschutz („California Effect“), da der Bundesstaat als einer der ersten 2008 eine eigene Regelung erlassen hat, welche einen gewissen Datenschutzstandard schuf und bei Verletzungen des Datenschutzes die betroffenen Personen hiervon unterrichtet werden mussten. Vgl. dafür den California Database Security Breach Notification Act 2008, California Senate Bill 1386 (SB 1386), California Civil Code § 1798.83. Zusätzlich erließ Kalifornien den California’s Reader Privacy Act 2011, California Senate Bill 602 (SB 602), § 6267 California Civil Code, welcher Anbietern von Print- und elektronischen Büchern verpflichtet, die personenbezogenen Daten der Kundinnen und Kunden nur herauszugeben, wenn dafür eine gerichtliche Anordnung vorliegt und verhängt hohe Strafen für Vergehen. In Washington State sind zudem die Nutzung von IMSI-Catchern und das Abfangen von Textnachrichten unter gerichtliche Anordnung gestellt. Stärkere Datenschutzgesetze auf föderaler Ebene sind auch erlaubt: US Court of Appeals (Second Circuit), People v. Weaver, 882 N.Y.S.2d 364, S. 445. 1001  Siehe dazu auch US Supreme Court, Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council, Inc., 425 U.S. 748 (1976). Das Tort right of privacy wurde vom US Supreme Court aber auch dann anerkannt und als Gegenpol zur Meinungsfreiheit herangezogen, wenn eine freie Rede gegen Privatheitsrechte

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

staatliche Beschränkungen von modernen Datenverarbeitungsprozessen wegen ihrer herausragenden Bedeutung stark limitieren.1002 bb) The Right to Privacy & State Surveillance Seit der Entscheidung Griswold v. Connecticut wurden zahlreiche Gesetze, die eine umfassende Überwachung von personenbezogenen Daten erlaubten, auf ihre Vereinbarkeit mit dem Right to privacy überprüft. In den Siebziger Jahren zeigte sich das oberste Gericht noch vermehrt zurückhaltend in Bezug auf sein neu geschaffenes Verfassungsrecht. Daher hielt es die allgemeine staatliche Überwachung von Gesundheitsdaten 1977 in Whalen v. Roe für vereinbar mit dem Right to privacy1003 und zeigte auf, dass personenbezogene Daten von unbeteiligten Personen für die gerichtliche und polizeiliche Strafverfolgung verwendet werden dürfen, ohne dass dies unvereinbar mit dem Schutz der Privatheit sei.1004 Diese weitgehende Auffassung begrenzte verstoßen hat. Siehe US Supreme Court, Gertz v. Robert Welch, 418 U.S. 323 (1974); Cox Broadcasting Corporation v. Cohn, 420 U.S. 469 (1975). 1002  Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (178). Siehe generell zur Bedeutung der Meinungsfreiheit Dworkin, Taking Rights Seriously, 1978, S. 186 ff. 1003  In der Entscheidung des US Supreme Court in Whalen v. Roe hielt das Gericht es für vereinbar mit dem Right to privacy, wenn sowohl Apothekerinnen und Apotheker als auch Medizinerinnen und Mediziner von staatlicher Seite verpflichtet werden, alle Informationen über die Verschreibung und Herausgabe von Medikamenten an bestimmte Behörden zu übermitteln: US Supreme Court, Whalen v. Roe, 429 U.S. 589 (1977). Selbst die Gefahr, dass keine gesetzlichen Vorkehrungen existierten, dass diese Daten nicht unangemessen verwendet werden, führte nicht zur Verfassungswidrigkeit. Kritisch dazu Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1078. 1004  Im Urteil Warden v. Hayden erweiterte er die Möglichkeiten der Polizei auf personenbezogene Daten zuzugreifen für Fälle, in denen keine individuelle Person gesucht werde und lediglich ein Verdacht einer Straftat vorliege und zeigte auf, dass dieses Recht in Strafverfahren ausschließlich über das 4th Amendment gewährleistet werde. Vgl. US Supreme Court, Warden v. Hayden, 387 U.S. 294 (1967). Ebenso US Supreme Court, Andresen v. Maryland, 427 U.S. 463 (1976). Siehe ferner US Su­ preme Court, United States v. Miller, 425 U.S. 435 (1976) in Bezug auf Bank- und Transaktionsdaten zur Strafverfolgung Dritter, wobei die Personen, deren Daten verwendet werden, nicht mit der Strafverfolgung in Verbindung stehen muss; Zurcher v. Stanford Daily, 436 U.S. 547 (1978), in welcher das Gericht entschied, dass es keinen Verstoß gegen das Recht auf Privatheit sehe, wenn die Polizei die Räumlichkeiten von Nachrichtenagenturen für Beweismaterial durchsucht. In letzterem Fall entschied das Gericht aber auch, sofern die Meinungsfreiheit in Rede stehe, unterliegen die Voraussetzungen des 4th Amendments noch einmal höheren Anforderungen, ebd., S. 564. Siehe dazu auch die abweichende Meinung von Richter John Stevens, welcher den Zugriff auf persönliche Daten von Nichtbetroffenen limitieren würde: ebd., S.  582 f.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz287

der US Supreme Court allerdings in Thornburgh v. American College of Obstetricians and Gynecologists, in dem das Gericht die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten im Hinblick auf die Due process clause einschränkte.1005 Die in diesem Fall vorgesehene umfassende Übermittlungspflicht von vorgenommenen Abtreibungen durch Ärztinnen und Ärzte an die Behörden wurde jedoch nicht als Verstoß gegen das Right to privacy gesehen, sondern weil das oberste Gericht einen Widerspruch zum verfassungsgege­ benen Recht einer Frau auf Abtreibung sah.1006 Im Hinblick auf das Right to privacy urteilte das Gericht lediglich mit Verweis auf Whalen v. Roe, „that a certain private sphere of individual liberty will be kept largely beyond the reach of government“.1007 Der US Supreme Court nahm sich jedoch im Laufe der Zeit einer starken Ausdifferenzierung im Verhältnis von staatlicher Überwachung und dem Right to privacy an. Dieser misst mittlerweile jede Überwachung, Beobachtung und Informationsverarbeitung als „search“ an dem 4th Amendement, sofern diese sich auf Personen, deren Korrespondenz, Wohnung(en) oder Eigentum richten.1008 Auch moderne Überwachungsmethoden, die zu Zeiten der Schaffung der Amendments im 18. Jahrhundert kaum denkbar waren,1009 ordnete das Gericht unter den Schutz des Right to privacy und die zu erwartenden geschütz1005  US Supreme Court, Thornburgh v. American College of Obstetricians and Gynecologists, 476 U.S. 767 (1986). Hierbei mussten umfassende Informationen von vorgenommenen Abtreibungen und dem Zustand der Frauen an die zuständigen Behörden und Ministerien übermittelt werden. 1006  Ebd., S 787 (hergeleitet aus dem 1st Amendment). 1007  Ebd., S.  770 ff. 1008  US Supreme Court, Kyllo v. United States, 533 U.S. 27 (2001), S. 32: „When the Fourth Amendment was adopted, as now, to ‚search‘ meant ‚to look over or through for the purpose of finding something; to explore; to examine by inspection; as, to search the house for a book; […] But in fact we have held that visual observation is no ‚search‘ at all […]. In assessing when a search is not a search, we have applied somewhat in reverse the principle first enunciated in Katz v. United States.“ Das wird allerdings teilweise auch anders gesehen: „So, just as looking around a room is searching, listening to the sounds in a room is searching. Seeing and hearing are both reactions of a human being to the physical environment around him […]. And, accordingly, using a mechanical aid to either seeing or hearing is also a form of searching. The camera and the dictaphone both do the work of the end-organs of an individual human searcher – more accurately.“ Vgl. US Supreme Court, Lopez v. United States, 373 U.S. 427 (1963), S. 459 (ablehnendes Sondervotum der Richter William Brennan, William Douglas und Arthur Goldberg unter wörtlicher Wiedergabe einer Passage aus US Court of Appeals (Second Circuit), United States v. On Lee, 193 F.2d 306 (1951), S. 313 (ablehnendes Sondervotum Richter Jerome Frank)). 1009  Die Verfassung deshalb kritisierend, weil es damit schwer werde, im Digitalen Zeitalter moderne Rechte abzuleiten: Whitman, The Two Western Cultures of Privacy, in: Yale L. J. 2004, Vol. 113, S. 1151 (1212), der diese lediglich als „eigthteen century [constitution]“ aus einem anderen Jahrhundert bezeichnet.

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ten Privatheitsbereiche ein.1010 Seit Katz v. United States stellte der US ­Supreme Court auch klar, dass nicht nur physisch wahrnehmbare Eingriffe das Right to privacy adressieren, sondern es vor allem darauf ankomme, dass die Art der Gewinnung darauf abzielen müsse, dass personenbezogene Daten und Kommunikationsinhalte gewonnen werden, die nicht einer unbestimmten Vielzahl von Personen frei zugänglich seien.1011 Im Fall Katz sah das Gericht diese Erwartung des Schutzes von Kommunikationsinhalten als erfüllt an, wenn die Polizei an einem Telefon eine Wanze platziert, um Gespräche un­ bemerkt zu verfolgen.1012 Später wertete das Gericht das „scanning of the ­content“ in Riley v. California weiter auf und bewertete es als starken Eingriff in das 4th Amendment.1013 Allerdings ist die Rechtsprechung im Bereich der digitalen Kommunikation und Überwachung noch nicht dezidiert entwickelt: Ob abgeschlossene gespeicherte Kommunikation von den Amendments geschützt ist, wann Metadaten in den Schutzbereich des Right to privacy fallen und welche Einschränkungen hierfür im auslandsnachrichtendienstlichen ­Bereich existieren, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.1014 Neben den inhaltlichen Erweiterungen fügte der US Supreme Court weitere Beschränkungen im Überwachungskontext ein. Auch hier sollte die Third-party doctrine die Berufung auf das Right to privacy bei staatlichen Überwachungen ausschließen.1015 Darüber hinaus versagte das Gericht einer 1010  US Supreme Court, Kyllo v. United States, 533 U.S. 27 (2001), S. 34, in welchem das Gericht eine Wärmeaufklärung von Häusern als Searches i. S. d. 4th Amendments ansah. 1011  US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 348 ff. 1012  Ebd., S. 352. 1013  US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2490, 2494 f. (in Bezug auf reine Inlandskommunikationen). Siehe ferner Daskal, The Unterritoriality of Data, in: Yale L. J. 2015, Vol. 125, S. 326 364 ff.; Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1056). 1014  Die meisten Autorinnen und Autoren sehen keine Möglichkeit derweil die auslandsnachrichtendienstliche Massenüberwachung einzudämmen: Zusammenfassend Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 20 ff., welcher allerdings den Schutz von Kommunikationsdaten und nachrichtendienstliche Überwachung unter den Schutz des 4th Amendment einordnet. Vgl. auch Gärditz/Stuckenberg, Vorratsdatenspeicherung à la americaine, in: JZ 2014, Vol. 69, S. 209 (209 f.); Shane, The NSA and the Legal Regime for Foreign Intelligence Surveillance, in: ISJLP 2014, Vol. 10, S. 259 (291). Die Zurückhaltung des US Supreme Court in neueren technischen Urteilen zeigte sich bereits, als in Nortwest Airlines, Inc. v. Minnesota das Gericht urteilte, dass es aufpassen müsse, nicht „[to] embarass the future“. Vgl. US Supreme Court, Nortwest Airlines, Inc. v. Minnesota, 322 U.S. 292 (1944), S. 300. 1015  Wer willentlich seine personenbezogenen Daten an Dritte weitergibt, darf sich auf deren Schutz nicht berufen. So US Supreme Court, United States v. Miller, 425 U.S. 435 (1976); Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979).



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betroffenen Person das Standing before the court, weil diese nicht nachweisen konnte, dass sie durch die staatlichen Überwachungsmaßnahmen individualisierbaren Schaden erlitten habe.1016 Diese Rechtsprechung wurde, drittens, dahingehend erweitert, dass der US Supreme Court eine Berufung auf das Recht verneinte, sofern die staatlichen Überwachungsmaßnahmen ausschließlich im öffentlichen Raum stattfanden und die gewonnenen Informa­ tionen auch von anderen Personen hätten wahrgenommen werden können.1017 Von dieser Rechtsprechung sollte sich der US Supreme Court – wie nachfolgend aufgezeigt – jedoch zumindest teilweise distanzieren. cc) The Right to Privacy & FISA Trotz der bisher getroffenen Entscheidungen des US Supreme Court besteht höchstrichterlich weiterhin Unklarheit darüber, ob auslandsnachrichtendienstliche Überwachungstätigkeiten am Right to privacy aus dem 4th Amendment zu messen sind.1018 Besonders eine Entscheidung vom US Supreme Court zur Verfassungsmäßigkeit des FISA blieb seit der Gesetzesnovelle des USA FREEDOM Act von 2015 bisweilen aus. Die entscheidenden Fragen drehen sich jedoch bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen darum, ob diese die Anforderungen des „reasonable expectation of privacy“-Tests erfüllen können und als Searches i. S. d. 4th Amendment zu subsumieren sind, die einen legitimen und erkennbaren Grund (Reasonableness) zum Eingriff in das Right to privacy,1019 eine richterliche Anordnung

1016  Siehe dafür US Supreme Court, Laird v. Tatum, 408 U.S. 1 (1972). So auch Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1083. 1017  US Supreme Court, United States v. Knotts, 460 U.S. 276 (1983), S. 281 f. Der US Supreme Court bezog sich dabei auf ein Auto, an welches die Polizei ein „track­ ing device“ platzierte, um auf diese Weise dem Auto folgen zu können. Dadurch, dass jede Person in der Nähe, die das Auto sehen wollte, dies auch durch bloßes hinschauen tun konnte, urteilte das Gericht, dass durch die optische Überwachung im öffentlichen Raum kein besonderer Schutz des privaten Lebensbereiches vorliege. Diese Überwachung tangiere allerdings dann den privaten Lebensbereich, wenn keine angemessene zeitliche Limitierung der Maßnahme angeordnet ist. Siehe auch US Supreme Court, United States v. Jones, 565 U.S. 400 (2012), S. 404 f., welcher 28 Tage dauerhafte GPS-Überwachung als zu lang ansah. 1018  Siehe auch Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1056 ff.). 1019  Siehe dazu US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S.  350 f.; United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 266 mit Verweis auf Boyd v. United States, 116 U.S. 616 (1886), S. 625 f. Ebenso US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2481: „the ultimate touchstone of the Fourth Amendment is ‚reasonableness‘.“ Siehe ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1011.

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

(Warrants) für einen spezifischen Fall und ein hinreichendes Verdachtsmoment (Probable cause) erfordern.1020 (1) FISA & reasonable expectation of privacy Generell gilt auch bei Überwachungen auf Grundlage des FISA die Prämisse, dass das Right to privacy nur individuell Betroffene vor willkürlichen staatlichen Überwachungen schützen kann, sofern diese darlegen, dass sie sich nach dem „reasonable expectation of privacy“-Test auf einen Schutz ihrer privaten Lebensumstände verlassen können durften.1021 Nach Sec. 102 (a) (1) und Sec. 104 (a) FISA können sowohl Kommunikationsinhalte als auch sonstige Verbindungs-, Kommunikations- oder andere Metadaten zu auslandsnachrichtendienstlichen Zwecken verarbeitet werden.1022 Hierunter fallen ebenso die elektronische Kommunikation sowie die strategische Überwachung. Seit der Entscheidung Katz v. United States ist unbestritten, dass Über­ wachungen mit Hilfe technischer Mittel den „reasonable expectation of privacy“-Test auslösen können. Obgleich eine Entscheidung zu moderneren Überwachungstechniken noch nicht getroffen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass neben Wanzen auch technische Hardware- oder Softwarezugriffe zur dauerhaften Kommunikationsüberwachung ohne Kenntnis 1020  So auch Goldberger, Consent, Expectations of Privacy, and the Meaning of Searches in the Fourth Amendment, in: J. Crim L. & Criminology 1984, Vol. 75, S. 319 (338 ff., 348), welcher klarstellt: „[W]arrant and probable cause [are] the two cornerstones of reasonableness.“ Ferner Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 20. 1021  Siehe US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 347, 356; Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979), S. 740; Carpenter v. United States, 585 U.S. ___ (1) (2018), S. 4. Ebenso benutzt der EGMR einen „reasonable expectation of privacy“-Test, nach welchem das Gericht verlangt, dass man in einer konkreten Situation auch darauf vertrauen durfte, vom Recht auf Privatleben geschützt zu werden. Er macht die Verletzung aber vor allem von einer genauen Verhältnismäßigkeitsprüfung abhängig. Siehe EGMR, Urteil vom 25.09.2001, Nr. 44787/98, Rn. 54 ff. – P.G. & J.H. v. Vereinigtes Königreich; Urteil vom 28.01.2003, Nr. 44647/98, Rn. 58 – Peck v. Vereinigtes Königreich; Urteil vom 12.01.2010, Nr. 4158/05, Rn. 61 – Gillon & Quinton v. Vereinigtes Königreich; Urteil vom 02.09.2010, Nr. 35623/05, Rn. 44 – Uzun v. Deutschland. 1022  Generell ging die Exekutive bis zur Schaffung des USA FREEDOM Act davon aus, dass hierunter Metadaten fielen, da diese ohnehin nach der Third-party doctrine nicht in den Schutzbereich des 4th Amendment fielen. So zumindest Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 25.



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der Betroffenen die Anforderungen des „reasonable expectation of privacy“Tests erfüllen müssen. Doch gilt dies gleichfalls für Metadaten? In einem frühen Urteil zu Smith v. Maryland entschied der US Supreme Court jedenfalls, dass Verbindungsdaten nicht als private Informationen angesehen werden und nicht die Privatheitserwartungen auslösen können, da sie lediglich der Kostenabrechnung dienten und damit bereits nicht in den Schutzbereich fielen.1023 Die damalige Metadatenüberwachung erstreckte sich jedoch bei weitem nicht auf so umfangreiche Datensätze, wie das heute – zumindest unter Zugrundelegung der Snowden-Enthüllungen – der Fall ist. Daher nahmen in Bezug auf die auslandsnachrichtendienstliche Metadatenüberwachung zunächst einzelne untere Gerichte Abstand von Smith v. Maryland. Neben der Überwachung von Kommunikationsinhalten hielten sie besonders die Metadatenüberwachung über die Vorgängerregelung des US FREEDOM Act – der Sec. 215 USA PATRIOT Act – für verfassungswidrig. Der US District Court of Columbia entschied dazu in Klayman v. Obama, dass flächendeckende Überwachungsmaßnahmen im Orwell’schen Ausmaße illegal seien.1024 In einer weiteren erstinstanzlichen Entscheidung des US District Court of the Southern District of New York in ACLU v. Clapper urteilte das Gericht jedoch anders und sah durch flächendeckende Überwachungen von Metadaten gerade mit Bezugnahme auf die Rechtsprechung aus Smith v. Maryland keinen Verfassungsverstoß.1025 Das erstinstanzliche Urteil in ACLU v. Clapper wurde 2015 allerdings vom US Court of Appeals (Second Circuit) aufgehoben, da die Richterinnen und Richter feststellten, dass die massenhafte Sammlung von Telefonmetadaten zumindest ein Verstoß gegen Sec. 215 USA PATRIOT Act darstellte.1026 Die beiden Entscheidungen, die Abstand zu der pauschalen Versagung des „reasonable expectation of privacy“-Test bei Metadaten nahmen, wurden zumindest ansatzweise 2018 auch vom US Supreme Court bestätigt. Die Entscheidung in Carpenter v. United States schränkte die Rechtsprechung zu Smith v. Maryland dahingehend ein, dass Metadaten mittlerweile sehr wohl in den Schutzbereich des 4th Amendment fallen können, und 1023  US Supreme Court, Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979), S. 743 f., 750. Zur Ablehnung wurde damals aber noch die Third-party Doctrine herangezogen, weil man diese Daten willentlich den Telekommunikationsanbietern übermittle. 1024  US District Court for the District of Columbia, Klayman v. Obama, 957 F. Supp. 2d. 1 (2013) S. 29 ff. (vacated 2015: 800 F.3d 559). In den USA dürfen auch untere Gerichte die Vereinbarkeit von nationalem mit Verfassungsrecht überprüfen. Vgl. dazu näher Coester-Waltjen, Die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in ausgewählten Rechtsordnungen, in: ZEuP 2018, Vol. 26, S. 320 (328). 1025  US District Court for the Southern District of New York, ACLU v. Clapper, 959 F. Supp. 2d 724 (2013), S. 730. 1026  US Court of Appeals (Second Circuit), ACLU v. Clapper, 785 F.3d 787 (2015).

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

wich von der Third-party doctrine in Bezug auf die dauerhafte Standortüberwachung von Mobiltelefonen via GPS ab.1027 Das Gericht führte aus, dass es damals noch nicht absehbar gewesen sei, dass Mobiltelefone teilweise permanent von einer Person getragen werden und damit eine dauerhafte Standortüberwachung einen sehr intimen Einblick in das private Leben liefere.1028 Daher verneinte der US Supreme Court die Third-party doctrine in diesem Bereich, da niemand dazu einwillige, ein komplettes Bewegungsprofil anhand von Langzeitstandortdaten über sich erstellen zu lassen.1029 Auch wenn diese Entscheidung den Umfang der Metadatenüberwachung eingrenzt, stellte der US Supreme Court weiterhin fest, dass er keine Entscheidung über Echt-Zeit-Überwachung, über „tower dumps“ oder auslandsnachrichtendienstliche Überwachungsprogramme getroffen habe.1030 Dennoch schließt das Gericht mit dem Ergebnis, dass eine extensive Standortüberwachung der Regierung nicht erlaubt sei, da diese zu tief und umfangreich in das private Leben eingreife.1031 Der jüngste Fall zu Mohamud v. United States, der über die auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten im verfassungsrechtlichen Kontext hätte Aufschluss geben können, brachte hingegen nicht die erhoffte höchstrichterliche Klärung zur Überwachung nach dem USA FREEDOM Act. Hierin wehrte sich ein US-Bürger gegen die Befugnis zur anlasslosen Überwachung nach Sec. 702 FISA. Die Revision wurde vom Supreme Court ohne Begründung abgewiesen.1032 Zu Grunde lag dieser Entscheidung ein Urteil des US Circuit Court of Appeals (Ninth Circuit). Dieser leitete eine Ausnahme des 4th Amendment her, dass ohne gerichtliche Anordnung auch Staatsangehörige überwacht werden dürften, wenn diese mit Ausländerinnen und Ausländern im Ausland kommunizierten, die unter Überwachung stünden (sog. „incidental collection“), und daher das Right to privacy nicht verletzt werde.1033 Ob diese Rechtsprechungslinie aufrecht zu erhalten ist, wird sich zeigen müssen. Sie impliziert allerdings, dass weder die gleichen Anforderungen des Right to privacy für Staatsangehörige außerhalb des eigenen Territoriums

1027  US

17.

Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 11 ff.,

1028  Ebd.,

S.  12 f. S. 11 ff., 17. 1030  Ebd., S. 17. „Tower dumps“ sind Downloads von Standortdaten über alle in einem gewissen Sendebereich („Tower“) eingeloggten Geräte. 1031  Ebd., S. 22. 1032  Siehe US Supreme Court, Mohamud v. United States, Order List Certiorari 583 U.S. 17-5126 (2018), S. 7. 1033  US Court of Appeals (Ninth Circuit), United States v. Mohamud, No. 1430217 (2016), S. 37 ff. 1029  Ebd.,



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gelten noch ein Schutz für Ausländerinnen und Ausländer im Ausland besteht.1034 Dieses Verständnis spiegelt sich allerdings auch im FISA wider, welcher in Sec. 702 lediglich verfassungsrechtliche Schutzmechanismen in Bezug auf Staatsangehörige vorsieht.1035 Da in Sec. 702 FISA derartige Regelungen für Ausländerinnen und Ausländer im Ausland fehlen, gelten für diese im Umkehrschluss genau jene Civil Liberties nach FISA nicht.1036 Da der US Su­ preme Court bisher nur in sehr wenigen Fällen – die alle nicht im Bereich auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung oder dem Right to privacy entschieden wurden – eine extraterritoriale Geltung der Civil Liberties anerkannte,1037 könnten betroffene ausländische Personen im Ausland den Nachweis des „reasonable expectation of privacy“-Test möglicherweise nicht erbringen. Sie müssten zumindest eine besondere Verbindung zu den USA nachweisen. Russell Miller erkennt allerdings ein erhöhtes Schutzbedürfnis zumindest dann für jene an, sofern im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich durch infrastrukturelle Überwachungseinrichtungen auf US-Territorium auf Daten zugegriffen werde, nationale optische Fiberkabel „gehackt“ oder die Daten über US-Territorium laufen und dort verarbeitet werden.1038 Er zeigt mit Verweis auf das Urteil Boumediene v. Bush1039 ebenso auf, dass die Fälle, in denen extraterritoriale Handlungen von US-Behörden gegenüber 1034  So auch Wheaton, Elements of International Law, 8. Aufl. 1866, S. 133; Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95 463 (485); Neuman, Strangers to the Constitution, 1996, S. 52 ff., 919, welcher lediglich einen Mindeststandard umfasst sehe. 1035  Siehe 50 U.S.C. § 1801(e) (2), (f) (4) [Sec. 101 FISA], 50 U.S.C. §§ 1802 ff. [Sec. 102 FISA], 50 U.S.C. § 1881a (b), (c), (e) [Sec. 702 FISA]. Für sie muss die Einhaltung von „minimization procedures“ bei auslandsnachrichtendienstlichen Maßnahmen nachgewiesen werden, um deren Überwachung zu vermeiden bzw. aus einer Civil Liberties-Perspektive zu minimieren. 1036  So auch Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (87 f.), welcher sich selbst allerdings für eine Erweiterung der territorialen Reichweite ausspricht; Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 24. 1037  US Supreme Court, Calder v. Jones, 465 U.S. 783 (1984), S. 789; Asahi Metal Industrial Cooperation v. Superior Court, 480 U.S. 102 (1987), S. 116, wobei in letzterem Urteil einer ausländischen Firma verfassungsrechtlicher Schutz zugesprochen wurde. So auch in US Supreme Court, Columbia Broadcasting System, Inc. v. Democratic National Committee, 412 U.S. 94 (1973), S. 114 ff. Siehe ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 424. 1038  Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 23 f. Diese Ansicht ablehnend: Yoo, The Legality of the National Security Agency’s Bulk Data Surveillance Programs, in: ISJLP 2014, Vol. 10, S. 301 (316). 1039  US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 US 723 (2008).

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Ausländerinnen und Ausländern die Schwelle der verfassungsrechtlichen Relevanz erreicht hätten, überwiegend deshalb gewährt wurden, weil die Verfassung gewisse Mindestanforderungen für alle Menschen, gegenüber denen US-Behörden agieren, anerkenne. Ob diese bei der NSA-Überwachung erreicht werde, bewertet er allerdings kritisch.1040 Hieran ändert auch der auf Druck der EU neu eingeführte Judicial Redress Act nichts, welcher den Schutz des US Privacy Acts auf Nicht-US-Bürgerinnen bzw. Nicht-US-Bürger erweitern sollte.1041 Der Privacy Act regelt nämlich nur das Tort right to privacy und gibt keinen Aufschluss über die verfassungsrechtliche Verankerung. Eine weitere Unwägbarkeit wäre zudem, ob eine betroffene Person Standing vor einem US-Gericht hätte und einen individualisierbaren Schaden durch die staatlichen Überwachungsmaßnahmen nachweisen könnte.1042 Da die Überwachungen stets geheim sind und man in aller Regel nichts von individuellen Maßnahmen gegen sich erfährt, wird diese Beweisführung schwer fallen bis gänzlich unmöglich sein, da effektive Auskunftsansprüche oder Mitteilungspflichten nicht existieren. Eine geringere Beweishürde, wie sie das Bundesverfassungsgericht im ATDG-Urteil annahm,1043 existiert in den USA nicht. Darüber hinaus ist abzuwarten, wie die Metadatenüberwachung im Bereich der Überwachung frei zugänglicher Daten im öffentlichen Raum heutzutage beurteilt wird. In United States v. Knotts versagte der US Supreme Court in 1040  Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 23 f. 1041  Siehe 5 U.S.C. § 552a (d) [Sec. 2 Judicial Redress Act of 2015, Pub. L. No. 114-126, 130 Stat. 282]. Hierunter fallen aber nicht alle Ausländerinnen und Ausländer. Für eine Liste an „covered countries“ siehe Attorney General Order No. 38242017, Judicial Redress Act of 2015; Attorney General Designations, 82 Fed. Reg. 7860 (2017). Wie allerdings aus 5 U.S.C. § 552a (e) (7) hervorgeht, ist, solange keine Klarnamen, Kennungen oder Pseudonyme verwendet werden, eine Überwachung i. S. d. Federal Privacy Act nahezu ohne Einschränkungen zulässig. Vgl. dazu auch 5 U.S.C. § 552a (a) (5) und das darauf beruhende Urteil des US Court of Appeals (D.C. Circuit), Henke v. US Department of Commerce, 83 F.3d 1453 (1996), S. 1460 f. Für die staatliche Überwachungspraxis aus Sicherheitsaspekten spielt der Privacy Act daher praktisch kaum eine Rolle. 1042  Siehe dafür US Supreme Court, Laird v. Tatum, 408 U.S. 1 (1972). Ebenso jüngst in US Supreme Court, Clapper v. Amnesty International, 133 S. Ct. 1138 (2013), S. 1149, indem der US Supreme Court Standing für Journalistinnen bzw. Journalisten und Anwältinnen bzw. Anwälte, die im sicherheitsrechtlichen Bereich tätig waren, nach den Enthüllungen von Edward Snowden gegen die nachrichtendienstlichen Regelungen klagten. Siehe auch Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1083. 1043  BVerfGE 133, 277, 311 f. – ATDG. So aber auch schon in BVerfGE 30, 1, 16 f.  – Abhörurteil.



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diesen Fällen zumindest die Berufung auf die Privatheitserwartung.1044 Daher könnte der Nachweis des „reasonable expectation of privacy“-Test hinsichtlich dieser Überwachung nach derzeitigen Stand ebenfalls nicht durchführbar sein, selbst wenn viele Personen tatsächlich nicht damit rechnen konnten, dass von ihnen oder durch Dritte ins Internet getragene Daten auch den Auslandsnachrichtendiensten frei und umfassend zur Verfügung stehen. (2) FISA und the reasonable test Auch wenn eine Person erwarten konnte, dass für gewisse staatliche ­ andlungen auf das Right to privacy Rücksicht genommen wird, bedeutet H dies nicht, dass generell staatliche Überwachungen verboten sind oder bei­ spielsweise dauerhafte Ortungsmöglichkeiten nicht im Einklang mit dem 4th Amendment stehen können.1045 Das Recht auf Privatheit beschränkt staatliche Überwachung lediglich derart, dass diese nicht ohne Schutzvorkehrungen oder Limitierungen vorgenommen werden dürfen.1046 Aus dem Right to privacy i. S. d. 4th Amendment erwächst daher nur die Verpflichtung der Exekutive, dass die beschränkenden Maßnahmen keine „unreasonable searches and seizures“ (reasonableness test) darstellen.1047 Deshalb bedarf es hierfür 1044  Diese entwickelt in US Supreme Court, United States v. Knotts, 460 U.S. 276 (1983), S. 281 f. Siehe auch US Supreme Court, United States v. Jones, 565 U.S. 400 (2012), S.  404 f. 1045  US Supreme Court, United States v. Jones, 132 Ct. 945 (2012). 1046  So bereits US Supreme Court, Boyd v. United States, 116 U.S. 616 (1886), S. 630, welcher zeigte, dass die Amendments generell „the privacies of life [against …] arbitrary power“ schützen. Siehe auch US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. ___ (1) (2018), S. 4; Camara v. Municipal Court of City and County of San Francisco, 387 U.S. 523 (1967), S. 528. Siehe generell zur Beschränkung staatlicher Eingriffsmaßnahmen US Supreme Court, United States v. Di Re, 332 U.S. 581 (1948), S. 595. 1047  Der US Supreme Court forderte daher eine „identifiable, legitimate reason“ für den Eingriff. Der Staat trägt hierfür auch die Beweislast. Aus dem 4th Amendement folgt lediglich das Verbot von „unreasonable searches and seizures“. Siehe dazu US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 350 f. Ferner US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 266 mit Verweis auf US Supreme Court, Boyd v. United States, 116 U.S. 616 (1886), S. 625 f. Ferner US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2481: „the ultimate touchstone of the Fourth Amendment is ‚reasonableness‘.“ Ähnlich US ­Supreme Court, Florida v. Royer, 460 U.S. 491 (1983), S. 497; Bumper v. North Carolina, 391 U.S. 543 (1968), S. 548. Ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1080 ff.; Wittmann, Nobody Watches the Watchmen, in: ZaörV 2013, Vol. 73, S. 373 (423), welcher kritisiert, dass der US Supreme Court daneben kaum dezidierte Rechtfertigungsmaßstäbe entwickelt habe; Goldberger, Consent, Expectations of Privacy, and the Meaning of Searches in the Fourth Amendment, in: J. Crim L. & Criminology 1984, Vol. 75, S. 319 (322), welcher damals hervorhob, dass der

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C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

eines legitimen und nachvollziehbaren Grunds (reasonableness),1048 einer richterlichen Anordnung (Warrant) für einen spezifischen Fall und eines hinreichenden Verdachtsmoments (probable cause).1049 Der US Supreme Court zog hierfür auch im gewissen Maße Verhältnismäßigkeitsaspekte heran, ohne jedoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung – wie sie dem deutschen Recht bekannt ist – durchzuführen.1050 (a) Reasonableness Als legitimen Grund führt der FISA in Bezug auf die Ausland-AuslandFernmeldeüberwachung in Sec. 702 (a) die Erlangung auslandsnachrichtendienstlicher Informationen an. Diese wiederum dienen der nationalen Sicherheit und insbesondere der Terrorismusbekämpfung, die der US Supreme Court als legitimen und nachvollziehbaren Grund ansieht.1051 Ebenfalls urteilte das oberste Gericht der USA in Riley v. California, dass eine Durchsuchung aus Gründen der Sicherheit einer behördlichen Einrichtung und deren Angestellten sowie zur Prävention nachgewiesenen drohenden Schadens im

US Supreme Court „justification“, „reasonableness“ und „legitimate expectation of privacy“ gleichsetze. 1048  US Supreme Court, Kentucky v. King, 563 U.S. 452, 460 (2011); Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 21 f. 1049  Dies gilt zumindest für Durchsuchungen zur Strafverfolgung. Siehe US Su­ preme Court, Vernonia School District 47J v. Acton, 515 U.S. 646 (1995), S. 652 f.; Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014) in Bezug auf den Zugriff auf Handydaten. Ebenfalls könne eine Durchsuchung des Hotelzimmers nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass ein Mitarbeiter des Hotelbetriebes diese „erlaube“. Vgl. US Supreme Court, Stoner v. California, 376 U.S. 483 (1964). Siehe ferner Goldberger, Consent, Expectations of Privacy, and the Meaning of Searches in the Fourth Amendment, in: J. Crim L. & Criminology 1984, Vol. 75, S. 319 (338 ff., 348), welcher klarstellt, dass „warrant and probable cause [are] the two cornerstones of reasonableness.“ Siehe auch Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (177). 1050  US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2497 f.: „The fact that someone could have tucked a paper bank statement in a pocket does not justify a search of every bank statement from the last five years. And to make matters worse, such an analogue test would allow law enforcement to search a range of items contained on a phone, even though people would be unlikely to carry such a variety of information in physical form.“ 1051  Vgl. US Supreme Court, Cole v. Young, 351 U.S. 536 (1956), S. 546  ff.; Hamdi v. Rumsfeld, 542 U.S. 507 (2004), Abschnitt II. Noch zurückhaltend in US Supreme Court, United States v. Reynolds, 345 U.S. 1 (1953), S. 19 f. Ebenso wurde dies zuletzt beim „travel ban“ für muslimische Staaten vom US Supreme Court als anerkannter Rechtfertigungsgrund bestätigt: US Supreme Court, Trump v. Hawaii, 878 F. 3d 662 (2017).



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Einzelfall gerechtfertigt sein könne.1052 Dennoch dürfe die Berufung auf die nationale Sicherheit nicht dazu führen, dass keine überprüfbaren Anordnungen – ohne zeitliche Limitierung1053 – und spezifische Verdachtsmomente bei Maßnahmen benannt werden müssen.1054 (b) Warrants Auch im Bereich der nationalen Sicherheit muss die Exekutive grundsätzlich eine Anordnung einholen1055 und darf allein wegen der nationalen Sicherheit nicht eine Vielzahl unbescholtener Personen überwacht werden. Daher bedarf es hierfür individueller richterliche Anordnungen.1056 Der US Supreme Court hat allerdings in zahlreichen Fällen Ausnahmen vom Erfordernis der gerichtlichen individuellen Anordnung zugelassen, sofern sie aus anderen Gründen „reasonable“ sind.1057 Eine richterliche Anordnung könne aufgrund einer „urgent situation“1058 unterbleiben, sofern die Regierung darlegt, dass die erhobenen und verwendeten Daten relevant und wesentlich für eine laufende Strafverfolgung waren und ausnahmsweise eine richterliche Anordnung nicht rechtzeitig eingeholt werden konnte.1059 Ebenso erachteten 1052  US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2478 ff., 2498 ff. Siehe auch US Supreme Court, Missouri v. McNeely, 569 U.S. 141 (2013), in welchem das Gericht feststellte, dass eine „emergency situation“ eine Durchsuchung ohne richterliche Anordnung im Einzelfall rechtfertigen könne. 1053  US Supreme Court, United States v. Knotts, 460 U.S. 276 (1983), S. 281 f.; United States v. Jones, 565 U.S. 400 (2012), S. 404 f.: 28 Tage dauerhafte GPS-Überwachung stellten dabei einen Verstoß dar. Vgl. aber auch Wittmann, Nobody Watches the Watchmen, in: ZaörV 2013, Vol. 73, S. 373 (423 f.), welcher das Urteil United States v. Knotts als symptomatisch dafür erachtet, dass das Gericht aus Sicherheits­ aspekten fast alles einer Effektivierung unterordne. 1054  US Supreme Court, Hamdi v. Rumsfeld, 542 U.S. 507 (2004), Abschnitt III. C. 1. 1055  US Supreme Court, United States v. United States District Court for the Eastern District of Michigan, 407 U.S. 297 (1972). 1056  So bereits US Supreme Court, Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979), S. 740. Ebenso zuletzt US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 2. 1057  Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 20. 1058  So zuletzt US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 22. Ferner US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2499; Kentucky v. King, 563 U.S. 452 (2011), S. 458. 1059  US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014). Solche Situationen liegen vor, wenn Fluchtgefahr, eine drohende Gefahr für eine Person oder die drohende Gefahr der Zerstörung von Beweismitteln besteht. Siehe dafür US Supreme Court, Kentucky v. King, 563 U.S. 452 (2011), S. 460. Der US Supreme Court impliziert des Weiteren, dass Überwachungen ohne richterliche Anordnung auch bei Bom-

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bereits 1990 in extraterritorialen Sachverhalten des 4th Amendment die US Supreme Court Richter William Rehnquist und Anthony Kennedy eine richterliche Anordnung in Fällen, in denen globale Bedrohungen die nationale Sicherheit der USA gefährden, für nicht notwendig. Wenn eine solche bei jeder Maßnahme zur Bekämpfung solcher Bedrohungen erforderlich sei, würde das zu ausufernden Ergebnissen führen und die Sicherheit des Staates gefährden.1060 In derartigen Fällen wird von der exekutiven Stelle aber zumindest gefordert, dass „some quantum of individualized suspicion“ vorliegen müsse, bevor eine Überwachung stattfinden dürfe.1061 Auch FISA greift diese verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine richter­ liche Anordnung auf.1062 So regelt Sec. 702 (j) FISA, dass der Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) auslandsnachrichtendienstliche Überwachung notwendigerweise vor deren Ausführung als quasi-gerichtliche Stelle genehmigen muss, sofern keine besonderen Umstände nach Sec. 702 (c) (2) FISA vorliegen. Zudem müssen in der nachrichtendienstlichen Anfrage „targeting proceedings“ nach Sec. 702 (b), (d) FISA vorgesehen werden.1063 Allerdings ist der FISC nur in Fällen der „one-end foreign communication“

bendrohungen, stattfindenden Schießereien oder Kindesentführungen möglich sein müssten. Siehe dafür US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 22. 1060  US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 274, 278. Im Ergebnis folgte damals die Mehrheit des Gerichts aber bereits der Auffassung, dass kein Verstoß gegen das 4th Amendment bei Handlungen außerhalb des US-Territoriums gegenüber Ausländerinnen und Ausländern vorliege. Ebd., S. 261. 1061  US Supreme Court, United States v. Martinez-Fuerte, 428 U.S. 543 (1976), S.  560 f. 1062  Siehe zur historischen Herleitung nach der Watergate-Affäre Statement von Senator Birch Bayh, dokumentiert in: Proceedings of Congress and General Congressional Publications, 124 CONG. REC. 10889-90 (1978). Siehe ferner Abschnitt D. II.2.a). 1063  Das Gericht versagte so das Scanning of the content von reiner Inlandskommunikationsüberwachung, da es in diesem Fall keine nachvollziehbaren Gründe gesehen habe, die die Sicherheit derart bedrohen, dass invasiv Kommunikationsinhalte in einer „pre-digital era“ ohne richterliche Anordnung überwacht werden dürften. Siehe dazu US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2484, 2499. Ferner US Supreme Court, Chimel v. California, 395 U.S. 752 (1969), S. 755 ff., in welchem das Gericht feststellte, dass Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamte mit der Begründung des Schutzes ihrer eigenen Sicherheit nicht auf digitale Daten eines Mobiltelefons von Inhaftierten zugreifen durften. Ebenso Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (848). Hierfür steht dem Gericht eine begrenzte Zeitspanne von 30 Tagen nach Übermittlung der notwendigen Informationen zur Verfügung. Vgl. auch 50 U.S.C. § 1881a (j) (1) (B), (c) (1), (g) [Sec. 702 FISA].



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anzurufen,1064 da eine Anordnung nur als notwendig erachtet wird, wenn die zu überwachende Auslandskommunikation einen nationalen Anknüpfungspunkt hat.1065 Dieser Anknüpfungspunkt werde bei nationalen oder interna­ tionalen Kommunikationen angenommen, sofern US-Bürgerinnen oder USBürger involviert sind bzw. sein könnten oder die Kommunikation über Einrichtungen übertragen wird, die sich in den USA befinden.1066 Vielmehr sieht Sec. 102 (a) (1) FISA vor, dass der Präsident bzw. die Präsidentin im Bereich der reinen Ausland-Ausland-Fernmeldeüberwachung ohne Beteiligung eines Gerichts eine Anordnung für ein Jahr treffen kann.1067 Hier liegt das Verständnis zugrunde, dass das 4th  Amendment für diese Bereiche nicht anwendbar ist, weswegen sich im FISA weder eine normierte Ausnahme der richterlichen Anordnung noch hieran geknüpfte Bedingungen einer gewissen Dringlichkeit oder eines Quantums an individualisierbarem Verdacht wiederfinden.1068 Zudem könnte eine richterliche Anordnung für die Bereiche ausgeschlossen sein, in denen ein Einverständnis der Betroffenen vorliegt. Dieses wird in

1064  Vgl. § 50 U.S.C. § 1881a (a), (g) [Sec. 702 FISA]. Ferner Sales, French Surveillance Law Compared to US Surveillance Law, Short Analysis of the New French Surveillance Laws for l’Ordre des avocats de Paris vom 15.07.2015, S. 2, verfügbar unter: http://insct.syr.edu/wp-content/uploads/2015/07/Sales_France_surveillance_ legislation_analysis_0715.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1065  Siehe 50 U.S.C. § 1881a (c) (4) [Sec. 702 FISA]. Vgl. auch 50 U.S.C. § 1805 (a) (3) (A) [Sec. 105 FISA]. Der FISCR sieht zumindest eine Ausnahme von der Voraussetzung einer richterlichen Anordnung i. S. d. 4th Amendment, wenn auslandsnachrichtendienstliche Maßnahmen gegenüber anderen Staaten oder deren Agentinnen bzw. Agenten außerhalb des Territoriums vorgenommen werden. FISCR, In Re Directive [redacted], 551 F.3d 1004, S. 1010 ff. So auch Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (842); Goitein/ Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 27. 1066  So auch Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (87 f.), welcher sich selbst allerdings für eine Erweiterung der territorialen Reichweite ausspricht; Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 24; Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court to Curb Executive Branch Abuse of Surveillance Techniques, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (525); Fiss, Even in a Time of Terror, in: Yale L. & Pol. Rev. 2012, Vol. 31, S. 1 (4 f.) mit Verweis auf 50 U.S.C. § 1803 (a) [Sec. 103 FISA]. 1067  Ähnliche Anordnungen können nach Sec. 104 (a) FISA auch von Beamtinnen und Beamten der Auslandsnachrichtendienste vorgenommen werden, die hierfür eine gerichtliche Anordnung benötigen. Diese wird inhaltlich fast ausschließlich dahingehend geprüft, ob Maßnahmen auch US-Staatsangehörige betreffen könnten. 1068  Dabei wird in Sec. 702 (b) (6) FISA Bezug auf die Verbürgungen des 4th Amendment genommen.

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der Regel bei frei zugänglichen Daten bejaht.1069 Seit der Entscheidung zu Carpenter v. United States ist jedoch klar, dass dauerhafte Überwachungen und tiefe Eingriffe in das Right to privacy nicht allein schon deshalb gerechtfertigt werden können, weil man bestimmte Daten beispielshalber an Telekommunikationsanbieter übermittelt. Das voluntative Element fehle in solchen Fällen, da Personen nicht damit rechnen könnten, dauerhaft überwacht zu werden.1070 (c) Probable Cause Erst jüngst urteilte das Gericht in Carpenter v. United States, dass eine Überwachungsmaßnahme aus reiner „Sachdienlichkeit“ als „gigantic departure from the probable cause rule“ anzusehen sei.1071 Es wiederholte aber genauso, dass dieses Urteil nicht die Bereiche zu auslandsnachrichtendienstlichen oder anderen sicherheitsrelevanten Zwecken mitentschieden habe. Der FISA setzt für die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung nach Sec. 702 (f) (C) (D) FISA zwar voraus, dass Überwachungen nur zur Aufklärung von potenziell zukünftigen kriminellen Handlungen oder bereits begangenen Straftaten dienen, was ebenfalls nach Sec. 702 (f) (D) FISA vom FISC bestätigt werden muss. Allerdings finden sich in Bezug auf die reine AuslandAusland-Fernmeldeüberwachung keine Verdachtsmomente. Nach den Snowden-Enthüllungen versuchte der ehemalige Präsident Barack Obama allerdings zu versichern, dass auch für Ausländerinnen und Ausländer zumindest die Notwendigkeit eines gewissen Verdachtsmoments in der Praxis der NSA gelte: „The bottom line is that people around the world, regardless of their nationality, should know that the United States is not spying on ordinary people who don’t threaten our national security.“1072

Um den fast nicht existenten Schutz via FISA etwas zu verbessern, führte man daher – auf Druck der EU – zur Stärkung des Right to privacy den ­Judicial Redress Act ein, welcher den Schutz des US Privacy Acts auch auf Nicht-US-Bürgerinnen bzw. Nicht-US-Bürger erweitern sollte.1073 Dieser re1069  Goldberger, Consent, Expectations of Privacy, and the Meaning of Searches in the Fourth Amendment, in: J. Crim L. & Criminology 1984, Vol. 75, S. 319 (350). 1070  US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 11 ff., 17. 1071  Ebd., S. 19. 1072  Barack Obama, Remarks by the President on Review of Signals Intelligence vom 17.01.2014, verfügbar unter: https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2014/ 01/07/remarks-president-review-signals-intelligence (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1073  Siehe 5 U.S.C. § 552a (d) [Sec. 2 Judicial Redress Act]. Vgl. schon Fn. 1041, Abschnitt C.



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gelt aber lediglich das Tort right to privacy und gibt keinen Aufschluss über das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf Privatheit. Der US Supreme Court führte vereinzelt aber aus, dass im Wege des reasonable test auch Verhältnismäßigkeitsaspekte herangezogen werden müs­ sen,1074 die jedoch nicht mit dem deutschen System der Verhältnismäßigkeit vergleichbar sind. Vor allem müssten hier Erwägungen der Intensität des Eingriffs Einfluss in die Beurteilung finden.1075 Besonders Aussagen des ehemaligen NSA-Chef Keith Alexander, die die flächendeckenden Überwachungsmaßnahmen rechtfertigen sollten, stehen dafür im besonderen Fokus: „You need the haystack to find the needle.“1076 So existiert – ähnlich wie in Deutschland – zumindest ein Bereich „[of] a certain private sphere of individual liberty [that] will be kept largely beyond the reach of government“.1077 Dies bestätigte der US Supreme Court jüngst in Carpenter v. United States, als er deutlich machte, dass eine extensive Standortüberwachung der Exekutive verboten sei, weil diese zu tief, weit und umfangreich in das private Leben eingreife.1078 Eine Beschränkung dieses elementaren Minimalschutzes für die reine Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung ist aber auch im FISA aus vorbenannten Gründen nicht vorgesehen, sondern nur vom ehemaligen Präsidenten Barack Obama zugesichert wurden.1079 1074  US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2497 f.: „The fact that someone could have tucked a paper bank statement in a pocket does not justify a search of every bank statement from the last five years. And to make matters worse, such an analogue test would allow law enforcement to search a range of items contained on a phone, even though people would be unlikely to carry such a variety of information in physical form.“ 1075  Ähnlich Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 24. 1076  Keith Alexander, Interview at Aspen Security Forum vom 18.07.2013, zitiert bei Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland – Stößt der Grundrechtsschutz an seine Grenzen?, in: DöV 2015, S. 593. 1077  US Supreme Court, Thornburgh v. American College of Obstetricians and Gynecologists, 476 U.S. 767 (1986), S 770 ff. 1078  US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 22. 1079  Darüber hinaus müsste ebenso die starke Ausprägung der Freedom of speech – als Kollisionsrecht – im Privatrecht berücksichtigt werden, die durch einen zu starken Privatsphären- und Datenschutz gefährdet werden könne. Im Urteil Sorrell v. IMS Health Inc. wurde so bspw. ein Gesetz für nichtig erklärt, was den Weiterverkauf von Daten, die sich auf den Rezepten von Medikamenten befunden haben, zu MarketingZwecken verboten hatte, weil dies als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit gewertet wurde. US Supreme Court, Sorrell v. IMS Health Inc., 564 U.S. 552 (2011). Ferner Schwartz, The EU-U.S. Privacy Collision: A Turn to Institutions and Procedures, in: Harv. L. Rev. 2013, S. 1966 (1977); Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (181), die das Datenschutzrecht in den USA primär wettbewerbsorientiert, beschreiben.

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(d) Zwischenergebnis Derzeit geht der FISA in seiner Fassung von 2015 davon aus, dass Ausländerinnen und Ausländer sich gar nicht auf die Garantien des 4th  Amendment berufen können. Ob dies mit den verfassungsrechtlichen Wertungen und Anforderungen im Einklang steht, hängt sehr stark von der Prämisse ab, ob das 4th  Amendment eine extraterritoriale Geltung aufweist und wenn ja, welche Einschränkungen und Minimalanforderungen eventuell für diesen Bereich gelten. Zwar wird der Exekutive im Bereich der auswärtigen Gewalt vom US Supreme Court ein weiter Ermessensspielraum gewährt.1080 Die Entwicklungen um den Judicial Redress Act und die Aussagen von Barack Obama zeigen aber auch, dass sich die Exekutive über die eigenen verfassungsrechtlichen Grenzen selbst nicht im Klaren ist. Daher ist bisweilen völlig unklar, wie der US Supreme Court diese Abwägung vornehmen wird. Eine erste Möglichkeit in Bezug auf die NSA-Überwachung Klarheit zu schaffen, ließ das Gericht 2018 in Mohamud v. United States allerdings verstreichen.1081 e) Rechtliche Würdigung – ein Zwischenergebnis für die USA und den FISA Die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung zeigt in den USA in Bezug auf den Schutz privater Lebensverhältnisse deutliche Probleme auf. Zwar besteht ein ungeschriebenes Right to privacy, die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu gibt jedoch nur Aufschluss über generelle staatliche Überwachungstätigkeiten und verweist teilweise sogar explizit darauf, dass mit dem jeweiligen Urteil auslandsnachrichtendienstliche Maßnahmen nicht beurteilt werden sollen.1082 Das macht es im US-amerikanischen common law-System umso schwerer, den Schutzumfang bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen zu bewerten, da vor allem aus der Verfassung hergeleitete Civil Liberties noch stärker der höchstrichterlichen Ausgestaltung unterliegen.1083 Neben den inhaltlichen Unwägbarkeiten kommen ähnli1080  Grundsätzlich anerkennend US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 293, wobei das Gericht auch erwähnt, „if there were a constitutional violation, it occurred solely in Mexico“, S. 264. Ebenso US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 US 723 (2008), Teil IV. B.; Rasul v. Bush, 542 US 466 (2004); Reid v. Covert, 354 U.S. 1 (1957), S. 6. 1081  Siehe US Supreme Court, Mohamud v. United States, Order List Certiorari, 583 U.S. 17-5126 (2018), S. 7. 1082  So zuletzt in US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 22. 1083  Ähnlich Neuman, The Extraterritorial Constitution after Boumediene v. Bush, in: Cal. L. Rev. 2009, Vol. 82, S. 259 (265).



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che Probleme bei der territorialen Geltungsreichweite der Verfassungsrechte der Auslandsüberwachung zum Tragen. Der US Supreme Court hat auch hier bisweilen nur in thematisch anders gelagerten Einzelfällen entschieden und die Anwendbarkeit der Civil Liberties für extraterritoriale Maßnahmen der Auslandsnachrichtendienste ungeklärt gelassen.1084 aa) Würdigung in Bezug auf die territoriale Anwendbarkeit bei auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung Hinsichtlich des territorialen Anwendungsbereichs der Civil Liberties gibt es enorme Unwägbarkeiten bei extraterritorialen Tätigkeiten von US-Behörden, obgleich sich die USA von dem vormals reinen territorialen Verständnis aus dem 19. Jahrhundert gelöst haben.1085 Dennoch ist in der langen Rechtsprechungshistorie keine klare und konsistente Linie zu erkennen. Zwar geht der US Supreme Court mittlerweile grundsätzlich von einer Bindung der Exekutive auch bei extraterritorialen Handlungen aus, gewährt aber Ausländerinnen und Ausländern nur unter ganz engen Voraussetzungen einen Schutz.1086 Daher gab es in der Vergangenheit durchaus Fälle, in denen sich Ausländerinnen und Ausländer selbst außerhalb des Hoheitsgebietes auf die 1084  Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 22, welcher dabei von einem Mosaikmuster im Bereich der Rechtsprechung zur staatlichen Überwachung spricht, die nur schwerlich Aufschluss für die Auslandsnachrichtendienste gebe. 1085  Die Auffassungen des 19. Jahrhunderts verstanden Jurisdiktion noch rein geografisch und erachteten Extraterritorialität, ohne die staatliche Souveränität eines anderen Staates zu beschränken, als Verstoß gegen diese – was durchaus kurios war, weil die Fälle zumeist in derartigen Konstellationen entschieden wurden, in denen die USA bereits außerhalb des Staatsgebietes Hoheitsgewalt ausgeübt haben und folglich in der Regel auch gegen die Souveränität des jeweiligen Staates verstoßen haben. Siehe hierfür US Supreme Court, The Schooner Exchange v. McFaddon, 11 U.S. (7 Cranch) 116 (1812), S. 136, welcher anerkannte, dass extraterritoriale Handlungen nicht absolut verboten seien. Ähnlich auch US Supreme Court, Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714 (1877), welcher internationale Regelungen als Limitierung der Jurisdiktion sah. Das Gericht ging dabei aber nicht der eigentlichen Frage nach, ob die staatliche Gewalt, die außerhalb des Territoriums agiert, auch an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist. Siehe ferner Wheaton, Elements of International Law, 8. Aufl. 1866, S. 133, welcher eine extraterritoriale Wirkung und Bindung der Verfassung damals vollends ablehnte. A. A. Ginsburg, Looking Beyond Our Borders, in: Yale L. & Pol. Rev. 2004, Vol. 22, S. 329 (330), nach welcher die Schaffer der Verfassung zu Zeiten der Aufklärung die universalistischen Ideen im Blick hatten. 1086  Neben der Verfassung können sich Ausländerinnen und Ausländer auch auf das nationale Migrationsrecht berufen oder lassen sich einzelne Rechte aus dem na­ tionalen Sicherheitsrecht herleiten, welches wiederrum die Brücke zwischen Verfassungs- und Ausländerrecht schlägt. Generell hierzu Moore, Aliens and the Constitution, in: New York University Law Review 2013, Vol. 88, S. 801 (801 ff.). Dieser

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Civil Liberties berufen konnten, was den Interpretationsspielraum etwas öffnete. Die Voraussetzungen gelten jedoch für jeden Einzelfall und erfordern stets einen Nachweis über eine substantielle Verbindung zu den USA. Danach haben Ausländerinnen und Ausländer im Inland eine gesteigerte Begründungspflicht über den Nachweis einer „substantial connection“ zu den USA; im Ausland erhöht sich diese Nachweispflicht um den Aspekt, dass sie zusätzlich zur „substantial connection“ aufzeigen müssen, dass die extra­ territorialen Effekte exekutiven Handelns innerstaatlichen Ursprung haben. Russell Miller erkennt daher ein erhöhtes Schutzbedürfnis an, sofern im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich durch infrastrukturelle Überwachungseinrichtungen auf US-Territorium auf Daten zugegriffen werde, nationale optische Fiberkabel „gehackt“ oder die Daten über US-Territorium laufen und dort verarbeitet werden.1087 Allerdings zeigen die bisherigen Fälle vor dem US Supreme Court, dass im Bereich der nationalen Sicherheit ein enges Verständnis der Substantial connection zugrunde gelegt wird. Der bedeutendste Fall zu United States v. Verdugo-Urquidez zeigte, dass diese Verbindung selbst dann verneint wird, wenn eine physische Hausdurchsuchung bei einer Person im Ausland vorgenommen und diese aus Mexiko auf das Hoheitsgebiet der USA durch US-amerikanische Einheiten verbracht wurde.1088 Umso schwerer wird es unter diesen Aspekten Menschen möglich sein, die noch nie in den USA waren, aber dennoch Opfer auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung wurden und damit Beschränkungen ihres privaten Lebensbereiches hinnehmen mussten, diesen Nachweis zu erbringen. Im Ergebnis würde ihnen sehr wahrscheinlich das „standing“ versagt werden. Zwar zeigten Urteile wie Boumediene v. Bush auf, dass die Fälle, in denen extraterritoriale Handlungen von US-Behörden gegenüber Ausländerinnen und Ausländern die Schwelle der verfassungsrechtlichen Relevanz erreicht hatten, überwiegend deshalb gewährt wurden, weil die Verfassung gewisse Mindestanforderungen an elementare Menschenrechte und grundlegende Justizgrundrechte für alle Menschen, gegenüber denen US-Behörden agieren, anerkennt. Es ist jedoch ungewiss, ob auslandsnachrichtendienstliche Maßnahmen selbige invasive Schwelle erreichen.1089 Ein Lichtblick für eine meint, dass die US Verfassung in Art. I, Sec. 8 und Art. III, Sec. 2 ausländische Staatsangehörige antizipiere und in die Verfassung einschließen wollte, ebd., S. 806. 1087  Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 23 f. Diese Ansicht ablehnend: Yoo, The Legality of the National Security Agency’s Bulk Data Surveillance Programs, in: ISJLP 2014, Vol. 10, S. 301 (316). 1088  So US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 260. 1089  Ähnlich Miller, Report on the Legal Situation in the United States, Stellungnahme im NSA-Untersuchungsausschuss vom 02.06.2014, MAT A SV-3/2, S. 23 f., welcher sich allerdings persönlich auch für einen weiteren Schutz ausspricht.



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weitere Aufwertung des Right to privacy lässt sich aber zumindest dem jüngsten Urteil in Carpenter v. United States entnehmen, in dem das oberste Gericht der USA dessen Schutzumfang im heutigen digitalen Zeitalter erweiterte. Einige Autorinnen und Autoren sind sich demgegenüber aber bereits einig, dass bei grenzüberschreitenden flächendeckenden NSA-Überwachungen das Right to privacy materiell und personell anwendbar sei, da die Beschränkungen struktureller Natur seien bzw. zumindest (teilweise) ihren Ursprung auf US-amerikanischem Hoheitsgebiet haben.1090 Marko Milanovic forderte daher eine generelle Geltung bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen für In- und Ausländerinnen bzw. Ausländer und gründete diese Ansicht auf den Gedanken, dass die Verfassung lediglich in den Wahlrechten die Staatsangehörigen privilegiere und diese historisch in Zeiten universalistischer Strömungen entwickelt wurde.1091 1090  Brief of Amici Curiae Certain Former Federal Judges in Support of Petitioner, Hamdan v. Rumsfeld, 548 U.S. 557 (2006) (No. 05-184), 2006 WL 53990; Raustiala, Does the Constitution Follow the Flag?, 2009, S. 244 f.; Aleinikoff, Citizens, Aliens, Membership and the Constitution, in: Const. Comment. 1990, Vol. 7, S. 9 (21 f.); Borrowman, Sosa v. Alvarez-Machain and Abu Ghraib Civil Remedies for Victims of Extraterritorial Torts by U.S. Military Personnel and Civilian Contractors, in: BYU L. Rev. 2005, S. 371 (406); Knowles/Falkoff, Toward a Limited-Government Theory of Extraterritorial Detention, in: NYU Ann. Surv. Am. L. 2007, Vol. 62, S. 637, (641 f.), wobei letztere die Position einer „nonrights based, limited-government theory“ folgen; Cole, Are Foreign Nationals Entitled to the Same Constitutional Rights as Citizens?, in: T. Jefferson L. Rev. 2003, Vol. 25, S. 367 (368), nach welchem die Verfassung lediglich die Wahlrechte auf „citizens“ beschränke. Siehe ferner dazu Lobel, Separation of Powers, Individual Rights, and the Constitution Abroad, in: Iowa L. Rev. 2013, Vol. 98, S. 1629 (1631 ff.). A. A. Kent, A Textual and Historical Case Against a Global Constitution, in: Geo. L. J. 2007, Vol. 95, S. 463 (485), welcher aus einer Gesamtschau der US Verfassung eine extraterritoriale Weite ablehnt. Diese ebenso nicht sehend Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland – Stößt der Grundrechtsschutz an seine Grenzen?, in: DöV 2015, S. 593 (594). 1091  Zum einen sieht er einen Unterschied zwischen dem postulierten Sozialvertrag und den positiv normierten Rechten der US-Verfassung. Zum anderen differenzieren seiner Ansicht nach die ersten zehn Amendments der Verfassung nicht zwischen USStaatsangehörigen und Ausländerinnen bzw. Ausländern, sondern schützt der Wortlaut des – hier in Rede stehenden – 4th Amendments die „people“. Die Väter der USamerikanischen Verfassung intentionierten keineswegs die Frage der territorialen Reichweite der Verfassung und die der Berechtigung, sich auf diese zu berufen. Vielmehr seien die naturalistischen Gedanken eines universellen Menschenrechtsverständnisses in die Verfassung eingeflossen. Das erkannte so auch der US Supreme Court, welcher – nach Marko Milanovic – aber stetig zwischen universalistischen Ansätzen und den daraus folgenden Konsequenzen, dass die Gewährung von Grundund Menschenrechten für alle zu uferlosen Folgen führen würde, schwankte. So Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (89 ff.). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der US Supreme Court

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Auch forderte die kürzlich verstorbene Richterin am US Supreme Court Ruth Ginsburg die Ausweitung der Rechtsprechung zu extraterritorialen Sachverhalten und sieht die derzeitig bestehende Regelung im Restatement (Third) of Foreign Relationsals als akkurate Lösung für die territoriale Reichweite des US-amerikanischen Verfassungsrechts, solange dieser nicht eigenwillig interpretiert werde.1092 Noch weiter ging sogar ihr Kollege Thurgood Black, welcher bereits in den fünfziger Jahren in einer abweichenden Meinung schrieb, dass die Verfassung der USA dieselben Rechte unabhängig von Staatsangehörigkeiten vorschreibe, „wherever our laws control“. Er stützte diesen Ansatz auf die Menschenwürde, welche jeden Menschen schütze.1093 Darüber hinaus wird bei der Überwachung von Daten argumentiert, dass die über internationale Kommunikationsnetze und Internetknotenpunkte laufende Kommunikation oder der Upload von Daten nicht mehr an staatliche Grenzen gebunden sei. Welche Leitungen exakt bei Kommunikationen über das Internet genutzt werden, ist kaum noch bestimmbar. Daher sei hierbei das territoriale Kriterium ohnehin fragwürdig.1094 bestätigte, dass Ausländerinnen und Ausländer neben dem politischen Sektor auch von anderen Berufen ausgeschlossen werden können. US Supreme Court, Cabell v. Chavez-Salido, 454 U.S. 432 (1982), S. 439; Foley v. Connelie, 435 U.S. 291 (1978), S. 295 für Berufe im Polizei- und Schulwesen. 1092  Ginsburg, Looking Beyond Our Borders, in: Yale L. & Pol. Rev. 2004, Vol. 22, S. 329 (334), welche ausführte: „the Restatement (Third) of Foreign Relations would one day accurately describe our law“. In diesem findet sich die Passage: „The provisions of the United States Constitution […] generally limit governmental authority whether it is exercised in the United States or abroad“. Siehe Restatement (Third) of Foreign Relations Law, Revised, 1986. Nach diesem sollen für die Auslandsgeltung einer Norm seitdem u. a. die Kriterien Territorialität, Staatsangehörigkeit, Staatsinteressen oder der Schutz bestimmter Interessen der Staatengemeinschaft herangezogen werden. Ebd., § 10. Die Praxis sollte jedoch zeigen, dass dieses unverbindliche Restatement nicht stets beachtet wurde. 1093  US Supreme Court, Johnson v. Eisentrager, 339 U.S. 763 (1950), S. 798: „Our Constitution has led people everywhere to hope and believe that, wherever our laws control, all people, whether our citizens or not, would have an equal chance before the bar of criminal justice […] Our nation proclaims a belief in the dignity of human beings as such, no matter what their nationality or where they happen to live.“ 1094  So Daskal, The Un-territoriality of Data, in: Yale L. J. 2015, Vol. 125, S. 326 (397 ff.). Dies wegen der schwierigen Bestimmbarkeit ebenso kritisch sehend Rodosek, Sachverständigengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 30.09.2016, S. 19; Rech­ thien, Sachverständigen-Gutachten für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (NSA-Untersuchungsausschuss), 2016, S. 13 f.; Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (978); Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Sur-



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Nach den Snowden-Enthüllungen teilte in Bezug auf flächendeckende Massenüberwachungen und das Right to priacy die Review Group on Intelligence and Communications Technologies, die von Präsident Barack Obama nach den Enthüllungen eingesetzt wurde, viele der vorbenannten Kritikpunkte. Sie empfahl daher, andere Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Respekt zu behandeln. Diese Verpflichtung leitete sie aus dem Schutz des persönlichen Privatlebens und der Menschenwürde her, die sich aus den international geltenden Menschenrechten ergeben und, egal wo sich Personen aufhalten, die von Maßnahmen der US-Behörden betroffen sind, Geltung haben.1095 Selbst das Weiße Haus erkannte daraufhin an: „[t]o the maximum extent feasible consistent with the national security, these policies and pro­ cedures are to be applied equally to the personal information of all persons, regardless of nationality.“1096 Überdies implizierte ein neueres Urteil des United States Court of Appeals (Ninth Circuit) in United States v. Mohamud, dass es den vorgebrachten universalistischen Ansätzen nicht folgt.1097 Umso veillance: Privacy in the Digital Age, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (141 ff.); Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 10; Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienst­ licher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (770). 1095  Der stärkste Grund, Ausländer- und Inländerinnen bzw. Inländer gleich zu behandeln „is the simple and fundamental issue of respect for personal privacy and human dignity-wherever people may reside. The right of privacy has been recognized as a basic human right that all nations should respect. Both Article 12 of the Universal Declaration of Human Rights and Article 17 of the International Covenant on Civil and Political Rights proclaim that „No one shall be subjected to arbitrary or unlawful interference with his privacy.“ Sie stellten zudem klar: „The United States should be a leader in championing the protection by all nations of fundamental human rights, including the right of privacy, which is central to human dignity.“ Siehe dafür The President’s Review Group on Intelligence and Communications Technologies, Office of the Director of National Intelligence, Liberty and Security in a Changing World (2013), S. 20, 155 f., verfügbar unter: http://www.whitehouse.gov/sites/ default/files/docs/2013-12-12-rg-final-report.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1096  Office of the White House Secretary, Presidential Policy Directive – Signals Intelligence Activities/PPD-28 vom 17.01.2014, verfügbar unter: http://www. whitehouse.gov/the-press-office/2014/01/17/presidential-policy-directive-signalsintelligence-activities (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1097  US Court of Appeals (Ninth Circuit), United States v. Mohamud, No. 1430217 (2016), S. 37 ff. Siehe ferner US Court of Appeals (Second Circuit), In Re Terrorist Bombings of U.S. Embassies in East Africa, 552 F.3d 157 (2008), S. 168, welcher ebenfalls die Geltung des 4th Amendments gegenüber Ausländerinnen und Ausländern außerhalb der USA versagte (vom US Supreme Court wurde eine Berufung versagt: 130 S. Ct. 1050 (2010)); US Court of Appeals (First Circuit), United States v. Bravo, 489 F.3d 1 (2007), S. 9, in welchem das Gericht direkt die Rechtsprechung zu Verdugo-Urquidez adaptierte und seine Begrünung darauf stützte (vom US Supreme Court wurde eine Berufung versagt: 552 U.S. 939 (2007)); US Court of

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wünschenswerter wäre eine höchstrichterliche Klärung, um entweder zu den territorialen Ursprüngen des 19. Jahrhunderts zurückzukehren oder die Menschenrechte vom Passerfordernis zu befreien.1098 Bis dahin bleibt jedoch immenser Raum für Interpretationen und Rechtsunklarheit. bb) Würdigung in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung des Right to privacy bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen Überwindet man die Hürde der Anwendbarkeit, stellen sich weitere Pro­ bleme zur inhaltlichen Ausgestaltung des Right to privacy im auslandsnachrichtendienstlichen Kontext. Das Recht auf Privatheit kann an sich bereits auf eine lange Historie und einen ausdauernden Kampf verfassungsrechtlicher Akzeptanz auf höchstrichterlicher Ebene zurückschauen.1099 Demgegenüber sollte der US Supreme Court aber vor allem wegen des „war on drugs“, des „war on crime“ oder des „war on terror“ über die Third-party doctrine sowie die Legalisierung von Überwachung im öffentlichen Raum auch Beschränkungen des Right to privacy zulassen.1100 Seit 2001 kann man beobAppeals (Ninth Circuit), United States v. Davis, 905 F.2d 245 (1990), S. 251, welcher die Rechtsprechung des US Supreme Court sogar um die Versagung der extraterritorialen Geltung für Ausländerinnen und Ausländer auf die Hohe See erweiterte; US District Court for the Eastern District of New York, United States v. Defreitas, 701 F. Supp. 2d 297 (2010), S. 304. 1098  Angelehnt an das Zitat von Ronald Dworkin: „The domain of human rights has no place for passports“, in: ders., Is Democracy Possible Here?, 2006, S. 48. 1099  Zusammenfassend Slobogin, Privacy at Risk, 2007, S. 605 ff. Man muss jedoch nachweisen, dass man von Überwachungsmaßnahmen betroffen ist, sonst versagt der US Supreme Court das „standing before the court“. Siehe dafür US Supreme Court, Laird v. Tatum, 408 U.S. 1 (1972). Bereits in einem Sondervotum erklärte der Richter des Supreme Court der USA William Douglas, dass staatliche Überwachungen individueller Bewegungen an öffentlichen Orten ein klassisches Merkmal totalitärer Staaten seien. So in US Supreme Court, United States v. White, 401 U.S. 745 (1971), S. 765 unter wörtlicher Wiedergabe einer Passage aus Westin, Privacy and Freedom, 1967, S. 365 f. Nur wenige Jahre später vertrat ebenfalls ein Richter am US Supreme Court – William Rehnquist – fast das genaue Gegenteil. Er war der Auffassung, dass die offene Überwachung unverdächtiger Bürgerinnen bzw. Bürger nicht einmal einen Eingriff in die Privatsphäre darstelle. Rehnquist, Is An Expanded Right of Privacy Consistent with Fair and Effective Law Enforcement?, in: U. Kan. L. Rev. 1974, Vol. 23 S. 1 (9). Ferner Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1083. 1100  Siehe hierzu in puncto „tracking devices“ US Supreme Court, United States v. Knotts, 460 U.S. 276 (1983), S. 281 f. sowie bereits Fn. 1017, Abschnitt C. Ebenso US Supreme Court, United States v. Jones, 565 U.S. 400 (2012), S. 404 f.; Kyllo v. United States, 533 U.S. 27 (2001), S. 33, welche die optische Überwachung nicht als Verstoß gegen das 4th Amendment einordneten; Lopez v. United States (1963), 373 U.S. 427, welche mit versteckten Mikrophonen und Aufzeichnungsgeräten ausgestatteter verdeckter Ermittler bzw. V-Leute ebenfalls das Right to privacy nicht als verletzt bewertete.



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achten, dass sich das Verhältnis von Privatheit und Sicherheit in den USA zu Gunsten des letzteren verschoben hat, was Daniel Solove als „greatest threat to privacy in our times“ bezeichnete.1101 Erst seit den Snowden-Enthüllungen haben sich Gerichte in den USA wieder gegen zu weitgehende Sicherheitsmaßnahmen und eine zu große Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ausgesprochen. Auch die Entscheidung zu Carpenter v. United States scheint diese Linie fortzusetzen.1102 Jene Entscheidung wirft aber – wie bereits bei der territorialen Reichweite erläutert – Fragen für die Geltung auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungen auf, da diese explizit von der gerichtlichen Bewertung ausgeschlossen wurden. Ob das Right to privacy auch außerhalb des strafrechtlichen Sektors gilt, und wenn ja, welchen Beschränkungen es unterliegt, ist bislang völlig unklar. Ähnliches gilt für die Rechtsprechungslinie in United States v. Knotts, in welcher der US Supreme Court die Überwachung im öffentlichen Raum nicht unter das Right to privacy einordnete, nunmehr aber ein anderes Metadatenverständnis aufzeigt.1103 Würde man eine Geltung unter Anwendung der derzeitigen Standards allerdings bejahen, käme das 4th Amendment als Schutzgut für Kommunika­ tionsinhalte und – seit Carpenter v. United States – auch für Metadaten in Betracht, die derzeit beide über den FISA verarbeitet werden dürfen. Als Konsequenz einer Beschränkung des Right to privacy verlangt der US ­Supreme Court seit Riley v. California eine Rechtsgrundlage mit nachvollziehbaren Gründen, gerichtliche Anordnungen, hinreichende Verdachtsgründe und die Einhaltung eines Minimalschutzes.1104 Die geforderten Beschränkungen zeigen aber auch hier zahlreiche Probleme – vor allem bei der gerichtlichen Anordnung, den Verdachtsmomenten und dem Minimalschutz – auf.1105 1101  So Solove, Nothing to Hide, 2011, S. 103, vor allem in Bezug auf die Thirdparty doctrine. 1102  US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 11 ff., 17. 1103  Diese Voraussetzung entwickelt in US Supreme Court, United States v. Knotts, 460 U.S. 276 (1983), S. 281 f. Siehe auch US Supreme Court, United States v. Jones, 565 U.S. 400 (2012), S. 404 f. 1104  Dies gilt zumindest für Durchsuchungen zur Strafverfolgung. Siehe US Su­ preme Court, Vernonia School District 47J v. Acton, 515 U.S. 646 (1995), S. 652 f.; Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014); Stoner v. California, 376 U.S. 483 (1964). Zuletzt in Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 24 mit Verweis auf Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 353. Ferner Goldberger, Consent, Expectations of Privacy, and the Meaning of Searches in the Fourth Amendment, in: J. Crim L. & Criminology 1984, Vol. 75, S. 319 (338 ff., 348); Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (177). 1105  US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2481: „the ultimate touchstone of the Fourth Amendment is ‚reasonableness‘.“

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Problematisch an diesem System ist dabei nicht die quasi-gerichtliche Ausgestaltung des FISC, die trotz vereinzelter Kritik mittlerweile über Art. III US-Verfassung für gerichtliche Anordnungen in diesem Sektor anerkannt ist, sondern vielmehr die erlassenen Anordnungen und deren Voraussetzungen. Hinreichende Verdachtsmomente oder die Darstellung von begrenzten, detaillierten und spezifischen Überwachungsmaßnahmen, die über den Reasonable test gefordert werden, fehlen im FISA für die Auslandskommunikation.1106 Diametral dazu hat der FISC seit 2001 mindestens drei große Massenüberwachungsprogramme genehmigt,1107 die das Erfordernis einer individualisierten und mit einem hinreichenden Verdacht versehenen Überwachungsanordnung gänzlich vermissen ließen.1108 Die Aufweichung der Anordnungsvoraussetzungen führte im Ergebnis dazu, dass der FISC zeitweilig lediglich über abstrakte Überwachungsmethoden entschied und die beantragten flächendeckenden Massenüberwachungsprogramme legitimierte.1109 Darüber hinaus gilt bei der Überwachung von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland der FISA gar nicht, sondern existiert mit der Executive Order 12.333 lediglich eine vage Rechtsgrundlage, die weder gerichtliche 1106  Vgl. 50 U.S.C. 1881a (a), (h) [Sec. 702 FISA]. Hiernach reiche es für die Anordnungsdarstellung vor dem FISC aus, dass eine Überwachung einer oder mehrerer Personen, die sich nach verständiger Würdigung außerhalb des Hoheitsgebietes befinden, angeordnet werden soll, um auslandsnachrichtendienstliche Informationen in Bezug auf die nationale Sicherheit oder die nationale Ordnung zu gewinnen, die anderweitig nicht oder nicht zeitgerecht erhoben werden können. 1107  Vgl. Hearing before the Subcommittee on Crime, Terrorism, & Homeland Security of the Committee on the Judiciary of the House of Representatives, 112th Cong. 24 (2012) [FISA Amendments Act of 2008], S. 16. Siehe auch Leonnig, Court: Ability to Police U.S. Spying Program Limited, in: Washington Post vom 15.08.2013, verfügbar unter: https://www.washingtonpost.com/politics/court-ability-to-police-usspying-program-limited/2013/08/15/4a8c8c44-05cd-11e3-a07f-49ddc7417125_story. html?utm_term=.f1fdf0f35a88 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Der Telefonanbieter Verizon wurde dazu aufgerufen, diesen Zugang zu gewähren. Vgl. Greenwald, FISA Court Oversight: A Look Inside a Secret and Empty Process, in: The Guardian vom 18.06.2013, verfügbar unter: http://www.theguardian.com/commentisfree/2013/ jun/I9/fisa-court-oversight-process-secrecy (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1108  Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1198 f.). Gesetzliche Grundlage dafür war die sehr schwammige Sec. 215 USA PATRIOT Act, wonach die Regierung alle notwendigen Informationen für laufende Ermittlungen erheben durfte. Siehe auch Granick/Sprigman, The Secret FISA Court Must Go, in: Daily Beast vom 24.07.2013, verfügbar unter: https://www.thedailybeast.com/the-secret-fisa-court-must-go (zuletzt abgerufen am 30.10.2020), welche den FISC als „Kangaroo court“ bezeichneten, der bedenkenlos Massenüberwachungen genehmige. Ähnlich kritisch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 51. Siehe dazu auch Abschnitt D.II.2.d). 1109  Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1200); Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1169 ff.).



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz311

Anordnungen noch irgendwelche Verdachtsmomente vorsieht. Dieses Verständnis knüpft an das oben benannte Problem an.1110 Allerdings deutete jüngst in Bezug auf die NSA-Überwachung der US Circuit Court of Appeals (Ninth Circuit) im Fall United States v. Mohamud an, dass im Ausland nicht dieselben Anforderungen an Überwachungen nach dem 4th Amendment an staatliche Überwachungen zu stellen seien wie im Inland – sowohl für In- als auch für Ausländer.1111 An dieser Auffassung und an der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungspraxis wird jedoch zahlreiche Kritik geübt:1112 Die Ausweitung von Überwachungsbefugnissen berge die Gefahr eines totalitären Rechtsstaates nach „Orwell’schem Vorbild“,1113 welches ein erhöhtes Missbrauchspotential beinhaltet, „in a chilling of confidential sources and supression of news“ resultiere1114 und daher das Right to privacy gänzlich unterlaufen könne.1115 1110  Siehe ferner HRC, Concluding Observations on the 4th USA report, UN Doc. CCPR/C/USA/CO/4, Rn. 22(d). 1111  US Court of Appeals (Ninth Circuit), United States v. Mohamud, No. 1430217 (2016), S. 37 ff. 1112  Vgl. American Bar Association, ABA Standards for Criminal Justice: Electron­ic Surveillance: Section B: Technologically-Assisted Physical Surveillance, 3. Aufl. (1999), mit detaillierten Gesetzgebungsvorschlägen und Handlungsempfehlungen; Slobogin, Privacy at Risk, 2007, S. 116 ff.; Solove, Nothing to Hide, 2011, S.  178 ff.; Donohue, Technological Leap, Statutory Gap, and Constitutional Abyss, in: Minn. L. Rev. 2012, Vol. 97, S. 407 (559); Smith, Sometimes, What Is Public Is Private, in: Rho. Isl. Bar J. 2011, Vol. 59, S. 33 (38); Blitz, Video Surveillance and the Constitution of Public Space, in: Tex. L. Rev. 2004, Vol. 82, S. 1349 (1453 ff.); Rasdan, The Case for Stewart over Harlan on 24/7 Physical Surveillance, in: Tex. L. Rev. 2010, Vol. 88, S. 1475 (1479 ff.); Wittmann, Nobody Watches the Watchmen, in: ZaörV 2013, Vol. 73, S. 373 (419). 1113  US Court of Appeals (Ninth Circuit), United States v. Pineda-Moreno, 617 F.3d 1120 (2010), S. 1121, 1126 (ablehnendes Sondervotum des Chief Judge Alex Kozinski und der Richterinnen und Richter Stephen Reinhardt, Kim Wardlaw, Richard Paez und Marsha Berzon): „[o]ur court now proceeds to dismantle the zone of privacy we enjoy in the home’s curtilage and in public. […] To those of us who have lived under a totalitarian regime, there is an eerie feeling of déjà vu. […] We are taking a giant leap into the unknown, and the consequences for ourselves and our children may be dire and irreversible. Some day, soon, we may wake up and find we’re living in Oceania.“ Ähnlich US District Court for the District of Columbia, Klayman v. Obama, 957 F. Supp. 2d. 1 (2013) S. 29 ff. (vacated 2015: 800 F.3d 559). 1114  Bereits damals haben in einer abweichenden Meinung zu Zurcher v. Stanford Daily die Richter Potter Stewart und Thurgood Marshall festgestellt, dass diese weitgehende Erlaubnis für polizeiliche Durchsuchungsmöglichkeiten „chilling effects“ auslösen könnten. Siehe US Supreme Court, Zurcher v. Stanford Daily, 436 U.S. 547 (1978), S.  571 ff. 1115  Supreme Court of Vermont, State v. Costin, 168 Vt. 175 (1998), S. 190 unter Verweis auf US Court of Appeals (Seventh Circuit), United States v. Torres, 751 F.2d 875 (1984), S. 882.

312

C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

Dabei erscheint es durchaus fraglich, ob solche Maßnahmen überhaupt zielführend sind.1116 Nichtsdestotrotz deuteten die Aussagen des ehemaligen NSA-Chef Keith Alexander, wonach die NSA „need[s] the haystack to find the needle“1117, deren Wichtigkeit an. Dies lässt Ansätze eines Überwachungsstaates offenkundig werden. Auch wenn man die extraterritoriale Reichweite der Civil Liberties erheblich einschränkt, gelten aber hier dennoch Minimalschutzstandards und damit ebenso für Ausländerinnen und Ausländer ein Bereich „[of] a certain private sphere of individual liberty [that] will be kept largely beyond the reach of government“.1118 Dies bestätigte der US Supreme Court jüngst in Carpenter v. United States, als er deutlich machte, dass eine extensive Standortüberwachung der Exekutive verboten sei, weil diese zu tief, weit und umfangreich in das private Leben eingreife.1119 Eine umfassende Abkehr zur Third-party doctrine kann daraus allerdings (noch) nicht abgeleitet werden. Ob der US Supreme Court diese Kritik adaptiert und zumindest den Minimalschutzstandard für den auslandsnachrichtendienstlichen Bereich bestätigt und wie weit dieser den exekutiven Ermessensspielraumbei der auswärtigen Gewalt hierbei zieht, wird sich zeigen müssen.1120 3. Rechtsvergleich – extraterritorialer Grund- und Menschenrechtsschutz in Zeiten auslandsnachrichtendienstlicher Überwachung Die moderne Entwicklung der Grund-, Menschen- und Bürgerrechte sowie das die Welt sternenhell erstrahlende Konzept des Universalismus und der Geltung dieser Verbürgungen für alle stellte bereits wenige Jahre nach deren Entwicklung nur noch einen weißen Zwerg dar. Zwar sollte die Positivierung 1116  Schwartz, The Whole Haystack, in: The New Yorker vom 26.01.2015, verfügbar unter: http://www.newyorker.com/magazine/2015/01/26/whole-haystack (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Siehe auch Mueller/Stewart, Secret without Reason and Costly without Accomplishment, in: ISJLP 2014, Vol. 10, S. 407 ff. 1117  Keith Alexander, Interview at Aspen Security Forum vom 18.07.2013, zitiert bei Heidebach, Die NSA-Affäre in Deutschland – Stößt der Grundrechtsschutz an seine Grenzen?, in: DöV 2015, S. 593. 1118  US Supreme Court, Thornburgh v. American College of Obstetricians & Gynecologists, 476 U.S. 767 (1986), S. 770 ff. 1119  US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 22. 1120  Grundsätzlich anerkennend US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 293, wobei das Gericht auch erwähnt, „if there were a constitutional violation, it occurred solely in Mexico“, S. 264. Ebenso US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 US 723 (2008), Teil IV. B.; Rasul v. Bush, 542 US 466 (2004); Reid v. Covert, 354 U.S. 1 (1957), S. 6.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz313

dieser Rechte für die restliche Welt wegweisend sein.1121 Tatsächlich beschränkt sich die Anwendung und Umsetzung universeller Menschenrechte auf einen „lächerlich kurzen Zeitraum“.1122 Erst in den Neunziger Jahren kam es durch die erhöhte Akzeptanz von einer umfassenden Geltung der Menschenrechte zu einer – wie es Martti Koskenniemi schreibt – „ethischen Wende“ im Recht und in der Politik, die nach ihm auch politisch inspiriert war, aber gleichfalls durch zahlreiche spätere politische Mechanismen versucht wurde, wieder einzudämmen.1123 Ein ähnliches Muster lässt sich in den drei untersuchten Staaten erkennen. In diesen finden sich diametral zur Entwicklung der universellen Idee heute am stärksten im jungen deutschen Verfassungssystem universalistische Ansätze. Dort existiert mit Art. 1 Abs. 3 GG eine umfassende Bindungsklausel, das Bundesverfassungsgericht erachtet eine extraterritoriale Wirkung der Grundrechte grundsätzlich für möglich und das Grundgesetz ist durch seine Öffnungsklauseln offen für die internationale Idee von extraterritorialen menschenrechtlichen Verpflichtungen. In den Verfassungen der USA und in Frankreich hingegen gibt es kaum bis gar keine Bindungsnormen. Auch der Ursprungsgedanke von universellen Rechten begegnet in den Vorreiterländern von Bürger- und Menschenrechten starken territorialen Begrenzungen. Zwar hat Frankreich im Wege der Unionsbürgerschaft diese Rechte auf Ausländerinnen und Ausländer erweitert, allerdings gilt das lediglich für das eigene Hoheitsgebiet. Außerhalb der eigenen Grenzen verneint der Conseil Constitutionnel in den allermeisten Fällen die Geltung des Bloc de constitutionnalité. Eine noch stärkere Beschränkung der nationalen Bürger- und Menschenrechte ist bisweilen in den USA zu beobachten. Dort wird nicht nur auf internationaler Ebene die extraterritoriale Geltung völkerrechtlicher Menschenrechtsverträge – entgegen der breiten Staatengemeinschaft – entschieden abgelehnt, sondern werden ferner auf nationaler Ebene die Civil Liberties fast ausschließlich territorial verstanden und diese selbst Ausländerinnen und Ausländern bei Rechtsverletzungen auf US-amerikanischen Hoheitsgebiet nur gewährt, wenn sie eine Substantial connection zu den USA nachweisen. 1121  Herdegen, Art. 1 Abs. 3 GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, 84. EL 2018, Rn. 4; Höfling, Art. 1 GG, in: Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Rn. 2. 1122  So Hans Joas, zitiert in: Assmann, Menschenrechte und Menschenpflichten, 2018, S. 67. Die Verbürgungen in Frankreich sollten nach Emile Boutmy – im Gegensatz zu den USA – der Welt nicht nur Bürger- sondern Menschenrechte mit weiterem Anwendungsbereich bringen. Zitiert in Kriele, Zur Geschichte der Grund- und Menschenrechte, in: Achterberg, FS Scupin, 1973, S. 187 (190 f.). Die Geschichte sollte ihn jedoch widerlegen. 1123  Koskenniemi, The Lady Doth Protest Too Much, in: Mod. L. Rev. 2002, Vol. 65, S. 159 (159 ff.).

314

C. Transnationaler und extraterritorialer Grundrechtsschutz

In einzelnen Urteilen verwies der US Supreme Court jedoch darauf, dass zumindest ein Minimalschutzstandard für alle Menschen gilt. Gleich ist allen Nationen jedoch, dass überall der Schutz der Privatheit bzw. spezielle Ausformungen hiervon verfassungsrechtlich – ob über verfassungsgerichtliche Rechtsprechung oder Normierung in der Verfassung – verankert sind, auch wenn nicht überall ein einheitliches Grundverständnis hierüber besteht.1124 Während in Deutschland seit geraumer Zeit nicht nur Telekommunikationsinhalte, sondern überdies Verbindungsdaten unter den Schutzbereich verschiedenster Grundrechte fallen, haben die USA erst seit kurzem anerkannt, dass Metadaten zu den zu erwarteten Privatheitsaspekten des Right to privacy gehören können. In Frankreich hingegen nimmt der Conseil Constitutionnel an, dass vor allem solche Metadaten zumeist freiwillig in den Verkehr gebracht werden und daher nicht schützenswert seien. Diese Ansicht ist stark an das ursprüngliche US-amerikanische Verständnis des US Supreme Court angelehnt, der seit Carpenter v. United States diese umfassende Einwilligungs-Theorie mittlerweile allerdings (teilweise) aufgegeben hat.1125 Sofern ein Schutz über die gewährleisteten Rechte der Privatheit in Frage kommt, zeigen alle Staaten auf, dass diese Rechte nicht absolut sind, sondern lediglich die staatliche Gewalt beschränken sollen. Die Rechtfertigung staatlicher (auslandsnachrichtendienstlicher) Überwachung fällt hierbei jedoch unterschiedlich intensiv aus. Zwar benötigen jene Maßnahmen in allen Staaten eine gesetzliche Grundlage, die dem Schutz eines wichtigen Verfassungswertes – zumeist der nationalen Sicherheit – dient, die Einholung einer quasi-gerichtliche Anordnung und müssen Aspekte von Verhältnismäßigkeitserwägungen beachtet werden. Vor allem in Frankreich und den USA findet sich ein viel stärkeres Verständnis des Ordre public oder der National security wieder, die in der Vergangenheit die Verfassungskonformität trotz weitgehender staatlicher Überwachungsmaßnahmen bestätigten. Deshalb ist es kaum erstaunlich, dass genau jene Staaten Massenüberwachungsprogramme benutzen und der Conseil Contitutionnel diese sogar für verfassungskonform erklärte. In Bezug auf den Aspekt der verhältnismäßigen Ausgestaltung solcher Beschränkungen existiert in den USA zumindest ein – nicht besonders ausgeprägter – Minimalschutz der Civil Liberties, welcher aber nicht an die umfassenden Interessenabwägungen des Bundesverfassungsgerichts heranreicht. Zudem besteht nur in Deutschland die Grenze, 1124  Lindon, Les droits de la personnalité, 1983, S. 256, welcher meint, dass das Verständnis von Privatheit und Privatsphäre von Natur aus beweglich sei. So auch Klar/Kühling, Privatheit und Datenschutz in der EU und in den USA, in: AöR 2016, Vol. 141, S. 165 (180). 1125  US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 12 f.



III. Transnationaler Grund- und Menschenrechtsschutz315

dass ein Eingriff, sofern dieser in den Bereich der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG hineinragt, nicht mehr gerechtfertigt werden kann. In der Quintessenz mag es folglich nicht erstaunen, dass das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren am häufigsten staatliche Sicherheitsgesetze für verfassungswidrig erklärte und stets um einen Ausgleich zwischen Sicherheits- und Freiheitsrechten bemüht war. Deutschland musste andererseits auch kein 9/11 oder einen Vendredi noir miterleben, welche die obersten Gerichte nicht gänzlich unbeeinflusst ließen.1126

1126  Es ist jedoch zu erwähnen, dass auch der Conseil Constitutionnel die ersten Gesetzesnovellen aus 2015 teilweise für verfassungswidrig erklärte.

„Vertraue, aber prüfe nach.“1 Wladimir Iljitsch Lenin „Die einzige Legitimation geheimdienstlicher Tätigkeit in Rechtsstaaten aber lautet: Rechtsstaatliche Bindung durch volle und eisenharte parlamentarische Kon­ trolle.“2 Konstantin von Notz

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen – Asymmetrische Tendenzen zwischen Kontrolleuren und Kontrollobjekten Nachdem vorab die Möglichkeiten und Grenzen der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsbefugnis fokussiert worden sind, stellt sich nunmehr die Frage, wer die Einhaltung dieser ausdezidierten Vorgaben kontrolliert. Die Grundvoraussetzungen von Kontrolle im Allgemeinen sind dabei zunächst jeweils das Vorhandensein eines Kontrollobjekts bzw. -subjekts, Kontrolleure sowie ein normierter Kontrollmaßstab und hierfür existierende effektive Kontrollinstrumente.3 Auf Verfassungsebene ist die Kontrolle der Staatsgewalten in ihrem Grundgerüst notwendige Konsequenz, welche sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz, dem Rechtsstaatsprinzip sowie den Grundrechten ableitet, da die an Recht und Gesetz bzw. die verfassungsmäßige Ordnung gebundene Staatsgewalt weder allein beim Volk noch gänzlich beim von diesem legitimierten Parlament liegt.4 Bereits der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee verdeutlichte, dass die Grundrechte sowie deren Kontrolle im Zentrum des Rechtsstaates stehen und daher die Staatsgewalt bei der Wahrnehmung all ihrer Aufgaben einer Fülle rechtlicher Bindungen

1  Lenin, Über Abenteurertum, in: Institut für Marxismus-Leninismus, Werke, Bd. 20, 1961, S. 358. Das originale Zitat lautet: „Dowerjai, no prowerjai“, was direkt übersetzt heißt: „Nicht aufs Wort glauben, aufs strengste prüfen“. 2  So von Notz, Der demokratische Rechtsstaat und das Geheimnis der Dienste – Neubewertung eines Spannungsverhältnisses, in: FW 2015, Vol. 90, S. 17 (24). 3  So Gusy, Parlamentarische Kontrolle, in: JA 2005, Vol. 37, S. 395 (395). 4  Ebd., S. 395 f. Siehe auch Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG.



D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen317

unterliegen sollten.5 Letztere unterliegt der wirksamen und „wechselseitigen Begrenzung und Kontrolle staatlicher Macht“,6 um eine „Machtbalance“7 zu gewährleisten. Daher müssen rechtsstaatliche Kontrolle und demokratische Gestaltungsfreiheit regelmäßig in einen angemessenen Ausgleich zueinander gebracht werden, was dazu führt, dass rechtsstaatliche Garantien demokratische Entscheidungsprozesse und die Verbindlichkeit politischer Entscheidungen beschränken können, damit alle Bürgerinnen und Bürger „in ihren grundlegenden Rechten respektiert“ werden.8 Auf der anderen Seite ergibt sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, welcher einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich bei der Regierungs- und Verwaltungskontrolle vorschreibt und die Kontrolle grundsätzlich nur „auf bereits abgeschlossene Vorgänge erstreckt“.9 Dies gilt für jene Bereiche, die dem Willensbildungsprozess sowie Entscheidungsfähigkeit und damit der alleinigen Verantwortung der Bundesregierung unterfallen.10 Im Umkehrschluss bedeutet dieser Grundsatz allerdings für die umfassende Kontrolle im gewaltengeteilten Staat nicht, dass eine präventive Kontrolle von noch nicht abgeschlossenen Vorgängen per se ausgeschlossen sein soll – was umso mehr für den auslandsnachrichtendienstlichen Sektor gilt, welcher tiefgreifende Grundrechtsbeschränkungen erlaubt und zu unumkehrbaren Sachlagen führen kann.11 5  Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10.– 23.08.1948, abgedruckt in: Bucher, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. 2, 1981, S. 504 ff. Ferner Sachs, Art. 20 GG, in: Sachs, GG, 8. Auflage 2018, Rn. 78, 90. 6  BVerfGE 30, 1, 28 – Abhörurteil. Zudem spricht das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Entscheidung zum Hessischen Richtergesetz von „gegen­ seitige(r) Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“. Siehe BVerfGE 34, 52, 59 – Hessisches Richtergesetz. 7  Herdegen, Art. 79 GG, in: Maunz/Dürig, GG 85. EL 2018, Rn. 147. 8  Huster/Rux, Art. 20 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 152. 9  BVerfGE 67, 100, 139 – Flick-UA; 68, 1, 87 – Atomwaffenstationierung. Siehe auch Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 36. Kritisch dazu Baer, Vermutungen zu Kernbereichen der Regierung und Befugnissen des Parlaments, in: Der Staat 2001, Vol. 40, S. 525 (525 ff.); Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III, 3. Aufl. 2005, S. 1115 (1120 ff.). 10  Klein, Art.  45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 36. Ferner Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2000, Vol. 19, S. 387 (392). 11  Siehe zum Kontrollbereich durch das Parlament: Huber, §  6 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1479 f.; Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 6 PKGrG, Rn. 7. A. A. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 631; Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S.  173 f.; Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 45 f.

318

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Ob sich diese Grundkonstruktion aber tatsächlich inhaltsgleich auf die Auslandsnachrichtendienstkontrolle übertragen lässt, wurde mehrfach bezweifelt.12 So stellt Enrico Brissa in den Raum, ob sich die parlamentarisch transparente Kontrolle und die „klandestinen Geheim- oder Nachrichtendienste nicht am besten mit der rhetorischen Figur des Oxymorons beschreiben“ ließe.13 Andere sehen in der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und deren Kontrolle ein „Dilemma“ und „unlösbaren Gegensatz“.14 Nach Hans Peter Bull liege das grundlegende Problem darin, dass „ein ‚transparenter Geheimdienst‘ […] seine Aufgaben nicht erfüllen“ könne, „aber ein unkon­ trollierter Geheimdienst […] eine Gefahr für die Bürger und für die verfassungsmäßige Ordnung“ darstelle.15 Die genaue Ausgestaltung dieser zwei benannten Außengrenzen unterliegt in der Praxis einer ständigen Neujustierung. Der Name Edward Snowden steht hierbei sinnbildlich für die letzten und umfangreichsten Novellierungen der Nachrichtendienst(kontroll)gesetze in den größten Überwachernationen. Der UN Special Rapporteur on the right to privacy Joseph Cannataci attestierte den neuen Gesetzen zur Beschränkung der Privatsphäre jedoch, dass diese auf einer Politik der Angst beruhen und nicht an den Prinzipien von Verhältnismäßigkeit und effektiver Rechtskontrolle ausgerichtet seien.16 Ob dieser Einschätzung zu folgen ist oder eventuell doch zumindest eine effektivere parlamentarische (a)), exekutive (b)), juristische (c)) bzw. öffentliche Kontrolle (d)) durch die einzelnen Novellen geschaffen wurde, soll im nachfolgenden Abschnitt zunächst anhand der deutschen Auslandsnachrichtendienstkontrolle erörtert werden (I.). Der anschließende Abschnitt (II.) soll einen Vergleich zu zwei anderen großen Überwachungsstaaten ziehen: den USA (2.) – als bedeutendsten Teil des weltweiten Überwachungsverbundes der „Five Eyes“ – und Frankreich (1.) – die auf Grund mehrerer terroristischer Anschläge im Inland 2015 ihre Regelungen der Sicherheitsarchitektur grundlegend neu ausrichteten.

12  Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S.  631; Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 173 f.; Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 45 f. 13  Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (765 f.). 14  So zumindest Bull, Sind Nachrichtendienste unkontrollierbar?, in: DÖV 2008, S.  751 (751 ff.); Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 1. 15  Bull, Sind Nachrichtendienste unkontrollierbar?, in: DÖV 2008, S. 751 (751). Siehe auch Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 1. 16  Siehe dafür Cannataci, Report of the Special Rapporteur on the right to privacy vom 24.02.2017, UN Doc. A/HRC/34/60, S. 13.



I. Kontrolle des BND319

I. Kontrolle des BND In Deutschland sind viele der gesetzlichen Regelungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle älter als die materiellen Bestimmungen zu den Befugnissen des BND.17 Sie begann 1951 – fast 40 Jahre vor dem ersten Entwurf des BNDG – mit dem Ausschuss zum Schutz der Verfassung, welchem 1956 das neu eingeführte Parlamentarische Vertrauensmännergremium folgte. Beide agierten ohne spezielle Ermächtigungsgrundlage und hatten keine besonderen Auskunfts- und Nachforschungsbefugnisse.18 Das führte dazu, dass die Bundesregierung selbst entschied, welche Informationen sie zur Kontrolle vorlegte und die Kontrollstellen auf die Richtigkeit dieser Angaben vertrauen mussten.19 Zudem hatte das Parlamentarische Vertrauensmännergremium anfangs kein Selbsteinberufungsrecht, sondern konnte nur bei Einberufung durch den Bundeskanzler tagen.20 Man konnte es zu dieser Zeit als Errungenschaft ansehen, dass 1968 eine Dienstanweisung eingeführt wurde, um die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit überhaupt schriftlich festzuhalten.21 Die wirkliche Errungenschaft war hingegen das Art. 10-Gesetz (G10),22 welches ebenfalls 1968 verabschiedet wurde, weil es nicht mehr als vertret17  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (437). 18  Die Kontrolle war ausschließlich auf den BND beschränkt. Siehe Deutscher Bundestag, Zur Sache 3/76, Teil I: Parlament und Regierung, S. 144 ff.; Magiera, Art. 45d GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 1; Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, 2014, S. 223 f.; Waske, Mehr Liaison als Kontrolle, 2009, S. 33; Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 73; Friesenhan, Die Kontrolle der Dienste, in: Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 87 (99); Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 116 f.; Hansalek, Die parlamentarische Kontrolle der Bunderegierung im Bereich der Nachrichtendienste, 2006, S. 37; Brenner, Bundesnachrichtendienst im Rechtsstaat, 1990, S. 57; Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, PKKG Einleitung, S. 171 f. 19  Vgl. dazu näher Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S.  116 f.; Hansalek, Die parlamentarische Kontrolle der Bunderegierung im Bereich der Nachrichtendienste, 2006, S. 36; Friesenhahn, Die Kontrolle der Dienste, in: Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 87 (100). 20  Das führte zwischen 1976 und 1978 dazu, dass es faktisch keine Kontrolle des BND gab, da das Gremium gar nicht zusammentrat. 21  Vgl. zur Erwähnung dieser: Bericht der Abgeordneten Hirsch und Gerster, ­Bericht und Antrag des 2. Untersuchungsausschusses vom 19.02.1975, BT-Drs. 7/3246, S. 47. 22  Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13.08.1968 (G10), BGBl. 1968, Vol. I, S. 949.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

bar erachtet wurde, „daß den Feinden des Staates und seiner freiheitlichen demokratischen Grundordnung der uneingeschränkte Schutz des Fernmeldegeheimnisses zugute“ komme.23 Mit dem G10 schuf man jedoch gleichzeitig ein Kontrollgremium, die G10-Kommission, das einen ersten wichtigen Baustein zur exekutiven Kontrolle auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit bilden sollte. Die Arbeit der Kommission war anfangs allerdings erschwert, da man zu dieser Zeit größtenteils noch davon ausging, dass der BND im Ausland an gar keine Gesetze gebunden war oder gar eine Ermächtigungsgrundlage benötigte. Paradoxerweise bedeutete das simultan, dass sich die Behörden, die zum Verfassungsschutz berufen waren, von der Verfassungsbindung streckenweise selbst ausgenommen sahen, und deshalb die Kontrolle der G10-Kommission sehr limitiert war.24 Dies nahm das Bundesverfassungsgericht früh zum Anlass, die effektive Nachrichtendienstkontrolle verfassungsrechtlich hervorzuheben.25 Zwar erachtete es auf Grund der Besonderheit von nachrichtendienstlicher Tätigkeit einzelne rechtliche Ausnahmen und Spezialregelungen zur Exekutivkontrolle für zulässig, sofern diese nicht dazu führten, dass die Kontrollmechanismen an Effektivität verlieren.26 Konsequenz hieraus war allerdings, dass die Kontrolle 1978 weiter ausgebaut wurde, indem eine weitere – zwar sehr knapp gehaltene und „befugnisarme“ – gesetzliche Grundlage für die nachrichtendienstliche Kontrolle samt neuem Kontrollorgan geschaffen wurde. Durch das Gesetz über die Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKKG) wurde die Parlamentarische Kontrollkommission eingeführt, welche das Parlamentarische Vertrauensmännergremium ablöste.27 Hiermit einher gingen Neuregelungen zu Wahlen der Mitglieder, feste Termine zum Zusammentreten, Berichtspflichten gegenüber dem Bundestag28 und geringfügige Informationspflichten der Bundesregierung.29 Durch Organisationserlass des damaligen Bundeskanz23  Siehe Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz), ­BT-Drs. V/1880, S. 6, 8. 24  Siehe ebd., S. 9 f. Ferner Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (438). Vgl. für die Auslandsgeltung der Grundrechte bereits Abschnitt C.II. 25  Damals für den Bereich der G10-Kommission: BVerfGE 30, 1, 21 ff. – Abhör­ urteil. 26  Ebd. 27  Vgl. BGBl. 1978, Vol. I, S. 453. 28  Bereits damals konnten aufgedeckte Skandale oder Missstände mit zwei Drittel-Mehrheitsbeschluss der PKK auch öffentlich (und unter besonderen Geheimhaltungsauflagen) dem Bundestag vorgelegt werden. 29  Hierbei handelte es sich allerdings lediglich um einen nicht justiziablen Anspruch auf Unterrichtung. Dies änderte sich allmählich erst 1992, in dem Unterrichtungspflichten der Bundesregierung nicht mehr pauschal versagt werden durften.



I. Kontrolle des BND321

lers Helmut Kohl 1989 wurden die Angelegenheiten des BND ressortfrei dem Bundeskanzleramt unterstellt,30 um über deren Tätigkeiten exekutiv zu wachen. Im Mai 1992 wurde die Kontrollkommission durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) ersetzt.31 Dieses ist – nach einer stetigen Abschaffung bestehender und Neuschaffung anderer Gremien – bis heute das beständigste Kontrollorgan für die BND-Kontrolle.32 Seit Inkrafttreten des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes 197833 (PKGrG) wurden nach anhaltender Kritik an den Nachrichtendiensten 2009 und 2016 die bis dahin größten und heute noch nachhaltigsten verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Reformen der nachrichtendienstlichen Kontrolle auf den Weg gebracht.34

Folglich hatte bis dato die Bundesregierung faktisch die alleinige Aufsicht über die Nachrichtendienste. Näher hierzu Hansalek, Die parlamentarische Kontrolle der Bunderegierung im Bereich der Nachrichtendienste, 2006, S. 48 ff.; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 118 f. 30  BGBl. 1992. Vol. I, S. 997. Ferner Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 6. Aufl. 2016, S. 46 f., 151. 31  Vgl. BGBl. 1992, Vol. I, S. 997. 32  Die Kontrolle des BND steht im Vordergrund der Arbeit des PKGr. Ca. 80 % der Kontrolltätigkeit entfallen auf den Auslandsnachrichtendienst. Im Vergleich dazu ist die Kontrolltätigkeit bezogen auf das BfV (15 %) und den MAD (5 %) eher gering. So Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 160. 33  BGBl. 1978, Vol. I, S. 453. 34  Vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 1 ff.; Gesetzesentwurf von den Frak­ tionen der CDU/CSU, FDP und SPD, Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12412, S. 1 ff.; Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, ­BT-Drs. 18/9040, S. 1 ff.; Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 1 ff. Es sollte jedoch Erwähnung finden, dass auch die Reform vom 17.06.1999 durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien, (BGBl. Vol. I, S. 1334) das Informa­ tionsrecht des PKGr inhaltlich neu ausgestaltete und die Akteneinsichtsbefugnis erweiterte. Zudem wurden hier erstmals Zutritts- und Befragungsrechte normiert, die allerdings sehr pauschal und schwach gestaltet wurden. Näher dazu Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 120 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

1. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die nachrichtendienstliche Kontrolle a) Grundgesetzliche Vorgaben für die Nachrichtendienstkontrolle aa) Art. 45d GG Der 2009 durch Verfassungsänderung eingeführte Art. 45d GG sollte als institutioneller Bestandsschutz für die nachrichtendienstliche Kontrolle des Bundes dienen, welche bis dato nur einfachgesetzlich normiert war.35 Diese Einführung intendierte den ungleichen Kräften entgegenzuwirken, welche durch die Erweiterung nachrichtendienstlicher Befugnisse im Zuge der Terrorismusbekämpfung nach 2001 im Verhältnis zu den Kontrollorganen zu polarisieren begann.36 Tatsächlich stellte die Einführung eine „Verrecht­ lichung des bislang politisch erreichten Status quo“ dar.37 Bereits zu Zeiten des Parlamentarischen Vertrauensmännergremiums war eine solche Verankerung im Grundgesetz angedacht, wurde jedoch mit großer Mehrheit damals noch abgelehnt,38 obwohl die parlamentarische Kontrolle seit Beginn der nachrichtendienstlichen Kontrolltätigkeit als „Problem mit vielfältigen verfassungsrechtlichen Implikationen“ verortet wurde.39 Die grundrechtliche 35  Gesetzesentwurf von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD, Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom 24.3.2009, BT-Drs. 16/12412, S.  1 ff. Ferner Bull, Sind Nachrichtendienste unkontrollierbar?, in: DÖV 2008, S. 751 (751 ff.); Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (36 ff.); LVerfG Brandenburg, Urteil vom 19.02.2016, Az.: VfGBbg 57/15, Rn. 51; Magiera, Art. 45d GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 2; Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 22. 36  Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 11. 37  Gusy, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 18.05.2009, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 B, S. 2. Ferner Hömig, Art. 45d GG, in: ders./Wolff, GG, 11. Aufl. 2016, Rn. 1. 38  Deutscher Bundestag, Bericht des 2. Untersuchungsausschusses vom 24.06.1969, BT-Drs. V/4208, S. 8. Eine solche Änderung damals ablehnend: Rechtsausschuss des Bundestages, Beschlußempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste vom 08.03.1987, BT-Drs. 8/1599, S. 6; Arndt, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 1369 (1369 ff.). A. A. Klein, Verfassungstreue und Schutz der Verfassung, in: VVdStRL 1979, Vol. 37, S. 53 ff. (91 f.); Evers, Sprengung an der Celler Gefängnismauer, in: NJW 1987, Vol. 40, S. 154 (154 f.); Friesenhahn, Die Kontrolle der Dienste, in: Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 87 (107); Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 1 PKKG, S. 178 f. Ferner Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 6. 39  Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 1.



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Verankerung der Nachrichtendienstkontrolle diente daher auch dazu, die kritischen Auffassungen zu entkräften, nach welchen man verfassungsrechtlich legitimierte Organe nicht durch einfachgesetzlich geschaffene Kontrollgremien kontrollieren und verpflichten durfte.40 Die Bunderegierung verdeutlichte damit zugleich, dass es keine exekutive Gewalt außerhalb der parlamentarischen Kontrolle geben konnte.41 Ungeachtet dessen, ob der Art. 45d GG damit als Sanktionsnorm für die Nachrichtendienste geschaffen wurde42 oder von rein politischer Bedeutung gewesen ist,43 kann ihm keine eigenständige konstitutive Funktion im Hinblick auf die parlamentarische Kon­trolle – allerdings auch nicht deren Beschränkung44 – entnommen werden.45 Lediglich den Adressaten und das kontrollierende Organ der parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle legt die Norm fest: die Nachrichten­dienste des Bundes – worunter der BND als Untersuchungsobjekt fällt – und das ­PKGr.46 Art. 45d Abs. 1 GG impliziert somit, dass ein Gremium zu den benannten Zwecken geschaffen werden musste, ohne konkrete Leitlinien für den Kontrollmaßstab und -instrumente aufzustellen, die diesem zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung stehen sollen.47 Die genaue Ausgestaltung wurde dem Gesetzgeber über Abs. 2 überlassen, welcher „nach objektivem Regelungszweck eine Umsetzung verlangt, die effektive Kontrolle sicherstellt“.48 Dem einfachen Gesetzgeber wird bei der Ausgestaltung der effektiven und 40  So Evers, Sprengung an der Celler Gefängnismauer, in: NJW 1987, Vol. 40, S. 154 (155). Solch ausgedehnte Kontrollbefugnisse, wie sie das PKGr schon 2009 besaß, mussten daher verfassungsrechtlich legitimiert werden. Ferner Klein, Art 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 29. 41  Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 68. 42  Siehe Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss A-Drs. 18(4)653 A, S. 21. 43  Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 67 f., nach welchem sich die parlamentarische Kontrolle bereits konstitutiv aus der Verfassung selbst – namentlich aus dem Demokratieprinzip und Gewaltenteilungsgrundsatz – ergebe. Deshalb diene sie mehr als symbolische Anerkennung; zeitgleich aber auch der Erhöhung der Legitimation des PKGr. 44  Vgl. auch Magiera, Art. 45d GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 3. 45  Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 224. 46  Klein, Art 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 33; Magiera, Art. 45d GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 8; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 71 ff. Das PKGr wurde nur in der amtlichen Überschrift und nicht im Gesetzestext benannt. Da sonst kein anderer Artikel des Grundgesetzes eine solche aufweise, spreche das dafür, dass der Art. 45d GG redaktionell nicht gut ausgearbeitet wurde. So Uerpmann-Wittzack, Art. 45d GG, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 9. 47  Ebenso Magiera, Art. 45d GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 6. 48  So Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (532). Siehe auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundes-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

wirksamen Mechanismen allerdings im Bereich der Auswärtigen Gewalt mit dem BND ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden.49 Auf Bundesebene ist dieser Verpflichtung grundlegend im PKGrG sowie peripher im BNDG und dem schon länger bestehenden G10 nachgekommen, welche allesamt Befugnisse des PKGr regeln.50 Dieses Gremium ist mithin nicht nur durch seine verfassungsrechtliche Verankerung, sondern auch durch den einfachgesetzlichen Befugnisrahmen zum wichtigsten Kontrollorgan auf parlamentarischer Ebene geworden. Die verfassungsrechtliche Einführung des Art. 45d GG hatte aber nicht zur Folge, dass das PKGr zu einem ordentlichen Parlamentsausschuss aufgewertet wurde, da man bewusst die Anwendbarkeit des Kapitel VII der GO-BT vermeiden wollte.51 Da das PKGr somit nur als Gremium ausgestaltet wurde, musste die Verteilung der Sitze nicht nach den Fraktionsstärken i. S. d. Spiegelbildlichkeitsgrundsatz erfolgen und konnten Minderheitenrechten schwächer ausgestaltet werden,52 was dem besonderen Erfordernis der Geheimhaltung besser Tribut zollen sollte.53 Im Ergebnis wurde daher mit dem PKGr – wie Hans Klein es beschreibt – ein verfassungsrechtliches „Gre­­mium sui generis“ eingeführt.54

nachrichtendienstes, 2011, S. 207; Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 17; Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 23. 49  Magiera, Art. 45d GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 18; Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 26; Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (767). 50  Vgl. Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, BGBl. 2009, Vol. I, S. 2346; Gesetz über den Bundesnachrichtendienst, BGBl. 1990, Vol. I, S, 2954, 2979; Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses (G10), BGBl. 2001, Vol. 1, S. 1254, 2298. 51  So Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 356; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 159 ff. 52  Vgl. §§ 57 ff. GOBT. Ferner Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 127. 53  So angelegt im Gesetzesentwurf von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD, Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom 24.3.2009, ­BT-Drs. 16/12412, S. 4. Bestätigend Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 67 f. 54  Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 25. Sich dem anschließend Uhl, 225. Sitzung vom 29.05.2009, BT ParlPr. 16/225, S. 24 896 (D).



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bb) Art. 10 Abs. 2 GG Im Rahmen der Notstandsverfassung vom 24.06.196855 ist abweichend zu Art. 19 Abs. 4 GG in Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG eine Ersatzkontrolle für die gerichtliche Überprüfung von Beschränkungen der Fernkommunikationsgrundrechte eingeführt worden.56 Diese wurde einfachgesetzlich durch das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13.08.196857 ausgestaltet und wird seither durch die G10-Kommission wahrgenommen.58 Der Entwurf betonte einerseits, dass man den damaligen Art. 10 GG derart ändern wollte, um an die Stelle der Überwachung der Brief-, Post- und Fernmeldekommunikation durch die drei Besatzungsmächte, welche über den Deutschlandvertrag hierzu alleinig ermächtigt wurden,59 55  BGBl. 1968,

Vol. I, S. 709. hierzu Sterzel, Kritik der Notstandsgesetze, 1968. 57  BGBl. 1968, Vol. I, S. 949. 58  Nach dem Urteil des BVerfG vom 14.07.1999 (E 100, 313 – TKÜ I) wurde das G10 novelliert und die Vorgängerregelung außer Kraft gesetzt. Darin wurden die Erweiterungen im Zuge des Verbrechensbekämpfungsgesetzes, welches dem BND u. a. erlaubte mit strategischer Fernmeldeüberwachung strafrechtlich relevante Sachverhalte auszuforschen, für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Das Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26.06.2001 (BGBl. 2001, Vol. I, S. 1254 (2298)) stellt heute noch die gesetzliche Grundlage für die Beschränkung der Fernkommunikationsgrundrechte in Deutschland dar. Bereits bei Einführung verfassungsrechtliche Bedenken äußernd: Hermes, Art. 10 GG, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, S. 1192 ff.; Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, S. 1042 ff. Zudem sprachen sich für eine Verfassungswidrigkeit der Einführung der G10-Kommission bzw. des G10 wegen Verstößen gegen Art. 79 Abs. 3 GG, das Rechtsstaatsprinzip sowie die Rechtsweggarantie aus: Rupp, Abweichende Meinung der BVR Geller, v. Schlabrendorff und Rupp zu BVerfGE 30, 1, 34 ff. – Abhörurteil; Dürig/Evers, Zur verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- und Fernmeldegeheimnisses, 1969, S. 7 ff.; Erichsen/ Mutius/Menger, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, in: Verw­ Arch 1971, Vol. 62, S. 291 (291 ff.); Gusy, Der Schutz vor Überwachungsmaßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Art. 10 GG, in: NJW 1981, Vol. 34, S. 1581 (1583 ff.); Häberle, Die Abhörentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in: JZ 1971, Vol. 26, S. 145 (146 ff.); Schlink, Das Abhörurteil des Bundesverfassungsgerichtes, in: Der Staat 1973, Vol. 12, S. 85 (85 ff.). 59  Mit dem Inkrafttreten des G10 endete der Deutschlandvertrag und die darin geregelten Vorbehaltsrechte der Alliierten – mit Ausnahme von Berlin. Mit der Wiedervereinigung und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag galt das auch für das wiedervereinigte Gesamtdeutschland. Vgl. hierzu zunächst Art. 5 Abs. 2 Deutschlandvertrag vom 23.10.1954 (BGBl. 1955, Vol. II, S. 305): „Die von den Drei Mächten bisher innegehabten oder ausgeübten Rechte in bezug auf den Schutz der Sicherheit von in der Bundesrepublik stationierten Streitkräften, die zeitweilig von den Drei Mächten beibehalten werden, erlöschen, sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit dieser Streit56  Kritisch

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

eine Überwachung durch deutsche Behörden zu setzen.60 Dies sollte dazu führen, den Erfordernissen des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gerecht zu werden, weil die drei Mächte Beschränkungsmaßnahmen nicht mitteilen mussten.61 Andererseits erachtete man ein Gesetz, das nur dem Schutz der Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG dient, als „unvollständig“, da es vielmehr geboten erschien, „die Ermittlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden zu erweitern“, die „schon lange als unbefriedigend angesehen“ wurden.62 Dies führte dazu, dass die Kontrolle geheimer Überwachungsmaßnahmen im Bereich des Art. 10 GG den Gerichten entzogen und einem Ersatzkontrollorgan zugeordnet wurde, damit die Gerichte nicht mit der „praktisch unlösbar[en]“ Aufgabe betraut wurden, über geheimhaltungsbedürftige Staatsbelange urteilen zu müssen und zugleich unter Beachtung dieser Geheimhaltung die Rechte der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer zu wahren, ohne ihnen Informationen über die Tatsachen zukommen zu lassen.63 Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Ersatzkontrolle 1970 für verfassungskonform, da es sich lediglich um eine „systemimmanente“ Modifizierung handele, die ausnahmsweise entgegen dem Prinzip der Gewaltenteilung erlaubt sei.64 Ihr kommt allerdings ein kompensatorischer Grundrechtsschutz in Form einer Rechtskontrolle für den gesamten Prozess der geheimen Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des Art. 10 kräfte zu treffen, einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffent­ lichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen.“ Siehe ferner Art. 7 des Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (2+4-Vertrag) vom 12.09.1990, BGBl. 1990, Vol. II, S. 1331 f. Mit Erklärung vom 03.10.1990 (BGBl. 1990, Vol. II, S. 199 (1318)) setzten daraufhin die Alliierten ihre Vorbehaltsrechte gänzlich aus. 60  Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 13.06.1967, BT-Drs. V/1879, S. 17. 61  Eine Mitteilung unterblieb zu Zeiten der Alliierten generell. Eine solche sollte nunmehr zwar vorgesehen werden, jedoch nicht für jedweden Fall erfolgen. Siehe dazu Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 13.06.1967, BT-Drs. V/1879, S. 17. Die Kenntnis von Beschränkungsmaßnahmen der Betroffenen durch staatliche Institutionen ist ein Grunderfordernis effektiven Rechtsschutzes und der Überprüfung dessen Rechtmäßigkeit. Vgl. dafür BVerfGE 100, 313, 361, 364 – TKÜ I. 62  Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.06.1967 zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, BT-Drs. V/1880, S. 7. 63  Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 13.06.1967, BT-Drs. V/1879, S. 17 f. Siehe ferner Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 46, nach welchem die Regelung die freiheitlich demokratische Grundordnung, dem Bestand und der Sicherung der BRD dienen solle. 64  BVerfGE 30, 1, 25, 28 – Abhörurteil. Bestätigt zuletzt in BVerfGE 143, 1, 12 f. – NSA-Selektoren (G10-Kommission), wonach ein Ersatzrechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Exekutive, die nicht durch Gerichte, sondern durch vom Parlament bestellte Organe und unabhängige Institutionen (sogar innerhalb des Funktionsbereichs der Exekutive) ausgeübt werden dürfe.



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GG zu.65 Daher wies das Gericht darauf hin, dass jederzeit sichergestellt werden müsse, dass die G10-Kommission unabhängig, weisungsfrei und neutral vergleichbar einer Richterin bzw. eines Richters ausgestaltet sein müsse, um materiell und verfahrensmäßig einer gerichtlichen Kontrolle gleichwertig zu sein.66 Kritikwürdig an dieser Konstellation ist jedoch, dass die Ersatzkontrolle Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Exekutive gewährleistet, obwohl sie selbst eine „vom Parlament bestellte oder gebildete, unabhängige [Institution] innerhalb des Funktionsbereichs der Exekutive“ darstellt.67 Obgleich dies durchaus mit Blick auf die Gewaltenteilung, in der sich die drei Gewalten gegenseitig kontrollieren und staatliche Macht begrenzen sollen, problematisch ist, wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass das Prinzip der Gewaltenteilung eine solche Konstellation erlaube.68 Es geht dabei jedoch von der Prämisse aus, dass die Gewaltenteilung keine strikte Trennung sei, sondern Ausnahmen zulasse, solange die ratio der wechselseitigen Begrenzung erfüllt sei.69 Die Ersetzung der gerichtlichen Kontrolle exekutiver Maßnahmen durch eine Institution im Felde der Exekutive löste hingegen in der Literatur starke Kritik aus.70 65  BVerwGE 149, 359, 370 ff.; BVerfGE 100, 313, 401 – TKÜ I. Siehe ferner Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien, 2016, S. 31. Die G10-Kommission solle an allen exekutiven Entscheidungen, deren Vorbereitung und Durchführung, die auf eine Beschränkung des Art. 10 Abs. 1 GG gerichtet sind, unterrichtet werden und über Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Mitteilung an Betroffene verbindlich entscheiden. Die Rechtskontrolle kann aus Opportunitätsgründen aber trotz Vorliegen der rechtlichen Grundlagen beschränkt werden. Siehe BVerfGE 143, 1, 12 – NSA-Selektoren (G10-Kommission). Die Kontrolle durch den Bundestag und seiner Abgeordneten bleibt von den Kontrollmechanismen der G10Kommission unberührt. So BVerfGE 124, 161, 190 ff. – Überwachung von Bundestagsabgeordneten. 66  Vgl. PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 S. 2 G10 vom 10.02.2012, BT-Drs. 17/8639, S. 3 und den dazugehörigen § 15 Abs. 5 S. 3 G10. Ferner BVerfGE 30, 1, 23 – Abhörurteil; 120, 274, 332 – Online-Durchsuchung; BVerfGE 143, 1, 12 – NSASelektoren (G10-Kommission). Ebenso Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 217. EL 2017, Rn. 4; Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 49; Ogorek, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 37. Ed. 2018, Rn. 72; Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15 G10, Rn. 1. 67  Vgl. BVerfGE 30, 1, 28 – Abhörurteil; 143, 1, 12 – G10-Kommission. 68  BVerfGE 143, 1, 12 – G10-Kommission. 69  BVerfGE 30, 1, 28 – Abhörurteil. 70  Dürig, Gesammelte Schriften, 1984, S. 343  ff.; Erichsen/von Mutius/Menger, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, in: VerwArch 1971, Vol. 62, S.  291 (291 ff.); Gusy, Der Schutz vor Überwachungsmaßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Art 10 GG, in: NJW 1981, S. 1581 (1581 ff.); Häberle, Die Abhörentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1970, in: JZ 1971, S. 145 (145 ff.); Rupp, Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Brief- Post- und Fernmel-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

b) Verfassungsgerichtliche Vorgaben für die nachrichtendienstliche Tätigkeit Bei der Schaffung des Art. 45d GG und wegen des darin vorgesehenen „Gremiums“ orientierte sich der dazugehörige verfassungsändernde Gesetzesentwurf an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste aus dem Jahre 1986,71 in dem es verfassungsrechtliche Anforderungen an die Besetzung eines Gremiums zur parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle aufstellte.72 Darin bestätigte das Gericht, dass parlamentarische Kontrollgremien, die den Rechtsschutz teilweise ersetzen, verfassungsrechtlich zulässig seien und sogar geheim tagen dürften.73 Sie unterlägen bei der Besetzung auch nicht zwangsläufig dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz, wenn man die Kontrollstelle bewusst nicht als Ausschuss i. S. d. GO-BT ausgestaltet.74 Das Bundesverfassungsgerichts betonte allerdings, dass trotz Geheimhaltungsinteressen im nachrichtendienst­ lichen Bereich die Rechte der Opposition nicht vollends unberücksichtigt bleiben dürften.75 Verfassungsrechtliche Kontrolle im System der drei Gedegeheimnisses durch Notstandsgesetzgebung, in: NJW 1971, S. 275 (275 ff.); a. A. Löwer, Art. 10 GG, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Bd. I, Rn. 39. 71  BVerfGE 70, 324, 324 ff. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. 72  So Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12412, S. 1, 4 f. Ferner Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 162 ff. 73  St. Rspr. seit BVerfGE 30, 1, 29 – Abhörurteil. Darin urteilte das BVerfG in Bezug auf die G10-Kommission, dass systemimmanente Modifikationen und ein Ersatzrechtsschutz per se nicht unzulässig seien. Bestätigt und mit weiteren Verfeinerungen versehen in BVerfGE 67, 157, 171 – G10. 74  Vgl. BVerfGE 70, 324, 358  f. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Siehe ferner Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (99 ff.); Huber, Vorbemerkung PKGrG, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1463; Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, Einleitung PKGrG, Rn. 20; Singer, PKGrG, 2015, Art. 45d GG, S.  17 ff.; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 162; Bumke/ Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 526. 75  BVerfGE70, 324, 358  f. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Grund für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war damals der § 9 Abs. 4 Haushaltsgesetz, welcher vorsah, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste vom Haushaltsausschuss zu genehmigen seien. Ein Streitpunkt war die Zusammensetzung des Ausschusses, für welchen die Mitglieder von der Mehrheit des Bundestages gewählt werden mussten und zu Beginn die Fraktion der Grünen nicht vertreten war. Für die Besetzung von Gremien sei zwar die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu beachten, wohingegen aber neben Art. 38 Abs. 1 GG auch die Wahlrechts- und Chancengleichheit im politischen Wettbewerb eine entscheidende Rolle spiele. Ausnahmen wären nur zulässig, wenn sie zwingend erforderlich seien, um den verfolgten Zweck und das Wesen der Besetzung des Gremiums zu wahren. Zwingende Gründe wurden



I. Kontrolle des BND329

walten, als Ausfluss des Demokratieprinzips und Gewaltenteilungsgrund­ satzes, werde erst ermöglicht, wenn Parlament, Exekutive und Legislative in einem Spannungsverhältnis zueinander stünden.76 Dieses Spannungsverhältnis wird durch den verfassungsrechtlich vorgesehenen Minderheitenschutz sichergestellt. In einem parlamentarischen Regierungssystem überwacht daher in erster Linie nicht die Mehrheit im Bundestag die Regierung, sondern die Opposition.77 Diese müsse zumindest ihren Standpunkt im Willensbildungsprozess des Plenums geltend machen können.78 Andererseits ergeben sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip nicht nur Minderheitenrechte, sondern gleichfalls deren Beschränkungen. Informationsrechte des Bundestages und von einzelnen Abgeordneten können nicht uneingeschränkt bestehen, da – im Interesse der Funktionsfähigkeit des Bundes­ tages – geheime Beratungen und Beratungsgegenstände ermöglicht werden müssten.79 Die Informationspflicht der Bundesregierung – auch im Bereich des BND80 – reiche nur soweit wie der erteilte parlamentarische Untersuchungsauftrag.81 Ferner dürften die preisgegebenen Informationen nicht zu einem „Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen“,82 das Staatswohl hierdurch nicht gefährdet werden – welches dem Parlament als Ganzes anvertraut sei –83 und müssen die Kontrollorgane selbst die Grundrechte be-

in Bezug auf das Geheimhaltungsinteresse der nachrichtendienstlichen Arbeit anerkannt, sofern zukünftige Handlungen der Nachrichtendienste durch die Offenlegung dieser Mittel gefährdet oder gänzlich vereitelt werden würden. Vgl. BVerfGE 80, 188, 219 – Wüppesahl; 94, 351, 369 – Abgeordnetenprüfung; 130, 318, 348, 352 f. – Stabilisierungsmechanismusgesetz; 6, 84, 92 – Sperrklausel; 129, 300, 320 f. – FünfProzent-Sperrklausel. Vertiefend Selmer, Parlamentarische Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste, in: JUS 1987, Vol. 27, S. 62 (62 ff.). Es ist jedoch hervorzuheben, dass sich die hier in Rede stehende Haushaltskommission zumindest von dem PKGr oder der G10-Kommission dahingehend unterscheidet, dass letztere insbesondere zur Kontrolle der Nachrichtendienste berufen sind. Vgl. Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 162 ff. 76  BVerfGE, 49, 70, 85 f. – Untersuchungsausschüsse. 77  Ebd. 78  BVerfGE 70, 324, 363 – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Sie ist jedoch nicht vor parlamentarischen Mehrheitsentscheidungen geschützt. 79  Ebd., S. 359. 80  Die Maßnahmen des BND sind der Bundesregierung, die sowohl die rechtliche als auch politische Verantwortung trägt, zuzurechnen, was § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG klarstellen soll. Vgl. dazu auch Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266 f. 81  BVerfGE 124, 78, 118 ff. – Geheimgefängnisse-UA. 82  Ebd. 83  Ebd. Ferner BVerfGE 67, 100, 134 ff. – Flick-UA; Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 529.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

achten, weshalb sie keine rechtsmissbräuchlichen Anträge stellen dürfen.84 Zudem hindere es die Wirksamkeit der aufsichtlichen Kontrolle nicht, wenn in „besonderen, strikt zu handhabenden Ausnahmefällen“ die Einsicht in Vorgänge oder Akten sowie Auskünfte aus Geheimhaltungsinteressen verwehrt werden.85 Obgleich letzteres lediglich für die Kontrolle der Datenschutzbeauftragten – und eben nicht für die Nachrichtendienstkontrolle – festgestellt wurde, korrespondieren diese Ausnahmen der Informationspreisgabe an die Kontrollgremien mit einer umfassenden – und eben nicht pauschalen – Begründungspflicht.86 Das Bundesverfassungsgericht hat daneben Kriterien für eine effektive Kontrolle aufgestellt, die besonders bei heimlichen Grundrechtseingriffen zu beachten sind. Der verfassungsrechtlich aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz87 stelle „Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle“ und fordere bei tiefen Grundrechtseingriffen – wie sie sich bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen regelmäßig ereignen – eine effektiv ausgestaltete Kontrolle auf rechtlicher und praktischer Ebene.88 Diese heimlichen Maßnahmen wirkten als „unkontrollierbares Beobachtetwerden in besonderer Weise und entfalten nachhaltige Einschüchterungseffekte auf die Freiheitswahrnehmung“, weswegen „effektive[r] aufsichtliche[r] Kontrolle umso größere Bedeutung“ zukommen müsse, je mehr der indi­ viduelle Rechtsschutz über Art. 19 Abs. 4 GG eingeschränkt werde.89 Die Limitierung des Rechtsschutzes sei verfassungsrechtlich zulässig, „wenn für die effektive Ausgestaltung der Aufsicht verfassungsrechtliche Maßgaben beachtet werden.“90 Diese fordern neben der gesetzlich bestimmten und normenklaren Ermächtigung zur Grundrechtsbeschränkung91 eine oder mehrere sachlich uneingeschränkte Kontrollstellen mit wirksamen Befugnis84  Allgemein

dazu BVerfGE 124, 78, 118 ff. – Geheimgefängnisse-UA. 133, 277, 371 – ATDG. 86  BVerfGE 124, 78, 128 – Geheimgefängnisse-UA. Siehe ferner § 18 Abs. 2 S. 2, § 23 Abs. 2 HS. 2 PUAG. 87  Für die Nichtanwendbarkeit im reinen Staatsorganisationsrecht siehe Voßkuhle, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: JUS 2007, Vol. 47, S. 429 (430). 88  So bereits BVerfGE 133, 277, 365 ff. – ATDG; 141, 220, 284 – BKA-Gesetz. 89  BVerfGE 125, 260, 332 – Vorratsdatenspeicherung II; 141, 220, 284 – BKAGesetz. Ähnlich EuGH, Urteil vom 16.10.2012, Az.: C-614/10, Europäische Kommission v. Österreich, Rn. 66; Urteil vom 8.04.2014, Az.: C-293/12, C-594/12, Digital Rights Ireland Ldt. v. Minister for Communications u. a., Rn. 37. 90  BVerfGE 133, 277, 365 f. – ATDG. Die Effektivität der exekutiven Kontrolle ebenso betonend: BVerfGE 65, 1, 60 – Volkszählung; 125, 260, 337 ff. – Vorratsdatenspeicherung; 141, 220, 282 ff. – BKAG. 91  BVerfGE 65, 1, 44 – Volkszählung. 85  BVerfGE



I. Kontrolle des BND331

sen.92 Für diese Kontrolle müsse der Gesetzgeber differenzierte und vollständige Protokollierungen der Beschränkungsmaßnahmen vorsehen, i. S. d. Kompensationsfunktion turnusmäßig93 festgelegte Pflichtkontrollen der Kon­trollstellen mit der Möglichkeit zu Berichten über die Kontrolle gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit erlauben, wobei gerade letztere hinreichend gehaltvoll sein müssen, um eine öffentliche Diskussion zu ermöglichen,94 sowie Regelungen zu Löschungsfristen und deren Überprüfung treffen.95 Weiterhin werde die Normierung zumindest nachträglicher Mitteilungen der Beschränkungen an die Betroffenen96 bzw. flankierend Auskunftsansprüche verlangt, über deren Versagung die Kontrollstellen befinden müssen.97 Das Bundesverfassungsgericht stellt zudem klar, dass

92  Zusätzlich sind auch unabhängige Stellen verfassungsrechtlich bei längerfristigen Observationen unverzichtbar, wenn diese Bildaufzeichnungen anfertigen oder besondere technische Mittel (wie Peilsender) benutzen, nichtöffentliche Gespräche erfassen oder Vertrauenspersonen eingesetzt werden. Diese Maßnahmen dringen so tief in die Privatsphäre ein, dass deren Anordnung einer unabhängigen oder richter­ lichen Instanz obliegen müsse. So BVerfGE 141, 220, 294 – BKAG. 93  Dabei darf die Dauer von zwei Jahren nicht überschritten werden. Siehe BVerfGE 133, 277, 370 f. – ATDG. 94  Grundlegend dazu BVerfGE 65, 1, 46 – Volkszählung. Insbesondere müssen die Unterrichtungen über die Beschränkungsmaßnahmen der Kontrollstelle in praktikabel auswertbarer Weise und inhaltlich hinreichende Vorgaben zu den einzelnen Vorgängen enthalten. Ferner BVerfGE 141, 220, 284 ff. – BKAG. 95  BVerfGE 65, 1, 46 – Volkszählung; 133, 277, 366 – ATDG. Gerade die Löschungspflichten seien ein Ausfluss der „übergreifenden Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Sie dienen dazu, dass die Verwendung personenbezogener Daten auf die Zwecke beschränkt bleibe, wofür sie erhoben wurden, nach Erledigung nicht weiterverwendet werden dürfen und im Wege eines transparenten – wenn auch beschränktem – staatlichen Handelns dies auch ausreichend dokumentiert werde. 96  Ausnahmen der Mitteilungspflichten akzeptiert das Bundesverfassungsgericht, fordert aber eine Abwägung mit verfassungsrechtlichen Rechtsgütern Dritter, welche wiederrum auf das „unbedingt Erforderliche zu beschränken“ seien. Es sieht eine Nicht-Mitteilung als gerechtfertigt an, wenn die Maßnahme sonst ihren Zweck verfehlt, eine Gefahr für Leib oder Leben einer Person bestünde oder überwiegende Belange einer dritten Person entgegenstehen. Die Versagung muss richterlich bestätigt und regelmäßig geprüft werden. Siehe BVerfGE 125, 260, 336 – Vorratsdatenspeicherung; 141, 220, 282 f. – BKAG. 97  Solche können nur verweigert werden, wenn die Versagung gegenläufigen Interessen von größerem Gewicht diene. Hierfür muss gesetzlich vorgesehen sein, dass diese Interessen umfassend gegenübergestellt werden. Siehe BVerfGE 120, 351, 365 – Auskunftsanspruch BZSt. Wenn „aber dennoch die praktische Wirksamkeit solcher Auskunftsrechte angesichts der Art der Aufgabenwahrnehmung – wie bei der heimlichen Datenverarbeitung zur Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus – sehr begrenzt bleibt, ist das verfassungsrechtlich hinnehmbar“. So BVerfGE 141, 220, 283 – BKAG mit Bezug auf BVerfGE 133, 277, 367 f. – ATDG.

332

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

„eine verhältnismäßige Ausgestaltung wirksame Sanktionen bei Rechtsverletzungen“ voraussetze.98 Zusätzliche Anforderungen und Besonderheiten ergeben sich zudem aus den jeweiligen Grundrechten i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG.99 Solche gelten u. a. für den Schutz des Kernbereiches privater Lebensgestaltung, in welchem Überwachungsmaßnahmen nicht vorgenommen werden dürfen.100 Da es in der Praxis technisch durchaus vorkomme, dass Informationen, die diesem Schutz unterfallen, erhoben werden, muss der Gesetzgeber eine Stelle errichten, die solche Informationen vor Verwendung durch die Sicherheitsbehörden herausfiltere.101 Diese Filterung müsse nicht unbedingt von einer externen unabhängigen Stelle vorgenommen werden, wenn bereits für die Erfassung der Daten eine solche Sicherung vorgesehen sei.102 Nichtsdestotrotz müssten Erhebungen von Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung sofort gelöscht und diese Löschung derart protokolliert werden, dass eine nachträgliche Überprüfung stattfinden könne.103 Ebenfalls erstrecke sich die Kontrolle nicht nur auf abgeschlossene Vorgänge, sondern könne eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz geboten sein, sofern eingriffsintensive Überwachungsmaßnahmen stattfänden, bei denen davon auszugehen sei, dass die Dienste auch höchstpersönliche Informationen erfassen.104 Eine solche müsse nicht unbedingt durch eine gerichtliche Kontrolle erfolgen, sondern an diese Stelle könne eine Überprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe oder Hilfsorgane treten.105 Diese Kontrollorgane dürften dann den Kernbereichsschutz bei der Erhebung und Auswertung von Daten mitkontrollieren, ohne dass dieser verletzt werde.106 Die exekutive Stelle müsse aber ihre anzuordnende

98  BVerfGE

133, 277, 369 – ATDG; 141, 220, 284 – BKAG. 125, 260, 335 – Vorratsdatenspeicherung; 133, 277, 366 – ATDG. 100  BVerfGE 141, 220, 276 ff. – BKAG. Siehe zum Kernbereichsschutz bereits Abschnitt C.II.2.e). 101  BVerfGE 109, 279, 333 f. – Großer Lauschangriff; 120, 274, 338 f. – OnlineDurchsuchung. 102  BVerfGE 129, 208, 250 – TKÜ-Neuregelung. Das Bundesverfassungsgericht sieht hierfür eine nachträgliche Sichtung einer hinreichend unabhängigen Stelle als notwendig an: BVerfGE 141, 220, 301, 308 – BKAG. 103  BVerfGE 109, 279, 318 f., 332 f. – Großer Lauschangriff; 113, 348, 392 – vorbeugende TKÜ; 120, 274, 337 ff. – Online-Durchsuchung. 104  So BVerfGE 141, 220, 275 – BKAG unter Bezugnahme auf EGMR, Klass and Others v. Germany, Appl. No. 5029/71, Rn. 56; Zakharov v. Russland, Appl. No. 47143/06, Rn. 258, 275; Szabò und Vissy v. Ungarn, Appl. No. 37138/14, Rn. 77. 105  Wie bspw. die G10-Kommission oder das Unabhängige Gremium. Vgl. BVerfGE 30, 1, 21 – Abhörurteil. 99  BVerfGE



I. Kontrolle des BND333

Maßnahme gegenüber der Stelle, die zur Ersatzkontrolle berufen ist, substantiiert anhand vollständiger Informationsoffenlegung über den vorliegenden Sachverhalt begründen.107 Diese Anforderungen bekräftigte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung im Wesentlichen, indem es eine ausgebaute, unabhängige, institutionell eigenständige und objektivrechtliche Kontrolle forderte.108 Zusätzlich betonte es jedoch, dass diese Stellen mit einem umfassenden Kontrollzugriff auszugestalten seien, der nicht durch die „Third Party Rule“ behindert werde.109 In personeller Hinsicht seien diese so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen können.110 2. Einfachgesetzliche Ausgestaltung der Auslandsnachrichtendienstkontrolle Die Kontrolle des BND steht exemplarisch für das verfassungsrechtlich geforderte Spannungsverhältnis im gewaltengeteilten System. Daher soll nachfolgend die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle durch die einzelnen Gewalten dargestellt und bewertet werden. Hierfür wird zusätzlich auf kontrollverstärkende Faktoren eingegangen. a) Parlamentarische Kontrolle der Exekutive Kontrolle stellt im politischen System die „praktische Einlösung [… des] Legitimationszusammenhanges“ dar,111 welche in ihrer parlamentarischen Ausgestaltung das exekutive Handeln legitimieren soll. Lorenz von Stein umschreibt in diesem Sinne, dass parlamentarische Kontrolle das Handeln der vollziehenden Gewalt „im Geiste der Volksvertretung“ sicherstellen müsse.112 Aus dem Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip ergibt sich daher das „Postulat einer parlamentarischen Kontrollmöglichkeit der Exekutive“.113 106  BVerfGE 129, 208, 249 – TKÜ-Neuregelung. Das Bundesverfassungsgericht betont hier, dass dafür nicht unbedingt eine neue unabhängige Kontrollstelle geschaffen werden müsse. 107  BVerfGE 103, 142, 152 f. – Wohnungsdurchsuchung. 108  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 266 ff. – BNDG. 109  Ebd., Rn. 272, 282. 110  Ebd., Rn. 284. 111  So Gusy, Parlamentarische Kontrolle, in: JA 2005, Vol. 37, S. 395 (395 f.). 112  So von Stein, Die Verwaltungslehre, 2. Aufl. 1869, S. 345 ff. Ferner Schmitt Glaeser, Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes, 3. Aufl. 2016, S. 110. 113  So Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 3. Ferner BVerfGE 67, 100, 130 – Flick-UA; Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (37).

334

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Im Grundgesetz ist diese überwiegend als Regierungskontrolle ausgestaltet und strukturiert sich fast ausschließlich als politische Kontrolle durch das Parlament.114 Hierzu gehören daher auch das demokratische Gebot der effektiven Ausgestaltung der Minderheitenrechte, die Teilnahme der Opposition am Willensbildungsprozess des Plenums sowie der Erhalt von umfassenden Informationen und deren Verbreitung an die Öffentlichkeit zur Legitimation staatlichen Handelns.115 Parlamentarische Kontrolle kann folglich nur wirksam sein, wenn sie grundsätzlich öffentlich stattfindet,116 da sie i. S. d. politischen Kontrolle als Kontrollschauplatz die Debatte und die Herstellung von Öffentlichkeit benötigt.117 Die Öffentlichkeit spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle, weil sie einerseits ein Interesse an legitim agierenden Staatsgewalten hat und dieses dadurch transparenter gestaltet wird; andererseits bei ihr eine Bereitschaft bestehen muss, gewisse Kontrollmechanismen einzufordern oder Fehlverhalten zu kritisieren. Öffentliche Kontrolle bedingt somit parlamentarische Kontrolle. Letztere fokussiert sich hingegen keineswegs nur auf politische Entscheidungen, sondern unterwirft alle exekutiven Handlungen im Verantwortungsbereich der Regierung einer Zweck- und Rechtmäßigkeitsprüfung.118 Sie stellt klar, dass es keine exekutive Gewalt gibt, die sich dieser entziehen kann oder von ihr nicht unterworfen wäre.119 Aus dem Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG folgt vielmehr, dass sich jedes „kontrollrelevante Vorenthalten von Informationen […] negativ auf die Legitimation der jeweiligen exekutiven Aufgabenerfüllung auswirkt“.120 114  Siehe dazu BVerfGE 124, 161, 195 – Überwachung Bundestagsabgeordnete; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2002, Az.: 13-VIII-00, Rn. 24. Ebenso Gusy, Parlamentarische Kontrolle, in: JA 2005, Vol. 37, S. 395 (395 f., 399). 115  BVerfGE 70, 324, 363 – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Ebenso Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 4; Gusy, Parlamentarische Kontrolle, in: JA 2005, Vol. 37, S. 395 (399). 116  Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 1. 117  Ähnlich Gusy, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 18.05.2009, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 B, S. 6. Das gilt grundsätzlich nicht für Untersuchungsausschüsse, die gem. Art. 44 Abs. 1 GG öffentlich tagen. Hiervon findet sich jedoch im militärischen Bereich eine Ausnahme in Art. 45a Abs. 2 GG. Dennoch sei eine Minderung der öffentlichen Kontrolle parlamentarisch bereits an der Ausschussarbeit des Bundestages zu sehen, welche regelmäßig auch nichtöffentlich tagen. Siehe dazu § 69 Abs. 1 S. 1 GOBT. 118  Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 33. 119  Ebd., Rn. 27. Ferner Arndt, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, S. 1369 (1369 ff.); Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2000, Vol. 19, S. 387 (388). 120  BVerfGE 137, 185, 231 f. – Rüstungsexport. Vgl. auch BVerfGE 130, 76, 128 – Vitos Haina.



I. Kontrolle des BND335

Gerade hier liegt die Schwachstelle der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit und deren Kontrolle, die seit Jahren in der Kritik stehen, da erstere zumeist im Verborgenen abläuft, die Kontrolle ebenfalls geheim stattfindet und teilweise notwendige Kontrollinformationen oder Mitteilungen von Beschränkungsmaßnahmen aus Gründen der Geheimhaltung zurückgehalten werden.121 Zwar unterfällt an sich auch die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit der Exekutive der parlamentarischen Kontrolle und unterliegt diese den verfassungsrechtlichen Vorgaben, welche aus dem Demokratieprinzip, Gewaltenteilungsgrundsatz und den Grundrechten folgen.122 Hieraus ergibt sich allerdings nicht explizit, dass Exekutivmaßnahmen einer besonderen Geheimhaltung unterliegen.123 Die Geheimhaltung kann lediglich rechtfertigungsfähige Limitierung sein. Zur Begründung kommen einerseits die Aktivitäten des BND, die erst wegen ihres hohen Grades an Geheimhaltung für die Sicherung der verfassungsmäßigen Ordnung und Sicherheit des Staates wirksam sind,124 sowie andererseits der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung in Betracht.125 Zwar versucht die Bundesregierung das auslandsnachrichtendienstliche Handeln durch die Unterwerfung unter die Kontrolle des PKGr gegenüber dem Plenum abzusichern. Sie fürchtet zeitgleich aber durch die partielle „Parlamentsöffentlichkeit“ in ihren geheimen Aktivitäten

121  Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (37 f.). 122  So auch Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 3; Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (37). 123  Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (38). 124  Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 1. Siehe auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 217. 125  Dazu näher BVerfGE 67, 101, 139 – Flick-UA; 124, 78, 120 ff. – Geheimgefängnisse-UA. Ferner Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 6. Aufl. 2016, S. 70 f. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung gilt grundsätzlich nicht für nachgeordnete Regierungsbehörden. Ausnahmsweise dürften sich die Nachrichtendienste jedoch hierauf berufen, „wenn von einer offenen Diskussion der Erkenntnisse der Dienste die Gestaltungsfähigkeit der Regierung und die Vorbereitung von Regierungshandeln abhängt“. Vgl. dazu Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 10 f. unter Verweis auf Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2000, Vol. 19, S. 387 (392 f.) und BVerfGE 124, 78, 120 ff. – Geheimgefängnisse-UA. Auch nennt Christoph Gusy Bereiche der Exekutive, die nicht kontrolliert werden dürfen wie bspw. die Rechnungshöfe, z. T. die Deutsche Bundesbank oder auch die Selbstverwaltung. Vgl. ders., Parlamentarische Kontrolle, in: JA 2005, Vol. 37, S. 395 (395 ff.). Siehe ferner Janssen, Über die Grenzen des legislativen Zugriffsrechts, 1990, S.  158 ff.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

massiv beeinträchtigt zu werden.126 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive bedarf es daher eine Abwägung der in Rede stehenden parlamentarischen und individuellen Rechte einerseits mit den auslandsnachrichtendienstlich zu schützenden Interessen auf Sicherung des Staates und der verfassungsmä­ ßigen Ordnung andererseits. Diese Abwägung mündete anfänglich in einer Überinterpretation des Sicherheitsaspektes, was dazu führte, dass die Kon­ trollgesetze zahlreichen Änderungen unterlagen. Ob die dritte und vierte große Novellierung seit 1990 eine annähernde Austarierung der freiheitlichen und sicherheitsrelevanten Aspekte gewährleisten, soll nachfolgend im Fokus stehen. aa) Die wesentlichen Änderungen des Kontrollsystems der Nachrichtendienste nach der Gesetzesnovelle 2009 und Gründe für die Re-Novellierung Im Jahre 2009 wurde neben der verfassungsrechtlichen Verankerung der Nachrichtendienstkontrolle auch einfachgesetzlich die erste große Reform des 1992 geschaffenen PKGr durchgeführt.127 Dies war unter anderem deshalb notwendig, weil die Informationsmöglichkeiten für das PKGr lediglich rudimentär ausgestaltet waren.128 Zudem erkannte man im Zuge des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichtes – stoisch aber stetig – an, dass die unabdingbare Arbeit der Nachrichtendienste für die rechtsstaatliche Ordnung Deutschlands besonderen Kontrollmechanismen unterliegen müsste, da die „verdeckte Sammlung von Informationen und [der] Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel […] erheblich in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen“ könne.129 Daraufhin wurden die materiellen Informationsbefugnisse des PKGr erweitert. Die Neuregelungen beinhalteten Akteneinsichts-, Befragungs- und Zutrittsrechte zu den Diensträumen der Nachrichtendienste, fassten die Informationspflicht der Bundesregierung klarer, stärkten die Durchsetzbarkeit dieser Befugnisse und normierten die Möglichkeit des Rechts126  So zutreffend Lohse, Ein Raum wie ein Panzerschrank, in: FAZ vom 06.03.2018. 127  BGBl. 1992, Vol. I, S. 997. Ferner Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411. 128  Vgl. Podiumsdiskussion zu „Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat“ vom 10.10.2007, dokumentiert in: Rotter, Dokumentation der Podiumsdiskussion, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kon­ trolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 99 (99 f.). 129  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 1.



I. Kontrolle des BND337

schutzes.130 Der Gesetzesentwurf von 2009 kam somit den schon 2005 vorgeschlagenen Empfehlungen des Sachverständigenden für parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes im Wesentlichen nach, welcher die Einführung von Selbstinformationsrechten, Sachaufklärungsmöglichkeiten und weiteren Befugnissen des PKGr zu dessen Stärkung vorschlug sowie die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung verschärfte.131 Die Novelle setzte sich zum Ziel, die „Schlag- und Durchsetzungskraft des Gremiums“ zu erhöhen, um eine „Stärkung und verfahrensmäßige Absicherung der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung“ herbeizuführen.132 (1) Unterrichtungspflichten der Bundesregierung Die Arbeit des PKGr gestaltet sich seit Schaffung 1992 ausschließlich als parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung, welche politisch für die Nachrichtendienste verantwortlich ist (§ 4 Abs. 2 PKGrG).133 Daher sah der § 4 Abs. 1 S. 1 PKGrG bereits in der Fassung von 1992 vor, dass die Bundesregierung grundsätzlich die „Rechtspflicht“ treffe, das PKGr umfassend über allgemeine Tätigkeiten und besondere Vorgänge vom BND zu unterrichten.134 Unter dem Begriffspaar „allgemeine Tätigkeit“ sind alle typischen nachrichtendienstlichen Abläufe und deren Ergebnisse zu verstehen, wohin­ gegen bei „Vorgängen von besonderer Bedeutung“ das Gremium zusätzliche Informationen über Abläufe oder Ereignisse benötigt, um seiner Kontroll­

130  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 1. 131  Unterrichtung durch das PKGr, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 08.09.2005, BT-Drs. 15/5989, S. 7. 132  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 2. In der Gesetzesbegründung wurde indes vermerkt, dass das PKGr lediglich ein „kontrollkompetentes Hilfsorgan“ darstelle: Gesetzesentwurf von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD, Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom 24.3.2009, BT-Drs. 16/12412, S. 5. Siehe ferner Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 123. 133  Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 4 PKGrG, Rn. 6 f.; Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 31 ff. Das PKGr hat somit keine Mitwirkungsbefugnis an den Entscheidungen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit. 134  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 8.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

aufgabe nachzukommen.135 Neu eingefügt wurde 2009 der § 4 Abs. 1 S. 2 ­PKGrG, wonach auf Verlangen des PKGr die Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge eine grundsätzliche Unterrichtungspflicht trifft. Diese erstreckte sich hingegen bisher nur auf Informationen, die der Verfügungsberechtigung der Dienste unterliegen.136 Auch sollte der § 4 Abs. 2 PKGrG137 noch einmal unterstreichen, dass die parlamentarischen Kontroll- und In­ formationsbefugnisse des PKGr nicht in den Entscheidungs- und Willens­ bildungsprozess der Bundesregierung hineinwirken durfte.138 Eine Unter­ richtung kann gem. § 6 Abs. 2 S. 1 PKGrG daher rechtmäßig verweigert werden, wenn zwingende Gründe der nachrichtendienstlichen Tätigkeit da­ gegensprechen,139 Persönlichkeitsrechte Dritter140 verletzt werden würden oder Bereiche des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung betroffen sind. Diese Neuerung wurde aus § 2 Abs. 2 PKGRG a. F. vor 2009 nun in § 6 135  Vgl. Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 4 PKGrG, Rn. 3; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 135. Diese nennen als Beispiele für Vorgänge von besonderer Bedeutung die Überschreitung des Auftragsrahmens durch „verdeckte Aktionen“, Verdacht politischer Manipulation durch die Dienste, Konfliktsituationen mit anderen ausländischen Diensten oder Geschehnisse, die in den Medien und der Öffentlichkeit kritisch hinterfragt werden. Siehe für die Situation vor 2009: Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 628. 136  Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 138; Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 16.03.1999, BT-Drs. 14/539, S. 7 (bzgl. der Vorgängerregelung des § 2b PKGrG). 137  Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 2 PKGrG, welcher in der heutigen Fassung noch besteht: „Die politische Verantwortung der Bundesregierung für die in § 1 genannten Behörden bleibt unberührt.“ 138  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 9. Die Bundesregierung hat die Möglichkeit gegenüber dem Parlament und dem Volk, in bestimmten Szenarien einen unausforschbaren Handlungsbereich geltend zu machen. Vgl. BVerfGE 124, 78, 120 ff. – UAGeheimgefängnisse. Ferner Kuhl, Der Kernbereich der Exekutive, 1993, S. 125 ff.; Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, in: AÖR 1980, Vol. 105, S. 564 (596 ff.). 139  Hierunter können die mögliche Aufdeckung von V-Leuten oder Agentinnen bzw. Agenten im Ausland sowie der Erhalt von Informationen ausländischer Dienste, wenn deren „originäre Geheimhaltungsinteressen“ berührt sind und dies die weitere Zusammenarbeit belasten könnte, fallen. Ob das Vorliegen eines Verweigerungsgrundes für den Einzelfall bewertet werden muss, ist umstritten. Bejahend Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 6 PKGrG, Rn. 4 f.; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 141 f. A. A. Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2000, Vol. 19, S. 387 (391). 140  Hierunter fallen nur Informationen, die vom BND rechtswidrig erhoben wurden. Siehe hierzu näher Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 142.



I. Kontrolle des BND339

PKGrG verschoben, um diese Ausnahme auch auf die generellen Befugnisse aus § 5 PKGrG zu erstrecken. Eine Verweigerung zur Informationsweitergabe ist substanziell zu begründen und darzulegen, wieso einem geheim tagenden Gremium kontrollrelevante Informationen vorenthalten werden (§ 6 Abs. 2 S. 2 PKGrG). (2) Die neuen Informationsrechte: Akteneinsichtsrecht Ein wesentlicher Fortschritt waren 2009 die verbesserten Informationsrechte für das PKGr. Erfolgt eine Unterrichtung nicht oder nicht ordnungsgemäß, stehen dem PKGr zunächst die Befugnisse aus § 5 PKGrG zur Verfügung. Gerade das dort geregelte Akteneinsichtsrecht, welches für die Untersuchungen von Vorgängen und Maßnahmen als Beweismittel von besonderer Bedeutung ist,141 wurde erweitert. Die bis dato existierende einfache Befugnis zur Akteneinsicht (§ 2a PKGrG a. F. vor 2009) wurde zu einem Akten­ herausgabeanspruch (§ 5 Abs. 1 PKGrG, heute § 5 Abs. 1 S. 1 PKGrG) ausgedehnt, welcher sich nicht nur auf die „Hardcopy“-Varianten erstreckte.142 Vielmehr bezog sich dieser Herausgabeanspruch auf alle erlangten und festgehaltenen Informationen der Nachrichtendienste sowie auf in diesem Zusammenhang bestehende Unterlagen der exekutiven Fach- und Dienstaufsicht.143 Von diesem Herausgabeanspruch waren jene Informationen nicht umfasst, welche nicht der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste unterlagen (§ 6 Abs. 1 PKGrG a. F. vor 2016).144 Der § 5 Abs. 1 PKGrG a. F. vor 2016 setzte die Bundesregierung weiterhin in eine Bringschuld, alle notwendigen Informationen zur Kontrolle im Original bereitzustellen.145 In der Praxis hat es sich dem Grunde nach eingespielt, dass die Akten entweder an die Geheimschutzstelle des Bundestages zur Einsicht übersandt wurden oder die Abgeordneten hierfür i. S. d. „Treptow-Verfahrens“ in die Berliner Dienst141  Vgl.

bereits BVerfGE 124, 78, 115 – UA-Geheimgefängnisse. dafür näher Jöhnk, Kontrolle der modernisierten Verwaltung durch die Gerichte, in: DuD 1995, Vol. 19, S. 664 (664 ff.); Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 5 PKGrG, Rn. 5. 143  Zum weiten Aktenbegriff siehe Huber, § 5 PKGrG, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, Rn. 2 ff. Hierunter fallen seiner Ansicht nach auch Vermerke, die nicht für die Akten bestimmt waren oder Hand- bzw. Parallelakten sowie Zwischenmaterialien, weswegen er eine fälschungssichere Paginierung hierfür zwingend für erforderlich halte. Vgl. zum Aktenbegriff allgemein Schoch, Informationsfreiheitsgesetz: Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1, Rn. 141. 144  Siehe zudem BVerwG, Urteil vom 03.11.2011, Az.: 7 C 4.11, Rn. 27 ff., welches sich zum ähnlich gelagerten § 7 Abs. 1 IFG äußerte und die darin verankerte Verweigerung mangels Verfügungsberechtigung bestätigte. 145  Huber, § 5 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1474. 142  Siehe

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

räume des BND geladen wurden.146 Nichtsdestotrotz änderte sich nichts daran, dass die Akten aus Gründen des Geheimnisschutzes „möglichst dünn gehalten“ wurden.147 Auch erwuchs aus dem Akteneinsichtsrecht nicht die Befugnis, Kopien hiervon zu machen oder gar Dokumente aus den Diensten oder der Geheimschutzstelle mitzunehmen.148 (3) Die neuen Informationsrechte: Befragungs- und Auskunftsrechte Des Weiteren trat an die Stelle des Anhörungsrechtes von Dienstangehörigen aus § 2a PKGrG a. F. vor 2009 ein Befragungsrecht, das sich auf die Bundesregierung sowie die nachgeschalteten Dienstbehörden erstreckte (§ 5 Abs. 2 PKGrG a. F. vor 2016). Das Gremium als solches konnte nunmehr Angehörige der Nachrichtendienste und die Bundesregierung bzw. deren Bedienstete befragen oder Auskünfte in schriftlicher Form einholen.149 Diese Befragungs- und Auskunftsrechte waren nach § 5 Abs. 4 S. 1 PKGrG a. F. vor 2016 nicht nur auf diese Stellen begrenzt, sondern konnten Behörden außerhalb des Nachrichtendienstwesens um notwendige Informationen ersucht werden. In § 5 Abs. 2 S. 2 PKGrG wurde zudem erstmals normiert, dass die befragten Personen die Rechtspflicht haben, vollständige und wahrheitsgetreue Angaben zu machen.150 Allerdings erstreckte sich diese AuskunftsverpflichPKGrG, 2015, § 5 PKGrG, S. 102 f. S. 101. 148  Vgl. dazu Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 189. 149  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 9 f. 150  Dieser Einschub war jedoch nur deklaratorischer Natur, da Falschaussagen regelmäßig auch ein Dienstvergehen darstellen. Vgl. dazu Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 5 PKGrG, Rn. 8. Im Gegenzug dazu stellte sich jedoch die Frage, ob den befragten Personen ein selbständiges Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden werden konnte. Vielfach wurde diesbezüglich eine analoge Anwendung der StPO-Beweiserhebungs- und -vernehmungsbefugnisse angeregt. Eine vergleichbare Regelung zu Befragungen in parlamentarischen Gremien enthalten § 22 Abs. 1 PUAG oder eine Verweisung auf die StPO in § 44 Abs. 2 S. 1 PUAG. Siehe dazu ferner den Vorschlag des Sachverständigen Gerhard Schäfer, dokumentiert in: Unterrichtung durch das PKGr, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 12.12.2007, BT-Drs. 16/7540, S. 20; Röttgen, Mehr Vertrauen durch bessere Kontrolle, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 89 (91). Wegen des klaren Wortlautes von Art. 5 Abs. 2 S. 2 PKGrG ist eine solche Verweigerung abzulehnen, sofern sie sich nicht direkt aus der Verfassung ergibt. So Singer, PKGrG, 2015, § 5 PKGrG, S. 105; Klein, Art. 44 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Rn. 208. 146  Singer, 147  Ebd.,



I. Kontrolle des BND341

tung nur auf den Kontrollrahmen des PKGr aus § 1 PKGrG.151 Diesen Personen kann aber gem. § 6 Abs. 2 PKGrG a. F. vor 2016 durch die jeweilige Stelle die Auskunftserteilung untersagt werden.152 Weiterhin sollten diese Anhörungen nicht ohne Kenntnis der Bundesregierung durchgeführt werden, denn die Regierung – nicht die Dienste oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst – sind dem PKGr Rechenschaft schuldig.153 (4) Die neuen Informationsrechte: Zutrittsrecht zu den Diensträumen Aus § 2a Alt. 3 PKGrG a. F. vor 2009, welcher die Bundesregierung lediglich dazu verpflichtete, „Besuche bei den Diensten zu ermöglichen“, entwickelte sich mit dem Entwurf von 2009 ein „Zutrittsrecht“.154 Der Wortlaut der Vorgängerregelung legte nahe, dass die Bundesregierung sowie die Nachrichtendienste eigens über den Zeitpunkt, die Frequenz und den Ablauf bestimmen konnten.155 Die Neuregelung von 2009 machte in § 5 Abs. 1 Alt. 3 PKGrG a. F. hieraus nun – blickt man eindimensional auf den Wortlaut – ein Zutrittsrecht, welches das PKGr „verlangen“ konnte.156 Erweitert man seinen Fokus und betrachtet hierzu die Gesetzesbegründung, fällt auf, dass die 151  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 10. Ferner Huber, § 5 PKGrG, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1475. 152  Grundsätzlich müssen Dienstvorgesetze bei Aussagen von Beamtinnen bzw. Beamten eine Genehmigung erteilen, da letztere gem. § 67 Abs. 1 BBG bzw. § 37 Abs. 1 BeamtStG zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. 153  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 10; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 96 f. 154  Vgl. Wortlaut der Norm § 2a Alt. 3 PKGrG a. F. (Neu eingeführt durch Gesetz zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17.06.1999, BGBl. I, 1999, S. 1334): „Die Bundesregierung hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium im Rahmen der Unterrichtung nach § 2 auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien der Dienste zu geben, die Anhörung von Mitarbeitern der Dienste zu gestatten und Besuche bei den Diensten zu ermöglichen“ (Hervorhebungen durch Autor und so nicht im Original zu finden). 155  So auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 189. 156  § 5 Abs. 1 PKGrG in der Fassung vom 29.07.2009, BGBl. I, 2009, S. 2346: „Soweit sein Recht auf Kontrolle reicht, kann das Parlamentarische Kontrollgremium von der Bundesregierung und den in § 1 genannten Behörden verlangen […] Zutritt zu sämtlichen Dienststellen der in § 1 genannten Behörden zu erhalten“ (Hervorhebungen durch Autor und so nicht im Original zu finden). Siehe dazu auch Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 5 PKGrG, Rn. 6.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Neuerungen lediglich „moderat“ ausgedehnt wurden und man keinen „grundlegenden Bruch“ hervorrufen wollte.157 Dies führte dazu, dass aus § 5 Abs. 1 Alt. 3 PKGrG a. F. kein jederzeitiges oder „anlassloses Zutrittsrecht“ für die PKGr-Mitglieder hergeleitet werden konnte, sondern stets ein Mehrheits­ beschluss des PKGr vorliegen musste.158 Neu – und damit besser ausgestaltet – war dagegen, dass es nicht mehr allein im Ermessen der Bundesregierung lag, ob ein Zutritt gewährt wurde.159 (5) W  eitere Neuerungen des Gesetzes zur Fortentwicklung der ­parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes aus 2009 Ebenfalls ist im Bereich der klandestinen Nachrichtendienste seit 2009 eine gesteigerte Transparenz und Öffentlichkeitseinbindung zu erkennen. Zunächst wurden die allgemeinen öffentlichen Berichtspflichten des PKGr aus § 13 PKGrG160 ausgedehnt. Die Einführung des Wortes „mindestens“ in § 13 S. 2 PKGrG ermöglichte unabhängig von den jährlichen Berichterstattungen, jederzeit solche Berichte zu veröffentlichen. Diese Neuerung korrelierte mit der Pflicht des PKGr, in den regulären Berichten Stellung zur Einhaltung der Informations- und Unterrichtungspflichten der Bundesregierung zu nehmen (§ 13 S. 2 PKGrG).161 Zu den allgemeinen öffentlichen Berichtspflichten des Gremiums kamen verstärkte Rechte zur Öffentlichkeitsherstellung hinzu. § 7 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 PKGrG sollte es bei einer Mehrheit von zwei Dritteln dem PKGr erlauben, einen Sachverständigen einzusetzen und dessen Bericht dem Bundestag zukommen zu lassen,162 welcher sich allerdings an den Geheimhaltungsvorschriften orientieren muss.163 Gem. § 10 Abs. 2 S. 1 PKGrG können zudem die grundsätzlich geheim zu haltenden Tätigkeiten des Gremiums ausnahmsweise mit einer 157  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 2. 158  Singer, PKGrG, 2015, § 5 PKGrG, S. 103; Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 5 PKGrG, Rn. 6. 159  Singer, PKGrG, 2015, § 5 PKGrG, S. 103. 160  Vormals § 6 PKGrG a. F. vor 2009, welcher noch lediglich auf § 5 Abs. 1 PKGrG verwies. 161  Siehe Gesetzesbegründung in Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 12. 162  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 211; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 127 ff. 163  Vgl. die Verweisung auf § 10 Abs. 3 PKGrG. Ferner Huber, § 7 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1482 f.



I. Kontrolle des BND343

Zweidrittelmehrheit des PKGr öffentlich – wegen der Wahrung der Geheimhaltung allerdings abstrakt – diskutiert werden.164 Ebenso steht es seit 2009 jedem einzelnen PKGr-Mitglied zu, ein abweichendes Sondervotum zu öffentlichen Stellungnahmen zu verfassen, welches inhaltliche Ausführungen – unter Wahrung des Geheimnisschutzes – beinhalten darf (§ 10 Abs. 2 S. 2 PKGrG).165 Mit der Einführung einer Art „Whistleblower-Regelung“166 in § 8 Abs. 1 S. 1 PKGrG erhoffte man sich eine zusätzliche Informationsquelle für das PKGr, die zum einen zu einer Stärkung der internen Kontrolle führen sowie zum anderen die direkte Kontaktaufnahme mit dem PKGr vereinfachen sollte. Diese „Eingabe“ an das PKGr musste gem. § 8 Abs. 1 S. 3 PKGrG a. F. vor 2016 an die Dienstleitung übermittelt werden, wodurch keine Anonymität für die „Whistleblower“ gewährleistet wurde. Die Offenlegung der Eingabe sollte dadurch kompensiert werden, dass derartige Hinweise nicht mehr als Dienstvergehen geahndet werden durften.167 Überdies wurden die Rechte zu streitigen Fällen für das PKGr erweitert. Sofern es zu Streitigkeiten der Bundesregierung und des PKGr über die Rechte und Pflichten der beiden Stellen kam, konnte auf Antrag von zwei Dritteln der Mitglieder des PKGr gem. § 14 PKGrG das Bundesverfassungs164  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 7 ff. Ferner Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 124 ff. Kritisch zu einem zu hohen Quorum Gusy, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 18.05.2009, ­Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 B, S. 6; Kutscha, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 19.05.2009, Innenausschuss A-Drucks. 16(4)614 C, S. 3 f.; Möllers, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 22.05.2009, Innenausschuss A-Drucks. 16(4)614 D, S. 5. 165  Siehe Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 211 f. Dieser zieht aus dem Umkehrschluss zu § 10 Abs. 3 PKGrG, dass Sachverhaltsdarstellungen in der Öffentlichkeit nunmehr erlaubt seien, sofern der Geheimschutz beachtet werde. 166  Funke, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 A, S.  1 f. 167  Die Kontaktaufnahme mit dem PKGr wurde nicht mehr als Dienstvergehen angesehen und den Beamten als Konsequenz der beamtenrechtlichen Verpflichtung, geplante Straftaten anzuzeigen oder für den Erhalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung einzutreten, zugestanden. Siehe Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kon­ trolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 10. Ferner Singer, PKGrG, 2015, § 5 PKGrG, S. 106; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (102); Wolff, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 25.05.2009, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 E, S. 7.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

gericht angerufen werden.168 Dies wurde – aus Sicht des Gesetzgebers – „gewissermaßen als Sanktionsmechanismus“ betrachtet,169 obwohl es dem PKGr nicht erlaubt war, auf spezifische Missstände hinzuweisen.170 Neben den rechtlichen Nachjustierungen wurde vor allem auf praktischer Ebene versucht, Missstände zu beheben. Als Arbeitsentlastung sieht der § 11 Abs. 1 PKGrG seitdem vor, dass jedes PKGr-Mitglied Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer Fraktionen zur Unterstützung benennen darf, sofern sie zum Umgang mit Verschlusssachen ermächtigt sind und förmlich zur Geheimhaltung verpflichtet werden.171 Ebenfalls sah der neu eingeführte § 12 PKGrG vor, dass Beschäftigte aus der Bundestagsverwaltung dem Gremium zugewiesen werden können, was vorher allerdings – ohne gesetzlich geregelt zu sein – Usus war.172 (6) N  ovellierung als erster Schritt zur Re-Novellierung – Öffentliche Kritik an den Gesetzesnovellen von 2009 Die Idee zur Einführung von Art. 45d GG als verfassungsrechtlichen Anker der Nachrichtendienstkontrolle ist überwiegend positiv aufgenommen wurden. Kritik löste vielmehr der Regelungsgehalt aus. Im Kern verankere man nur das, was ohnehin schon seit 30 Jahren Realität gewesen sei: Es werde trotz einer vermeintlich klarstellenden Verfassungsnorm immer noch dem einfachen Gesetzgeber überlassen, die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste auszugestalten.173 Der Umstand, dass Art. 45d GG – entgegen aller anderen Artikel – mit einer amtlichen Überschrift versehen wurde, zeugt laut Robert Uerpmann-Wittzack für die mangelnde Sorgfalt und

168  Die Beteiligtenfähigkeit bzw. Antragsbefugnis bis dato verneinend: Müller, Exekutivistischer Geheimnisschutz und parlamentarische Kontrolle, 1991, S. 123; Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 148 f. 169  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 8. 170  Gusy, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 18.05.2009, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 B, S. 7. 171  Diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen wurde allerdings nicht erlaubt, an den Sitzungen des PKGr teilzunehmen. 172  Vgl. dafür Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 213. Ferner Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 12 PKGrG, Rn.  1 ff.; Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 131 ff. Eine angemessene Personal- und Sachmittelausstattung im Bereich der G10-Kommission fordernd: BVerfGE 100, 313, 401 – TKÜ I. 173  So Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 224 f. Ähnlich Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 126.



I. Kontrolle des BND345

Reformbereitschaft der Legislative in diesem Themenkomplex.174 Im Ergebnis gewährt die Neuschaffung des Art. 45d GG – nach Marcel Hempel – allerdings zumindest einen „zweite[n] Legitimationsstrang“, welcher zur Implementierung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste geschaffen wurde und verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein solches Gremium ausräumen sollte.175 Ob dies allerdings zu einer Stärkung des PKGr geführt habe, lasse sich nicht evident erkennen.176 Die generellen Kritiken an der Novellierung des PKGrG lesen sich dahingegen detaillierter. Dominic Hörauf lobt so, dass der Text des § 5 Abs. 1 PKGrG a. F. vor 2016 und die dort kodifizierten Informationsrechte „jetzt schärfer formuliert“ seien und man nunmehr an der „neuen Lesart“ erkenne, „wer Herr des Kontrollverfahrens ist.“177 Dies führte gerade nach dem „Knick“ mit der Gesetzgebung nach den Anschlägen vom 11.09.2001 in den USA dazu, dass das Kräftegleichgewicht zwischen Sicherheitsinstitutionen und Freiheitsgewährleistungen wiederhergestellt wurde.178 Dominic Höraufs Schlussfolgerung, dass es mit diesen Reformen zu weniger Einsetzungen von Untersuchungsausschüssen und damit zusammenhängenden Verfehlungen der Nachrichtendienste kommen würde, sollte die Zukunft allerdings genauso widerlegen wie seine Bewertung der Kräftegleichheit.179 Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte etwa bereits damals, dass die parlamentarischen Kontrollmechanismen noch intensiver ausgestaltet sein müssten, um im demokratisch legitimierten Rechtsstaat gar keine kontrollfreien Räume entstehen zu lassen – gerade in Bereichen, die kaum individuellen Rechtsschutz böten.180 Anders sieht diese Kritik jedoch Foroud Shirvani, der klarstellt, dass das PKGr nur ein „zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle“ sei und das generelle Informationsrecht des Bundestages nicht

Art. 45d GG, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 9. Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 224 f. Siehe auch Christopeit/Wollf, Die Reformgesetze zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: ZG 2010, Vol. 25, S. 77 (77 ff.). 176  Im Ergebnis so auch Uerpmann-Wittzack, Art. 45d GG, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 9; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S.  224 ff.; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 126. Ferner auch Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (101), welcher die Verankerung des PKGr auf verfassungsrechtlicher Ebene als zusätzliche Kontrollinstanz befürwortet. 177  Vgl. Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 215. 178  Ebd., S.  237 f., 240 f. 179  Ebd., S.  237 f., 218 ff. 180  So Antrag der Abgeordneten Ströbele u. a., Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste vom 18.04.2016, BT-Drs. 18/8163, S. 1. 174  Uerpmann-Wittzack, 175  Hempel,

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

verdränge,181 wie es bereits § 1 Abs. 3 PKGrG feststelle. Dass das PKGr nur ein Kontrollgremium von vielen sei und dies mit einer „Zersplitterung“ der Kontrolle und „Parzellierung des Wissens“ auf spezifische Einzelbereiche einhergehe, bemängelte aber gerade Christoph Gusy.182 Die Zersplitterung des Wissens führte z. B. nicht zuletzt in Bezug auf den „NSU“ dazu, dass die Auswertung der beschafften Informationen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes nur schwerlich voranlief und deshalb andere Behörden über Jahre hinweg nicht oder nicht rechtzeitig über illegale Machenschaften informiert waren.183 Daher merkte Christoph Möllers an, dass die Neuerungen aus 2009 den völlig falschen Ansatz verfolgten, da die Besetzung von „geheim tagenden, selektiven […] Kontrollgremien […] zu einer Schwächung des demokratischen Prozesses“ in besonders sensiblen Bereichen und somit zu einem „Minus an öffentlicher parlamentarischer Kontrolle“184 führe. Im Einzelnen gab es aber auch spezifischere Kritik an den verschiedenen Neuerungen der einfachgesetzlichen Novelle von 2009. Zentrale Punkte blieben der unzureichend ausgestaltete Minderheitenschutz und die signifikante Schlechterstellung der Opposition im nachrichtendienstlichen Kontrollsektor, was vom Gesetzgeber zwar gesehen, aber nicht adressiert wurde.185 Da die 181  Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (101). Zugleich bedauert er jedoch, dass keine Beauftragte bzw. kein Beauftragter oder ständige bzw. ständiger Sachverständiger für die Nachrichtendienste eingeführt wurden. Ebd., S. 103 f. 182  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (444). 183  Schäfer/Wache/Meiborg, Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des „Zwickauer-Trios“, 2012, S. 186 ff. Ferner OLG München, Urteil vom 11.07.2018, Az.: 6 St 3/12. 184  Möllers, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 22.05.2009, Innenausschuss A-Drucks. 16(4)614 D, S. 1 f. Im Vergleich zu Art. 38, 43 GG käme es seiner Ansicht nach zu einer Relativierung der allgemeinen Kontrollbeziehung zwischen Bundestag und -regierung, wenn man nur noch ein geheim tagendes Gremium informieren müsse. Ähnlich kritisch: Funke, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 A, S. 1; Wolff, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 25.05.2009, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 E, S. 8, welcher Christoph Möllers in seiner harschen Kritik jedoch oftmals widerspricht; Uerpmann-Wittzack, Art. 45d GG, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, 9. Die Kritik Christoph Möllers ganz oder teilweise ablehnend: Christopeit/Wolff, Die Reformgesetze zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: ZG 2010, Vol. 25, S. 77 (88); Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (101). 185  Der Gesetzentwurf zur Reform 2009 sah zudem unmissverständlich vor, dass eine Verbesserung des Minderheitenschutzes hierfür auch nicht vorgesehen sei. Vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom



I. Kontrolle des BND347

meisten Befugnis- und Kontrollrechte als Kollektivrechte ausgestaltet seien, das Gremium hingegen mehrheitlich mit Mitgliedern der Regierungspartei(en) besetzt sei – also das „Kontrollobjekt und Kontrollsubjekt [fast ausschließlich] ein und demselben Lager entstammen“ – offenbare das Gesetz die Handlungsunfähigkeit der Opposition.186 Zudem benötigten fast aller Befugnisse des PKGr eine Zweidrittelmehrheit, weshalb es schier unmöglich für die Opposition war, auf ihre „schärfsten Waffen“ zurückzugreifen.187 Auch die auf den ersten Blick als größter Erfolg der Opposition zu sehende Einführung des § 10 Abs. 2 S. 2 PKGrG, welcher die Möglichkeit zur Veröffentlichung eigener Sondervoten zu den normalen periodischen Veröffentlichungen zu aktuellen Vorgängen schuf, wurde nicht vorbehaltslos gewährleistet. Eine Veröffentlichung des Sondervotums war abhängig von einer vorherigen Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des PKGr (§ 10 Abs. 2 S. 1 PKGrG).188 Weiterhin lag das Hauptaugenmerk der Kritikerinnen und Kritiker bei den unzureichenden Befugnissen des gesamten PKGr, welche im Gegenzug zum Geheimnisvorbehalt der Bundesregierung und der Nachrichtendienste disproportional austariert wurden. Man könne seit den Terroranschlägen 2001 in New York eine Entwicklung zu einer „Verpolizeilichung nachrichtendienst­ licher Befugnisse“ beobachten, die jedoch auf Kontrollebene nicht damit einherginge, dass der Kontrollrahmen gleichfalls der gerichtlichen und demokratischen Kontrolle der Polizei angepasst wurde.189 Aufgrund dieser 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 9. Das bereits im Vorfeld kritisierend: Kutscha, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 19.05.2009, Innenausschuss A-Drucks. 16(4)614 C, S. 3. 186  So Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 190 f., 209. Kritisch dazu auch Kutscha, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 19.05.2009, Innenausschuss A-Drucks. 16(4)614 C, S. 3; Gusy, Art. 10 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1098. 187  Die Öffentlichkeitsarbeit des PKGr wäre aber ein „Schwert, das es zu schärfen gilt.“ So Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (39). 188  Vgl. Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 11. Näher hierzu Huber, § 10 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1488 f. Dominic Hörauf mutmaßt sogar, dass es möglich sei, mit dem Vorwand der „Geheimhaltung“ bestimmte „unliebsame PKGr-Stimmen […] mundtot zu machen.“ Siehe ders., Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 224. 189  Im Zuge der Reformen 2009 wurde angeregt, dass das PKGr seine Kontrolltätigkeit auch auf Maßnahmen des BKA sowie des ZKA ausdehnen sollte, sofern diese Maßnahmen im nachrichtendienstlichen Bereich anzusiedeln seien. Diese Idee wurde jedoch verworfen, da die Maßnahme implizierte, dass der Regierung somit ein erweitertes Verweigerungsrecht eingeräumt werden würde, sofern es sich um nach-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Tendenz forderte Wolbert Smid weniger „fire alarms“ und mehr „police ­patrol“, um dem permanenten Hinterherhinken der Kontrollorgane entgegenzuwirken.190 Viele Kontrollmitglieder berichteten zudem, dass sie meist nur das von den Diensten erfahren hätten, was ohnehin am Vortag in der Zeitung gestanden habe.191 Daher wurde vorgeschlagen, dass man sich an den Beweiserhebungsrechten eines Untersuchungsausschusses hätte orientieren sollen.192 Die Ausweitung der Informationsbefugnisse war dennoch ein Kernanliegen der Agenda zur Änderung des PKGrG, um dem Informationsbedarf des Gremiums gerecht zu werden.193 Verbessernd sollte ein erweitertes Akteneinsichtsrecht helfen, was jedoch nicht die Befugnis beinhaltete, Kopien von richtendienstähnliche Tätigkeit handele und zur Aufweichung des Trennungsgrundsatz führen würde. Vgl. dafür Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 4; Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom 27.05.2009, BT-Drs. 16/13220, S. 9. Ferner Möllers, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 22.05.2009, Innenausschuss ­A-Drucks. 16(4)614 D, S. 3; Gusy, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen zur Parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste vom 25.05.2009, Innenausschuss Protokoll Nr. 16/97, S. 10 f.; Wolff, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen zur Parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste vom 25.05.2009, Innenausschuss Protokoll Nr. 16/97, S. 17; Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 106. 190  Smid, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems in Deutschland, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 45 (53 f.). 191  So Antrag der Abgeordneten Ströbele u. a., Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste vom 18.04.2016, BT-Drs. 18/8163, S. 1. Vgl. aber auch Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (39); Smid, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems in Deutschland, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 45 (52). 192  So bspw. Scholz (SPD) auf der Podiumsdiskussion anlässlich der Fachkonferenz „Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat“, dokumentiert in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 101. Hiergegen führte Norbert Röttgen an, dass somit das Abstandsgebot von Untersuchungsausschuss und PKGr aufgeweicht werde. Vgl. ders., Mehr Vertrauen durch bessere Kontrolle, in: ebd., S. 90. Das stimmt zumindest dahingehend, dass das PKGr nicht dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz unterliegt und somit ein erheblicher Ausgestaltungsspielraum für den Bundestag existiert. Siehe ferner auch Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 1. Aufl. 2012, § 2 PKGrG, Rn. 4. 193  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 2, 10.



I. Kontrolle des BND349

den Akten zu machen oder gar Dokumente aus den Diensten für Beweiszwecke mitzunehmen.194 Weiterhin hatte die Novelle zur Folge, dass keine fälschungssichere Paginierung der Originaldokumente eingeführt wurde, weshalb die ohnehin „dünne Aktenführung“ des BND kaum auf Vollständigkeit überprüft werden konnte.195 Zwar mag die Vorabinformation an die Bundesregierung bei Befragungsvorhaben gegenüber dem BND aus organisatorischen Gründen sinnvoll sein, jedoch bietet sie zeitgleich die Möglichkeit für die Regierung, „sich so ein kleines Zeitpolster“ zu verschaffen, „um eventuell eine Sprachregelung gegenüber den Kontrollorganen zu konsentieren.“196 Zudem wurden die schwach ausgeformten Informationsrechte mit einem nicht-relativierten Geheimhaltungsschutz der Bundesregierung konfrontiert. Sicherlich können zu stark ausgeformte Öffentlichkeitsrechte nicht die Lösung im Nachrichtendienstkontrollsektor darstellen – wie Christoph Gusy ausführt – da ein „transparenter Geheimdienst ein Widerspruch in sich“ wäre.197 Zugleich vermitteln die Nachrichtendienste aber die Auffassung, dass die Kontrolleure für den Geheimnisschutz und ihre effektive Arbeit eine potenzielle Gefahrenquelle darstellen. Daher blieb es für die übergeordnete Bundesregierung viel zu einfach, sich auf die Ausnahme zur Informationspflicht zu berufen und somit ihre Rechenschaftspflichten zu unterlaufen.198 Auch die dem entgegenwirkende „Selbstreinigungsfunktion“ durch eine Art „Whistleblowing“-Regelung, wonach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienste Verfehlungen direkt an das PKGr melden konnten, enthielt zusätzlich die Verpflichtung, dass man jene Verfehlungen zunächst an die Dienstleitung melden musste, was die meisten von einer Informationsabgabe abhielt und – im Nachhinein betrachtet – auch abgehalten hat.199 Dabei wären hier „Öffnungen“ notwendig gewesen, da selbst die Herausgabe von Informationen, 194  Vgl. dazu Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 189. 195  Jens Singer sieht hierin gar Verstöße gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Aktenführung (quod non est in actis, non est in mundo) sowie gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien. Vgl. ders., PKGrG, 2015, § 5 PKGrG, S. 101. Eine Einführung fordert auch Huber, § 5 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, Rn. 2 f. Allgemein dazu Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 5 PKGrG, Rn. 5. 196  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 220. 197  So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (444). 198  Kritisch dazu auch Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S.  139 f.; Morlock, Art. 44 GG, in: Dreier, GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, S. 1220; Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, 1999, S. 147. 199  So schon Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 220; Geiger, Die Einführung eines „Beauftragten für die Nachrichten-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

die die interne Willensbildung der Regierung betreffen, unter Einzelfallab­ wägungen dem Parlament vorzulegen sein können200 und der BND wegen seiner Informationsmonopolstellung in diesen Fällen meist die einzig wirklich verlässliche Quelle darstellt.201 Im Gegenzug definierte die Bundesregierung laut der damaligen Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen – trotz anderslautender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes – seinen Bereich der exekutiven Eigenverantwortung weiter, als es die verfassungsrechtlichen Schranken vorsehen.202 Eine Kontrolle ohne die hierfür notwendigen Informationen könne – so Gusy – nicht als wirksame Kontrolle bezeichnet werden.203 Neben den benannten Schwierigkeiten des PKGr, überhaupt an Informationen zu gelangen, sei die Bundesregierung ihrer ­Informationspflicht allerdings nicht immer rechtzeitig, umfassend und selbst auf Antrag seitens des Gremiums teilweise gar nicht nachgekommen.204 dienste“, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 65 (73). 200  BVerfGE 124, 78, 122  f. – UA-Geheimgefängnisse. Zustimmend Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 36. 201  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (443). 202  Antrag der Abgeordneten Ströbele u. a., Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste vom 18.04.2016, BT-Drs. 18/8163, S. 1 f. 203  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (443). 204  Siehe Unterrichtung durch das PKGr, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Berichtszeitraum November 2011 bis Oktober 2013) vom 19.12.2013, BT-Drs. 18/217, S. 3; Unterrichtung durch das PKGr, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Berichtszeitraum November 2013 bis ­November 2015) vom 21.03.2016, BT-Drs. 18/7962, S. 3; Unterrichtung durch das PKGr, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Berichtszeitraum Dezember 2015 bis Oktober 2017) vom 15.01.2018, BT-Drs. 19/422, S. 3. Dabei ­benutzte das PKGr aber stets dieselbe Floskel, dass „die Bundesregierung im vorliegenden Berichtszeitraum in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle angemessen, zeitnah und im gebotenen Umfang über die aus ihrer Sicht relevanten nachrichtendienstlichen Vorgänge unterrichtet“ habe. Das PKGr-Mitglied Hans-Christian Ströbele spezifiziert das „überwiegende Nachkommen“ in einem Sondervotum im Bericht vom 15.01.2018, wonach der BND nicht nur bei der Fernmeldeaufklärung, sondern auch bei allgemeinen Vorgängen „oft gar nicht bzw. viel zu spät und selbst auf Antrag hin nur unvollständig oder unwahr berichtet“ habe, ebd., S. 3. Dass man der Unterrichtung nicht immer angemessen nachgekommen ist, impliziert auch der Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1. Ähnlich vorher auch schon Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 151.



I. Kontrolle des BND351

Daher forderte das damalige PKGr-Mitglied Hans-Christian Ströbele auch einen Sanktionsmechanismus, um diesem Verhalten wirksam entgegenwirken zu können.205 Ein solcher ist weder bei der Verweigerung der Bundesregierung noch bei einer Verletzung der Rechenschaftspflichten gegenüber dem PKGrG vorgesehen. Hinzutraten – neben den rechtlichen Aspekten – praktische Probleme im administrativen Bereich. Trotz personeller Aufstockungen hätten die meisten PKGr-Mitglieder keinen ausreichend aufgestellten Stab an Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern sowie genügend finanzielle Mittel.206 Selbst der Menschenrechtskommissar des Europarats Nils Muižnieks sah 2015 dieses Defizit und beklagte darüber hinaus die mangelnden technischen Fachkenntnisse der Kontrollorgane.207 Die wenigen Parlamentarier im Gremium wurden mit einer „Fülle an Informationen […] überschüttet“ und könnten – bei gewissenhafter Arbeit – kaum anderen parlamentarischen Tätigkeiten nachgehen, die von Abgeordneten gefordert werden208 und die ihr politisches Wirken für eine potenzielle Wiederwahl mehr ins „Rampenlicht“ rücken würden.209 205  So Ströbele, Bundestagsrede vom 29.05.2009, Parlamentarische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, dokumentiert auf: https://www.gruene-bundestag.de/ parlament/bundestagsreden/2009/mai/hans-christian-stroebele-parlamentarische-kon trolle-des-bundesnachrichtendienstes.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Dieser bezeichnete die ganze Reform wegen anderen defizitären Strukturen als „auf halbem Wege stehen“ geblieben. 206  Bis 2009 stand zudem nur ein drei Personen starkes Sekretariat für das gesamte Gremium zur Verfügung, welches zusätzlich auch andere Gremien unterstützen musste. Dessen Aufstockung 2009 war jedoch marginal. Vgl. dazu Antrag der Abgeordneten Ströbele u. a., Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste vom 18.04.2016, BT-Drs. 18/8163, S. 1 f. Ferner Smid, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems in Deutschland, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kon­ trolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 45 (55 f., 59 f.); Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 194 f. Gerade die Erhöhung der finanziellen Mittel des Gremiums sollen diesem die Möglichkeit eröffnen, sich öfter auch externen Sachverständigen bedienen zu können. 207  Muižnieks, Bericht des Menschenrechtskommissars nach seinem Besuch in Deutschland im April und Mai 2015, S. 3 f., 18 ff. Die Bundesregierung nahm zu diesem Vorwurf Stellung und meinte, dass allein die schlichte personelle Aufstockung die bestehenden Probleme nicht löse. Vgl. dafür Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/ CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamen­ tarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 2. 208  So begleitet jedes Mitglied im PKGr mindestens zwei weitere Ämter als ordentliches und mindestens ein Amt als stellvertretendes Mitglied. Siehe Verlinkungen der jeweiligen Abgeordneten unter: https://www.bundes-tag.de/ausschuesse/aus schuesse18/gremien18/pkgr/mitglieder/261126 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 209  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  193 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Dominic Hörauf spricht deshalb von „Teilzeit-Kontrolleuren“, die als PKGrMitglieder keine „politische Prämie“ für ihre Arbeit bekommen könnten, was sich auch auf die Kontrollintensität auswirke.210 In der Quintessenz kann man aufgrund der vorstehenden teils harschen Kritik die Reformen 2009 somit nicht als gelungen bezeichnen, was nicht ohne Grund zu einer Re-Novellierung im Jahre 2016 und der dortigen Einsicht der Bundesregierung führte, dass „eine systematische und strukturierte Kontrolle [… bisher] nicht hinreichend gewährleistet“ worden ist.211 bb) Parlamentarische Kontrolle des BND nach den Reformen 2016 Die Erkenntnisse aus den Reformen 2009 und die damit einhergehende Kritik sollten sieben Jahre später erneut angegangen werden – was nicht zuletzt an den weltweit für Aufruhr gesorgten Veröffentlichungen von Edward Snowden und den Verfehlungen des Verfassungsschutzes im Fall der NSUTerrorgruppe lag.212 Neben strukturellen Problemen ergaben sich aus den 210  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 193 mit Verweis auf die Fachkonferenz „Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat“ vom 10.10.2007, dokumentiert in: Rotter, Dokumentation des Streitgesprächs, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 95 (95 f.). Dieses Argument hat sich sicherlich seit den Enthüllungen zu den NSA-Selektoren durch Edward Snowden oder den NSU-Skandal angepasst und gerade die Oppositionsmitglieder mehr in den Fokus gerückt. 211  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1. 212  Vgl. dazu u. a. Greenwald, NSA collecting phone records of millions of Verizon customers daily, in: The Guardian vom 06.06.2013; ders., NSA slides explain the PRISM data-collection program, in: The Washington Post vom 06.06.2013; Kremp/Lischka/Reißmann, Projekt Prism – US-Geheimdienst späht weltweit Internetnutzer aus, in: Spiegel Online vom 07.06.2013. Diese trugen entscheidend zur Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses bei. Vgl. Bundestag, 1. Untersu­ chungsausschuss der 18. Wahlperiode (NSA-Untersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 23.06.2017, BT-Drs. 18/12850, S. 36 ff. Siehe ebenso für Missstände der Inlandsnachrichtendienste und Nachrichtendienstkooperation 3. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 23.06.2017, BT-Drs. 18/12950, S. 283, 1175 ff., 1316, 1332 ff. Auch im Fall Anis Amri (BT-Drs. 19/943) zeigten sich im gesamten deutschen Sicherheitsapparat erhebliche Lücken auf. Eine abschließende Bewertung zu den Erkenntnissen um den Berliner Breitscheidtplatz-Anschlag ist jedoch noch abzuwarten. Wohlgemerkt muss man den Fall Anis Amri aber teilweise ausklammern, da sich dessen terroristischer Anschlag an sich erst nach den Gesetzesnovellierungen ereignete. Dennoch steht er exemplarisch für die bereits im Vorfeld der Gesetzesentwürfe bestehende Deskommunikation der Sicherheitsbehörden unter-



I. Kontrolle des BND353

bisherigen gesetzlichen Regelungen zur auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle vor allem praktische Probleme, die einzelne Kritikerinnen und Kritiker bereits Jahre zuvor anprangerten: So ist es nicht selten vorgekommen, dass sich PKGr-Mitglieder und andere Kontrollstellen beschwert haben, dass sie die meisten Verfehlungen der Nachrichtendienste erst aus der Zeitung erfahren und sie wegen der geringen zugeordneten Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trotz des immensen Umfangs der zu kontrollierenden Maßnahmen gar nicht in der Lage gewesen sind, wirksam und effektiv zu kontrollieren. Dies bestätigten selbst die Regierungsfraktionen, nach welchen die „Erfahrungen“ gezeigt hätten, dass „eine systematische und strukturierte Kontrolle nach wie vor nicht hinreichend gewährleistet“ sei.213 Sie reagierte darauf mit zwei großen Änderungsgesetzen zum PKGrG sowie zum BNDG.214 Im Fokus der Neuerungen standen neun Regelungsbereiche.215 Zentrale Änderungen waren zum einen, dass das PKGr durch eine Ständige Bevollmächtigte bzw. einen Ständigen Bevollmächtigten weiter gestärkt werden sollte, sodass es „intensiver, koordinierter und kontinuierlicher wahr­ genommen“216 wird und nun die G10-Kommission sowie das Vertrauensgremium vermehrt mit der Tätigkeit des PKGr verknüpft werden, um deren Arbeit besser zu koordinieren.217 Zum anderen wurde über das BNDG eine neue Kontrollinstitution geschaffen, die die Kontrolle der Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung übernehmen sollte.

einander, die wichtige Informationen bzw. Hinweise zu Anis Amri nicht weitergeleitet oder gar nicht verfolgt haben. 213  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1. 214  Änderungsgesetz zum PKGrG vom 30.11.2016 zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, BGBl. 2016, Vol. I, S. 2746 und Änderungsgesetz zum BNDG vom 23.12.2016 zur Ausland-­ Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BGBl. 2016, Vol. I, S. 3346. Detailänderungen finden sich auch im G10. 215  Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1 ff. 216  Ebd., S. 1. 217  Ebd., S. 1.

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(1) D  ie Einführung einer bzw. eines Ständigen Bevollmächtigten durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle Der „Kern“ der Gesetzesreform 2016 war die Einführung einer bzw. eines Ständigen Bevollmächtigten in §§ 5a f. PKGrG.218 Dieses Hilfsorgan sollte zu einer notwendigen Effektivierung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste führen, ohne jedoch – wie es bei der Ausgestaltung als Beauftragte oder Beauftragter der Fall gewesen wäre219 – eigene originäre Rechte zu erhalten.220 Die bzw. der Ständige Bevollmächtigte leitet mithin alle Befugnisse akzessorisch vom PKGr ab und ist dessen Weisungen unterworfen, kann aber nach pflichtgemäßen Ermessen und ausschließlich in den Grenzen der Befugnisse des PKGr und des Vertrauensgremiums selbstständig tätig werden.221 Im Rahmen dessen soll dieses Amt der Koordinierung des PKGr, der G10-Kommission sowie dem Vertrauensgremium dienen, indem die bzw. der Ständige Bevollmächtigte an den Sitzungen der anderen Gremien teilnimmt und dem PKGr hierüber Bericht erstattet.222 Die Stelle dient dem PKGr folglich als verlängerter Arm, um die Rechte aus § 5 PKGrG gegenüber der Bundesregierung und den Nachrichtendiensten in strategischer 218  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 9. 219  So gefordert von Emmerlich, Verfassungsschutz im demokratischen Staat, in: DnG 1982, Vol. 29, S. 934 (934); Geiger, Einführung eines „Beauftragten für die Nachrichtendienste“, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 65 (65 ff.); Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 231 ff. 220  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 8 f. Damit hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen das auch diskutierte öffentlichere Modell entschieden, wie es der Wehrbeauftragte begleitet und folglich ein Amt „sui generis“ geschaffen. Siehe ferner Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 22, der auch Bedarf für eine Effektivierung sah. 221  Vgl. § 5a Abs. 2 S. 2, Abs. 3 PKGrG sowie § 10a Abs. 2 BHO. Gem. § 5a Abs. 3 PKGrG kann auch das Vertrauensgremium für seine Tätigkeit aus § 10a BHO auf die Ständige Bevollmächtigte bzw. den Ständigen Bevollmächtigten zurückgreifen. Ihr bzw. ihm obliegt zudem – ungeachtet von geheimhaltungsbedürftigen Tat­ sachen, über die auch sie bzw. er stillschweigen muss – die Pflicht, Straftaten anzuzeigen und für den Erhalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung einzutreten, § 5b Abs. 5 S. 4 PKGrG. 222  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1 f. Siehe ferner § 5a PKGrG, § 15 Abs. 1 S. 5 Art. 10-Gesetz.



I. Kontrolle des BND355

Hinsicht wahrzunehmen sowie kontinuierliche und strukturierte Routinekontrollen oder einzelfallbezogene Untersuchungen durchzuführen.223 Zusätzlich dazu unterstützt die bzw. der Ständige Bevollmächtigte das Gremium bei der organisatorischen Vorbereitung der Sitzungen sowie bei Berichten an den Bundestag. Die Ernennung erfolgt auf Vorschlag und unter Mitwirkung des Vertrauensgremiums durch die Präsidentin bzw. den Präsidenten des Deutschen Bundestages.224 Voraussetzung für die Qualifikation zu diesem Amt ist gem. § 5b PKGrG die Befähigung zum Richteramt oder zum nichttechnischen höheren Verwaltungsdienst, dass man zum Umgang mit Verschlusssachen berechtigt ist und zur Geheimhaltung verpflichtet wurde.225 Um die Stelle funktionsadäquat auszustatten, wurde der Verwaltungsapparat aufgestockt und ihr ein eigener Stab von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an die Seite gestellt. Zudem wurde die Stelle „dienstrechtlich auf Augenhöhe mit den Präsidentinnen und Präsidenten der Nachrichtendienste“ ausgestaltet, was deren Bedeutung beamtenrechtlich unterstreichen sollte.226 (2) Bewertung der Literatur und Öffentlichkeit Die Schaffung einer bzw. eines Ständigen Bevollmächtigten kam der langen Forderung nach einer zusätzlichen Stelle neben dem bestehenden Sekretariat des PKGr nach.227 Der frühere BND-Chef Gerhard Schindler bezeich223  Vgl. § 5a Abs. 1, 3 PKGrG. Ferner Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (767). 224  Vgl. § 5b Abs. 1 S. 1–3 PKGrG. Die Ernennung erfolgt für fünf Jahre mit Möglichkeit zur einmaligen Wiederernennung. In der Gesetzesbegründung werden hierfür Bundesrichterinnen und Bundesrichter, Ministerialbeamtinnen und Ministe­ rialbeamte, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oder Beschäftigte aus Nichtregierungsorganisationen vorgeschlagen. Seit Januar 2017 übt der ehemalige Ministerialbeamte und CDU-Mitglied Arne Schlatmann dieses Amt aus. Siehe auch Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 9. 225  Vgl. § 5b Abs. 2 S. 1 PKGrG. 226  Siehe hierzu § 5b und § 12 Abs. 1 PKGrG. Ferner Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (768). 227  So bereits früher Geiger, Informationsbedürfnisse und Geheimhaltungserfordernisse: menschenrechtsorientierte Evaluierung und Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Albers/Weinzierl, Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 98 (98 ff.); Dietrich, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste als rechtsstaatliches Gebot und sicherheitspolitischer Notwendigkeit, in: ZRP 2014, Vol. 47, S. 205 (205 ff.). Diese Stelle war „höchst umstritten“. Zusammen-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

net diese Neuschaffung als „wichtigen Schritt“, damit aktiver die Kontrolle in den Fokus trete und die „als untauglich erwiesenen Verfahren der Berichterstattung durch die Nachrichtendienste“ vermieden würden.228 Ähnlich sieht dies Klaus Gärditz, welcher die Reform 2016 als „durchweg positiv“ bewertet und diese zu einer Professionalisierung des PKGr beitrage.229 Im Ergebnis sieht er zudem die Gefahr der Politisierung der BND-Kontrolle ein Stückweit gemindert.230 Da die Stelle der bzw. des Ständigen Bevollmächtigten nicht an politische Organe gebunden sei, vermeide man, dass „die parlamentarische Kontrollarbeit mit Geräuschkulisse in den öffentlichen Resonanzraum“ getragen werde und erhöhe das Kontrollniveau und den Geheimnisschutz.231 Genau diese Entpolitisierung bewertet Heinrich Wolff allerdings anders. Die Einführung der bzw. des Ständigen Bevollmächtigten habe nichts am augenblicklichen Zustand der Kontrolle geändert.232 Die Nominierung des CDU-Mitglieds Arne Schlatmann für diese Stelle zeige lediglich die verschwindend geringe Relevanz der Kontrolle und der Berücksichtigung der Opposition. Daher forderte er eine Erhöhung des Quorums für die Wahl der bzw. des Ständigen Bevollmächtigten, damit die parlamentarische Minderheit stärker einbezogen werde.233 Dies würde sowohl das Vertrauen in dieses Amt stärken234 als auch die Rolle des PKGr als exekutivfernes Kontroll­organ unterstreichen. Andererseits ist für Bertold Huber – ungeachtet der Besetzungsregelung – die Neueinführung einer bzw. eines Ständigen Beauftragten aus einer praktischen Perspektive heraus ebenfalls von immenser Wichtigkeit und ein guter Ansatz, da eine „umfassende und einzelfallbezogene Recherche bestimmter fassend Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (166). 228  Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 12. 229  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533); Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. 230  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533). 231  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. 232  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 18. 233  Ebd. 234  Stadler, Podiumsdiskussion anlässlich der Fachkonferenz „Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat“ vom 10.10.2007, dokumentiert in: Rotter, Dokumentation der Podiumsdiskussion, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 99 (100).



I. Kontrolle des BND357

Sachverhalte durch Mitglieder des PKGr […] allenfalls ausnahmsweise sorgfältig durchgeführt werden kann.“235 Positiv hob daher Klaus Gärditz die nun erfolgte Verzahnung zwischen dem PKGr, der G10-Kommission und dem Vertrauensgremium und den damit zusammenhängenden „verpflichtenden Austausch“ der Organe hervor.236 Diese Grundidee bewertet auch Heinrich Wolff positiv und betrachtet die Ernennung der bzw. des Ständigen Bevollmächtigten auf fünf Jahre zur Unterstützung der Arbeit des PKGr als sinnvoll, weil sich die neu beginnenden Legislaturperioden mit zumeist neuen PKGr-Mitgliedern so nicht überlappen und diese nicht von einer bzw. einem komplett neuen Ständigen Bevollmächtigten eingearbeitet werden müssen.237 Die – nun in Betracht zu ziehende – genaue Ausgestaltung offenbart jedoch zahlreiche Schwächen: Wieso beispielsweise das neu geschaffene Unabhängige Gremium von der Kontrollgremiums-Kooperation rechtlich ausgenommen sein soll, ist für Klaus Gärditz nicht ersichtlich.238 Obgleich er dies noch als „Redaktionsversehen“ abzutun versucht,239 setzt sich für Christoph Gusy lediglich die „Parzellierung des Wissens“ und die stetige Erweiterung der Anzahl der Kontrollorgane fort.240 Anregungen von Bertold Huber, die bzw. den Ständigen Bevollmächtigten der G10-Kommission für Kontrollauf235  Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (166). 236  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. Von einem „verpflichtenden Austausch“ spricht Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (768). 237  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 19, der jedoch anmerkt, dass man die Stelle besser komplett antizyklisch zu den Bundestagswahlen hätte ausgestalten können. Sie sei jedoch organisatorisch nicht zu beanstanden. Siehe auch Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (768); Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 231. 238  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23; Töpfer, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 12. Siehe zum Unabhängigen Gremium näher Abschnitt D.I.2.c)bb)(2). 239  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. Später betont er jedoch, dass der Austausch auch mit dem Unabhängigen Gremium „konsequent gewesen“ wäre: ders., Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533). 240  Kritisch zum fehlenden Austausch mit dem Unabhängigen Gremium auch Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (444); Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

träge zu unterstellen,241 was mit § 5a Abs. 3 PKGrG zumindest für das Vertrauensgremium schon vorgesehen ist, fanden keinen Platz im neuen PKGrG. Diesem Vorschlag hält das Deutsche Institut für Menschenrechte allerdings entgegen, dass es nicht zu einer zu starken Vermengung der quasi-gericht­ lichen und legislativen Kontrolle kommen dürfe,242 um die Mechanismen der Gewaltenteilung im Bereich der Nachrichtendienstkontrolle nicht gänzlich ad absurdum zu führen. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass die Stelle nicht mit ausreichend Kompetenzen und Befugnissen ausgestattet wurde. Die Bundesregierung entschied sich vielmehr gegen die ursprünglich vorgeschlagene Einrichtung einer bzw. eines Beauftragten mit weitgehenden eigenen Befugnissen,243 sondern wurde die bzw. der Ständige Bevollmächtigte bewusst als reines Unterstützungs- und Kooperationsorgan ohne eigene Rechte geschaffen, obwohl das exekutive Pendant der bzw. des Beauftragten der Nachrichtendienste des Bundes genau diese Ausgestaltung erhielt und eigene originäre Rechte innehat.244

Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 10, 14. Letzterer spricht dabei von einem nicht wünschenswerten „Trennungsgebot“, ebd., S. 14. 241  Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (166) zugleich Stellungnahme für den Deutschen Bundestag zu den Gesetzesentwürfen zur Reform des BNDG und des PKGrG, Innenausschuss Drs. 18(4)662, S. 16 f. Wichtig war ihm jedoch, dass die letztliche Kontrollkompetenz uneingeschränkt bei der G10-Kommission (und beim PKGr) bleibe und die Kontrolle durch zusätzliche Stellen immer vom Willen der Kontrollstelle getragen werden müsse. Bertold Huber merkte konträr zur Erweiterung der Unterstützung durch die Ständige Bevollmächtigte bzw. den Ständigen Bevollmächtigten an, dass eine permanente Teilnahme an den geheimen Beratungen der G10-Kommission dessen Unabhängigkeit in Zweifel ziehen könne. 242  Töpfer, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Öffentliche Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 13. 243  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 231; Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (103 f.); Geiger, Einführung eines „Beauftragten für die Nachrichtendienste“, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 65 (65 ff.); Emmerlich, Verfassungsschutz im demokratischen Staat, in: DnG 1982, Vol. 29, S. 934 (934). A. A. Smid, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems in Deutschland, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 45 (62), der sogar von einer „bedenklichen Machtkonzentration“ spricht. 244  Das exekutive Amt leitet seine Befugnisse aber ebenso gänzlich akzessorisch ab. Vgl. Abschnitt D.I.2.b)bb).



I. Kontrolle des BND359

(3) W  eitere Neuerungen durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle Neben der Einführung der bzw. des Ständigen Bevollmächtigten sah die Gesetzesnovelle zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kon­ trolle von 2016 überwiegend Detailänderungen vor.245 So wurde der § 3 PKGrG hinsichtlich einzelner organisatorischer Aspekte neu gefasst. Gem. § 3 Abs. 1 S. 2 PKGrG wird der Vorsitz und stellvertretende Vorsitz mit einfacher Mehrheit selbst vom PKGr – und damit entgegen den gängigen Ausschussregeln gem. § 58 GO-BT nicht vom Ältestenrat – bestimmt.246 Weiterhin sieht § 3 Abs. 3 PKGrG die Einführung eines Umlaufverfahrens für Beschlussfassungen vor. Beschlüsse können nun außerhalb der regulären Sitzungen im Wege eines schriftlichen oder elektronischen Umlaufverfahrens gefasst werden, sofern die Sachverhalte nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Das sollte dem Gremium zusätzliche Flexibilität ermöglichen.247 Einer der größten Streitpunkte war zudem, was genau nach § 4 Abs. 1 PKGrG unter „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ zu verstehen ist, die eine aktive Berichtspflicht seitens der Bundesregierung und der Nachrichtendienste gegenüber dem PKGr auslösen.248 Daher entschied man sich bei der Schaffung des Änderungsgesetzes zur Einführung von Regelbeispielen für die Unterrichtungspflicht nach § 4 Abs. 1 PKGrG, obgleich man zur Präzisierung dieses Terminus technicus bereits 2014 in einer Anlage zu § 4 der Geschäftsordnung des Kontrollgremiums eine Beschreibung dieser Bedingung vorgenommen hatte.249 Diese löste allerdings keine rechtliche Bindung aus, was nun behoben wurde. Ohne abschließenden Charakter zu haben, sind 245  So bezeichnet dies bereits der Gesetzentwurf selbst: Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 9 f. 246  Dies ist eine Abweichung zu § 58 GOBT, nach welchem die Ausschussvorsitzenden nach Vereinbarung des Ältestenrates über das Saint Laguë/Schepers-Berechnungssystem bestimmt werden. Siehe dazu näher Schick, Der Gemeinsame Ausschuß, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, S. 1584 f. 247  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 10. 248  Vgl. u. a. Bewertung des Kontrollgremiums zum Bericht der Bundesregierung zu Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 24.02.2006, BT-Drs. 16/800, S. 3. 249  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 11.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

nunmehr drei Fälle im PKGrG aufgelistet, die eine umfassende und unaufgeforderte Unterrichtungspflicht der Bundesregierung begründen:250 Hierunter fallen „wesentliche Änderungen im Lagebild der äußeren und inneren Sicherheit“ (Nr. 1), „behördeninterne Vorgänge mit erheblichen Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung“ (Nr. 2) sowie „Einzelvorkommniss[e], die Gegenstand politischer Diskussionen oder öffentlicher Berichterstattung sind“ (Nr. 3). Außerhalb dieser Regelbeispiele muss die Bundesregierung auf Verlangen des PKGr auch über sonstige Vorgänge berichten.251 Ein weiterer vermeintlicher Erfolg für die Kontrolleurinnen und Kontrolleure ist die Einführung eines jederzeitigen Zutrittsrechts zu den Dienststellen der Nachrichtendienste gem. § 5 Abs. 1 S. 2 PKGrG. Der vorherige § 5 Abs. 1 PKGrG a. F. vor 2016 sah zwar bereits ein Zutrittsrecht vor, welches nunmehr aber als „jederzeitiges Recht“252 ausgestaltet wurde. Die Gesetzesbegründung verdeutlicht allerdings, dass die Regelung nicht so zu verstehen sei, dass das PKGr oder dessen Mitglieder unangemeldet die Räumlichkeiten der Dienste inspizieren dürften.253 Es müsse vielmehr eine – zwar auch kurzfristig mögliche – Ankündigung bei der Amtsleitung und der Fachaufsicht eingereicht werden.254 Ergänzend wurden in § 6 Abs. 1 PKGrG klarstellende Vorgaben zu den Informationspflichten der Bundesregierung bei Gegenständen, die nicht der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste des Bundes unterliegen, eingeführt. Die in §§ 4 f. PKGrG vorgesehenen Unterrichtungspflichten erstrecken sich demnach nur auf solche Informationen, welche der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste unterliegen. Hierüber soll es ausgeschlossen werden, dass diese Informationen von ausländischen Diensten offenlegen müssen.255 Das PKGr kann allerdings verlangen, dass die Bundesregierung im Wege des „Konsultationsverfahrens“ mit ausländischen Diensten oder

250  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 11. 251  Vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 PKGrG. 252  Ähnlich ist dieser Passus in § 15 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 G10 sowie § 24 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BDSG für die bzw. den BfDI zu finden. Ferner Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (768). 253  Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (768). 254  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 11. 255  Ebd., S. 14.



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fremden Regierungen auf eine Zustimmung hinwirken soll, die Informationen zur Kontrolle freizugeben.256 Ergänzend hat man den Schutz für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber („Whistleblower“) aus den Nachrichtendiensten verbessert. Das bereits 2009 eingeführte „Frühwarnsystem“, über welches durch „Eingaben“ innerdienstlich Probleme in den Diensten an das PKGr gemeldet werden konnten, erwies sich als unwirksam.257 Es führte nicht zum angestrebten Ziel, eine Erhöhung solcher „Eingaben“ zu erreichen, obwohl seither einige Missstände auftraten.258 Der neue § 8 Abs. 1 PKGrG ermöglicht es nun, sich bei „dienst­ lichen Angelegenheiten sowie bei innerdienstlichen Missständen“ direkt an das PKGr zu wenden,259 ohne dass hierfür ein interner Dienstweg – wie es noch die Vorgängerregelung vorsah – eingehalten werden muss.260 Dies soll grundsätzlich zur Wahrung der Anonymität der Person beitragen, gleichzeitig dürfen diesen Personen, sollte es ausnahmsweise doch erforderlich sein, ihren Namen preiszugeben,261 keine Nachteile entstehen.262 Die Gesetzesneuerung schützt jedoch nicht vor falschen Behauptungen, die dienst- oder strafrechtlich relevant sein könnten.263 Ferner führte man mit § 10 Abs. 3 PKGrG jährliche öffentliche Anhörungen der jeweiligen Präsidentinnen bzw. Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes durch das PKGr ein,264 wie sie ähnlich in den USA vorgesehen sind.265 256  Vgl.

§ 6 Abs. 1 S. 3 PKGrG. der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 14. 258  Ebd. 259  Die Missstände müssen von der Person zumindest „vermutet“ werden. Ebd. 260  Ebd. Der Gesetzesentwurf erkannt zu Recht an, dass diese Verpflichtung zur Information an die Dienststelle, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klar von solchen „Eingaben“ abgehalten habe. 261  Der § 8 Abs. 1 S. 4 PKGrG sieht vor, dass von der Anonymität der Person abgewichen werden dürfe, wenn dies für eine Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich sei. 262  Vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 PKGrG. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung auf den Rechtsgedanken von § 7 S. 2 WBeauftrG, § 84 Abs. 3 BtrVG und § 612a BGB verwiesen. Siehe dafür Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 14. 263  Vgl. dafür Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (769). 264  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 14. 265  Vgl. dazu Abschnitt D.II.2.c). Auch die Leitung der Britischen Auslandsnachrichtendienste musste sich bereits einer solchen Anhörung unterziehen. 257  Gesetzentwurf

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Komplett neu ist auch die Möglichkeit für das PKGr, Berichte einer oder eines Sachverständigen nach § 7 PKGrG an Kontrollgremien des Bundes und der Länder sowie an parlamentarische Untersuchungsausschüsse zu übermitteln. Bislang war es für das PKGr gesetzlich nicht vorgesehen, an andere Behörden, weitere Kontrolleinrichtungen oder an parlamentarische Untersuchungsausschüsse solche Berichte weiterzuleiten.266 Dem soll § 10 Abs. 5 PKGrG gerecht werden und erlaubt nun die Übermittlung von Berichten an andere parlamentarische Gremien, die zur Kontrolle der Nachrichtendienste sowohl im Bund als auch in den Ländern berufen sind (Alt. 1) sowie die Übermittlung an parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Bundesbzw. eines Landtages (Alt. 2). Zudem stockte man den administrativen Sektor personell und finanziell auf, damit die erforderliche Arbeit mit der notwendigen Intensität wahrgenommen werden kann. Des Weiteren darf das Gremium auf sehr gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade für den hochtechnisierten Bereich der SIGINT-Aufklärung zurückgreifen, um das erhebliche Fachwissen verständlicher aufbereitet zu bekommen.267 (4) Bewertung der Literatur und der Öffentlichkeit Als Verbesserung durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle kann die Einführung von jährlichen Anhörungen der Präsidentinnen und Präsidenten der Nachrichtendienste gem. § 10 Abs. 3 PKGrG angesehen werden, welche der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler als „Meilenstein in Richtung mehr Transparenz“ bezeichnete.268 Er meint, dass so Vorurteile oder Misstrauen abgebaut und Vertrauen in die In­stitutionen geschaffen werden könne.269 Ebenso gelte dies für die Einfüh266  Im Bereich der Untersuchungsausschüsse stellt Enrico Brissa zu Recht klar, dass eine Weitergabe nur möglich sei, wenn die Berichte bereits im Vorfeld der Untersuchungen erstellt wurden. Siehe ders., Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (769). 267  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1. 268  Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 13. Kritisch zu der Regelung zeigte sich jedoch Heinrich Wolff, wobei nach seiner Ansicht eine Klausel für den Fall fehle, sollte einer Fraktion die Mitwirkung im PKGr untersagt werden, dass ihr zumindest ein Mitwirkungsrecht über § 10 Abs. 3 PKGrG gewährt werde, um die Minderheitenrechte zu gewährleisten. Vgl. ders., Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 16. 269  So auch Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (770), nach welchem die



I. Kontrolle des BND363

rung von Regelbeispielen in Bezug auf die Unterrichtungspflichten der Nachrichtendienste. Jene stellen eine sinnvolle Verbesserung dar.270 Da – wie Enrico Brissa darlegt – die anderen Kontrollinstrumente unberührt blieben, sah dieser keine Schwächung der parlamentarischen Kontrolle durch die Neuerungen im PKGrG. Stattdessen sei man auf dem „richtige[n] Weg zu einer deutlichen Professionalisierung der parlamentarischen Kontroll­ arbeit“.271 Diese Einschätzung teilten einige Sachverständige nicht: Heinrich Wolff wertete die Einführung von Regelbeispielen für die Unterrichtungspflicht zwar ebenfalls positiv, sprach sich zeitgleich allerdings für eine präventive Variante aus.272 Er bemängelte darüber hinaus, dass die Regelbeispiele mit weiteren Ausnahmen flankiert wurden, wonach sich gem. § 6 Abs. 1 PKGrG die Unterrichtungspflichten nicht auf Informationen bezögen, die die Nachrichtendienste von anderen Stellen erhalten hatten und dementsprechend nicht ihrer Verfügungsberechtigung unterlägen. Wieso das aber genauso für nationale Stellen gelten solle, sei für ihn nicht nachvollziehbar, weil die Daten zumeist von den Stellen verarbeitet werden, die die Informationen zugesandt bekommen und deshalb schon nicht mehr vollends nur der Verfügungsberechtigung der übermittelnden Stelle unterlägen.273 Ferner verweist er darauf, dass das PKGr dem Geheimnisschutz unterliege und nicht ersichtlich sei, wieso solche Informationen vorenthalten werden dürften: „Wenn das Parlament die höchste Vertraulichkeit zusagt, darf es auch höchste Vertraulichkeitsstufen kontrollieren. […] Die Vorstellung, dass es exekutive Tätigkeit gibt, die vollständig ohne Wissen von Vertretern des Parlaments systematisch stattfinden soll, [ist] in einer Demokratie kaum vertretbar.“274 ZuEinführung von öffentlichen Anhörungen zu einer steigenden Akzeptanz und Legitimität der Nachrichtendienste führe. 270  Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 13, der meint, dass die Einführung von Regelbeispielen begrüßenswert sei, um so die Kontrolle auf das Wesentliche zu beschränken. 271  Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (770). 272  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 17 f. 273  Ebd., S. 19 f. Er forderte deshalb den § 6 Abs. 1 S. 1 PKGrG um den Halbsatz „oder von ihm verarbeitet werden“ zu ergänzen, um dieses Problem zu verdeutlichen. Der Gesetzesentwurf geht im Zuge dessen aber davon aus, dass dies in der Regel nur bei Übermittlungen von ausländischen Behörden der Fall sei. Siehe Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 14. 274  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 19 f. Er forderte deshalb den § 6

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

sätzlich weist Bertold Huber aus praktischer Perspektive daraufhin, dass diese Klarstellungen nach § 4 Abs. 1 S. 2 PKGrG nur Wirkung entfalten können, wenn die Bundesregierung die ihr obliegenden Unterrichtungspflichten auch ernst nehme, was in der Vergangenheit nicht stets der Fall gewesen sei.275 Genau dieser Punkt wurde allerdings gar nicht in die Novellierungen aufgenommen, was sowohl Thorsten Wetzling bei der Expertenanhörung als auch die damaligen Oppositionsfraktionen kritisierten.276 Jene forderten die Einführung von Sanktionen, um die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung auch als solche auszugestalten und die Kontrolle zu effektivieren. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderten, dass zur Beweispflicht von Verfehlungen bei der Unterrichtung Tonaufnahmen während der Sitzung erlaubt werden müssten.277 Zusätzlich beanstandete die Fraktion die Linke, dass immer noch die Möglichkeit für PKGr-Mitglieder fehle, sich in besonderen Situationen an die Fraktionsvorsitzenden zu wenden. Ebenfalls kontrovers wurde die Einführung der neuen „Whistleblower“Regelung diskutiert. Einerseits befürwortete Klaus Gärditz diese Novellierung, da sich die bisherigen Regelungen nicht als praktikabel erwiesen hätten.278 Die grundsätzliche Anonymisierung trage dem bisher geltenden Pro­ blem Rechnung, dass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber bis dato der Behörde immer namentlich bekannt waren. Er sieht aber vielmehr dort ein Regelungsdefizit, wo dem PKGr schuldhaft falsche Informationen übermittelt werden, da hierfür nicht explizit die Aufhebung der Anonymität vorgeschrieben sei.279

Abs. 1 S. 1 PKGrG um den Halbsatz „oder von ihm verarbeitet werden“ zu ergänzen, was durchaus sinnvoll erscheint. 275  Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (166). 276  Dies sah die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen so und auch die Fraktion die Linke äußerte sich hierzu peripher sehr kritisch und knüpfte generell an das Problem an, dass die Opposition immer noch auf das „Wohlwollen der Regierungskoalition“ angewiesen sei. Siehe dafür Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss), BT-Drs. 18/10069, S. 8 f. Ferner Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 13 f. 277  Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss), BT-Drs. 18/10069, S. 8 f. 278  Vgl. Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. So auch Singer, PKGrG, 2015, § 8 PKGrG, S. 143. 279  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 24 f.; Gär-



I. Kontrolle des BND365

Genau diese lediglich grundsätzliche Regelung der Anonymität kritisierten die Oppositionsfraktionen: Die Möglichkeit der Namenspreisgabe der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters an die Bundesregierung besteht ungeachtet der Neuregelung als Hindernis zur internen Aufdeckung von Missständen fort.280 Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlug deshalb eine eigene unabhängige Stelle vor, die Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern die Möglichkeit geben solle, sich bei Missständen anonym an diese zu wenden.281 cc) Weitere parlamentarische Kontrollorgane und -mechanismen Neben den benannten parlamentarischen Kontrollmechanismen besteht für den Einsatz von technischen Mitteln zur akustischen Wohnraumüberwachung eine Unterrichtungspflicht an den Bundestag seitens der Bundesregierung gem. Art. 13 Abs. 6 S. 1 GG, sofern die Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes geschehen sind.282 Bezogen auf die Nachrichtendienste unterliegen Maßnahmen zur technischen Wohnraumüberwachung gem. Art. 13 Abs. 6 i. V. m. Abs. 4 GG einem Richtervorbehalt und der Kontrolle eines hierfür zuständigen Gremiums.283 Die Kontrolle umfasst einen vertraulichen Bericht, dessen inhaltliche Ausgestaltung nicht genauer definiert ist.284 Das Gremium sowie die danebenstehende parlamentarische Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen nach Art. 13 GG ersetzen nicht den gericht­ lichen Rechtsschutz und führen beide keine Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahmen zur Wohnraumüberwachung durch.285 Sie dienen lediglich im Wege einer politischen Kontrolle dazu, die Eignung und Folgen der nachditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533). 280  Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss), BT-Drs. 18/10069, S. 8. 281  Ebd., S.  8 f. 282  Die Unterrichtungspflicht bezieht sich sowohl auf repressive als auch präventive Zwecke der akustischen Wohnraumüberwachung gem. Art. 13 Abs. 3 und Abs. 4 GG. Ebenso inkludiert dies den Einsatz technischer Mittel, sofern dafür eine richterliche Überprüfung nach Art. 13 Abs. 5 S. 2 GG notwendig war. Siehe dazu näher Gornig, Art. 13 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Auflage 2018, S.  1347 f. 283  Vgl. Kühne, Art. 13 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 49; Kluckert/Fink, Art. 13 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 37. Ed. 2018, Rn. 31 ff.; Kumpf, Die Kon­ trolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 160 ff. 284  Kühne, Art. 13 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 49. Bzgl. des Umfangs gehen Zieckow/Guckelberger, Art. 13 GG, in: Friauf/Höfling, GG, Bd. II., Rn. 113 davon aus, dass jener numerische Angaben und den Grund der Maßnahmen beinhalten müsse. 285  Vgl. dazu BVerfGE 109, 279, 373 – Bürgerverein Burgkunstadt. Einzig der Richtervorbehalt dient der präventiven Rechtmäßigkeitserwägung.

366

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

richtendienstlichen Maßnahmen und deren Rechtsgrundlagen zu beobachten.286 Dieser Kontrolle kommt aber auch deshalb nur eine untergeordnete Rolle zu, da laut Berichten der Bundesregierung zwischen 1998 und 2016 ein Einsatz von Wohnraumüberwachungen des BND nicht stattgefunden habe – dementsprechend auch keine Kontrolle.287 Die parlamentarische Kontrolle des BND setzt sich allerdings nicht nur aus den bereits benannten spezifisch vorgesehenen Gremien, dem Parlament oder dessen Organen zusammen, sondern kann diese auch durch Fraktionen oder sogar von einzelnen Abgeordneten im gewissen Rahmen durchgeführt werden.288 Ein wesentliches Recht des Bundestages ist es, gem. Art. 44 Abs. 1 GG einen Untersuchungsausschuss einzuberufen (Enqueterecht289) und dafür im Wege des Beweiserhebungsverfahrens nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. §§ 13, 17 PUAG alle Informationen zur Aufklärung eines Sachverhaltes zu verlangen.290 Hierbei ist der Bundestag zur Einsetzung verpflichtet, sofern mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages dies verlangen, was i. d. R. eine Oppositionsfraktion oder ein Zusammenschluss solcher ausmacht und den Minderheitenschutz sicherstellen soll. Die Einberufung eines Untersuchungsausschusses dient „der parlamentarischen Kon­ trolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere […] der Aufklärung […] von Missständen.“291 Im Bereich der Nachrichtendienste wurde von diesem 286  Vgl. dafür BVerfGE 109, 279, 373 – Großer Lauschangriff. Ferner Gornig, Art. 13 Abs. 6 GG, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Auflage 2018, S.  1347 f.; Fink, Art. 13 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 24 ff.; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 161 f. 287  Vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung gemäß Artikel 13 Abs. 6 S. 1 GG, BT-Drs. 14/2452, S. 2 (für 1998); BT-Drs. 14/3998, S. 1 (1999); BT-Drs. 14/6778, S. 1 (2000); BT-Drs. 14/9860, S. 1 (2001); BT-Drs. 15/1504, S. 1 (2002); BT-Drs. 15/3699, S. 1 (2003); BT-Drs. 15/5971, S. 1 (2004); BT-Drs. 16/3068, S. 1 (2005); BT-Drs. 16/6363, S. 1 (2006); BT-Drs. 16/10300, S. 1 (2007); BT-Drs. 16/14116, S. 1 (2008); BT-Drs. 17/3038, S. 1 (2009); BT-Drs. 17/ 7008, S. 1 (2010); BT-Drs. 17/10601 (2011), hiervon haben allerdings zwei präventive Maßnahmen des BKA stattgefunden; BT-Drs. 17/14835 (2012); BT-Drs. 18/2495 (2013); BT-Drs. 18/5900 (2014); BT-Drs. 18/9660 (2015), hiervon hat allerdings eine präventive Maßnahme des BKA stattgefunden; BT-Drs. 18/13522 (2016). Siehe auch Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 162 ff., nach welchem eine Kontrolle in diesem Bereich quasi nicht stattfindet. 288  VerfG Brandenburg, Urteil vom 09.12.2004, Az.: VfGBbg 6/04; Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 5. 289  Näher dazu Linke, Entstehung und Fortbildung des Enquete- und Untersuchungsrechts, 2015, S. 51 ff. 290  Magiera, Art. 44 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 1, nach welchem alle Informationen erhoben werden dürfen, die zur Erfüllung des parlamentarischen Auftrages gegenüber dem Volk erforderlich seien. 291  BVerfGE 49, 70, 85 – Untersuchungsausschuss.



I. Kontrolle des BND367

Recht regelmäßig Gebrauch gemacht, was in jüngster Vergangenheit den BND-,292 den NSU‑293 oder den NSA-Untersuchungsausschuss294 betraf, die zahlreiche Erkenntnisse zu illegitimen und legitimen Handlungen zutage förderten. Potenzielle Verfehlungen der Bundesregierung sollen somit an die Öffentlichkeit gelangen, was als spezielles parlamentarisches Sanktionsmittel verstanden wird.295 Das Bundesverfassungsgericht hat für die Begrenzung des Beweiserhebungsrechts allerdings auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, das Staatswohl und die Rechtsmissbräuchlichkeit der Beweisanträge verwiesen, die zur Versagung von Informationen der Bundesregierung oder der Dienste herangezogen werden können.296 Weiterhin steht jeder bzw. jedem Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG ein Frage- und Informationsrecht zu, das mit einer Antwortverpflichtung der Bundesregierung korreliert.297 In Bezug auf die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit des BND wurden zahlreiche Anfragen gestellt, die jedoch stets anlassbezogen sind und somit lediglich eine „Teilkontrolle“ bei Anhaltspunkten „von außen“ darstellen.298 Das Bundes292  Vgl. Deutscher Bundestag, 1. Untersuchungsausschusses der 16. Wahlperiode (BND-Untersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 18.06.2009, BT-Drs. 16/13400, S. 1 ff. 293  Deutscher Bundestag, 2.  Untersuchungsausschusses der 17.  Wahlperiode (NSU-­Untersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 22.08.2013, BT-Drs. 17/14600, S. 1 ff.; 3. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode (NSUUntersuchungsausschuss II), Beschlussempfehlung und Bericht vom 23.06.2017, ­BT-Drs. 18/12950, S. 1 ff. Zusätzlich wurden weitere Untersuchungsausschüsse auf Landesebene in Thüringen, Bayern, Sachsen, Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen eingesetzt. 294  Deutscher Bundestag, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode (NSAUntersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 23.06.2017, ­BT-Drs. 18/843, S. 1 ff. 295  Morlock, Art. 44 GG, in: Dreier, GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, S. 1215. Alle Beweise sind grundsätzlich öffentlich zu machen. Für Ausnahmen Magiera, Art. 44 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 18 ff. 296  BVerfGE 124, 78, 118  ff. – UA-Geheimgefängnisse. Die Ablehnung müsse jedoch substantiiert erfolgen. 297  BVerfGE 124, 161, 188 – Überwachung von Bundestagsabgebordneten; 137, 185, 230 ff. – Rüstungsexport. Hierbei bestehen die Möglichkeiten von großen (§ 100 GOBT) und kleinen Anfragen (104 GOBT) sowie Fragen durch einzelne Abgeordnete (§ 105 GOBT). Ebenfalls bestehen ein Zitierungsrecht zur Anwesenheit von Mitgliedern der Bundesregierung (Art. 43 Abs. 1 GG) oder das Interpellationsrecht. Siehe dazu näher im Bereich der Nachrichtendienste Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 165. Allgemein dazu Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/ Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 43 ff. 298  Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 13.06.2006, Sammlung, Speicherung und Weitergabe von Informationen über Bundestagsabgeordnete durch Geheimdienste, BT-Drs. 16/1808 mit Antwort der Bundesregierung vom

368

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

verfassungsgericht machte in diesem Zusammenhang allerdings deutlich, dass die Bundesregierung die Beantwortung der Anfragen nicht einfach verweigern könne, indem sie pauschal auf geheimhaltungsbedürftige Staatswohlinteressen verweise. Sofern keine Fälle evidenter Geheimhaltung vorlägen, bedürfe es einer angemessen ausführlichen Begründung der Versagung.299 Außerdem reiche ein Verweis auf die Informationspflicht des PKGr hierfür nicht aus, da dies nur ein „zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle“ sei.300 Zusätzliche Kontrollstellen existieren darüber hinaus im Bereich der Haushaltsmittel des BND. Die Finanzkontrolle durch den Bundesminister für Finanzen, den Bundesrechnungshof, das Vertrauensgremium nach § 10a BHO und die Budgetkontrolle durch das Parlament sind zwar grundsätzlich vorgesehen, üben im Ergebnis allerdings keine Rechtmäßigkeitskontrolle aus. Zudem ist das Vorenthalten von Informationen in diesen Bereichen eher die Regel als die Ausnahme.301 Diese Kontrollorgane spielen daher lediglich eine untergeordnete Rolle zur auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle und dienen allemal als „kontrollverstärkende Faktoren“. Sie können aber zumindest Unregelmäßigkeiten an das PKGr melden.302 dd) Zwischenfazit Bereits bei den Entwürfen zur Verfassungsänderung 2009 betonte die Regierung, dass man die parlamentarischen Rechte zur Kontrolle der Nachrich-

30.06.2006, BT-Drs. 16/2098; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten von Notz u. a. vom 28.03.2018, Staatliches Hacking von Internetkommunikation – Transparenz rechtlicher und tatsächlicher Voraussetzungen, BT-Drs. 19/1434, S. 4; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ströbele u. a. vom 12.09.2013, Überwachung der Internet- und Telekommunikation durch Geheimdienste der USA, Großbritanniens und in Deutschland, BT-Drs. 17/14739, S. 2. 299  BVerfGE 124, 161, 188 f. – Überwachung von Bundestagsabgebordneten. 300  Ebd., S. 190. 301  Durch den sensiblen Bereich der Nachrichtendienste müsse eine Abwägung im Einzelfall getroffen werden. Vgl. dazu BVerfGE 124, 161, 195 – Überwachung von Bundestagsabgebordneten. Zum Informationsrecht einzelner Abgeordneter zählen auch Informationen, die zu einer sachverständigen Beurteilung des Haushaltsplans notwendig sind. So BVerfG 70, 324, 355 ff. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Allgemein dazu Mehde, Art. 45d GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2019, Rn. 5; Huber, § 9 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1486; Bartodziej, Parlamentarische Kontrolle, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1585 ff. 302  Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 159.



I. Kontrolle des BND369

tendienste „behutsam und systemkonform“ stärken wollte.303 Da die vorgesehene „systematische und strukturierte Kontrolle nach wie vor nicht hinreichend gewährleistet werden“ konnte, wollte man 2016 erreichen, dass die „umfangreichen Kontrollrechte […] durch das Gremium intensiver, koordinierter und kontinuierlicher wahrgenommen werden [, da nur] so […] eine hinreichend effektive und strategisch ausgerichtete Kontrolle gewährleistet werden“ könne.304 All diese Maßnahmen sollten dazu führen, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Tätigkeit der Dienste gestärkt werde – das betonten beide Entwürfe aus 2009 und 2016.305 Die Hauptkritik an der parlamentarischen Kontrolle aus Reihen der Politik306 und Öffentlichkeit, welche sich zumindest 2016 durch die Veröffentlichungen von Edward Snowden ergaben, blieben jedoch de lege lata weitestgehend ungehört – wie das Fehlen eines effektiven Sanktionsapparates, Verbesserung der Minderheitenrechte sowie effektive und unabhängige Kontrollmechanismen aufzeigen – oder führten trotz Novellierungen de facto zu keiner Änderung der Sachlage. Letzteres wird allein an den zwei Beispielen im untenstehenden Schaubild offensichtlich: Aus der Möglichkeit eines Betretens der Räumlichkeiten des BND durch die PKGr-Mitglieder wurde ein jederzeitiges Zutrittsrecht. Dass der Zutritt aber immer noch im Einvernehmen mit der Bundesregierung und den Diensten hergestellt werden muss, bleibt trotz der Wortlautänderung unverändert. Dasselbe gilt für die Behandlung von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern. Der Gesetzeswortlaut wurde diesbezüglich stetig erweitert, geändert hat sich jedoch inhaltlich nur wenig, weil die meisten Anmerkungen aus den vorherigen Gesetzesbegründungen einfach nur in den Gesetzestext integriert wurden. Auch die hervorgehobene Anonymisierung im Entwurf 2016 gilt offiziell als Grundsatz, die Ausnahme hiervon öffnet aber „Haus und Hof“, da jeder eingegebene Sachverhalt aufgeklärt werden muss und bei nur wenigen „Wissenden“ in den einzelnen Abteilungen die bzw. der Hin303  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u.  a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 2. 304  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 8. 305  Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 2; Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 8. 306  So wurden die Entwürfe der Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 16/12189) oder der Linken (BT-Drs. 16/12411) vom Bundestag abgelehnt und der Entwurf der FDP (BT-Drs. 16/1163) für obsolet erklärt. Näher hierzu Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2009, S. 137 ff.; Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, Einleitung, Rn. 14.

370

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

weisgebende ohnehin zur Aufklärung benötigt wird. Unbestritten muss deshalb weiterhin gelten, dass „eine Effektuierung und […] Professionalisierung der parlamentarischen Kontrolle [der Nachrichtendienste immer noch] notwendig ist“307 und nicht bei kleinen Wortlautänderungen über mehrere Jahrzehnte liegen darf, ohne die Struktur der Kontrolle zu ändern. Übersicht 1 Rechtszustand vor 2009

Rechtszustand nach 2009

Rechtszustand nach 2016

Beispiel: Zutrittsrecht des PKGr zu den Diensträumen des BND § 2a Alt. 3 PKGrG a. F. vor 2009308:

§ 5 Abs. 1 PKGrG a. F. vor 2016:

§ 5 Abs. 1 S. 2 PKGrG:

„Die Bundesregierung hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium […] Besuche bei den Diensten zu ermöglichen.“

„Soweit sein Recht auf Kontrolle reicht, kann das Parlamentarische Kontrollgremium von der Bundesregierung und den in § 1 genannten Behörden verlangen […] Zutritt zu sämtlichen Dienststellen der in § 1 genannten Behörden zu erhalten.“

„Ihm ist jederzeit Zutritt zu sämtlichen Dienststel­ len der in § 1 genannten Behörden zu gewähren.“

Die hierzu geltende Praxis: Die hierzu ausgeführte Gesetzesbegründung Es besteht kein „anlasslo­ BT-Drs. 18/9040, S. 11 ses Zutrittsrecht“ und die „Jederzeitiges Zutritts­ Nachrichtendienste haben recht bedeutet jedoch hierfür immer eine nicht unangekündigt, „Vorwarnzeit“.309 sondern nach […] Ankündigung bei der Amtsleitung und übergeordneten Fachaufsichtsbehörde“ kommen und kontrollieren zu dürfen.

307  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (532). 308  Neu eingeführt durch Gesetz zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17.06.1999, BGBl. 1999, Vol. I, S. 1334. 309  Vgl. dazu Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, § 5 PKGrG, Rn. 6; Singer, PKGrG, 2015, § 5 PKGrG, S. 103. Letzterer zieht als zusätzliche Quelle auch die Aussage der damaligen Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Renate Künast heran, Interview mit der Bild am Sonntag vom 27.04.2008. Die Begründung des Gesetzesentwurfs BT-Drs. 16/12411 schweigt hierzu.



I. Kontrolle des BND371 Beispiel: Whistleblower-Regelung § 2d S. 1 PKGrG a. F. vor 2009:

§ 8 Abs. 1 S. 2 PKGrG a. F. vor 2016:

§ 8 PKGrG:

„Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, mit Eingaben an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden, soweit die Leitung der Dienste entsprechenden Eingaben nicht gefolgt ist.“

„Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienstlichen Angelegenheiten, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, ohne Einhal­ tung des Dienstweges unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden. Das Parlamentarische Kontrollgremium übermittelt die Eingaben der Bundesregierung zur Stellungnahme.“

„Angehörigen der Nachrichtendienste ist es gestattet, sich in dienst­ lichen Angelegenheiten sowie bei innerdienstli­ chen Missständen, jedoch nicht im eigenen oder Interesse anderer Angehöriger dieser Behörden, ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden. Wegen der Tatsache der Eingabe dürfen sie nicht dienst­ lich gemaßregelt oder benachteiligt werden. Das Parlamentarische Kontrollgremium übermittelt die Eingaben der Bundesregierung zur Stellungnahme. Es gibt den Namen der mittei­lenden Person nur bekannt, soweit dies für eine Aufklärung des Sachverhalts erforderlich ist.“

BT-Drs. 14/539, S. 7:

BT-Drs. 16/12411, S. 11:

BT-Drs. 18/9040, S. 14:

„Durch Satz 1 erhalten Angehörige der Nach­ richtendienste die Möglichkeit, sich in dienstlichen Angelegenheiten mit dem Ziel der Verbesserung der Aufgabenerfüllung der Dienste an das Parlamentarische Kontrollgremium zu wenden. Sie dürfen deswegen weder gemaßregelt noch benachteiligt werden.“

„Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste sollen sich zur Verbesserung der Aufgabenerfüllung der Dienste bei vermuteten Missständen vertrauens­ voll direkt – und nicht wie bisher über den Dienstweg – an das Gremium wenden dürfen. Sie dürfen deswegen weder gemaß­ regelt noch benachteiligt werden.“

„Das Parlamentarische Kontrollgremium übermittelt die Eingabe der Bundesregierung zur Stellungnahme. Der Name des Hinweisgebers wird jedoch nur mitgeteilt, wenn dies für die Aufklärung des Sachver­ halts erforderlich ist.“

372

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

b) Exekutive Kontrolle durch Aufsicht? Im Bereich der exekutiven Kontrolle verwendet das Bundesverfassungsgericht vermehrt das Begriffspaar der „aufsichtlichen Kontrolle“.310 Es macht damit deutlich, dass aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt, dass diese neben administrativen Zwecken – und im Gegenzug zur subjektivrechtlichen gerichtlichen Kontrolle – objektivrechtlich ausgestaltet ist.311 Sie umfasst eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Verwaltung und schließt simultan den Individualschutz jeder bzw. jedes Betroffenen mit ein.312 Das Bundesverfassungsgericht weist ferner darauf hin, dass im Bereich der Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten, die verdeckt erhoben werden, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erhöhte Anforderungen an solch heimliche Überwachungsmaßnahmen und deren Einhaltung stellt.313 Ähnlich wie bei der parlamentarischen Kontrolle fordert das Verfassungsgericht i.  S.  e. Kompensationsfunktion daher Aufsichtsinstanzen mit wirksamen Befugnissen, Protokollierungspflichten bei Zugriffen und Änderungen von (sensiblen) Daten.314 Die Wirksamkeit der aufsichtlichen Kon­ trolle obliegt sowohl dem Gesetzgeber als auch der Exekutive.315 Da die Begriffe der Kontrolle und der Aufsicht allerdings nicht vollständig kongruent sind, besteht in der Literatur Uneinigkeit über die genaue Bedeutung.316 Aufsicht stelle nach Maximilian Baier – wie Kontrolle – eine „IstSoll-Betrachtung“ dar:317 einen Abgleich des Tätigkeitsauftrages der exekutiven Stelle mit der tatsächlichen Durchführung durch diese.318 Sie kann – je nachdem welchen Maßstab man hierfür anlegt – als Dienst-, Fach- oder Rechtsaufsicht ausgestaltet sein. Die Fach- und Rechtsaufsicht zeigt gewisse Ähnlichkeiten zur Kontrolle auf, weil bei beiden eine „übergeordnete Behörde […] über eine nachrangige Behörde“ wache.319 Fach- und Rechtsauf310  So

bspw. BVerfGE 133, 277, 365 – ATDG; 141, 220, 282 – BKAG. 133, 277, 365 f. – ATDG; 141, 220, 282 – BKAG. 312  BVerfGE 133, 277, 366 – ATDG. 313  BVerfGE 133, 277, 366, 369 ATDG; 141, 220, 282 ff. – BKAG. 314  BVerfGE 141, 220, 284 f. – BKAG. 315  BVerfGE 133, 277, 371 – ATDG; 141, 220, 284 f. – BKAG. 316  Vgl. dazu Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S.  9 ff.; Schiedermair, Selbstkontrolle der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 593 (593 ff.); Püttner, Verwaltungslehre, 2007, S. 339 ff. 317  Baier, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und deren Reform, 2009, S. 21. 318  So bereits Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 147. 319  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 18. 311  BVerfGE



I. Kontrolle des BND373

sicht sollen gem. § 3 Abs. 1 S. 3 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) zweck- und rechtmäßiges Handeln gewährleisten und überprüfen, ob die Rechtsanwendung einheitlich und fehlerfrei ausgeführt wird, um dem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden.320 Des Weiteren kontrolliert die Dienstaufsicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Einheiten und Abläufe darauf, ob sie ihre organisatorischen Aufgaben pflichtgemäß wahrnehmen.321 In Anbetracht dessen muss einem, wie Heinrich Wolff richtig umschreibt, bewusst sein, dass exekutive – im Gegenteil zur judikativen und legislativen – Kontrolle einer Permanentkontrolle gleicht, ohne anlassbezogen oder selektiv zu sein.322 Der Unterschied zum Kontrollbegriff sei jedoch, dass hierbei von den Stellen eine Überprüfung vorgenommen werde, die rechtlich und politisch auch verantwortlich für die Tätigkeit der Behörden seien.323 Daher decke der Wortinhalt der Aufsicht einen Teilaspekt demokratischer Kontrolle ab, weil sie eine Selbstkontrolle darstelle.324 Dem stimmt auch Sven Eiffler zu, welcher allerdings – anknüpfend an Stephanie Schiedermair und Eberhard Schmidt-Aßmann – zwischen interner und externer Selbstkontrolle differenziert.325 Wohingegen die eigentliche Selbstkon­ trolle eine interne Kontrolle innerhalb der Behörde darstelle, deren Behördenbereich nicht überschritten wird, kann man beim Überschreiten dieser Grenze von einer externen Selbstkontrolle sprechen, die dann eine Fach- oder Dienstaufsicht – bzw. Behördenaufsicht – darstelle.326 Diese ist jedoch weiterhin dem

320  Vgl. hierzu Grundsätze zur Ausübung der Fachaufsicht der Bundesministerien über den Geschäftsbereich in der jeweils geltenden Fassung (veröffentlicht im Intranet des Bundes), Grundsatz Nr. 4. 321  Grundsätze zur Ausübung der Fachaufsicht der Bundesministerien über den Geschäftsbereich in der jeweils geltenden Fassung (veröffentlicht im Intranet des Bundes), Grundsatz Nr. 2. Vgl. ferner Groß, Was bedeutet Fachaufsicht?, in: DVBl 2002, S. 793 (796). 322  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 17. 323  Ebd. 324  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 18. 325  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1503. Zur Begrifflichkeit der Selbstkontrolle siehe ferner Schiedermair, Selbstkontrolle der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 593 (598 ff.). Im Gegenzug dazu sei der Begriff der Eigenkontrolle spezifischer, um im hierarchischen System die Kontrolle übergeordneter und nachgeordneter Behörden zu verstehen. Näher dazu Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (18). 326  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1501.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

exekutiven Bereich zuzuordnen.327 Dominic Hörauf verweist deshalb richtig darauf, dass die Kontrolle innerhalb der exekutiven Gewalt immer „exekutive Eigenkontrolle“ sei.328 Dementsprechend ist eine „spezifische Distanz“ zwischen Kontrollobjekt und Kontrollorganen bei der exekutiven Aufsicht der Behörden nicht gegeben.329 Unter Zugrundelegung dieser Vorgedanken soll nachfolgen die exekutive Aufsicht des BND beleuchtet werden. aa) Die Dienst- und Fachaufsicht des BND Obwohl der BND im Aufgabenbereich der auswärtigen Gewalt tätig ist, wird er nicht der Aufsicht des Auswärtigen Amtes unterstellt.330 Die recht­ liche und politische Verantwortung des deutschen Auslandsnachrichtendienstes unterliegt gem. § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG der Dienst- und Fachaufsicht des Bundeskanzleramts.331 De facto wird die Fachaufsicht derzeit vom Staats­ sekretär im Bundeskanzleramt wahrgenommen, welcher in Personalunion das Amt des Bundesbeauftragten für die Nachrichtendienste innehat.332 Ihm ist hierfür die Abteilung 6 im Bundeskanzleramt: „Bundesnachrichtendienst; Koordinierung der Nachrichtendienste des Bundes“ zugeordnet.333 327  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1503. 328  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  18 f. 329  Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (10); Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1503. 330  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. Zum Begriff der auswärtigen Gewalt siehe Calliess, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, S. 589 (590 ff.). 331  Diese ist asymmetrisch konzipiert und privilegiert die Regierungsmehrheiten. Vgl. dafür Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 25. So auch Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (442); Bull, Sind Nachrichtendienste unkontrollierbar?, in: DÖV 2008, S. 751 (754). 332  So auch Gröpl, Die Nachrichtendienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung, 1993, S. 216 f.; Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1499 (1507). Bernadette Droste meint jedoch, dass im Organisationserlass von 1989 versäumt wurde, der bzw. dem Beauftragten auch die Fachaufsicht zu übertragen: dies., Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 613. Dies wurde allerdings spätestens durch Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes (damals) Bodo Hombach vom 13.11.1998 dem PKGr mitgeteilt. Siehe hierfür Organisationserlass vom 29.10.1998, in: Bulletin des Presseund Informationsamtes der Bundesregierung vom 29.10.1998, S. 879 f. 333  Der Organisationsplan des Bundeskanzleramtes ist verfügbar unter: https:// www.bundesregierung.de/Con-tent/DE/_Anlagen/druckversion-organigramm-bkamt. html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020).



I. Kontrolle des BND375

Da das Bundeskanzleramt jedoch eine erhebliche Mitverantwortung für die auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit trägt und diese einen erhöhten Grad an Geheimhaltung benötigt, unterliegt auch die Aufsicht des BND einer besonderen Ausgestaltung.334 Die Aufsicht untergliedert sich derart, dass das politische Einschätzungsprimat, welche Aufklärungsgebiete und -aufgaben vom BND strategisch übernommen werden sollen, beim Bundeskanzleramt liegt und der BND für den operativen Vollzug der vorgegebenen Leitziele zuständig ist.335 Dies diene der Distanzwahrung, um ein „vertrauensvolles, kooperatives aber kein kollusives Verhältnis“ zwischen BND und Bundeskanzleramt zu gewährleisten.336 Die rechtliche Einschätzung dieser politischen Leitlinien obliegt zwar letztlich der Bundesregierung, wobei nach Auftragserteilung an den BND die rechtliche Überprüfung der Umsetzung nur noch eine untergeordnete Rolle spielt und die Aufsicht eine Prozess- und Ergebniskontrolle zur Einhaltung der Handlungsvorgaben des BND umfasst.337 Daneben existieren die subalternde Dienstaufsicht im Sektor der Personaloder Haushaltsfragen, welche dem Zustimmungsvorbehalt des Bundeskanzleramtes unterliegen.338 Bezogen auf die gesetzliche Umsetzung der internen exekutiven Kontrolle normiert § 33 S. 1 BNDG eine Unterrichtungspflicht durch den BND über seine Tätigkeit – ohne Geheimhaltungsvorbehalt – gegenüber dem Bundeskanzleramt.339 Die Chefin bzw. der Chef des Bundeskanzleramtes ist hiernach unverzüglich über bedeutsame und „besondere Vorkommnisse“ aufgrund der politischen oder sicherheitsrechtlichen Bedeu334  Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1267. Die staatsorganisationsrechtliche Grenze der Aufsicht über den BND liegt darin, dass die Überprüfungen durch das Bundeskanzleramt nicht dazu führen dürften, dass der Dienst seine Eigenständig verliert. Daher ist der BND auch als selbstständige Behörde ausgestaltet. Ebd., S. 1266 f. 335  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1512. 336  Ebd., S. 1513. 337  In der Praxis werden rechtliche Aspekte vordergründig den Gerichten überlassen. So Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (20); Bartodziej, Parlamentarische Kontrolle, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1563; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 148. 338  So Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1512. Vgl. ferner Groß, Was bedeutet Fachaufsicht?, in: DVBl 2002, S. 793 (796). 339  Vielmehr entscheidet das Bundeskanzleramt selbst über geheimhaltungsbedürftige Sachverhalte und deren Weitergabe durch den BND. So Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

tung zu unterrichten.340 Dieser Unterrichtungspflicht kann im Wege von dienstlichen Mitteilungen, informellen Gesprächen, Dienstbesprechungen oder sonstigen Maßnahmen nachgekommen werden.341 Zudem besteht für das Bundeskanzleramt und seiner zuständigen Abteilung die Möglichkeit, Weisungen zu erteilen.342 Derartige Willensäußerungen mit Regelungs­charakter und verbindlicher Rechtsfolgensetzung können durch Erlasse, Richtlinien oder Dienstvorschriften ergehen, welche vor allem die rechtlich beanstandungsfreie Ausübung des Dienstauftrages des BND gewährleisten sollen.343 Die Aufgabe der Aufsicht durch das Bundeskanzleramt erstreckt sich nicht nur auf eine repressive Überprüfung, sondern ihr kommt eine Lenkungsfunktion zu, die dem BND als „Steuerungselement“ zur Erfüllung seiner Aufgaben in Form von Dienstbesprechungen, Weisungen oder Aufgabenplanungen dienen soll.344 Die Fachaufsicht wird gerade wegen der erheblichen Grundrechtsrelevanz der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten in einem frühen Stadium in den Entscheidungsprozess einbezogen.345 Hierfür existieren regelmäßige Treffen der nachrichtendienstlichen Behörden mit dem Bundes340  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1513 f. Dieser nennt als Beispiele etwa, die Festnahme oder Enttarnung einer BND-Mitarbeiterin bzw. eines BND-Mitarbeiters im Ausland. Selbiges muss für Schreiben oder anderweitige Kommunikation an Kontrollgremien, Verbindungen zu oder Maßnahmen gegen Parteien oder Medien gelten. 341  Ebd., S. 1513. 342  Siehe Busse/Hoffmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 6.  Aufl. (2016), S.  151 ff.; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren, 2015, S. 38; Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. 343  Vgl. dazu Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 148. Ob das Bundeskanzleramt darüber hinaus im Wege des Selbsteintritts befugt ist, den Vollzug einer Aufgabe des BND zu übernehmen, ist strittig. Dafür sprechen sich aus Bach, Aufsicht über nachgeordnete Behörden, in: Tilch/Arloth, Münchener Rechts-Lexikon, Bd. I, 3. Aufl. 2001, S. 303 f.; Kluth, Zuständigkeits- und Leitungsordnung in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. III, 5. Aufl. 2004, S.  269. A. A. Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1515 f., welcher meint, dass hierfür eine explizite Norm vorliegen müsse und generell an das Selbsteintrittsrecht hohe Anforderungen stellt. Zusätzlich kann das Bundeskanzleramt aber auf moderne Steuerungselemente wie Qualitätsmanagement, Controlling etc. zurückgreifen. Siehe hierzu Schiedermair, Selbstkontrollen der Verwaltung, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 593 (640 ff.); Etscheid, Fachaufsicht neu denken und gestalten, 2009, S. 234 ff. 344  Im Allgemeinen hierzu: Grundsätze zur Ausübung der Fachaufsicht der Bundesministerien über den Geschäftsbereich in der jeweils geltenden Fassung (veröffentlicht im Intranet des Bundes), Grundsatz Nr. 3, S. 1. 345  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1512 f.



I. Kontrolle des BND377

kanzleramt, wodurch eine präventive Kontrolle ermöglicht werden soll.346 Wöchentlich werden die PR-Lage (Präsidentenrunde) und ND-Lage (Nachrichtendienstliche Lage) unter Leitung des Bundeskanzleramtes abgehalten und dienen dem Informationsaustausch zwischen den einzelnen Ministerien, die vom engen Führungskreis der Sicherheitsbehörden bereitgestellt werden.347 Dies hat zur Folge, dass sich der BND Maßnahmen vom Bundeskanzleramt im Vorfeld billigen lassen kann, was in der Quintessenz aber dazu führt, dass damit nur selten eine nachträgliche Korrektur erfolgt.348 bb) Beauftragte für die Nachrichtendienste des Bundes Bereits 1975 wurde wegen der Kritik an mangelhafter Kooperation zwischen den Nachrichtendiensten die Stelle einer bzw. eines Beauftragten für die Nachrichtendienste ins Leben gerufen.349 Diese Stelle wurde aber erst durch den Organisationserlass des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl vom 03.05.1989 reguliert.350 Das Amt übernahm zu Beginn der Chef des Bundeskanzleramtes351 und mittlerweile wird es von dessen Stellvertreter und Staatssekretär ausgeübt.352 Aus dem Organisationserlass von 1989 ergeben sich auch heute noch die Stellung, Aufgaben und Befugnisse der bzw. des Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes, wobei durch weiteren Erlass von 1998 der Stelle ebenso die Fachaufsicht zugeteilt wurde.353 346  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1503. 347  Vgl. Bundestag, 1. Untersuchungsausschusses der 16. Wahlperiode (BND-Untersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 18.06.2009, BT-Drs. 16/13400, S. 178. Ausführlich hierzu Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 217. 348  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1513. 349  So Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1519, welcher die Notwendigkeit dieser Stelle an der Guillaume-Affäre festmacht. 350  BGBl. 1989, Vol. I, S. 901. 351  Vgl. Abschnitt I des Organisationserlasses von 1989. Siehe auch Menzenbach/ Kersten/Thomas, Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung, 2008, Az.: WD 3 – 3010 – 367/08, S. 7. 352  Seit 1975 rotierte das Amt aber mehrfach zwischen der Chefin bzw. dem Chef des Bundeskanzleramtes und den Staatssekretären oder -ministern. In der 19. Legislaturperiode begleitet unter Bundeskanzleramts-Chef Helge Braun erst Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche und seit 2018 Johannes Geismann das Amt. 353  Dies habe man im alten Organisationserlass versäumt. So Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 613. Dies wurde allerdings spätestens durch Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes (damals) Bodo Hombach vom 13.11.1998 dem PKGr nachgeholt.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Der Stelle sind zwar in Abschnitt III Nr. 2 des Organisationserlasses von 1989 einige Rechte zugestanden worden, die sich jedoch gänzlich auf Koordinierungsbefugnisse und nicht auf Kontrolltätigkeiten beziehen. So obliegt ihr bzw. ihm nach Abschnitt III des Organisationserlasses von 1989 die Koordinierung der nachrichtendienstlichen Stellen auf Bundesebene untereinander sowie mit anderen Behörden, sofern diese nicht nachrichtendienstlich auf Landesebene tätig sind.354 Neben diesen Koordinierungsaufgaben wirkt die bzw. der Beauftragte für die Nachrichtendienste des Bundes bei der parlamentarischen Behandlung der Haushaltsangelegenheiten des BND, MAD und BfV mit, unterstützt die Koordinierung und Vorbereitung von Sitzungen des PKGr und sitzt dem Staatssekretärsausschuss für das geheime Nachrichtenwesen und Sicherheit vor.355 Ebenso kann sie bzw. er Maßnahmen für die internationale Nachrichtendienstkooperation vorschlagen oder an Gesetzesänderungen beteiligt werden. cc) Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Die bzw. der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) ist nach § 8 Abs. 1 S. 1 BDSG, welches die Durchführungsregelung des Art. 54 Abs. 1 lit. a DSGVO356 darstellt, als oberste Bundesbehörde ausgestaltet, um die unional geforderte „völlige Unabhängigkeit“ dieser Stelle zu gewährleisten.357 Sie unterliegt damit nur der Kontrolle des Parla354  Siehe dazu auch Menzenbach/Kersten/Thomas, Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung, 2008, Az.: WD 3 – 3010 – 367/08, S. 15; Robbe, Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung, 2010, Az.: WD 3 – 3010 – 331/10, S. 17. Ferner Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 6. Aufl. 2016, S. 151 f.; Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1520. 355  So zu finden auf der offiziellen Homepage der Bundesregierung, Kanzleramtsminister, verfügbar unter: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Statische Seiten/Breg/element-chef-des-bundeskanzleramtes.html;jsessionid=D742F30A07674 1FB4A230CAA24BC51A7.s1t2?nn=437032#doc131058bodyText5 (zuletzt abgeru­ fen am 30.10.2020). Vgl. auch Abschnitt III Nr. 1 des Organisationserlasses von 1989. 356  DSGVO, EU Abl. L 119 vom 04.05.2016. 357  Diese ist explizit nochmals in § 10 BDSG geregelt. Die bzw. der BfDI ist aber bereits seit 01.01.2016 oberste Bundesbehörde mit eigenem Personal (§ 22 Abs. 5 S. 1 BDSG a. F. vor 2018), da die Bundesregierung keine andere Möglichkeit sah, die unionalen Voraussetzungen anderweitig zu erfüllen. Siehe hierzu Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes – Stärkung der Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht im Bund durch Errichtung einer obersten Bundesbehörde vom 13.10.2014, BT-Drs. 18/2848, S. 12. Eine Eingliederung in Verwaltungsstrukturen für unzulässig sehend: EuGH, Urteil vom 16.10.2012, Rs. C-614/10, Rn. 66 – Europäische Kommission v. Österreich. Siehe ferner Wolff,



I. Kontrolle des BND379

ments und der Gerichte.358 Die bzw. der BfDI wird nach § 11 BDSG vom Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung mit Mehrheitsbeschluss für fünf Jahre gewählt. Hierfür ist eine besondere Qualifikation im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten erforderlich (§ 11 Abs. 1 S. 4, 5 BDSG), um ihren Aufgabenbereich nach § 14 BDSG kompetent und sachgerecht wahrnehmen zu können. In sachlicher Hinsicht ist die bzw. der BfDI nach § 9 BDSG zur Aufsicht über die öffentlichen Stellen des Bundes berufen, um die Anwendung des BDSG sowie aller weiteren datenschutzrechtlichen Vorschriften auf nationaler oder EU-Ebene zu überwachen und durchzusetzen.359 Die bzw. der BfDI wird aufgrund von Beschwerden, Hinweisen aus der Bevölkerung oder von anderen Aufsichtsbehörden, öffentlich bekannt gewordenen Vorkommnissen oder aus eigener Initiative tätig.360 Dabei soll überprüft werden, ob die Sicherheit und die Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie präventive Vorsorgemaßnahmen und eine datenschutzfreundliche Ausgestaltung für die Betroffenen gewährleistet werden.361 Hierfür stehen ihr bzw. ihm gem. § 16 BDSG, welcher sich inhaltlich im Wesentlichen auf Art. 58 der DSGVO bezieht, umfassende Untersuchungs-, Abhilfe-, Sanktions-, Genehmigungs- und Beratungsbefugnisse zur Verfügung, welche eine Erweiterung der bisherigen Rechtslage darstellen.362 Das gilt grundsätzlich auch für Bereiche, in denen keine spezifischen Regelungen zum Datenschutz existieren und die Verarbeitung personenbezogener Daten außerhalb des Anwendungsbereiches des Unionsrechts liegt – wie es beim BND der Fall ist.363 Daher gelten in den jeweiligen NachrichtenDurchsetzung des Datenschutzrechts, in: Schantz/ders., Das neue Datenschutzrecht, 2017, Rn. 995; Körffer, § 8 BDSG, in: Paal/Pauly, DS-GVO und BDSG, 2. Aufl. 2018, Rn. 2; Meltzian, § 8 BDSG, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht, 27. Ed. 2019, Rn.  1 ff. 358  Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes – Stärkung der Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht im Bund durch Errichtung einer obersten Bundesbehörde vom 13.10.2014, BT-Drs. 18/2848, S. 16. 359  Siehe § 14 ABs. 1 S. 1 Nr.1 BDSG. Das gilt auch, soweit die Behörden als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen. Siehe hierzu Wieczorek, § 9 BDSG, in: Kühling/Buchner, DS-GVO und BDSG, 2. Auflage 2018, Rn. 4 ff. 360  Vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 6–9 BDSG. Ferner Meltzian, § 14 BDSG, in: Wolff/ Brink, Datenschutzrecht, 27. Ed. 2019, Rn. 2. 361  Wieczorek, § 14 BDSG, in: Kühling/Buchner, DS-GVO und BDSG, 2. Auflage 2018, Rn. 4 ff. Sollte einer öffentlichen Stelle hierzu ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zugestanden werden, erstreckt sich die Prüfung der bzw. des Bundesbeauftragten auch darauf, ob die kontrollierte Stelle sich innerhalb des ihr zustehenden Spielraums bewegt. 362  So Greve, Das neue Bundesdatenschutzgesetz, in: NVwZ 2017, S. 737 (738). 363  Siehe hierfür Greve, Das neue Bundesdatenschutzgesetz, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 737 (738).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

dienstgesetzen Einschränkungen für das BDSG und die Kontrolle durch die bzw. den BfDI.364 Für den BND ist dies in § 32a Nr. 1 BNDG geregelt. Die bzw. der BfDI darf sich nicht parlamentsöffentlich über ihre bzw. seine Kontrolltätigkeit äußern, sondern nur in den vorgesehenen Kontrollorganen zu bundesnachrichtendienstspezifischen Angelegenheiten Stellung nehmen.365 Dies gilt darüber hinaus für die Befugnisse aus § 16 Abs. 1, 2 BDSG: Sollte ihr bzw. ihm ein Missstand bezogen auf den Schutz der personenbezogenen Daten offenkundig werden,366 ist die bzw. der BfDI lediglich auf sog. „Beanstandungen“ und Aufforderungen zur Stellungnahme beschränkt.367 Die Beanstandung entfaltet keinerlei Rechtsbindung für den BND,368 weswegen umstritten ist, ob diese Möglichkeit eine wirksame Abhilfebefugnis darstellt.369 364  Körffer, § 14 BDSG, in: Paal/Pauly, DS-GVO und BDSG, 2.  Aufl. 2018, Rn. 3. Die Regeln des BDSG aber als Interpretationshilfe in systematischer Auslegung heranziehend: Gusy, § 2 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1280. Dieser macht das vor allem an den verwendeten Begrifflichkeiten fest, da beide Gesetze sich auf „personenbezogene Daten“ beziehen und historisch eng miteinander verknüpft seien. Die Regelungen des BDSG sind seiner Ansicht nach sogar vorrangig bzw. zwingend als Interpretationshilfe heranzuziehen, sofern dies notwendig, sinnvoll und die Anwendung des BDSG nicht explizit ausgeschlossen sei. Siehe ebd., S. 1284. 365  Meltzian, § 14 BDSG, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht, 27. Ed. 2019, Rn. 14. 366  So können sich zudem Bürgerinnen und Bürgern bei Auskunftsersuchen, die an den BND gerichtet und von diesem abgelehnt wurden, an die bzw. den BfDI wenden, welche bzw. welcher erneut eine Anfrage an den BND senden kann. Zur alten Rechtslage Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 221. 367  Angelehnt an § 25 BDSG a. F. vor 2018. Beanstandungen können bereits eingereicht werden, wenn ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen noch nicht sicher ist, da über § 32a Nr. 1 lit. a BNDG der § 16 Abs. 1 BDSG keine Anwendung findet. Deshalb stelle die Beanstandung auch ein „umfassendes“ Recht dar. Siehe zu diesem Komplex Meltzian, § 16 BDSG, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht, 27. Ed. 2019, Rn. 6. Siehe zur Vorgängerregelung Klug/Körffer, § 25 BDSG, in: Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. 2015, Rn. 1. 368  Meltzian, § 16 BDSG, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht, 27. Ed. 2019, Rn. 7. 369  Zwar verweist Art. 47 Abs. 4 der EU-Richtlinie 2016/680 darauf, dass auch Beanstandungen einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle und geeigneten Verfahrensgarantien unterworfen sein sollen. Diese würden aber durch die Errichtung des PKGr oder der G10-Kommission gewährleistet. So Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) vom 24.02.2017, BT-Drs. 18/11325, S. 88. Dies verneinend Voßhoff, Positionspapier der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Entwurf eines Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetzes EU (DSAnpUG-EU), BT-Drs. 18/11325, Innenausschuss Drs. 18(4)788, S. 6, welche in der Beanstandung keine wirksame Abhilfebefugnis sieht. Vgl. zum Streitstand Meltzian, § 16 BDSG, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht, 27. Ed. 2019, Rn. 10.



I. Kontrolle des BND381

Des Weiteren erstreckt sich diese Kontrolle nicht auf die Bereiche, in denen die G10-Kommission zur Kontrolle der Verarbeitung personenbezogener Daten berufen ist.370 Gem. § 15 Abs. 5 S. 4 G10 kann die Kommission die bzw. den BfDI um eine Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes ersuchen.371 Die bzw. der BfDI darf jedoch nur eine Kontrolle über einzelne datenschutzrechtliche Aspekte ausüben, hingegen nicht umfassend die Rechtmäßigkeit der auslandsnachrichtendienstlichen Maßnahmen des BND überprüfen.372 dd) Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle des Bundesrechnungshofes Wegen der weitgehenden Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes (BRH) könnte man auch von einem quasi-gerichtlichen Kontrollorgan sprechen.373 Dennoch wird die atypische Haushaltsprüfung einer nicht im klassischen Sinne zu verstehenden Behördenkontrolle der Exekutive zugeordnet.374 Im Bereich des BND ist der BRH für die Prüfung und Genehmigung der Haushaltspläne zuständig, um eine „Lückenlosigkeit des Staatshaushaltes“ zu gewähren.375 Wegen der hohen Geheimhaltungsbedürftigkeit der Maßnahmen des BND wird hierfür nur ein „Dreierkollegium“ zur Prüfung tätig, welches sich aus der Präsidentin bzw. dem Präsidenten oder deren Stellvertreterin 370  Dies betrifft nach § 15 G10 die Kontrolle der Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen sowie die anschließende Entscheidung über die Mitteilung dieser an die Betroffenen. Vgl. dazu auch Abschnitt D.I.2.c)bb). Siehe zur Rechtslage vor 2018, welche sich in diesem Bereich nicht verändert hat Klug/Körffer, § 25 BDSG, in: Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. 2015, Rn. 9; Huber, § 15 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1453; Dammann, § 24 BDSG, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, Rn. 22. 371  Ulrich Dammann ist jedoch der Überzeugung, dass die Kompetenz der bzw. des BfDI unberührt bestehen bleibt, sofern Stellen des Bundes personenbezogene Daten von anderen Behörden erhalten haben, die bei deren Erhebung dem G10 unterlagen. Siehe ders., § 24 BDSG, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, Rn. 23. Dies sei laut Bertold Huber jedoch abzulehnen, da sonst doppelte Kontrollkompetenz existieren würden: ders., § 15 G10, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1453. 372  So bereits Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 186. Bezogen auf das BfV: Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 617. 373  So andeutend, aber ablehnend Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1529. 374  Degenhardt, Kontrolle der Verwaltung durch Rechnungshöfe, in: VVdStRL 2012, Vol. 55, S. 190 (207 ff.); von Wedel, Verwaltungskontrolle durch Rechnungshöfe, in: König/Siedentopf, Öffentliche Verwaltung, 2. Aufl. 1997, S. 695 ff. 375  Vgl. dazu Art. 114 Abs. 2 GG. Zum Prinzip der Lückenlosigkeit der Staatsausgaben siehe Heun/Thiele, Art. 114 GG, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, S.  1220 ff.; Kirchhof, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, in: NVwZ 1983, S. 505 (508 f.).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

bzw. Stellvertreter des BRH sowie zwei weiteren Richterinnen bzw. Richtern des BRH zusammensetzt.376 Die vorher von dem Bundesministerium für Finanzen, dem PKGr und dem Vertrauensgremium gebilligte Haushaltsplanung des BND wird im Nachgang gem. § 19 Abs. 1 Nr. BRHG vom BRH geprüft, welcher sein Ergebnis gem. § 10a Abs. 3 BHO an die dort benannten Stellen übermittelt.377 Der BRH kann zudem für das laufende Haushaltsjahr Prüfungen vornehmen und gibt Empfehlungen an das Vertrauensgremium ab, welches wiederum weitere Prüfungen vornehmen oder einleiten kann (§ 10a Abs. 3 BHO).378 Von den Prüfungen des Haushaltsplans ausgenommen – und somit abweichend vom Grundsatz der „Lückenlosigkeit“ – sind Informationen des BND, die der Geheimhaltung unterliegen (§§ 88 ff. BRHG i. V. m. § 8 Abs. 4 Prüfungsordnung BRH). ee) Interne Kontrolle beim BND Gem. § 86 Abs. 1 BPersVG hat der BND eine Personalvertretung, welche nach § 68 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG Beschwerden von Beschäftigten entgegennehmen kann.379 Um den hohen Geheimhaltungsanforderungen und -verpflichtungen gerecht zu werden, unterliegen derartige Beschwerden gem. § 86 BPersVG Beschränkungen.380 Das Informationsrecht nach § 93 Abs. 5 BPersVG wird bei Verschlusssachen, die die Regel beim BND darstellen, erheblich eingeschränkt, es gibt keine Mitbestimmungsmöglichkeiten, und bei besonderen Sicherheitsvorfällen oder Einsatzsituationen können diese Mittel ganz ruhen.381 Daher besteht lediglich die Möglichkeit, Beschwerden bei internen organisatorischen Verwaltungsabläufen, die teilweise selbst der Geheimhaltung unterliegen, einzureichen.382

376  Hierzu ausführlich Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1529 f. Ferner Erb, Bundesrechnungshofgesetz, 1. Aufl. 2012, § 19 BRHG, Rn. 1. 377  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1530. 378  Ebd., S. 1531. 379  Siehe hierzu auch Kersten, § 86 BPersVG, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 1 f.; Gräfl, § 68 BPersVG, in: ebd., Rn. 24 ff. 380  Vgl. auch BVerwGE 123, 276 ff. 381  Kersten, § 86 BPersVG, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 13 ff. 382  Diese sind keineswegs so ausgestaltet wie die teils auf Landesebene bestehenden unabhängigen Beschwerdestellen der Polizeibehörden, welche selbst teilweise große Missstände aufweisen. Vgl. dazu näher Knaust, Letzte Bastionen anonymer Polizei, in: DVBl 2017, Vol. 14, S. 876 (881 ff.).



I. Kontrolle des BND383

Eine Kontrolle der Abläufe und Maßnahmen des BND ist wegen der behördeninternen erhöhten Geheimhaltung nicht möglich oder vorgesehen.383 Zusätzlich offenbarte die Bundesregierung bei der „Neuausgestaltung“ der Whistleblower-Regelung 2016, dass Eingaben von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über Missstände beim BND nicht stattgefunden haben.384 ff) Zwischenfazit Im Vergleich zu den parlamentarischen Forderungen, mehr effektive Kontrollbefugnisse zu schaffen, fielen derartige Forderungen im Bereich der aufsichtlichen Kontrolle vergleichsweise verhalten aus.385 Jan-Hendrik Dietrich weist diesbezüglich darauf hin, dass solche Forderungen bei der exekutiven Eigenkontrolle auch nicht erwartet werden dürften. Eine grundlegende Novellierung der Befugnisse in diesem Sektor würde nicht bewirken, dass die übergeordneten Behörden flächendeckende Kontrollmaßnahmen vornehmen oder einen „Wissensvorsprung“386 im Verhältnis zu parlamentarischen Kontrollorganen gewinnen könnten. Die fortschreitende IT-Technik und die Spezialisierung der Abteilungen verstärke diesen Effekt bloß.387 Vielmehr müsse man – so Klaus Gärditz – den personellen Haushalt des Bundeskanzleramtes und der dortigen Abteilung 6 aufstocken, um dieser Entwicklung Herr zu werden.388

383  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (444). 384  Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 14. 385  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1531. 386  Dietrich, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste als rechtsstaatliches Gebot und sicherheitspolitische Notwendigkeit, in: ZRP 2014, Vol. 47, S. 205 (207 ff.). 387  So auch Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (18); Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1504, 1532. 388  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 25. Die niedrige Zahl an Personal in diesem Bereich kritisierend Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 7, 14. Dies für die Vergangenheit bestätigend: ehemaliger Vorsitzender des PKGr Clemens Binninger, Rede im Bundestag des Vorsitzenden des PKGr vom 21.10.2016, Stenografischer Bericht der 197. Sitzung, Plenarprotokoll 18/197, S. 19613 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Anders sieht dies Sven Eiffler, nach welchem das Fehlen einer großen öffentlichen Forderung nach Verbesserung exekutiver Kontrolle einerseits daran lag, dass die parlamentarische Kontrolle im Gewaltenteilungssystem viel öffentlicher abläuft, und andererseits gegenüber der exekutiven Eigen- bzw. Selbstkontrolle mehr öffentliches Misstrauen über gesteigerte Reformbereitschaft bestehe, da sich die Kontrollorgane und Kontrollobjekte im „selben Boot“ befänden.389 Er kritisiert vor allem, dass sich die derzeitigen Reformen kaum auf den exekutiven Bereich ausgewirkt hätten, und fordert, dass die Dienst- und Fachaufsicht – wie es in den USA und Großbritannien bereits der Fall sei – Meinungen von Think Tanks und akademischen Stellen einholen müsste, um die politische und gesellschaftliche Einbettung der Nachrichtendienste zu optimieren.390 Daneben beanstandet vor allem Christoph Gusy aus einer praktischen Perspektive, dass die Rechts- und Fachaufsicht teilweise gar keine rechtliche Prüfung der umgesetzten Maßnahmen des BND vorgenommen habe und (vermutlich) nicht vornehme, um diese nicht zu verunsichern oder gar „bösgläubig“ zu erscheinen.391 Eine Prüfung werde aber auch deshalb nicht vorgenommen, weil die dienst- und fachaufsichtlichen Befugnisse lediglich rudimentär ausgestaltet seien: Allein das Aufgabenprofil der bzw. des Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes zeige, dass die Stelle lediglich eine untergeordnete Rolle bei der Nachrichtendienstkontrolle einnimmt und keine wirkliche Kontrolltätigkeit ausübt, wie sie von den Beauftragten der parlamentarischer Seite wahrgenommen wird.392 Exemplarisch sehe das ferner für die quasi nicht vorhandene Fachaufsicht im Bereich der Kooperation der Nachrichtendienste aus. Nach Christoph Gusy reiche es nicht aus, lediglich die einzelnen Behörden zu beaufsichtigen, sondern muss sich die Aufsicht auf deren Arbeit in Kooperationsmodellen beziehen.393 Ein Hauptdefizit sei allerdings, dass die Kontrolleurinnen und Kontrolleure der Exekutive auf Informationen der Kontrollobjekte angewiesen seien.394 389  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1531 f. 390  Ebd., S. 1532. 391  Ebd., S. 1532. Ferner Gusy, Anhörung beim 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss) vom 08.05.2012, Protokoll Nr. 10, S.  3 f.; ders., Gutachten für den 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss), A-BT-Drs. 17/38, S. 1, 45 f. 392  Im Ergebnis so auch Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 216 f. 393  So Gusy, Gutachten für den 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss), A-BT-Drs. 17/38, S. 44 f. 394  Die Unterrichtungspflicht an das Bundeskanzleramt gem. § 33 S. 1 BNDG sei ebenfalls nur rudimentär ausgestaltet, weshalb es nach Christopher Gusy schwerfiele, herauszulesen, wie diese überhaupt wahrgenommen werde. Auch erlaube der weite



I. Kontrolle des BND385

Dieser Kritik schließt sich Wolfgang Hoffmann-Riem an.395 Er zeigt auf, dass im Verwaltungsbereich grundsätzlich die Recht-, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von Verwaltungsmaßnahmen überprüft werde. Lediglich im Sicherheitsbereich zeichne sich ein anderes Bild ab: Hierarchische Strukturen und Einzelfallentscheidungen würden perspektivisch abnehmen und den Diensten durch die ansteigende Techni- und Digitalisierung ein größerer Eigenverantwortungsbereich eingeräumt, um dem steigenden Bedarf an auslandsnachrichtendienstlichen Analysen und Prognosen gerecht zu werden. Diese aus einer ergebnisorientierten Denkweise gefolgerte große Eigenverantwortlichkeit des BND solle zwar zur Stärkung des Sicherheitsapparats führen. Nach Wolfgang Hoffmann-Riem entsteht hierdurch indes gleichzeitig eine Entfernung von der Aufgabendurchführung und demgemäß ein Kontrolldefizit, da eine Einflussnahme seitens der übergeordneten Behörde nur noch im Abstrakten möglich wäre. Zudem werde im sich stetig weiterent­ wickelndem Technikbereich eine umfassende sowie permanente Kontrolle deutlich erschwert, weil es selbst Personen mit Erfahrung in der auslandsnachrichtendienstlichen Aufklärung kaum noch möglich sei, standardisierte Abläufe im Ganzen zu verstehen.396 Ferner schließen sich Eberhard Schmidt-Aßmann und Peter Bartodziej dieser Kritik an und beanstanden darüber hinaus, dass dadurch die rechtliche Bewertung überwiegend den Gerichten überlassen werde, obgleich sowohl diese als auch die parlamentarischen Kontrollstellen meist nicht an kontrollrelevante Informationen gelangten.397 Neben der grundlegenden Kritik an der exekutiven Kontrolle bewertet Sven Eiffler allerdings die atypische Exekutivkontrolle durch den BRH positiv, da die notwendige Distanz zum Kontrollobjekt gewahrt sei und damit die Gestaltungsspielraum der Exekutivkontrolle den Diensten das Agieren in rechtlichen Graubereichen. So ders., § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1266. Ähnlich dazu Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 185 f.; Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S.  130. A. A. Fritsche, Die Organisation der ministeriellen Kontrolle der Nachrichtendienste innerhalb der Bundesregierung, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 77 (82). 395  Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle – Perspektiven, in: Schmidt-Aßmann/ ders., Verwaltungskontrolle, 2001, S. 325 (346). Ebenso Jock, Das Instrument der Fachaufsicht, 2011, S. 303 f. 396  Ähnlich Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1505 f. 397  Schmidt-Aßmann, Verwaltungskontrolle: Einleitende Problemskizze, in: ders./ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001, S. 9 (20); Bartodziej, Parlamentarische Kontrolle, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1563.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Durchführung der Haushaltskontrolle vereinfacht werde.398 Er merkte jedoch an, dass der BRH all seine Informationen selbst erhebe und keine – wie im Grundsatz vorgesehen – lückenlose Aufarbeitung betreiben könne. Aufgrund der „Ferne“ zum Kontrollobjekt ist daneben die Einrichtung der bzw. des BfDI grundsätzlich zu loben, weil diese Stelle unabhängig ist, was einen stärken Schutz personenbezogener Daten gewährleisten soll. Die bzw. der BfDI ist hingegen ebenso nur mit wenigen Befugnissen ausgestattet, welche allesamt keine Rechtswirkung für den BND entfalten, was für die damalige BfDI Andrea Voßhoff eine Verletzung des Unionsrechts darstelle und ­dringend überarbeitet werden müsse.399 Darüber hinaus sei die Stelle nicht mit ausreichenden Sachmitteln und Personal ausgestattet.400 Gerade bei den datenschutzrechtlichen Änderungen 2015 durch das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes401 wurde die Stelle der bzw. des BfDI mit erheblich mehr Arbeit versehen, ohne hierfür weitere Personalstellen zu erhalten.402 Im Gegenzug erhielt allein das BfV 261 neue ­Planstellen und zusätzliche 17 Mio. Euro für Personalkosten.403 Trotz alledem darf laut Dominic Hörauf nicht aus den Augen verloren werden, dass die exekutive Eigenkontrolle allein nicht in der Lage sei, eine umfassende Kontrolle zu gewährleisten. Wegen des stetig anwachsenden Arbeitsund Kooperationsaufwands stelle die parlamentarische und judikative Kon­ trolle der Sicherheitsarchitektur einen unverzichtbaren Baustein dar.404 Sie könne daher nur als additiver Faktor für die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle angesehen werden.405 398  Eiffler, Exekutivkontrolle, in: Dietrich/ders., Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, S. 1531. 399  Voßhoff, Positionspapier der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Entwurf eines Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetzes EU (DSAnpUG-EU), BT-Drs. 18/11325, Innenausschuss Drs. 18(4)788, S. 3 f. 400  So Muižnieks, Bericht des Menschenrechtskommissars nach seinem Besuch in Deutschland im April und Mai 2015, S. 3 f., 18 ff. Ferner Bergemann, Die Freiheit im Kopf? – Neue Befugnisse für die Nachrichtendienste, in: NVwZ 2015, Vol. 34, S. 1705 (1708). Dies ursprünglich gefordert von BVerfGE 100, 313, 401 – TKÜ I. 401  BGBl. 2015, Vol. I, S. 1938. 402  Stellungnahme der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) vom 19.5.2015, S. 9. 403  Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 20.04.2015, ­BT-Drs. 18/4654, S. 2. 404  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  152 f. 405  BVerfGE 133, 277, 370 – ATDG. Die Fachaufsicht der Bundesregierung stelle laut Klaus Gärditz eine bedeutende und ergänzende Kontrolle der Nachrichtendienste dar und müsse politisch – wie oftmals zu Unrecht dargestellt werde – auch in die



I. Kontrolle des BND387

c) Gerichts- und Ersatzgerichtsbarkeit zur Kontrolle des BND Obwohl die juristische Kontrolle heutzutage kaum noch vom Parlament und fast ausschließlich von Gerichten ausgeübt wird,406 zeichnet sich im Bereich der Nachrichtendienstkontrolle ein differenzierteres Bild ab.407 Zwar kommt den Gerichten eine Kontrollaufgabe zu, allerdings gewinnt die quasigerichtliche Ersatzkontrolle zunehmend an Bedeutung, weil das Parlament den besonderen Geheimschutzinteressen der Dienste hierdurch gerecht werden kann. aa) Gerichtliche Kontrolle Die gerichtliche Kontrolle des BND und dessen gesetzlicher Grundlagen wird überwiegend von zwei Gerichten ausgeübt: aus der Perspektive der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist vordergründig das Bundesverwaltungsgericht für Klagen gegen den BND zuständig, und die verfassungsrechtliche Überprüfung der Gesetze übernimmt das Bundesverfassungsgericht.408 (1) Überprüfungsmöglichkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG gilt trotz der geheimen Tätigkeit des BND auch für diesen. Der Zugang zu und der Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte unterliegt allerdings wegen der Art der Auftragsausführung Ausnahmen und Besonderheiten.409 Erstinstanzlich zuständig für fast sämtliche Fälle im Geschäftsbereich des BND ist gem. § 50 Abs. 1 S. 4 VwGO das Bundesverwaltungsgericht, sofern es sich um allgemeine Vorgänge im Geschäftsbereich

Bewertung der Kontrolleffektivität mit einbezogen werden. Ders., Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533). Die Darstellung der exekutiven Kontrolle kritisch sehend Weisser, Der Richtervorbehalt im Nachrichtendienstrecht, in: DÖV 2014, Vol. 19, S. 831 (832). 406  Gusy, Parlamentarische Kontrolle, in: JA 2005, Vol. 37, S. 395 (395). Politische und juristische Kontrolle können aber auch Überschneidungen unterliegen. Vgl. dazu bspw. Art. 61 GG (Bundespräsidentenklage) oder die abstrakte Normenkontrolle gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. 407  Eingehend zur parlamentarischen Rechtskontrolle im Konstitutionalismus: Steffani, Formen, Verfahren und Wirkung der parlamentarischen Kontrolle, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, S. 1325 (1325 ff.). Zu Demokratietheorien siehe Schmidt, Demokratietheorien, 3. Aufl. 2000, S. 175 ff. 408  Grundlegend zum Rechtsschutz gegen nachrichtendienstliche Aktivitäten: Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011. 409  Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 116 ff.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

des BND handelt.410 Früher fasste man unter diese Voraussetzungen nur Klagen gegen den Bund sowie dienstrechtliche Streitigkeiten, sofern diese aus einem Beamtenverhältnis erwuchsen.411 Nicht mit einbezogen von § 50 Abs. 1 S. 4 VwGO waren die Aktivitäten des BND selbst.412 Im Zuge der Einführung der Disziplinarklage 2001 wurde der Zuständigkeitsbereich sachlich erweitert.413 Nunmehr fallen neben dienstrechtlichen Angelegenheiten414 alle verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten nach § 40 VwGO hierunter, die sich auf die Tätigkeit des BND beziehen.415 Dies können beispielsweise Begehren auf Auskunft und Einsichtnahme in Unterlagen des BND oder Streitigkeiten sein, die sich gegen Anordnungen zur strategischen SIGINT-Überwachung richten.416 Erfolgt etwa von Amts wegen oder auf Antrag eine sol-

410  Siehe Kraft, § 50, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Rn. 13 unter Verweis auf Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, Beschlussempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 14.11.2001, BT-Drs. 14/7474, S. 14. Umstritten ist jedoch, ob § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO auch für die anderen Nachrichtendienste des Bundes anwendbar ist. Dafür Redeker, § 50, in: ders./von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, Rn. 4. A. A. BVerwG, Beschluss vom 27.06.1984, Az.: 9 A 1.84; Bier, § 50, in: Schoch/Schneider/ders., VwGO, 35. EL 2018, Rn. 12; Ziekow, § 50, in: Sodan/Ziekow, VwGO Großkommentar, 5. Aufl. 2018, Rn. 15. 411  Näher dazu Bier, § 50 VwGO, in: Schoch/Schneider/ders., VwGO, 35. EL 2018, Rn. 12. 412  Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 27.06.1984, Az.: 9 A 1.84. 413  Vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts (BDiszNOG), BT-Drs. 14/4659, S. 55 ff. 414  BVerwG, Urteil vom 05.11.1998, Az.: 2 A 3.97 (Beschwerden gegen dienstrechtliche Beurteilung); Urteil vom 13.11.1997, Az.: 2 A 4.97 (Schadensersatz bei Verletzung von Fürsorgepflichten). Nicht hingegen fallen Klagen auf Beihilfe zu Krankheitskosten von im Ruhestand befindlichen ehemaligen BND-Beamtinnen und Beamten in diesen Bereich. Vgl. Kraft, § 50, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, Rn. 13. 415  Bier, § 50, in: Schoch/Schneider/ders., VwGO, 35. EL 2018, Rn. 12; Redeker, § 50, in: ders./von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, Rn. 4; Kraft, § 50, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, Rn. 13. Davon können (Disziplinar-)Klagen des Bundes gegen im BND tätige Beamtinnen und Beamte umfasst sein oder umgekehrt. Gefordert sei einzig das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit. 416  BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011, Az.: 7 VR 6.11. Ferner Bier, § 50, in: Schoch/Schneider/ders., VwGO, 35. EL 2018, Rn. 12; Redeker, § 50, in: ders./von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, Rn. 4; Berstermann, § 50, in: Posser/Wolff, VwGO, 49. Ed. 2018, Rn. 8, die eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. d. § 40 VwGO fordern. Ausgenommen wären nur arbeitsrechtliche Streitigkeiten von Personen, die nach dem Zivilrecht beschäftigt seien. Vgl. auch BVerwG Urteil vom 31.01.2008, Az.: 2 A 4.06, Rn. 13 ff. Ferner Kraft, § 50, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, Rn. 13; Redeker, § 50, in: ders./von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, Rn. 4.



I. Kontrolle des BND389

che Auskunftsmitteilung, stellt diese einen Verwaltungsakt dar, gegen welchen verwaltungsgerichtlich vorgegangen werden kann.417 Das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch nicht in der Lage, eine umfassende Rechtsschutzgarantie zu gewährleisten,418 da in der Regel betroffene Personen nichts von geheimen Überwachungsmaßnahmen des BND und den damit einhergehenden Beschränkungsmaßnahmen erfahren.419 Damit der Rechtsweg eröffnet ist und eine individuelle Rechtmäßigkeitsprüfung der Anordnung und Durchführung von Beschränkungsmaßnahmen erfolgen kann, ist stets eine Mitteilung an die betroffenen Personen hierüber zwingend notwendig (§ 13 G10).420 Das Bundesverfassungsgericht stellt für eine Benachrichtigungspflicht von geheimen Beschränkungsmaßnahmen zwar gewisse Mindestanforderungen auf.421 Dennoch müssen derartige Mitteilungen nach § 12 Abs. 1 S. 2 und 4 G10 nicht in jedem Fall erfolgen. In der Praxis stellt die

417  Vor den Verwaltungsgerichten kann nach § 43 Abs. 1 VwGO Feststellungsklage im Zusammenhang mit Auskunftsersuchen eingelegt werden. Weiterhin könnte eine Verpflichtungsklage statthaft sein, wenn es sich bei dem begehrten Auskunftsersuchen bezogen auf Maßnahmen des BND um einen Erlass eines Verwaltungsaktes i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG – genauer um eine Regelung – handeln würde. Dies bejaht zumindest das BVerwG, das die Herbeiführung einer Rechtsfolge darin sieht, dass der betroffenen Personen rechtsverbindlich eine Auskunft über ein Rechtsverhältnis erteilt werde. Diese müsse sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen – also auf eine Mitteilung seitens der Ersatzgerichtsbarkeit. Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2.09, Rn. 25 ff.; Urteil vom 15.06.2016, Az.: 6 A 7.14, Rn. 13. Siehe für den Rechtswegausschluss bei Nichtmitteilungen von Beschränkungsmaßnahmen BVerwGE 149, 359, 362 ff. Informationserhebungen und -verarbeitungen sind hingegen keine Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG und erfordern auch keine Bekanntgabe nach § 41 VwVfG. So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (446). 418  Das BVerfG spricht dabei vom „Prinzip des möglichst lückenlosen Rechtsschutzes“. Siehe dafür BVerfGE 30, 1, 25 – Abhörurteil. Art. 19 Abs. 4 GG ist zwar einschränkbar, jedoch darf der Rechtsweg nicht mehr als notwendig beschränkt werden, was im Nachrichtendienstrecht eher die Regel als die Ausnahme sei. So Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 196 ff., 277 ff.; Gusy, § 7 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1295; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 153. 419  Vgl. Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 225; Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 120. Informationserhebungen und -verarbeitungen sind an sich keine Verwaltungsakte i. S. d. § 35 VwVfG und erfordern keine Bekanntgabe (§ 41 VwVfG). Bekanntgabepflichten bestehen nur bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen. So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (446). 420  So auch BVerwGE 149, 359, 362 ff. 421  BVerfGE 30, 1, 25 ff. – Abhörurteil. Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.02.2013, Az.: 6 A 2.12, Rn. 29, 32.

390

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Nichtmitteilung sogar die Regel dar.422 Voraussetzung für eine Mitteilung ist weiterhin, dass es sich um abgeschlossene Maßnahmen handelt und die Mitteilung selbst den Zweck der Überwachung und das Staatswohl nicht gefährden.423 Außerhalb des G10 besteht zudem eine Mitteilungspflicht gem. § 10 Abs. 4 BNDG. Diese bezieht sich indes nur auf Fälle, in denen personenbezogene Daten erhoben und entgegen § 6 Abs. 4 BNDG nicht unverzüglich gelöscht, 422  Vgl. hierzu die Unterrichtungen des PKGr der letzten Jahre zu Beschränkungen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10: Im Berichtszeitraum 2016 wurden von allen Nachrichtendiensten des Bundes bei 139 von insgesamt 519 Personen, die aus der Überwachung von individuellen Beschränkungen nach § 3 G10 ausgeschieden sind, entschieden, dass eine Mitteilung erfolgen könne. Das entspricht ca. 27 % der betroffenen Personen. Vgl. dafür Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 05.12.2017, BT-Drs. 19/163, S. 6. Im Berichtszeitraum 2015 betraf dies 400 von insgesamt 1628 Personen. Das entspricht ca. 24 % der betroffenen Personen. Vgl. dafür Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 16.02.2017, BT-Drs. 18/11227, S. 6. Im Berichtszeitraum 2014 betraf dies 380 von insgesamt 904 Personen. Das entspricht ca. 42 % der betroffenen Personen. Vgl. dafür Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 29.01.2016, BT-Drs. 18/7423, S. 5 f. Im Berichtszeitraum 2013 betraf dies 605 von insgesamt 1944 Personen. Das entspricht ca. 29 % der betroffenen Personen. Vgl. dafür Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 08.01.2015, BT-Drs. 18/3709, S. 6. Im Berichtszeitraum 2012 betraf dies 160 von insgesamt 551 Personen. Das entspricht ca. 31 % der betroffenen Personen. Vgl. dafür Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 19.12.2013, BT-Drs. 18/218, S. 5 f. Insgesamt entspricht dies einer Mitteilungsquote von ca. 31 % an diejenigen, die aus der Überwachung der Dienste ausgeschieden sind. Zudem entfielen im Berichtszeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2016 von insgesamt 552 Mitteilungen lediglich 40 auf den BND, obwohl dieser ca. 26 % aller Anordnungen getätigt hat. Somit werden von den ca. 31 % der erfolgten Mitteilungen, wiederrum nur ein Bruchteil vom BND übermittelt (ca. 7 %). Der überwiegende Anteil wird vom BfV getragen. Prozentual betrachtet entspricht somit die Mitteilungsquote beim BND ca. 26 %, was mit ca. 5 % leicht unterhalb der durchschnittlichen Quote aller Dienste liegt. Im Bereich der Anordnungen zu strategischen Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 im Berichtszeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2016 hat der BND insgesamt ca. 48.000 Selektoren angeordnet und nur 9 Personen hiervon unterrichtet, weil der überwiegende Teil derjenigen, die eine Mitteilung erhalten sollten, „abschließend nicht zu ermitteln waren“. Vgl. dafür die vorbenannten Dokumente des PKGr. 423  Der § 12 Abs. 1 S. 2 G10 formuliert das Staatswohl weiter und geht von „übergreifenden Nachteilen“ aus. Zudem erstreckt sich die Mitteilungspflicht nur auf Beschränkungsmaßnahmen nach den § 3 und §§ 5 und 8 G10, sofern personenbezogene Daten nicht unverzüglich gelöscht werden.



I. Kontrolle des BND391

sondern gespeichert wurden. Das BNDG enthält jedoch – anders als das G10 – keine Ausnahmen zur Versagung oder Regelung des Rechtswegs. Da die Zuständigkeit für diese Mitteilungen aber ebenso der G10-Kommission zugeordnet ist, wird davon ausgegangen, dass sowohl die Versagungs- und Verweigerungsgründe nach § 12 Abs. 1 S. 2 und 4 G10 als auch die Regelung zum Rechtsweg nach § 13 G10 entsprechend anzuwenden sind.424 Ergehen derartige Mitteilungen nicht, können sich potenziell betroffenen Personen zumindest im Wege des Auskunftsersuchens direkt an den BND wenden. Ein solcher Auskunftsanspruch ergibt sich aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und soll als Ausgleich für die grundsätzlich geheim vorgenommenen Beschränkungsmaßnahmen des BND dienen.425 Dieser Anspruch ist abschließend in § 15 BVerfSchG geregelt, der gem. § 22 BNDG entsprechend anzuwenden ist, da andere Auskunftsansprüche – wie §§ 19 f. BDSG oder § 3 Nr. 8 IFG426 – ausgeschlossen sind.427 Allerdings gilt dieses Auskunftsersuchen auch für Anliegen, die nicht die Ersuchenden oder mit diesen in Zusammenhang stehende Überwachungsmaßnahmen betreffen.428 Der § 15 BVerfSchG i. V. m. § 22 BNDG gewährt 424  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 27. Die Mitteilung selbst obliegt in beiden Fällen gem. § 12 Abs. 3 G10 der Behörde, die die Beschränkungsmaßnahme angeordnet hat. Diese muss aber im Einvernehmen mit der G10-Kommission erfolgen bzw. unterbleiben. 425  Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S.  185; Scheffczyk/Wolff, Das Recht auf Auskunftserteilung gegenüber den Nachrichtendiensten, in: NVwZ 2008, Vol. 27, S. 1316 (1319); Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 125. 426  Vgl. hierfür näher Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3, Rn. 335 ff. Ebenfalls Jas­ trow/Schlatmann, IFG, 2006, § 3, S. 80 f.; Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (446). 427  So noch zur Gesetzeslage vor 2016, wobei die dort beschriebene Norm § 7 BNDG a. F. vor 2016 dem jetzigen § 22 BNDG fast gänzlich kongruent ist: Gusy, § 7 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1295. Zudem ergebe sich kein direkter Auskunftsanspruch zu allgemeinen Informationen im Geschäftsbereich des BND aus der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG). Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 20.07.2015, Az.: 6 VR 1.15, Rn. 6 ff. Auch Landesgesetze können den BND nicht zu einer Herausgabe von Informationen an die Presse verpflichten, weil den Ländern hierfür die Gesetzgebungskompetenz fehle. Ebd., Rn. 17 ff. Inhaltsgleiche Ansprüche befinden sich zudem in § 10 Abs. 2 ATDG sowie in § 11 Abs. 2 RED-G. 428  Dies war 2010 bei einem Auskunftsersuchen einer Tageszeitung der Fall, die vom BND in Erfahrung bringen wollte, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischen 1950 und 1980 ehemaligen nationalsozialistischen Organisationen angehörten (vgl. dafür BVerwG, Urteil vom 20.02.2013, Az.: 6 A 2.12, Rn. 5) oder als 2015 eine Tageszeitung die NSA-Selektorenliste vom BND herausverlangte (vgl. BVerwG, Beschl. vom 20.07.2015, Az.: 6 VR 1.15). Das BVerwG wies letztere Klage auf He­

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

jedoch nur einen Auskunftsanspruch für die gespeicherten Daten nach § 19 BNDG.429 In formeller Hinsicht bedarf es hierfür einen Antrag, in welchem sich auf einen konkreten Sachverhalt bezogen und ein besonderes Interesse dargelegt werden muss.430 Da Beweismittel i. d. R. fehlen, können hierfür Vermutungen mit konkreten Anhaltspunkten ausreichen.431 Für besonders sensible Fallgruppen – wie für Journalistinnen bzw. Journalisten und Geheimnisschutzträgerinnen bzw. Geheimnisschutzträger – besteht eine vereinfachte Möglichkeit der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs, da ihre notwendige Diskretion beruflicher Bestandteil ihrer Arbeit ist.432 In mate­ rieller Hinsicht wird beim Vorliegen der formellen Voraussetzungen eine Auskunft zu „Daten zu seiner Person“ gewährt, was auch personenbezogene Daten umfasst, die in Akten von Dritten über die eigene Person gespeichert wurden.433 Gem. § 15 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG i. V. m. § 22 BNDG kann die rausgabe der NSA-Selektorenliste – ähnlich wie vorbenanntes Beispiel – mit der Begründung ab, dass einer Herausgabe schutzwürdige Interessen des BND entgegenstünden, die der Geheimhaltung unterlägen. Dies gelte vor allem bei aus internationalen Kooperationen erhaltenen Daten, um die internationale Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich nicht zu gefährden. 429  Der Auskunftsanspruch erstreckt sich auf alle gespeicherten personenbezogenen Daten der betroffenen Person, unabhängig ob sie „zur Person“ oder „über die Person“ geführt werden. Jene Differenzierung brachte der BND vor, wonach er nur Daten „über die Person“ als auskunftswürdig erachtete. Vgl. dazu OVG Münster, Urteil vom 13.02.2009, Az.: 16 A 844/08. Diese Argumentation zurückweisend BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2.09, Rn. 30 ff. Ähnlich dazu bereits BVerwG Urteil vom 28.11.2007, Az.: 6 A 2.07, Rn. 16. 430  So gefordert in BVerfG, Beschluss vom 10.10.2000, Az.: 1 BvR 586/90 und 1 BvR 673/90, in: NVwZ 2001, S. 185 (187); BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2/09. Der Sachverhalt ist jedenfalls dann konkret, „wenn er einen zeitlich und örtlich abgrenzbaren Vorgang beschreibt, [der] ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes“ auslösen könnte. Ein besonderes Interesse kann nur begründet werden, wenn ohne die Auskunft ein rechtlicher Nachteil für den Betroffenen entstehen würde (z. B. bei Rufschädigung oder Rehabilitation). So Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 604 f. Ebenfalls müssten die Fallgruppen der „hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr“ sowie bei „schweren Grundrechtseingriffen“ ausreichend sein. So Scheffczyk/Wolff, Das Recht auf Auskunftserteilung gegenüber den Nachrichtendiensten, in: NVwZ 2008, Vol. 27, S. 1316 (1317). Dies solle dazu dienen, dass keine reinen Ausforschungsbegehren geltend gemacht werden können. Vgl. dazu auch BVerwGE 130, 29, 38. 431  Hierzu Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (440). 432  So zumindest erstere: Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 186. 433  Hierunter fallen vor allem auch Daten mit sog. „Doppelbezug“. Dazu näher Gusy, § 7 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1295 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2/09. Ähnlich Scheffczyk/Wolff, Das Recht auf Auskunftserteilung gegenüber den Nachrichtendiens-



I. Kontrolle des BND393

Auskunft jedoch (rechtmäßig) verweigert werden, sofern die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit hierdurch nachhaltig beeinträchtig würde, Quellen in Gefahr gerieten oder es für die Sicherheit der Bundesrepublik erforderlich ist.434 Die Ablehnung des Auskunftsersuchens bedarf nach § 22 BNDG i. V. m. § 15 Abs. 4 BVerfSchG zudem keiner Begründung – von der seitens des BND laut Christoph Gusy auch regelmäßig abgesehen werde.435 Unabhängig davon, ob eine Mitteilung erfolgt oder diese nach Auskunftsersuchen versagt wird, kann hiergegen gerichtlich vorgegangen werden. Die Versagung oder Mitteilung an die Betroffenen ist allerdings nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.436 Zum einen findet die gerichtliche Würdigung gem. ten, in: NVwZ 2008, Vol. 27, S. 1316 (1318), die ebenso dafür plädieren, dass sich der Anspruch nicht nur auf gezielt gespeicherte Daten erstrecken dürfe, sondern die Auskunft auch kontextualisiert werden müsse, worunter auch Schlussfolgerungen der Dienste aus diesen Daten fallen. Dem folgt ebenso das BVerwG, wonach ein weites Verständnis des Auskunftsanspruchs i. S. d. Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu fordern sei und das BDSG dem Sinn nach Anwendung finden müsse, obwohl dieses lex generalis zu den speziellen nachrichtendienstlichen Regelungen sei: BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2/09, Rn. 31, welches damit der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 65, 1 – Volkszählung) Rechnung tragen wollte. A. A. OVG Münster, Beschluss vom 13.02.2009, Az.: 16 A 844/08, Rn. 6, nach welchem sich der Anspruch nur darauf beziehe, was der BND „gezielt (final) zu der betroffenen Person gespeichert hat.“ Ausgeschlossen sind die Herkunft und die Quelle der Informationen. Gerade die Systematik des BVerfSchG erfordere diese Auslegung, da dem die Funktionsfähigkeit der Behörde sowie ein unverhältnismäßig hoher Aufwand entgegenstehen. Selbst diese Auslegung ist weiter als das vom BND einst vorgebrachte Verständnis hierzu, dass nur „Daten über seine Person“ – also nicht in Akten von Dritten befindliche Daten über die eigene Person – der Mitteilung bei Auskunftsersuchen unterliegen. Dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 606. 434  Vgl. § 15 Abs. 2 BVerfSchG. Ferner BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2/09. In die Interessenlage des BND können u. a. die Geheimhaltung dessen Arbeit und Arbeitsmethoden, dessen Quellen und datenschutzinteressen Dritter mit einbezogen werden, sofern die beantragten Auskünfte solche Informationen beinhalten würden. Gusy, § 7 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1296. Ob die Maßnahmen anderweitig als rechtswidrig eingestuft wurden, spielt hierfür keine Rolle. Vgl. bzgl. der Journalisten-Überwachung des BND: Deutscher Bundestag, Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht), S. 153, 164 f., 167 f. 435  Gusy, § 7 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1296. Hierzu gibt es in den Berichten des PKGr jedoch keine Stellungnahmen. Trotzdem ist immer eine Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteressen und individuellen Auskunftsinteressen der Einzelnen vorzunehmen, obgleich die Versagungsvorschrift gebunden ausgestaltet ist. So jedenfalls Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 131 ff.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 608 f. 436  Auch pauschale Ablehnungen sind rechtswidrig, obgleich keine hohen Anforderungen an solche zu stellen sein dürfen. Vgl. Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 185 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

§ 99 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung in einem sog. „in camera“Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, um den besonderen Erfordernissen des Geheimnisschutzes nach § 90 Abs. 1 S. 2 VwGO gerecht zu werden.437 Zum anderen dürfen die Dienste nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO selbst dem Gericht Akteneinsicht und Auskünfte verweigern, wenn das Bekanntwerden dieser Informationen dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bringen würde bzw. die Informationen gesetzlich oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.438 Weiterhin darf das Gericht in seiner Urteilsbegründung nicht die geheimhaltungsbedürftigen Punkte oder Gründe anführen, sondern nur darüber befinden, ob die Abwägung der Versagung oder Nicht-Mitteilung gesetzeskonform erfolgte. Die Kontrolle des Bundesverwaltungsgerichts erfolgt somit lediglich partiell und ist limitiert transparent.439 (2) Überprüfungsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichtes Eine zweite Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung besteht auf ver­ fassungsgerichtlicher Ebene hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen zur auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Aufklärung.440 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu geheimen Überwachungsaktivitäten sei437  BVerfGE 101, 106, 121 ff. – Akteneinsichtsrecht. Auf straf- oder zivilprozessualer Ebene fehlt eine solche Möglichkeit gänzlich, obgleich der Verwaltungsgerichtsweg nach § 40 VwGO für die Personen versagt wird, die Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter oder Vertrauensperson des BND sind oder während der Speicherung ihrer Daten waren. Dies gilt jedoch nur, sofern das streitige Verhältnis aus ihren jeweiligen Arbeits- oder Auftragsverhältnissen herrührt. Vgl. dafür BVerwG, Beschluss vom 26.05.2010, Az.: 6 A 5/09; Urteil vom 31.01.2008, Az.: 2 A 4/06; Beschluss vom 09.07.1999, Az.: 2 A 2.99. Ferner Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 176 ff. 438  Dies gelte auch dann, wenn die Dienste selbst teilweise Informationen preisgeben, andere aber zurückhalten. Dies führe laut Edda Weßlau zu unbeantwortbaren Fragen im Bereich der Beweisverwertungsverbote. Siehe dafür Weßlau, Vor(feld)ermittlungen, Datentransfer und Beweisrecht, in: Wolter, FS Hilger, 2003, S. 57 (57 ff.). Die Versagungsgründe können jedoch auch temporärer Natur sein und sind nach Ablauf von bestimmten Ereignisfristen herauszugeben. Gegen die Versagungsgründe vom BND kann gem. § 99 Abs. 2 S. 1, 2 2. HS i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO Beschwerde vor dem BVerwG eingelegt werden. Vgl. dafür Geiger, § 99 VwGO, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Rn. 20 f. 439  So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (445 ff.). Ebenso findet sich eine Begrenzung der Vorlagepflicht in § 96 StPO sowie für Verweigerungen von Zeugenaussagen in § 54 StPO, wenn dessen Bekanntwerden „dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde“. Vgl. dafür Hauschild, § 96 StPO, in: Knauer/Kudlich/Schneider, StPO, 2014, Rn. 12 ff.; Greven, § 96 StPO, in: Hannich, StPO, 8. Aufl. 2019, Rn. 10 ff. 440  Siehe bereits Abschnitt D.I.1.



I. Kontrolle des BND395

tens der Bundesregierung und ihr nachgeschalteter exekutiver Stellen ist nicht gerade karg. Angefangen hat die Rechtssprechungslinie im nachrichtendienstlichen Bereich mit der Entscheidung zur Änderung des Art. 10 Abs. 2 GG und dem damit einhergehenden G10, in welchem das Gericht die Ersatzkontrolle durch die G10-Kommission billigte und folglich die Beschränkung bzw. den teilweisen Ausschluss der Kontrolle durch die ordentlichen Gerichte genehmigte.441 Ein weiterer „Meilenstein“ war das Volkszählungsurteil, obgleich es darin die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeiten nicht bewertete.442 Das Bundesverfassungsgericht urteilte damals, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Einzelnen Schutz vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten gewährleiste.443 Beschränkungsmaßnahmen bedürften einer verfassungskonformen Rechtsgrundlage,444 die für den BND damals noch fehlte. Aufgrund dessen schuf man etwa sieben Jahre später das BNDG, welches seitdem ständigen Anpassungen auch wegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu heimlichen Überwachungsmaßnahmen und damit betroffenen personenbezogenen Daten unterlag. Die bedeutendsten Verfahren im Bereich des Datenschutzes und bei heimlichen bzw. nachrichtendienstlichen Aktivitäten des Staates,445 die anhand von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und bzw. oder Art. 10 Abs. 1 GG gemessen werden mussten, waren das Abhörurteil von 1970, die Entscheidungen zur Telekommunikationsüberwachung von 1999, zur Vorratsdatenspeicherung von 2010, zum ATDG von 2013 und dem BKAG von 2016.446 Das Abhörurteil hat die Möglichkeit gestärkt, Verfassungsbeschwerden gegen 441  BVerfGE

30, 1, 25 – Abhörurteil. Bestätigt in BVerfGE 67, 157, 171 – G10. BVerfGE 65, 1, 1 ff. – Volkszählung. 443  Ebd., S.  41 ff. 444  Ebd., S. 41. 445  Die Aufzählung ist nicht abschließend. Insgesamt waren 2016 elf Verfahren im Bereich des Art. 10 Abs. 1 GG vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit anhängig. Vgl. dafür Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 05.12.2017, BT-Drs. 19/163, S. 6, 8 f. Die häufigsten Verfahren vor dem BVerfG gegen staatliche Überwachungsmaßnahmen wurden im Wege der Verfassungsbeschwerde – meist verbunden mit abstrakten Normenkontrollen – und dem Organstreit angestrengt. Abstrakte Normenkontrollen werden regelmäßig von der Opposition eingelegt. Bei der konkreten Normenkontrolle ist der Kreis der Antragsgegenstände – wie bereits aufgezeigt – limitierter, da es im Bereich auslandsnachrichtendienstlicher Gesetze nur zu wenigen Verfahren vor ordentlichen Gerichten kommt. 446  Zu erwähnen sind auch Entscheidungen, die wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen wurden: Siehe u. a. BVerfG, Urteil vom 12.07.2007, Az.: 1 BvR 2092/02 – Kontostammdaten, weil die Beschwerdeführer nicht deutlich machten, wieso ihre Daten betroffen sein könnten. 442  Vgl.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Gesetze einzulegen, die heimlich in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen, und beschränkte die Möglichkeiten von heimlichen Eingriffen und deren Mitteilungsversagung seitens der Exekutive.447 Der Schutz des Art. 10 Abs. 1 GG wurde im Urteil zur Telekommunikationsüberwachung auf alle Datenverarbeitungsprozesse erweitert, eine Zweckbindung bei der Weitergabe von personenbezogenen Daten gefordert und angedeutet, dass dessen Schutzumfang nicht auf das Inland beschränkt ist.448 Der Schutz personenbezogener Daten wurde mit der Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung ergänzt.449 Die zwei letztgenannten Urteile zum ATDG und BKAG untermauerten die Stärkung der Freiheitsgrundrechte. Vor allem letzteres sah generelle Anforderungen für heimliche Überwachungen, die Verwendung ­personenbezogener Daten und deren Kontrolle vor. Die Mitteilungsverpflichtungen seitens der eingreifenden Behörde wurden gestärkt,450 die Koopera­ tionsmodelle mit in den Grundrechtsschutz einbezogen und die Beschrän447  Vgl. BVerfGE 30, 1, 1 ff. – Abhörurteil. Grundsätzlich waren Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer nicht gegenwärtig von solchen Gesetzen betroffen, wenn dies nur potenziell zu einem ungewissen Zeitpunkt geltend gemacht werden konnte. Etwas Anderes müsse jedoch gelten, wenn die betroffenen Personen keine Kenntnis von Vollzugsakten erhalten, die Grundrechte beschränken. So BVerfGE 129, 78, 92 – Anwendungserweiterung; 77, 263, 268 – Teso. Könne die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer hinreichend wahrscheinlich geltend machen, durch die Norm in ihren bzw. seinen Grundrechten verletzt zu werden, reiche dies auf Zulässigkeitsebene aus. Das Maß der Darstellung ist dabei disproportional abhängig von der Weite des Adressatenkreises: Je mehr Personen hiervon potenziell betroffen sein können, desto niedriger sind die Anforderungen an die Darlegungslast. Bestätigt in BVerfGE 67, 157, 171 – G10; 133, 277, 311 ff. – ATDG; 141, 220, 261 – BKAG. Ausführlich dazu Knaust, Die Antiterrordatei, in: ZjS 2016, Vol. 2, S. 219 (221). Ähnliches Problem ergab sich auch bei der Unmittelbarkeit der Grundrechtsbeeinträchtigung, die ohne weiteren Vollzugsakt vorliegen müsse. Da sich die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer jedoch gegen das Gesetz richteten, war es anfangs noch unklar, ob dies möglich sei. Das BVerfG entschied daraufhin, dass die Unmittelbarkeit dann entfalle, wenn der staatlichen Stelle eine aktive Informationspflicht für Beeinträchtigungen auferlegt wurde. Vgl. dazu BVerfGE 30, 1, 16 f. – Abhörurteil; 100, 313, 354 – TKÜ I; 120, 378, 394 – Automatisierte Kennzeichenerfassung; 133, 277, 311 – ATDG. Dies gelte allerdings nicht, sofern die zuständigen Stellen berechtigt sind, die Auskunft hierüber zu verweigern. Vgl. BVerfGE 133, 277, 312 – ATDG. 448  Vgl. BVerfGE 100, 313, 313 ff. – TKÜ I. Eingehend dazu schon Abschnitt C.II.1. und C.II.2. 449  BVerfGE 125, 260, 260 ff. – Vorratsdatenspeicherung. 450  Die Versagung von Mitteilungspflichten bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen war im § 10 Abs. 2 ATDG a. F. geregelt. Ebenso findet sich eine solche bei § 12 Abs. 1 S. 2, 4 G10 oder § 10 Abs. 4 S. 2, 5 BNDG. Darüber hinaus verwies das BVerfG darauf, dass die Berichtspflichten die gerichtliche Überprüfung und Kenntnisnahme nur teilweise auffingen. Daher waren Verfassungsbeschwerden direkt gegen Gesetze zulässig und mussten Vollzugsakte nicht abgewartet werden. Vgl. BVerfGE 133, 277, 311 ff. – ATDG; 141, 220, 261 f. – BKAG.



I. Kontrolle des BND397

kungsmaßnahmen auf den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter begrenzt.451 In seinem Prüfungsumfang ist aber auch das Bundesverfassungsgericht begrenzt. Dem Gesetzgeber obliegt ein erhöhter Einschätzungsspielraum zum Austarieren von Sicherheitsaspekten und Freiheitsrechten, welcher nur bedingt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.452 Da der Kernbereich der Exekutive bei auswärtiger Gewalt diesen Einschätzungsspielraum erweitert, wirkt sich das noch zusätzlich bei der auslandsnachrichtendienst­ lichen Tätigkeiten aus.453 Nichtsdestotrotz versucht das Bundesverfassungsgericht die abstrakten Regelungen im verfassungsrechtlichen Rahmen zu bewerten. Prüfungsinhalt waren daher – gerade wegen fehlender bekannter exe­kutiver Maßnahmen – die abstrakten gesetzlichen Regelungen. Angesichts der Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen lag das Augenmerk der verfassungsrechtlichen Überprüfung zumeist auf dem Bestimmtheitsgebot. Grund für diese vagen Umschreibungen ist die flexiblere Steuerungswirkung des Gesetzes im Einzelfall. Wenn diese Regelungen sehr offen ausgeformt sind, sind die Handlungsspiel- und Freiräume der Dienste umso höher,454 was wiederum relevant für den Tätigkeitsauftrag und die Gewährleistung der Sicherheit ist. Dennoch ist zu beachten, dass „[j]e unbestimmter ein Gesetz [ist], desto geringer ist die Legitimationswirkung.“455 Das traf nicht zuletzt auf den zu weit gefassten Personenkreis bei der Antiterrordatei456 oder hinsichtlich verschiedener unbestimmter Regelungen des BKAG zu.457 451  BVerfGE 133, 277, 277 – ATDG; 141, 220, 220 f. – BKAG. Wohlgemerkt sind die Urteile nicht explizit für den BND entschieden wurde, haben aber für die Verarbeitung personenbezogener Daten eine Leitbildfunktion. 452  BVerfGE 141, 220, 319 – BKAG. 453  Zu beachten ist jedoch, dass alle drei Gewalten an der auswärtigen Gewalt beteiligt sind. Sieh dazu Calliess, Staatsrecht III, 2. Aufl. 2018, S. 64. Vgl. generell dazu BVerfGE 40, 141, 178 – Ostverträge; 55, 349, 364 f. – Hess-Entscheidung. Dem zustimmend: Ewer/Thienel, Völker-, unions- und verfassungsrechtliche Aspekte des NSA-Datenskandals, in: NJW 2014, Vol. 67, S. 30 (34 f.). Eher ablehnend sagte der designierte Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem als Sachverständigender bei der Expertenanhörung des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags: „Diplomatische Leisetreterei reicht nicht aus“. Sich dem anschließend: Bäcker, bei der Expertenanhörung des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags, beide Expertenanhörungen sind verfügbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/nsa_untersuchungsausschuss/279296 (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 454  So Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (38). 455  Ebd. 456  Im Fall der ATDG-Verbunddatei hieß das konkret, dass sogar Daten von Personen erhoben und gespeichert werden konnten, welche nur über Dritte in irgendeiner Verbindung zu einer potenziellen Terroristin bzw. einem potenziellen Terroristen standen und selbst nie Kontakt oder Kenntnis von jener bzw. jenem haben mussten. Vgl.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Zusätzlich nutzte das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidungen regelmäßig, um allgemeine Grundsätze und Mindestanforderungen aufzustellen, die geheime Überwachungstätigkeiten und die Erhebung sowie den Umgang mit personenbezogenen Daten auf das Notwendigste beschränken.458 Hierfür zieht das höchste Gericht den supranationalen, internationalen und regionalen Grund- und Menschenrechtsschutz heran, weshalb die Rechtsprechung des EuGH, des EGMR sowie internationaler Menschenrechtsinstitute für die Interpretation von Bedeutung sein können.459 Gerade der EGMR hat hierzu eine dezidierte Rechtsprechung zu Anforderungen an die Durchfüh§ 2 S. 1 ATDG a. F. Dieser wurde mit der Entscheidung BVerfGE 133, 277 – ATDG für verfassungswidrig erklärt. Ein ähnlich weiter Personenkreis sahen auch § 20l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKAG a. F. sowie teilweise kongruente Bestimmungen in § 20m Abs. 1, 3 BKAG a. F. vor, welche mangels Bestimmtheit für verfassungswidrig erklärt wurden. Vgl. BKAG 141, 220, 310, 316 f. – BKAG. 457  So u. a. § 20g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BKAG a. F., welcher nur eine auf Erfahrung gestützte Prognose und kein konkretisiertes und zeitlich absehbares terroristischen Geschehen bei präventiven Überwachungsmaßnahmen verlangte. Vgl. dafür BVerfGE 141, 220, 291 – BKAG. 458  Im BKAG wurde so bspw. der Zweckbindungsgrundsatz weiter ausgeformt, welcher bereits im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aufgestellt wurde. Vgl. BVerfGE 65, 1, 47 – Vorratsdatenspeicherung; 100, 313, 360 ff. – TKÜ I; 141, 220, 324 ff. – BKAG. 459  Obgleich die auslandsnachrichtendienstlichen Belange gem. Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV außerhalb der Prüfungs- und Regelungskompetenz der EU liegen, spielen das Unionsrecht und die Urteile des EuGH eine wichtige Rolle bei der mitgliedstaatlichen Rechtsprechung in Bezug auf das nationale Sicherheitsrecht. Urteile des EUGH zur Vorratsdatenspeicherung (Rs. C-203/15, C-698/15), Digital Rights Ireland (Rs. C-293/12, C-594/12) oder Google Spain (Rs. C-131/12) wurden allein vom BVerfG mehrfach auch im Sicherheitsrecht rezipiert. Vgl. u. a. BVerfGE 125, 260, 308 f. – Vorratsdatenspeicherung; 141, 220, 282, 344 ff. – BKAG. Hingegen wurden in Bezug auf das ATDG die Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta und der unionale Einschlag verneint. Siehe BVerfGE 133, 277, 315 f. – ATDG. Zusätzlich hatte die neue DSGVO Einfluss auf das Nachrichtendienstrecht und die Kontrolle durch die Bundesbeauftragte bzw. den Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Ähnliches gilt für den regionalen und internationalen Menschenrechtsschutz. So war die Entscheidung des EGMR aus 2006 (Rs. 62332/00) bzgl. der Überwachung schwedischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern Anlass für einen Organstreit vor dem BVerfG (Urteil vom 01.07.2009, Az.: 2 BvE 5/06). Ebenso wurde zuletzt im BKAG vermehrt auf den EGMR und UN-Menschenrechtsinstitute verwiesen. Vgl. BVerfGE 141, 220, 270, 275, 294, 327, 334, 343 ff. – BKAG. Gerade in den letzten Jahren urteilte der EGMR vermehrt zu staatlichen Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Nachrichtendienste. Vgl. hierfür u. a. EGMR, Centrum För Rättvisa v. Sweden, Appl No. 35252/08; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15; Szabó & Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06; Bykov v. Russia, Appl. No. 4378/02; Klass and Others v. Germany, Appl. No. 5029/71. Ob dies auch für das BVerfG als Auslegungshilfe dienlich sein wird, ist abzuwarten.



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rung und Kontrolle nachrichtendienstlicher Überwachungsmaßnahmen aufgestellt.460 Neben den Verfassungsbeschwerden gab es wenige Organstreitverfahren. Bereits 1986 standen die – schon ausgeführten – nicht ausdrücklich aufgeschlüsselten Haushaltsbewilligungen der Nachrichtendienste vor dem Bundesverfassungsgericht in Rede, welches exekutive Geheimhaltungsinteressen mit den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie und dem Öffentlichkeitsgrundsatz abzuwägen hatte. Zudem wurde die äußere Grenze für die Rechte der Minderheit bei der Besetzung von parlamentarischen Kontroll­ organen der Nachrichtendienste festgelegt.461 In der 18. Wahlperiode beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Vorlagepflicht der NSA-Selektoren in der G10-Kommission sowie im NSA-Untersuchungsausschuss auch im Wege des Organstreits. Der G10Kommission sprach sie dabei die Parteifähigkeit ab, weil diese nicht als andere Beteiligte i. S. d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG angesehen werden könne.462 Auch den Organstreit der Mitglieder des NSAUntersuchungsausschusses wies das Gericht als unzulässig ab, weil diese nicht antragsbefugt gewesen seien.463 Die zulässigen Begehren der Opposi­ tionsfraktionen hierzu in Prozessstandschaft des Bundestages ließ es zwar zu,464 wies diese aber als unbegründet zurück, da das Geheimhaltungsinte­ resse des BND an aus ausländischen Kooperationsmodellen gewonnenen Selektoren dem parlamentarischen Informationsinteresse überwiege. Darüber hinaus unterfielen diese Suchbegriffe nicht der Verfügungsberechtigung des 460  Siehe

bereits Abschnitt C.II.2.f) und Abschnitt D.I.3.a). auch BVerfGE 70, 324, 324 f. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste: „Der Schutz der parlamentarischen Minderheit geht nicht dahin, die Minderheit vor Sachentscheidungen der Mehrheit zu bewahren (Art. 42 Abs. 2 GG), wohl aber dahin, der Minderheit zu ermöglichen, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozeß des Parlaments einzubringen. […] Jedenfalls aus zwingenden Gründen des Geheimschutzes kann es verfassungsrechtlich hinzunehmen sein, daß einzelne Frak­ tionen bei der Besetzung eines Ausschusses unberücksichtigt bleiben.“ 462  BVerfGE 143, 1, 8 – NSA-Selektoren (G10-Kommission). 463  Das BVerfG hatte dabei zu entscheiden, ob zwei Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses die Rechte des ganzen Organs rügen durften. Das BVerfG betonte, dass § 18 Abs. 3 PUAG nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis zubillige, sondern Rechte nur von der Einsetzungsminderheit im Bundestag geltend gemacht werden dürften, da dies sonst den Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG unterlaufen würde. 464  Eigene Rechte der Fraktionen konnten nicht geltend gemacht werden, da trotz des neu eingeführten § 126a GOBT a. F., welcher für die Dauer der 18. Wahlperiode das Quorum zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf 120 Mitglieder (und somit unterhalb der Einviertelmehrheit) festsetzte, über diesen keine über Art. 44 GG hinausgehenden einklagbaren Minderheitenrechte geschaffen wurden. Vgl. BVerfGE 143, 101, 155 – NSA-Untersuchungsausschuss. 461  Vgl.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

BND, weswegen eine Herausgabepflicht verneint wurde. Eine solche Verpflichtung hätte die internationale nachrichtendienstliche Kooperationsfähigkeit und die damit zusammenhängende Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Dienste erheblich beeinträchtigen können.465 (3) Zwischenfazit Da der Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung für den BND keine Geltung besitzt und dieser von Transparenz- und Berichtspflichten gegenüber den von Beschränkungsmaßnahmen Betroffenen weitestgehend freigestellt wird, erfolgen in den wenigsten Fällen Mitteilungen über auslandsnachrichtendienstliche Beschränkungsmaßnahmen. Obgleich das Bundesverfassungsgericht die Mitteilung als Regel fordert,466 sieht die Realität nach Christoph Gusy so aus, dass die Betroffenen nur ausnahmsweise von solchen erfahren.467 Diese würden meist pauschalisiert abgelehnt, obwohl eine solche nur in absoluten Ausnahmefällen verneint werden dürfe. Zudem müsse diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis auch deswegen mehr Einhaltung geboten werden, weil der Rechtsweg ohne eine Mitteilung von Beschränkungsmaßnahmen nicht offenstehe.468 Bürgerinnen und Bürger haben im Bereich des geheim agierenden BND ohnehin nur sehr geringe Aussichten, individuellen Rechtsschutz zu erlangen.469 Zwar besteht für vermeintlich Betroffene die Möglichkeit, einen Auskunftsanspruch über Beschränkungsmaßnahmen beim BND geltend zu machen oder Beschwerden bei der G10-Kommission einzulegen. Dominic Hörauf verweist jedoch darauf, dass diese nicht nur an hohe Anforderungen gekoppelt seien, sondern umgekehrt reziprok geringen Anforderungen für den BND gegenüberstehen, diese aufgrund der Geheimhaltungseinrede zu versagen.470 Das bestätigt die Versagungsquote von Be465  BVerfGE

143, 101, 155 – NSA-Untersuchungsausschuss. 100, 313, 398 – TKÜ I. Ferner Pagenkopf, Art. 10, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 48. 467  Gusy, § 7 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1296. 468  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (447), der den gerichtlichen Rechtsschutz lediglich als Fortsetzungsfeststellungsrechtsschutz bezeichnet. 469  Rupp, Rechtsschutz und Verfassungsschutz, in: BMI, Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 157 (168 f.); Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 225; Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 120; Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (447). Vgl. aber auch BVerfGE 133, 277, 326 – ATDG. 470  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 154. Zusätzlich weist er darauf hin, dass Betroffene i. d. R. kein Wissen über derartige Maßnahmen haben und sie daher keine Anträge stellen. 466  BVerfGE



I. Kontrolle des BND401

schwerden seitens des BND im Berichtszeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2016, die bei 100 % lag.471 Der Rechtsweg und die anschließende gerichtlichen Kontrolle sind – vergleicht man die dargelegten Zahlen von Mitteilungen von Beschränkungsmaßnahmen seitens des BND – sicherlich nicht gänzlich ausgeschlossen; für die betroffenen Personen bestehen aber ernste Nachteile und es werden – wie es Christoph Gusy beschreibt – die „defizitär[en]“ Struk­turen in diesem Bereich offenbart.472 Hinzu tritt nach Christoph Gusy und Alexander Hirsch, dass – selbst wenn man vermutet, dass solche Maßnahmen gegen einen ergangen sind – die notwendigen Beweismittel für die gerichtliche Überprüfung fehlen oder nicht verfügbar wären.473 Selbst die Gerichte seien teilweise nicht in der Lage, gegen die Geheimhaltungseinrede des BND oder seiner übergeordneten Stelle anzukommen.474 Andererseits ist festzustellen, dass die verfassungsgerichtliche Kontrolle viel zum jetzigen Auslandsnachrichtendienstrecht beigetragen hat und für ein stetiges Fortschreiten der Erweiterungen und Begrenzung der grundrecht­ lichen Vorgaben im Bereich des Datenschutzes, der Datensicherheit und Begrenzung der Geheimhaltungserfordernisse verantwortlich ist – sowohl ­ zum Unbehagen von Sicherheitsexperten475 als auch Freiheitsverfechtern.476 Dem Bundesverfassungsgericht wird allerdings nur die Rolle eines kontrollverstärkenden Faktors zu Teil: Es wird nicht von Amts wegen tätig, nimmt keine Rechtmäßigkeitskontrolle der spezifischen auslandsnachrichtendienst­ lichen Maßnahmen vor, und die Entscheidungen werden meist erst mehrere Jahre nach den potenziellen Beschränkungen getroffen. Es ist in seiner Überprüfung somit nicht nur sachlich beschränkt, sondern auch dahingehend, dass man es in diese Fragen aktiv einbezieht: entweder durch das PKGr, das am meisten weiß, aber durch ein Quorum beschränkt ist, oder vom Parlament bzw. von Bürgerinnen und Bürgern, die zumeist keine Kenntnis von potenziellen Verstößen haben. Dennoch führte der eingeschränkte verfassungsrechtliche Überprüfungsrahmen zu einer Vielzahl von Änderungen der teils 471  Vgl.

dazu bereits Fn. 422, Abschnitt D. Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (37). 473  Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (440); Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 120. 474  Christoph Gusy bemüht dafür das Begriffspaar der „limitierten Transparenz“. Vgl. dafür ders., Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (445 ff.). 475  Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 51e. Das BVerfG verkannte seiner Ansicht im Urteil zum BKAG, dass „Sicherheit im Staat die ältere Schwester der Freiheit ist“ und durch den überzogenen Individualgrundrechtsschutz die Sicherheit des Staates gefährdet werde. 476  Vgl. von Notz, Der demokratische Rechtsstaat und das Geheimnis der Dienste, in: FW 2015, Vol. 90, S. 17 (17 ff.), dem die Urteile nicht weit genug gingen. 472  Gusy,

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

festgestellten verfassungswidrigen Regelungen zur Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern.477 bb) Quasi-gerichtliche Kontrolle im Bereich des Art. 10 GG und bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung Wegen der beschränkten gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich kommt der Ersatzkontrolle durch gerichtsähnliche bzw. quasi-gerichtliche Organe eine bedeutende Rolle zu, die die individuellen Klagerechte aus Art. 19 Abs. 4 GG wirksam und effektiv kompensieren muss.478 Hierfür sind die bereits seit 1968 bestehende G10-Kommission479 und das 2016 neu geschaffene Unabhängige Gremium zuständig. Beide Kontrollorgane sind in ihren Befugnissen den Gerichten angenähert, aber auf Grund des besonderen Bedürfnisses des Geheimnisschutzes nicht vollends gleichgestellt. Daher ist zumindest die G10-Kommission kein Gericht im klassischen Verständnis.480 Originär ist sie ein Hilfsorgan der Bundesregierung. Sie ist deshalb aber keine parlamentarische Kontrollkom­ mission,481 da sie nicht aus Parlamentarierinnen und Parlamentariern bestehen muss sowie keine eigenen Rechte aus der Verfassung ableiten kann.482 477  BVerfGE 30, 1, 1 ff. – Abhörurteil; 100, 313, 313 ff. – TKÜ I. Letzteres insbesondere auch in Bezug auf das BNDG a. F. Bezogen auf eine teilweise Verfassungswidrigkeit des G10 hinsichtlich der Gefahrenabwehr für die innere Sicherheit: BVerfGE 67, 157, 157 ff. – G10. Ebenso unterlagen andere sicherheitsrechtlichen Gesetze der verfassungsgerichtlichen Kontrolle: vgl. BVerfGE 120, 378, 378 ff. – Automatisierte Kennzeichenerfassung; 130, 151, 151 ff. – Dynamische IP-Adressen; 133, 277, 277 ff. – ATDG; 141, 220, 220 ff. – BKAG. 478  So zuletzt BVerfGE 143, 1, 7, 13 – NSA-Selektoren (G10-Kommission) mit Verweis auf BVerfGE 67, 157, 171 – G10. Ferner Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (36 ff.). 479  Im Rahmen der damaligen Notstandsverfassung vom 24.06.1968 (BGBl. Vol. I, S. 709) ist in Art. 10 Abs. 2 GG eine Ersatzkontrolle in das Grundgesetz eingeführt wurden und durch Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13.08.1968 (BGBl. Vol. I, S. 949) näher austariert. 480  So BVerfGE 30, 1, 28 – Abhörurteil; 67, 157, 170 f. – G10; 143, 1, 13 f. – NSASelektoren (G10-Kommission). 481  Gusy, Art.  10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1096. Zuerst wurde die G10-Kommission durch ein Fünfer-Gremium von Bundestagsabgeordneten bestellt, obgleich die Mitgliedschaft in der Kommission kein Mandat voraussetzte. Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 13.06.1967 zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, BT-Drs. V/1880, S. 11. 482  So bereits BVerfGE 30, 1, 28 – Abhörurteil. Vgl. auch BVerfGE 143, 1, 13 f. – NSA-Selektoren (G10-Kommission).



I. Kontrolle des BND403

Sie ist auch keine Exekutivstelle,483 da sie funktional judikativ und nicht vollziehend tätig wird.484 Weil sie aus einer funktionalen Sichtweise vom Schwerpunkt ihrer Tätigkeit der Arbeitsweise der Verwaltungsgerichtsbarkeit ähnelt,485 wird sie daher vereinzelt als quasi-judikatives Organ gesehen.486 Sie ist jedoch nicht der Judikative zugeordnet, sondern agiert im Funktionsbereich der Exekutive. Daher ordnet das Bundesverfassungsgericht die ­G10-Kommission als ein „Kontrollorgan eigener Art außerhalb der rechtsprechenden Gewalt“487 ein, das als Ersatz für den fehlenden gerichtlichen Rechtsschutz dient.488 Es ist somit ein „Staatsorgan sui generis“489. Dasselbe gilt für das ähnlich agierende Unabhängige Gremium.490 (1) Die G10-Kommission Die G10-Kommission selbst setzt sich aus vier stimmberechtigten Mitgliedern zusammen, welche vom PKGr bestellt werden.491 Eine besondere be483  So aber Borgs-Maciejewski, Einführende Erläuterungen vor § 1 G10, in: ders./ Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, S. 139 (141 ff.). Abweichend BVerfGE 143, 1, 13 f. – NSA-Selektoren (G10-Kommission). 484  Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1445 f. 485  BVerfGE 143, 1, 12 – NSA-Selektoren (G10-Kommission). Ferner Arndt, Das G10-Verfahren, in: BMI, Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 43 (55); Riegel, G10, 1997, § 9, S. 73. Vgl. Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1446, welcher seit dem Urteil des BVerfG aus dem Jahre 1999 zur Telekommunikationsüberwachung eine stetige Erweiterung der quasi-richterlichen Kontrollkompetenzen sieht. Siehe auch BVerfGE 100, 313, 401 f. – TKÜ I. 486  BVerwG, Urteil vom 28.05.2014, Az.: 6 A 1/13, Rn. 36 ff.; Löwer, Art. 10 GG, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, S. 901; Baldus, Art. 10 GG, in: Epping/ Hillgruber, GG, Rn. 58 f.; Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1445. 487  BVerfGE 67, 157, 171 – G10. Die G10-Kommission als „Kontrollorgan eigener Art“ bezeichnend: BVerfGE 143, 1, 10 – NSA-Selektoren (G10-Kommission). 488  BVerfGE 67, 157, 171 – G10; 143, 1, 14 – NSA-Selektoren (G10-Kommission). 489  Arndt, Das G10-Verfahren, in: BMI, Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 54; Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, 2011, S. 17 ff. 490  Ähnlich Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (773). 491  Das BVerfG führte 1999 aus, dass die personelle Ausgestaltung der G10Kommission gesetzgeberisch gewährleistet werden müsse, damit diese ihre Kontroll­ aufgabe effektiv ausüben könne. Siehe dafür BVerfGE 100, 313, 401 – TKÜ I. Dem soll der § 15 Abs. 3 Art. 10-Gesetz gerecht werden. Die Bestellung durch das PKGr legitimiert die G10-Kommission auch demokratisch. Siehe dazu Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15 G10, Rn. 16.

404

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

rufliche Anforderung wird nur an den Vorsitz gestellt, welcher nach § 15 Abs. 1 S. 1 G10 die Befähigung zum Richteramt innehaben muss. Der Vorsitz ist bei Stimmengleichheit in der Kommission gem. § 15 Abs. 1 S. 2 G10 letztentscheidungsbefugt.492 Die Mitgliedschaft wird als öffentliches Ehrenamt wahrgenommen und ihr sind Mitarbeiterinnen und „Mitarbeiter mit technischem Sachverstand“ zur Verfügung zu stellen.493 Alle unterliegen einer Geheimhaltungsverpflichtung.494 (a) Generelle Kontrollaufgabe Die Maßnahmen zu laufender Telekommunikationsüberwachung oder auch die dazugehörigen Verbindungsdaten sind allein vom Anwendungsbereich des G10 erfasst. Um Beschränkungsmaßnahmen i. S. d. G10 vornehmen zu können, bedarf es eines Antrags des BND beim Bundesministerium des Innern und dessen Genehmigung in Form einer Anordnung.495 Die Zustimmung der Kommission ist notwendige Voraussetzung für die Genehmigung einer Beschränkungsmaßnahme.496 Die daran anschließende Verarbeitung der gewonnenen Daten erfolgt aber lediglich im Aufgabenbereich des BND und ohne Mitwirkungsbefugnis der Kommission.497 Die Kontrollaufgabe der G10Kommission erstreckt sich gem. § 15 Abs. 5 G10 somit nur auf die Überprüfung der Zulässigkeit und Notwendigkeit aller angeordneten Beschränkungs492  Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn.  5 ff. 493  Siehe § 15 Abs. 3 S. 2 G10. 494  Diese ist erst am 26.06.2001 auf Empfehlung des Innenausschusses (­BT-Drs. 14/5981, S. 14) später eingeführt worden (BGBl. 2001, Vol. I, S. 1254). 495  Diese Anordnungen ergehen schriftlich und werden ggf. während der Sitzung näher erläutert. Sie können ebenso verkürzt werden oder Ergänzungen enthalten. Die Entscheidung hierüber wird anschließend in einem Ergebnisprotokoll festgehalten. Vgl. zur Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen § 10 Abs. 1 G10. Siehe zu den nötigen Antragserfordernissen § 5 Abs. 1 G10 (für strategische Beschränkungen des internationalen Telekommunikationsverkehrs) oder § 8 Abs. 1 G10 (für spezifische Beschränkungsmaßnahmen des internationalen Telekommunikationsverkehrs bei Vorliegen bestimmter Gefahren). Antragsberechtig ist nach § 9 Abs. 2 G10 neben dem BND auch das BfV, die Verfassungsschutzämter der Länder und der MAD. Allgemein hierzu Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1453. 496  Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15 G10, Rn. 1, 10. 497  Gusy, Grundrechte und Verfassungsschutz, 2011, S. 21 f. Ferner Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 182. Die generelle Kontrolle übernimmt das PKGr. Siehe dafür Schaller, Kommunikations-überwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studien 2016, S. 31. Vgl. zur Berichterstattungspflicht des BMI an das PKGr § 14 sowie § 5 G10.



I. Kontrolle des BND405

maßnahmen zur Verarbeitung personenbezogener Daten, welche im Rahmen des G10 gewonnen werden sollen.498 Das umfasst individuelle Beschränkungsmaßnahmen (§  3  ff. G10) und die strategische Kommunika­ tionsüberwachung (§ 5 ff. G10).499 Der G10-Kommission kommt grundsätzlich eine Präventivkontrolle zu, wonach sie gem. § 15 Abs. 6 S. 1 G10 monatlich über angeordnete Beschränkungen vor deren Vollzug unterrichtet werden soll.500 Ausnahmsweise kann nach § 15 Abs. 6 S. 2 G10 bei Gefahr in Verzug hiervon abgesehen werden, sofern eine Unterrichtung zeitnah nachgeholt wird.501 Die G10-Kommission ist jedoch nicht verpflichtet, die Anord498  Vgl. dazu PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Art. 10 G vom 10.02.2012, BT-Drs. 17/8639, S. 3. Ferner Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1096 ff. Die Zulässigkeit einer Maßnahme sei gegeben, wenn hierfür eine gesetzliche Rechtsgrundlage bestehe. Notwendig wäre eine Beschränkungsmaßnahme, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stünden und in einer Gesamtbetrachtung verhältnismäßig seien. Huber, Geheime Überwachung von Mitarbeitern einer NGO ohne richterliche Genehmigung, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 1513 (1514); VG Berlin Urteil vom 01.03.2012, Az.: VG 1 A 391/08. A. A. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 641; Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15 G10, Rn. 10, die lediglich von einer Prüfung der Erforderlichkeit i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgehen. 499  So Roggan, G-10-Gesetz, 2012, Art. 3, Rn. 1 und Art. 5, Rn. 1, der letztere als „verdachtslose, elektronische Staubsaugermaßnahmen“ klassifiziert. 500  Bertold Huber spricht von einer Zustimmung seitens der G10-Kommission: ders., § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 1. Ähnlich Schaller, Kommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studie 2016, S. 31. Das gilt auch für automatisierte Datenverarbeitungsprogramme wie das DAFIS. Stellt sie fest, dass eine Beschränkung unzulässig oder nicht notwendig sein sollte, muss sie gem. § 15 Abs. 6 S. 6 G10 unverzüglich beendet werden. DAFIS ist ein dreistufiges Datenfilterungs- und -kontrollsystem des BND, welches anhand von Selektoren (Suchbegriffen) automatisierte Daten- und Kommunikationserhebungen durchführt. Dies soll primär zur Filterung von Art. 10 GG-Inhalten von Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträgern dienen, damit keine Kommunikation von diesen weiterverarbeitet wird. Das DAFIS ist dafür programmiert, alle erlangten Kommunikationen zu löschen, wenn diese einen Bezug zu deutschen Grundrechtsträgerinnen oder Grundrechtsträgern aufweisen. Zusätzlich wurden als Korrektiv auf der zweiten Stufe stichprobenartig die übrigen Datensätze händisch überprüft. Vgl. dafür Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 27 ff., 170 ff., 184 ff.; Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1453. 501  Gem. § 1 Abs. 2 G10 unterliegt der BND bei Maßnahmen zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses sowohl der Kontrolle des PKGr als auch der G10-Kommission. Im Verhältnis der beiden benannten Kontrollorgane übernimmt das PKGr i. d. R. die repressive politische Kontrolle der Bundesregierung und des nachgeordneten BND; wohingegen die G10-Kommission als quasi-gerichtliche Instanz überwiegend – aber nicht ausschließlich – präventiv die Zulässigkeit und Notwendigkeit von bestimmten Beschränkungsmaßnahmen nach dem G10 überprüft. Siehe hierfür Huber, Vorbemerkung Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Si-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

nungen abzuwarten, sondern verfügt über eine Initiativkontrollkompetenz oder kann Nachforschungen einleiten, sofern ihr durch Individualbeschwerden hierzu Anlass gegeben wurde (§ 15 Abs. 5 S. 1 G10) und besitzt damit im Ansatz auch repressive Befugnisse.502 Zur Aufgabenwahrnehmung wird der G10-Kommission gem. § 15 Abs. 5 S. 3 G10 ein Frage-, Akteneinsichtsund Zutrittsrecht gegenüber den Kontrollobjekten gewährt.503 Ebenfalls kann sie verlangen, über aktuelle politische Entwicklungen unterrichtet zu werden, sofern dies nicht zu einer Ausforschung nachrichtendienstlicher Aktivitäten, deren Bewertung oder gar zu einer politischen Kontrolle führt.504 Darüber hinaus entscheidet die Kommission gem. § 12 G10 über Mitteilungen von durchgeführten und eingestellten Beschränkungsmaßnahmen an cherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1363, 1451 f.; Schaller, Kommunikations-überwachung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Studie 2016, S. 31; Holzner, Parlamentarische Informationsansprüche, in: DÖV 2016, Vol. 69, S. 668 (670). 502  Statistisch gesehen gingen zwischen dem 01.01.2013 und dem 31.12.2016 insgesamt 65 Beschwerden über Beschränkungsmaßnahmen gem. § 15 Abs. 5 S. 1 G10 ein. Bei allen stellte die G10-Kommission keine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 GG fest. Vgl. hierfür Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 05.12.2017, BT-Drs. 19/163, S. 6 (13 Beschwerden); Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 16.02.2017, BT-Drs. 18/11227, S. 6 (16 Beschwerden); Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 29.01.2016, BT-Drs. 18/7423, S. 6 (14 Beschwerden); Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gem. § 14 Abs. 1 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 G10 vom 08.01.2015, BT-Drs. 18/3709, S. 6 (21 Beschwerden). Siehe ferner Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15 G10, Rn. 13, welcher klarstellt, dass von der Kontrollbefugnis nicht nur die ministerielle Anordnung umfasst ist. Ebenso Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 30. Siehe ferner auch § 2a BNDG. 503  Alle Rechte bestehen nur gegenüber deutschen Nachrichtendiensten. Das Zutrittsrecht erstreckt sich primär auf deren Diensträume. Vgl. Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 26. Im Ergebnis so auch: BVerfGE 143, 101, 133 ff. – NSA-Untersuchungsausschuss. 504  Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1450 f., der die dortigen Fallgruppen als alleinige Aufgabe des PKGr ansieht und der G10-Kommission hierfür kein Beurteilungsspielraum zugesteht. Ebenso Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2000, Vol. 19, S. 387 (389), nach welchen die politische Kontrolle auf „öffentlichkeitsrelevante Aspekte“ beschränkt sei. Ferner Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1096; VG Berlin, Beschluss vom 01.03.2012, Az.: 1 A 398/98. A. A. Holzner, Parlamentarische Informationsansprüche, in: DÖV 2016, Vol. 69, S. 668 (668), nach welchem die G10-Kontrolle auch eine politische Bewertung umfasse.



I. Kontrolle des BND407

die Betroffenen und teilt bei Individualbeschwerden nach § 15 Abs. 5 S. 1 2. Alt. G10 den Personen das Ergebnis der Beschwer mit.505 Betroffen können sowohl diejenigen sein, gegen die sich Beschränkungsmaßnahmen richten, als auch sog. „Nebenbetroffene“.506 Die Mitteilungsverpflichtung ergibt sich bereits aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und den Grundrechten, welche geheime Überwachungsmaßnahmen zwar erlauben, als wesentliche Voraussetzung aber einen kompensatorischen Anspruch auf Benachrichtigung verlangen.507 Den Mitteilungen an die Betroffenen kommt zwar eine besondere Bedeutung zu, allerdings können gewichtige Gründe 505  Die Individualbeschwerde muss förmlich eingelegt werden und den „vagen Verdacht“ äußern, dass man seitens der Nachrichtendienste in seinen Rechten aus Art. 10 Abs. 1 GG betroffen sei. Hierfür reiche bereits die Vermutung aus. Nach Einlegung der Beschwerde prüft die Kommission selbige und betreibt Nachforschungen beim BMI. Fehlen – wie in den überwiegenden Fällen – Anordnungen seitens des BMI, wird im Ergebnis der Beschwerdeführerin bzw. dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die G10-Kommission die Beschwerde geprüft und festgestellt hat, dass sich keine Verletzungen aus Art. 10 GG ergeben. Dieser Bescheid ist dann die Grundlage für etwaige verwaltungsgerichtliche Klagen. Vgl. generell zu diesem Komplex Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1450 f. Die Zahl der Beschwerden bewegt sich pro Jahr im einstelligen oder unteren zweistelligen Bereich. Vgl. dafür Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2010) vom 10.02.2012, BT-Drs. 17/8639, S. 5; Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12. 2009) vom 17.12.2010, BT-Drs. 17/4278, S. 6. 506  Zur Unterscheidung vgl. u. a. Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2016) vom 05.12.2017, BT-Drs. 19/163, S. 5. Zur Problematik der sog. Drittbetroffenen siehe Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1430 f. 507  So BVerfGE 100, 313, 361 – TKÜ I; 109, 279, 363 ff. – Großer Lauschangriff; 125, 260, 335 f. – Vorratsdatenspeicherung. Siehe ferner Ogorek, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2018, Rn. 71. (mit Verweis auf BVerfGE 5, 85, 112, 140 ff. – KPD-Verbot), welcher es als Wesensmerkmal bezeichnet, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung frei von Willkür sein müsse und staatliche Maßnahmen der demokratischen Kontrolle des Volkes unterlägen. Die Mitteilungen und deren Versagung werden von den Bundesbehörden vorgenommen. Die G10Kommission muss aber in alle Verfahren einbezogen werden und hat die Letztentscheidungsbefugnis, um einen umfassenden Überblick über die behördliche Mitteilungspraxis zu erlangen. Die zuständige Behörde ist an das Mehrheitsvotum der Kommission gebunden und muss die für geboten erachtete Mitteilungen unverzüglich vornehmen. So Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 35.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

einer Unterrichtung entgegenstehen.508 Das Bundesverfassungsgericht verwies 1999 in seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung darauf, dass eine Mitteilung von geheimen Beschränkungsmaßnahmen die Regel und nicht die Ausnahme sein solle, um den Betroffenen überhaupt Rechtsschutz zu ermöglichen.509 Eine Benachrichtigung darf demnach nur unterbleiben, wenn dies „dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder des Bestands oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dient“ oder zu absehbaren und hinreichend wahrscheinlich übergreifenden Nachteilen führen würde.510 Wenn die Mitteilung Rückschlüsse auf die Arbeitsweise, den Überwachungsbereich oder auf eine Quelle der Nachrichtendienste offenbart511 bzw. Kooperationsmodelle mit internationalen Diensten belastet würden, wäre eine Versagung legitim.512 Trotz dieser Voraussetzungen steht die Mitteilungsverpflichtung aber im Beurteilungsspielraum der G10-Kommission.513 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Gefahr weggefallen oder kann nachträglich ausgeschlossen werden, gebiete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Benachrichtigung.514 Ob diese Gefahren im Einzelfall 508  BVerfGE 100, 313, 397 f. – TKÜ I; BVerwGE 130, 180. Auch Ogorek, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2018, Rn. 70; Huber, § 15 G10, in: Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 34. 509  BVerfGE 100, 313, 398 – TKÜ I. Ferner Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 48. 510  So schon BVerfGE 30, 1, 19 ff., 31 f. – Abhörurteil. Ferner BVerfGE 67, 157, 173 ff., 397 – G10; 100, 313, 397 – TKÜ I. Auch einen verfassungsfeindlichen Verdacht, der sich auf konkrete Umstände bezieht, fordernd: Ogorek, Art. 10 GG, in: Epping/Hillgruber, GG, 40. Ed. 2018, Rn. 71; Windthorst, Art. 10 GG, in: Gröpl/ders./von Coelln, GG, 3. Aufl. 2017, S. 221. Ebenso Pagenkopf, Art. 10 GG, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 47 f.; Jarass, Art. 10 GG, in: ders./Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, S.  340 f. 511  So BVerfGE 30, 1, 19 – Abhörurteil; 67, 157, 185 – G10; 100, 313, 397 f. – TKÜ I. 512  So etwa bei BVerfGE 143, 101, 139 ff. – NSA-Untersuchungsausschuss. Das BVerfG erkannte als weitere Gründe für ein Unterlassen einer Mitteilung die Zweckgefährdung an, wonach das Offenlegen von Erkenntnissen oder angewandter Methoden im konkreten Fall die Aufgabenwahrnehmung des Dienstes gefährden müsse. Eine Zweckgefährdung liegt vor, wenn die für notwendig erachtete Aufklärung eines Sachverhaltes erschwert und der konkrete Zweck der Beschränkung im Einzelfall damit gefährdet werden würde. Ähnlich Huber, § 12 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1431. Siehe ferner BVerfGE 57, 250, 284 – V-Mann; 100, 313, 397 f. – TKÜ I, welche hierunter auch den Schutz von Informationsquellen zählen. 513  BVerwG, Urteil vom 23.01.2008, Az.: 6 A 1/07, Rn. 42. 514  So schon BVerfGE 30, 1, 21, 31 f. – Abhörurteil. Daher dürften die erfassten Daten, nicht innerhalb eines zu kurzen Zeitraums gelöscht werden, sondern müssen zu Protokollierungs- und Mitteilungszwecken gespeichert bleiben. BVerfGE 100, 313,



I. Kontrolle des BND409

(noch) bestehen, liegt im Beurteilungsspielraum der Behörde, die hierfür eine Gefahrenprognose bei der G10-Kommission darlegen muss.515 Werden aber Personen nur rein zufällig miterfasst und standen diese nicht im Fokus der Ermittlungen, stellt das Bundesverfassungsgericht nicht dieselben hohen Anforderungen an derartige Mitteilungspflichten, da die Betroffenen tendenziell kein Interesse an einer Mitteilung hätten.516 Des Weiteren besteht im Unterschied zum PKGr bei der Aufgabenwahrnehmung der G10-Kommission laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der G10-Kommission Bertold Huber nicht die Möglichkeit, ein Auskunftsersuchen wegen des Kernbereiches der exekutiven Eigenverantwortung abzulehnen.517 Daher existiert bei der Ersatzgerichtsbarkeit auch keine Dienstverschwiegenheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienste oder ein Herausgabeverweigerungsrecht für geheimhaltungsbedürftige Akten, sodass der Kommission umfassend Auskunft zu erteilen ist.518 In Folge dessen sind die Beratungen der Kommission aber weder parlamentsöffentlich noch allgemein zugänglich.519 (b) Neuerungen durch die Gesetzesreformen 2016? Die „massive Stärkung“ der G10-Kommission und weitreichende Reformen, wie noch vom Eckpunktepapier der SPD-Fraktion gefordert,520 blieben 398 – TKÜ I. Der damalige § 3 Abs. 8 S. 2 G10 a. F. wurde daher vom BVerfG beanstandet, weil die kurze Löschungsfrist dazu führe, dass nicht mehr nachzuvollziehen war, was mit den gewonnenen Daten zwischenzeitlich passiert war. 515  Vgl. BVerwGE 130, 180. Gerade bei einer Vielzahl von Betroffenen muss eine Benachrichtigung für diejenigen erfolgen, deren Beschränkungsmaßnahmen eingestellt wurden. Dies gelte nicht, wenn davon auszugehen sei, dass diese Person zu noch überwachten Personen Kontakt halten. So Huber, § 12 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1431 f. Zur behörden­ internen Kontrolle siehe Kaysers, Die Unterrichtung Betroffener über Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, in: AÖR 2004, S. 121 (127); Durner, Art. 10 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 174 f. 516  BVerfGE 125, 260, 337 – Vorratsdatenspeicherung. Eine Unterrichtung kann somit generell unterbleiben, wenn diese Personen nur unerheblich betroffen wurden. Die Mitteilungsschreiben enthalten allerdings generell keine konkreten Hinweise auf Zwecke, Tätigkeiten oder Methoden des BND. So Huber, § 12 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1433. 517  Dort in § 6 PKGrG geregelt. Vgl. Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1447. 518  Ebd., S.  1447. Bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit wäre dies über § 99 VwGO möglich. 519  Siehe dazu auch § 15 Abs. 2 Art. 10-Gesetz. 520  SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rechtsstaat wahren – Sicherheit gewährleisten!, 2015, S. 4 f., 8 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

2016 weitgehend aus und führten lediglich zu redaktionellen Änderungen des G10.521 Die Novelle untermauerte vielmehr die klare Separierung von Kontrollbefugnissen im In- und Ausland.522 Dies verdeutlicht die Erweiterung der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung im BNDG, für die ein neues Kontrollorgan geschaffen wurde, ohne die Befugnisse der G10 zu erweitern.523 Lediglich in § 10 Abs. 4 BNDG wurde hinzugefügt, dass durch das neu geschaffene Unabhängige Gremium genehmigte Überwachungsmaßnahmen, die deutsche Staatsangehörige adressieren, der G10-Kommission gemeldet werden müssen, damit diese über Mitteilung an die Betroffenen entscheiden kann. Weitere Änderungen, wie die Übertragung der Pflichten von Telekommunikationsdienstleistern aus dem Telemediengesetz für das Unabhängige Gremium, wurden zwar analog zu den Bestimmungen des G10 eingeführt, ohne aber die Befugnisse der G10-Kommission zu beschneiden oder zu erweitern.524 Positiv hervorzuheben ist allerdings die – wenngleich beschränkte – Möglichkeit der Zusammenarbeit der Kontrolleurinnen und Kontrolleure. Es ist jedoch anzumerken, dass die G10-Kommission schon vorher befugt war, die bzw. den BfDI bei grundrechtsrelevanten Fragen im Bereich des Art. 10 GG zu ersuchen.525 (2) D  ie Neuschaffung des Unabhängigen Gremium durch das Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND und dem damit einhergehenden § 16 BNDG wurde 2016 ein 521  Im G10 wurden nur Paragraphenzuweisungen geändert. Siehe dafür Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 17. Siehe auch Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamenta­ rischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (770). 522  Dem G10 unterfallen nicht die Situationen, in denen der BND Beschränkungsmaßnahmen gegenüber Ausländerinnen oder Ausländern, die sich im Ausland befinden, vom In- oder Ausland aus vornimmt (auch bekannt als sog. Routine-Verkehr). So Karl/Soiné, Neue Rechtsgrundlagen für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, in: NJW 2017, Vol. 70, S. 919 (919). Ferner Gesetzentwurf der Frak­ tionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22 f. Vgl. dazu ferner die Unterrichtung des Bundestages durch das PKGr vom 07.07.2016, BT-Drs. 18/9142, S. 3 (Fn. 4, letzter Satz). 523  Vgl. auch Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (770). 524  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 16 f., 19, 22. 525  Vgl. bereits § 15 Abs. 5 S. 4 G10.



I. Kontrolle des BND411

weisungsfreies (Abs. 1 S. 2) und geheim (Abs. 5 S. 1) tagendes Unabhän­ giges Gremium als weitere Kontrollinstanz im auslandsnachrichtendienst­ lichen Sektor geschaffen.526 Die Normen orientieren sich an den etablierten Regelungsmodellen der G10-Kommission527 und sollten den wesentlichen Schwerpunkt des Entwurfes darstellen.528 Strukturell ist das Unabhängige Gremium beim Bundesgerichtshof angesiedelt und besteht aus drei Personen, welche vom Bundeskabinett für sechs Jahre berufen werden.529 Der Vor- und Beisitz sind gem. § 16 Abs. 2 BNDG von einer Richterin oder einem Richter am BGH mit Erfahrung in Strafsachen zu begleiten, wohingegen die zweite beisitzende Person eine Bundesanwältin bzw. ein Bundesanwalt des Bundesgerichtshofs sein soll.530 Aufgabe des Unabhängigen Gremiums ist die Kontrolle von Anordnungen nach § 6 Abs. 1 BNDG für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND.531 Sie dient als Vorab-Kontrollinstanz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die – ähnlich wie die G10-Kommission – grundsätzlich vor Vollzug vom Bundeskanzleramt zu unterrichten ist.532

526  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 11 f. 527  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 19. 528  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 19. Ferner Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (165); Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (772 f.), welcher der Ansicht ist, dass es mangels gerichtlicher Befugnisse zwischen den Gewalten anzusiedeln sei. 529  Vgl. § 16 Abs. 2 BNDG. 530  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 31. Die Stellvertretungen sind mit je zwei Richterinnen bzw. Richtern des BGH sowie mit einer Bundesanwältin bzw. einem Bundesanwalt vorgesehen. Dazu auch Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs. 18/9041), Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 15. 531  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 23. 532  Vgl. § 9 Abs. 4 S. 1 BNDG. So auch Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 19, 31. Ferner Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Das Gremium prüft nach der Unterrichtung – ebenfalls sehr ähnlich wie die G10-Kommission – die Zulässigkeit und Notwendigkeit der Anordnung i. S. e. Erlaubnisvorbehaltes.533 In Situationen von Gefahr in Verzug kann ausnahmsweise eine Unterrichtung nachgeholt werden, „wenn das Ziel der Maßnahme ansonsten vereitelt oder wesentlich erschwert würde.“534 Erachtet es eine oder mehrere Maßnahmen für unzulässig oder nicht notwendig, müssen diese unverzüglich eingestellt werden.535 Das Unabhängige Gremium ist zudem befugt, jederzeit stichprobenartig die Einhaltung des § 6 Abs. 3 BNDG sowie die nach § 15 BNDG vorgesehene automatisierte Übermittlung von Informationen und personenbezogenen Daten an ausländische öffentliche Stellen zu kontrollieren,536 welcher die gezielte Erfassung und Verwendung von Daten über unionale oder mitgliedstaatliche öffentliche Stellen sowie Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nur unter gewissen Umständen erlaubt. Zusätzlich erstreckt sich die Befugnis auf dafür verwendete Selektoren gem. § 6 Abs. 3 S. 2 BNDG. Des Weiteren ist eine Unterrichtung des PKGr vorgesehen.537 Diese soll in abstrakter Form geschehen und darf keine genauen Details offenbaren.538 (3) Z  wischenfazit zur quasi-gerichtlichen Kontrolle der ­Ersatzgerichtsbarkeit Bereits die Einführung einer Ersatzgerichtsbarkeit durch die G10-Kommission stieß vermehrt auf verfassungsrechtliche Bedenken,539 obgleich sie und SPD eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs. 18/9041), Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 16 ff. 533  Vgl. § 9 Abs. 4 S. 2 BNDG. So auch Graulich, Gutachterliche Stellungnahme zum Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs. 18/9041), Innenausschuss Drs. 18(4)653 B, S. 16. 534  Vgl. § 9 Abs. 4 S. 3 BNDG. Dieses Modell entspricht dem Pendant der G10Kommission in § 15 Abs. 6 G10. Ferner Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (531). 535  Vgl. § 9 Abs. 4 S. 5 BNDG. Hierfür kann bspw. § 11 BNDG – der Kernbereichsschutz – relevant sein, wonach eine Maßnahme unzulässig wäre, sollten allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gewonnen werden. 536  Vgl. § 9 Abs. 5 S. 3; § 15 Abs. 3 S. 7 BNDG. Letzter stellt mit Verweis auf § 11 BNDG klar, dass bei automatisierten Datenübermittlungen der Kernbereichsschutz zu achten sei. Ferner Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (165). 537  Vgl. § 16 Abs. 6 BNDG. 538  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 32.



I. Kontrolle des BND413

nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden der G10-Kommission Bertold Huber „intensiver als jede gerichtliche Kontrolle“ sei.540 Allerdings fehlen der Kommission effektive Kontrollrechte, was auch Huber beanstandete.541 Schon vor den Novellen kritisierten Tobias Kumpf, Fredrik Roggan und Christoph Gusy, dass die G10-Kommission zu stark auf die Informationen des BND angewiesen sei und potenzielle fehlende oder Fehlinformationen nur im geringen Maße kontrolliert werden könnten.542 Hieran änderte sich nichts. Obgleich Bernadette Droste behauptet, dass Verfehlungen noch nie vorgekommen und daher weitere Kontrollbefugnisse nicht nötig seien,543 entgegnet Fredrik Roggan, dass sich effektive Kontrolle nicht allein auf einer Vertrauensbasis begründe.544 Selbst wenn eine solche bestünde, zeigten Beispiele aus der Praxis, dass diese sehr wohl umgangen wurden: So darf nach § 10 Abs. 4 S. 4 G10 höchstens 20 % der Übertragungskapazitäten überwacht werden, die G10-Kommission kann nach Bewilligung eines solchen Überwachungsantrags durch die Dienste und des Bundesministeriums des Innern die

539  Vgl. dazu u.  a. Hermes, Art. 10 GG, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, S.  1192 ff.; Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, S.  1042 ff. 540  Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1447. Ähnlich Kaysers, Die Unterrichtung Betroffener über Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, in: AÖR 2004, Vol. 129, S.  121 (133  ff). A. A. Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15, Rn. 11, nach welchem wegen personeller, technischer und faktischer Kapazitäten eher eine „summarische Prüfung“ stattfinde. 541  Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164 ff.). 542  Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 183, der beschreibt, dass bei der Mitwirkung an Genehmigungen und Beschränkungsmaßnahmen die Gefahr des „Distanzverlustes“ bestehe, da diese auf Grundlage der vorgetragenen Informationen der Behörde bewertet würden. Ferner Gusy, Art. 10 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 1098; Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15, Rn. 9 ff. 543  Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechtes, 2007, S. 642. Ähnlich Kaysers, Die Unterrichtung Betroffen-er über Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, in: AÖR 2004, Vol. 129, S. 121 (133 ff). 544  Kritisch dazu Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15, Rn. 11. Zudem sei schon zweifelhaft, gegenüber wen diese Vertrauensbasis bestehe. Der Umfang der gebündelten Abhörvorgänge durch den BND bemisst sich seit 2011 alleinig anhand der Anordnung des Bundesinnenministeriums, welches auf Antrag des Dienstes gem. § 5 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 4 G10 ergeht und nicht vom fachaufsichtlichen Bundeskanzleramt vorgenommen wird. Vgl. dazu Novellierung des G10 durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des BVerfSchG vom 07.12.2011, BGBl. 2011, Vol. I, S. 2576. Dies kritisiert Schantz, Rechtsschutz gegen die strategische Fernmeldeüberwachung: Ein „blinder Fleck“ im Rechtsstaat?, in: NVwZ 2015, Vol. 34, S. 873 (873).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Einhaltung dieser Grenze aber nicht mehr überprüfen.545 Dahingegen berichteten Betreiber von Internetknotenpunkten vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass sie vom BND dazu verpflichtet wurden, mehr als 20 % der Übertragungskapazitäten an den BND zu übermitteln.546 Daher forderte Bertold Huber für die G10-Kommission einen eigenen Online-Zugang zu den Betriebssystemen des BND und verwies auf Beispiele aus den Niederlanden und Norwegen, die einen solchen bereits für ihre Kontrollorgane gewähren.547 Einen solchen vollen Zugriff auf sämtliche Unterlagen der Dienste und ein umfassendes Auskunftsrecht bietet ebenso Großbritannien seinem Investigatory Powers Tribunal. Diese Praxis aus anderen Staaten zeigt, dass umfassende nationale Kontrolle und die ebenfalls wichtige Zusammenarbeit zwischen den ausländischen Auslandsnachrichtendiensten sich gerade nicht gegenseitig ausschließen, sondern auch Hand in Hand gehen können. Kurt Graulich zeigte zudem auf, dass die Kooperation im Zuge der NSASelektoren zumindest teilweise verfassungswidrig war.548 Dennoch durfte die 545  BVerwGE 149, 359, 367. Rechtlich sei es nicht zu beanstanden, wenn die Anordnungen auf 20 % begrenzt seien. Eine nachträgliche Kontrolle dessen sei auch nicht notwendig. 546  Dies sah der Betreiber als rechtswidrig an und klagte vor dem BVerwG. Die Klage wurde in Bezug auf Art. 10 GG vom BVerwG als unzulässig abgewiesen, da sich der klagende Internetknotenpunktbetreiber DE-CIX nicht auf Art. 10 Abs. 1 GG berufen könne. Somit blieben auch die Folgefragen unbeantwortet. Vgl. dafür BVerwG, Urteil vom 30.05.2018, Az.: 6 A 3.16. 547  Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 26. Vgl. dazu genauer Abschnitt D.II.3. 548  Die NSA-Selektoren wurden vom BND genutzt und überprüft. Eine Kontrolle dieser durch die G10-Kommission hat jedoch nicht stattgefunden. Ebenso waren nur die von der NSA übermittelten Selektoren, die auf die Ablehnungslisten des DAFIS kamen, Teil der Untersuchung von Kurt Graulich (ca. 40.000 Selektoren) und nicht die vom BND selbst verwendeten Selektoren. Im Vergleich zur Gesamtzahl der von der NSA angefragten Selektoren beim BND liegt diese Zahl nur im Promillebereich. Insgesamt geht er von mind. 40 Millionen Selektoren aus, die ungeprüft blieben und durchaus grundrechtsrelevante Bereiche tangierten. Er konnte jedoch nicht beantworten, wie viele Grundrechtsträgerinnen und -träger betroffen waren. Er gab jedoch Auskunft darüber, dass schätzungsweise 140 Telekommunikationsmerkmale deutscher Grundrechtsträgerinnen bzw. -träger betroffen waren, die bis zu einem Vierteljahr gesteuert wurden, 261 Telekommunikationsmerkmale wurden länger als ein Vierteljahr gesteuert und 239 Telekommunikationsmerkmale konnten nicht berechnet werden, weil hierfür Daten fehlten oder nicht vorgelegt wurden. Ein Telekommunika­ tionsmerkmal kann eine Vielzahl von Selektoren beinhalten (sog. Permutation). Siehe Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 27, 99, 192 ff., 217 ff. Andere Grundrechtsbeschränkungen, auf denen laut Gerhard Schindler auch der Fokus liegt, blieben außen vor. Vgl. ders., Rede des BND-Präsidenten anlässlich der 3. Nachrichtendienst-Konferenz vom 29.10.2015, Der nachrichtendienstliche Mehrwert – Möglichkeiten und Grenzen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung.



I. Kontrolle des BND415

G10-Kommission keinen Einblick in die bekannt gewordene NSA-Selektorenliste erhalten,549 obwohl die Vorlage von Akten an die G10-Kommission aus Geheimhaltungsgründen grundsätzlich nicht verweigert werden dürfte.550 Zwar berichtet das PKGr regelmäßig, dass die Bundesregierung ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber der G10-Kommission ausführlich nachkomme,551 es fehlen aber klar überprüfbare Regelungen, wann ausnahmsweise Informationen gegenüber einem geheim agierenden Gremium vorenthalten werden dürfen.552 Darüber hinaus stellte Kurt Graulich fest, dass das DAFIS, welches personenbezogene Daten mit Deutschlandbezug ausfiltern soll, da sie nicht vom BND verarbeitet werden dürften,553 lediglich ein „unzureichender Filter“ 549  BVerfGE 143, 1, 10 ff. – NSA-Selektoren (G10-Kommission). Hiernach war die G10-Kommission nicht parteifähig i. S. d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 GOBT, weil sie weder ein oberstes Bundesorgan noch mit eigenen verfassungsmäßigen Rechten ausgestatteter anderer Beteiligter sei. Somit fehlt der G10-Kommission die Kompetenz, das G10 verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen. Kritisch Schantz, Rechtsschutz gegen die strategische Fernmeldeüberwachung, in: NVwZ 2015, Vol. 34, S.  873 (876 f.). 550  Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1447. 551  Vgl. den hierzu in den letzten fünf Berichten jeweils identischen Text: Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2016) vom 05.12.2017, BT-Drs. 19/163, S. 4; Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2015) vom 16.02.2017, BT-Drs. 18/11227, S. 4; Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2014) vom 29.01.2016, ­BT-Drs. 18/7423, S. 4; Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2013) vom 08.01.2015, BT-Drs. 18/3709, S. 4; Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2012) vom 19.12.2013, BT-Drs. 18/218, S. 4. 552  Vgl. § 15 Abs. 2 G10. 553  Es gibt drei Klassen von abgelehnten Selektoren: 1. Selektoren, die nie gesteuert wurden. Nach Übermittlung werden (wöchentlich) Selektoren mit DAFIS abgeglichen und am Ende abgelehnt oder „gesteuert“ (69 % dieser beziehen sich auf deutsche Staatsangehörige in Deutschland). 2. Die Selektoren wurden kurzfristig (ca. ein Vierteljahr) gesteuert, da das DAFIS sie nicht ausgefiltert hat, aber im Nachhinein durch weitere Erkenntnisse aussortierte (21 % davon betrafen deutsche Staatsangehörige in Deutschland). 3. Selektoren, über 100 Tagen nach Ablehnung gesteuert wurden (betraf nur deutsche Staatsangehörige). Siehe Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S.  174 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

sei.554 Dass dies seitens der G10-Kommission nicht bekannt war, gleichzeitig auch regelmäßig keine Verstöße gemeldet wurden, spreche nicht zwangsläufig für die gute Zusammenarbeit der Kontrollorgane und Kontrollobjekte sowie eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung.555 Fredrik Roggan sieht darin vielmehr die strukturell unzureichende Kontrolle der Nachrichtendienste556 und zeigt – wie Domenic Hörauf es beschreibt – dass die G10-Kommisson ein „Kontrollmechanismus ‚2. Klasse‘ “557 sei. Ferner fehlt im G10 die vom EGMR im Fall Szabó und Vissy geforderte Verschärfung der Begründungspflicht für die Durchführung geheimer Beschränkungsmaßnahmen sowie bei Versagungen einer Mitteilung an die Betroffenen, wonach diese zum Erhalt der demokratischen Ordnung „unbedingt notwendig“ sei.558 Diese erhöhte Begründungspflicht war bereits im Entwurf 554  Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164). Zudem wies Kurt Graulich darauf hin, dass die BND-eigenen DAFIS-Filter auch nur das filtern können, wozu sie programmiert wurden, weswegen gerade EU-Institutionen sowie Unionsbürgerinnen bzw. Unionsbürger bis vor kurzem abgehört wurden und dies derzeit ebenso für einige Personen gilt, von deren „Rechtslosigkeit“ der BND und die Regierung weiterhin irrig ausgehen. Vgl. Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 171. 555  So aber vormals Huber, § 12 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1429. Bertold Huber schreibt, dass unterlassene Mitteilungen in der Praxis die Ausnahme seien und verweist dafür auf den Berichtszeitraum 2010 und 2011. Seit der Forderung der Aufstockung der personellen und sachlichen Mittel der G10-Kommission durch das BVerfG in der TKÜ I-Entscheidung sei davon auszugehen, dass eine intensive und effektive Prüfung stattfände. Dieser revidierte seine Aussagen später teilweise. Ders., BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164). Eine personelle und finanzielle Aufstockung fordernd: Muižnieks, Bericht des Menschenrechtskommissars nach seinem Besuch in Deutschland im April und Mai 2015, S. 3 f., 18 ff. Die mangelnde Umsetzung wurde von der SPD-Fraktion 2015 gerügt, ohne dass diese jedoch im Jahr 2016 in ihrem folgenden Gesetzesentwurf eine Nachbesserung eingebracht hat. Vgl. dafür SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rechtsstaat wahren – Sicherheit gewährleisten!, 2015, S. 8 f. Siehe ebenso Rede im Bundestag vom PKGrVorsitzenden Clemens Binninger vom 21.10.2016, Stenografischer Bericht der 197. Sitzung, Plenarprotokoll 18/197, S. 19613 f., welcher die Personalmittel der Vergangenheit kritisierte. 556  Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15, Rn. 11. A.  A. Kaysers, Die Unterrichtung Betroffener über Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, in: AÖR 2004, Vol. 129, S. 121(133 ff.). 557  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 191. Ähnlich Schantz, Rechtsschutz gegen die strategische Fernmeldeüberwachung, in: NVwZ 2015, Vol. 34, S. 873 (877). 558  EGMR, Szabó & Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 73 ff. Der EGMR wies darauf hin, dass die Erforderlichkeit im Einzelfall zu begründen sei und allgemeine stereotype Begründungen nicht ausreichen.



I. Kontrolle des BND417

vom 06.09.1978 angelegt, werde in der Praxis aber „nicht immer berücksichtigt“.559 Daher schlug Thorsten Wetzling vor, einen „Anwalt der Betroffenen“ in die Gremien hinzuzuziehen, damit die „Opferperspektive“ in die Entscheidungen mit einfließen und nicht nur die Exekutive ihre Argumente vorbringen könne.560 Zudem verwies der EGMR darauf, dass Beschränkungsmaßnahmen zwar bei Gefahr in Verzug ohne vorherige Unterrichtung der jeweiligen Kontrollgremien vorgenommen werden dürften, diese aber umgehend nachzuholen seien.561 Hierfür dürften nicht mehr als 72 Stunden benötigt werden.562 Da die G10-Kommission jedoch gem. § 15 Abs. 6 G10 nur monatlich unterrichtet wird und keine Ausnahmeregelungen hierzu vorgesehen wurden, führt dies zur Konventionswidrigkeit.563 Die Neuschaffung des Unabhängigen Gremiums setzte bei der generellen Kritik der Ersatzgerichtsbarkeit an.564 Heinrich Wolff bezeichnete deren Schaffung als „unglücklich, da es zur weiteren „Zersplitterung der Kon­ trolle“ beitrage.565 Er kritisiert vor allem, dass die Bundesregierung gar nicht auf die Vorschläge zur kompetenziellen Erweiterung der bestehenden Organe eingegangen sei und stattdessen ein System von Kontrollvermeidung geschaffen habe.566 Dem schlossen sich – wenngleich mit teilweise milderen Umschreibungen – Gerhard Schindler und Klaus Gärditz an.567 Wohingegen 559  Zur Praxis der Begründungen siehe Huber, Geheime Überwachung von Mitarbeitern einer NGO, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 1513 (1514). 560  Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 12 f. 561  EGMR, Szabó & Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 79. Siehe auch Abschnitt D.I.3.a). 562  EGMR, Szabó & Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 79 ff. 563  Huber, Geheime Überwachung von Mitarbeitern einer NGO, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 1513 (1514), der zur Lösung vorschlägt, sich an § 15 Abs. 6 S. 7 G10 zu orientieren, wonach Beschränkungsmaßnahmen wegen schwerer Delikte auf drei Tage ohne richterliche Anordnung begrenzt seien. Ebenfalls hält dieser § 12 Abs. 1 S. 3 G10 für verfassungswidrig, da eine Zurückstellung bzw. ein Aufschub für eine Mitteilung nicht mehr möglich seien, da unmittelbar nach Beendigung der Maßnahme die betroffenen Personen informiert werden müssten. Huber, § 12 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1434. 564  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 23. 565  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4, 12. 566  Ebd. 567  Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (532); Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 4.

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Schindler diese „Parallelstruktur“ nur „systematisch nicht überzeugend“ bewertete und die ständigen Systembrüche und Vermischungen von Befugnissen beklagte,568 führt nach Gärditz die „unnötige Vermehrung der Kontrollorgane [… zur] Beeinträchtigung des Geheimschutzes, die sich als dysfunktional“ erweise und einen „Kontroll-Overkill“ auslöse.569 Dabei wäre es nach Heinrich Wolff rechtlich unbedenklicher gewesen, die Kontrolle der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung bei ein und demselben Gremium anzusiedeln, da das Unabhängige Gremium systematisch eng mit der G10Kommission zusammenhänge und sich nur vom ausgewählten Personenkreis hin unterscheide.570 Dem hält Christoph Gusy allerdings entgegen, dass diese Zersplitterung der Kontrolle eine Strategie sei, um nie das große Ganze einer oder auch nur weniger Kontrollstellen offenbaren zu müssen, um die fast einzigartige Informationsmonopolstellung des BND nicht zu gefährden.571 Dass selbst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oftmals gar nicht wüssten, wonach sie eigentlich suchten oder weswegen sie einen bestimmten Auftrag bekämen, zeige das große Misstrauen des BND gegenüber allen eingebundenen Akteurinnen bzw. Akteuren. Diese gelten lediglich als „potenzielles Leck“ und mögliche Transporteure streng geheimer Informationen an die Öffentlichkeit. Vertieft wird diese „Parallelstruktur“ dadurch, dass das Unabhängige Gremium nicht in die Kooperation der Nachrichtendienstkontrollorgane mit einbezogen wird, geschweige denn genaue Verstöße oder Hinweise auf spezifische Missstände an das PKGr weitergeben darf, obwohl dessen Kontrollrechte unberührt bleiben sollen und das Unabhängige Gremium als Berichts568  Gerhard Schindler nennt dafür § 8b Abs. 2 BVerfSchG, welcher es der G10Kommission erlaube, gem. § 8a BVerfSchG besondere Auskunftsverlangen vorzubringen, die kaum Art. 10 GG-Relevanz haben und über § 2a BNDG für den BND gelten würden. Die Schaffung einer zusätzlichen Stelle, deren Aufgaben sich teilweise überschneiden, führe zur Unübersichtlichkeit und Unsystematisierung. Vgl. Schindler, Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (E-BNDG) und des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes (EPKGrG), Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 4 ff. 569  Siehe Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 19 f. Der Vergleich von Klaus Gärditz lehnt sich an selbige von Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 137 ff. an. 570  Vgl. Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4. Ähnlich hierzu Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (165). 571  So auch Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (443).



I. Kontrolle des BND419

organ fungieren soll.572 Thorsten Wetzling spricht deshalb von einem neuen „Trennungsgebot“ im nachrichtendienstlichen Kontrollrecht.573 Die rechtlich nicht vorgesehene Kooperationsmöglichkeit stößt auch beim Deutschen ­Institut für Menschenrechte sowie bei Klaus Gärditz auf Unverständnis,574 obgleich letzterer diese als „Redaktionsversehen“ bewertet.575 Wegen des ­ vergleichbaren Aufgabenspektrums wäre aber mindestens eine Kooperation zwischen Unabhängigen Gremium und G10-Kommission notwendig gewesen.576 Des Weiteren sind die Kontrollbefugnisse des Unabhängigen Gremiums lediglich rudimentär ausgestaltet, da ihnen neben dem Mikrokontrollsektor nicht einmal ein Zutrittsrecht zu den Diensträumen des BND oder anderer Stellen gewährt wird577 – das Kontrollorgan somit gänzlich abhängig von den Informationen und Wohlwollen des Kontrollobjektes ist.578 Eine stichprobenartige Kontrolle des Unabhängigen Gremiums ist nur für EU-relevante 572  Vgl. § 9 Abs. 5 S. 3 BNDG und § 16 Abs. 6 BNDG. Siehe ferner Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (773), welcher die Entfernung des in Karlsruhe ansässigen Unabhängigen Gremiums und den Berliner Kontrollstellen, wo ebenso der BND angesiedelt ist, als „ein wenig merkwürdig“ bezeichnet. Ähnlich Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 20. 573  Vgl. Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 14. 574  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23; Töpfer, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 12. 575  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. Er betont jedoch ebenso, dass der Austausch mit dem Unabhängigen Gremium „konsequent gewesen“ wäre und „strukturelle Schwächen“ zu erkennen seien: ebd., S. 19; Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533). 576  Siehe hierzu kritisch auch Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (773). 577  Thorsten Wetzling schlägt gemeinsame Kontrollbesuche der Gremien vor. Ders., Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 10, 14. 578  So auch Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (165). Im Gesetzesentwurf ist zwar vorgesehen, dass das Unabhängige Gremium bspw. eine Erläuterung zu ausgewählten Selektoren verlangen kann, die aber weder gesetzlich normiert oder genau determiniert ist. Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 27.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Fälle gem. § 6 Abs. 3 i. V. m. § 9 Abs. 5 S. 3 BNDG vorgesehen, was weder effektiv noch überzeugend ist.579 Vielmehr bürgen gerade die „deutlich riskanteren Operationen außerhalb der EU […] Eskalationspotential und bedürfen daher der Kontrolle“.580 Überdies sieht Andrea Voßhoff den § 6 Abs. 4 BNDG als verfassungswidrig an, weil über die Telekommunikationsnetze auch rein nationale Gespräche laufen könnten, deren Abfangen unzulässig sei, dennoch de facto durch die Regelung jederzeit erhoben würden. Solange es technisch nicht realisiert werden könne, dass derartige Kommunikationen nicht abgefangen werden, sei die Regelung verfassungswidrig.581 Es läge daher nahe, stichprobenartige Kontrollen für den rechtmäßigen Vollzug der Maßnahmen einzuführen, welche bislang nicht existent seien.582 Ein zusätzlicher Kritikpunkt ist die fehlende Unabhängigkeit zum Kon­ trollobjekt.583 Heinrich Wolff und Thorsten Wetzling verweisen darauf, dass sich momentan die Bundesregierung ihre Kontrolleurinnen und Kontrolleure selbst aussuche, da ihr die Wahl des Unabhängigen Gremiums obliege.584 Nach Klaus Gärditz ist so nicht ersichtlich, wie das Kontrollorgan unter ­diesen Umständen „funktionale[r] Antagonis[t] zum Bundeskanzleramt“ sein soll.585 Aus Perspektive einer effektiven Ersatzkontrolle und i. S. d. Gewaltenteilung dürfte das Unabhängige Gremium nicht an die Bundesregierung 579  So Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 21. 580  Ebd. 581  Voßhoff, Schriftliche Stellungnahme der Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BT-Drs. 18/9041), Innenausschuss Drs. 18(4)660, S. 5. Zusätzlich dazu beklagt die BfDI fehlende bzw. klarstellende Regelungen, dass ihre Rechte bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung fortbestünden. Sie nennt dafür die Unterrichtungspflicht für die Fälle der § 6 Abs. 7 (Informierung über neue Dienstvorschriften des BND), § 10 Abs. 4 S. 2 (Unterrichtung bzgl. nicht unverzüglich gelöschter Daten), § 13 Abs. 5 S. 2 (Absichtserklärung zur Kooperation mit ausländischen öffentlichen Stellen), § 15 Abs. 3 S. 3 (Unterrichtung über die Einhaltung der automatisierten Datenerhebung) sowie § 26 Abs. 3 BNDG (Zusammenarbeit mit ausländischen öffentlichen Stellen innerhalb der EU). 582  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 21. 583  Weiterhin sei das Gremium an sich als fragwürdig zu klassifizieren, da es keiner eigenen Kontrollgewalt geschweige denn der Legislative, Exekutive oder der Judikative zugeordnet wurde. So Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (773). 584  Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 8 f.; Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 12. Vgl. auch § 16 Abs. 2 BNDG. 585  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 20.



I. Kontrolle des BND421

angebunden sein, sondern die Wahl durch das Plenum oder das PKGr erfolgen, um eine „organisatorische Parlamentarisierung“ zu erreichen.586 Ein weiterer Missstand, welcher sich durch alle Bereiche zieht, ist das Fehlen eines effektiven Sanktionsapparates. Wenn entgegen der gesetzlichen Bestimmungen personenbezogene Daten aus der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung verarbeitet wurden, ohne dass eine Unterrichtung erfolgte oder die zu unterlassenen Maßnahmen weitergeführt wurden, fehlen sowohl Kontroll- und Klagemöglichkeiten als auch Sanktionierungsmechanismen.587 Übersicht 2588 Kontrollgremien und -organe des BND nach den Reformen 2016 (Neuerungen aus 2016 fett/bestehende Organe zur Kontrolle des BND seit 1975 kursiv) Parlamentarisch

Exekutiv

(Quasi-)Judikativ

Allgemeine Kontrolle Plenum und Abgeordnete des Bundestages: Repressive Kontrolle anhand von Untersuchungsausschüssen, Frage- und Informationsrechten

Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht durch das Bundeskanzleramt: Überwiegend Vorabkon­ trolle in Form von Auftragszielvorgaben

Gerichte: Repressive Kontrolle, sofern von dritter Seite angerufen; (eingeschränkte) Rechtsschutzmöglichkeiten

(Fortsetzung nächste Seite)

586  Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 8 f. Thorsten Wetzling merkt zudem an, dass es notwendig sei, auch einen „Anwalt der Betroffenen“ in die Gremien zu ordern, weil die „Opferperspektive“ sonst gänzlich fehle und nur die Exekutive ihre Argumente vorbringen könne. Ebd., S. 12 f. Siehe auch Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 20. Er schlägt dafür die Modelle vor, die auch bei der BfDI nach § 22 Abs. 1 BDSG oder bei der G10Kommission nach § 15 Abs. 1 S. 5 G10 gewählt wurden. 587  Ähnlich dazu Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 8, 13 f. 588  Übersicht angelehnt an Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (442), obgleich diese hier teils abgeändert und erweitert wurde.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

(Fortsetzung Übersicht 2) Parlamentarisch

Exekutiv

(Quasi-)Judikativ

Spezifische Kontrolle PKGr:

Bundesrechnungshof:

G10-Kommission:

Repressive Kontrolle von Maßnahmen des BND

Unterstützung des Vertrauensgremiums bei der Haushalts- und Finanzkontrolle

Kontrolle im Bereich des Art. 10 GG

Die bzw. der Ständige Beauftragte:

Bundesbeauftragte(r) für die Nachrichtendienste:

Unabhängiges Gremium:

Koordinierung des PKGr mit der G10-Kommission und dem Vertrauensgremium, strukturierte Routinekontrollen, einzelfallbezogene Untersuchungen

Koordination der verschiedenen Nachrichtendienste; Hilfsorgan für Bundeskanzleramt und PKGr

Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG:

Bundesbeauftragte(r) für den Datenschutz und die Informationsfreiheit:

Kontrolle von Maßnahmen zur akustischen Wohnraumüberwachung

Vorabkontrolle von Maßnahmen im Bereich der Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung

Kontrolle im Bereich der personenbezogenen Daten, sofern das BDSG gem. § 11 BNDG Anwendung findet

Vertrauensgremium, § 10a Abs. 2 BHO: Haushalts- und Finanzkontrolle des BND

d) Kontrollverstärkende Faktoren für die staatlichen Gewalten durch die Medien und die Öffentlichkeit Neben dem herkömmlichen sich gegenseitig kontrollierenden Gewaltensystem spielen aber auch zusätzliche – wie es bereits Anke Peine beschrieb –589 außerinstitutionelle Kontrollmechanismen eine entscheidende Rolle bei der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle. Im Fokus stehen solche Faktoren, deren Kontrollinitiative nicht von der Legislative, Exekutive oder Judikative ausgeht, sondern aus der Zivilgesellschaft heraus entstanden 589  Peine, Demokratische Außenpolitik und Geheimdienste, in: Morisse-Schilbach/ dies., Demokratische Außenpolitik und Geheimdienste, 2008, S. 177 (187).



I. Kontrolle des BND423

sind. Im politischen System sind diese allemal als kontrollverstärkende Faktoren zu berücksichtigen, da die Zivilgesellschaft selbst keineswegs die Kontrollbefugnisse oder -mittel der staatlichen Stellen innehat.590 Daher werden im nachfolgenden Abschnitt die kontrollverstärkenden Faktoren nicht als zusätzliche Kontrollinstanz des BND bewertet, sondern danach, welchen Einfluss sie auf die bestehenden Kontrollorgane und ihre Bedeutung für die Gesellschaft haben. aa) Mediale Kontrolle und interne Hinweisgebende Als erster wichtiger außerinstitutioneller Kontrollfaktor können die Medien – also Presse, Rundfunk, Tele- und Web-Medien591 – fungieren.592 Der EGMR bezeichnet diese als „public watchdog“, welche den freiheitlichen Diskurs garantieren und eine essentielle Rolle für die demokratischen Systeme spielen.593 Das führt auf der Ebene des regionalen Menschenrechtsschutzes dazu, dass die journalistische Tätigkeit im politischen Sektor einen stärkeren Schutz unter Art. 10 EMRK genießt. Von verfassungsrechtlicher Seite verlangt ebenso das Bundesverfassungsgericht die Garantie einer „freien Presse“ und setzt hohe Rechtfertigungsanforderungen an Beschränkungen im Bereich des Art. 5 Abs. 1 GG.594 Die Rechte gelten jedoch nur, solange Journalistinnen oder Journalisten bzw. sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht selbst Straftaten begangen haben, um an gewisse Informa-

590  So zumindest Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 159. 591  Zum Medienbegriff aus der verfassungsrechtlichen Perspektive vgl. Starck/ Paulus, Art. 5 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 553, 574 f. 592  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  37 ff.; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 201 ff.; Peine, Demokratische Außenpolitik und Geheimdienste, in: Morisse-Schilbach/dies., Demokratische Außenpolitik und Geheimdienste, 2008, S. 177 (187). Kritisch dazu Hirsch, in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz, 2007, S. 224 (224 ff.). 593  Der EGMR verwendet auch den Begriff des „social watchdog“. Vgl. u. a. EGMR, Observer u. Guardian v. United Kingdom, Appl. No. 13585/88, Rn. 59; Thorgeir Thorgeirson v. Island, Appl. No. 13778/88, Rn. 63; Társaság a Szabadságjogokért v. Hungary, Appl. No. 37374/05, Rn. 38. 594  Zum Begriffspaar der „freien Presse“ auf nationaler und internationaler Ebene siehe Starck/Paulus, Art. 5 GG, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, S. 559 f., 606. Dieses auf verfassungsrechtlicher Ebene ablehnend: Kingreen/Poscher, Grundrechte, 32. Aufl. 2016, S. 28, nach welchen die „freie Presse“ lediglich ein gesellschaftlicher Befund als eine verfassungsrechtliche Garantie sei. Für die staatliche Schutzpflicht und meinungsneutrale Förderung der Presse siehe BVerfGE 80, 124, 133 f. – Postzeitungsdienst.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

tionen zu gelangen.595 Das ist gerade im Tätigkeitsbereich der auslandsnachrichtendienstlichen Informationsgewinnung für Medienunternehmen problematisch. Da es in der Praxis für Medien oftmals nicht vielversprechend oder gar unmöglich ist, anhand von Auskunftsansprüchen an Informationen zu Tätigkeiten des BND zu gelangen, haben diese meist auf andere Informa­ tionsquellen zurückgegriffen, die aus internen Informantinnen sowie Informanten und bzw. oder aus zugespielten Dateien von (un)bekannten Dritten bestanden. Derzeit präsentestes Beispiel sind die Enthüllungen von Whistle­ blower Edward Snowden, die in Zusammenarbeit mit etablierten Printmedien sogar dazu führten, dass die großen Überwachernationen ihre Gesetze zur Überwachungstätigkeit geändert haben,596 was ohne diese Informationen sehr wahrscheinlich nicht geschehen wäre.597 Vor allem die Aufdeckung von Missständen durch interne Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind für die Beweiskraft der Medieneinrichtungen ein bedeutender Faktor. Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass Whistleblower im strafrechtlich relevanten Bereich agieren.598 Im deutschen nachrichtendienstlichen Spektrum wäre 595  Bspw. bei Anstiftung oder Beihilfe zum Geheimnisverrat, § 353b StGB i. V. m. § 26 bzw. § 27 Abs. 2 StGB. Die bloße Publikation eines Dienstgeheimnisses reiche für diesen Verdacht allerdings nicht aus. Vielmehr müssen „spezifisch tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vom Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses“ vorliegen. So BVerfGE 117, 244, 266 – Cicero. Unzulässig wäre zudem eine Beschränkungsmaßnahme, die ausschließlich der Aufdeckung einer Informantin bzw. eines Informanten gilt. Ebenso sei die gezielte Ansetzung eines ­V-Manns auf Journalistinnen und Journalisten, um deren bzw. dessen Quellen zu erfahren, rechtswidrig. Vgl. zu letzterem LG Berlin, Urteil vom 02.12.2009, Az.: 23 O 68/09. 596  In Deutschland wurde 2016 ein neues BNDG und PKGrG verabschiedet. Die USA ersetzten ein Jahr zuvor den US PATRIOT Act mit dem US FREEDOM Act. Frankreich zog 2015 mit dem Loi relative au renseignement nach. Im selben Jahr erließ Großbritannien mit der sog. Snoopers-Charta ein neues Auslandsnachrichtendienstgesetz. 597  Zu einem der ersten Whistleblower im ersten Weltkrieg – Walter Kreiser – und dessen Verurteilung vom Reichsgericht wegen „Verrat militärischer Geheimnisse“ siehe Deutsches Reichsgericht, Urteil vom 03.06.1914, abgedruckt in: Die Justiz 1928/29, Bd. IV, S. 567 ff. Siehe eingehend dazu Müller/Jungfer, 70 Jahre Weltbühnen-Urteil, in: NJW 2001, Vol. 54, S. 3461 (3461 ff.). 598  In Deutschland müssen Whistleblower, die staatliche geheime Dokumente preisgeben i. d. R. mit Verurteilungen wegen Geheimnisverrats (§ 353b StGB), Hochverrats (§ 81 f. StGB), Landesverrat (§ 94 StGB) und u. U. auch wegen einer oder mehrerer Verstöße der §§ 201 ff. StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches, Ausspähen von Daten) oder § 34 BNDG (Mitteilungen von Geheimnisträgern) rechnen. Nicht zuletzt werden die zivilrechtlichen Ansprüche oder Bußgeldvorschriften (bspw. § 35 BNDG) nicht außer Acht gelassen. Hierzu eingehend: TripsHebert, Cicero, WikiLeaks und Web 2.0, in: ZRP 2012, Vol. 45, S. 199 (199 ff.). Zur Verfolgung dieser Straftaten siehe Steffen, BND zeigt Mitarbeiter wegen Geheimnisverrats an, in: Zeit Online vom 20.07.2015.



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das der Fall, wenn Hinweise nicht ausschließlich an das PKGr, sondern auch oder nur an die Presse weitergegeben werden. Allerdings sind die Handlungen von Vertreterinnen und Vertretern der Medien strafrechtlich relevant, wenn sie an diesen Datenerlangungen oder -übermittlungen mittäterschaftlich oder als Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer mitgewirkt haben. Trotz dieser strafrechtlichen Sanktionen599 nehmen der Geheimnisverrat und die Preisgabe von Missständen an die Medien zu.600 Die Medien wiederum nutzen diese Informationen und leisten bei der Aufdeckung illegitimer Praktiken der Nachrichtendienste als „Vierte Gewalt“601 einen entscheidenden Beitrag, was nicht erst seit den gemeinschaftlichen Veröffentlichungen von Washington Post, The Guardian und Spiegel mit den „Snowden-Files“ bekannt ist.602 Vor allem in Deutschland hat die Aufdeckung von Missständen bzw. illegitimen Praktiken der Nachrichtendienste eine lange Tradi­ tion.603 Obwohl die Medien damit einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der nachrichtendienstlichen Arbeit geleistet haben, steht ihre Tätigkeit seit geraumer Zeit nicht nur wegen der Nähe zu illegal agierenden Personen in der Kritik. Zuletzt wurde auf dem Zweiten Symposium zum Recht der Nachrichtendienste vom März 2018 in Berlin von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Dienste offen beklagt, dass vermehrt eine überbetonte und zu Unrecht stattfindende „Skandalisierung“ der nachrichtendienstlichen Arbeit durch die Medien stattfände.604 Selbst Autoren, die sich für eine Effektivie599  Auch andere Staaten sanktionieren solche Taten strafrechtlich. Der prominenteste Fall aus jüngster Zeit ist die Verurteilung von Chelsea Manning in den USA, welche geheime militärische Informationen an die Internetplattform WikiLeaks weitergegeben hat. 600  Müller-Neuhof, Geheimnisverrat beim BND nimmt zu, in: Der Tagesspiegel vom 07.12.2015. 601  So etwa Schmidt, Das Politische System Deutschlands, 2. Aufl. 2011, S. 128 ff. 602  Vgl. Greenwald, NSA collecting phone records of millions of Verizon custom­ ers daily, in: The Guardian vom 06.06.2013; ders., NSA slides explain the PRISM data-collection program, in: The Washington Post vom 06.06.2013; Kremp/Lischka/ Reißmann, Projekt Prism – US-Geheimdienst späht weltweit Internetnutzer aus, in: Spiegel Online vom 07.06.2013. Der Guardian und die Washington Post erhielten hierfür den Pulitzer-Preis. 603  Siehe u. a. Deutscher Bundestag, Beschlußempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses der 13. Wahlperiode vom 28.05.1998 (Plutonium-Schmuggel), BT-Drs. 13/10800, S. 213 ff.; Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode vom 22.08.2013 (NSU), BT-Drs. 17/14600, S. 853 ff.; Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht), S. 153, 164 f., 167 f.; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 27, 99, 192 ff., 217 ff. 604  Rusteberg, Wandel durch Annäherung? Zum 2. Symposium über das Recht der Nachrichtendienste in Berlin, in: VerfBlog vom 21.03.2018.

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rung der Nachrichtendienstkontrolle aussprachen, betonten, dass die mediale Diskreditierung und Skandalisierung der Arbeit des BND sowie des PKGr zu Unrecht geschehe.605 Paradox an dieser Kritik ist jedoch, dass nahezu alle großen Missstände der letzten Jahrzehnte bei nachrichtendienstlichen Aktivitäten nicht durch die Dienste selbst oder die Kontrollgremien offengelegt wurden, sondern sich gerade die mediale Kontrolle als effektivste Variante der Aufdeckung von Missständen herauskristallisierte. Neben den Enthüllungen von Washington Post, The Guardian und Spiegel, zählen hierzu die Veröffentlichungen zur Plutonium-Schmuggel-Affäre,606 die Berichte über die rechtswidrige Überwachung von Journalisten durch den BND607 oder die ersten Spekulationen zu Verbindungen der Nachrichtendienste zum „NSU-Trio“608, welche zu zahlreichen Gesetzesänderungen, Untersuchungsausschüssen, Gerichtsentscheidungen, nachträglicher nachrichtendienstlicher Kontrolltätigkeiten oder großen öffentlichen Debatten führten. Kurios hieran ist einerseits, dass in vielen der benannten Enthüllungsfällen die Rechtswidrigkeit nie gerichtlich festgestellt wurde: Bei der Überwachung von Journalisten verweigerte der BND – rechtmäßig – die Herausgabe der notwendigen Akten aus Geheimhal­ tungsgründen,609 obwohl der vom PKGr eingesetzte Sachverständige Gerhard Schäfer, welcher vollen Zugang zu den Beweisen und notwendigen Dokumenten hatte, diese Überwachungen als rechtswidrig klassifizierte.610 Ebenfalls konnte die NSA-Selektorenliste selbst für die parlamentarischen und quasi-gerichtlichen Kontrollorgane aus Geheimhaltungsgründen nicht offengelegt werden, auch wenn hier der eingesetzte Sachverständige Kurt Graulich von einer Grundrechtsverletzung ausging.611 605  So Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 22. Dem deutlich widersprechend: von Notz, Der demokratische Rechtsstaat und das Geheimnis der Dienste, in: FW 2015, Vol. 90, S. 17 (24). 606  Der Spiegel vom 18.12.1995, Lizenz zum Lügen, in: Ausgabe 51/1995, S.  30 ff. 607  Berliner Zeitung vom 08.11.2005, Ins Visier genommen. 608  Siehe Lachmann, Polizistenmord von Heilbronn: Mischen die Geheimdienste mit?, in: Stuttgarter Zeitung vom 12.11.2011; Klaubert, Neonazi-Mordserie: Getrieben vom Hass, in: FAZ vom 14.11.2011. 609  Siehe BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2/09. 610  Deutscher Bundestag, Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht), S. 153, 164 f., 167 f. 611  Vgl. Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 27, 99, 192 ff., 217 ff. Er konnte jedoch nicht beantworten, wie viele Grundrechtsträgerinnen und -träger betroffen waren. Siehe zur Versagung der Herausgabe der NSA-Selektorenliste: BVerfGE 143, 1 – NSA-Selektoren (G10-Kommission); 143, 101 – NSA-Untersuchungsausschuss.



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Zum anderen ist es bedeutungsvoll für den öffentlichen Diskurs und die öffentliche Kontrolle der Dienste, dass die Medien trotzdem an diese Informationen gelangen und sie veröffentlichen, obgleich die Nachrichtendienste und die Bundesregierung konträr dazu so gut wie keine Informa­ tionen an die Medien herausgeben und von legislativer oder judikativer Seite diesen kaum Auskunftsansprüche zugebilligt werden. Zwar existieren einfachgesetzlich auf Landesebene spezielle Auskunftsansprüche, wonach Behörden den Medien zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben Informationen zukommen lassen müssen. In der Praxis überwiegen jedoch fast ausschließlich Geheimhaltungsinteressen die medialen Informationsansprüche.612 bb) Kontrolle durch „hacktivistische“ Initiativen, NGOs und die Wissenschaft Neben den Medien haben sich Online-Enthüllungsplattformen zu einem wesentlichen Baustein außerinstitutioneller nachrichtendienstlicher Kontrolle entwickelt. WikiLeaks, Anonymus oder Cult of the Dead Cow sind nur wenige von zahlreichen spezialisierten Enthüllungsplattformen und HackerVereinigungen, vor denen nicht einmal die Server von NSA und BND vollends sicher sind.613 Die Cyberaktivistinnen und Cyberaktivisten versuchen 612  Siehe für Niedersachsen § 4 Abs. 1, 2 Nr. 2 Niedersächsisches Pressegesetz. Auch andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen: vgl. u. a. § 4 Abs. 1 Berliner Pressegesetz; § 4 Abs. 1 Hamburgisches Pressegesetz; § 5 Abs. 1 Saarländisches Medien Gesetz oder § 4 Abs. 1 Thüringer Pressegesetz. Dies einschränkend BVerwGE 146, 56, 63 ff., nach welchem im Grundsatz den Medien gem. § 4 Abs. 1 Berliner Pressegesetz ein Auskunftsanspruch gegen den BND aus Gründen des überwiegenden Geheimhaltungsinteresses versagt wurde, weil die Fülle an Adressatinnen und Adressaten, die dann Informationen bekommen müssten, zu zu großen Rückschlüssen auf die Arbeitsweise des BND geführt hätte. A. A. Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 203. Das BVerwG verneinte obendrein, dass Landespressegesetze einen Anspruch gegenüber Bundesbehörden begründen würden. Es ging jedoch davon aus, wenn der Bund keinen Gebrauch von seiner Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich mache, welche beim BND als Annexkompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG erwachse, hierfür ein direkter (verfassungsunmittelbarer) Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bestehe. Dies ist allerdings sehr umstritten: Siehe hierfür Burkhardt, § 4 LPG, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, Rn. 16 ff.; Herzog, Art. 5 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 67. EL 2013, Rn. 137; Alexander, Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse, in: ZUM 2013, S. 614 (614 ff.); Cornils, Der medienrechtliche Auskunftsanspruch, in: DÖV 2013, S. 657 (661); Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 204 ff. Offengelassen bei BVerfG, Beschluss vom 27.07.2015, Az.: 1 BvR 1452/13. 613  Siehe Rosenbach/Stark, Staatsfeind WikiLeaks, 2011, S. 92 ff.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

anhand von sog. „Hacks“614 oder durch Informationen von internen Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, Missstände oder rechtwidrige Tätigkeiten der Nachrichtendienste aufzudecken. Der sog. Hacktivismus615 bzw. Cyber­aktivismus hat eine Vielzahl von Defiziten staatlicher Überwachungstätigkeit offenbart und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.616 Allerdings sind viele Handlungen dieser Gruppierungen illegal und verstoßen zumeist gegen nationale strafrechtliche Vorschriften. Neben den Enthüllungsplattformen gibt es eine Vielzahl an Nichtregierungsorganisationen, (wissenschaftlichen) Informationswebsites oder sonstigen Vereinigungen, die über digitale Rechte, Informationsgewinnung durch Nachrichtendienste und aktuelle Entwicklungen aufklären.617 Gerade die strategische Prozessführung ist ein verbreitetes Mittel: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte strengte so die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht an, um das BNDG von 2016 verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen.618 Ähnliches gilt in den USA mit der American Civil Liberties Union (ACLU) und den dortigen Änderungen des FISA. Vor dem Bundesverfassungsgericht werden zudem regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen geladen, die als fachkundige Sachverständige auftreten. Aber auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus rechtlicher, politischer, sozialer oder technischer Perspektive können ein Kontrollfaktor für die

614  Zum Begriff des „Hacking“ Grützner/Jakob, Compliance A-Z, 2. Aufl. 2015: „Damit wird der Vorgang umschrieben, dass ein Angreifer unberechtigt über ein Netzwerk in (fremde) Computer- und Netzwerksysteme eindringt, meist um Benutzer zu täuschen, zu betrügen, zu sabotieren oder Informationen an sich zu bringen, aber auch um die Grenzen des Machbaren zu erkunden. Die Hacker nutzen grundsätzlich unbeabsichtigte Systemlücken (sog. Bugs) des Angegriffenen aus“. Ferner Weidemann, Computerkriminalität, in: Heintschel-Heinegg, StGB, 40. Ed. 2018, Rn. 7. 615  So bereits Rötzer, Infowar und politischer Aktivismus, in: Telepolis vom 23.09.1998. 616  Zusammenfassend Schmale/Tinnefeld, Öffentlichkeit, Geheimhaltung und Privatheit – Sichtweisen im Raum der europäischen Geschichte und in Cyberia, in: MMR 2011, S. 786 (786 ff.). 617  Aus einer internationalen Perspektive sind Amnesty International, Human Rights Watch oder die American Civil Liberties Union zu nennen. In Deutschland sind vor allem der Chaos Computer Club, netzpolitik.org oder die Gesellschaft für Freiheitsrechte hervorzuheben. 618  Gesellschaft für Freiheitsrechte, BND-Gesetz: GFF und Partnerorganisationen erheben Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz zur Ausland-Ausland-Überwachung, Pressemitteilung vom 30.01.2018. Die Verfassungsbeschwerde wird u. a. unterstützt vom Deutschen Journalisten-Verband, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union und Reporter ohne Grenzen. Siehe zur Entscheidung des BVerfG in dieser Sache Abschnitt C.II.4.b)hh) und D.I.4.



I. Kontrolle des BND429

Nachrichtendienste und deren Kontrolleure sein.619 Neben Konferenzen, Publikationen und Aufklärungsarbeit hat die Wissenschaft eine Beratungsfunktion für die Bundesregierung und das Parlament inne. Um die von höchsten Gerichten aufgestellten Prämissen für sicherheitsrelevante Gesetze anzupassen, bedarf es hierfür fachkundiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um eine Optimierung von sicherheitsrelevanten Befugnissen und grundsowie menschenrechtlichen Grenzen bei der legislativen Ausgestaltung anzuregen – wie es nicht zuletzt mit Anhörungen von Expertinnen und Experten zu den beiden Gesetzesentwürfen zur Reform des BNDG und der nachrichtendienstlichen Kontrolle aus 2016 geschehen ist. cc) Auskunftsansprüche und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger Ein weiterer wichtiger additiver außerinstitutioneller Kontrollfaktor ist der Anspruch von Bürgerinnen und Bürgern auf Auskunft über gegen sie vorgenommene Beschränkungsmaßnahmen durch den BND aus § 15 BVerfSchG i. V. m. § 22 BNDG. Jene können unentgeltlich Auskunft über zu ihrer Person gespeicherten personenbezogenen Daten anfragen und somit eigens „kontrollieren“, ob sie im Fokus der Dienste stehen oder standen. Wie aber bereits aufgezeigt,620 sind die Hürden für die Durchsetzung des Anspruchs sehr hoch, die Anforderungen zur Versagung seitens des BND diametral dazu relativ gering. Zwar gibt es seitens des PKGr keine offizielle Statistik, wie viele Auskunftsansprüche inhaltlich versagt wurden. Christoph Gusy geht jedoch davon aus, dass die Versagung dieser Auskünfte mit der Berufung auf Staatswohlinteressen die absolute Regel darstellt.621 Als Indiz kann die Mitteilungsstatistik im Bereich des G10 dienen: Wohingegen ca. 31 % der Betroffenen eine Mitteilung über individuelle nachrichtendienstlichen Beschränkungsmaßnahmen erhalten, liegt die Quote bei strategischen Beschränkungsmaßnahmen unter 0,1 %. Zwar steht den Bürgerinnen und Bürgern hiergegen

619  So Hirsch, Öffentliche Medien als Kontrollinstanz der Geheimdienste, in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz, 2007, S. 224 (224). 620  Siehe hierzu bereits Abschnitt D.I.2.c). 621  Bekanntgabepflichten bestehen nur bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen. Falls Betroffene doch eine Mitteilung erhalten, dann erst viel später. So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (446). Ebenso Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 225; Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 120. Informationserhebungen und -verarbeitungen sind an sich keine Verwaltungsangabe i. S. d. § 35 VwVfG und erfordern demnach auch keine Bekanntgabe (§ 41 VwVfG). Eine solche Mitteilung sollte aber die Regel sein: BVerfGE 100, 313, 398 – TKÜ I.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

gem. § 15 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 G10 die Beschwerde zu.622 Beschwerden gegen die Versagung oder unterbliebenen Mitteilungen wurden seit 2011 aber alle abgelehnt.623 dd) Zwischenfazit Eine Kontrolle seitens der Bürgerinnen und Bürger ist de facto nicht existent. Um an Informationen zu gelangen, müssten sie Kenntnis der Beschränkungsmaßnahmen gegen sie haben oder zumindest vermuten. Nach Christoph Gusy sind die Mitteilungen über Beschränkungsmaßnahmen in der Praxis aber die absolute Ausnahme und die Rechtfertigungsmöglich­keiten intransparent und pauschal auf Staatswohlinteressen gerichtet.624 Selbst wenn Sachverständigenberichte – wie der Schäfer- oder Graulich-Be­richt625 – offenbarten, dass illegitime Beschränkungsmaßnahmen vorgenommen wurden, ist der juristische Weg einzelner, hiergegen vorzugehen, so gut wie immer ver622  Die Individualbeschwerde nach § 15 Abs. 5 S. 1 2. Alt. G10 muss förmlich eingelegt werden und den „vagen Verdacht“ äußern, dass man seitens der Nachrichtendienste in seinen Rechten aus Art. 10 Abs. 1 GG betroffen ist. Hierfür reicht bereits die Vermutung aus. Nach Einlegung der Beschwerde prüft die G10-Kommission selbige und betreibt Nachforschungen beim BMI. Fehlen – wie in den überwiegenden Fällen – Anordnungen seitens des BMI, wird im Ergebnis der Beschwerdeführerin bzw. dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die G10-Kommission die Beschwerde geprüft und festgestellt hat, dass sich keine Verletzungen aus Art. 10 Abs. 1 GG ergeben. Die Zahl der Beschwerden bewegt sich pro Jahr im einstelligen oder unteren zweistelligen Bereich. Vgl. dafür Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch das PKGr, Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2010) vom 10.02.2012, BT-Drs. 17/8639, S. 5; Bericht gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 G10 über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G10 (Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2009) vom 17.12.2010, ­BT-Drs. 17/4278, S. 6. Vgl. generell zu diesem Komplex Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1450 f. 623  Zwischen dem 01.01.2013 und dem 31.12.2016 gingen insgesamt 65 Beschwerden über Beschränkungsmaßnahmen gem. § 15 Abs. 5 S. 1 G10 ein. Bei allen stellte die G10-Kommission keine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 GG fest. Vgl. hierfür bereits Abschnitt D.I.2.c)bb). 624  Gusy, § 7 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1296. Belege hierfür finden sich. u. a. bei den Versagungen von Mitteilungen, weil angeblich viele Telekommunikationsteilnehmerinnen und Telekommunika­ tionsteilnehmer „abschließend nicht ermittelt werden konnten“: Vgl. bereits Fn. 422, Abschnitt D. Ferner Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 200. 625  Deutscher Bundestag, Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht); Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015.



I. Kontrolle des BND431

schlossen.626 Dabei hatten bereits das Bundesverfassungsgericht627 und der EGMR628 in ihren Urteilen klargestellt, dass pauschale Versagungen von Auskunftsansprüchen der Nachrichtendienste weder überzeugend noch legitim seien und forderten daher eine erhöhte Begründungspflicht.629 Ähnliches gilt für die außerinstitutionellen Kontrollmechanismen, die in ihrer Informationsgenerierung sehr beschränkt sind und aufgrund ihrer Verbindung zu potenziellen Straftäterinnen bzw. Straftätern zusätzlich in einer „Drehtür“ feststecken: Soll der Geheimnis-, Hoch- oder Landesverrat gefördert werden, um möglicherweise illegale Praktiken staatlicher Stellen aufzudecken, und wie weit geht man dafür, um sich nicht selbst im strafrechtlich relevanten Bereich zu bewegen? Sicherlich ist zu bemängeln, dass viele Enthüllungsplattformen teils unzensiert ohne redaktionelle Überprüfung alles veröffentlichen, an was sie selbst gelangt sind oder ihnen zugespielt wurde, und mediale Instrumente auch wirtschaftlichen Interessen und demzufolge eher skandalträchtigen Veröffentlichungen den Vorrang geben.630 Das kann Personen in Gefahr bringen, die für die Sicherheit des Staates sowie seiner Bürgerinnen bzw. Bürger tätig sind und potenziellen Straftäterinnen und Straftätern, die unter nachrichtendienstlicher Beobachtung stehen, eine Warnung geben, um noch vorsichtiger oder verborgener zu agieren, damit ein Anschlag, ein Attentat oder ein anderes terroristisches Delikt vollendet werden kann – wie es so auch Chelsea Manning vorgeworfen wurde.631 Daher lehnt Klaus Gärditz die Stärkung der Medien und Whistle­ blower in diesem Bereich ab, und will vielmehr die parlamentarischen Kontrollinstrumente mehr in die Pflicht nehmen, „die mit ihrer großen Verantwortung nicht angemessen umzugehen wissen“, weil viele auf medienwirk626  Siehe dafür u. a. Deutscher Bundestag, Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht), S. 153, 164 f., 167 f. Siehe ferner die damit in Verbindung stehende Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2/09. Ähnlich BVerfGE 143, 1 – G10-Kommission; 143, 101 – NSA-Untersuchungsausschuss. 627  BVerfGE 124, 161, 188 f. – Überwachung von Bundestagsabgebordneten. 628  EGMR, Szabó & Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 73 ff. Der EGMR wies darauf hin, dass die Erforderlichkeit im Einzelfall zu begründen sei und allgemeine stereotype Begründungen nicht ausreichend wären. 629  So auch VG Berlin, Urteil vom 19.06.2014, Az.: 2 K 212.13, Rn. 50  ff.; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 205 f. Ferner Kloep­fer, Zum Auskunftsanspruch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst, in: JZ 2013, Vol. 68, S. 892 (893). 630  So zu hören auf dem 2. Symposium über das Recht der Nachrichtendienste. Zusammenfassend dazu Rusteberg, Wandel durch Annäherung? Zum 2. Symposium über das Recht der Nachrichtendienste in Berlin, in: VerfBlog vom 21.03.2018. 631  Vgl. US Army Military Court, District of Washington, United States v. Manning, Bradley PFC, xxx-xx-9504.

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same Inszenierungen und Skandalisierungen setzen würden, um sich selbst zu profilieren.632 Mit ähnlichen Bezügen dazu merkt Alexander Hirsch an, dass die außer­ institutionelle Kontrolle von den subjektiven Ansichten der Medien, Aktivistinnen bzw. Aktivisten und einzelner Whistleblower geprägt sei, was deren Veröffentlichungen selektiv erscheinen lasse.633 Er wirft ihnen vor, sich nur für den großen Skandal zu interessieren, da sie vermehrt wirtschaftlichen als rechtspolitisch-gesellschaftlichen Interessen unterlägen. Dahingegen gäbe es keinen Anspruch darauf, dass sie über diesen Themenbereich berichten dürften, denn es könne wegen der Art und Weise der Erlangung der Informationen nicht gewährleistet werden, dass die Authentizität und der Umfang der Informationen einer umfassenden Berichterstattung genügen. Dieses Problem würde sich in Anlehnung an Alexander Hirschs Thesen bei Enthüllungsplattformen noch zuspitzen, die teils keine redaktionelle Aufarbeitung betreiben oder die Informationen illegal beschaffen. Es sei daher abzulehnen, die öffentlichen oder medialen Instrumente als vollwertige Kontrollinstitute im nachrichtendienstlichen Bereich zu verstehen oder auszubauen. In Ansehung dieser Kritik betrachtet sie Tobias Kumpf daher lediglich als kontrollverstärkende oder unterstützende Faktoren, weil sie – Stand heute – als additive Initiativkontrollinstanz, um den eigentlichen Kontrollgremien und der Öffentlichkeit Informationen über illegitime Praktiken zukommen zu lassen, in unserem Nachrichtendienstkontrollsystem nicht wegzudenken seien.634 Die außerinstitutionellen Kontrollfaktoren könnten – wie keine andere herkömmliche Institution der Nachrichtendienstkontrolle – die Informationen der breiten Bevölkerung transparent zur Verfügung stellen und dadurch einen politischen und gesellschaftlichen Diskurs hierüber forcieren. Die Vielzahl der Skandale der Nachrichtendienste seien zurückverfolgbar auf Enthüllungen von außerinstitutionellen Einrichtungen, weswegen ihnen ein entscheidender und nicht außer Acht zu lassender Faktor zukomme, um geheime Aktivitäten des Staates und illegitime Handlungen aufzudecken.635 Dem stimmte teilweise auch Alexander Hirsch zu, da die außerinstitutionellen Faktoren Maßnahmen aufdeckten, die mehrere Jahre zurücklagen und selbst den Kontrollgremien nicht bekannt waren sowie deren Kontrolltätigkeiten erst anstießen.636 632  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 26. 633  Hirsch, Öffentliche Medien als Kontrollinstanz der Geheimdienste, in: Smidt/ Poppe/Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz, 2007, S. 224 (227). 634  Vgl. dafür Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 159. 635  Ebd. 636  Hirsch, Öffentliche Medien als Kontrollinstanz der Geheimdienste, in: Smidt/ Poppe/Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz, 2007, S. 224 (229).



I. Kontrolle des BND433

3. An einen asymmetrischen Kontrollzustand zu stellende Mindestanforderungen a) Menschenrechtliche Mindestanforderungen an die nachrichtendienstliche Kontrolle auf nationaler Ebene Vor allem auf regionaler Ebene des Menschenrechtsschutzes wurden einige Verfahren vor dem EGMR in Bezug auf die Kontrolle staatlicher heimlicher Überwachungsmaßnahmen entschieden, die – wie bereits aufgezeigt – für die Auslegung der deutschen Grundechte keinen unerheblichen Einfluss haben.637 Die EMRK selbst sieht in Art. 8 Abs. 2 explizit vor, dass das Recht auf Privatsphäre aus Gründen der nationalen und öffentlichen Sicherheit beschränkt werden kann. Der Gerichtshof gestand daher den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum zur Ausgestaltung der nationalen Sicherheitsarchitektur zu.638 Nichtsdestotrotz verlangte der EGMR bei heimlichen staatlichen Überwachungsanforderungen gewisse Mindeststandards, damit eine unabhängige Kontrolle nachrichtendienstlicher Überwachungsmaßnahmen gewährleistet wird, um die Rechte aus der EMRK nicht auszuhöhlen.639 Eine solche Kontrolle kommt in drei Bereichen zum Tragen: Zum Zeitpunkt der Anfrage zur Überwachung, bei der Durchführung und nach Beendigung.640 Der EGMR akzeptierte, dass auf den ersten beiden Ebenen die Betroffenen keine Kenntnis von solchen Maßnahmen erhalten müssten, damit der Zweck der Maßnahmen nicht gefährdet wird. Er verlangte hierfür aber adäquate und äquivalente Sicherungsmechanismen zum Schutz der Rechte der Betroffenen, die im Optimalfall von Gerichten überprüft wer-

637  Siehe

bereits Abschnitt C.II.2.f). EGMR, Klass and Others v. Germany, Appl. No. 5029/71, Rn. 44 ff.; Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 106; Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 159; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 231; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 57; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 286, 307 f. Ferner European Commission on Human Rights, Esbester v. United Kingdom, Appl. No. 18601/91: „[T]he Commission considers however that the principles referred to above do not necessarily require a comprehensive definition of the notion of ‚the interests of national security‘.“ 639  EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 238; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 55 ff.; Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 307; Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 103 ff. 640  EGMR, Liberty and Others v. UK, Appl. No. 58243/00, Rn. 95; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 233 f.; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/ 14, Rn.  54 ff.; Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 99 ff. 638  Vgl.

434

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

den können.641 Die zur Genehmigung der Überwachungsmaßnahmen berufene Kontrollstelle muss aber nicht zwangsläufig gerichtlich ausgestaltet sein, sofern sie hinreichend unabhängig von der Exekutive ist – wie das der EGMR damals für die deutsche G10-Kommission akzeptierte642 – und einen umfassenden Überblick über die Anordnungen bekommt, um deren Rechtmäßigkeit und insbesondere Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zu überprüfen.643 Diese unabhängige Kontrolle muss sich auf alle Verarbeitungsprozesse beziehen.644 Auf der letzten Ebene spielt die Benachrichtigung über die Durchführung solcher Maßnahmen für die mögliche Einlegung von Rechtsmitteln eine bedeutende Rolle, die nur wenig Spielraum hat.645 Die vom Europarat eingesetzte „Venice Commission“, die zur Untersuchung der Gesetzgebung im Bereich der demokratischen Kontrolle im ­SIGINT-Bereich eingesetzt wurde, kam 2015 ebenfalls in einem Bericht zu dem Ergebnis, dass die zwei wichtigsten Vorkehrungen zum Schutz der Rechte der EMRK die Autorisierung der Maßnahmen und unabhängige externe Kon­trolle sind.646 Vor allem letztere forderte der UN High Commissioner for Human Rights.647 Hervorzuheben ist darüber hinaus das grundsätzliche Verbot zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung auf Unionsebene, dass erst kürzlich vom EuGH bestätigt wurde. Allerdings ließ er nun weitreichende Ausnahmen von diesem Grundsatz zu – insbesondere für die Verfolgung schwerer Straftaten.648 641  EGMR, Klass and Others v. Germany, Appl. No. 5029/71, Rn. 55 f.; Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 233; Centrum for Tättvisa v. Sweden, Appl. No. 35252/08, Rn. 105. 642  EGMR, Klass and Others v. Germany, Appl. No. 5029/71, Rn. 51. 643  Siehe ferner dazu auch EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 258, 260; Weber & Saravia v. Germany, Appl. No. 54934/00, Rn. 115; Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 31; Szabó and Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn.  75 ff. 644  EGMR, Big Brother Watch and Others v. UK, Appl. No. 58170/13, 62322/14 & 24960/15, Rn. 387. Problematisch war, dass keine unabhängige Kontrolle bei der Wahl der Selektoren und beim anschließenden Filtern existierte. 645  EGMR, Kennedy v. UK, Appl. No. 26839/05, Rn. 167. Siehe ferner EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 234, 248, 286 ff., in welchem der EGMR entschied, dass in Russland keine effektiven Rechtsbehelfe existierten, um gegen solche Maßnahmen vorzugehen, was gegen Art. 8 und Art. 13 EMRK verstoße. 646  Report of the European Commission for Democracy through Law („Venice Commission“) on the Democratic Oversight of Signals Intelligence Agencies, 2015, CDL-AD(2015)011, S. 31 ff. Im Rahmen dessen wurde vor allem der FISC wegen mangelnder Unabhängigkeit kritisiert. 647  Report of the Office of the UN High Commissioner for Human Rights, The Right to Privacy in the Digital Age, UN Doc. A/HRC/27/37, S. 12 ff. 648  EuGH, Urteil vom 06.10.2020, Rs. C-623/17, Privacy International v. Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs and Others. Siehe bereits EuGH,



I. Kontrolle des BND435

b) Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen an die Kontrolle des BND Die aufgezeigten defizitären Verhältnisse der Kontrolle auslandsnachrichtendienstlicher Beschränkungsmaßnahmen könnten jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht gerechtfertigt sein. Der Gefahr einer zu starken Beschränkung des verfassungsrechtlich vielseitig ausgeprägten Privatsphärenschutzes stehen Gefahren gegenüber, die in Zeiten des Terrorismus für die Sicherheit und Ordnung des Staates bestehen. Die Schaffung von Sicherheit als eine elementare staatliche Aufgabe wurde bereits von den großen Philosophen der letzten Jahrhunderte Jean Bodin, Thomas Hobbes oder Wilhelm von Humboldt nicht bestritten.649 Hieran anknüpfend wird auch heute im modernen Kontext ein „Grundrecht auf Sicherheit“ postuliert, aus welchem eine Handlungspflicht des Staates folge, effektive Sicherungsmaßnahmen zu schaffen und (wirkliche) Grundrechte zu beschränken.650 Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich hat dieses sogar als „Supergrundrecht“ bezeichnet;651 sein Nachfolger Thomas de Maizière erklärte unmissverständlich in einem

Urteil vom 08.04.2014, Rs. C-293/12, Rn. 42 ff. – Digital Rights Ireland Ltd v. Minister for Communications. 649  Bodin, Les six livres de la République, 1599, Livre I, Chapitre VII, VIII; Hobbes, Leviathan, 1992, S. 131; von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1792), 1967, S. 58. Letzterer konstatierte sogar: „Denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit“, ebd. Zur inneren Schutzverantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern aus dem Staatsgewaltenbegriff: Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, 1969, S. 30 ff., welcher allerdings nur eine Schutzverpflichtung bei schweren Menschenrechtsverstößen anerkannte. Siehe dazu ferner Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, S. 33 f. 650  So Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 17 ff., nach welchem dies schon lange ein anerkanntes Verfassungsprinzip sei, was er lediglich „wiederentdeckte“. Zustimmend Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 121; Möstl, Die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 2002, S. 25. Ein solches ablehnend bzw. nicht als existent anerkennend: Stern, Die Schutzpflichten der Grundrechte, in: DÖV 2010, S. 241 (246), Gusy, Polizei und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2009, Rn. 72, 395; Hassemer, Zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit, in: Vorgänge 2003, Vol. 41, S. 10 (10 f.); Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Ausarbeitung zum „Grundrecht auf Sicherheit“, Az.: WD 3 – 3000 – 180/08, S. 16. Ähnlich Düx, Globale Sicherheitsgesetze und weltweite Erosion von Grundrechten, in: ZRP 2003, Vol. 36, S. 189 (191), welcher allerdings polemisch meint, dass kein Gesetz zur Terrorbekämpfung die Anschläge vom 11.09.2001 verhindert hätte. Kritisch dazu Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  132 ff. 651  Hans-Peter Friedrich im Rahmen einer Sondersitzung des PKGr, zitiert in: Krempl, Friedrich erhebt Sicherheit zum „Supergrundrecht“, in: Heise Online vom 17.07.2013.

436

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Interview: „Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten wie diesen hat Sicherheit Vorrang.“652 Das Recht auf Sicherheit findet sich jedoch in den deutschen Grundrechten nicht verschriftlicht. Zwar könnte man hierfür auf Art. 6 EU-Grundrechtecharta oder Art. 5 Abs. 1 S. 1 der EMRK verweisen, wonach „[j]eder Mensch […] das Recht auf Freiheit und Sicherheit“ habe.653 Manche leiten aus dieser Passage und aus den Entscheidungen des EuGH auch ab, dass ein eigenständiges Grundrecht auf Sicherheit existiere.654 In der restlichen Literatur ist man sich allerdings einig, dass dem Begriff der Sicherheit in beiden bezeichneten europäischen Normen keine eigenständige materielle Bedeutung zukomme, sondern Sicherheit vielmehr als Schutz vor staatlicher Willkür – als Rechtssicherheit gegen den Staat – zu verstehen ist.655 Demnach existiert auf der europäischen Ebene kein eigenständiges Konstrukt der Sicherheit als Grundrecht.656 Die Grundrechte dienen in erster Linie als Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe.657 Und auch bei heimlichen SIGINT-Maßnahmen des BND muss im Rahmen der Rechtfertigung berücksichtigt werden, dass diese tiefgreifende und daher besonders rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe darstellen. Allerdings spielen in einer Gesamtschau grundrechtlicher Schutzpflichten und besonderer Werte mit Verfassungsrang ebenso Erwägungen zur Herstellung und Gewährleistung von Sicherheit zum Schutz der verfassungsmäßigen 652  Thomas de Maizière im Interview mit den Tagesthemen der ARD vom 23.03.2016, zitiert ebd. 653  Die EMRK verwendet in Art. 5 Abs. 1 S. 1 EMRK den Begriff der Person, statt – wie bei Art. 6 EUGrCH – den Begriff des Menschen. Sie sind in ihrer Reichweite allerdings übereinstimmend: So Calliess, Art. 6 EUGrCH, in: ders./Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Rn. 5. 654  So Leuschner, Es ist wieder da: Der EuGH bestätigt das Grundrecht auf Sicherheit, in: VerfBlog vom 22.02.2016. Dieser bezieht sich auf die Urteile des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung und zu Grenzkontrollen. Siehe dazu EuGH, Urteil vom 15.02.2016, Rs. C-601/15 PPU, Rn. 45 f. – J.N. v. Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie; Urteil vom 08.04.2014, Rs. C-293/12, Rn. 42 – Digital Rights Ireland Ltd v. Minister for Communications. Ähnlich dazu Klement, § 8 (Freiheit der Person), in: Grabenwarter, Europäischer Grundrechteschutz, S. 345 (383). 655  Jarass, Art. 6 EUGrCH, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 3. Auf. 2016, Rn. 6a; Grabenwarter/Pabel, EMRK, 5. Aufl. 2012, S. 189; Baldus, § 14 EGV, in: Heselhaus/Nowak, Handbuch der europäischen Grundrechte, 2006, Rn. 11; Schramm, Art. 6, in: Holoubek/Lienbacher, EUGrCH, 2014, Rn. 8; Ogorek, Art. 6, in: Stern/ Sachs, EUGrCH, 2016, Rn. 8; Dörr, Kap. 13 (Freiheit der Person), in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Rn. 32. Offen gelassen in EGMR, Bozano v. France, Appl. No. 9120/80, Rn. 60. 656  Auch eine Ausnahme wie Art. 8 Abs. 2 EMRK für die nationale Sicherheit ist im Grundgesetz nicht explizit normiert. 657  So bereits BVerfGE 21, 362, 369 – Sozialversicherungsträger.



I. Kontrolle des BND437

Ordnung und des Staates eine wichtige Rolle.658 Diese Interessen müssen mithin im Wege praktischer Konkordanz ausgeglichen werden, der vor allem beim Ausgleich zwischen freiheits- und sicherheitsrechtlichen Aspekten keinem Zirkelschluss unterliegen darf: Tiefgreifende Grundrechtseingriffe und Ersatzkontrolle sind möglich, um die Grundrechte und die verfassungsmäßige Ordnung vor Bedrohungen von außen zu schützen. Rechtfertigungsbedürftige Beschränkungen dürfen jedoch nur so weit reichen, wie die Grundrechte nicht von innen ausgehöhlt oder ins Gegenteil verkehrt werden.659 Im Zuge dessen hat das Bundesverfassungsgericht bereits sukzessiv Beschränkungen grundrechtlicher Gewährleistungen in Bezug auf (auslands)nachrichtendienstliches Handeln als gerechtfertigt erachtet und diese auf einen überwiegenden Sicherheitsbegriff gestützt: „Die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet.“660 Aufgrund von Sicherheitsaspekten bestätigte es 1970 zudem, dass zum „Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder [… für den] Bestand oder die Sicherung des Bundes oder eines Landes“ die Einführung einer Ersatzkontrolle i. S. d. Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG nicht die Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.661 „Der Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihre freiheitliche Verfassungsordnung sind ein überragendes Rechtsgut, zu dessen wirksamem Schutz Grundrechte, soweit unbedingt erforderlich, eingeschränkt werden [können]“ und was zu „systemimmanenten Modifikationen“ führen dürfe.662 Gremien, die den Rechtsschutz ersetzen sollen, können mithin geheim tagen und unterliegen im parlamentarischen Kontrollbereich nicht zwangsläufig dem „Spiegelbildlichkeitsgrundsatz“, was auch andere Quora für die Wahl für deren Besetzung rechtfertigt, um fachliche Kompetenz und Verschwiegenheit zu gewährleisten.663 Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 33 f. Leutheusser-Schnarrenberger, Auf dem Weg in den autoritären Staat, in: Blätter 2008, S. 61 (62); Albrecht, Die vergessene Freiheit, in: KritV 2003, Vol. 86, S. 125 (125 f.); Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 5. 660  BVerfGE 49, 24, 56 f. – Kontaktsperre-Gesetz unter Verweis auf BVerwGE 49, 202, 209. 661  BVerfGE 30, 1, 18, 29 – Abhörurteil. Das Gericht bestätigte die Vereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3 GG (S. 26 ff.), dem Prinzip der Gewaltenteilung und dem Rechtsstaatsprinzip (S. 28 f.). Bestätigt in BVerfGE 67, 157, 171 – G10. Später wurde dies auch für Art. 19 Abs. 4 GG entschieden. Vgl. BVerfGE 100, 313, 362 – TKÜ I. 662  BVerfGE 30, 1, 18, 29 – Abhörurteil. 663  BVerfGE 70, 324, 358  f., 365 – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Ferner Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: 658  Isensee,

659  Ähnlich

438

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Obgleich das Bundesverfassungsgericht im Sicherheitsbereich einige grund­ rechtliche Modifikationen akzeptiert hat, stellte es gleichzeitig fest, dass trotzdem gewisse grundrechtliche Mindestanforderungen an die Nachrichtendienstkontrolle zu stellen sind. Schon 1970 verwies es darauf, dass die G10-Kommission nicht ausschließlich von Regierungsmitgliedern besetzt werden dürfe, weil sonst ein zu hohes Missbrauchspotential bestehe.664 Das Gericht forderte ebenso, dass ein Ersatzverfahren zum gerichtlichen Rechtsschutz „materiell und verfahrensmäßig der gerichtlichen Kontrolle gleichwertig, insbesondere mindestens ebenso wirkungsvoll“ sein solle.665 Das erfordere eine sach- und rechtskompetente666 Kontrollstelle, die in unabhängiger Weise – vergleichbar der richterlichen weisungsfreien Unabhängigkeit – verbindlich über die Zulässigkeit, Durchführung, Aufhebung oder Limitierung von Beschränkungsmaßnahmen im Art. 10 GG-Bereich sowie die Benachrichtigung von Betroffenen über solche Maßnahmen entscheidet.667 Gerade letztere Benachrichtigungspflicht stand vermehrt im Fokus: Im Urteil von 1984 verneinte das Bundesverfassungsgericht eine Unterrichtungspflicht gegenüber den Betroffenen seitens der Nachrichtendienste bei individuellen Beschränkungsmaßnahmen aufgrund von Sicherheitsaspekten und der Funktionsfähigkeit der Dienste.668 Bei strategischen Beschränkungsmaßnahmen VBlBW 2010, S. 99 (99 ff.); Huber, Vorbemerkung PKGrG, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1463; Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, Einleitung PKGrG, Rn. 20; Singer, PKGrG, 2015, Art. 45d GG, S. 17 ff.; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 162; Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 526. 664  BVerfGE 30, 1, 31 – Abhörurteil. So auch später für die geheim agierende Haushaltskontrolle im nachrichtendienstlichen Bereich: BVerfGE 70, 324, 365 – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. 665  St. Rspr. seit BVerfGE 30, 1, 23 – Abhörurteil. A. A. in ihrer abweichenden Meinung Gregor Geller, Fabian v. Schlabrendorff, Hans Rupp, welche der Auffassung waren, dass sich dieses Ersatzsystem klarer vom normalen Rechtsweg unterscheiden müsse. Das solle gerade für die Bereiche der Unabhängigkeit, Neutralität und prozessualen Formalia gelten. Vgl. ebd., S. 34 f. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen zudem Anforderungen an aufsichtliche Kontrolle, Transparenz und individuellen Rechtsschutz: BVerfGE 133, 277, 365 – ATDG. Ferner Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr vom 25.01.2012, KOM[2012], S. 10. 666  Es reiche aus, wenn die bzw. der Vorsitzende die Befähigung zum Richteramt besitze. So BVerfGE 30, 1, 31 – Abhörurteil. 667  Ebd. Zum damaligen Zeitpunkt entsprach die G10-Kommission diesen Anforderungen. 668  BVerfGE 67, 157, 184  f. – G10. Die Konsequenz daraus müsse allerdings sein, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde



I. Kontrolle des BND439

sei eine Unterrichtung mangels Feststellung der Identität von Personen technisch sogar kaum möglich, weswegen im vorliegenden Fall keine Verpflichtung zur Unterrichtung bestand.669 Diese Entscheidung war damals nicht offensichtlich zu erwarten, weil das Gericht zuvor eine Mitteilungsverpflichtungen staatlicher Stellen bejahte, wenn behördliche Maßnahmen heimlich erfolgten und keine oder unzureichende Auskunftsansprüche gegeben waren.670 Darüber hinaus stellte es ein Jahr zuvor in Bezug auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung fest, wenn Bürgerinnen und Bürger keine Kenntnis über heimliche Maßnahmen erlangen, „wer wo über welche personenbezogenen Daten in welcher Weise und zu welchen Zwecken verfügt, [ein] Rechtsschutz verfassungsrechtlich unzureichend“ sei.671 Um bei dieser weitgehenden Versagungserlaubnis von Mitteilungen an die Betroffenen bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen einen ausreichenden Rechtsschutz zu generieren, erweiterte das Bundesverfassungsgericht 1999 die Anforderungen an die Ersatzkontrolle. Damals stellte es in der TKÜ IEntscheidung klar, dass sich die G10-Kontrolle sowohl auf den Antrag der Beschränkungsmaßnahme des BND als auch auf die Festlegung der Suchbegriffe erstreckt, die i. S. d. Ziele der Überwachung geeignet sind, sowie vorab und nachträglich kompensatorisch kontrolliert werden müssen.672 Da neben der Erhebung der personenbezogenen Daten weitere Verarbeitungsprozesse und demzufolge zusätzliche intensive Grundrechtseingriffe vorlägen, müsste sich die Kontrolle des Weiteren auf den gesamten Bereich der Verarbeitung beziehen.673 Dafür sei es erforderlich, dass der G10-Kommission alle erhebund die Beurteilung der Beschwerdebefugnis erleichtert werde, wenn sie darlegen, dass potenzielle exekutive Anordnung von Überwachungsmaßnahmen mit einiger Wahrscheinlichkeit in ihre Grundrechte eingreifen (Leitsatz 1). Zudem ist die bzw. der BfDI für die Kontrolle der personenbezogenen Daten teilweise zuständig. Siehe BVerfGE 65, 1, 59 f. – Volkszählung. 669  BVerfGE 67, 157, 184 f. – G10. 670  So schon BVerfGE 30, 1, 21, 31 – Abhörurteil; 100, 313, 361, 397 ff. – TKÜ I. 671  BVerfGE 65, 1, 70 – Volkszählung. 672  BVerfGE 100, 313, 374 – TKÜ I. Bestätigt in BVerfGE 120, 274, 331 f. – Online-Durchsuchung (unter Verweis auf Sächsisches VerfG, Urteil vom 14.05.1996, Az.: Vf.44-II-94); 125, 260, 337 – Vorratsdatenspeicherung. 673  BVerfGE 100, 313, 391, 401 – TKÜ I. Da sich die damalige Regelung nur auf den Bereich der Zulässigkeit der Erhebung erstreckte, entsprach sie nicht mehr den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Diesen Erfordernissen kommt – nach Bertold Huber – der heutige § 15 Abs. 5 S. 2 G10 nach, welcher eine umfassende Kontrolle für die gesamte Verarbeitung der nach dem G10 erlangten Daten einschließlich der Entscheidung über Mitteilungen dieser Vorgänge an die Betroffenen normiere. Ders., § 15 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1451.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

lichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden,674 um die Feststellung der Eignung der Maßnahmen des BND gewährleisten zu können.675 Die Anforderungen an die Kontrolle für heimliche Grundrechtseingriffe wurden mit der Entscheidung zur Online-Durchsuchung und der Einführung des Grundrechts auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nochmals verschärft. Voraussetzung des kompensatorischen Grundrechtsschutzes sei eine eingehende Rechtmäßigkeitsprüfung der vorgesehenen Maßnahme durch die G10-Kommission, die die Anordnung und Genehmigung schriftlich festhalte.676 Zusätzlich dazu forderte das Gericht in seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung bei der vorsorglichen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten und ihrer Verwendung neben effektivem Rechtsschutz auch adäquate Sanktionen.677 Im Urteil zur Antiterrordatei führte das Bundesverfassungsgericht diese Linie teilweise fort, indem es gesetzlich Benachrichtigungspflichten verlang­ te,678 die „inhaltlich wie verfahrensrechtlich begrenzt“ sein könnten.679 Demgegenüber erkannte es die Beschränkung von Transparenz- und Berichtspflichten für die Nachrichtendienste an, da diese vom Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung ausgenommen seien.680 So bewertete das Bundesverfassungsgericht es generell als verfassungskonform, wenn in „besonderen, strikt zu handhabenden Ausnahmefällen“ die Einsicht in Vorgänge oder Akten sowie Auskünfte aus Geheimhaltungsinteressen verwehrt werde.681 Zuletzt beurteilte das Bundesverfassungsgericht im Bereich des BKAG die dortigen nachrichtendienstlich angenäherten Befugnisse der Polizei als verfassungsrechtlich unzulässig, sofern keine umfassenden Protokollierungspflichten der Kontrolle existierten, die Aussagekraft über die Löschungen von Daten enthalten, sowie die öffentlichen Berichte keine Angaben über den Umfang von Befugnissen, die Art der Verdachtslagen und die Anzahl an 674  BVerfGE

30, 1, 30 – Abhörurteil. 100, 313, 375 – TKÜ I. 676  BVerfGE 120, 274, 332 – Online-Durchsuchung. 677  BVerfGE 125, 260, 337 – Vorratsdatenspeicherung. 678  Ebd., S. 356. 679  BVerfGE 133, 277, 367 – ATDG. Dies wäre dann der Fall, wenn die Aufgabenwahrnehmung der Behörde gefährdet, es zur Ausforschung des Erkenntnisstandes einer Verfassungsschutzbehörde führen würde oder nach Abwägung im Einzelfall den spezifischen staatlichen Sicherheitsinteressen größeres Gewicht zukomme. Die Antiterrordatei beinhaltete allerdings keine Benachrichtigungspflichten, sondern nur Auskunftsansprüche, was wegen sicherheitsrechtlicher Aspekte zur Terrorismusabwehr gerechtfertigt war. 680  Ebd., S. 326. 681  Ebd., S. 371. 675  BVerfGE



I. Kontrolle des BND441

Benachrichtigungen enthielten.682 Trotz der generalisierenden Ausführungen im BKAG-Urteil bleibt abzuwarten, ob jene Anforderungen inhaltsgleich auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit übertragen werden kann. Ein weiterer großer Streitpunkt war zudem stets, ob die Bundesregierung und die Nachrichtendienste den Kontrollorganen relevante Informationen auf Grund von sicherheitsrechtlichen Geheimanliegen vorenthalten dürfen. Das Verfassungsgericht gesteht der Exekutive zwar einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu, welcher einen „grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich“ einschließe und die Kontrolle grundsätzlich „auf bereits abgeschlossene Vorgänge erstreckt“.683 Daher sei es ausnahmsweise gerechtfertigt, die Herausgabe einzelner Dokumente gegenüber Kontrollorganen zu verweigern: So ist das im Rahmen der NSASelektorenliste und dem dazugehörigen Untersuchungsausschuss geschehen684 und generell für das Parlament akzeptiert.685 Ob das aber auch für die spezifisch zur Nachrichtendienstkontrolle berufenen Kontrollorgane gilt, blieb bis jetzt offen. Gerade ob der Exekutive eine Ausnahme bei der internationalen Nachrichtendienstkooperation gewährt werden kann und die Informationen nicht der Verfügungsberechtigung der deutschen Dienste unterliegen, ist für die G10-Kommission noch ungeklärt.686

682  BVerfGE 141, 220, 320 ff. – BKAG. Gerade Übermittlungen bei Zweckänderungen waren gesetzlich nicht vorgesehen. 683  Allgemein dazu BVerfGE 67, 100, 139 – Flick-UA; 68, 1, 87 – Atomwaffenstationierung. Bestätigt für den nachrichtendienstlichen Sektor des BND: BVerfGE 124, 78, 120 – UA-Geheimgefängnisse. Siehe auch Klein, Art. 45d GG, in: Maunz/ Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 36, nach welchem das für jene Bereiche gelte, die in die alleinige Verantwortung der Bundesregierung fielen und umfasse den Willensbildungsprozess sowie die Entscheidungsfähigkeit. Ferner Peitsch/Polzin, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2000, Vol. 19, S. 387 (392). Kritisch dazu Baer, Vermutungen zu Kernbereichen der Regierung und Befugnissen des Parlaments, in: Der Staat 2001, Vol. 40, S. 525 (525 ff.); Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III, 3. Aufl. 2005, S. 1115 (1120 ff.). 684  BVerfGE 143, 101, 155 ff. – NSA-Untersuchungsausschuss. 685  Vgl. BVerfGE 67, 100, 139 – Flick-UA; 68, 1, 87 – Atomwaffenstationierung; 124, 78, 120 – UA-Geheimgefängnisse. Zuletzt auch BVerfGE 143, 101, 155 ff. – NSA-Untersuchungsausschuss. 686  Die G10-Kommission konnte mangels Parteifähigkeit keinen Organstreit vor dem BVerfG anstrengen. Vgl. BVerfGE 143, 1, 10 ff. – NSA-Selektoren (G10-Kommission).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

4. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Ausland-Auslandfernmeldeaufklärung hinsichtlich der Kontrolle des BND Mit seiner Entscheidung zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung verdeutlichte das Bundesverfassungsgericht noch einmal, dass die Befugnisse zur strategischen Überwachung, zur Übermittlung der Daten und im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen in- und ausländischen Stellen von einer ausgebauten, unabhängigen, institutionell eigenständigen und objektivrecht­ lichen Kontrolle flankiert werden müssen.687 Diese Stellen seien mit einem umfassenden Kontrollzugriff auszugestalten, wobei die Kontrolle nicht durch die „Third Party Rule“ behindert werden dürfe.688 In personeller Hinsicht seien Kontrollorgane so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen können.689 Inhaltlich ging es jedoch so gut wie gar nicht auf die Neuerungen des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016 ein, weshalb die dortigen Passagen lediglich klarstellenden Charakter haben. Dies lag aber auch daran, dass im Fokus die Regelungen zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung standen, die von den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern gerügt worden sind. 5. Kritische Würdigung unter Bezugnahme erster Erfahrungen aus der Praxis zum aktuellen Stand der Kontrolle des BND Obwohl das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der genauen Ausgestaltung der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle einen weiten Gestaltungsspielraum zugesteht, musste das oberste Verfassungsgericht vermehrt die äußeren Grenzen gerichtlich verfeinern, weil die gesetzlichen Regelungen zu unbestimmt, zu weitgehend waren oder Befugnisnormen fehlten. Bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung bezweifelten viele Kritikerinnen und Kritiker, dass die Neuregelungen aus 2016 diesen Forderungen standhalten können. Ein Großteil dieser Kritik geht zurück auf die bereits 1997 vom damaligen Bundesverwaltungsrichter Hermann Borgs-Maciejewski festgestellten drei Hauptdefizite in der damaligen Kontrolle der Nachrichtendienste, an denen sich auch nachfolgende Bewertung orientiert.690 Nach diesem liege das erste 687  BVerfG,

Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 266 ff. – BNDG. Rn. 272, 282. 689  Ebd., Rn. 284. 690  Borgs-Maciejewski, Zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: ZRP 1997, Vol. 30, S. 361 (363), welcher sich ursprünglich auf die Vorgängerkommission des PKGr – die PKK – bezog. 688  Ebd.,



I. Kontrolle des BND443

Defizit darin, dass die Kontrollorgane „ihre Kontrollanlässe ausschließlich von außen – nicht aufgrund eigener systematischer Recherchen und Analysen“ generieren. Zweitens spiegele die Nachrichtendienstkontrolle keine „Leistungskontrolle der Dienste“ wider und es fehle ihr, drittens, „an einem leistungsfähigen Apparat“. Diese damals festgestellten Defizite sind auch mehr als zwei Jahrzehnte später und trotz zahlreicher Reformen des Nachrichtendienstrechts – teils mehr, teils weniger – auszumachen. Obwohl der Gesetzgeber 2009 versuchte, die Kontrolle grundlegend neu aufzustellen, sollten weitere Untersuchungsausschüsse,691 vereinzelt kritische Berichte und Beschwerden seitens des PKGr und seiner Mitglieder,692 aber vor allem zahlreiche Medienenthüllungen693 aufzeigen, wie defizitär die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle immer noch ist. Der vielzitierte Satz von Christoph Gusy, dass die parlamentarischen Kontrollinstanzen „nicht nur blinde Wächter […, sondern] auch Wächter ohne Schwert“694 seien, kam renaissancistisch zur Wiedervorlage und knüpft an die Bewertung Hermann Borgs-Maciejewskis zur mangelnden Wirksamkeit der Kontrollstellen an. Ebenso hielt die Novellierung 2016 – wie zuvor schon die Reformen von 2009, 1992 oder auch 1990 – an diesen defizitären Strukturen und ihren Grundprinzipien fest.

691  Siehe etwa 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, BT-Drs. 18/843 (NSA-Untersuchungsausschuss); 3. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode, BT-Drs. 18/12950 (NSU-Untersuchungsausschuss II); 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode, BT-Drs. 19/943 (Untersuchungsausschuss Anschlag Berliner Breitscheidplatz). 692  Vgl. zu Kritik vom PKGr an der unzureichenden Kontrollmöglichkeit: PKGr, Erklärung in der Sondersitzung vom 16.12.2015, verfügbar unter: https://www. bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/parlamentarisches-kontrollgremium/399 586; Unterrichtung durch das PKGr, Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 13 PKGRG (Berichtszeitraum 01.12.2015 bis 31.10.2017) vom 15.01.2018, BT-Drs. 19/422, S. 3; Gisela Piltz, Mitglied des PKGr in der 17. Legislaturperiode, im Interview mit Hubertus Volmer bei n-tv vom 05.08.2013; André Hahn, Interview im Deutschlandfunk vom 18.08.2014. 693  Vgl. u. a. Steinke, Deutschland lässt zu, dass sein Geheimdienst unkontrolliert schaltet und waltet, in: Süddeutsche Zeitung vom 28.12.2017; Pinkert, Wenn BNDKontrolleure nicht kontrollieren können, in: tagesschau Online vom 07.12.2017; Decker, Abhör-Skandal: Parlament will Antworten vom BND, in: Frankfurter Rundschau vom 18.06.2018; Kurz, Das war in der Tat ein bisschen ungeheuer, in: FAZ Online vom 23.01.2017; Meister, Geheimer Prüfbericht: Der BND bricht dutzendfach Gesetz und Verfassung – allein in Bad Aibling (Updates), in: netzpolitik.org vom 01.09.2016. 694  Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (39).

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a) Mangelnde Informationsgewinnungsmöglichkeiten für Kontrollorgane Die Kontrolleurinnen und Kontrolleure sind auch nach den Reformen aus 2016 auf Informationen der Kontrollobjekte angewiesen. Das PKGr wird lediglich über die allgemeinen Tätigkeiten des BND von der Bundesregierung unterrichtet und erhält für seine jährlichen Berichte für Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des G10 vom Bundesinnenministerium und nicht von der kontrollierenden Stelle – der G10-Kommission – seine Informationen.695 Die G10-Kommission erhält für angeordnete Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des Art. 10 Abs. 1 GG ebenfalls alle relevanten Auskünfte vom anordnenden Bundesinnenministerium.696 Das Unabhängige Gremium, welches ein ähnliches Aufgabenspektrum wie die G10-Kommission hat, wird wiederum vom Bundeskanzleramt unterrichtet.697 Während die G10-Kommission und das Unabhängige Gremium grundsätzlich über alle einzelnen Beschränkungsmaßnahmen umfassend aufgeklärt werden müssen, erhält das PKGr nur Informationen über Einzelvorkommnisse, wenn diese nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 PKGrG „Gegenstand politischer Diskussionen oder öffentlicher Berichterstattung sind.“ Sowohl der Inhalt als auch der Umfang der zu kon­ trollierenden Informationen, die an die verschiedenen Gremien zu Kontrollzwecken übermittelt werden müssen, obliegt der Exekutive damit selbst, was einen erheblichen Kontrollnachteil für die Kontrollorgane darstellt. Dieses asymmetrische Verhältnis wird dadurch vertieft, dass die Kontrollinformationen nicht von einheitlichen Stellen übermittelt werden und somit keine gebündelte Informationsweitergabe stattfindet. In Anlehnung an das britische Modell, dass ein umfassender und unbeschränkter Auskunftsanspruch zu kontrollrelevanten Informationen gewährt wird, wäre daher ein solcher Mechanismus wünschenswert.698 Der Gesetzgeber beabsichtigte, durch die Einführung einzelner Selbstkontrollmöglichkeiten dieses Ungleichgewicht zu mindern, in dem man u. a. vereinzelt Zutrittsrechte für Kontrollstellen zu den Diensten gewährte.699 Das seit 1999 bestehende „Besuchsrecht“ des PKGr wurde dafür bereits mehrfach aufgewertet. Diese Änderungen durch die Reformen 2016 und 2009 führ695  Siehe § 4 Abs. 1 PKGrG sowie § 14 Abs. 1 S. 1 G10. Eine Ausnahme besteht für die Übermittlungen an ausländische Stellen: § 7a Abs. 6 G10. Selbiges gilt auch für das Unabhängige Gremium nach § 16 Abs. 6 BNDG. 696  Dies gilt auch für die Übermittlung derartiger Informationen an ausländische Stellen: § 7a Abs. 5 G10. 697  Vgl. §§ 9 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 10 Abs. 3 BNDG. 698  Siehe dazu näher Abschnitt D.II.3. 699  Vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 PKGrG für das PKGr; § 15 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 G10 für die G10-Kommission sowie § 32 BNDG i. V. m. § 26a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BVerfSchG für die bzw. den BfDI.



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ten – bei Betrachtung des tatsächlichen Regelungsinhalts – allerdings nur in Bezug auf den Wortlaut zu einer Änderung.700 Mittlerweile ist den PKGrMitgliedern, sowie auch der G10-Kommission oder der bzw. dem BfDI, sogar „jederzeit Zutritt zu sämtlichen Dienststellen […] zu gewähren,“ solange dies – laut Gesetzesbegründung – nicht unangekündigt geschehe. Diese Nachbesserungen haben es jedoch nicht geschafft, den Regelungsinhalt, dass Zutritt nur nach Vernehmen mit den Nachrichtendiensten und den jeweils zuständigen Ministerien gestattet wird, abzuändern. Ferner existiert kein Zutrittsrecht für die Ständige Bevollmächtigte bzw. den Ständigen Bevollmächtigten oder für Mitglieder des Unabhängigen Gremiums, da ein solches weder für erforderlich noch sachlich gerechtfertigt erachtet wurde.701 Dabei würden regelmäßige und einfachere Kontrollbesuche der hierfür vorgesehenen Kon­ trolleurinnen und Kontrolleure nicht nur das Vertrauen in das rechtskonforme Handeln der auslandsnachrichtendienstlichen Stellen stärken, sondern auch ihre Legitimität generell festigen. Um diese Kontrollbesuche jedoch auch sinnvoll vorbereiten zu können und um sich eigens über die Überwachungsanfragen zu informieren, könnte ein Echtzeitzugang zum Kontrollsystem der Auslandsnachrichtendienste, wie bereits in den Niederlanden und Norwegen praktiziert, das bisher bestehende asymmetrische Ungleichgewicht ein Stück weit aufheben.702 Einen ähnlich weitgehenden Zugriff auf die bestehenden Kontrollsysteme wird dem Investigatory Powers Tribunal im Vereinigten Königreich gewährt. Diese haben vollen Zugriff auf sämtliche zur Kontrolle relevanten Unterlagen und umfassende Auskunftsrechte.703 Die benannten Beispiele aus anderen Staaten zeigen zudem, dass umfassende Kontrollmöglichkeiten ebenso Hand in Hand mit der problemlosen Zusammenarbeit mit anderen ausländischen Auslandsnachrichtendiensten gehen kann. Stärkere Kontrollen sind damit eben kein Hindernis für die internationale, aus­ landsnachrichtendienstliche Zusammenarbeit und die Leistungsfähigkeit des Diens­tes. Deshalb sind unangemeldete Kontrollbesuche und Zugang zu den Datenbanken des BND zur Verbesserung der Kontrolle nicht nur möglich, sondern gerade ein wesentlicher, notwendiger und additiver Baustein. 700  Vgl.

Übersicht 1, Abschnitt D.I.2.a)dd). jedenfalls angelegt im Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kon­ trolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 11. 702  Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 26. Das norwegische Kontrollgremium hat bspw. die Möglichkeit „free searches in the services’ computer systems“ in Echtzeit durchzuführen. Siehe dazu The Norwegian Parliamentary Intelligence Oversight Committee (EOS Committee), Annual Report 2015, S. 35. 703  Vgl. Annual Report of the Investigatory Powers Commissioner 2017 vom 31.01.2019, S. 41. 701  So

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Ähnliches gilt für die Neuregelungen zur internen Kontrolle, die das Melden von Missständen von innen heraus fördern und die Informationsgewinnung für das PKGr effektivieren sollten. Der Gesetzgeber erkannte, dass die bisherige Praxis interner Meldungen von Missständen nicht praktikabel war, weil diese vorab den Vorgesetzten der Dienststelle zugeleitet werden mussten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hielt das augenscheinlich davon ab, solche Meldungen zu tätigen.704 Die Neuschaffung ermöglicht nun, sich direkt an das PKGr zu wenden. Diese gewährt den Hinweisgebenden allerdings nur im Grundsatz Anonymität und lässt diese entfallen, wenn es für die Aufklärung des gemeldeten Sachverhaltes „erforderlich“ ist, dass die Meldenden preisgegeben werden.705 Der § 8 Abs. 1 S. 4 PKGrG ist dahingehend zu unbestimmt, weil nicht deutlich wird, welche Informationen für die Sachverhaltsaufklärung erforderlich sind. Aus einer praktischen Perspektive wird es so zur Aufklärung des Sachverhaltes in aller Regel erforderlich sein, die Person zu hören, die von Missständen berichtet, schon allein weil die einzelnen Abteilungen „wissensparzelliert“ arbeiten und damit nur wenige diesen Sachverhalt aufklären können.706 Zwar kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Kontrolle des BND ein weiter Ermessensspielraum zu. Wenn dieser jedoch feststellt, dass Hinweisgebende von der Altregelung abgeschreckt wurden und man vor allem die interne Kontrolle durch einen stärkeren Hinweisgebendenschutz ergänzen will, ist nicht ersichtlich, inwiefern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Motivation durch die Neuregelung gestärkt sein sollten, stellenweise aufgetretene Missstände aufzudecken. Im Gegenteil stellt die Gesetzesbegründung vielmehr offensiv die Möglichkeit der Bestrafung klar, weswegen auch die Kritik von Klaus Gärditz nicht korrekt ist, welcher hierbei von einem Regelungsdefizit spricht.707 Vielmehr 704  Tatsächlich wurden keine solcher Eingaben getätigt. Vgl. Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. So auch Singer, PKGrG, 2015, § 8 PKGrG, S. 143. 705  Vgl. § 8 Abs. 1 S. 4 PKGrG. 706  Diese Praxis hat eine lange Tradition in der Tätigkeit des BND. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war es beispielsweise nur erlaubt, die „eigenen Informationen“ – die selber nur aus spezifischen Einzelaufgaben herrührten – ausschließlich dann weiterzugeben (selbst an Kollegen oder Vorgesetzte), wenn dies „zwingend notwendig“ war. Dies ließ sich auf Grund der Gegenspionage fremder Dienste zurückführen – so waren Mitarbeiterlisten, Auftragsprofile oder ähnliche Interna des BND dem damaligen Ministerium für Staatssicherheit der damaligen DDR kein Geheimnis. Diese Zersplitterung des Wissens wurde daher auch auf den Kontrollsektor übertragen, damit das „große ganze Bild“ nie offenbart werden musste. Siehe hierfür Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (444). 707  So Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533).



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umfasst der Wortlaut der Sachverhaltsaufklärung, was zudem nochmal die Gesetzesbegründung klarstellt, dass man sich bei vorsätzlichen Falschmeldungen eben nicht auf die Wahrung der Anonymität berufen kann. Bei klaren Missbräuchen des § 8 Abs. 1 S. 4 PKGrG könnte diese Norm ohnehin teleologisch zu reduzieren sein. Verständlich ist zwar auch die Kritik, dass schuldhaft übermittelte Falschinformationen geahndet werden müssten und man sich hierbei nicht hinter dem Deckmantel der Anonymität verstecken dürfte.708 Die Betonung der Gefahr eines Missbrauchs seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht hingegen einerseits der vergangen Praxis gegenüber, in der gar keine – missbräuchlichen oder legitimen – Eingaben übermittelt worden sind, allerdings andererseits in nicht unbeachtlicher Zahl gesetzliche Grenzüberschreitungen seitens der Dienste stattgefunden haben (sollen).709 In Anbetracht dessen ist es paradox, wenn zugleich bemängelt wird, dass Hinweisgebende sich an die Medien wenden. Um für die Zukunft zu verhindern, dass noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich an die Medien wenden,710 müssen Gesetzesanpassung folgen.711 Im Ansatz positiv hervorzuheben ist die Einführung von Regelbeispielen für die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung gem. § 4 Abs. 1 PKGrG, um eine rechtliche Klarheit und Verbindlichkeit über die Rechte und Pflichten zu normieren. Dennoch wirken einzelne Regelbeispiele sehr weit, unbestimmt712 und können – wie Bertold Huber richtig einschätzt – am Ende nur Wirkung erzeugen, wenn die Bundesregierung die ihr obliegenden Unterrichtungspflichten auch ernst nimmt – was in der Vergangenheit nicht stets der Fall gewesen sein soll.713 Zudem wird die Unterrichtungspflicht von den zahlreichen Ausnahmen aus § 6 PKGrG komplettiert. Zwar plädiert selbst 708  So kritisch Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 24 f., welcher eine explizite Regelung zur Aufhebung der Anonymität in solchen Fällen fordert. 709  So aber gefordert von Klaus Gärditz, siehe ebd. 710  Müller-Neuhof, Geheimnisverrat beim BND nimmt zu, in: Der Tagesspiegel vom 07.12.2015. 711  Im Ergebnis zu der gleichen Einschätzung vor den Novellen aus 2016 kommend Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 213; Smid, Kritik des mehrpoligen parlamentarischen Kontrollsystems, in: Röttgen/Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, 2008, S. 45 (61). 712  Wann Änderungen im Lagebild „wesentlich“ sind oder „erhebliche Auswirkungen“ haben, ist nicht definiert und obliegt im Ergebnis primär der Interpretation der Bundesregierung und deren Dienste, die selbst bestimmen können, wann die Kriterien erfüllt sind und was im Nachhinein gerichtlich überprüft bzw. ausgelegt werden kann. 713  Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (166).

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Gerhard Schindler nicht für eine „überzogene Geheimhaltung“,714 die Praxis zeigt jedoch, dass diese Einrede sogar gegenüber Kontrollorganen vorgebracht werden kann.715 In diese Richtung bewegt sich im Bereich der Unterrichtungspflichten auch der neue Zusatz in § 6 Abs. 1 PKGrG. Hiernach bezieht sich diese Verpflichtung nicht auf Informationen, die die Nachrichtendienste von anderen Stellen erhalten haben und die dementsprechend nicht ihrer Verfügungsberechtigung unterliegen. Der Gesetzesentwurf geht im Zuge dessen zwar davon aus, dass dies in der Regel nur bei Übermittlungen von ausländischen Behörden der Fall ist.716 Da die Formulierung aber anscheinend auch bei der Übermittlung an nationale Stellen gilt, wird so die Kontrolle der Nachrichtendienste konterkariert. Einerseits werden die Daten zumeist von den Stellen verarbeitet, die die Informationen zugesandt bekommen, und unterliegen deshalb schon nicht mehr vollends der Verfügungsberechtigung der übermittelnden Stelle,717 andererseits muss im Sinne einer effektiv kontrollierten Gewaltenteilung eine Kontrolle bei der Kooperation von nationalen Sicherheitsbehörden stattfinden bzw. eine Verfügungsberechtigung erteilt werden, da die Kontrolle sonst gänzlich ad absurdum geführt werden würde. Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend nur die „Third Party Rule“ als Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstrecht anerkannt.718 Der § 6 Abs. 1 PKGrG kann sich zudem nicht auf die Generalausnahme der zwingenden Gründe des Geheimnisschutzes bzw. des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwor714  Schindler,

S. 13.

Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D,

715  Vgl. ausschnittsweise die Kleinen Anfragen: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten von Notz u. a. vom 28.03.2018, Staatliches Hacking von Internetkommunikation – Transparenz rechtlicher und tatsächlicher Voraussetzungen, BT-Drs. 19/1434, S. 4; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ströbele u. a. vom 12.09.2013, Überwachung der Internetund Telekommunikation durch Geheimdienste der USA, Großbritanniens und in Deutschland, BT-Drs. 17/14739, S. 2, welche wegen des Geheimnisvorbehalts teilweise unbeantwortet blieben. 716  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 14. 717  Siehe auch Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 19 f. Er forderte deshalb den § 6 Abs. 1 S. 1 PKGrG um den Halbsatz „oder von ihm verarbeitet werden“ zu ergänzen, um dieses Problem zu verdeutlichen. 718  BVerfGE 143, 101, 151 f. – NSA-Untersuchungsausschuss. Zur Internationalen Anerkennung dieser Regelung nennt das BVerfG u. a. den Federal Court of Canada, Urteil vom 07.05.2009, Charkaoui (Re), 2009 FC 476, [2010] 3 F.C.R. 102, Rn. 17 ff.; US District Court New York, Urteil vom 29.11.1996, Ajluni v. FBI, 947 F. Supp. 599 [N.D.N.Y. 1996] sowie die Art. 4 lit. d, 5 lit. b des Geheimschutzabkommens zwischen der NATO und der EU, ABl. EU L Nr. 80, S. 36 ff.



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tung als Ausschlussgründe für eine Unterrichtungspflicht beziehen, da diese separat in § 6 Abs. 2 PKGrG geregelt ist. Vielmehr wäre genau an dieser Stelle eine Reform notwendig gewesen, um diese pauschale Begründung einer zumindest im Ansatz bestehenden Überprüfung vorzulegen. Eine potenziell wesentliche Besserung – um den wissensasymmetrischen Strukturen entgegenzuwirken – ist die Einführung öffentlicher Anhörungen der Präsidentinnen bzw. Präsidenten der Nachrichtendienste.719 Der Erfolg dieser Anhörungen hängt jedoch im Wesentlichen davon ab, wie sich die Dienste und die Kontrollorgane öffentlich präsentieren. Zwar besteht die Gefahr, dass die PKGr-Mitglieder diese Befragung als Plattform nutzen, um politische Streitigkeiten auszutragen.720 Dennoch gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass ein derartiger öffentlicher Austausch zumindest die Möglichkeit bietet, an der Überwachungspolitik mitzuwirken, diese kritisch zu hinterfragen und die nachrichtendienstliche Arbeit dadurch präsenter zu halten, was zusätzlich zu einer Erhöhung der gesellschaftlichen sowie politischen Legitimität der Nachrichtendienste führen könnte.721 Ähnliche „Public hearings“ in den USA und Großbritannien haben aber gezeigt, dass nicht selten wegen Geheimhaltungsinteressen keine Angaben gemacht oder andere Sachverhalte dargestellt wurden, die teils kurze Zeit später durch Medien oder andere Institutionen widerlegt wurden.722 Letzterer Aspekt ist hierbei jedoch von entscheidender Natur: Wenn die Ausgestaltung der Kontrolle dem Ermessen des Gesetzgebers obliegt, muss dieser für dessen Effektivität verfassungsrechtlich garantieren. Derzeit ist jedoch nach vorbenannter Gesetzeslage eine solche umfassende Informierung der Kontrollorgane nicht gewährleistet. Vielmehr ist festzustellen, dass ohne Enthüllungen von Edward Snowden, Julian Assange, Chelsea Manning, Wiki­Leaks, Anonymus, Washington Post, Spiegel, Guardian und vielen anderen die Kontrollorgane und die Gesellschaft sehr wahrscheinlich weiterhin 719  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1 f.; Plenardebatte vom 21.10.2016, Stenografischer Bericht der 197. Sitzung, Plenarprotokoll 18/197, S. 19618, 19625; Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss), BT-Drs. 18/10069, S. 8. 720  So mahnend Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 26, nach welchem die Politikerinnen und Politiker die Arbeit in den Gremien auch ernst nehmen und nicht auf Skandalisierung setzen müssten. 721  Berman, Regulating Domestic Intelligence Collection, in: Wash. & Lee L. Rev. 2014, Vol. 71, S. 3 (64 f.); PCLOB, Workshop Regarding Surveillance Programs Operated pursuant to Sec. 215 of the USA Patriot Act and Sec. 702 FISA (2013). 722  Vgl. dazu bereits Brancart, Rethinking the State Secrets Privilege, in: Whittier L. Rev. 1987, Vol. 9, S. 1 (1 ff.). Ferner Abschnitt D.II.2.

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ahnungslos darüber wären, wie tiefgreifend die Nachrichtendienste für sicherheitsrelevante Aspekte Grundrechte beschränken. Dass erst die Enthüllungen von Edward Snowden zu Gesetzesänderungen und zur Feststellung von Fehlverhalten führten, offenbart offensichtlich die Ineffektivität der Kontrolle und den übersteigerten Geheimnisschutz gegenüber den Kontrollorganen, was rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügt. b) Mangelnde „Leistungskontrolle“ Ein weiterer Schwachpunkt der Nachrichtendienstkontrolle ist der Mangel an einer effektiven „Leistungskontrolle“, welcher bereits durch die vorab beschriebenen wissensasymmetrischen Tendenzen geprägt ist. Dies offenbart sich darin, was kontrolliert wird und wie die Kontrolle stattfindet.723 Obwohl zumindest einzelne Kontrollbereiche mit den Novellen aus 2016 erschlossen wurden, blieb die quasi-gerichtliche Kontrolle lediglich auf Beschränkungen von Art. 10 Abs. 1 GG begrenzt. Wenn man das Aufgabenspektrum des BND gem. § 2 BNDG in den Fokus nimmt, kann der Dienst jede gezielte Maßnahme zur Gewinnung von Informationen durchführen und ist damit nicht nur auf Beschränkungsmaßnahmen des Art. 10 Abs. 1 GG limitiert. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass sämtliche Kommunikationsformen von Erhebungen, Speicherungen oder Weitergabe der Informationen betroffen sind.724 Die grundrechtlichen Bereiche der informationellen Selbstbestimmung, der Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme oder anderer Grundrechtsbeschränkungen unterliegen weder einer Vorab- noch einer nachträglichen quasi-gerichtlichen Kontrolle.725 Zwar gilt bei diesen Grundrechten Art. 10 Abs. 2 GG nicht direkt, aber de facto stößt Art. 19 Abs. 4 GG hier an dieselben Grenzen.726 Da sich nicht nur die Fernkommunikation dahin entwickelt, 723  Borgs-Maciejewski, Zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: ZRP 1997, Vol. 30, S. 361 (363), welcher sich ursprünglich auf die Vorgängerkommission des PKGr das PKK bezog. 724  Siehe auch Bericht der New America Foundation u. a., Law and Policy in Internet Surveillance Programs: United States, Great Britain and Germany, in: Impulse 2013, Vol. 25, S. 3 ff. 725  Die nach § 5 Abs. 1 S. 1 G10 vorgesehenen Beschränkungen beziehen sich ausschließlich auf die herkömmlichen Telekommunikationsbeziehungen via Leitungen oder Lichtwellenleiter. So Huber, § 5 Art. 10-Gesetz, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1394 f. 726  In BVerfGE 100, 313, 357 – TKÜ I, wurde explizit nur auf Beschränkungsmaßnahmen des Art. 10 Abs. 1 GG eingegangen, da Verletzungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht gerügt wurden und das Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme noch nicht entwickelt war. Bei neueren Entscheidungen im Sicherheitsrecht war



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überwiegend über das Internet vollzogen zu werden und dort viel einfacher gespeichert werden kann, sondern auch weil der Bereich der Metadaten sensible Daten generiert und zunehmend von der Aufklärung des BND genutzt wird, ist eine gesetzliche Novellierung zwingend notwendig.727 Dahingegen weist auch die Kontrolle durch die G10-Kommission lediglich eine schwache Stellung gegenüber den Kontrollobjekten auf. Dies ist sowohl 1999 als auch jüngst 2017 vor dem Bundesverfassungsgericht offenkundig geworden. Im Verfahren zur Telekommunikationsüberwachung des BND teilte die Bundesregierung der Kommission damals mit, dass sich gewisse Überprüfungsmaßnahmen außerhalb ihres Kompetenzbereiches befänden, woraufhin die G10-Kommission – trotz anderer Rechtsauffassung – die Prüfung zahlreicher Bereiche eingestellt hat.728 Das an sich unabhängig ausgestaltete Gremium, welches als Ersatzkontrollinstanz gleich einem Gericht tätig und befugt sein soll, ließ sich somit Weisungen vom Kontrollobjekt erteilen.729 Seither hat sich an dieser Systematik gesetzlich nichts geändert. Selbst wenn die G10-Kommission schon damals versucht hätte, diese Fragen und deren Durchsetzung gerichtlich klären zu lassen, wäre ein Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht mangels Parteifähigkeit als unzulässig abgewiesen worden. Das erste Mal, dass die G10-Kommission sich gegen eine Informationsversagung des BND verfassungsgerichtlich zur Wehr setzte, brachte 2017 im NSA-Selektorenbeschluss genau diese Erkenntnis.730 Ungeachtet dessen, ob die Versagung der Herausgabe legitim war oder der BND notwendige Informationen rechtswidrig zurückgehalten hat, zeigt sich, dass die G10-Kommission – als unabhängiges quasi-gerichtliches Kontrollorgan – nicht einmal in der Lage wäre, potenzielle Rechtsverstöße zu rügen.

dies jedoch anders: BVerfGE 133, 277, 316 ff. – ATDG; 141, 220, 286 ff. – BKAG. Zur Unterscheidung zwischen Art. 10 GG und den Rechten aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG siehe auch BVerfGE 113, 348 – vorbeugende Telekommunikationsüberwachung; 115, 166 – Kommunikationsverbindungsdaten. Zudem weist Kurt Graulich daraufhin, dass auch andere Grundrechte von der Fernmeldeaufklärung betroffen sind: ders., Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, 2015, S. 40 ff. 727  So stammen laut dem ehemaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler rund 50 % der gewonnenen Informationen aus der SIGINT Fernmeldeaufklärung. Vgl. Rede des damaligen BND-Präsidenten anlässlich der 3. Nachrichtendienst-Konferenz am 29.10.2015, Der nachrichtendienstliche Mehrwert – Möglichkeiten und Grenzen der nachrichtendienstlichen Informationsgewinnung, S. 5. 728  BVerfGE 100, 313, 401 – TKÜ I. 729  Am Ende entschied das BVerfG, dass die in Rede stehenden Vorschriften unvereinbar mit dem Bestimmtheitsgebot seien, und forderte den Gesetzgeber zur Nachbesserung auf. Siehe BVerfGE 100, 313, 401 f. – TKÜ I. 730  BVerfGE 143, 1, 8 – NSA-Selektoren (G10-Kommission).

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Bisher ist das nur für das PKGr möglich, was selber wiederum mit anderen Hindernissen kämpfen muss. Gem. § 14 PKGrG darf das Gremium, welches mehrheitlich mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern der Regierungsparteien besetzt ist, nur bei einer Zweidrittelmehrheit das Bundesverfassungsgericht anrufen.731 Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn wegen der Besonderheit nachrichtendienstlicher Tätigkeit die Kontrolle durch die parlamentarischen Minderheiten bestimmten Grenzen unterliegt, damit die preisgegebenen Informationen nicht zu einem „Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen“ oder die Minderheit vor Sachentscheidungen der Mehrheit bewahrt wird – mithin der Gewaltenteilungsgrundsatz und Staatswohlinteressen selbst hierfür die Grenzen darstellen.732 Der Minderheit muss es aber trotz alledem möglich sein, „sich in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen“733 und ihre Kontrollaufgaben ausüben zu können. Eine Zweidrittelmehrheit für nahezu alle entscheidenden Kontrollbefugnisse unterläuft genau diese Möglichkeiten. Zum einen liegt bei der Kontrolle durch das PKGr ohnehin nur eine nachträgliche Überprüfung vor, die ein „Mitregieren“ bei der Entscheidungsfindung nicht mehr möglich macht, sondern die getroffenen Regierungsentscheidungen erst dann der Kontrolle unterstellen. Zum anderen zeigt die Praxis, dass von § 14 P ­ KGrG – der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts – nicht ein einziges Mal Gebrauch gemacht wurde, weil das viel zu hohe Quorum eine wirksame Kontrolle unmöglich macht. Dabei gab es schon vor der NSA- oder NSU-Affäre zahlreiche Fälle,734 in denen eine solche Vorlage gerechtfertigt – wenn nicht sogar Bestandteil des Kontrollauftrages – gewesen wäre. Wirft man einen Blick allein 731  Das Phänomen von mangelnder Distanzierung von Kontrollorgan und Kon­ trollobjekt durchzieht die ganze institutionelle Kontrolle des BND und schlägt sich nicht lediglich beim PKGr aus. Zum einen sind sowohl bei der Benennung als auch bei der Besetzung der Gremien die Oppositionsparteien auf das Wohlwollen der Regierungsparteien angewiesen bzw. bei der Mitbestimmung der Kontrollämter faktisch ohne Mitspracherecht. Dies lässt sich praktisch allein an der 19. Legislaturperiode feststellen. So gehören der Beauftragte für die Nachrichtendienste (Johannes Geismann), die BfDI (Andrea Voßhoff) und der Ständige Bevollmächtigte (Arne Schlatmann) jeweils der Regierungspartei der CDU an. Kritisch dazu Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 18. 732  BVerfGE 70, 324, 324  f. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste; 124, 78, 118 ff. – UA-Geheimgefängnisse. Siehe auch Art. 42 Abs. 2 GG. 733  BVerfGE 70, 324, 324 f. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. 734  Gerade im Zuge der Ermittlungen des NSA-Untersuchungsausschusses traten gravierende Defizite bei der technischen Aufklärung des BND bzgl. der Rechtsgrundlagen, Regierungs- und Parlamentskontrolle auf, welche bei der jetzigen Reform stärker hätten ausfallen können. So auch Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 5 ff.



I. Kontrolle des BND453

auf die Besetzung in der 18. Legislaturperiode, als von neun PKGr-Mitgliedern lediglich zwei nicht den Regierungsparteien angehörten,735 ist es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn bei mehrheit­licher Besetzung des PKGr mit Mitgliedern der Regierungsparteien für fast alle Rechte des PKGr eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird.736 Der Opposition kommt somit weder in der Besetzung der Kontrollorgane noch bei deren Befugnisausübung irgendein Gewicht zu.737 Der Grundsatz der Gewaltenteilung im parlamentarischen System erfordert allerdings, dass Parlament, Exekutive und Legislative in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen müssen.738 Dieses Spannungsverhältnis kann – auf allen Ebenen – nur durch einen Minderheitenschutz gewährleistet werden, da im deutschen parlamentarischen Regierungssystem in erster Linie nicht die Mehrheit, sondern die Opposition die Regierung im Bundestag überwacht.739 Dies gilt umso mehr für Bereiche, in denen tiefgreifende Grundrechtseingriffe stattfinden oder zumindest möglich sind und das Plenum wegen geheimhaltungsbedürftiger Aspekte nur einen geringen Teilausschnitt der nachrichtendienst­ 735  Hierbei handelte es sich um André Hahn (Die Linke) und Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen). In der aktuellen Besetzung des PKGr in der 19. Legislaturperiode wurden alle Fraktionen berücksichtigt, obgleich die Wahl des AFDVertreters Roman Reusch erst im zweiten Wahlgang erfolgreich war. 736  Das ist der Fall für die Beauftragung eines Sachverständigen nach § 7 Abs. 1 PKGrG, genauso wie für die Aufhebung der Geheimhaltung nach § 10 Abs. 2 PKGrG oder wie für die Anrufung des BVerfG nach § 14 PKGrG. Siehe auch Huber, § 2 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1467, nach welchem davon auszugehen sei, dass selbst wenn jede bzw. jeder einzelne Abgeordnete nur ihrem bzw. seinem Gewissen unterliege, sie doch alle abhängig von dem Vertrauen der jeweiligen Partei und Fraktion – um überhaupt hierfür vorgeschlagen zu werden – seien. 737  Der Gesetzesentwurf 18/9040 spricht jedoch von einer „intensiven Beteiligung der Opposition“: Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 2. Selbst der Versuch der Stärkung der Opposition durch die Einführung von Sondervoten ist hierfür kein Ausgleich, weil diese gem. § 10 Abs. 2 PKGrG auch von einer Zweidrittelmehrheit abhängen. A. A. Weisser, Die Entwicklung des Bundesnachrichtendienstes, 2014, S. 226, nach welchem bereits 2014 die parlamentarische Kontrolle die „mangelnde juristische Kontrolle nahezu“ ausgleiche und ein guter Kompromiss zwischen Geheimhaltungsinteressen und Kontrollbefugnissen gefunden wurde. 738  BVerfGE, 49, 70, 85 f. – Untersuchungsausschüsse. 739  So auch im Kontext von Untersuchungsausschüssen: BVerfGE, 49, 70, 85 f. – Untersuchungsausschüsse. In einigen Landesverfassungen ist die Opposition sogar als „wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie“ verankert. Bspw. Art. 23a Abs. 1 Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg. Diametral dazu gibt es aber keinen Anspruch der Opposition darauf, dass ihre Rechte gestärkt werden. Vgl. hierfür BVerfGE 142, 25, 55 ff. – Oppositionsrechte.

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lichen Tätigkeit offenbart bekommt.740 Die Kontrollorgane müssen daher als „funktional[e] Antagonisten“ zur Exekutive ausgestaltet sein, weswegen eine Anpassung der Quora im parlamentarischen Kontrollsektor der Nachrichtendienste unerlässlich ist, um die geforderte unabhängige und effektive Kon­ trolle zu garantieren.741 Dasselbe Problem existiert bei § 10 Abs. 2 PKGrG, welcher die Anfertigung eines Sondervotums unter die Bedingung stellt, dass zunächst zwei Drittel der Mitglieder diesem Vorhaben zugestimmt haben, sowie bei § 7 PKGrG, welcher für die Einsetzung eines unabhängigen Sachverständigen ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Für die Übermittlung dieses Berichtes an andere Kontrollstellen wird zudem ein Mehrheitsbeschluss des Gremiums verlangt und dass der Geheimnisschutz gewahrt werde.742 Gem. § 10 Abs. 5 S. 2 PKGrG muss bei Übermittlung von Verschlusssachen sogar die Zustimmung der Stelle eingeholt werden, die die Übermittlung an das PKGr veranlasst hat. Andere Novellierungen dürften ebenso wenig zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle beitragen: Das eingeführte Umlaufverfahren gem. § 3 Abs. 3 PKGrG wird voraussichtlich allemal die Ausnahme darstellen, da jenes nur bei nicht geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten zur Anwendung käme, aber fast alle Entscheidungen, die in einem solchen Verfahren beschleunigt werden könnten, der Geheimhaltungsbedürftigkeit unterliegen.743 740  Allein das Recht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses reicht für diese Kontrollfunktion der Minderheit nicht aus. Vgl. dazu auch Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 526. 741  Vgl. § 16 Abs. 2 BNDG. Ähnlich kritisch dazu Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 8 f.; Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 12; Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 20. Ferner Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (165); Klein, Art 45d GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 32; Hansalek, Die parlamentarische Kontrolle der Bunderegierung im Bereich der Nachrichtendienste, 2006, S. 267 ff. Im Gesetzesentwurf ist zwar vorgesehen, dass das Unabhängige Gremium bspw. eine Erläuterung zu ausgewählten Selektoren verlangen kann, die aber weder gesetzlich normiert oder genau determiniert ist. Vgl. Gesetz­ entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 27. 742  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 15. 743  So ist das auch schon in der Gesetzesbegründung angeklungen: Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortent-



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Neben der Schwierigkeit der selbständigen Erlangung von Informationen blieben ebenso der Geheimhaltungsschutz sowie die Begründungspflichten zur Versagung von Informationen gegenüber einigen Kontrollstellen unangetastet.744 Die Geheimhaltungsvorschriften gelten nicht nur bei der Übermittlung von Informationen an die Kontrollstellen, sondern auch für die Kommunikation innerhalb der Kontrollstellen. Die zwei wichtigsten Kontrollstellen – das PKGr und die G10-Kommission – dürfen sich gem. § 15 Abs. 8 G10 nur unter Wahrung der Geheimhaltungsvorschriften austauschen. Dagegen ist es den Kontrollobjekten über § 6 Abs. 2 PKGrG zum Schutz des exe­ kutiven Kernbereichs erlaubt, Informationsauskünfte gegenüber den Kon­ trollorganen zu verweigern. Gleichwohl korrelieren diese Ausnahmen von der Informationspreisgabe mit einer umfassenden – und eben nicht pauschalen – Begründungspflicht.745 Zur Verweigerung der Herausgabe von Informationen seien jedoch in den letzten Jahren bei den Kontrollgremien immer wieder pauschale Begründungen vorgebracht worden.746 Dabei hat man sich bei der Schaffung des PKGr bewusst dagegen entschieden, dieses als Ausschuss einzurichten, da Ausschüsse größtenteils öffentlich agieren und erst beim Auftreten von Missständen eingesetzt werden. Genau diese Öffentlichkeit wollte man vermeiden und das Gremium nicht an das Kapitel VII der GOBT und die dort aufgeführten organisatorischen Strukturen koppeln. Der Grund für die Ausgestaltung als Gremium war jedoch nicht, dieses rechtlich im Vergleich zu einem Ausschuss schwächer auszugestalten, sondern den besonderen Geheimschutzvorkehrungen gerecht zu werden.747 Wieso aber wicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 10. 744  So auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S.  188 ff. 745  BVerfGE 124, 78, 128 – BND-Untersuchungsausschuss. Siehe ferner § 18 Abs. 2 S. 2, § 23 Abs. 2 HS. 2 PUAG. 746  Vgl. bereits Fn. 622, Abschnitt D. Zudem entschied 2009 das BVerfG, dass pauschale Begründungen seitens der Bundesregierung, wonach „sie sich zu der Arbeitsweise, der Strategie und dem Erkenntnisstand der Nachrichtendienste des Bundes, die geheimhaltungsbedürftig seien, grundsätzlich nur in den dafür vorgesehenen besonderen Gremien des Deutschen Bundestages äußere“ schon eine Verletzung der Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG sei, weil diese verfassungsrechtlich nicht tragfähige Verweigerungen darstellen. Siehe BVerfGE 124, 161, 189 ff. – Überwachung von Bundestagsabgeordneten. 747  Vgl. dazu Gesetzesentwurf von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD, Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45d) vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12412, S. 1, 4 f. Selbst die Bewertungen der Ausgestaltung als „Gremium“ gingen hierauf nur selten ein. Vgl. etwa Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (99  ff.); Huber, Vorbemerkung ­PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1463; Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, Einleitung PKGRG, Rn. 20; Singer, PKGrG,

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diese Gremien am Ende genauso der Geheimhaltungseinrede unterliegen, obgleich sie die geheimen Aktivitäten geräuschlos kontrollieren sollen, ist nicht nachvollziehbar.748 Wenn das Parlament höchste Vertraulichkeit zugesteht, muss sie diese auch kontrollieren dürfen749 und nicht – wie es Klaus Gärditz meint – „funktional begrenzt“ werden.750 Die Möglichkeit, dass es exekutive Tätigkeit gibt, „die vollständig ohne Wissen von Vertretern des Parlaments systematisch stattfinden soll, [ist] in einer Demokratie kaum vertretbar.“751 Wenn man sich für eine Nachrichtendienstkontrolle entscheidet, die den Rechtsschutz ersetzen soll, hierfür spezielle Gremien einrichtet und diese der höchsten Geheimhaltungsstufe unterwirft, muss die Einrede der Geheimhaltung für abgeschlossene Vorgänge – damit diese nicht in den exekutiven Innenbereich wirken – auf absolute Ausnahmen beschränkt sein.752 Eine solche Ausnahme hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der internationalen Nachrichtendienstkooperation bereits akzeptiert, diese aber wiederum selbst an hohe Anforderungen geknüpft.753 Selbige hohe Anforderungen müssen generell normiert werden, um eine effektive Kon­ trolle zu gewährleisten und Sorge zu tragen, dass die Kontrollorgane relevante Informationen nicht erst „aus der Presse erfahren“.754 2015, Art. 45d GG, S. 17 ff.; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 162; Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 526. 748  Gerade jedes größere „Vergehen“ der Dienste landete auch wegen fehlender Informationspreisgabe vor einem Untersuchungsausschuss. Dabei wollte man mit Schaffung der geheimen Gremien die öffentliche „Maßregelung“ eigentlich vermeiden: So Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, S. 429 (488). 749  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 19 f. Ähnlich Huber, Vorbemerkung PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1463; Hornung, PKGrG, 2012, Einleitung PKGRG, Rn. 18. 750  Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 22; Kahl, Begriff, Funktionen und Konzepte von Kontrolle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, S. 459 (498 f.). 751  Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 19 f. 752  Ähnlich sah das selbst die SPD, welche einen „Verbesserungsbedarf“ bei der Informationsweitergabe der Parlamentarischen Kontrollgremiumsmitglieder an deren Fraktionsvorsitzende anprangerte. Siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss), BT-Drs. 18/10069, S. 8. So auch Hornung, PKGrG, 2012, Einleitung PKGrG, Rn. 14. Im Ergebnis konnte diese Forderung nicht umgesetzt werden. 753  Vgl. BVerfGE 143, 101, 135 ff., 146 ff. – NSA-Untersuchungsausschuss. 754  So fast inhaltsgleich Gisela Piltz, Mitglied des PKGr in der 17. Legislatur­ periode, im Interview mit Hubertus Volmer bei n-tv vom 05.08.2013; André Hahn,



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Sollte aber dennoch ein Missbrauch oder ein rechtswidriges Verhalten seitens des BND festgestellt werden, hat dies bisweilen keine Konsequenzen für den Dienst, obgleich das Bundesverfassungsgericht auch im Sicherheitssektor anerkennt, dass Sanktionen durchaus zu einem effektiven Kontrollsystem dazugehören.755 Hierfür bedarf es aber Sanktionsapparate, die die geheimdienstliche Arbeit nicht generell gefährden und nur bei pflichtwidrig falschen, fehlenden oder unterlassenen Unterrichtungen zur Anwendung kommen.756 Bereits 2015 hat die damalige BfDI Andrea Voßhoff beanstandet, dass die Unterrichtungspflichten gem. § 11 BNDG i. V. m. § 24 Abs. 4 S. 1 BDSG sowie ihre gesetzliche Kontrollkompetenz „rechtswidrig mehrfach massiv beschränkt“ wurden und eine „umfassende, effiziente Kontrolle“ nicht möglich war.757 Darüber hinaus wurde wenige Monate nach Schaffung des Unabhängigen Gremiums öffentlich, dass dieses nur unzureichend Zugang zu Informationen erhalten und der BND notwendige Einsichten in Akten zur Kontrolle nicht erlaubt oder diese geschwärzt hat.758 Deshalb sind Sanktionsmechanismen bei grobem Fehlverhalten in grundrechtlich hoch­ sensiblen Bereichen zwingend notwendig, um eine effektive Kontrolle zu gewährleisten.759

Interview im Deutschlandfunk vom 18.08.2014. Dies ebenso feststellend PKGr, Erklärung in der Sondersitzung vom 16.12.2015, verfügbar unter: https://www. bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/parlamentarisches-kontrollgremium/399586 (alles zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 755  BVerfGE 141, 220, 284 – BKAG mit Bezug auf Art. 51, Art. 52 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr. 756  So gefordert von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss), BT-Drs. 18/10069, S. 8 f. 757  BfDI Andrea Voßhoff, Datenschutzrechtliche Beratung und Kontrolle gemäß § 24 und § 26 Abs. 3 BDSG in bzw. in Zusammenhang mit der Dienststelle des BND in Bad Aibling, Sachstandsbericht (Stand: 30.07.2015) – rechtliche Bewertung. 758  Siehe hierfür Leyendecker/Pinkert, BND behindert Kontrollgremium bei der Arbeit, in Süddeutsche Zeitung vom 07.12.2017. Diese schreiben, dass der damalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt und gleichzeitig Beauftragter für die Nachrichtendienste – Klaus-Dieter Fritsche – das PKGr sogar gewarnt und ihnen mit strafrechtlichen Sanktionen gedroht haben soll, sollten die Missstände oder der Bericht des Unabhängigen Gremiums an die Öffentlichkeit gelangen. 759  Ähnlich Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (166). Vormals auch schon Dammann, § 25 BDSG, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, Rn. 11. Dieser stellt jedoch heraus, dass zumindest eine Pflicht zur Abgabe einer fristgerechten Stellungnahme bestand.

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c) Mangelnde Leistungsfähigkeit durch Zersplitterung der Kontrolle Die „Zersplitterung“ bzw. „Wissensparzellierung“ durch die Einführung immer weiterer Organe ohne Erweiterung der Kontrollbefugnisse von bestehenden Institutionen, bei Personal- und Sachmittelnot und lediglich infinitesimalen Änderungen bei der Kooperation der Kontrollstellen sind altbekannte Probleme, die die Leistungsfähigkeit der Kontrollorgane nicht fördern.760 Exemplarisch für die Fortsetzung dieser Politik war 2016 die Schaffung des Unabhängigen Gremiums; eines zusätzlichen Kontrollorgans, dessen Aufgabenspektrum fast identisch zur G10-Kommission ausgestaltet wurde. Dabei hätte die G10-Kommission problemlos die Aufgaben der präventiven Kon­ trolle der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung – die nun durch das Unabhängige Gremium erfolgt – übernehmen können.761 Simultan ging die Schaffung der zusätzlichen Instanz mit der Rechtsauffassung einher, dass die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung keine gesetzliche Grundlage erfordert und im Ausland Grundrechte hierfür nicht zu beachten sind. Deshalb ist das Unabhängige Gremium nur befugt, eine präventive Kontrolle auszuüben.762 Des Weiteren profitiert das Unabhängige Gremium nicht von der Kooperation der Kontrollstellen, welche 2016 durch § 15 Abs. 8 G10 eingeführt wurde,763 obwohl das Unabhängige Gremium gerade als Berichtsorgan fungieren soll.764 Dies als „Redaktionsversehen“ abzutun,765 scheint in Anbe760  So auch Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (532); Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 4, welcher die Schaffung des Unabhängigen Gremiums als weitere „Parallelstruktur“ systematisch nicht „überzeugend“ findet. 761  So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (443). Siehe ferner spezifisch zum Unabhängigen Gremium: Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4; Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 20. A. A. Graulich, Öffentliche Anhörung Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 26.09.2016, Protokoll-Nr. 18/89, S. 37 f. 762  Die G10-Kommission ist hingegen zu repressiven Kontrollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten befugt: Vgl. BVerfG 100, 313, 401 – TKÜ I; Huber, § 15 Art. 10-Gesetz, in: Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1451 f. 763  Siehe ferner Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23; Töpfer, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 12. 764  Vgl. § 9 Abs. 5 S. 3 BNDG und § 16 Abs. 6 BNDG. Siehe ferner Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit, in: DÖV 2017, S. 765 (773), welcher die Entfernung des in Karlsruhe ansässigen Unabhängigen Gremiums und den Berliner Stellen als „ein wenig merkwürdig“ bezeich-



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tracht der Versuche der Nachrichtendienste, seit Anbeginn ihrer Tätigkeit den stetigen Erweiterungen der Kontrollorgane eine „Parzellierung des Wissens“ entgegenzusetzen, sicherlich ein eher unwahrscheinliches Erklärungsmodell zu sein.766 Diese Ausnahme steht zudem im Widerspruch zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: „Wenn der Gesetzgeber eine informationelle Kooperation der Sicherheitsbehörden vorsieht, muss er auch die kontrollierende Kooperation zugunsten des Datenschutzes ermöglichen“767 und dementsprechend regulieren. Aber selbst die neueingeführte Möglichkeit des Austauschs der G10Kommission mit dem PKGr ermöglicht beiden Gremien nur, sich unter Wahrung der Geheimhaltungsvorschriften und über allgemeine Kontrollangelegenheiten auszutauschen.768 Könnte die G10-Kommission, die selbst nicht bei potenziellen Rechtsverstößen das Bundesverfassungsgericht anrufen kann, solche aber bei dem PKGr geltend machen, wäre dieses einerseits in der Lage, über eine Vorlage nach § 14 PKGrG zu entscheiden, und andererseits über mögliche Rechtsverstöße zumindest im Parlament abstrakt zu berichten. Bisher obliegt dem PKGr allerdings nur eine „allgemeine Kontrolle über die Durchführung des“ G10769 und das Gremium bekommt die Informationen hierüber für seine jährlichen Berichte nur von der anordnenden Stelle – dem Bundesinnenministerium.770 Wieso hier strenge Geheimhaltungsvorschriften bei zwei Kontrollorganen, die beide die Handlungen des net. Ähnlich Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 20. 765  So Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 23. Später betont er jedoch, dass der Austausch mit dem Unabhängigen Gremium „konsequent gewesen“ wäre: Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533). 766  Vgl. dazu bereits Abschnitt D.I.5.a). Siehe auch Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 14, der von einer neuen Variante des „Trennungsgebotes“ spricht. Selbst Klaus Gärditz befürwortet eine Stärkung vorhandener Mechanismen, anstatt zusätzliche Parallelstellen zu schaffen. So ders., Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrechts, Anhörung des Innenausschusses am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 26. BVerfGE 133, 277, 370 – ATDG. Ferner hierzu Arzt, § 10 ATDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S.  837 f.; Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (444). 767  BVerfGE 133, 277, 370 – ATDG. 768  Siehe hierzu auch Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 15 f. 769  BVerfGE 143, 1, 17 f. – NSA-Selektoren (G10-Kommission). 770  Siehe hierfür § 14 Abs. 1 S. 1 G10.

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BND kontrollieren sollen und selbst der Geheimhaltung unterliegen, gelten, ist nicht nachvollziehbar. Entscheidet man sich dazu, die schwache Stellung einzelner Organe nicht mit einer Erweiterung der Befugnisse auszugleichen, muss zumindest die Kooperation unter den Kontrollorganen erweitert werden, um potenzielle Kontrolldefizite weitergeben und beheben zu können. Ebenfalls kann die quasi-gerichtliche Ersatzkontrolle der G10-Kommission nicht auf das neu geschaffene Hilfskontrollorgan der bzw. des Ständigen Bevollmächtigten zurückgreifen, obwohl das PKGr und über § 5a Abs. 3 PKGrG das Vertrauensgremium hierzu der Lage sind und obgleich diese Stelle nach § 5a Abs. 4 S. 2 PKGrG regelmäßigen an den Sitzungen der G10Kommission teilnimmt.771 Ein weiterer Kritikpunkt ist die Personal- und Sachmittelausstattung, die von den Reformen 2016 unangetastet blieb, obgleich diese Mängel schon seit Jahren gerügt werden. Selbst die SPD, welche 2015 die mangelnde Personalund Sachmittelausstattung beanstandete, konnte im anschließenden Gesetzesentwurf der Regierungsparteien keine Aufstockung erwirken.772 Das verwundert umso mehr, weil der Menschenrechtskommissar des Europarats Nils Muižnieks 2015 dieses Defizit öffentlich beklagte.773 Eine personelle Erweiterung des vierköpfigen Gremiums, welchem mehr Fachpersonal mit technischem Sachverstand zur Verfügung gestellt werden müsste, sei unerlässlich, um eine im Ansatz leistungsfähige Kontrolle zu gewährleisten. 771  So auch Huber, BND-Gesetzesreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (166). Wichtig war Bertold Huber jedoch, dass die letztliche Kontrollkompetenz uneingeschränkt bei der G10-Kommission (sowie beim PKGr) bleibe und die Kontrolle durch zusätzliche Stellen immer vom Willen der Kontrollstelle getragen sein müsste. Er merkte aber konträr zur Erweiterung der Unterstützung durch die Ständige Bevollmächtigte bzw. den Ständigen Bevollmächtigten an, dass eine permanente Teilnahme dieser Stelle an den geheimen Beratungen der G10-Kommission dessen Unabhängigkeit in Zweifel ziehen könne. Ähnlich kritisch Töpfer, Menschenrechtliche Anforderungen an die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 13. 772  So bereits gefordert von BVerfGE 100, 313, 401 – TKÜ I. Vgl. zudem SPDFraktion im Deutschen Bundestag, Rechtsstaat wahren – Sicherheit gewährleisten!, 2015, S.  8 f. 773  Muižnieks, Bericht des Menschenrechtskommissars nach seinem Besuch in Deutschland im April und Mai 2015, S. 3 f., 18 ff. Dieser prangerte vor allem die mangelnden technischen Fachkenntnisse sowie die geringen Personal- und Sachmittel der G10-Kommission an. Die Bundesregierung nahm zu diesem Vorwurf Stellung und meinte, dass allein die schlichte personelle Aufstockung die bestehenden Pro­ bleme nicht löse. Vgl. dafür Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 2. Bereits eine angemessene Ausstattung der G10-Kommission fordernd BVerfGE 100, 313, 401 – TKÜ I.



I. Kontrolle des BND461

Neben grundlegenden Aspekten der Kontrolle des BND müssen auch praktische Aspekte reformiert werden. So wird das Protokollwesen der PKGr-Sitzungen weder in der Reform von 2009 noch von 2016 adressiert. Seit Jahren wird aber kritisiert, dass man während der Sitzungen keine Aufnahmen oder Protokolle anfertigen bzw. anfertigen lassen kann, die für Beweiszwecke, Rekonstruktionen einer bestimmten Materie oder vergangener Beratungsabläufe dienen könnten.774 d) Conclusio Die Kontrolle der Nachrichtendienste weist einige Defizite auf, die in einer Gesamtschau dazu führen, dass eine effektive Kontrolle nicht gewährleistet werden kann. Zwar waren sich bereits 2009 viele Expertinnen und Ex­ perten einig, dass es im Zuge der neuen international „vorbildlichen“ Regelung zu weniger Skandalen, Untersuchungsausschüssen und Verfehlungen komme, da nunmehr eine effektive Kontrolle gewährleistet werde.775 Mehrere Untersuchungsausschüsse,776 zahlreiche Enthüllungen über Missstände und Fehlverhalten,777 vermehrte Kritik der Kontrollorgane778 und diverse diplomatische Fehltritte durch Spionage gegenüber EU-Institutionen und Regierungen in der EU779 bewiesen jedoch das Gegenteil und führten zu einer 774  Selbiges gilt bei Akten. Aus dem Akteneinsichtsrecht erwuchs nicht die Befugnis, Kopien hiervon zu machen oder gar Dokumente aus den Diensten mitzunehmen. Kritisch hierzu Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 189. 775  Ebd., S. 348. 776  Siehe hierzu auch 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode (NSA-Untersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 23.06.2017, BT-Drs. 18/12850, S. 36 ff. Siehe ebenso für Missstände der Inlandsnachrichtendienste und Nachrichtendienstkooperation 3. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode (NSUUntersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 23.06.2017, ­BT-Drs. 18/12950, S. 283, 1175 ff., 1316, 1332 ff. In diesem Kontext ist aber auch der Fall um den Terroristen Anis Amri zu nennen, welcher ebenfalls zu einem Untersuchungsausschuss (BT-Drs. 19/943) führte, in welchem Verfehlungen der Nachrichtendienste zu Tage gefördert worden sind. Abschließende Erkenntnisse sind jedoch noch abzuwarten. 777  Vgl. bereits Fn. 693, Abschnitt D. 778  Vgl. Fn. 692, Abschnitt D. 779  Siehe u.  a. Statement vom österreichischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen vom 16.06.2018 im Zuge der BND-Überwachung österreichischer Politikerinnen und Politiker, welcher klarstellte, dass er auf „[s]eine Privatsphäre großen Wert“ lege, dokumentiert in: Schüller, Die Statements von Van der Bellen und Kurz zur Nachschau, in: Der Standard vom 16.06.2018. Ferner Mascolo, BND half NSA beim Ausspähen von Frankreich und EU-Kommission, in: Süddeutsche Zeitung Online vom 29.04.2015.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

weiteren großen Novellierung 2016 – die fünfte seit 1990. Und abermals wird der Neuregelung attestiert, sie sei ein „Quantensprung in der parlamentarischen Kontrolle“,780 „durchweg posi­tiv“781 und als „steigende Professionalisierung der Nachrichtendienstkon­ trolle“782 zu bewerten. Tatsächlich wurde an dem Grundgerüst von Wissensparzellierung, -asymmetrie und Informationsmonopolstellung im Verhältnis von Kontrollorganen und Kontrollobjekten nicht viel geändert. Die Kontrollmöglichkeiten sind weiterhin teils stark limitiert. Die Novellierung aus 2016 lässt die wirklich wichtigen Reformen im Bereich des parlamentarischen Minderheitenschutzes, Verstärkung der Durchsetzungsmechanismen der Kontrolleurinnen und Kontrolleure, Überprüfbarkeit und Limitierung des Geheimnisschutzes, Sanktionsmechanismen bei Verstößen oder eine Erweiterung der quasi-gerichtlichen Kontrolle auf andere Grundrechte und Grundrechtsträgerinnen und -träger vermissen. Der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle – den „Blinden Wächtern“ – fehlt immer noch das vielzitierte scharfe „Schwert“.783 Im Kern ändert an dieser Einschätzung auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.05.2020 nicht viel, die lediglich wiederholte, welche Anforderungen generell an eine unabhängige, institutionell eigenständige und objektivrechtliche Kontrolle zu stellen sind.784 Neu war jedoch der Aspekt, dass die Kontrolle so auszugestalten ist, dass diese durch die „Third Party Rule“ nicht behindert wird und zwischen den Kontrollorganen ein offener und unmittelbarer Austausch gewährleistet werden muss. Ein generelles Verbot für die Dienste, Informationen wegen der Geheimhaltung zu versagen, fehlt allerdings. Ebenso wenig ging der Senat nicht spezifisch auf die 780  Die SPD-Fraktion bezeichnete die Reform als „Quantensprung in der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste“, die nun die Arbeit des PKGr „effektiv und auf […] einem hohen Niveau“ ausgestalte. Nach CDU/CSU stelle der Gesetzesentwurf eine „konstruktive, vertrauensvolle und gleichzeitig kritische Kontrolle sicher“. Die Regierungsparteien betonten auch noch einmal, dass alle Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung den Gesetzesentwurf lobend als „positiv“ bestätigten. Siehe für alle Stellungnahmen Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss), BT-Drs. 18/10069, S. 8. 781  So Gärditz, Die Reform des Nachrichtendienstrechts des Bundes, in: DVBl 2017, S. 525 (533). 782  Christian Waldhoff begrüßt die zunehmende Professionalisierung der Kontroll­ instanzen, mahnt jedoch, dass die parlamentarische Kontrolle nicht ihren genuinen „Charakter“ verlieren dürfe. Vgl. ders., Die reformierte Kontrolle der Nachrichtendienste durch das Parlamentarische Kontrollgremium und das Unabhängige Gremium, zitiert in: Rusteberg, Wandel durch Annäherung? Zum 2. Symposium über das Recht der Nachrichten­dienste in Berlin, in: VerfBlog vom 21.03.2018. 783  So Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, in: ZRP 2008, Vol. 41, S. 36 (39). 784  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 266  ff., 272, 282 – BNDG.



I. Kontrolle des BND463

schwache Ausgestaltung und Zersplitterung der Kontrollorgane ein. Das Urteil lässt zudem den Schutz von Hinweisgebenden gänzlich außen vor, obgleich die derzeitige Regelung für Hinweisgebende weder Anonymität noch Schutz vor Strafverfolgung bietet. Dabei haben nicht erst die Enthüllungen Edward Snowdens gezeigt, dass vor allem interne Informationen Missstände aufdecken. Etwaige Novellierungen dürfen demgegenüber allerdings nicht dazu führen, dass der BND – vor allem in Zeiten steigender Terrorismusgefahr – durch zu hohe Transparenz an seiner verfassungsrechtlich vorgesehenen Effektivität verliert, was wiederum zu einer Verringerung der Sicherheit und verfassungsrechtlichen Ordnung führen würde. Es soll hierbei gewiss nicht die Rede von der Einführung eines „gläsernen Geheimdienstes“ sein, hingegen aber davon, dass die klandestinen Dienste von einer Vielzahl von Gremien, die fast gänzlich auf die relevanten Kontrollinformationen des Kon­ trollobjektes angewiesen sind, rechtlich kaum eigens an Informationen gelangen und die Kontrollorgane nicht einmal alle untereinander kooperieren dürfen. Ist letzteres möglich, gilt aber auch bei dieser Kooperation der Geheimnisschutz. Es soll nicht vorgebracht werden, dass alle Maßnahmen des BND der Öffentlichkeit offenbart werden sollten, sondern dass überhaupt den Kontrollorganen alle zu kontrollierenden Angelegenheiten auf den Tisch gelegt und bei Verstößen gegen diese Verpflichtung ernsthafte Konsequenzen vorgesehen werden. Das Zeitalter des Terrorismus darf nicht die Legitimierung dafür darstellen, dass Werte mit Verfassungsrang deswegen massiv beschränkt werden, um diese zu schützen. Deshalb muss sich die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit an rechtsstaatlichen Vorgaben orientieren und kontrollierbar sein, damit – wie nach den Reformen 2016 bekannt wurde – die Kontrolltätigkeit nicht erneut „mehrfach massiv beschränkt“ wird.785 Darüber hinaus muss die Bundesregierung sensibler für Missstände sein und darf diese nicht vollends negieren, wie es im Zuge der NSA-Affäre vom ehemaligen CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss getan wurde: „Aufklärung läuft doch prima, bisher nicht ein einziger Hinweis auf anlasslose Massenüberwachung […] Prof. Papier hat phantasiert und das wissen nicht nur wir MdB, sondern auch sein Umfeld“.786 Ansonsten ist es keine Überraschung, wenn weiterhin fast alle Verfehlungen der Exekutive im nachrichtendienstlichen Bereich von den Medien enthüllt werden und selbst einige PKGr-Mitglieder bestätigten, dass sie die 785  Vgl. Meister, Geheimer Prüfbericht: Der BND bricht dutzendfach Gesetz und Verfassung – allein in Bad Aibling (Updates), in: netzpolitik.org vom 01.09.2016. 786  So Roderich Kiesewetter am 13.12.2014 via Twitter, verfügbar unter: https:// twitter.com/RKiesewetter/status/543823612122525696 (zuletzt abgerufen am 30.10. 2020).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

meisten kontrollrelevanten Informationen aus den besagten Medien erhalten – und eben nicht vom Kontrollobjekt. Selbst wenn die Medien teilweise aus kommerziellen Interessen skandalorientiert publizieren, sind sie doch als „Public watchdog“787 derzeit nicht wegzudenken, sondern spielen einen entscheidenden Faktor bei der Aufklärung nachrichtendienstlicher Missstände. Dabei ist es nicht hilfreich, die Medien für deren Aufklärung zu kritisieren,788 da diese dazu beigetragen haben, dass über die Missstände eine öffentliche Debatte geführt wird. Aufgabe der Politik ist es, hierauf adäquat zu reagieren. Jedenfalls kann diese an einer turnusmäßigen „Diskreditierung“ der Nachrichtendienste kein Interesse haben. Gerade diese Verpflichtung muss politisch aber ernst genommen werden. Dies zeigte sich beispielhaft bei der Frage, ob der BND die Schwachstellen in der deutschen Kontrollarchitektur systematisch und massenhaft ausgenutzt hat – was die Enthüllungen von Edward Snowden für den Zeitraum vor den deutschen Gesetzesnovellen 2016 zumindest nahelegten.789 Um diese Frage zu klären, schuf man einen eigenen Untersuchungsausschuss. Bei gründlicher Analyse des Berichtes zum NSA-Untersuchungsausschuss bleibt am Ende allerdings unklar, ob systematische und massenhafte Grundrechtsverletzungen, die unter dem Kontrollradar liefen, stattgefunden haben – wie es die Mitglieder der regierenden Koalitionsparteien der SPD und CDU/CSU vortrugen790 – oder genau dieses rechtwidrige Verhalten gerade durch den Untersuchungsausschuss deutlich zutage gefördert wurde – wie es die Mitglieder der Opposition von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Sondervotum berichten.791 Schon diese entgegengesetzte Bewertung des hierfür zentralen Berichtes eines der wichtigsten parlamentarischen Aufklärungs­ institute zeigt, dass der Kampf der Parteien um die Deutungshoheit von In787  Siehe

bereits Abschnitt D.I.2.d)aa). Jahr 2006 stellte das PKGr in seinem Bericht fest, dass die „ungeprüfte, irreführende und damit unverantwortliche öffentliche Berichterstattung […] die Arbeit der Nachrichtendienste – insbesondere im Hinblick auf den unverzichtbaren biund multilateralen Informationsaustausch mit Partnerdiensten – […] erkennbar beeinträchtigt“ habe. Vgl. Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch das PKGr vom 24.02.2006, BT-Drs. 16/800, S. 12 sowie zu hören auf dem Zweiten Symposium über die Nachrichtendienste vom 15.03.2018, dokumentiert in: Rusteberg, Wandel durch Annäherung? Zum 2. Symposium über das Recht der Nachrichten­dienste in Berlin, in: VerfBlog vom 21.03.2018. 789  Vgl. dazu Interview mit Edward Snowden, dokumentiert in: Korge, Neue Snowden-Enthüllung: NSA-Verbindung bringt deutsche Dienste in Erklärungsnot, in: Spiegel Online vom 07.07.2013. 790  1.  Untersuchungsausschuss der 18.  Wahlperiode (NSA-Untersuchungsausschuss), Beschlussempfehlung und Bericht vom 23.06.2017, BT-Drs. 18/12850, S.  1265 ff. 791  Ebd., S.  1394 ff. 788  Im



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 465

formationen wichtig ist, aber nicht vordergründig dazu missbraucht werden darf, um politische Diskreditierung zu betreiben und objektive Bewertungen außer Acht zu lassen. Schlichtweg führt dieses Verhalten dazu, dass es zu dieser Thematik trotz eines umfassenden Untersuchungsausschusses keine verlässlichen bzw. offiziellen Quellen gibt, die amtlich und abschließend bestätigen oder verneinen könnten, dass jene Rechtsverstöße tatsächlich begangen wurden. Unerwähnt darf zudem nicht die – berechtigte – Kritik seitens der Nachrichtendienste bleiben: Gerhard Schindler bemängelt, dass im Gegenzug zu den zusätzlichen Aufwand für den BND im Bereich der Aufarbeitung der notwendigen Informationen für die parlamentarischen Kontrollorgane zu wenig neue Stellen als Ausgleich geschaffen wurden.792 Dem ist gänzlich zuzustimmen: Der BND darf nicht mit einem Großteil seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit beschäftigt sein, die Kontrollaufgaben abzuarbeiten.793 Eine angemessene Anpassung der Kapazitäten ist mithin notwendig.

II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich Die erarbeiteten Problemfelder der Auslandsnachrichtendienstkontrolle in Deutschland sind keine Besonderheit der Bundesrepublik. Sie finden sich teils mehr, teils weniger ausgeprägt auch in anderen Staaten wieder, welche einen großen staatlichen Überwachungsapparat besitzen. Dies trifft auf Frankreich zu, das nach den zahlreichen Anschlägen in Paris auf die Tageszeitung Charlie Hebdo oder im Veranstaltungsort Bataclan den Ausnahmezustand ausrief und seine Sicherheitsarchitektur 2015 grundlegend neu ausrichtete. Einen Monat zuvor begannen die USA mit der Novellierung ihrer Nachrichtendienstgesetze. Der Grund hierfür war aber nicht nur die steigende Gefahr des Terrorismus, sondern vor allem, dass die Enthüllungen von Edward Snowden und den Massenüberwachungsprogrammen der USA, die mit Frankreich und Deutschland in einem engen Kooperationsverhältnis stehen, viel Kritik aus grund- und menschenrechtlicher Perspektive auslösten. Die Novellierungen adressierten mithin nicht überall nur eine Ausweitung der auslandsnachrichtendienstlichen oder sicherheitsrelevanten Befugnisse, sondern gingen auch mit einer Eindämmung der Überwachung und einer Verstärkung der Kontrollstruktur einher. Nachfolgend soll daher für Frankreich (1.) und die USA (2.) untersucht werden, wie sich diese Novellierungen auf 792  Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 15. Er regt daher an, den BND für mehr Planstellen in das Bundesministerium der Verteidigung oder zum Auswärtigen Amt zu verschieben. 793  Ebd., S. 14.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

die Kontrolle der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit ausgewirkt haben. 1. Die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle in Frankreich „Ce projet de loi constituera, j’en suis certain, un progrès important pour les services de renseignement – ils le demandent, d’ailleurs, pour leur propre protection – comme pour notre démocratie.“794 Manuel Valls

Als wichtigen Fortschritt für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie die Demokratie beschrieb der damalige Premierminister Manuel Valls die Schaffung eines Gesetzes für die nachrichtendienstliche Tätigkeit. Der Hauptbeweggrund der Regulierung war jedoch nicht – wie in den USA oder in Deutschland – die Enthüllungen von Edward Snowden, die andernorts eine große gesellschaftliche Debatte über die Beschränkung der Freiheitsrechte durch auslandsnachrichtendienstliche Massenüberwachung auslösten. Genau dieser Diskurs spielte in Frankreich lediglich eine untergeordnete Rolle,795 weil man zunächst klarere Zielvorgaben und effektivere Überwachungsbefugnisse für die Nachrichtendienste forderte.796 Daher war die Hauptintension des Gesetzes, den Kampf gegen den Terrorismus zu vereinfachen, der Frankreich in den Jahren zuvor mit zahlreichen Anschlägen überschattete und den Spielraum für eine Verschärfung der Sicherheitspolitik erweiterte.797 Als eine der letzten westlichen Staaten beschloss Frankreich am 24.06.2015 mit überwältigender Mehrheit im Parlament erstmals einen gesetzlichen Rah794  Manuel Valls bei seiner Rede vom 02.06.2015 vor dem Französischen Senat, dokumentiert auf: http://discours.vie-publique.fr/notices/153001473.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 795  Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015. Dieser begründete das damit, weil in Frankreich eine polizeistaatlich autoritäre Tradition vorherrsche, in der der Staat dann in die Freiheitsrechte eingreifen könne, „wenn er es für richtig hält“. A. A. Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 20 (22), welcher zumindest ein Jahr später von wachsendem sozialem und medialem Interesse spricht. 796  Vgl. u. a. Livre blanc 2013 „défense et sécurité nationale“ rendu public vom 29.04.2013. Ferner Vigouroux, Le Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 43 (44). Eine Liste gescheiterter Reformvorschläge findet sich bei Laurent, Les Parlementaires face à l’État secret et au renseignement sous les IVe et Ve Républiques, in: CSL 2010, Vol. 13, S. 134 (137 ff.). 797  Siehe dazu auch Manuel Valls, Rede vom 02.06.2015 vor dem französischen Senat, dokumentiert auf: http://discours.vie-publique.fr/notices/153001473.html. Ähnlich Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 467

men für die nachrichtendienstliche Überwachung einzuführen.798 Kurz darauf wurde am 30.11.2015 die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit reguliert, gefolgt von weiteren partiellen Änderungen im Jahr 2017.799 Im Zuge der Novellierungen ist nun die Premierministerin bzw. der Premierminister im Livre VIII (Du Renseignement) des Code de la sécurité intérieure (CSI) dazu autorisiert, nachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen, die in das vie privée eingreifen, zu genehmigen. Der Art. L801-1 Abs. 1 CSI verweist explizit darauf, dass die Überwachungsmaßnahmen den Schutz des Privatlebens respektieren sollen, welcher insbesondere die Vertraulichkeit der Kommunikation, den Schutz personenbezogener Daten und die Unverletzlichkeit der Wohnung beinhaltet. Eingriffe von staatlicher Seite dürfen demnach nur für gesetzlich normierte Fälle und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommen werden. Damit diese Beschränkungen von staatlicher Seite eingehalten werden, wurde zugleich die Kontrolle nachrichtendienstlicher Methoden der Auslands- und Inlandsdienste DGSE, DRSD, DRM, DGSI, DNRED und Tracfin eingeführt.800 Für die Überwachung der internationalen Kommunikation finden sich dafür besondere Bestimmungen in den Art. L854-1 ff. CSI. a) Nachrichtendienstliche Kontrolle in Frankreich vor 2015 Bis zum 28.03.1960 existierte in Frankreich keine Kontrolleinrichtung der Nachrichtendienste. Erst ab diesem Datum schuf der damalige Premierminister Michel Debré per Dekret die Groupement interministériel de contrôle (GIC).801 Diese war direkt dem Regierungschef unterstellt und unterstützte jenen bei Anordnungen von Telefonüberwachungen und bei der Kontrolle 798  Genau 80 % der Parlamentarierinnen und Parlamentarier stimmten für die Verabschiedung. Bis dato wurde bewusst in Kauf genommen, die Nachrichtendienste ungeregelt zu lassen. So Garrec, Rapport vom 20.06.2007, Doc. Sénat 2006–2007, n° LC 103, S. 7; Brunot, Le Contrôle Parlementaire des Politiques de Renseignement, in: RDN 1997, S. 55 (55 ff.). 799  Hierunter fielen u. a. die Echtzeit-Ortung und die Überwachung der Funkkommunikation. 800  Diese „spezialisierten Überwachungsdienste“ gehören zum „premier cercle“. Es können aber auch andere Einrichtungen des „second cercle“ nach vorheriger Anhörung der Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement (CNCTR) und durch Beschluss des Conseil d’État zu derartigen Maßnahmen in einem begrenzten Ausmaß ermächtigt werden. Hierunter fallen u. a. die Direction générale de la police nationale, die Direction générale de la gendarmerie nationale, die Préfecture de police de Paris oder ermächtigte Dienste vom Verteidigungs- oder Justizministerium. Siehe dazu: CNCTR, Le cadre légal du renseignement, verfügbar unter: https://www.cnctr.fr/3_cadre_legal.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 801  Vgl. auch Guerrier/Monget, Droit et Sécurité des Télécommunications, 2000, S. 97. Offiziell wurde die GIC jedoch erst 2002 rechtlich anerkannt. Siehe dafür

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deren Einhaltung,802 was auch heute in leicht veränderter Form ihr Aufgabenspektrum umfasst. Nennenswert ist ebenfalls das vier Jahre später geschaffene Comité de Contre-espionnage extérieur, welches die Aufsicht des seit 1945 bestehenden Auslandsnachrichtendienstes Service de documentation extérieure et de contre-espionnage übernehmen sollte. Beide Kontrolleinheiten waren jedoch damals weder gesetzlich verankert noch mit wirksamen Kontrollbefugnissen ausgestattet.803 Die erste unabhängige Verwaltungseinrichtung, die geheime Telefonüberwachungen kontrollieren konnte, war die Commission nationale de contrôle des interceptions de sécurité (CNCIS). Sie resultierte aus dem Loi relative au secret des correspondances émises par la voie des télécommunications von 1991,804 welches nach dem Urteil des EGMR im Fall Kruslin & Huvig v. France erlassen wurde, weil der EGMR für heimliche Telefonüberwachungen eine gesetzliche Grundlage und deren Kontrolle forderte.805 Da die CNCIS jedoch nur unverbindliche Empfehlungen über die Rechtmäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen an die Premierministerin bzw. den Premierminister weiterleiten konnte und keine wirklichen Kontrollbefugnisse besaß, übermittelte sie in der Praxis lediglich die aktualisierten Zahlen der angeordneten Überwachungsmaßnahmen.806 Zusätzlich zu den exekutiven Stellen schuf man 2007 eine separate parlamentarische Kontrolleinheit für die Nachrichtendienste: die Délégation parlementaire au renseignement.807 Diese besteht auch heute noch aus Mitgliedern des Senats und der Generalversammlung. Da die bisherigen Regelungen ­ écret n° 2002-497 du 12.04.2002 relatif au groupement interministériel de contrôle, D in: JORF n° 87 vom 13.04.2002, S. 6521. 802  Faure, Bref historique des services de renseignement et de sécurité français contemporains, in: RHA 2007, Vol. 247, S. 70 (76). 803  Ebd., S. 77. 804  Loi n° 91-646 vom 10.07.1991 relative au secret des correspondances émises par la voie des communications électroniques, in: JORF n° 162 vom 13.07.1991, S. 9161. Siehe dort Art. 13. Ferner Warusfel, Contre-espionnage et protection du secret, 1999, S. 382. 805  EGMR, Kruslin & Huvig v. France, Appl. No. 11801/85, Rn. 35. Diese leitete der Gerichtshof aus Art. 8 EMRK ab. Ebenfalls bekräftigte der EGMR den Ausnahmecharakter von Überwachungsmaßnahmen, welche nicht die Regel darstellen und nur für begrenzte notwendige Fälle durchgeführt werden dürften. Siehe ferner dazu die ehemalige Präsidentin des CNCIS Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (30 f.). 806  So Warusfel, Contre-espionnage et protection du secret, 1999, S. 119. 807  Vgl. Loi n° 2007-1443 vom 09.10.2007 portant création d’une délégation parlementaire au renseignement (1), in: JORF n°235 vom 10.10.2007, S. 16558. Siehe hierzu auch Huber, Ein Europäischer Nachrichtendienst?, in: NVwZ 2011, Vol. 30, S.  409 (410 f.).



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 469

sich jedoch auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Gesetzen verteilten und die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit von einer Kontrolle explizit ausgeschlossen wurde, nutzte man die Novellierung der Sicherheitsarchitektur 2015 und normierte erstmals die inlands- und auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmethoden und deren Kontrolle im Livre VIII des CSI.808 Diese Regelungen sollten die sicherheitsrechtlichen Befugnisse der Nachrichtendienste absichern und die individuellen Freiheitsrechte und das Privatleben stärken, um willkürlichen Maßnahmen vorzubeugen.809 b) Die Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement – Symbiose exekutiver, legislativer und fachlicher Auslandsnachrichtendienstkontrolle Die Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement (CNCTR) ist 2015 als unabhängige Verwaltungsbehörde ausgestaltet und als externe Stelle zur Rechtmäßigkeitskontrolle der Tätigkeiten der Nachrichtendienste geschaffen worden.810 Die neunköpfige Kommission besteht aus vier Parlamentarierinnen bzw. Parlamentariern, worunter sich je zwei Senatorinnen bzw. Senatoren und zwei Abgeordnete der Generalversammlung befinden müssen, die eine pluralistische Vertretung des Parlaments sicherstellen, aus zwei Mitgliedern des Conseil d’État, aus zwei Magistratinnen bzw. Magistraten des höheren Dienstes des Cour de Cassation und aus einer Expertin bzw. einem Experten im Bereich der elektronischen Kommunikation, die für sechs bzw. drei Jahre ernannt bzw. bestellt werden.811 Der Vor808  Als entscheidender Faktor fungierten auch die Rapports parlementaires zwischen 2012 und 2015, welche die Reglementierung des Nachrichtendienstrechts forderten. Siehe dazu Urvoas/Verchère, Pour un „État secret“ au service de notre démocratie, rapport d’information sur l’évaluation du cadre juridique applicable aux services de renseignement vom 14.05.2013, Doc. AN n° 1022; Urvoas/Raffarin, Le rapport public de la Délégation parlementaire au renseignement pour l’année 2014 vom 18.12.2014, Doc. n° 201 (2014–2015). 809  Grundlegend dazu Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.1999, n° 99-416 DC, Rn. 45 – Loi portant création d’une couverture maladie universelle. Siehe auch Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32); Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (40). 810  Vgl. Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (718). Siehe in Bezug auf die Unabhängigkeit auch Loi portant statut général des autorités administratives indépendantes et des autorités publiques indépendantes vom 20.01.2017, in: JORF n° 0018 vom 21.01.2017. Hiernach dürfen unabhängige Verwaltungsbehörden keine Anweisungen anderer Behörden erhalten, sollen Interessenkonflikte vermieden und die besondere Vertraulichkeit gewahrt werden. 811  Vgl. Art. L831-1 CSI. In Bezug auf die Zusammensetzung der Kommission wurde die Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes gerügt, da nur eine Experten-

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sitz muss von einem Mitglied des Conseil d’État oder des Cour de Cassation übernommen werden.812 Die CNCTR kann entweder als „formation ­plénière“ (Vollversammlung) oder als „formation restreinte“ (unter eingeschränkter Besetzung) zusammentreten.813 Letztere umfasst die Mitglieder des Conseil d’État, die beiden Magistratinnen bzw. Magistrate des Cour de Cassation und die Expertin bzw. den Experten im Bereich der elektronischen Kommunikation.814 Gem. Art. L832-2 Abs. 2 CSI dürfen die Kommissionsmitglieder – mit Ausnahme der Parlamentarierinnen bzw. Parlamentarier – keine weitere hauptberufliche Tätigkeit ausüben und weder direkt oder indirekt in nachrichtendienstliche Tätigkeiten oder in solche von Telekommunikations- bzw. Internetdiensteanbietern involviert sein. Zudem präzisiert die Règlement i­ntérieur de la commission die Verpflichtungen der Kommissionsmitglieder sowie deren Berufsethik.815 Die Kommission wird insgesamt von 17 Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern unterstützt, die überwiegend wegen ihres juristischen oder technischen Sachverstandes eingestellt werden sollen.816 Der CNCTR ist allgemein zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der nachrichtendienstlichen Maßnahmen berufen und übernimmt sowohl die präventive als auch die repressive Kontrolle.817 Sie überprüft gem. Art. L833-5 CSI primär, ob die Überwachungsmaßnahmen die benannten Rechte in Art. L801-1 CSI verletzen und mit den nationalen Gesetzen im Einklang stehen. Vorübergehend galt diese Befugnis nur für die inlandsnachrichtendienstliche Tätigperson in diesem Fachgremium vertreten sei. Dieser Auffassung folgte der angerufene Conseil Constitutionnel nicht, da die Auswahl der Personen in einem solchen Gremium nicht den Gewaltenteilungsgrundsatz berühre. Siehe dazu Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.2015, n° 2015-713 DC, Rn. 41 ff. – Loi relative au renseignement. 812  Dies bestätigend Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.2015, n° 2015-714 DC, Rn. 4 ff. – Loi organique relative à la nomination du président de la commission nationale de contrôle des techniques de renseignement. 813  Vgl. Art. L831-2 CSI. 814  Siehe dazu Art. L831-2 CSI. 815  CNCTR, Règlement intérieur, Délibération n° 2/2017 vom 23.03.2017. Hierin wird die Unabhängigkeit der Mitglieder betont, dass Interessenkonflikte in Ausübung ihres Amtes zu vermeiden, die nachrichtendienstlichen Sicherheitsmaßnahmen zu kontrollieren sowie unvoreingenommen und neutral zu agieren sei. 816  CNCTR, Un Bref Rappel Historique, verfügbar unter: https://www.cnctr.fr/2_ presentation.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 817  Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (42). Zur verwaltungsgerichtlichen Vorabkontrolle Castellani-Dembélé/Labrune, Die Eilverfahren in Frankreich, in: NVwZ 2016, Vol. 35, S. 974 (974 ff.). Kritisch zur spät eingeführten präventiven Kontrolle Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015.



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keit. Die CNCTR und der Conseil Constitutionnel wirkten jedoch darauf hin, dass sie auch für die Kontrolle der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit präventiv einbezogen wird, was zunächst durch eine Vereinbarung zwischen der Kommission und dem damaligen Premierminister festgehalten und später gesetzlich verankert wurde.818 Nun regeln die Art. L854-1 ff. CSI ausschließlich die nachrichtendienstliche Tätigkeit mit Auslandsbezug, wenn Mitteilungen aus dem Ausland empfangen oder von dort abgegeben wurden. Hierdurch sollen – ähnlich zum deutschen Pendant der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung – rein interne oder ausschließlich externe Sachverhalte ausgeschlossen sein. Die Art. L854-1 ff. CSI beziehen sich als eine Art „Self-contained Regime“ auf die „Correspondence“ – die Kommunikation an sich – sowie die „Données de connexion“ – die Verbindungsdaten bzw. gespeicherten Verbindungen. Die Kontrolle der CNCTR ist auf diese Bereiche b ­ eschränkt.819 Konkret bedeutet das für die präventive Kontrolle, dass der CNCTR nach Art. L854-9 Abs. 1 CSI nicht verbindliche Stellungnahmen für die Rechtmäßigkeit von Individualüberwachungen und für die Maximalzahl an Überwachungsmaßnahmen gegenüber der anordnenden Premierministerin bzw. dem anordnenden Premierminister abgibt. Im Anschluss an die Entscheidung der Premierministerin bzw. des Premierministers zur Durchführung der Überwachungsmaßnahmen ist der CNCTR lediglich zu informieren, ob und – wenn eine Anordnung erfolgte – wie diese durchgeführt wurden.820 Die Kommission darf die Regierung in ihren Überwachungsmaßnahmen nicht verpflichtend beschränken.821 Im Unterschied zur CNCIS kann die CNCTR den Conseil d’État anrufen, wenn es zu einer Abweichung von der empfohlenen Stellungnahme kommt, diese nicht umfassend eingehalten wird oder ihre Befugnisse beschränkt werden.822 Für letztere Aufgabenwahrnehmung muss die Kommission einen vollständigen und direkten Zugang für alle durchgeführten Überwachungsmaßnahmen, die gespeicherten Daten, deren Verarbeidafür CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 9. Conseil Constitutionnel, Urteil vom 26.11.2015, n° 2015-722 DC, Rn. 9 ff. – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales. 819  Siehe dazu Art. L854-1 Abs. 2 CSI. Sonstige Überwachungsmaßnahmen von Metadaten sind somit von der Genehmigungspflicht ausgeschlossen. 820  Die Stellungnahme wird nach Art. L832-3 CSI von der bzw. dem Vorsitzenden oder den anderen Mitgliedern des Conseil d’État oder des Cour de Cassation abgegeben. Alle Mitglieder der Kommission müssen einen Zugang zu der Stellungnahme erhalten. 821  Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32); Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (719). 822  Vgl. Art. L854-9 CSI. Ferner Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (719). 818  Siehe

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tung und Verwendung erhalten.823 Hierfür ist ein System zu schaffen, das diese Maßnahmen rückverfolgbar und damit einfacher zu kontrollieren macht. Zusätzlich kann sie gem. Art. L854-9 Abs. 2 CSI vom Premierminister alle für ihre Kontrollaufgabe erforderlichen Auskünfte einholen. Der CNCTR steht des Weiteren nach Art. L832-5 CSI das Recht zu, auch solche Informationen zu erhalten, die über Art. 413-9 Code pénal der Geheimhaltung unterfallen und wegen ihrer Sensibilität nicht vor Gericht verwendet werden dürfen. Ihnen muss zu diesen Dokumenten umfassender Zugang gewährt werden. Die CNCTR hat zudem das Recht, stichprobenartig vor Ort Kontrollen durchzuführen.824 In der Praxis wird die präventive Kontrolle unterschiedlich ausgeübt. Grundsätzlich entscheidet die Kommission über Anträge lediglich in der „Formation restreinte“ und können die Mitglieder von gerichtlicher Seite Stellungnahmen abgeben.825 Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die CNCTR innerhalb von 24 Stunden eine Stellungnahme abgeben kann, um die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht zu stark zu beschränken.826 Die „Formation plénière“ wird hingegen nur einberufen, wenn es sich gem. Art. L823-3 Abs. 2 CSI um eine neue, grundlegend schwierige Frage handelt oder die Mitglieder der Gerichte über die Gültigkeit des An­ trages zur Überwachungsmaßnahme wegen deren Komplexität oder Bedeutung das Plenum befassen wollen. In diesen Fällen verlängert sich die Zeit auf 72 Stunden.827 In beiden Varianten übt die CNCTR eine Rechtmäßigkeitskontrolle aus, in welcher eine Verhältnismäßigkeitsabwägung in Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre und die Notwendigkeit der nachrichtendienstlichen Maßnahme i. S. d. Art. L811-3 CSI durchgeführt wird.828 Es erfolgt dafür eine Überprüfung der von der Regierung übermittelten Begründung des Antrages, der Faktenlage und ob die Voraussetzungen für eine Überwachung vorliegen oder ob mildere Mittel zur Verfügung stehen (Subsidiaritätskon­trolle, „Principes de subsidiarité“).829 Die Entscheidung hierüber fällt mehrheitlich.830 Um diese Fristen einzuhalten und gleichzeitig 823  Vgl.

Art. L833-2 CSI. CNCTR, Le contrôle exercé par la CNCTR, verfügbar unter: https:// www.cnctr.fr/4_controle.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 825  Vgl. Art. L831-2 Abs. 2 und Art. L832-3 Abs. 1 S. 1 CSI. 826  In Art. L832-3 Abs. 4 CSI ist jedoch nur vorgesehen, dass die CNCTR mindestens einmal im Monat zusammentritt. 827  Siehe hierzu CNCTR, Un Bref Rappel Historique, verfügbar unter: https:// www.cnctr.fr/2_presentation.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 828  Siehe dazu CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 9. 829  Vgl. zu diesem Aspekt Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (42). 830  Siehe Art. L832-3 Abs. 2 CSI. 824  Vgl.



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der Kontrollaufgabe nachzukommen, tritt zumindest die eingeschränkte Besetzung der Kommission – anders als in Art. L832-3 Abs. 4 S. 1 CSI intentioniert – mehr­mals pro Woche zusammen.831 Bei absoluter Dringlichkeit darf die Premierministerin bzw. der Premierminister auch ohne vorherige Konsultation des CNCTR die Genehmigung nachrichtendienstlicher Maßnahmen anordnen, sofern drohende Gefahren für die in Art. L811-3 CSI aufgeführten Rechtsgüter bestehen und die Kommission umgehend im Nachgang informiert wird.832 Die CNCTR überprüft diese und kann gegebenenfalls die Unterbrechung der Maßnahme sowie die Vernichtung der gewonnenen Daten empfehlen. Bisher wurde von dieser Maßnahme lediglich einmal im Wege der Terrorismusbekämpfung Gebrauch gemacht.833 Darüber hinaus kontrolliert sie repressiv die Umsetzung der erteilten Genehmigungen. Stellt die CNCTR einen Verstoß gegen die in Art. L854-1 ff. CSI genannten Bedingungen fest, kann sie eine Empfehlung an die Premierministerin bzw. den Premierminister richten, dass der Verstoß beendet werden soll und die gesammelten Informationen gegebenenfalls vernichtet werden. Folgt die Premierministerin bzw. der Premierminister dieser Empfehlung nicht, kann die bzw. der Vorsitzende oder mindestens drei Mitglieder der CNCTR gem. Art. L854-9 Abs. 5 CSI auch in diesem Fall dem Conseil d’État die Angelegenheit vorlegen. Die Kommission kann zudem der Pre­ mierministerin bzw. dem Premierminister jederzeit Empfehlungen und Anmerkungen übermitteln, die sie für die Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen des Livre VIII des CSI für erforderlich hält.834 Dies gilt ferner für die umstrittene Befugnis der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten gem. Art. L851-3 CSI, wonach die CNCTR nach einer Testphase validiert, ob der hierfür verwendete Algorithmus zu breit ist oder anderweitige Daten, die nicht mit der Terrorismusbekämpfung im Zusammenhang stehen, abgefangen werden.835

831  So für die Praxis CNCTR, Un Bref Rappel Historique, verfügbar unter: https://www.cnctr.fr/2_presentation.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Der EGMR fordert dabei allerdings eine Zeitspanne von 72 Stunden: EGMR, Szabó & Vissy v. Hungary, Appl. No. 37138/14, Rn. 79 ff. 832  Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (719). 833  CNCTR, Un Bref Rappel Historique, verfügbar unter: https://www.cnctr.fr/2_ presentation.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 834  Vgl. Art. L854-9 Abs. 6 CSI. Siehe ferner Art. L833-6 CSI, der das Pendant zur Überwachung der inlandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit darstellt. 835  François Delon, Vorsitzender der CNCTR bei einer Befragung durch das Französische Parlament: Audition de M. Francis Delon en vue de sa nomination aux fonctions de président de la Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement, S.  5 f.

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Des Weiteren muss der Kommission, sofern im Rahmen der Überwachungsmaßnahmen entgegen Art. L854 Abs. 1 CSI eine Inländerin bzw. ein Inländer überwacht wurde, deren Name mitgeteilt werden. Die im Zusammenhang stehende abgefangene Korrespondenz unterliegt dann der Kontrolle der Kommission, die über deren Verwendung, Speicherung oder Löschung entscheidet.836 Die CNCTR kann darüber hinaus gem. Art. L854-9 Abs. 4 CSI auf eigene Initiative oder auf Antrag von Bürgerinnen bzw. Bürgern, die individuelle Überwachungsmaßnahmen gegen ihre Person vermuten, überprüfen, ob die vorbenannten Überwachungsmaßnahmen der Art. L854-1 ff. CSI eingehalten wurden.837 Zudem teilt sie den Antragsstellerinnen und Antragsstellern das Ergebnis ihres Ersuchens mit, ohne sich auf konkrete Überwachungsumstände oder Stichprobenkontrollen beziehen zu müssen. Allerdings können nicht nur von Bürgerinnen bzw. Bürgern Anfragen an die CNCTR gerichtet werden, sondern besteht ebenfalls eine Art „Whistle­ blower“-Regelung in Art. L861-3 CSI, wonach alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste Rechtsverstöße an die CNCTR melden können.838 Des Weiteren sieht der Art. L854-9 i. V. m. Art. L833-3 CSI einen Sank­ tionsmechanismus vor. Sollte eine Ministerin bzw. ein Minister, eine Behörde oder eine Beamtin oder Beamter die Arbeit der Kommission dadurch behindern, dass diese sich weigern, kontrollrelevante Informationen zu übermitteln, diese manipuliert bzw. zerstört, bestimmte Informationen vorenthält oder den Zugang zu Informationen für Kommissionsmitglieder oder deren Beauftragte verwehrt, kann das mit einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe i. H. v. 15.000 Euro bestraft werden. Über diese Kontrollmaßnahmen gibt die Kommission unter Wahrung des nationalen Verteidigungsgeheimnisses und ohne Offenlegung spezifischer Verfahren gem. Art. L833-9 CSI öffentliche Berichte ab. Diese sollen die Anzahl der Anträge und deren Stellungnahmen, der Beschwerden von Bürgerinnen bzw. Bürgern, Empfehlungen an den Premierminister und deren Auswirkungen sowie die Rechtsmittel enthalten, die beim Conseil d’État ein­ gereicht wurden.839 Diese Regelungen galten jedoch zunächst nur für die 836  Art. L854-8

CSI. ähnlicher Mechanismus existiert in Art. L883-4 CSI für inlandsnachrichtendienstliche Überwachungen. 838  Seit Inkrafttreten wurde hiervon kein Gebrauch gemacht. Siehe CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 69 f. 839  Auskünfte über die in Art. L821-5 CSI festgelegten Eilverfahren waren zwar ursprünglich vorgesehen. Der Conseil Constitutionnel erklärte diese Regelung jedoch als unvereinbar mit der französischen Verfassung. Siehe dafür Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.2015, n° 2015-713 DC, Rn. 30 – Loi relative au renseignement. 837  Ein



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nationale nachrichtendienstliche Überwachung. Nach einer internen Regelung zwischen der CNCTR und dem Premierminister umfasste der zweite öffentliche Bericht nun auch eine Bewertung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit.840 Dabei wurde u. a. zu Tage gefördert, dass die CNCTR im Jahr 2016 ca. 67.000 und 2017 ca. 70.000 Stellungnahmen zu den Überwachungsmaßnahmen abgegeben hat.841 Für das Jahr 2016 betraf das ca. 20.300 und 2017 ca. 21.300 überwachte Personen, wovon 46,5 % im Jahr 2016 und 42,8 % im Jahr 2017 wegen Terrorismusgefahr heimlich überwacht wurden.842 Die CNCTR beanstandete zudem 49 Maßnahmen der Nachrichtendienste im Jahr 2016 und 54 Maßnahmen im Jahr 2017.843 Ein Verfahren vor dem Conseil d’État wurde jedoch nicht angestrengt.844 Weiterhin strebt die CNCTR zur Verbesserung der Außenwirksamkeit und für einen Erfahrungsaustausch an, sich mit dem nationalen Parlament und anderen Kontrollorganen europäischer Länder, die eine ähnliche Situation im nachrichtendienstlichen Sektor aufweisen, regelmäßig auszutauschen.845 Ende 2016 trafen sich so der Präsident der CNCTR sowie die Präsidenten des Senats und des Parlaments, um den ersten Bericht der Kommission zu besprechen. Im März 2017 organisierte die Kommission mit der Délégation parlementaire au renseignement ein Kolloquium zum Thema „Le contrôle et l’évaluation de la politique publique du renseignement“, bei welchem Richterinnen bzw. Richter, Parlamentarierinnen bzw. Parlamentarier, Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler und Journalistinnen bzw. Journalisten anwesend waren, um eine erste Bestandsaufnahme der neuen Gesetze vorzunehmen. Im November 2017 nahm der Präsident des CNCTR darüber hinaus an einer Podiumsdiskussion der Université de Grenoble Alpes zu dem Thema „Le contrôle du renseignement: comment concilier surveillance et respect des droits de l’homme“ sowie an verschiedenen Konferenzen der EU und der UN zum Schutz personenbezogener Daten und zum Recht auf Privatsphäre teil.846 Zudem gab es bereits mehrere Treffen 2017 mit der G10-Kommission, dem PKGr und dem schwedischen Kontrollorgan Säkerhets- och Inte­gritets­ skyddsnämnden. dazu CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 6. S.  45 f. 842  Ebd., S. 51, 54. 843  Ebd., S. 70. Die Dauer der Bearbeitung der Beschwerden beträgt unter zwei Monaten. 844  Ebd., S.  69 f. 845  Genannt werden hierfür Deutschland, Großbritannien oder Schweden, mit welchen es sogar regelmäßige Treffen gegeben haben soll. Vgl. dafür CNCTR, Relations extérieures, verfügbar unter: https://www.cnctr.fr/8_relations.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ebenso CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 66 f. 846  Vgl. zu allen Aktivitäten CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 66 ff. 840  Siehe 841  Ebd.,

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

c) Parlamentarische Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste Als spezielles reines parlamentarisches Kontrollorgan für die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit – neben der teilweise aus Parlamentarierinnen und Parlamentariern besetzten CNCTR – sind der Senat und die Vollversammlung zu nennen, die selbst eigene Gremien einberufen können. Zwar sieht die Französische Verfassung in Art. 43 lediglich Ständige Ausschüsse vor, die vom Parlament eingesetzt werden. Der Conseil Constitutionnel entschied jedoch 1982, dass das Parlament auch zusätzliche Gremien einsetzen darf, sofern diese weder in die Gesetzgebung einbezogen sind und keine für die Regierung verbindlichen Entscheidungen treffen – sie haben somit schlicht beratende Funktion.847 Diese Gremien können zudem als gemeinsame Gremien des Senats und der Vollversammlung ausgestaltet werden. Dies ist auch der Fall bei der Délégation parlementaire au renseignement (DPR), die aus je vier Mitgliedern des Senats und der Vollversammlung besteht und 2007 durch die Loi n° 2007-1443 erstmals zur parlamentarischen Nachrichtendienstkontrolle ins Leben gerufen wurde.848 In der DPR müssen die jeweiligen Vorsitzenden der Ausschüsse für innere Sicherheit und Verteidigung sowohl der Vollversammlung als auch dem Senat vertreten sein.849 Die weiteren Mitglieder werden von den Präsidentinnen bzw. Präsidenten der Vollversammlung und des Senats unter Berücksichtigung pluralistischer Vertretung aller Parteien benannt.850 Dies führte bisweilen aber nicht immer dazu, dass alle Oppositionsparteien vertreten waren: 2013 wurde es damit begründet, da die DPR aus Geheimhaltungsaspekten möglichst klein gehalten werden müsse und eine Besetzung mit allen Oppositionsparteien nicht im Rahmen des möglichen wäre.851 Die DPR soll gem. Art. 6 Abs. 3 S. 1 Ordonnance N° 58-1100 – ähnlich wie das PKGr – die allgemeine Kontrolle über die Nachrichtendienste Frank847  Conseil Constitutionnel, Urteil vom 27.07.1982, n° 82-142 DC, Rn. 17 ff. – Loi portant réforme de la planification. Diese zusätzlichen Gremien werden auch Délégation Parlementaire oder Office Parlementaire genannt. Vgl. hierzu näher Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 177. 848  Ursprünglich war nur die Besetzung von sechs Mitgliedern vorgesehen. Diese Besetzung wurde aber ausgeweitet. Vgl. Garrec, Rapport vom 20.06.2007, Doc. Sénat 2006–2007, n° LC 103, S. 7; Brunot, Le Contrôle Parlementaire des Politiques de Renseignement, in: RDN 1997, S. 23 ff. 849  Zugleich soll eine dieser Personen den Vorsitz in der DPR erhalten. 850  Vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Ordonnance Nr. 58-1100 vom 17.11.1958. Nach Björn Krumrey führte das bis 2014 dazu, dass jeweils zwei Mitglieder der Regierung und der Oppositionsparteien benannt wurden. Siehe ders., Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 177. 851  Siehe hierzu auch Carrayon, Rapport vom 18.07.2007, Doc. Ass. Nat. N° 83 (2006–2007), S.  33 f.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 477

reichs ausüben, worunter auch die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit fällt.852 Die allgemeine Kontrolle gestaltete sich anfangs derart, dass diese auf die Befragung von Regierungsmitgliedern sowie den Direktorinnen und Direktoren der Dienste beschränkt war.853 Trotz der gesetzlichen Verankerung der Kontrolle konnte die DPR ihre Befugnisse nur im sehr limitierten Rahmen ausüben, was sich in den jährlichen Veröffentlichungen widerspiegelte.854 Die Mitglieder der Delegation unterlagen einem strengen Geheimnisschutz – dem Secret de la Défense nationale – der oftmals die Informationsgewinnung schwierig gestaltete. Die Loi de programmation militaire von 2013 sollte diese schwache Stellung der DPR verbessern, indem ihr weitreichendere Befugnisse zugestanden wurden: Informations-, Anhörungs- und effektivere Kontrollbefugnisse sollten dem Kontrollorgan bei der Aufgabe der Überwachung und Bewertung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit helfen.855 Sie kann über Art. 6 Abs. 4 Ordonance N° 58-1100 als besonders geheim eingestufte Informationen einsehen, tagt aber deshalb nicht öffentlich und ihre Tätigkeit unterfällt selbst dem nationalen Verteidigungsgeheimnis.856 Ebenso sind die zuständigen Ministerinnen und Minister verpflichtet, die kontrollrelevanten Informationen an die Delegation zu übermitteln, damit die DPR die allgemeine Tätigkeit der Dienste überprüfen kann.857 Sie kontrolliert daher die Ziele sowie Durchführung abgeschlossener Vorgänge und die personelle sowie technische Ausstattung der Dienste.858 Seit 2013 bekommt 852  Hierunter zählen das Innen-, das Verteidigungs- und das Wirtschaftsministerium. Vgl. auch Garrec, Rapport vom 20.06.2007, Doc. Sénat 2006–2007, n° LC 103, S.  24 f. 853  Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (41). Ähnlich Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 181, welcher allerdings aufzeigt, dass bei Besuchen der Kontrolleurinnen und Kontrolleure dennoch Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter befragt wurden. 854  Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (41). 855  Siehe hierzu Art.  12 f. Loi de programmation militaire von 2013 und den dazu angehängten Bericht des Gesetzgebers in Rn. 1.3.3: Loi n° 2013-1168 vom 18.12.2013 relative à la programmation militaire pour les années 2014 à 2019 et portant diverses dispositions concernant la défense et la sécurité nationale, in: JORF n° 0294 vom 19.12.2013, S. 20570. Auch die Premierministerin bzw. der Premierminister darf angehört werden. 856  Vgl. hierzu näher Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 178. Dieser stellt auch heraus, dass die Informationspflicht sich nicht auf alle Informationen erstrecke. Bspw. sind solche Informationen ausgenommen, die konkrete Maßnahmen der Nachrichtendienste betreffen oder die Sicherheit von Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern gefährden könnten. 857  Vgl. dafür Art. 6 Abs. 3 S. 2 Ordonance N° 58-1100. 858  Siehe hierzu Fillon/Karoutchi, Projet de Loi Rectifié Portant Création d’une Délégation Parlementaire pour le Renseignement vom 05.06.2007, Doc. Sénat N° 326

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die DPR auch Einblick in den Haushalt der Nachrichtendienste. Sie wird dafür durch die Commission de vérification des fonds spéciaux (CVFS) unterstützt, welche die Kontrolle des nachrichtendienstlichen „Sondervermögens“ vornimmt859 und tritt damit neben den Cour de Comptes – dem Französischen Rechnungshof – welcher den Haushalt der Dienste genehmigt und überwacht.860 Der CVFS stehen für ihre Tätigkeit Ermittlungs- und Informationsbefugnisse zu, um die Rechtmäßigkeit der Ausgaben zu überprüfen. Sie ist im Anschluss an ihre Prüfung verpflichtet, der DPR jährlich einen geheimen Bericht über ihre Tätigkeit zukommen zu lassen. Die eigentlich geheime Kontrolle des nachrichtendienstlichen Haushaltes wird mittlerweile von – die Geheimhaltung wahrenden – öffentlichen Berichten ergänzt.861 Die DPR kann im Zuge dessen nicht-öffentliche Empfehlungen (sog. Recommandations et Observations) an die Premierministerin bzw. den Premierminister richten, die auch an die Präsidenten der Generalversammlung und des Senats weitergleitet werden.862 Ausgenommen von der Kontrolltätigkeit sind jedoch die Bereiche der i­ nternationalen Nachrichtendienstkooperation, spezielle Operationen der Diens­te und sofern die Kontrolltätigkeit zu stark in die politische Entscheidungsfähigkeit der Regierung hineinwirkt.863 Die DPR ist zudem unzuständig für die Aufarbeitung von potenziell aufgedeckten Verstößen der Nachrichten-

(2006–2007), S. 4. Ferner Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 179. 859  Die CVFS wurde bereits 2001 durch die Loi de finances vom 28.12.2001 begründet und war für die Kontrolle von staatlichen Sondervermögen und deren Verwendung zuständig. Die Berichte der Kommission unterlagen jedoch der Geheimhaltung, sodass die DPR hierauf bis zur Reform keinen Zugang hatte. Siehe hierzu auch CVFS, Rapport General de la Commission de Verification des Fonds Speciaux sur L’Exercice 2016, S. 8. 860  Generell dazu Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (41 f.). Dieser führt aus, dass auf Initiative des ehemaligen Richters des Conseil Constitutionnel Pierre Joxe eine solche Kontrollbefugnis für den Cour des Comptes eingeführt wurde. 861  Siehe hierzu u. a. CVFS, Rapport General de la Commission de Verification des Fonds Speciaux sur L’Exercice 2016. Darin macht die CVFS sogar 17 öffentliche Empfehlungen. 862  Vgl. dazu auch Art. 6 Abs. 6 Ordonnance Nr. 58-1100 vom 17.11.1958. 863  Conseil Constitutionnel, Urteil vom 27.12.2001, n° 2001-456 DC, Rn. 45 – Loi de finances pour 2002, in welchem das Gericht festlegte, dass laufende Vorgänge der Exekutive grundsätzlich nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Ebenso Garrec, Rapport vom 20.06.2007, Doc. Sénat 2006–2007, n° LC 103, S. 30; Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 179 f. Letzterer folgert daraus, dass laufende und teilweise abgeschlossene Vorgänge nicht in den Kontrollbereich der DPR fielen.



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dienste, die der parlamentarischen Kontrolle der Ständigen Ausschüsse unterliegen.864 d) Exekutive Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste seit den Reformen 2015 aa) Die Kontrolle durch die Premierministerin bzw. den Premierminister Die Exekutive ist in Frankreich seit jeher sehr mächtig ausgestaltet, was sich auch im Bereich der Nachrichtendienste offenbart.865 Dort übernimmt die Premierministerin bzw. der Premierminister die zentrale Rolle der Koordination und Zielvorgaben der Nachrichtendienste.866 Sie bzw. er ist gem. Art. L854-2 Abs. 1 CSI zuständig für die Erteilung der Erlaubnis von Überwachungsmaßnahmen mit Auslandsbezug.867 Gem. Art. L854-2 Abs. 2 CSI kann die Nutzung nicht-individualisierter Verbindungsdaten für höchstens ein Jahr genehmigt werden,868 wenn die Grundsätze des Art. L854-1 CSI gewahrt werden, d. h. in der Genehmigungsanfrage seitens der Dienste die Nutzung den Zwecken des Art. L811-3 CSI entspricht,869 die Gründe, Zuständigkeit und die vorgesehenen Maßnahmen angegeben sind. Neben den vorgenannten Kriterien müssen zusätzlich die territoriale Reichweite der Überwachungsmaßnahme und die Angabe der betroffenen Personen, Perso-

864  Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 180. Bemerkenswert ist aber, dass es in Frankreich – wie auch in den USA – keine Regelungen auf Verfassungsebene zum Untersuchungsrecht des Parlaments bestehen. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wie in Deutschland ist damit grundsätzlich nicht vorgesehen. In der Praxis hat sich das jedoch dennoch entwickelt. Vgl. dafür Klein, Art. 44 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 7. 865  Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015. 866  Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 181. 867  Siehe auch Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (719), welche auch auf die Generalklausel des Art. L821-1 CSI verweist. 868  I.d.R. wird sie zunächst für vier Monate erteilt und kann verlängert werden. Vgl. Art. L854-3 Abs. 3 S. 3 CSI. 869  Solche Überwachungsmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn sie zur Verteidigung oder Förderung der in Art. L811-3 CSI normierten grundlegenden Interessen (wie u. a. die nationale Unabhängigkeit, territoriale Integrität, Verhinderung von Terrorismus) dienen, nicht der reine Inlandsdatenverkehr individuell überwacht wird und für andere Kommunikationsüberwachungen gewisse Garantien eingehalten werden. Vgl. CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 9.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

nengruppen bzw. Organisationen aufgeführt werden.870 Nach Art. L854-3 CSI muss vor der Genehmigung der Nutzung der individualisierten Kommunikation bzw. der Verbindungsdaten durch die Premierministerin bzw. den Premierminister die CNCTR konsultiert werden, die anhand der zu übermittelnden Informationen eine Rechtmäßigkeitsprüfung durchführt und eine Stellungnahme dazu abgibt. Diese Stellungnahmen haben allerdings nur empfehlenden Charakter und entfalten keine bindende Wirkung für die Anordnungen durch die Premierministerin bzw. den Premierminister.871 All diese Informationen unterliegen für Kontrollzwecke dem Rückverfolgbarkeitsgebot nach Art. L854-4 CSI. Auch die maximale Anzahl der Überwachungsmaßnahmen soll limitiert werden. Nach Art. 854-2 Abs. 5 CSI bestimmt diese Grenze die Premierministerin bzw. der Premierminister nach Kenntnisnahme der rechtlich unverbindlichen Stellungnahme der CNCTR.872 Zur Unterstützung und Beratung der Premierministerin bzw. des Premierministers wurde 2008 die bzw. der Coordonnateur national du renseignement (CNR) geschaffen und 2009 per Dekret legitimiert.873 Der bzw. dem CNR fungiert als weiteres exekutiven Kontroll- und Berichtsorgan. Die Nachrichtendienste müssen dieser bzw. diesem ihre Tätigkeiten melden und die Stelle diese dann auf Einhaltung der Zielvorgaben und Effizienz hin bewerten. Dafür darf sie Weisungen an die Nachrichtendienste weitergeben. Da bei der bzw. dem CNR alle Maßnahmen der einzelnen Dienste zusammenlaufen, soll sie bzw. er zudem zur besseren Koordinierung und Kooperation der Nachrichtendienste beitragen.874

870  Sollte sich nach Erteilung der Anordnung herausstellen, dass sich die Überwachungen auf Verbindungsdaten beziehen, die sich im Inland befinden, müssen sofort die Premierministerin bzw. der Premierminister und die CNCTR zu Kontrollzwecken informiert werden. 871  Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (719). 872  Im Januar 2018 legte der Premierminister eine Höchstquote für Echtzeit-Überwachungen (500) und IMSI-Catcher (60) fest. So CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 38. 873  Siehe dazu Décret n° 2009-1657 vom 24.12.2009, Relatif au conseil de défense et de sécurité nationale et au secrétariat général de la défense et de la sécurité nationale, in: JORF n° 0301 vom 29.12.2009, S. 22561. Heute ist diese Stelle in Art. R1122-8 Code de la Défense geregelt. 874  Siehe hierzu auch Forcade, Conseil National du Renseignement et Coordonnateur National du Renseignement, in: RDN 2012, Vol. 755, S. 37 (38); Lasserre, Le Nouveau Visage du Renseignement Français, in: Politique Internationale 2010, Vol. 127, S. 175 (177).



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 481

bb) Commission nationale de contrôle des interceptions de sécurité Die CNCIS ist eine seit 1991 bestehende unabhängige Verwaltungseinrichtung und das exekutive Pendant zur CNCTR, die eine Rechtmäßigkeitskon­ trolle im Bereich geheimer Telefonüberwachungen und Verbindungsdatenerfassungen durchführt. Der Kontrollbereich erstreckte sich zunächst allein repressiv auf Überwachungsanordnungen der Premierministerin bzw. des Premierministers nach Art. 4 Loi relative au secret des correspondances émises par la voie des télécommunications; kurze Zeit später wurde jedoch additiv ein präventiver Empfehlungsmechanismus für künftige Anordnungen eingeführt.875 Die Ausweitung der nachrichtendienstlichen Befugnisse in Frankreich 2001 löste zeitgleich öffentliche Forderungen zur Stärkung des Kontroll­ sektors der geheim agierenden Dienste aus.876 Daher wurden nach langer Debatte die Befugnisse sowie das Aufgabenspektrum der CNCIS 2006 mit der Loi relative à la lutte contre le terrorisme sowie 2013 mit der Loi relative à la programmation militaire pour les années 2014 à 2019 erweitert, womit fortan die Bereiche der Verbindungsdaten, offline gespeicherte Kommunikation und die (Echtzeit-) Geolokalisierung von bestimmten Personen vom Kontrollauftrag miterfasst wurden.877 Darüber hinaus wurde 2008 eine Direktive eingeführt, die die Kontrollbefugnisse hinsichtlich der Bürger- und Menschenrechte näher ausgestalten sollte.878 Die CNCIS kann im Rahmen ihres Kontrollbereiches allerdings nur unverbindliche Stellungnahmen zur Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahmen übermitteln.879 Dafür erhält

875  Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (31). 876  Siehe hierfür zusammenfassend Garrec, Rapport vom 20.06.2007, Doc. Sénat 2006–2007, n° LC 103, S. 36 ff. 877  Vgl. Loi n° 2006-64 vom 23.01.2006 relative à la lutte contre le terrorisme et portant dispositions diverses relatives à la sécurité et aux contrôles frontaliers, in: JORF n° 0020 vom 24.01.2006, S. 1129; LOI n° 2013-1168 vom 18.12.2013 relative à la programmation militaire pour les années 2014 à 2019 et portant diverses dispositions concernant la défense et la sécurité nationale, in: JORF n° 0294 vom 19.12.2013, S. 20570. Siehe dazu auch CNCIS, 23e rapport d’activité 2014–2015, 2015, S. 11. Ferner Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 20 (22). 878  Siehe Art. 18 Loi relative au secret des correspondances émises par la voie des télécommunications der auf eine Direction de l’action du Gouvernement relatif à la protection des droits et des libertés fondamentales verweist. 879  Vgl. dazu Warusfel, Contre-espionnage et protection du secret, 1999, S. 382 ff.; Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (30 f.).

482

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

die Kommission Zugang zu den gesamten Aufzeichnungen und Abschriften der Dienste, bevor diese vernichtet wurden.880 cc) Le groupement interministériel de contrôle Die bereits 1960 als Unterstützungsorgan für die Premierministerin bzw. den Premierminister gegründete GIC ist die bisher längste bestehende auslandsnachrichtendienstliche Kontrollstelle. Sie untersteht gem. Art. R823-1 CSI der Premierministerin bzw. dem Premierminister und ist dem General­ sekretariat der Sicherheit und Verteidigung untergeordnet.881 Sie war zunächst dafür zuständig, die CNCIS materiell bei der repressiven Kontrolle der Nachrichtendienste zu unterstützen,882 bildet heute aber eine eigene Abteilung mit ähnlichem Aufgabenspektrum.883 Die Gruppe registriert nach Art. R823-1 CSI alle Anträge der Premierministerin bzw. des Premierministers nach Art. L854-2 Abs. 2, 3 CSI (Nr. 1) und deren Genehmigungen (Nr. 2). Daneben ist sie zuständig für die Speicherung und Rückverfolgbarkeit der Informationen (Nr.3). Selbiges gilt für die Speicherung von Informationen über Personen, die nach Art. L854-8 CSI auf dem französischen Hoheitsgebiet erlangt wurden. Diese Daten sind so lange aufzubewahren, bis die CNCTR eine Entscheidung über deren Umgang getroffen hat (Nr. 4). Zusätzlich ist die GIC für Haushalts- und Verwaltungsangelegenheiten dem Secrétariat général de la défense et de la sécurité nationale unterstellt.884 Die finanziellen Mittel müssen von der Premierministerin bzw. dem Premierminister zur Verfügung gestellt werden.885 880  Das galt für alle Informationen zehn Tage vor deren Vernichtung. So jedenfalls Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (31). Zur besseren Koordination dieser Angelegenheiten wurde 2008 zudem die Stelle einer bzw. eines Coordonnateur national du renseignement (CNR) geschaffen und 2009 per Dekret legitimiert. Der bzw. dem CNR mussten die Nachrichtendienste ihre Tätigkeiten melden und die Stelle diese dann auf Einhaltung der Zielvorgaben und Effizienz hin bewerten. Siehe dazu Décret n° 2009-1657 vom 24.12.2009, Relatif au conseil de défense et de sécurité nationale et au secrétariat général de la défense et de la sécurité nationale, in: JORF n° 0301 vom 29.12.2009, S. 22561. 881  Der Direktor der GIC wird von der Premierministerin bzw. dem Premierminister ernannt, vgl. Art. R823-2 CSI. 882  Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (31). 883  Vgl. Art. D823-3 CSI. Siehe ferner Décret portant délégation de signature (groupement interministériel de contrôle) vom 20.12.2016, in: JORF n° 0296 vom 21.12.2016. 884  Siehe Art. R823-3, Art. D823-3 S. 2 CSI. 885  Art. D823-5 CSI.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 483

e) Gerichtliche und quasi-gerichtliche Kontrolle Obgleich nach Art. 66 der Französischen Verfassung die Justiz die Hüterin der persönlichen Freiheit ist, wird für nachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen keine richterliche Anordnung benötigt.886 Überwachungsmaßnahmen, die verstärkt in das vie privée eingreifen, dürfen aber nur unter strenger Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität angeordnet und durchgeführt werden.887 Um dies zu wahren, wurde 2015 die CNCTR gebildet, von der vier der neun Mitglieder des CNCTR Richterinnen bzw. Richter und Magistratinnen und Magistrate des Conseil d’État und des Cour de Cassation sind, die den Vorsitz der Kommission stellen und Teil der „Formation restreinte“ sind,888 welche permanent die Überwachungsanordnungen kontrolliert.889 Obwohl sich die Kontrolle lediglich in unverbindlichen Stellungnahmen äußert, kann die Kommission aber, sofern sie einen Verstoß feststellt und die Einstellung fordert, die Premierministerin bzw. der Premierminister hingegen dieser Empfehlung nicht nachkommt, durch die bzw. den Vorsitzenden oder mindestens drei Mitglieder der CNCTR gem. Art. L854-9 Abs. 5 S. 2 CSI den Conseil d’État mit der Angelegenheit befassen. Die Gerichte sind somit von Beginn der Überwachungsmaßnahmen an in den Prozess der Rechtmäßigkeitskontrolle involviert und können gerichtlich die Einstellung von Überwachungsmaßnahmen erwirken.

886  Sie dazu Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (718); Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015. 887  Perrière/Labrune, Die Reichweite der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, in: NVwZ 2016, Vol. 35, S. 280 (280 ff., 288 f.). 888  Die Überprüfung in beschränkter Besetzung ist ein Mittel der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Ebd., S. 281. 889  Anders als in den USA müssen die Anordnungen keine „minimization proce­ dures“ zum Schutz vor zu starker Beschränkung der Privatsphäre beinhalten. So ­Sales, French Surveillance Law Compared to US Surveillance Law, 2015, S. 4, nach welchem notwendige Sicherungsmechanismen für die Privatsphäre oder die Meinungsfreiheit in der Anordnung nicht aufgeführt werden müssen. Nathan Sales kritisierte zudem am ersten Entwurf, dass es keine Ausnahmen der Überwachungsmaßnahmen für Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern gab und hierüber auch – anders als in den USA – eine quasi-gerichtliche Entscheidung notwendig sei. Die Privilegierungen wurden aber mit Art. L854-3 i. V. m. Art. L821-7 CSI später eingeführt. Fortan dürfen zumindest Parlamentarierinnen bzw. Parlamentarier, Anwältinnen bzw. Anwälte, Richterinnen bzw. Richter und Journalistinnen bzw. Journalisten in Ausübung ihrer Tätigkeit, sofern diese auf dem Territorium Frankreichs stattfindet, nicht von individuellen Überwachungsmaßnahmen betroffen sein. Eine gerichtliche Entscheidung hierüber ist allerdings nicht notwendig.

484

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Für alle Verfahren gilt zudem die Geheimhaltungspflicht. Der CNCTR müssen im Gegenzug aber alle Informationen zur Prüfung vorgelegt werden, die zur Kontrolle benötigt werden, was auch solche Informationen einschließt, die aus Gründen der nationalen Sicherheit der Geheimhaltung unterliegen.890 Obgleich die Kontrolle vorwiegend durch Richterinnen und Richter ausgeübt wird, weisen die besonderen Geheimhaltungspflichten und der bloße Empfehlungscharakter der Entscheidungen der „Formation restreinte“ keine originären gerichtlichen Eigenschaften auf. Vielmehr ist auch in diesem Fall – wie bei der G10-Kommission oder dem Unabhängigen Gremium – lediglich von einer quasi-gerichtlichen Zuständigkeit zu sprechen. Zum anderen kann nach Art. L854-9 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Art. L841-1 Abs. 1 Nr. 1 CSI auch jede Person vom Conseil d’État feststellen lassen, ob gegen sie eine rechtswidrige Maßnahme nach Art. L854-2 CSI durchgeführt wurde.891 Die Entscheidungen des Conseil d’État bei nachrichtendienstlichen Verfahren richten sich dann nach den Art. L773-1 ff. Code de justice administrative, nach welchem die Angelegenheiten einer Fachabteilung im Gericht zugewiesen werden, welche durch Dekret des Conseil d’États festgelegt wird.892 Der Art. L841-1 Abs. 1 Nr. 1 CSI fordert jedoch nunmehr die vorherige Beschwerde bei der eingeführten CNCTR, die dann an den Conseil d’État weitergeleitet werden kann, sofern der CNCTR eine Prüfung für erforderlich hält.893 Grundsätzlich kann auch der Conseil Constitutionnel im gewissen Maße die Nachrichtendienste kontrollieren. Ähnlich wie sein deutsches Pendant fokussieren sich die Kontrollmaßnahmen auf die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und besteht die Möglichkeit einer Individualbeschwerde.894 So wurde schon vor der Veröffentlichung der Gesetzesentwurf dem Conseil Constitutionnel vorgelegt, der im Nachgang zahlreiche 890  Vgl.

Art. L773-2 Abs. 2–4 Code de justice administrative. Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015. 892  Siehe dazu Art. L773-2 Abs. 1 Code de justice administrative. Im Jahr 2016 wurden neun Anträge dem Conseil d’État übermittelt, 2017 sechs. Siehe dazu CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 71. 893  Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32); Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (719). Ferner Art. L833-4 CSI. 894  Vgl. dafür Castellani-Dembélé/Labrune, Die Eilverfahren in Frankreich, in: NVwZ 2016, Vol. 35, S. 974 (977). Die erst spät eingeführte Question prioritaire de constitutionnalité ähnelt der deutschen Verfassungsbeschwerde. Siehe dazu genauer Conseil Constitutionnel, Urteil vom 03.12.2009, n° 2009-595 DC – Loi organique relative à l’application de l’article 61-1 de la Constitution. Ferner Guillaume, La question prioritaire de constitutionnalité, in: J&C 2010, Vol. 8, S. 279 (279 ff.); Hochmann, Motivation et justice constitutionnelle, in: NCCC 2017, Vol. 55–56, S. 23 891  Beaud,



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 485

weitere Entscheidungen zu den 2015 eingeführten nachrichtendienstlichen Regelungen traf und einige Anpassungen forderte.895 Nichtsdestotrotz ist die verfassungsrechtliche Kontrolle im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich beschränkt. Einerseits sind nicht alle Hoheitsakte der auswärtigen Gewalt justiziabel896 und andererseits ist es für Individuen schwerer, vor dem Conseil Constitutionnel zu klagen, da hypothetische Beeinträchtigungen der Grund- und Menschenrechte nicht zur Verfassungswidrigkeit führen können.897 Die betroffenen Personen müssen vielmehr nachweisen, dass sie in einem spezifischen Fall Ziel einer Maßnahme sind oder waren, die auf eine spezifische gesetzliche Grundlage zurückgeführt wird.898 Zudem ist in der Regel die Individualbeschwerde ausgeschlossen, wenn ein Gesetz bereits vor Verabschiedung von der Premierministerin bzw. dem Premierminister vorgelegt wurde.899 Genau das ist im Juli 2015 auch mit der neuen Loi relative au renseignement geschehen.900 Dennoch entschied der Conseil Constitutionnel am 21.10.2016 im Rahmen einer Question prioritaire de constitutionnalité, dass die nachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen nicht nur für den nationalen Bereich, sondern auch für den auslandsnachrichtendienstlichen Bereich einer Genehmigung und Rechtsgrundlage bedürfen.901 Die Neufas(23 ff.); Savoie, Frankreich, in: Grabitz, Grundrechte in Europa und USA, Bd. I, 1986, S. 203 (231). 895  Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.2015, n° 2015-713 DC, Rn. 48 f. – Loi relative au renseignement; Urteil vom 26.11.2015, n° 2015-722 DC – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales; Urteil vom 21.10.2016, n° 2016-590 QPC, Rn. 12 – Surveillance et contrôle des transmissions empruntant la voie hertzienne. Hingegen beanstandete das Gericht die Regelungen zur CNCTR nicht: Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.2015, n° 2015-714 DC, Rn. 4 ff. – Loi organique relative à la nomination du président de la commission nationale de contrôle des techniques de renseignement. 896  Vgl. hierzu die sog. Théorie des actes du gouvernement. Solche Akte, die der demokratisch legitimierten Staatsleitung oder der Regierung zugeschrieben sind, unterliegen nur unter ganz bestimmten Umständen einer Überprüfbarkeit. So Nettesheim, Art. 59 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 234. 897  So Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015. 898  Erklärt der Conseil Constitutionnel die Bestimmung für unvereinbar mit der Verfassung, hat das Urteil keinen retrospektiven Effekt und entfaltet nur Wirkung ab Entscheidungstag. Siehe auch Boutin, Excesses of Counter-Terrorism and Constitutional Review in France: The Example of the Criminalisation of the Consultation of Websites, in: VerfBlog vom 10.05.2018. 899  Siehe hierzu Art. 61 Französische Verfassung. 900  Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.2015, n° 2015-713 DC – Loi relative au renseignement. 901  Conseil constitutionnel, Urteil vom 21.10.2016, n° 2016-590 QPC, Rn. 12 – Surveillance et contrôle des transmissions empruntant la voie hertzienne. Vgl. für inlandsnachrichtendienstliche Maßnahmen Conseil constitutionnel, Urteil vom

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

sung der Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales sah der Conseil Constitutionnel hinsichtlich der Kontrolle allerdings als verhältnismäßig an.902 f) Zwischenergebnis Obgleich die Loi relative au renseignement teilweise lediglich als Legitimierung der anlasslosen Massenüberwachung und in vielen Bereich zu unbestimmt gesehen wird,903 ist zumindest die Einführung einer gesetzlichen Normierung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit und deren Kon­ trolle als einer der letzten demokratischen Staaten zu begrüßen; sie war jedoch auch dringend notwendig. Die Neuerungen tragen zu einer Verbesserung der Kontrolle, des Schutzes der Privatsphäre und der Rechtssicherheit bei.904 Die Kontrollarchitektur ist – anders als im zersplitterten deutschen Kontrollsystem – überwiegend auf das CNCTR zentralisiert und gewaltenübergreifend ausgestaltet. Entgegengesetzt dazu sind die Kontrollbefugnisse weitaus geringer als in der Bundesrepublik, da die Mittel der CNCTR lediglich Empfehlungscharakter haben, weswegen teilweise bezweifelt wird, dass die neue Kommission eine effektive Begrenzung der Überwachungsmaßnahmen vornehmen kann.905 Die wirkliche Macht liegt bei der Exekutive, wodurch eine unabhängige wirksame Kontrolle fehlt.906 Außerdem erstreckt sich die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle nur auf die Telekommunikationsinhalte und die Verbindungsdaten, jedoch nicht auf Metadaten generell oder den reinen Auslands-Telekommunikationsverkehr. Kritisch kann darüber hinaus angemerkt werden, dass die Neueinführung der individuellen 04.08.2017, n° 2017-648 QPC – Accès administratif en temps réel aux données de connexion. 902  Conseil Constitutionnel, Urteil vom 26.11.2015, n° 2015-722 DC – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales. 903  So Tréguer, French Constitutional Council Strikes Down „Blank Check“ Provision in the 2015 Intelligence Act, in: VerfBlog vom 26.10.2016; Bourdon, Une loi sur le renseignement excessive?, in: Le Monde vom 22./23.03.2015. 904  So Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32); Armor, La DGSE et ses nouveaux défis, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 20 (22). Im Ergebnis so auch Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015. 905  So Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32); Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (718). 906  Mastor, The French Intelligence Act, in: Eur. Pub. L. 2017, Vol. 23, S. 707 (719). Ähnlich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Überprüfungsmöglichkeiten Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 487

Beschwerdemöglichkeit direkt beim CNCTR nach Art. L841-1 Abs. 1 Nr. 1 CSI – ähnlich wie bei der G10-Kommission nach § 15 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 G10 – keine Stärkung des Rechtsschutzes zur Folge hatte.907 Von den insgesamt 103 Bürgerinnen- und Bürgerbeschwerden aus 2016 und 2017 wurde keine von der CNCTR an den Conseil d’État weitergeleitet.908 Das macht in der Praxis einen individuellen Rechtsschutz schier unmöglich, da die Individuen die einzelnen Überwachungsmaßnahmen explizit nachweisen müssen und bei hypothetischen Beeinträchtigungen kaum Rechtsschutz besteht.909 Im November 2017 bestätigte der Conseil d’État allerdings, dass die vorbenannten Beschwerdemöglichkeiten gegen nachrichtendienstliche Maßnahmen sowohl mit nationalem als auch mit internationalem Recht in Einklang ­stehen, da die CNCTR als nationale unabhängigen Stelle wirksam die Rechte der Privatsphäre, der Kommunikation und der Unverletzlichkeit der ­Wohnung überwache.910 Kurz darauf bestätigte genau das der Conseil Constitutionnel,911 obgleich nach Art. L854-2 CSI eine anlasslose Überwachung ohne genaue Beschränkungen möglich ist, ein besonderer Schutz für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger fehlt, Verbindungsdaten nach Art. L854-5 CSI bis zu sechs Jahre gespeichert werden können und die Kontrolle sehr exekutivlastig ausgestaltet ist. Vor allem die bevorratende, flächendeckende und pauschale Speicherung von Verbindungsdaten dürfte nach der neueren Rechtsprechung des EuGH einer weiteren Überprüfung unterliegen.912

907  So Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (32). 908  CNCTR, 2e Rapport d’activité 2017, S. 70. 909  So kritisch auch Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog vom 06.06.2015, welcher sogar von einer „Vernachlässigung des Rechts“ spricht. 910  Conseil d’État, Urteil vom 06.11.2017, n° 408495, Rn. 7. Dies bereits vorher unbeanstandet gelassen: Conseil Constitutionnel, Urteil vom 23.07.2015, n° 2015-713 DC, Rn. 48 f. – Loi relative au renseignement. 911  Conseil Constitutionnel, Urteil vom 26.11.2015, n° 2015-722 DC – Loi relative aux mesures de surveillance des communications électroniques internationales. 912  Vgl. E EuGH, Urteil vom 06.10.2020, Rs. C-623/17, Privacy International v Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs and Others.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen Übersicht 3 Die spezielle auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle in Frankreich seit 2015

Parlamentarisch

Délégation parlementaire au renseignement (DPR) Commission de vérification des fonds spéciaux (CVFS) Premierministerin bzw. Premierminister Le groupement interministériel de contrôle (GIC)

Exekutiv

Commission nationale de contrôle des interceptions de sécurité (CNCIS) Judikativ

Die obersten Gerichte (Der Conseil d’État bzgl. der Umsetzung und der Conseil Constitutionnel bzgl. der Gesetze und bei Individualbeschwerden)

Spezialisierte Kontrolle

Die Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement (CNCTR)

2. Die Auslandsnachrichtendienstkontrolle in den Vereinigten Staaten von Amerika „U.S. intelligence agencies were anchored in a system of checks and balances – with oversight from elected leaders, and protections for ordinary citizens. Meanwhile, totalitarian states like East Germany offered a cautionary tale of what could happen when vast, unchecked surveillance turned citizens into informers, and persecuted people for what they said in the privacy of their own homes.“913 Barack Obama

Nicht ausschließlich der Ost-Block hat – wie es Barack Obama beschreibt – seine Bürgerinnen und Bürger exzessiv überwacht. Auch die NSA, CIA oder das FBI haben in den 1940er- bis in die 1970er-Jahre massive Überwachungen von Mitgliedern der Kommunistischen Partei in den USA, Journalistinnen und Journalisten, Parlamentsmitgliedern oder auch Bürgerrechtsaktivistinnen und -aktivisten vorgenommen.914 Nach deren Bekannt913  Remarks by the President on Review of Signals Intelligence vom 17.01.2014, Department of Justice, verfügbar unter: https://obamawhitehouse.archives.gov/thepress-office/2014/01/17/remarks-president-review-signals-intelligence (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 914  Kris/Wilson, National Security Investigations & Prosecutions, 2. Aufl. 2012, Part 1, Chapter 3. Siehe auch US Supreme Court, United States v. U.S. District Court, 407 U.S. 297 (1972). Ferner Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 13, welche davon sprechen, dass die NSA damals bereits 150.000 Nachrich-



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 489

werden und massiver Kritik an den Nachrichtendiensten Ende der siebziger Jahre sollten diese einer stärkeren Kontrolle unterworfen werden. Wie ein Déjà-vue wirkten dagegen gut 30 Jahre später die geleakten Informationen von Edward Snowden im Sommer 2013, die wegen der Massenüberwachungsprogramme der NSA, CIA und anderer Auslandsnachrichtendienste erneut zu einer massiven nationalen – und nun auch globalen – Kritik führten. Daher standen die Kontrollmechanismen 2015 erneut auf dem Prüfstand, da sie trotz einzelner Verbesserungen bis dato lediglich als „bedrock of intelligence“ angesehen wurden.915 a) Entwicklung nachrichtendienstlicher Kontrolle in den USA Trotz der teils starken Kritik an den US-amerikanischen Nachrichtendiensten hatte die Verrechtlichung und Kontrolle dieser Tätigkeit in den Vereinigten Staaten einen Vorbildcharakter im internationalen Vergleich.916 Die Normierung nachrichtendienstlicher Tätigkeiten stellte ein Novum in der Zeit des Zweiten Weltkriegs dar, welche fast direkt mit der Einrichtung der Nachrichtendienste in Kraft trat. Die Entwicklung der Intensität und Effektivität der Kontrolle dieser Tätigkeiten stockte anfangs allerdings und sollte – wie Genevieve Lester es beschreibt – eher „ebbs and flows“ gleichen – je nachdem welche Richtung und welches Ereignis die politische Gemengelage gerade prägte.917 Die moderne Nachrichtendienstentwicklung begann in den USA im Jahr 1939.918 Zwei Jahre später wurde eine Stelle geschaffen, welche erstmals die nachrichtendienstliche Arbeit zusammenfließen ließ – the Coordinator of Information. Der Stelle kam die Aufgabe der Beaufsichtigung aller nachrichtendienstlichen Bereiche zu,919 ohne allerdings eine Rechtmäßigkeitskon­ trolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit durchzuführen.920 Den ersten ten im Monat abhörte und insgesamt zwischen 1953 und 1973 ca. 28 Millionen Briefe kontrollieren ließ. 915  Lowenthal, Intelligence: From Secrets to Policy, 6. Aufl. 2015, S. 87. 916  Herman, Democratic Oversight of Intelligence Services, in: Smidt/Poppe/ Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz, 2007, S. 94 f.; Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 292. Vor den Snowden-Enthüllungen bezeichnete aber Amy Zegart die Kontrolle der Dienste in den USA als „the worst of all oversight worlds“. Dies., Eyes on Spies, 2011, S. 115 f. 917  Lester, When Should State Secrets Stay Secret?, 2015, S. 158. 918  Ford, Intelligence Demands in a Democratic State, in: Tul. L. Rev. 2007, Vol. 81, S. 721 (732). 919  So Kramer, The Director of National Intelligence and Congressional Oversight of the Intelligence Community, in: Kan. J. L. & Pol. 2011, Vol. 20, S. 452 (456). 920  Ebd., S.  456 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Forderungen nach mehr „externer“ Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste kam 1956 der damalige Präsidenten Dwight Eisenhower nach, welcher das President’s Board of Consultants on Foreign Intelligence Activities gründete.921 Das Expertengremium diente jedoch lediglich als Beratungseinheit für die auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten. Erste richtige Mechanismen zur Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste entstanden in den 1970er-Jahren auf Initiative von Frank Church922 und Otis Pike923. Zentrale Rolle für die Einführung von Kontrollmechanismen spielte dafür die Watergate-Affäre um den damaligen Präsidenten Richard Nixon, welcher die Nachrichtendienste illegal einsetzte, um die Opposition auszukundschaften.924 Nach den Erkenntnissen aus dem Church- und Pike-Committee erließ Präsident Gerald Ford 1976 die Executive Order 11.905, welche nicht nur den Auftrag der CIA klarer bestimmen und begrenzen, sondern darüber hinaus in Section 3 einzelne – aber lediglich exekutive – Aufsichtsmechanismen schaffen sollte, um Missbrauch vorzubeugen.925 Hierdurch entstanden der National Security Council, der Director of Central Intelligence und das Committee on Foreign Intelligence. Zwei Jahre später erließ Präsident Jimmy Carter eine eigene Direktive, die die bestehende Executive Order 11.905 ersetzen und die nachrichtendienstliche Arbeit einer stärkeren Kontrolle unterziehen sollte: die Executive Order 12.036.926 Abermals nur wenige Jahre später löste der da­ rauffolgende Präsident Ronald Reagan Ende 1981 sein Wahlversprechen ein, die Nachrichtendienste in Zeiten des Kalten Krieges wieder zu stärken, um 921  Siehe

dazu Executive Order 10.656 vom 06.02.1956. Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, 1975–76 (Church Committee), S. Res. 21, 94th Cong. (1975– 76). Siehe zudem: Final Report of the Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, S. Rep. No. 94-755 (1976). 923  Vgl. zum parallel laufenden Ausschuss des Repräsentantenhauses, House Select Committee on Intelligence (Pike Committte), H.R. Res. 138, 94th Cong. (1975), verlängert nach H.R. Res. 591, 94th Cong. (1975). Siehe auch Recommendations of the Final Report of the House Select Committee on Intelligence, H.R. REP. No. 94833 (1976). Generell dazu Rascoff, The President as Intelligence Overseer, in: Goldman/Rascoff, Global Intelligence Oversight, 2016, S. 235 ff. 924  Vgl. allgemein hierzu Waldron, Watergate, 2012, S. 463 ff. 925  Executive Order 11.905 vom 18.02.1976 – United States Foreign Intelligence Activities. Diese Aufgabe wurde damals vorwiegend dem National Security Council und dem damaligen Director of Central Intelligence übertragen. Näher dazu Slick, The 2008 Amendments to Executive Order 12333, United States Intelligence Activities, in: Studies in Intelligence 2014, Vol. 58, S. 1 (2). 926  Executive Order 12.036 vom 24.01.1972 – United States Foreign Intelligence Activities. Hierfür wurden weitere Kontrollausschüsse wie das Special Coordination Committee und das National Foreign Intelligence Board eingerichtet. Siehe Sec. 1, 1–3 und 1–4 der Executive Order 12.036. Ferner dazu Slick, The 2008 Amendments to Executive Order 12333, United States Intelligence Activities, in: Studies in Intelligence 2014, Vol. 58, S. 1 (2). 922  Senate



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 491

dem damaligen Block-Gegner der Sowjetunion die Stirn bieten zu können.927 Ronald Reagan wollte die restriktive Direktive seines Vorgängers aufheben, um mit „allen notwendigen Mitteln“ an nachrichtendienstliche Informationen zu gelangen, die für den Kalten Krieg von Bedeutung waren.928 Die von ihm erlassene Executive Order 12.333 besteht heute noch, wurde aber im Laufe der Zeit durch weitere „Kontrollmechanismen“ ergänzt, die allerdings ausschließlich im exekutiven Sektor angesiedelt sind.929 Die Watergate-Affäre sollte mit der Einsetzung der parlamentarischen Ausschüsse Church und Pike zeigen, dass neben den bestehenden exekutiven Mechanismen auch dem Parlament eine Kontrollfunktion im Bereich der Nachrichtendienste zukommen sollte. Diese wurde 1976 und 1977 durch die ständigen Ausschüsse des US Senate Select Committee on Intelligence und des US House of Representatives Permanent Select Committee on Intelligence institutionalisiert.930 Im Jahr 1978 wurde zusätzlich dazu der Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) gegründet und die Befugnisse der Auslandsnachrichtendienste sowie deren Kontrollorgane im Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA)931 weiter spezifiziert.932 Durch die Terroranschläge in New York 2001 entwickelte sich allerdings ein Ungleichgewicht zwischen auslandsnachrichtendienstlicher Befugnisse und deren Kontrolle.933 Im Zuge der darauffolgenden 9/11-Gesetzgebung verstärkte sich der nationale Sicherheitsapparat auf Kosten einer starken Be927  CIA, Presidential Reflections on U.S. Intelligence: Ronald Reagan, verfügbar unter: https://www.cia.gov/news-information/featured-story-archive/2010-featuredstory-archive/presidential-reflections-reagan.html (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 928  Vgl. Prämbel der Executive Order 12.333, in der es im Originaltext des 2. Satzes heißt: „All reasonable and lawful means must be used to ensure that the United States will receive the best intelligence available.“ 929  Siehe Slick, The 2008 Amendments to Executive Order 12333, United States Intelligence Activities, in: Studies in Intelligence 2014, Vol. 58, S. 1 (1 ff.) mit Verweis auf Report of the Commission on the Roles and Responsibilities of the United States Intelligence Community, The Evolution of the US Intelligence Community, 1996. Zudem ist die Executive Order 12.333 die geltende Rechtsgrundlage für die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärungen. So Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 27. 930  Siehe hierzu näher Snider, The Agency & The Hill: CIA’s Relationship with Congress, 2008, S. 51 ff. 931  Pub. L. No. 95-511, 92 Stat. 1783 (1978). 932  Vgl. auch Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court to Curb Executive Branch Abuse of Surveillance Techniques, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (524). 933  Vgl. generell dazu Slick, The 2008 Amendments to Executive Order 12333, United States Intelligence Activities, in: Studies in Intelligence 2014, Vol. 58, S. 1 (2 ff.).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

grenzung der Kontrollrechte mit dem USA Patriot Act von 2001.934 Diese Entwicklung sollte sich erst Jahre später ändern, in denen die Auslandsnachrichtendienste der USA mit zahlreichen Skandalen um Folter, gezielten Tötungen und Massenüberwachungen in die Schlagzeilen gerieten.935 Die Quintessenz – aus kontrollorientierter Sicht – war der 2015 erlassene USA FREEDOM Act, der den FISA grundlegend ändern sollte.936 b) Exekutive Kontrolle Die Kontrolle der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit wird überwiegend von der Executive Branch übernommen,937 der in den USA eine starke Stellung in Bezug auf die auswärtigen Belange zukommt.938 Sie teilt sich – noch stärker als in Deutschland – in eine Vielzahl unter- und nachgeordneter Behörden auf, weswegen nachfolgend lediglich auf die wichtigsten und leitenden Stellen eingegangen wird. aa) Der Präsident bzw. die Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika Die Präsidentin bzw. der Präsident der USA nimmt im Bereich der nationalen Sicherheitsarchitektur sowie bei der auswärtigen Gewalt die zentrale Rolle ein.939 Samuel Rascoff bezeichnet diese als zentralisierte „White House-based leadership“.940 Ähnlich spricht Elena Kagan von einer „presidential admin­ 934  Pub. L. No. 107-56, 115 Stat. 272. Siehe ferner Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1173 ff.). Ähnlich Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 305 ff., welcher im Ergebnis jedoch dazu kommt, dass die dortigen Kontrollmechanismen verhältnismäßig und ausreichend waren. A. A. Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1196 ff.). 935  Vgl. u. a. die bereits angeführten Snowden-Enthüllungen oder den Bericht des Senate Select Committee on Intelligence, Committee Study of the CIA’s Detention and Interrogation Program, 2014, S. 1 ff. 936  Pub. L. No. 114-23, 129 Stat. 268. Ferner Forsyth, Banning Bulk, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1307 (1335 ff.); Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (800 ff.). 937  Vgl. ferner Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1053 ff.). 938  Siehe u. a. US Supreme Court, Bank Markazi v. Peterson, 136 S. Ct. 1310 (2016), S. 1328 f., in welchem Justice Ruth Ginsburg der Exekutive eine „controlling role“ in auswärtigen Angelegenheiten zuschrieb. Ferner Rascoff, The President as Intelligence Overseer, in: Goldman/Rascoff, Global Intelligence Oversight, 2016, S.  235 ff. 939  Koh, The National Security Constitution, 1990, S. 117 ff. 940  Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (669).



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istration“941, die die Machtausübung und die Kontrolle der Exekutive auf dieses Amt zentralisiert und der Präsidentin bzw. dem Präsidenten eine breite Einschätzungsprärogative im Bereich der nationalen Sicherheit einräumt.942 Eine Ausnahme der hervorgehobenen Stellung der präsidialen Kontrolle stellen jedoch die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten dar, die seit der WatergateAffäre nicht mehr ausschließlich im präsidialen Sektor liegen, sondern dazu führten, dass die Präsidentin bzw. der Präsident selbst zum Objekt der Kon­ trolle geworden ist.943 Wegen der vielen anderen Kontrollorgane wird die Präsidentin bzw. den Präsident in der Praxis nur noch als „consumer-in-chief of intelligence“ anstatt eines richtigen Kontrollorgans angesehen.944 Die Vergangenheit zeigte, dass die Präsidenten ein politisches Eigeninteresse an den gewonnen Informationen hatten, die sie über den President’s Daily Brief über die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse seit 1946 täglich von der Intelligence Community überreicht bekamen.945 Diese Praxis bedeutet allerdings nicht, dass das präsidiale Amt keinen aufsichtlichen Verpflichtungen im Bereich der Auslandsnachrichtendienste unterliegt. Die Präsidentin bzw. der Präsident autorisiert nach Sec. 102 (a) (1) FISA über die bzw. den Attorney General die elektronische Überwachung im Bereich der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit und muss hierbei die Grenzen des FISA beachten. Da es für die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit grundsätzlich nach Sec. 102 (a) (1) FISA keiner gerichtlichen Genehmigung bedarf946 und die Anordnung zur Überwachung für bis 941  Kagan, Presidential Administration, in: Harv. L. Rev. 2001, Vol. 114, S. 2245 (2246). 942  So auch Slick, The 2008 Amendments to Executive Order 12333, United States Intelligence Activities, in: Studies in Intelligence 2014, Vol. 58, S. 1 (2); Best, Proposals for Intelligence Reorganization, 1949–2004, in: Congressional Research Service (Order Code RL32500), 2004, S. 26; Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (824); Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (635). Für eine hervorgehobene Rolle im Bereich der Verfassungsgesetzgebung: Landau, Presidential Constitutiona­ lism and Civil Rights, in: Wm. & Mary L. Rev. 2014, Vol. 55, 1719 (1722 ff.). 943  Vgl. Koh, The National Security Constitution, 1990, S. 125  ff.; Goldsmith, Power and Constraint, 2012, S. Xiii; Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (636). 944  So Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (646). Siehe zum Presidential Daily Intelligence Brief ausführlich Meador/Cerf, Rethinking the President’s Daily Intelligence Brief, in: Studies in Intelligence 2013, Vol. 57, S. 1 (1 ff.). 945  Vgl. dafür Office of the DNI, Factsheet, verfügbar unter: https://www.dni.gov/ files/documents/FACTSHEET_ODNI_History_and_Background_2_24-17.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 946  Dies liegt allerdings daran, dass der FISC nicht als ordentliches Gericht angesehen wird. Vgl. dafür unten Abschnitt D.II.2.d).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

zu einem Jahr erteilt werden kann, sofern es sich ausschließlich um Telekommunikationsinhalte oder sonstige personenbezogene Daten zwischen ausländischen Staaten oder individuelle Gesprächsinhalte von Personen handelt, die der Kontrolle eines anderen Staates unterliegen, kommt nur der Präsidentin bzw. dem Präsidenten eine Aufsicht über diese Anordnungen zu.947 Für diese legt das Amt nach Sec. 3 Executive Order 12.333 neben den Zielvorgaben auch die organisatorische Struktur und das notwendige Budget fest, was grundlegend die Arbeit der Dienste beeinflusst.948 Hierfür erhält sie bzw. er von exekutiven Gremien Vorschläge, Informationen und Hinweise, um anhand dessen die Zielvorgaben und Mittel der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit im Einklang mit dem FISA festzulegen. Zudem wird das präsidiale Amt von einer Vielzahl an Gremien über die Rechtmäßigkeit der auslandsnachrichtendienstlichen Handlungen beraten, damit die Präsidentin bzw. der Präsident diese Erwägungen in die Entscheidungen zur Auswahl und bei der Umsetzung der Zielvorgaben einbeziehen kann.949 Darüber hinaus kann die Präsidentin bzw. der Präsident jederzeit weitere Ad hoc Commissions oder Task Forces einrichten, die ebenfalls ausschließlich der Beratung dienen. Eine davon wurde 2013 im Zuge der Snowden-Enthüllungen von Barack Obama ins Leben gerufen950: Dieser schuf eine Review Group on Intelligence and Communications Technologies, die sich aus fünf Expertinnen und Experten aus dem nachrichtendienstlichen und rechtlichen Sektor zusammensetzte.951 Sie sollte potenzielle Reformen für mögliche neue Nachrichtendienstgesetze vorschlagen, wie die Regierung ihr Engagement zum Schutze der Civil Liberties stärken könnte.952 Neben dem hieraus resultierenden USA 947  Vgl. 50 U.S.C. § 1802 (a) [Sec. 102 FISA]. Siehe auch Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (525); Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1196). Eine solche Überwachung ist jedoch nur gestattet, sofern keine Gesprächsinhalte von US-Bürgerinnen bzw. US-Bürgern abgefangen werden (50 U.S.C. § 1802 (a) (1) (B) [Sec. 102]). 948  Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (648). 949  Siehe zum stark separierten System generell Dann, The Gubernative in Presidential and Parliamentary Systems, in: ZaöRV 2006, Vol. 66, S. 1 (8 ff.). 950  Neben der Review Group gründete er zudem eine spezielle Einheit innerhalb des National Security Council und eine weitere Gruppe, die sich ausschließlich mit dem Zusammenspiel von „Big Data“ und „Privacy“ beschäftigen sollte. Siehe dafür Podesta et al., Executive Office of the President, Big Data: Seizing Opportunities, Preserving Values, in: Obama White House Online vom 01.05.2014; Monaco, Obama Administration: Surveillance Policies Under Review, in: USA TODAY vom 24.10.2013. 951  Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (649). 952  Siehe hierfür The President’s Review Group on Intelligence and Communications Technologies, Office of the Director of National Intelligence, Liberty and Secu-



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FREEDOM Act, der vom Parlament eingebracht und beschlossen wurde, führten diese Vorschläge der Review Group zu einer Änderung der Executive Order 12.333. Eine rechtliche Verbindlichkeit lösen diese Empfehlungen aber nicht aus, weswegen trotz einer Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Gremien die Letztentscheidungsbefugnis beim Weißen Haus liegt, das an jene Empfehlungen nicht gebunden ist.953 bb) Das President’s Intelligence Advisory Board und das Intelligence Oversight Board Begonnen hat die Entwicklung der beratenden Stellen 1956 mit dem damaligen Präsidenten Dwight Eisenhower, welcher das President’s Board of Consultants on Foreign Intelligence Activities gründete und damit der öffentlichen Forderung nach mehr „externer“ Kontrolle für die Nachrichtendienste nachkam.954 Im Jahr 1961 wurde das Gremium vom Präsidenten John F. Kennedy in President’s Foreign Intelligence Advisory Board und unter George W. Bush 2008 in President’s Intelligence Advisory Board (PIAB) umbenannt, ohne dass dies die Rolle des Gremiums ändern sollte.955 Im Gegenteil sank sogar die Bedeutung des unabhängigen Beratungsgremiums, dass in seinen ohnehin beschränkten Rechten zur Unterrichtung über Effi­ zienz, Qualität, Quantität, organisatorische Ausstattungen und die Adäquanz der nachrichtendienstlichen Tätigkeit noch weiter beschnitten wurde.956 Unverändert blieb hingegen die Rolle der Untereinheit des PIAB – des Intelrity in a Changing World (2013), S. 79 ff. Ferner Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (82). 953  So auch Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (651 ff.). Allerdings ist zu bemerken, dass mit der Novellierung im Jahr 2015 viele Empfehlungen auch umgesetzt wurden, worin man durchaus eine „weiche“ politische Verpflichtung herleiten könnte. 954  Executive Order 10.656 vom 06.02.1956. 955  Allgemein dazu White House, PIAB, verfügbar unter: https://www.whitehouse. gov/piab/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ähnlich Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (649 f.). Dominic Hörauf spricht davon, dass das vormals bestehende PIAB zumindest aufsichtliche Befugnisse innehatte. Überdies war die Unabhängigkeit des Gremiums nicht gegeben. Zwar sollten die Stellen mit Nichtregierungsmitgliedern besetzt sein, sie wurden aber ausschließlich von den Präsidenten ernannt und waren nur jenem verpflichtet. So Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 295 f. 956  Vgl. auch Savage, President weakens espionage oversight, in: The Boston Globe vom 14.03.2008. Zwar besteht das Gremium auch heute noch fort, wurde aber unter Präsident Barack Obama von 14 auf 4 Beraterinnen und Berater dezimiert. In der Donald Trump-Administrative war es sogar fast drei Jahre unbesetzt. Vgl. dafür McLaughlin, A Key Intelligence Advisory Board Has No Members, in: Foreign Policy vom 30.11.2017.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

ligence Oversight Board (IOB) –, welches seit 1976 für die Rechtmäßigkeitskontrolle zuständig ist.957 Es hat die Aufgabe, die Einhaltung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit mit der US-amerikanischen Verfassung und aller sonstigen anwendbaren formellen und materiellen Gesetze zu überwachen.958 Hierfür hat die Intelligence Community regelmäßig und adäquat dem IOB umfassend Bericht zu erstatten.959 Es informiert daraufhin selbstständig die Präsidentin bzw. den Präsidenten über – seiner Ansicht nach – rechtswidrige nachrichtendienstliche Praktiken und berät diese bzw. diesen über mögliche Abhilfemaßnahmen.960 Die Durchsetzung von Maßnahmen obliegt dann wiederum der Präsidentin bzw. dem Präsidenten. cc) National Security Council Der National Security Council (NSC) ist in Bezug auf nachrichtendienstliche Belange das wichtigste Beratungs- und Informationsgremium der Präsidentin bzw. des Präsidenten der USA.961 Durch Erlass von Präsident Donald Trump besteht das Gremium mittlerweile aus elf Mitgliedern, dass neben dem Präsidenten aus dessen Vizepräsident, Außen-, Finanz-, Verteidigungs-, Justiz-, Energie-, Heimatschutzministerin bzw. -minister, die Nationalen Sicherheitsberaterinnen bzw. -berater und die Botschafterin bzw. der Botschafter bei der UN besteht.962 Es berät die Präsidentin bzw. den Präsidenten in 957  Das IOB wurde 1976 von Präsident Gerald Ford gegründet und an das Präsidialamt angegliedert. Vgl. Public Papers of the Presidents of the United States, Book I Pub. Papers 411 (1976). Siehe auch Hayden, Balancing Security and Liberty, in; Notre Dame J. L. Ethics & Pub. Pol. 2005, Vol. 19, S. 247 (253). 958  Allgemein dazu White House, President’s Intelligence Advisory Board – Intelligence Oversight Board, verfügbar unter: https://www.whitehouse.gov/piab/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 959  Baker, Intelligence Oversight, in: Harv. J. Legis. 2008, Vol. 45, S. 199 (204), welcher zwar die Neutralität der Stelle in Zweifel zieht, dafür aber den Zugriff auf Informationen lobt. 960  White House, PIAB, verfügbar unter: https://www.whitehouse.gov/piab/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Eine ähnliche Funktion übernimmt die bzw. der noch folgende Director of National Intelligence, welche sich ergänzen. 961  Executive Order 12.333 vom 04.12.1981, 46 FR 59941, 3 CFR, 1981 Comp., S. 200, Sec. 1.2. So auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 295. Ferner Yingling, Restoring FOIA’s Reach to the National Security Council, in: CommLaw 2014, Vol. 22, S. 407 (414 f.). Der NSC wurde 1947 mit dem National Security Act ins Leben gerufen: § 101, 50 U.S.C.A 3021 (West 2013). 962  The White House, National Security Presidential Memorandum – 2 vom 28.01.2017, verfügbar unter: https://assets.documentcloud.org/documents/3436428/ NSC-Order.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Vorher bestand das Gremium lediglich aus sechs Personen. Auch die bzw. der DNI sind in dem Gremium vertreten.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 497

allen Belangen der nationalen Sicherheit, worunter auch die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit und Anordnungen zur Überwachung fallen, die im NSC diskutiert und deren Rechtmäßigkeit generell überprüft werden.963 Darüber hinaus werden im NSC die Ziele der Auslandsaufklärung beraten und deren Einhaltung überprüft. Hierfür wurde zusätzlich das Committee on Foreign Intelligence (CFI) gegründet, welches dem NSC assistieren soll.964 Die Hauptaufgabe des CFI stellt eine regelmäßige Berichtspflicht über die vorgegebenen Ziele der Auslandsüberwachung und deren Umsetzung an das NSC dar.965 Das CFI und der NSC sind aber ebenfalls lediglich aufsicht­liche Empfehlungs- und Beratungseinheiten für die Präsidentin bzw. den Präsidenten.966 dd) Director of National Intelligence und Director of the Central Intelligence Agency Im Jahr 2004 gingen der Director of National Intelligence (DNI) und der Director of the Central Intelligence Agency (D-CIA) aus dem Amtsposten des Director of Central Intelligence hervor, der nach den Anschlägen von 9/11 auf zwei Stellen aufgeteilt wurde.967 Der DNI ist nach Sec. 102 (b) National Security Act Direktor der Intelligence Community968 und sitzt allen 16 US-Nachrichtendiensten vor. Die bzw. der DNI wird gem. Sec. 102 (a) National Security Act von der Präsidentin bzw. vom Präsidenten in Übereinstimmung mit dem Senat ernannt und muss ein hohes Maß an Expertise im Bereich der nationalen Sicherheit aufweisen. Zur Wahrung der Unabhängigkeit ist die Stelle formal außerhalb des Regierungsbereichs angesiedelt. Die bzw. der DNI hat zwei Hauptaufgaben: Einerseits übernimmt die Stelle die Beratungs- und Berichtsfunktion über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten aller Dienste in den USA. Andererseits soll sie zugleich als Auf-

963  Siehe ferner Yingling, Restoring FOIA’s Reach to the National Security Council, in: CommLaw 2014, Vol. 22, S. 407 (414 f.). Generell dazu Dann, The Gubernative in Presidential and Parliamentary Systems, in: ZaöRV 2006, Vol. 66, S. 1 (16 f.). 964  Sec. 101 (h) National Security Act. 965  Sec. 101 (h) National Security Act. 966  Eine solche ist in Sec. 101 National Security Act vorgesehen. 967  Siehe dafür Intelligence Reform and Terrorism Prevention Act of 2004, 118 STAT. 3638, Pub. L. 108-458. Ausführlicher zu dieser Reform Warner, Legal Echoes, in: Stan. L. & Pol. Rev. 2006, Vol. 17, S. 303 (303 ff.). 968  Vgl. Part. 1.1.3 und 1.1.4 der Executive Order 12.333. Siehe ferner Peine/ Sturm, Die Vereinigten Staaten von Amerika: Eine Supermacht zwischen Freiheitsideal und hegemonialer Vorherrschaft, in: Morisse-Schilbach/Peine, Demokratische Außenpolitik und Geheimdienste, 2008, S. 265 (277).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

sichts- und Koordinierungsstelle der Dienste fungieren.969 Bezogen auf den ersten Aufgabenschwerpunkt übt die bzw. der DNI hauptverantwortlich die Beratung und Berichterstattung in nachrichtendienstlichen Sicherheitsfragen sowohl gegenüber der Präsidentin bzw. dem Präsidenten als auch gegenüber dem Parlament und den Leiterinnen bzw. Leitern der Abteilungen der Executive Branch aus.970 Der DNI koordiniert, harmonisiert die nachrichtendienstliche Arbeit und kann spezifische Aufträge der Dienste eigens genehmigen, sofern sie mit den Zielvorgaben im Einklang stehen.971 Das gilt nach Sec. 702 FISA sogar für das Sammeln von Gesprächsinhalten für Nicht-US-Bürgerinnen und ‑Bürger.972 Darüber hinaus verfügt die Stelle über ein umfassendes Budget- und Finanzverteilungsrecht sowie über Kontrollrechte darüber.973 Sie bzw. er wird von einem Office of the Director of National Intelligence (ODNI) bei der Wahrnehmung der Aufgaben unterstützt.974 Die bzw. der DNI hat neben den eher operativen Aufgaben auch Aufsichtsbefugnisse inne, die für alle 16 Nachrichtendienste spezifisch geregelt sind.975 Die Stelle übernimmt die Beaufsichtigung und Leitung des National 969  Vgl. Sec. 102. (b) (3) National Security Act. Ferner Kramer, The Director of National Intelligence and Congressional Oversight of the Intelligence Community, in: Kan. J. L. & Pol. 2011, Vol. 20, S. 452 (462). Zudem soll nach Sec. 101 (g) National Security Act eine bzw. ein Coordinator for Combating Malign Foreign Influence Operations and Campaigns von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten benannt werden, welche bzw. welcher dem NSC angehört und die Koordinierung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit übernehmen soll. 970  Vgl. Sec. 102A (a) National Security Act. Der Präsident bekommt dabei täglich eine Zusammenschau der neuesten nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im sog. President’s Daily Brief. Vgl. dafür Office of the DNI, Factsheet, verfügbar unter: https://www.dni.gov/files/documents/FACTSHEET_ODNI_History_and_Back ground_2_24-17.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Zudem werden von Seiten der Executive Branch der NSC und der Homeland Security Council for Intelligence Matters informiert. Umfassend dazu Kramer, The Director of National Intelligence and Congressional Oversight of the Intelligence Community, in: Kan. J. L. & Pol. 2011, Vol. 20, S. 452 (453 f., 462 ff.). 971  Sec. 102A (f) National Security Act. 972  Hierfür muss aber auch die Justizministerin bzw. der Justizminister involviert sein. Ferner Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (677 f.). 973  Sec. 102A (c), (d) National Security Act. Dieses bedarf aber der vorherigen Genehmigung der Präsidentin bzw. des Präsidenten. Der DNI muss weiterhin regelmäßig speziellen Gremien im exekutiven und parlamentarischen Bereich über Personalumstrukturierungen berichten. So Warner, Legal Echoes, in: Stan. L. & Pol. Rev. 2006, Vol. 17, S. 303 (314). 974  Vgl. Sec. 103 National Security Act. Ferner Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (689 ff.). 975  Die jeweiligen nachrichtendienstlichen Behörden haben wiederrum selbst aufsichtliche Befugnisse. Vgl. dafür auch Kramer, The Director of National Intelligence



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 499

Intelligence Programm und überprüft die nachrichtendienstliche Tätigkeit mit den rechtsstaatlichen Vorgaben sowie mit den angeordneten Zielvorgaben der Präsidentin bzw. des Präsidenten.976 Nach Sec. 102A (f) (6) National Security Act fällt hierunter auch die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung der CIA, deren Tätigkeit anhand des FISA überprüft werden soll. Die bzw. der DNI bekommt nach Sec. 102A (2) (b) National Security Act für diese Aufsicht Zugang zu allen nachrichtendienstlichen Tätigkeiten aller staatlichen US-Behörden. Die bzw. der DNI kann allerdings, sollte sie bzw. er feststellen, dass Rechtsverstöße stattgefunden haben, die aber in Einklang mit der Durchführung der Zielvorgaben stehen, diese nicht sofort unterbinden lassen. Der DNI kann einzig Auffälligkeiten und Verstöße der nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Präsidentin bzw. dem Präsidenten melden.977 Hierfür muss sie bzw. er jährlich einen Report an die Präsidentin bzw. den Präsidenten sowie an den Kongress übersenden.978 Darüber hinaus muss die bzw. der DNI zusammen mit der Justizministerin bzw. dem Justizminister sog. „minimization procedures“ zum Schutz der USBürgerinnen und US-Bürger erstellen und diese zur weiteren Kontrolle an den FISC übermitteln.979 Diese bedürfen allerdings zuvor der Genehmigung des Weißen Hauses.

and Congressional Oversight of the Intelligence Community, in: Kan. J. L. & Pol. 2011, Vol. 20, S. 452 (474). 976  Sec. 102A (f) (4) National Security Act. Das Office der bzw. des DNI hat sich zudem selbst verschrieben, die Verfassung zu schützen und sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Siehe dafür ODNI, Mission, Vision and Values, verfügbar unter: https://www.dni.gov/files/documents/033681_ODNI_Missions-Visions-Values_Card. pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Siehe auch Kramer, The Director of National Intelligence and Congressional Oversight of the Intelligence Community, in: Kan. J. L. & Pol. 2011, Vol. 20, S. 452 (462 ff.). 977  Sec. 102A (c) (7), (b) National Security Act. 978  Sec. 102A (g) National Security Act. 979  Siehe 50 U.S.C. § 1881a (e) [Sec. 702 FISA], 50 U.S.C. § 1802 (a) (1) (C) i. V. m. 50 U.S.C. 1801 (h) [Sec. 102 i. V. m. Sec. 101 FISA]. Diese dienen dazu, die Anzahl der Überwachungen, die nicht den Kommunikationsinhalt adressieren, und die Weitergabe von personenbezogenen Daten zumindest für US-Bürgerinnen und US-Bürger zu limitieren. Diese minimization procedures sind dem House Permanent Select Committee on Intelligence und dem Senate Select Committee on Intelligence vorzulegen. Siehe generell dazu DNI, Minimization Procedures Used by the NSA in Connection with Acquisitions of Foreign Intelligence Information Pursuant to Section 702 FISA, verfügbar unter: http://www.dni.gov/files/documents/Minimization %20Procedures%20used%20by %20NSA%20in%20Connection%20with%20FISA %20SECT%20702.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ferner Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S.  671 (689 ff.).

500

D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Die Stelle wird neben dem Office of the Director of National Intelligence zusätzlich von der bzw. dem Civil Liberties Protection Officer (CLPO) unterstützt, welche das Vorgehen der Dienste und die Zielvorgaben auf die Vereinbarkeit mit der Verfassung hin überprüfen, um im Anschluss hierüber der bzw. dem DNI Bericht zu erstatten.980 Die bzw. der CLPO dient nach Sec. 103D (a) (3) National Security Act darüber hinaus als interne Beschwerdestelle. Die Hauptaufgaben und -befugnisse der bzw. des DNI liegen mithin überwiegend im Koordinierungsbereich der Nachrichtendienste, in der Beratung der Präsidentin bzw. des Präsidenten beim Erstellen von Zielvorgaben für die nachrichtendienstliche Arbeit, bei deren Einhaltung und Aufklärung über neuere nachrichtendienstliche Erkenntnisse.981 Die andere Stelle der bzw. des D-CIA ist der bzw. dem DNI nachgeordnet.982 Wohingegen die bzw. der DNI die Aufsicht aller Nachrichtendienste übernimmt, ist die bzw. der D-CIA Direktorin bzw. Direktor der CIA, dem US-amerikanischen Auslandsnachrichtendienst, und wird ebenfalls von der Präsidentin bzw. vom Präsidenten in Übereinstimmung mit dem Senat ernannt.983 Diese Stelle übernimmt zwar die interne Aufsicht der CIA, beschneidet jedoch nicht die Kontrollrechte der bzw. des DNI, sondern soll diese bzw. diesen nach Sec. 104, 104A National Security Act bei der Ausübung der Kontrolle unterstützen. Die bzw. der D-CIA ist mithin ein weiteres Berichtsorgan für die bzw. den DNI.984 Folglich ist sie bzw. er – ähnlich wie die Präsidentin bzw. der Präsident des BND – nur für die Informationsgewinnung der auslandsnachrichtendienstlichen Zielvorgaben sowie zur Be-

980  Vgl. Sec. 103D National Security Act. Komplettiert wird diese Aufsicht von dem National Intelligence Council, der die Arbeit der Dienste aber eher nach Effektivitätsgesichtspunkten kontrolliert. Vgl. Sec. 103B National Security Act. Siehe hierzu auch Kjom, Change and Continuity: The National Intelligence Council (2009– 2014), in: Studies in Intelligence 2015, Vol. 59, S. 1 (1 ff.). Daneben existieren mit dem General Council (Sec. 103C), dem Director of Science and Technology (Sec. 103E), dem National Counterintelligence Executive (Sec. 103F), dem Chief Information Officer (Sec. 103G), dem Inspector General of the Intelligence Community (Sec. 103H) und dem Chief Financial Officer of the Intelligence Community (Sec. 103I) noch eine Vielzahl weiterer Gremien, die zur Unterstützung des DNI berufen sind. 981  So auch McConnell, Overhauling Intelligence, in: Foreign Aff. 2007, Vol. 86, S. 49 (51). 982  Sec. 102 (c) National Security Act. Die bzw. der D-CIA darf nicht auch Direktorin bzw. Direktor der CIA sein. 983  Sec. 104A (a) National Security Act. 984  Sec. 104A (a), (b) National Security Act.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 501

richterstattung hierüber zuständig und übernimmt weitestgehend Koordinierungsaufgaben als Abteilungsleitungsstelle.985 ee) Privacy and Civil Liberties Oversight Board Durch den Intelligence Reform and Terrorism Prevention Act 2007 ist das Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB) entstanden, das aus fünf Personen besteht, welche von der Präsidentin bzw. vom Präsidenten der USA ernannt werden.986 Auch dieses Gremium berät die Präsidentin bzw. den Präsidenten sowie alle anderen Leiterinnen bzw. Leiter der einzelnen Nachrichtendienste.987 Es übt – vergleichbar der bzw. dem deutschen BfDI – eine Rechtmäßigkeitskontrolle anhand von Gesetzesimplementierungen und auslandsnachrichtendienstlicher Praxis aus, um im Anschluss daran Vorschläge zum verbesserten Schutz der Civil and Liberty Rights zu unterbreiten.988 Dies soll den Schutz individueller Rechte durch eine regelmäßige Kontrolle fördern.989 Im Jahre 2013 führte das dazu, dass die PCLOB umfassend die Sec. 702 FISA mit dem Fokus auf Änderungen zur Stärkung der Privacy and Civil Liberties untersuchte und ein Jahr später einen ersten Bericht mit Änderungsvorschlägen veröffentlichte.990 Einzelne dieser Empfehlungen, z. B. die Verbesserungen in Bezug auf den FISC sowie mehr Transparenz der nachrichtendienstlichen Arbeit, wurden im USA FREEDOM Act implementiert.991 Ihnen stehen – wie der bzw. dem DNI – umfangreiche Erforschungs- und Ermittlungsrechte zur Verfügung, die Vernehmungsrechte von allen Mitarbei985  Siehe auch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 46, welche jedoch die vagen Berichte kritisieren und zumindest gewisse Mindestanforderungen für notwendig erachten. 986  42 U.S.C. § 2000ee (h) (1), (d). 987  42 U.S.C. § 2000ee (d) (1). 988  42 U.S.C. § 2000ee (d) (1). Vgl. u. a. Privacy & Civil Liberties Oversight Board, Report on the Surveillance Program Operated Pursuant to Section 702 of the Foreign Intelligence Surveillance Act, 2014. Siehe auch Brand, What Does Effective Intelligence Oversight Look Like?, in: Lawfare vom 03.05.2016. 989  Sec. 1061 (c) (2) National Security Act. 990  Vgl. PCLOB, Report on the Surveillance Program Operated Pursuant to Section 702 FISA, verfügbar unter: https://www.pclob.gov/library/702-Report.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Vgl auch Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (686). 991  PCLOB, Fact Sheet: PCLOB Recommendations Implemented by the Government, 2016, verfügbar unter: https://www.pclob.gov/library/Recommendations_ Assess­ment_FactSheet_20160205.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ferner Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (686).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

terinnen bzw. Mitarbeitern der Dienste und umfassende Informationsübermittlungsauskünfte – selbst von parlamentarischen Stellen – beinhalten.992 Wird die PCLOB an der Informationsgewinnung gehindert oder diese versagt, darf diese den Attorney General anrufen, welche bzw. welcher dann über die Behinderung oder Versagung entscheidet.993 Echte Weisungsbefugnisse oder Durchsetzungsmechanismen fehlen der PCLOB hingegen.994 Dennoch besteht die Möglichkeit die Ergebnisse ihrer Untersuchungen jährlich dem Kongress vorzulegen und Empfehlungen zur Verbesserung der Kontrolle oder der nachrichtendienstlichen Tätigkeit anzuregen.995 ff) Zwischenergebnis Trotz der Vielzahl an Gremien, die teilweise eigene Kontrollbefugnisse innehaben, hat die Präsidentin bzw. der Präsident die Letztentscheidungsbefugnis hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten.996 Alle anderen benannten Stellen dienen lediglich der Beratung und können nur unverbindliche Empfehlungen geben.997 Die jahrelange Praxis hat jedoch gezeigt, dass diese präsidiale Kontrolle in einem gewaltengeteilten System nicht ausreicht, da die vergangenen Präsidenten überwiegend „consumer-in-chief of intelligence“ anstatt „oversight institution of intelligence“ waren.

992  42

U.S.C. § 2000ee (g). Siehe ferner Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 44, welche aber beschreibt, dass in der NSA-Affäre dem PCLOB lediglich Informationen übergeben wurden, die bereits öffentlich bekannt waren. 994  Kritisch dazu O’Connell, The Architecture of Smart Intelligence, in: Calif. L. Rev. 2006, Vol. 94, S. 1655 (1666). 995  Vgl. 42 U.S.C. § 2000ee (f). Siehe u. a. PCLOB, Report on the Surveillance Program Operated Pursuant to Section 702 FISA vom 02.07.2014, verfügbar unter: https://www.justsecurity.org/wp-content/uploads/2014/07/PCLOB-Section-702Report-PRE-RELEASE.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Kritisch hierzu Granick, Did PCLOB Answer My Eight Questions About Section 702?, in: Just Security vom 02.07.2014. 996  Ähnlich im Bereich der Videoüberwachung: Whitman, The Two Western Cultures of Privacy, in: Yale L. J. 2004, Vol. 113, S. 1151 (1151 ff.), welcher die Rechtmäßigkeitsprüfung lediglich bei der Exekutive sieht. 997  Dies kritisch sehend Russel, A Weak Pillar for American National Security, in: Intelligence & Nat. Sec. 2005, Vol. 20, S. 466 (468); Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (655 f.). Ebenfalls kritisiert Dominic Hörauf die Regelung zur vermeintlichen Unabhängigkeit zur Regierung, obwohl die bzw. der DNI nachgeordnetes Organ der Präsidentin bzw. des Präsidenten ist. Ders., Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 325. Vgl. auch Sec.102 (a) (3) National Security Act. 993  Ebd.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 503

c) Parlamentarische Kontrolle Vor dem FISA existierte lange Zeit keine effektive und umfassende parlamentarische Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste. Im Jahre 1961 wurde zwar mit dem Foreign Assistance Act eine parlamentarische Kontrolleinrichtung bestehend aus einzelnen Abgeordneten des Armed Service und des Appropriations Comittee geschaffen, die jedoch lediglich für Haushaltsfragen zuständig war.998 Mit der Einführung des Hughes Ryan Act of 1974 wurde der damalige Präsident verpflichtet, regelmäßig über Auslandsaktivitäten dem Verteidigungs-, Haushaltsausschusses und dem Ausschuss für Äußere Angelegenheiten Bericht zu erstatten.999 Doch erst die Watergate-Affäre sollte zur Einführung parlamentarischer Kontrollgremien für die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit in beiden Parlamentshäusern führen, da das Church- und Pike-Committee1000 entscheidend zur Aufklärung des Überwachungsskandals beigetragen haben.1001 Aus letzteren erwuchsen daraufhin 1976 und 1977 als reguläre und auch heute noch bestehenden Kontrolleinheiten das Select Committee on Intelligence of the Senate (SCIS) und das Permanent Select Committee on Intelligence of the House of Representatives (PSCIHR). Diese Kontrolle wurde vom Kongress mit der Schaffung des

998  Vgl. dafür auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 297. 999  So Klein, Art 45d, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 19; Johnson, USA, in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz, 2007, S.  173 (173 ff.). 1000  Vgl. Koh, The National Security Constitution, 1990, S. 125 ff.; Goldsmith, Power and Constraint, 2012, S. Xiii; Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 15; Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (636); Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (823). Ferner Congress, Report No. 95-498 vom 14.07.1977, H. Res. 658. Neben der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle sind die Ausschüsse zur Kontrolle weiterer 14 Institutionen – worunter auch die militärische nachrichtendienstliche Aufklärung fällt – berufen. Vgl. US Senate, Rules of Procedure of the Select Committee on Intelligence, Rule 4; Appendix A, S. Res. 400 (1976), Sec. 17; US House of Representatives Rules of Procedure for the Permanent Select Committee on Intelligence, Rule 5. Siehe ferner Rule XLVIII, Sec. 2 Resolution to amend the Rules of the House of Representatives and establish a Permanent Select Committee on Intelligence, H. Res. 658. 1001  In dem finalen Church Committee Report wurden nicht nur die Überwachungen politischer Gegner, sondern auch jene von einer Vielzahl von US-Bürgerinnen und US-Bürgern bekannt. Vgl. Senate Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, 1975–76 (Church Committee), Final Report, REP. No. 94-755, 1976, S. 5. Ferner Klein, Art 45d, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 19.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

FISA abgerundet, um die Befugnisse der Dienste der nachrichtendienstlichen Tätigkeit einzudämmen und deren Kontrolle zu stärken.1002 Die geschaffenen Ausschüsse sollten fortan die auslandsnachrichtendienstlichen Aktivitäten der Regierung überwachen, damit diese im Einklang mit der US-Verfassung und den nationalen Gesetzen durchgeführt werden, und hierüber kontinuierlich Berichte gegenüber dem Senat und dem Repräsentantenhaus abgeben.1003 In Folge dieser Tätigkeit sind die Ausschüsse auch berufen, Vorschläge für Gesetzesänderungen zu unterbreiten, sofern Missstände oder illegitime Praktiken zu Tage gefördert wurden.1004 Die Präsidentin bzw. der Präsident hat dafür Sorge zu tragen, dass die parlamentarischen Gremien „umfassend und unverzüglich“ über aktuelle Entwicklungen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit informiert und über relevante Missstände aufgeklärt werden.1005 Dabei unterliegen auch Verschlusssachen der umfassenden Kontrolle der beiden Ausschüsse.1006 Zudem haben die Ausschüsse einen umfas1002  Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (525). 1003  US Senate, Rules of Procedure of the Select Committee on Intelligence, Rule 4; US House of Representatives Rules of Procedure for the Permanent Select Committee on Intelligence, Rule 5. Siehe ferner Rule XLVIII, Sec. 3 Resolution to amend the Rules of the House of Representatives and establish a Permanent Select Committee on Intelligence, H. Res. 658. Anders Dominic Hörauf, welcher schreibt, dass ausschließlich die CIA und – der bzw. die damals noch existierende – DCI kontrolliert werden würden. Ders., Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 298. 1004  Zwar haben alle ordentlichen Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses vollen Zugang zu auslandsnachrichtendienstlichen Bewertungen und Informationen, aber nur die Mitglieder der Intelligence Committees bekommen Informationen über nachrichtendienstliche Quellen, Methoden, Programme und das Budget. Vgl. Resolution To establisb a. Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress, Sec. 4; Rule XLVIII, Sec. 3 Resolution to amend the Rules of the House of Representatives and establish a Permanent Select Committee on Intelligence, H. Res. 658. Ferner Klein, Art 45d, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 19, welcher beschreibt, dass aber als „Sanktionsmittel“ auch Budgetkürzungen vorgenommen werden können, die dann wiederrum vom gesamten Parlament genehmigt werden müssen. 1005  Generell dazu Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91 S. 1191 (1235 f.); Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 249 ff. Siehe auch Resolution To establisb a. Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress, Sec. 4; Rule XLVIII, Sec. 3 Resolution to amend the Rules of the House of Representatives and establish a Permanent Select Committee on Intelligence, H. Res. 658. Sollte der bzw. dem Director of National Intelligence außerdem verboten werden, Untersuchungen oder Kontrollmaßnahmen durchzuführen, sind hiervon beide parlamentarischen Kontrollgremien spätestens sieben Tage danach angemessen zu informieren. 1006  Siehe 50 U.S.C. § 1808 (a) (1) [Sec. 108 FISA].



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 505

senden Anspruch auf eine „Vorab-Kontrolle“. So ist die bzw. der Attorney General verpflichtet, über die Einhaltung der minimization procedures, welche auslandsnachrichtendienstliche Überwachungen von US-Bürgerinnen und US-Bürgern auf ein absolutes Mindestmaß beschränken sollen, den Ausschüssen 30 Tage vor deren Inkrafttreten zu berichten.1007 Diese Berichte sollen halbjährlich und umfassend an diese Gremien übermittelt werden. Jeder Bericht muss die absolute Zahl der Anordnungen für Überwachungsmaßnahmen sowie deren Verlängerungen bzw. Ausweitungen von genehmigten Maßnahmen beinhalten, in welchen strafrechtlichen Verfahren diese Informationen verwendet wurden, Anordnungen bei Gefahr in Verzug und deren absolute Zahl von Versagung oder Genehmigung solcher Anordnungen sowie die absolute Zahl von Beschäftigten hierfür.1008 Zusätzlich berichtet regel­ mäßig der Inspector General of the Intelligence Community nach Sec. 103H (b) (4) National Security Act den beiden Kontrollausschüssen über selbige Themenbereiche in seinem Aufgabengebiet.1009 Die parlamentarischen Kontrollorgane können jedoch auch selbst Informationen erheben oder sich an das Government Accountability Office für weitere Informationen zu auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten wenden.1010 Zur eigenen Erhebung der Information dürfen das SCIS sowie das PSCIHR Zwangsmaßnahmen erlassen, die allerdings einen Mehrheitsbeschluss des jeweiligen Gremiums erfordern.1011 In diesen Fällen der Informationsbeschaffung oder Unterrichtungspflicht gilt für die Exekutive, dass sie beiden Kontrollausschüssen grundsätzlich alle Informationen zur Verfügung stellen muss.1012 Ausnahmsweise kann die Präsidentin bzw. der Präsident die Preisgabe streng geheimer Verschlusssachen dem Plenum der Ausschüsse aus 1007  Vgl. 50 U.S.C. § 1802 (a) (2) i. V. m. § 1808 (a) [Sec. 102 i. V. m. Sec. 108 FISA]. Siehe auch Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 137 f. 1008  50 U.S.C. § 1808 (a) (2) [Sec. 108 FISA]. 1009  Beide Gremien erhalten die gleichen Informationen von den Diensten und – wie Dominic Hörauf beschreibt – diese „ex ante“ und „in schriftlicher Form“. Er bezieht sich dabei auf den Intelligence Authorization Act of 1991. Ders., Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 299. 1010  O’Connell, The Architecture of Smart Intelligence, in: Calif. L. Rev. 2006, Vol. 94, S. 1655 (1663). 1011  Grossman/Simon, And Congress Shall Know the Truth, in: Harv. L. & Pol. Rev. 2008, Vol. 2, S. 435 (440). 1012  Vgl. 50 U.S.C. § 1807 (b) [Sec. 107 FISA]. Intern sind zudem selbstauferlegte Geheimhaltungsvorschriften in beiden Gremien vorgesehen, um die Funktionalität der Dienste nicht zu stark einzuschränken. Siehe US Senate, Rules of Procedure of the Select Committee on Intelligence, Appendix C, Rule 26.5 (B) of the Standing Rules of the Senate (Referred to in Committee Rule 2.1); US House Of Representatives Rules of Procedure for the Permanent Select Committee on Intelligence, Rule 4, 11, 12, 13. Siehe ferner Klein, Art 45d, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 19.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Gründen der nationalen Sicherheit verweigern, muss aber zumindest die Vorsitzenden beider Gremien über die verdeckten Operationen aufklären, die den restlichen Ausschussmitgliedern dann eine „general description“ weitergeben dürfen.1013 Im Streitfall über Informationsverweigerungsrechte können die Gremien diese gerichtlich überprüfen lassen oder als Sanktionsmechanismus öffentliche Anhörungen zu einem Themenkomplex einberufen.1014 Beiden Kontrollausschüssen ist gleich, dass sie – im Unterschied zu den quasi-gerichtlichen Kontrollen des noch folgenden FISC – fast ausschließlich eine repressive Kontrolle der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten übernehmen.1015 Diese wird – ähnlich wie in Deutschland – anhand von Untersuchungen und Berichten ausgeübt.1016 Sie haben darüber hinaus das Budgetrecht inne und wirken bei der Neuschaffung der auslandsnachrichtendienstlichen Gesetze mit.1017 Die Zuständigkeiten anderer Gremien – wie beispielsweise des Verteidigungsausschusses oder potenzieller Untersuchungs­ ausschüsse – bleiben unberührt.1018 Trotz der vielen gemeinsamen Aufgaben des SCIS und des PSCIHR haben sie dennoch teilweise andere Befugnisse und setzen sich unterschiedlich zusammen. aa) Select Committee on Intelligence of the Senate Das SCIS besteht aus 15 Senatorinnen und Senatoren, von denen acht auf Vorschlag der Mehrheits- und sieben auf Vorschlag der Minderheitsführerin bzw. des Minderheitsführers im Senat vom President pro tempore des US Senats ernannt werden.1019 Die Mitglieder des SCIS müssen dabei zwingend aus jeweils zwei Mitgliedern des Ausschusses für Auswärtiges, des Haus1013  Vgl. Resolution To establish a Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress, Sec. 3. 1014  Siehe Klein, Art 45d, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 19. 1015  So Lester, When Should State Secrets Stay Secret?, 2015, S. 104, 174 ff. Ihnen steht jedoch ansatzweise ein Anspruch auf „Vorab-Kontrolle“ zu. 1016  Siehe dazu bereits Abschnitt D.I.2.a). 1017  Siehe für 2018 und 2019 den Matthew Young Pollard Intelligence Authorization Act for Fiscal Years 2018 and 2019, H.R. 6237. Ferner Ford, Intelligence Demands in a Democratic State, in: Tul. L. Rev. 2007, Vol. 81, S. 721 (767). Außerdem sieht Sec. 102a (e) (B) National Security Act vor, dass jeder Transfer von Personal den beiden Ausschüssen gemeldet werden muss. 1018  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 301. 1019  Resolution To establish a Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress, S. 2 f.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 507

halts‑, Verteidigungs- und Rechtsausschusses bestehen.1020 Die bzw. der Mehrheits- und die Oppositionsführerin bzw. der Oppositionsführer sind verpflichtend Teil des Ausschusses, haben aber als Ex-offcio-Mitglieder kein Stimmrecht.1021 Die Mitglieder dürfen das Amt maximal acht Jahre ausüben.1022 Der Chairman wird von der Mehrheit im Senat gewählt; die Minderheit im Senat wählt den Vice-Chairman.1023 Zudem sind im SCIS nicht die Mehrheitsverhältnisse des Senats abgebildet, sondern hat die Senatsmehrheit lediglich eine Stimme mehr. Das SCIS hat vierteljährlich eine Berichtspflicht gegenüber dem Senat über die Art und den Umfang nachrichtendienstlicher Aktivitäten.1024 Es berichtet dabei über die Finanzierung der Nachrichtendienste und macht dem Senat Gesetzesvorschläge, die die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit beschränken oder erweitern.1025 Bezogen auf letzteres kommt dem SCIS auch die Aufgabe zu, regelmäßig bestehende Gesetzesgrundlagen zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge zum verbesserten Schutz der U ­ S-Bürgerinnen und US-Bürger zu unterbreiten. Der Ausschuss darf darüber hinaus nach Rule 4.2 der Rules of Procedure anlassbezogen eigenmächtig – ohne VetoMöglichkeit der Präsidentin bzw. des Präsidenten – weitere Berichte veröffentlichen, wenn sich eine absolute Mehrheit im SCIS findet.1026 Es ist nach Rule 4.3 der Rules of Procedure ebenso möglich, sofern keine einstimmige Entscheidung getroffen werden konnte, dass jedes Mitglied des SCIS eine abweichende Meinung verfassen kann, sofern die Mehrheit für die Veröffentlichungen des Berichts stimmt und dieser vorab auf potenzielle Preisgabe sensibler Informationen geprüft wird.1027 Jährlich erhält der SCIS zudem einen Bericht der Direktorinnen bzw. Direktoren der einzelnen Nachrichtendienste über die jeweiligen Aktivitäten und solche Maßnahmen von ausländischen 1020  Resolution To establish a Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress, S. 2 f. Diese Maßnahme solle der Vernetzung der Ausschüsse untereinander dienen. So Rosenbach/Peritz, Congression­al Oversight of the Intelligence Community, 2009, S. 19. 1021  Resolution To establish a Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress, S. 3. 1022  Ebd., S.  3 f. 1023  Ebd., S. 4. 1024  Ebd., Sec. 4 (a), S. 2. Kritisch hierzu Klein, Art. 45d, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 19. 1025  Ebd., S. 2. 1026  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 303. Siehe auch zu Berichten über das NSA-Programm Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 71 f. 1027  Siehe hierzu Rules of Procedure for the Select Committee on Intelligence, US Senate (1976). Diese erlauben ein Sondervotum jedoch nur, wenn dem Bericht zunächst zugestimmt wurde und der Clerk of the Committee den Bericht geprüft hat.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Nachrichtendiensten, die gegen die USA gerichtet waren.1028 Hiervon erhält die Öffentlichkeit in einer „unclassified version“ Kenntnis. Für seine Kontrolltätigkeit kommt das SCIS zweimal wöchentlich für bis zu zwei Stunden in nichtöffentlicher Sitzung zusammen, um von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Intelligence Community informiert zu werden und denen die Senatorinnen bzw. Senatoren Frage und Antwort stehen müssen.1029 Um an die Kontrollinformationen zu kommen, kann der Ausschuss neben den regelmäßigen Informationsbesuchen auch eigene Routinebesuche bis hin zu formalen Untersuchungen bei den Diensten durchführen.1030 Ebenfalls sorgt der große Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterstab dafür, dass sogar eine tägliche Überprüfung der vorgenommenen auslandsnachrichtendienst­ lichen Tätigkeiten durchgeführt werden kann.1031 Hierfür sind Unterabteilung eingerichtet, die für Langzeitüberwachungsprojekte – wie das Committee’s Audit and Oversight Staff – oder spezielle Kontrolle der einzelnen auslandsnachrichtendienstlichen Behörden zuständig sind.1032 bb) Permanent Select Committee on Intelligence of the House of Representatives Das PSCIHR besteht aus 22 Abgeordneten und bildet die Mehrheitsverhältnisse des House of Representatives ab.1033 Die Mitglieder werden von den Fraktionsvorsitzenden bestimmt und dürfen maximal sechs Legislatur­ perioden im Amt tätig sein.1034 Auch im PSCIHR ist es verpflichtend, dass je 1028  Sec. 4 (b) Resolution To establish a Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress (1976), S. 2. 1029  Internetpräsenz des SCIS, Overview of the Senate Select Committee on Intelligence Responsibilities and Activities, verfügbar unter: https://www.intelligence. senate.gov/about (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1030  Vgl. Rule 6 Rules of Procedure sowie Sec. 5 Resolution To establish a Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress (1976), S. 9. Siehe ferner Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 112, welche dies für die illegalen Handlungen der CIA hinsichtlich des „detention and interogation program“ umschreibt. 1031  Vgl. Internetpräsenz des SCIS, Overview of the Senate Select Committee on Intelligence Responsibilities and Activities, verfügbar unter: https://www.intelligence. senate.gov/about (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Siehe ferner Rule 10 Rules of Procedures. 1032  Siehe Rule 3 Rules of Procedures. Vgl. ferner Klein, Art 45d GG, in: Maunz/ Dürig, 83. EL 2018, Rn. 19. 1033  Vgl. dafür die Internetpräsenz des PSCIHR, verfügbar unter: https:// intelligence.house.gov/about/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1034  Rule XLVIII, Sec. 1. (c), Resolution to amend the Rules of the House of R­epresentatives and establish a Permanent Select Committee on Intelligence, H. Res.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 509

eine Abgeordnete bzw. ein Abgeordneter aus dem Ausschuss für Auswärtiges, Haushalts-, Verteidigungs- und Rechtsausschuss vertreten ist, um die ebenfalls betroffenen Ausschüsse zu vernetzen.1035 Das PSCIHR tritt einmal im Monat zusammen.1036 Die Aufgabe des PSCIHR – entgegen dem SCIS – ist, auch taktische Geheimdiensttätigkeit zu überprüfen und somit auch Quellen und Methoden der Auslandsnachrichtendienste zu überwachen.1037 Es hat ebenfalls die bereits beim SCIS benannten Berichtspflichten gegenüber dem Kongress.1038 Der Ausschuss des Repräsentantenhauses darf Kontrollinformationen veröffent­ lichen, wenn dies im öffentlichen Interesse steht und die Mehrheit des Ausschusses hiermit einverstanden ist. Die Präsidentin bzw. der Präsident besitzt jedoch ein Veto-Recht.1039 Auch ist das PSCIHR zuständig für die Verlängerungen von Amendments des FISA, was zuletzt 2018 durch den FISA Amendments Reauthorization Act of 2017 in Bezug auf die derzeitig bestehende Sec. 702 FISA vorgenommen wurde, deren Geltung sich um weitere sechs Jahre verlängerte.1040 d) Die Kontrolle durch den Foreign Intelligence Surveillance Court Um die Befugnisse der Auslandsnachrichtendienste zu limitieren und die Anordnungen der Regierung über auslandsnachrichtendienstliche Überwachungen, die innerhalb der USA stattfinden, vorab extern kontrollieren zu können, schuf der Kongress 1978 den FISA.1041 Auf dessen Grundlage wurde 658. Vgl. auch Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 302, der jedoch von sechs Jahren ausgeht. 1035  Vgl. Rule XLVIII, Sec. 1. (a), Resolution to amend the Rules of the House of Representatives and establish a Permanent Select Committee on Intelligence, H. Res. 658. Ferner dazu Rosenbach/Peritz, Congressional Oversight of the Intelligence Community, 2009, S. 19. 1036  Rule 1 Rules of Procedure for the Permanent Select Committee on Intelligence United States House of Representatives 116th Congress (2019). 1037  So Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 302 unter Verweis auf House Rule 3 (1), hinzugefügt mit der House Resolution 5 vom 03.01.2001. 1038  Vgl. Rule XLVIII, Sec. 3., Resolution to amend the Rules of the House of Representatives and establish a Permanent Select Committee on Intelligence, H. Res. 658. 1039  Ebd., Sec. 7. 1040  Vgl. FISA Amendments Reauthorization Act of 2017. 1041  Senate Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, 1975–76 (Church Committee), S. Res. 21, 94th Cong. (1975– 76). Ferner Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 9 ff.; Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J.

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dort ein unabhängiges Gericht i.  S.  d. Art. III der Verfassung der USA verankert,1042 welches diese Kontrollaufgaben übernehmen und den Schutz des „Right to privacy“ stärken sollte – der FISC.1043 Neben dem FISC wurde als eine Art Berufungsinstanz der Foreign Intelligence Court of Review (FISCR) geschaffen.1044 Der FISC bestand zunächst aus sieben und setzt sich mittlerweile gem. Sec. 103 (a) (1), (d) FISA aus elf Richterinnen und Richtern aus verschiedenen Gerichtsbezirken zusammen. Die Mitglieder des FISC werden alle vom Chief Justice des US Supreme Court gestaffelt für sieben Jahre benannt,1045 ohne dass der Kongress zustimmen muss.1046 2016, Vol. 91, S. 1191 (1192); Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (520); Mayer, 9-11 and the Secret FISA Court, in: Case W. Res. J. Int. L. 2002, Vol. 34, S. 249 (249 f.). 1042  Der Kongress hat über Art. III der Verfassung die Möglichkeit zusätzliche Gerichte zu der bestehenden Gerichtsbarkeit einzurichten. Siehe auch Art. II, § i der Verfassung der USA. Ferner US District Court of the Southern District of New York, ACLU v. Clapper, 959 F. Supp. 2d 724 (2013), S. 731; Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Washington & Lee Law Review 2015, Vol. 72, S. 1161 (1177 ff.). A. A. zur Verfassungsmäßigkeit des FISC: US District Court of the District of Colorado, U.S. v. Muhtorov, 187 F. Supp. 3d 1240 (2015) S. 1250 ff., welches zwar nicht in der Sache entscheidet, aber zumindest Argumente vorbringt, dass der FISC in Konflikt zu Art. III der US Verfassung stehe. 1043  Senate Committee on the Judiciary, An Act to authorize Electronic Surveillance to Obtain Foreign Intelligence Information (Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978), S. REP. No. 95-604, Pt. 1, S. 7 (1978); Final Report of the Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, S. Rep. No. 94-755 (1976), S. 292. Siehe hierzu auch Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1164 ff.); Champion, The Revamped FISA, in: Vand. L. Rev. 2005, Vol. 58, S. 1671 (1681); Mayer, 9–11 and the Secret FISA Court, in: Case W. Res. J. Int. L. 2002, Vol. 34, S. 249 (249 f.); Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1053). 1044  Der FISCR besteht aus drei Circuit Court Judges. Berufungsverfahren sind in der Praxis die Ausnahme, da sie nur von der Regierung eingelegt werden können. Der FISCR tagte erstmals 2002 im Fall FISCR, In re Sealed Case, 310 F.3d 717 (2002). Es ist kein Berufungsverfahren bekannt, dass die Entscheidung der Vorinstanz des FISC nicht aufrechterhalten hat. So Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1203 f.); Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1166). 1045  Vgl. 50 U.S.C. § 1803 (a) (1), (d) [Sec. 103 FISA]. Hiervon müssen allerdings mindestens drei Richterinnen und Richter benannt werden, die ihren ständigen Wohnsitz nicht weiter als 20 Meilen entfernt außerhalb des Districts of Columbia haben. 50 U.S.C. § 1803 (e) (1) [Sec. 103 FISA]. Ferner Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (521 f.). 1046  Fahrenthold, With NSA revelations, Sen. Ron Wyden’s vague privacy warn­ ings finally become clear, in: Washington Post vom 28.07.2013.



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Der FISC hat seinen ständigen Sitz im District of Columbia und die Richterinnen und Richter werden bei ihrer Tätigkeit zudem von mehreren Legal Counsel unterstützt, welche Vollzeit für den FISC tätig und vom Department of Justice angestellt sind.1047 Die Besetzung des FISCR nach Sec. 103 (b), (d) FISA übernimmt ebenso die bzw. der Chief Justice, obgleich die drei Mitglieder entweder für drei, fünf oder sieben Jahre benannt werden.1048 aa) Entwicklung der kompetenziellen Kontrolle – Gatekeeper of Civil Liberties Der Ursprungsgedanke zur Schaffung des FISC war, dass Überwachungsmaßnahmen der Auslandsnachrichtendienste nicht mehr ohne gerichtliche Überprüfung durchgeführt werden sollten, um den Schutz der Civil Liberties zu stärken,1049 und was im strafrechtlichen Bereich bei staatlichen Überwachungsmaßnahmen bereits generell existierte.1050 Der Kongress wollte jedoch primär überhaupt eine außerexekutive Kontrolle der Auslandsnachrichten1047  Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1166); Clarke, Ex Parte Proceedings and the FISC Win Rate, in: Stan. L. Rev. Online 2013/14, Vol. 66, S. 125 (127). 1048  Wer dem FISC und dem FISCR angehört, ist öffentlich zugänglich. Siehe Internetpräsenz des FISC und FISCR, verfügbar unter: http://www.fisc.uscourts.gov/ current-membership sowie http://www.fisc.uscourts.gov/fiscr_membership (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1049  Der damalige Senator Birch Bayh betonte bei der Neuschaffung des FISC, dass damit verhindert werden sollte, dass die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung ohne „court order“ stattfindet. Vgl. Statement von Senator Birch Bayh, dokumentiert in: Proceedings of Congress and General Congressional Publications, 124 CONG. REC. 10889-90 (1978). Eine solche ist aber auch nach 50 U.S.C. § 1802 (a) (1) [Sec. 102 FISA] immer noch nicht erforderlich, da der FISC nicht als ordentliches Gericht angesehen wird. Da die nationale Sicherheit der USA globalen Bedrohungen ausgesetzt sei und wenn bei jeder Maßnahme zur Bekämpfung dieser Bedrohung eine gerichtliche Anordnung notwendig wäre, würde dies zu ausufernden Ergebnissen führen. So Richter William Rehnquist und Anthony Kennedy in: US Supreme Court, United States v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 274 und S. 278. Im benannten Urteil stellte der Supreme Court fest, dass für staatliche Operationen im Ausland, ohne dass Staatsangehörige der USA involviert sind, keine gerichtlichen Anordnungen notwendig seien und dies nicht gegen das 4th Amendment verstoße. Vgl. ebd., S. 261. Siehe ferner Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S.  7 ff. 1050  In Bezug auf strafrechtliche Maßnahmen: US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967). In Bezug auf Sicherheitsmaßnahmen unter dem FISA generell: US Supreme Court, United States v. U.S. District Court, 407 U.S. 297 (1972); Mistretta v. United States, 488 U.S. 361 (1989), S. 386 ff. So auch Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (843 f.), welcher dies als Mindestanforderungen des 4th Amendment ausmachte.

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dienste schaffen, um vor allem dem Grundsatz der Separation of powers gerecht zu werden.1051 Fortan mussten daher die Exekutivstellen, die auslandsnachrichtendienstliche Überwachungen durchführen wollten, vorab eine Anordnung an die bzw. den Attorney General richten, welche bzw. welcher sich nach eigener Prüfung im Anschluss an den FISC zu wenden hat, der ebenfalls diese Anordnung anhand des FISA und der anwendbaren Gesetze zum Schutz der individuellen Freiheiten überprüft und letztlich – mit Hilfe von Modifizierungen oder Auflagen – genehmigen sollte.1052 Die Exekutive musste hierfür darlegen, wieso sie Überwachungsmaßnahmen anordnen will und dass deren Maßnahmen die notwendigen Informationen zu Tage fördern, die für die nationalen Sicherheitsbelange von Bedeutung sind.1053 Die aus der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung vermeintlich zu gewinnenden Informationen mussten einen „main“ bzw. „primary purpose“ aufzeigen. Die Maßnahmen durften nicht dazu dienen, nationale Überwachungsregelungen zu umgehen.1054 Die Anordnung mussten weiterhin beinhalten, dass es sich bei der Überwachung um einen ausländischen Staat oder um eine Person handelt, die für eine „fremde Macht“ tätig ist. Sollte diese Person jedoch US-Bürgerin bzw. US-Bürger sein, mussten sie beinhalten, dass die Person in ein (potenzielles) Verbrechen involviert ist sowie sog. „minimization procedures“, die die Erhebung, Speicherung und Weitergabe von nicht-öffentlich 1051  US Supreme Court, United States v. U.S. District Court, 407 U.S. 297 (1972), S. 317. Ferner Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (838); Sales, French Surveillance Law Compared to US Surveillance Law, Short Analysis of the New French Surveillance Laws for l’Ordre des avocats de Paris vom 15.07.2015. Siehe auch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 19, welche für die Zeit vor 2015 durch die zu stark beschnittenen Rechte des FISC eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes feststellten. 1052  Die Vorabprüfung seitens der Regierung wird von fünf Judicial branch lawyers übernommen, die Expertinnen und Experten im nationalen Sicherheitsrecht sind, die deren Erkenntnisse über die bzw. den Attorney General an den FISC übermitteln. Vgl. hierzu 50 U.S.C. § 1881a (c) (1), (g) [Sec. 702 FISA]. Ferner Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (523 f.); Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (842, 848). Der FISC soll vor allem die Privatsphäre und Meinungsfreiheit schützen. Hierunter fallen auch die Rechte von Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägern. St. Rspr. seit US Supreme Court, Upjohn Co. v. United States, 449 U.S. 383 (1981), S. 389. 1053  Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 18. 1054  Ebd., S. 23, 26 unter Verweis auf 50 U.S.C. §§ 1881a (b)(2), (d) (1) (A), (e) (1) [Sec. 702 FISA], 1801 (h) (1) [Sec. 101 FISA]. Ebenso Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (526).



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zugänglichen Daten von US-Bürgerinnen bzw. US-Bürger minimieren sollten, vorgesehen sind.1055 Anhand dieser Angaben sollte der FISC ursprünglich ex parte spezifische auslandsnachrichtendienstliche Handlungen gegenüber individuell Betroffenen anhand der gesetzlichen Vorgaben überprüfen – vergleichbar mit Überwachungs- oder Haftanordnungen in ordentlichen strafgerichtlichen Verfahren.1056 Die Genehmigung des FISC ist auch hier notwendige Voraussetzung für die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung.1057 Allerdings ist der FISC lediglich in Fällen der „one-end foreign communication“ anzurufen,1058 da eine Anordnung nur notwendig ist, wenn die zu überwachende Auslandskommunikation einen nationalen Anknüpfungspunkt hat.1059 Das ist bei nationalen oder internationalen Kommunikationen nur der Fall, sofern US-Bürgerinnen oder US-Bürger involviert sind oder die Kommunikation über Einrichtungen übertragen wird, die sich in den USA befinden.1060 Folglich galt die gerichtliche Anordnung nur für US-Amerikanerinnen bzw. US-Amerikaner außerhalb des Hoheitsgebietes der USA oder für Nicht-Amerikanerinnen bzw. Nicht-Amerikaner innerhalb des Staatsgebietes.1061 Der FISC kontrolliert nicht die reine Auslandsfernmeldekommunikation, welche ausschließlich 1055  Vgl. 50 U.S.C. § 1805 (a) (3) [Sec. 105 FISA]. Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1196). 1056  Vgl. dafür ausführlich Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1196). Siehe zudem für die Verfassungsmäßigkeit von Ex parte-Verfahren US Supreme Court, Morrison v. Olson, 487 U.S. 654 (1988) S. 675 f. Diese allerdings im Bereich des FISC kritisch sehend Clarke, Ex Parte Proceedings and the FISC Win Rate, in: Stan. L. Rev. Online 2013/14, Vol. 66, S. 125 (132 ff.). 1057  Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (848). Vgl. auch 50 U.S.C. § 1881a (c) (1), (g) [Sec. 702 FISA]. 1058  Vgl. § 50 U.S.C. § 1881a (a), (g) [Sec. 702 FISA]. Ebenfalls hat es keine Zuständigkeit im strafrechtlichen Sektor zum Erlass von Haftbefehlen oder im Bereich der Strafverfolgung und darf keine Fragen zur politischen Ausgestaltung der nationalen Sicherheit oder der Außenpolitik stellen, um nicht zu stark in den exekutiven Sektor einzugreifen. So Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (853). Ferner Sales, French Surveillance Law Compared to US Surveillance Law, Short Analysis of the New French Surveillance Laws for l’Ordre des avocats de Paris vom 15.07.2015, S. 2. 1059  50 U.S.C. § 1805 (a) (3) (A) [Sec. 105 FISA]. Ferner Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (842). 1060  Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (525); Fiss, Even in a Time of Terror, in: Yale L. & Pol. Rev. 2012, Vol. 31, S. 1 (4 f.) mit Verweis auf 50 U.S.C. § 1803 (a) [Sec. 103 FISA]. 1061  Vgl. § 50 U.S.C. § 1881a (a), (g) [Sec. 702 FISA]. Dazu Sales, French Surveillance Law Compared to US Surveillance Law, Short Analysis of the New French Surveillance Laws for l’Ordre des avocats de Paris vom 15.07.2015, S. 2.

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zwischen Nicht-US-Bürgerinnen und Nicht-US-Bürgern stattfindet.1062 Diese unterliegt – wie auch in den anderen Vergleichsstaaten – keiner unabhängigen Kontrolle, sondern wird abschließend über die Executive Order 12.333 geregelt, welche kaum Limitierungen vorsieht.1063 Das Senate Intelligence Committee stellte jedoch klar, dass der primäre Anlass der Überwachung – die ohne Kontrolle des FISC stattfindet – ausschließlich die Gewinnung aus­ landsnachrichtendienstlicher Erkenntnisse im Rahmen ihres Auftrages sein dürfe.1064 In der Praxis operiert der FISC – im Verhältnis zu anderen Art. III-Gerichten – allerdings vergleichbar atypisch, da dessen Verhandlungen geheim sind, die Öffentlichkeit keinen Zugang zu den Beschlüssen hat und in Exparte-Verfahren in der Regel lediglich eine Partei angehört wird: die Regierung.1065 Dafür befindet sich eine Richterin bzw. ein Richter jede Woche „in duty“, um die individuellen Überwachungsanordnungen der Regierung, von der es ausschließlich die Informationen bezieht, anhand des anwendbaren Rechts im speziellen Fall sowie die Einhaltung notwendiger Sicherungsmaßnahmen zu überprüfen.1066 Diese Kontrolle soll nach Sec. 103 (c) FISA so schnell wie möglich erfolgen, ohne dass bei schwierigen, komplexeren oder neuen Rechtsfragen die Möglichkeit besteht, eine Verlängerung der Frist zu beantragen. Der FISC kann allerdings, sollte das Quasi-Gericht eine Frage oder Erläuterung zu einer Anordnung benötigen, die Regierung zu einer Stellungnahme hierzu verpflichten1067 oder eine Anhörung einberu1062  Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 27; Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (853). 1063  Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 27. Zwar gibt es den Judicial Redress Act, welcher aber im nationalen Sicherheitsbereich nur eingeschränkt anwendbar ist. Näher dazu Abschnitt D.II.2.d)cc). 1064  Siehe dafür näher Pike, The Impact of a Knee-Jerk Reaction, in: Hofstra L. Rev. 2007, Vol. 36, S. 185 (201). 1065  US District Court of the Southern District of New York, ACLU v. Clapper, 959 F. Supp. 2d 724 (2013), S. 731. Siehe auch Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1177 ff.). Die Schaffung dieses „Geheimgerichtes“ sollte dadurch gerechtfertigt werden, weil es sich bei der sach­ lichen Zuständigkeit um besonders sensible Informationen der nationalen Sicherheit handelte. 1066  Clarke, Ex Parte Proceedings and the FISC Win Rate, in: Stan. L. Rev. Online 2013/14, Vol. 66, S. 125 (127); Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1193, 1208); Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (535); Brief von Reggie Walton, Richter des FISC, an Patrick Leahy, Chairman des Senate Committee on the Judiciary vom 29.07.2013, S. 1 f. 1067  Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1208).



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fen.1068 Im Anschluss daran kann die Richterin bzw. der Richter des FISC im Rahmen dieser „Vorab-Kontrolle“ die Anordnungen zu individuellen Überwachungsmaßnahmen genehmigen, sie modifizieren, Auflagen erteilen, diese wegen weiteren Klärungsbedarfs zurückstellen oder abweisen – wobei letzteres in der langen Geschichte des FISC kaum vorkam.1069 Sollte der FISC eine Anordnung doch abweisen, besteht für die Executive Branch die Möglichkeit, die Ablehnung von der Berufungsinstanz des FISCR überprüfen zu lassen und – bei dessen Bestätigung der Versagung – eine weitere Revision nach Sec. 303 (d) FISA beim US Supreme Court hiergegen einzulegen.1070 Neben der präventiven Kontrolle des FISC sind in seinen Court Rules vereinzelt auch repressive Kontrollmechanismen vorgesehen:1071 Die Exekutive hat mithin die Pflicht, den FISC zu informieren, sollte es zu einer Abweichung oder „noncompliance“ mit einer oder mehrerer genehmigten Anordnung kommen.1072 Im Rahmen dessen kann der FISC die Preisgabe wei1068  Brief von Reggie Walton, Richter des FISC, an Patrick Leahy, Chairman des Senate Committee on the Judiciary vom 29.07.2013, S. 6. Die Anhörungen dürfen allerdings nur in den „secure facilities“ des FISC abgehalten werden. Siehe auch Clarke, Ex Parte Proceedings and the FISC Win Rate, in: Stan. L. Rev. Online 2013/14, Vol. 66, S. 125 (127). 1069  Richard Blumenthal spricht davon, dass seit Anbeginn des FISC von 34.000 Anordnungen lediglich 11 abgelehnt wurden. Die veröffentlichte Statistik 2012 zeigte, dass von 1800 Anordnungen keine abgelehnt wurde. Siehe ders., FISA Court Secrecy Must End, in: POLITICO vom 14.07.2013. Ähnliches gaben Alberto Gonzales (Attorney General) und Robert Mueller (Direktor des FBI) für 2004 bei einer Anhörung des SCIS an: Der FISC hat von 1758 Anordnungen damals keine abgelehnt. Siehe dafür Hearing before the SCIS, 109th Cong. 90-91 (2005) [USA PATRIOT Act]. Siehe ferner Brief von Reggie Walton, Richter des FISC, an Patrick Leahy, Chairman des Senate Committee on the Judiciary vom 29.07.2013, S. 9 f. 1070  Vgl. 50 U.S.C. § 1803 (b) [Sec. 103 FISA]. Siehe auch Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1166). 1071  Vgl. FISC, Order vom 02.03.2009, In re Production of Tangible Things from [REDACTED], No. BR 08-13, S. 86. Siehe auch Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1210). Allison Persinger behauptet dagegen, dass in der Praxis keine repressive Kontrolle durchgeführt werde. Siehe dies., Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (520). 1072  In der Praxis zeigte sich, dass gerade die NSA nicht immer die Beschlüsse des FISC umsetzte. Siehe für die Überwachung von Kommunikationsverbindungsdaten auch FISC, Order vom 28.01.2009, Order Regarding Preliminary Notice of Compliance Incident, In re Production of Tangible Things from [REDACTED], No. BR 08-13, S. 4 f. Siehe für die Überwachung von Metadaten FISC, Memorandum Opinion of Judge John Bates (2010), Memorandum Opinion at 8 n.10, In re [REDACTED], No. PR/TT [REDACTED], S. 15. Ferner Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (842); Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1210).

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terer Informationen verlangen.1073 Stellt der FISC Verstöße gegen Anordnungen fest, korreliert dies allerdings nicht mit einer Mitteilungspflicht an die von der illegalen Überwachung betroffenen Personen.1074 bb) Einflüsse von 9/11 auf die Kontrolle des FISC – Rule maker for mass surveillance Einen Monat nach den Terroranschlägen wurde der USA PATRIOT Act erlassen,1075 der dazu führte, dass sich die Befugnisse des FISC stark dezimiert haben und die Anforderungen, die die Regierung für eine Anordnung erfüllen musste, im Gegensatz dazu gesunken sind.1076 Der PATRIOT ACT beinhaltete drei wesentliche Änderungen: Die Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen wurden dahingehend aufgeweicht, dass die Anordnungen nur noch einen „significant purpose“ für auslandsnachrichtendienstliche Überwachungen darlegen mussten, was das Tätigkeitsspektrum erheblich erweiterte.1077 Zweitens musste bei individuellen Überwachungen, zu deren Prüfung der FISC ursprünglich und primär gegründet wurde,1078 nicht mehr angegeben werden, welche Personen überwacht werden sollen1079 und drittens war es nun möglich, dass Verbindungsdaten von Telekommunikationen gesammelt werden durften, ohne dass die Regierung nachweisen musste, dass sie ein „agent of a foreign power“ als Ziel hat.1080 Folge daraus war, 1073  Siehe 50 U.S.C. § 1804 (c) [Sec. 104 FISA]. Ferner Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1197); Clarke, Ex Parte Proceedings and the FISC Win Rate, in: Stan. L. Rev. Online 2013/14, Vol. 66, S. 125 (127). 1074  Mitteilungen blieben bisweilen generell aus. So Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1114). 1075  Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism (USA PATRIOT) Act of 2001, Pub. L. No. 10756, 115 Stat. 272, H.R. REP. No. 107-236 (2001). 1076  Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (520). 1077  Es muss nicht mehr der „main purpose“, „primary purpose“ oder „only purpose“ sein. Vgl. 50 U.S.C. § 188la (g) (2) (A) (v) [Sec. 702 FISA]. Ferner Goitein/ Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015 S. 23, 26; Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (526). 1078  Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1166). 1079  Ebadolahi, Warrantless Wiretapping Under the FISA Amendments Act, in: Human Rights 2013, Vol. 39, S. 11 (11). 1080  Vgl. 50 U.S.C. § 188la (b) (1) (C) (ii) [Sec. 702 FISA]. So auch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 9; Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519



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dass die NSA sowohl von Aus- als auch Inländerinnen bzw. Inländern in großen Mengen personenbezogene Daten und Kommunikationsinhalte erhob, um die nachrichtendienstliche Arbeit zum Schutz vor Terrorismus auszuweiten.1081 Seitdem wandelte sich die Rolle des FISC vom „Rechtsüberprüfungsorgan“, das ursprünglich ausschließlich individuelle Maßnahmen anordnen sollte, hin zum „Quasi-Rechtssetzungsorgan“, welches implizit die Verfassungs- und Rechtmäßigkeit neuerer strategischer Überwachungsmaßnahmen legitimierte.1082 Die Rolle des „rule makers“ – wie es Emily Berman umschreibt – wurde der quasi-gerichtlichen Institution damals so allerdings nicht zugedacht.1083 Dennoch hat der FISC seit 2001 mindestens drei große Massenüberwachungsprogramme genehmigt, worunter die Überwachung von allen nationalen Telefon- und Internetmetadaten sowie von Kommunikationsgesprächsinhalten fiel.1084 Die Aufweichung der Anordnungsvoraussetzungen (527). Diese Praktik wurde 2008 durch den Kongress bestätigt, welcher fortan die elektronische strategische Überwachung erlaubte, selbst wenn keine spezifischen Personen in der Anordnung angegeben sind und wenn begründeter Anlass bestehe, dass die Maßnahmen lediglich Personen außerhalb US-amerikanischen Hoheitsgebietes betreffen oder keine US-Bürgerinnen bzw. US-Bürger betroffen sind. Siehe 50 U.S.C. § 1881a (b) (3), (g) (2) [Sec. 702 FISA]. Ferner PCLOB, Workshop Regarding Surveillance Programs Operated Pursuant to Section 215 of the USA PATRIOT Act & Section 702 of the FISA (2013), S. 36. Selbst Kritikerinnen und Kritiker des FISC sowie einzelne Gerichte waren sich darüber einig, dass dieser für die Überprüfung der strategischen Überwachung zuständig sein müsse, da hierfür keine andere judikative Stelle existiere. Vgl. US District Court of Appeals 2nd District, ACLU v. Clapper, 785 F.3d 787 (2015), S. 815 ff.; US District Court for the District of Columbia, Klayman v. Obama, 957 F. Supp. 2d. 1 (2013) S. 29 ff. (vacated 2015: 800 F.3d 559); PCLOB, Report on the Telephone Records Program Conducted Under Section 215 of the USA PATRIOT Act and on the Operations of the Foreign Intelligence Surveillance Court (2014), S. 57 ff.; President’s Review Group on Intelligence and Communication’s Technologies, Liberty and Security in a Changing World (2013), S. 203 f.; Donohue, Bulk Metadata Collection, in: Harv. J. L. & Pub. Pol. 2014, Vol. 37, S. 757 (822 ff.). 1081  Liu, Amendments to the Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) Ex­ tended Until June 1, 2015 (Congressional Research Service), R40138 (2011), S. 1. 1082  Der FISC durfte nicht wissen, welche spezifischen Personen Ziel der Überwachungsprogramme waren, genehmigte diese aber dennoch. Vgl. Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1197). 1083  Begrifflichkeiten sind von Emily Berman entliehen. Vgl. ebd., S. 1193, 1209 ff. Ähnlich auch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 3 ff. Hiervon sind jedoch nicht die einzelnen Selektoren umfasst, die für die Überwachung in einer großen Zahl benutzt werden. So Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1112, 1193, 1198 ff.) mit Verweis auf 50 U.S.C. § 1801a (e) (2) (2012). 1084  Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1198 f.). Gesetzliche Grundlage dafür war die sehr schwammige Sec. 215 USA PATRIOT Act, wonach die Regierung alle notwendigen Informationen für laufende Ermittlungen erheben durfte. Siehe auch Granick/Sprig-

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führte im Ergebnis dazu, dass der FISC fortan lediglich über abstrakte Überwachungsmethoden entschied und die beantragten Massenüberwachungsprogramme legitimieren sollte.1085 Darüber hinaus wurde die Ex-post-Kontrolle über die Executive Order 12.333 ausschließlich einer speziellen Einrichtung der Executive Branch Agency übertragen.1086 Im Jahr 2007 wurde diese Entwicklung mit dem Protect America Act 2007 weitergeführt, um – wie es das Department of Justice mitteilen ließ – den FISA zu modernisieren und an aktuelle terroristische Gefahrenlagen anzupassen.1087 Das Gesetz senkte nunmehr die Beweislast der exekutiven Stelle dafür, dass es sich um eine internationale Kommunikation handelt, indem der Wortlaut von „probable cause“ zu „resonably believed“ geändert wurde, wonach es lediglich aus nachrichtendienstlicher Perspektive wahrscheinlich sein musste, dass sich eine Kommunikationspartei außerhalb des US-Territoriums befindet.1088 Zudem erlaubte das Gesetz, eine solche Kommunikationspartei für ein Jahr ohne Genehmigung des FISC zu überwachen, sofern DNI und Attorney General vortrugen, dass über diese Person wichtige auslandsnachrichtendienstliche Informationen unter Wahrung sog. minimization procedures gewonnen werden könnten.1089 Die Neuregelung sollte aber auch wieder zu den Ursprüngen des FISA zurückkehren und den Schutz der Civil Rights in den USA mehr in den Fokus rücken.1090 Zwar kamen die Dienste trotz der eigentlich bestehenden Benachrichtigungspflichten bei durchgeführten Überwachungsmaßnahmen man, The Secret FISA Court Must Go, in: Daily Beast vom 24.07.2013, welche den FISC als „Kangaroo court“ bezeichnen, der bedenkenlos Massenüberwachungen genehmige. Ähnlich kritisch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 51. 1085  Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1200); Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1169 ff.). 1086  Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1112). 1087  Vgl. das Archiv des US Department of Justice, What Is the Protect America Act?, verfügbar unter: http://www.justice.gov/archive/ll/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Siehe ferner Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1174 f.). 1088  Vgl. 50 U.S.C. § 188la (a) [Sec. 702 FISA]. Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 26. 1089  Siehe § 105B des Protect America Act of 2007, Pub. L. No. 110–55, 121 Stat. 552. Ferner Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (527 f.). 1090  Siehe Archiv des US Department of Justice, What Is the Protect America Act?, verfügbar unter: http://www.justice.gov/archive/ll/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020).



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diesen in der Praxis bis 2015 nicht nach.1091 Der Kongress schuf aber einen Anfechtungsmechanismus für betroffene Kommunikationsbetreiber, die von den Auslandsnachrichtendiensten zur Herausgabe von Daten und Gesprächsinhalten verpflichtet wurden, um die bis 2007 bestehende Praxis, in welcher der FISC keine kontradiktorischen Verfahren zuließ, einzudämmen.1092 Diese Neuerung erwies sich allerdings aus der Retroperspektive als zahnlos, weil sie nicht die betroffenen Personen fokussierte und die Betreiber – mit Ausnahme des Serviceproviders Yahoo – von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht haben, obwohl viele Betreiber Zugänge für die Auslandsnachrichtendienste gewähren mussten.1093 Ein Jahr später wurde der FISA erneut durch den FISA Amendments Act of 2008 geändert,1094 dessen wichtigste Neuerung war, dass ohne Anordnung des FISC generell Zielpersonen, die sich außerhalb der USA befinden, überwacht werden konnten,1095 um auch Übersee die Rechte der USA schützen zu können.1096 Dabei gingen die Verfasserinnen und Verfasser des FISA Amendments Act of 2008 davon aus, dass das 4th Amendment extraterritorial und transnational keine Anwendung fände, da der FISA externe Belange adres­siere, die keine Grundrechtswirkung auslösen und darüber hinaus zur Sicherung der USA beitragen.1097 Das führte dazu, dass der FISC kaum noch 1091  Vgl. 50 U.S.C. § 1806 (d) [Sec. 106 FISA]. Ferner Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1170); Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (846). 1092  Siehe 50 U.S.C. § 188la (h) (4) (A) [Sec. 702 FISA]. Vgl. auch Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1202). 1093  So auch Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1202); Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (527). Im Jahr 2008 wurde dieses Recht nochmals erweitert, adressierte aber weiterhin nur Internet Service Provider, die aber wegen der strengen Geheimhaltungsverpflichtungen kaum ein Verfahren auf sich nahmen. Vgl. 50 U.S.C. § 1810, § 1881a (h) (4) (A) [Sec. 110, 702 FISA]. Siehe dafür und bzgl. des Falls zu Yahoo Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (846). 1094  FISA Amendments Act of 2008, Pub. L. No. 110-261, 122 Stat. 2436. Ferner dazu Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S.  1161 (1174 ff.). 1095  Department of Justice & ODNI, Background Paper on Title VII of FISA, S. REP. No. 112-229 (2012), S. 30. 1096  Hearing before the Subcommittee on Crime, Terrorism, & Homeland Security of the Committee on the Judiciary of the House of Representatives, 112th Cong. 24 (2012) [FISA Amendments Act of 2008]. 1097  Hearing before the Subcommittee on Crime, Terrorism, & Homeland Security of the Committee on the Judiciary of the House of Representatives, 112th Cong. 24

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individuelle Anordnungen zu entscheiden hatte und dies der Regierung überlassen wurde.1098 Der FISC sollte über diese Art der Überwachungen nur noch jährlich von DNI und Attorney General unterrichtet werden.1099 Selbst der FISC akzeptierte diese Neuerungen und sah von einer Prüfung ab, wenn die Regierung versicherte, dass genügend Sicherungsmechanismen bestünden, dass nur Ausländerinnen und Ausländer im Ausland überwacht werden würden.1100 Dieses Vorgehen löste zunehmend parlamentarische Kritik aus: Bobby Scott aus dem Subcommittee on Crime, Terrorism, and Homeland Security sah in diesen Erweiterungen die Legitimierung von „massiven illegalen Überwachungen“.1101 Ebenso forderte John Conyers, dass wieder indivi­ duelle Anordnungen statt Anträge zu Massenüberwachungen vor dem FISC die Regel einnehmen sollten.1102 Aber erst die Veröffentlichungen von Edward Snowden aus dem Jahr 2013 führten zwei Jahre später dazu, dass der FISC nicht mehr die Anordnungen zu flächendeckenden Überwachungsmaßnahmen von laufenden Telekommunikationsüberwachungen sowie deren produzierte Metadaten genehmigen sollte und damit nicht Milliarden Telefonate „legitim“ abgehört werden konnten.1103

(2012) [FISA Amendments Act of 2008]. Siehe auch Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 36. 1098  Ebadolahi, Warrantless Wiretapping Under the FISA Amendments Act, in: Human Rights 2013, Vol. 39, S. 11 (11). 1099  Department of Justice & ODNI, Background Paper on Title VII of FISA, S. REP. No. 112-229 (2012), S. 31. 1100  In der Praxis führte das dazu, dass der FISC nach Genehmigung der Anordnung keine weitere Kontrolle mehr durchführte. So zumindest Greenwald, FISA Court Oversight: A Look Inside a Secret and Empty Process, in: The Guardian vom 18.06.2013. Ebenso behaupteten Jennifer Granick und Christopher Sprigman, dass der FISC damit eine „blanket surveillance order“ ausstelle. Siehe dafür dies., The Secret FISA Court Must Go, in: DAILY BEAST vom 24.07.2013. Näher dazu Fiss, Even in a Time of Terror, in: Yale L. & Pol. Rev. 2012, Vol. 31, S. 1 (4 f.); Goitein/ Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 27; Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (529). 1101  Hearing before the Subcommittee on Crime, Terrorism, & Homeland Security of the Committee on the Judiciary of the House of Representatives, 112th Cong. 24 (2012) [FISA Amendments Act of 2008], S. 15. 1102  Ebd., S. 16. Siehe auch Leonnig, Ability to Police U.S. Spying Program Limited, in: Washington Post vom 15.08.2013. 1103  Der Telefonanbieter Verizon wurde dazu aufgerufen, diesen Zugang zu gewähren. Vgl. Greenwald, FISA Court Oversight: A Look Inside a Secret and Empty Process, in: The Guardian vom 18.06.2013.



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cc) Die auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle unter dem USA FREEDOM Act An der Hauptaufgabe der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle durch den FISC hat sich auch mit dem 2015 eingeführten USA FREEDOM Act nicht viel geändert, obwohl die Erkenntnisse aus 2013 den Kongress veranlassten, mit der Novellierung zur Verbesserung der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrolle beizutragen.1104 Der FISC übernimmt weiterhin die Rollen des „gatekeepers“ sowie des „rule makers“. Diese wurden jedoch mit dem FREEDOM Act transparenter für die Öffentlichkeit und das Parlament ausgestaltet.1105 So wurde in Sec. 602 FISA eingeführt, dass DNI und Attorney General einen „declassification review“ jeder „order“ oder „opinion“ des FISC der Öffentlichkeit zugänglich machen, die eine „significant construction or interpretation“ einer auslandsnachrichtendienstlichen Regel des FISA beinhaltet.1106 Die Novellierung sah zudem vor, dass die Excutive Branch hiervon ausnahmsweise abweichen kann, wenn es auf Grund der nationalen Sicherheit der USA oder zum Schutz auslandsnachrichtendienstlicher Methoden oder Quellen notwendig ist.1107 Daher enthalten die Berichte im Hinblick auf einen auslandsnachrichtendienstlichen „greatest extent practicable“ lediglich generelle Angaben.1108 Ein weiterer neuer Aspekt des FREEDOM Acts ist, dass der FISC Zugang zu IT-Expertinnen und IT-Experten erhält, da die Richterinnen und Richter allesamt kein Sachverständnis aufweisen konnten, wie die Massenüberwachungsprogramme der NSA genau funktionierten.1109 Nach Vorschlägen der PCLOB und der Review Group wurde in Sec. 402 FISA aufgenommen, dass alle ­Richterinnen und Richter jederzeit technische Expertisen einholen dürfen.1110 1104  Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015 S. 19; Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (520). 1105  Siehe auch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 5. 1106  Bisher waren derartige Informationen nur für die Congressional Oversight Committees vorgesehen. Diese Berichte sollen nun zusätzlich auch an den Kongress geschickt werden. 1107  Sec. 402 (a) (2) USA FREEDOM Act kodifiziert in 50 U.S.C. § 1872 (c) [Sec. 602 FISA]. 1108  Sec. 402(a) (2) USA FREEDOM Act kodifiziert in 50 U.S.C. § 1872 (b) [Sec. 602 FISA]. Siehe ferner Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1247). 1109  Siehe dazu Declaration of Lieutenant General Keith Alexander vom 12.02.2009, In re Production of Tangible Things from [REDACTED], No. BR 08-13 (2009), S. 18 f. 1110  PCLOB, Report on the Telephone Records Program Conducted Under Section 215 of the USA PATRIOT Act and on the Operations of the FISC (2014), S. 184 ff.;

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Zudem sorgte die Gesetzesnovelle aus 2015 für eine Relativierung der Exparte-Verfahren, in dem das System von „Amicus curiae“ eingeführt wurde, um dem FISC zu assistieren.1111 Die „adversial hearings“ sollen dem FISC helfen, um bei streitigen Themen auch eine andere Meinung einholen zu können und für einzelne Verfahren Außenstehende zu beauftragen.1112 Dieses System unabhängiger Rechtsbeistände hat in den USA eine lange Tradition und steht daher mit den Voraussetzungen des Art. III der Verfassung der USA im Einklang.1113 Von der Neuerung wurde sodann bei der Novellierung des Sec. 702 FISA Gebrauch gemacht und mit Amy Jeffress eine Expertin zur Beurteilung dessen Verfassungsmäßigkeit beauftragt.1114 Darüber hinaus müssen nach der Sec. 702 FISA die US-Behörden alle nicht relevanten erlangten Informationen löschen – egal ob sie von BerufsgePresident’s Review Group on Intelligence and Communication’s Technologies, Liberty and Security in a Changing World (2013), S. 205. Ähnlich Chesney, National Security Fact Deference, in: Va. L. Rev. 2009, Vol. 95, S. 1361 (1394); Donohue, Bulk Metadata Collection, in: Harv. J. L. & Pub. Pol. 2014, Vol. 37, S. 757 (821 f.). Siehe zur praktischen Kritik an den Neuerungen Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1206 f.); Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (832); Reed, Chris Soghoian on What’s Wrong With the Debate on Section 215, in: Just Security vom 01.06.2015. 1111  Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (846). Diese bereits vorher kritisierend Ron Wyden, der als Senator die Praxis des FISC als „most one-sided legal process“ bezeichnete, das seines gleichen suche, zitiert in: Fahrenthold, With NSA revelations, Sen. Ron Wyden’s vague privacy warnings finally become clear, in: Washinton Post vom 28.07.2013. 1112  Die Idee stammt bereits aus der Jimmy Carter-Administration. Vgl. Ideas for Reforming the FISA Court, in: Washington Post vom 23.07.2013. Vgl. für frühere Verfahren mit weiteren Beteiligten Brief von Reggie Walton, Richter des FISC, an Patrick Leahy, Chairman des Senate Committee on the Judiciary vom 29.07.2013, S. 9 f., welcher allerdings klarstellt, dass der FISA keinen Mechanismus vorgesehen habe, Meinungen von Nichtregierungsorganisationen einzuholen. Öffentlich bekannt ist ein Verfahren des Telekommunikationsanbieters Yahoo. Siehe dafür Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1202); Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (527, 536 f.); Nolan/Thompson II, Reform of the Foreign Intelligence Surveillance Courts: Procedural and Operational Changes (Congressional Research Service), R43362 (2014), S. 11. 1113  Bereits 1988 urteilte der US Supreme Court, dass der Kongress gesetzlich vorsehen dürfe, dass Gerichte unabhängige Anwältinnen und Anwälte für ein Verfahren beiordnen dürfen. Siehe US Supreme Court, Morrison v. Olson, 487 U.S. 654 (1988), S. 676. Der bzw. die Amicus Curiae unterliegt jedoch strikten Grenzen bei der Kompetenzausübung. Siehe dazu auch Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (845). 1114  So Margulies, Madison at Fort Meade: Checks, Balances, and the NSA, in: Lawfare vom 10.05.2016, welcher hierin die Arbeit von Amy Jeffress bewertet.



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heimnisträgerinnen oder Berufsgeheimnisträgern oder Nicht-Privilegierten erlangt wurden.1115 Eine weitere Neuerung stellte der Judicial Redress Act dar, welcher den Schutz des US Privacy Acts auch auf Nicht-US-Bürgerinnen bzw. Nicht-USBürger erweiterte.1116 Damit können Ausländerinnen und Ausländer künftig vor US-Gerichten ihr Recht auf Privatsphäre einklagen.1117 Darunter würde auch der FISC fallen, bei denen somit Anträge auf Auskunft gestellt werden dürften.1118 Beide Acts sind allerdings im Bereich der nationalen Sicherheit nur sehr limitiert anwendbar, da nach Sec. 2 (d) (1) (C) Judicial Redress Act die Auskünfte die nationalen Sicherheitsinteressen der USA nicht wesentlich beeinträchtigen dürfen.1119 Ebenfalls hervorzuheben ist, dass im Zuge der Novellierungen 2015 interne Neuerungen durchgeführt wurden. So führte die NSA eine bzw. einen Director of Compliance innerhalb der NSA-Struktur ein, um die Überprüfung der Umsetzung der Anordnungen des FISC auf die eigene Behörde zu konzentrieren.1120 Darüber hinaus begann die Regierung 2015 nach dem Urteil in 1115  Vgl. 50 U.S.C. 1881a § 3 (b) (1) [Sec 702 FISA]. Weitere Einschränkungen finden sich in 50 U.S.C. 1881a §§ 4, 6 (b) [Sec 702 FISA]. Vom Mandatsgeheimnis existiert dann eine Ausnahme, wenn diese Stellung für Verbrechen missbraucht wurde. Vgl. US Supreme Court, United States v. Stewart, 686 F.3d 156 (2012), S.  161 ff.; United States v. Zolin, 491 U.S. 554 (1989), S. 563; United States v. U.S. District Court, 407 U.S. 297 (1972), S. 313 f. Siehe auch Kris/Wilson, National Security Investigations & Prosecutions, 2. Aufl. 2012, S. 221; Sales, French Surveillance Law Compared to US Surveillance Law, Short Analysis of the New French Surveillance Laws for l’Ordre des avocats de Paris vom 15.07.2015, S. 1, 3. 1116  Siehe 5 U.S.C. § 552a (d) [Sec. 2 Judicial Redress Act of 2015, Pub. L. No. 114126, 130 Stat. 282]. Hierunter fallen aber nicht alle Ausländerinnen und Ausländer. Für eine Liste an „covered countries“ siehe Attorney General Order No. 3824-2017, Judicial Redress Act of 2015; Attorney General Designations, 82 Fed. Reg. 7860 (2017). 1117  Smagon, Schutzschirm für EU/US-Datentransfer in Strafsachen, in: ZD 2016, S. 55 (56). 1118  Siehe 5 U.S.C. § 552a (d) [Sec. 2 Judicial Redress Act]. Ferner Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1114 f.). 1119  Vgl. 5 U.S.C. § 552a Note (d) (1) (c) [Sec. 2 Judicial Redress Act], in welchem es heißt: „do not materially impede the national security interests of the United States.“ Ausführlicher dazu Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1114 f.). Siehe zudem Schaar, Ist das „Privacy Shield“ endlich ein sicherer Hafen?, in: Heise Online vom 02.02.2016, welcher kritisiert, dass die Personen zunächst erfolglos den Verwaltungsrechtsweg beschreiten müssen, damit sie diese Klageberechtigung nutzen können. Ebenfalls die „Löcher“ des Judicial Redress Act kritisierend, aber die Intention lobend: Jourová, European Commission: Statement by Commissioner on the signature of the Judicial Redress Act by President Obama, EC Press Release, Statement/16/401. 1120  Pressebericht des DNI vom 10.09.2013, DNI Clapper Declassifies Intelligence Community Documents Regarding Collection Under Section 501 FISA, verfügbar

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U.S. v. Muhtorov Benachrichtigungen von abgeschlossenen Überwachungsmaßnahmen an frühere Zielpersonen zu versenden.1121 Unverändert blieb allerdings, dass der FISC heutzutage lediglich die generellen Prozesse der Regierung kontrolliert und nicht jede einzelne indivi­ duelle Maßnahme.1122 Das birgt die Gefahr der Legitimierung weiterer Massen­überwachungsprogramme durch den FISC ohne effektive repressive Überprüfungsmöglichkeiten. Ebenfalls unverändert blieb, dass weitere Sanktionsmechanismen fehlen, da in der Vergangenheit mehrfach seitens der Regierung versucht wurde, auf die quasi-gerichtliche Instanz einzuwirken oder dieser Kompetenzen abzusprechen.1123 Darin wird das starke Ungleichgewicht des FISC zur Executive Branch offensichtlich.1124 e) Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle durch die ordentliche und verfassungsrechtliche Gerichtsbarkeit der USA Wie in den anderen zugrundeliegenden Vergleichsnationen ist die gerichtliche Zuständigkeit bei auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht vollends ausgeschlossen. In den USA sind ebenso die ordentlichen Gerichte berufen, Fragen von vermeintlichen Verstößen gegen die Privatsphäre durch staatliche Überwachungsmaßnahmen zu behandeln. Diese tragen zu einer stetigen Weiterentwicklung und Klarstellung der auslandsnachrichtendienstlichen Befugnisse aus verfassungs- und einfachgesetzlicher Perspektive bei.1125 unter: https://www.dni.gov/index.php/newsroom/press-releases/191-press-releases2013/927-draft-document (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1121  US District Court of the District of Colorado, U.S. v. Muhtorov, 187 F. Supp. 3d 1240 (2015), S. 1250 ff., welches zwar nicht in der Sache entschied, aber zumindest Argumente vorbrachte, dass der FISC in Konflikt zu Art. III der US Verfassung stehe. 1122  So Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (838). 1123  Vgl. dafür FISC, Opinion and Order vom 14.07.2004, In re [REDACTED], No. PR/TT [REDACTED], S. 27. 1124  Dies sehen grundsätzlich auch die FISA Court Rules in Regel 5 (c) vor. 1125  Hieraus folgte auch die Erkenntnis des US Supreme Courts, dass der Schutz der Privatsphäre sich in den USA nicht auf den Schutz der räumlichen Integrität der Wohnung reduzieren lasse, sondern vielmehr staatliche Überwachungsmaßnahmen generell mit dem Right to privacy in Konflikt treten. US Supreme Court, U.S. v. White, 401 U.S. 745 (1971), S. 756 (ablehnendes Sondervotum von Richter William Douglas) unter wörtlicher Wiedergabe einer Passage aus Westin, Privacy and Freedom, 1967, S. 365 f. Ferner auch Wittmann, Nobody Watches the Watchmen, in: ­ZaörV 2013, Vol. 73, S. 373 (416); Slobogin, Privacy at Risk, 2007, S. 112. Siehe auch Whitman, The Two Western Cultures of Privacy, in: Yale L. J. 2004, Vol. 113, S.  1151 (1151 ff.).



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 525

Die US-amerikanischen Gerichte gestehen aber der Exekutive einen weiten Ermessensspielraum zu, sofern es sich um Fälle der nationalen Sicherheit oder auswärtige Beziehungen handelt.1126 Nach Jahren des Streits darüber, ob Überwachungsmaßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit überhaupt das Recht auf Privatsphäre beschränken können,1127 nahm die Debatte mit den Snowden-Enthüllungen in den USA 2013 neuen Fahrt auf.1128 Zwei divergierende Urteile der District Courts aus New York und Columbia offenbarten, wie unterschiedlich der Privatsphärenschutz in den USA beurteilt wird und wie schwierig die Aufgabe des FISC war, ohne vollends höchstrichterlich geklärte Vorgaben für den Privatsphärenschutz, die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen zu bestimmen. Der US District Court of Columbia entschied so in Klayman v. Obama, dass die NSA systematisch die Genehmigungen des FISC – gerade in Bezug auf die Begrenzung zur Massenüberwachung – missachtet und im „orwell’­ schen“ Ausmaße illegal gehandelt habe.1129 Hingegen urteilte der US District 1126  Vgl. US Supreme Court, Bank Markazi v. Peterson, 136 S. Ct. 1310 (2016) S. 1329; Spokeo v Robins, 136 S. Ct. 1540 (2016). Ferner Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (855). 1127  Vgl. US Supreme Court, U.S. v. Pineda-Moreno, 591 F.3d 1212 (2010), S. 1121, 1126 (ablehnendes Sondervotum des Chief Judge Alex Kozinski und der Richterinnen und Richter Stephan Reinhardt, Kim Wardlaw, Richard Paez und Marsha Berzon): „[…] our court now proceeds to dismantle the zone of privacy we enjoy in the home’s curtilage and in public. […] To those of us who have lived under a totalitarian regime, there is an eerie feeling of déjà vu. […] We are taking a giant leap into the unknown, and the consequences for ourselves and our children may be dire and irreversible. Some day, soon, we may wake up and find we’re living in Oceania.“ Siehe ferner US Supreme Court, U.S. v. Jones, 615 F. 3d 544 (2012); US Court of Appeals of North Carolina, State v. Costin, 168 Vt. 175, 720 A.2d 866 (1998); Milligan, Facial Recognition Technology, Video Surveillance, and Privacy, in: S. Cal. Interdisc. L. J. 1999, Vol. 9, S. 295 (299 ff.); Slobogin, Privacy at Risk, 2007, S.  116 ff.; Donohue, Technological Leap, Statutory Gap, and Constitutional Abyss, in: Minn. L. Rev. 2012, Vol. 97, S. 407 (559); Blitz, Video Surveillance and the Constitution of Public Space, in: Tex. L. Rev. 2004, Vol. 82, S. 1349 (1453 ff.). Die Privatsphärenverletzung generell ablehnend Rehnquist, Is an Expanded Right of Privacy Consistent with Fair and Effective Law Enforcement?, in: U. Kan. L. Rev. 1974, Vol. 23, S. 1 (9). 1128  Kurz nach den Enthüllungen versagte der US Supreme Court in Clapper vs. Amnesty das generelle Standing für Journalistinnen bzw. Journalisten und Anwältinnen bzw. Anwälte, die im sicherheitsrechtlichen Bereich tätig waren. Der US Supreme Court wies die Klage deshalb ab, weil diese nicht nachweisen konnten, dass sie mit den Leuten kommuniziert haben, die unter Beobachtung der NSA standen bzw. als Zielpersonen galten. Siehe hierzu US Supreme Court, Clapper v. Amnesty International, 133 S. Ct. 1138 (2013), S. 1149. Ähnlich Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (851). 1129  US District Court for the District of Columbia, Klayman v. Obama, 957 F. Supp. 2d. 1 (2013) S. 29 ff. (vacated 2015: 800 F.3d 559).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Court of the Southern District of New York in ACLU v. Clapper, dass die flächendeckende Überwachung von Metadaten im Einklang mit der Verfassung stehe.1130 Streitpunkt der beiden Gerichte war vor allem ein älteres Urteil des US Supreme Courts aus 1979 in Smith v. Maryland: Darin entschied das Gericht, dass der damalige Kläger nicht in seinem Recht auf Privatsphäre verletzt wurde, weil er die Daten freiwillig einer dritten Partei übermittelte – dem Telekommunikationsanbieter – und diese damit nicht mehr schützenswert waren.1131 Das erstinstanzliche Urteil in ACLU v. Clapper wurde 2015 vom Court of Appeals, Second Circuit allerdings aufgehoben, da die Richterinnen und Richter feststellten, dass die massenhafte Sammlung von Telefonmetadaten zumindest ein Verstoß gegen Sec. 215 USA PATRIOT Act darstellten.1132 Konsequenzen hieraus waren umfassende Gesetzesänderungen durch den USA FREEDOM Act. Eine weitere Errungenschaft der unteren Gerichte war zudem, dass die Regierung nach dem Urteil in U.S. v. Muhtorov ab 2015 begann, Benachrichtigungen von staatlichen Überwachungsmaßnahmen an betroffene Personen zu versenden.1133 Daneben übt der US Supreme Court eine gewisse Kontrolle aus. Nachdem er Ende der sechziger Jahre insbesondere das Recht auf Privatsphäre bei staatlicher Überwachung stärkte und hohe Anforderungen an „searches“ i. S. d. 4th Amendment setzte,1134 folgten in den siebziger und achtziger Jahren ebenso hohe Anforderungen an die Berufung auf das 4th Amendment von betroffenen Personen. Wer so willentlich seine personenbezogenen Daten an Dritte weitergab, durfte sich auf deren Schutz nicht berufen (Third-party doctrine).1135 Dies galt auch, sofern die Überwachungsmaßnahmen aus-

1130  US District Court of the Southern District of New York, ACLU v. Clapper, 959 F. Supp. 2d 724 (2013), S. 730. Die USA überlassen die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit auch den einfachen Gerichten. Vgl. dazu näher Coester-Waltjen, Die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in ausgewählten Rechtsordnungen, in: ZEuP 2018, Vol. 26, S. 320 (328). 1131  US Supreme Court, Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979), S. 745 f. 1132  US District Court of Appeals 2nd District, ACLU v. Clapper, 785 F.3d 787 (2015). 1133  US District Court of the District of Colorado, U.S. v. Muhtorov, 187 F. Supp. 3d 1240 (2015), S. 1250 ff. 1134  US Supreme Court, Katz v. United States, 389 U.S. 347 (1967), S. 348 ff. Seit Katz v. United States stellte der US Supreme Court klar, dass nicht nur physisch wahrnehmbare Eingriffe das Right to privacy adressieren, sondern es vor allem darauf ankomme, dass die Art der Gewinnung darauf abzielen müsse, dass personenbezogene Daten und Kommunikationsinhalte gewonnen werden, die nicht einer unbestimmten Vielzahl von Personen frei zugänglich seien. 1135  So US Supreme Court, Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979). Vgl. dazu bereits ausführlich Abschnitt C.III.2.d).



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 527

schließlich im öffentlichen Raum stattfanden.1136 Selbst die Überwachung von Verbindungsdaten stellten keinen Eingriff in die Privatsphäre dar, weswegen die Überwachungsmaßnahmen auch ohne richterliche Anordnung erfolgen konnten.1137 Ferner versagte er Personen das „Standing“, wenn diese nicht nachweisen konnten, dass sie durch die staatlichen Überwachungsmaßnahmen individualisierbaren Schaden erlitten hatten.1138 An dieser Rechtsprechung hielt der US Supreme Court zumindest in jüngerer Zeit teilweise fest: Kurz nach den Enthüllungen von Edward Snowden versagte der US Supreme Court in Clapper v. Amnesty das generelle Stand­ ing für Journalistinnen bzw. Journalisten und Anwältinnen bzw. Anwälte, die im sicherheitsrechtlichen Bereich tätig waren. Der US Supreme Court wies die Klage deshalb ab, weil die Klägerinnen und Kläger nicht nachweisen konnten, dass sie mit den Personen kommuniziert haben, die unter Beobachtung der NSA standen bzw. als Zielpersonen galten.1139 Entgegengesetzt dazu nahm er jedoch teilweise wieder Abstand von diesen früheren Entscheidungen. So entschied der US Supreme Court 2012 in US v. Jones, dass die Regierung ohne richterliche Anordnungen keine GPS-Tracker für verdächtige Personen einsetzen dürfe.1140 In der Entscheidung Carpenter v. United States ging das Gericht noch weiter und schränkte seine Rechtsprechung dahingehend ein, dass Metadaten sehr wohl in den Schutzbereich des 4th Amendment fallen können. Damit wich er von der Third-party doctrine in Bezug auf die dauerhafte Standortüberwachung von Mobiltelefonen via GPS ab.1141 Es sei damals noch nicht absehbar gewesen, dass Mobiltelefone teilweise permanent von einer Person getragen werden und damit eine dauerhafte Standortüberwachung einen sehr intimen Einblick in das private Leben

1136  US

Supreme Court, United States v. Knotts, 460 U.S. 276 (1983), S. 281 f. Supreme Court, Smith v. Maryland, 442 U.S. 735 (1979), S. 743 f., 750. Zur Ablehnung wurde damals aber noch die Third-party Doctrine herangezogen, weil man diese Daten willentlich den Telekommunikationsanbietern übermittle. 1138  Siehe dafür US Supreme Court, Laird v. Tatum, 408 U.S. 1 (1972). So auch Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 8. Aufl. 2010, S. 1083. 1139  Siehe hierzu US Supreme Court, Clapper v. Amnesty International, 133 S. Ct. 1138 (2013), S. 1149. Ähnlich Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (851). 1140  US Supreme Court, United States v. Jones, 565 U.S. 400 (2012), S. 404 f. 1141  US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 11 ff., 17. Auch das „scanning of the content“ von Fernkommunikation wertete es bereits 2014 als starken Eingriff in das 4th Amendment. Siehe US Supreme Court, Riley v. California, 134 S. Ct. 2473 (2014), S. 2490, 2494 f. (in Bezug auf reine Inlandskommunikationen). Siehe ferner Daskal, The Un-territoriality of Data, in: Yale L. J. 2015, Vol. 125, S. 326 (364 ff.); Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1056). 1137  US

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

liefere.1142 Niemand willige daher freiwillig dazu ein, ein komplettes Bewegungsprofil anhand von Langzeitstandortdaten über sich erstellen zu lassen.1143 Diese Entscheidung betraf aber nur den Umfang der Metadatenüberwachung und weder die Echt-Zeit-Überwachung noch auslandsnachrichtendienstliche Überwachungsprogramme.1144 Gerade in Anbetracht zu letzterem Aspekt stellte der US Supreme Court in seinem Leiturteil zu U.S. vs. Verdugo-Urquidez allerdings klar, dass die Exekutive keine Genehmigung für die Überwachung von Ausländerinnen und Ausländern außerhalb des US-Territoriums brauche,1145 weil dies nicht nur die Handlungsfähigkeit der Exekutive zu stark beschränken würde, sondern die Civil Liberties dort keine Anwendung fänden.1146 Der Fall Mohamud v. United States, der über die auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten i. S. d. Sec. 702 FISA im verfassungsrechtlichen Kontext hätte Aufschluss geben können, brachte hingegen nicht die erhoffte höchstrichterliche Klärung hierüber. Die Revision wurde vom Supreme Court ohne Begründung abgewiesen.1147 Allerdings gelten gerade im Hinblick auf die Rechtsprechung zu Boumediene v. Bush,1148 in welcher extraterritoriale Handlungen von USBehörden gegenüber Ausländerinnen und Ausländern die Schwelle verfassungsrechtlicher Relevanz erreicht hatten, gewisse Mindestanforderungen für alle Menschen überall, gegenüber denen die US-Exekutive agiert. Und auch wenn der US Supreme Court in Carpenter v. United States keine Entscheidung zu auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen getroffen hat, so gibt doch das Ergebnis, mit dem das Urteil schließt, eine gewisse Leitrichtung vor: Eine extensive Überwachung der Regierung sei nicht erlaubt, da diese zu tief und umfangreich in das private Leben eingreife.1149

1142  US

Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 12 f. S. 11 ff., 17. 1144  Ebd., S. 17. „Tower dumps“ sind Downloads von Standortdaten über alle in einem gewissen Sendebereich („Tower“) eingeloggten Geräte. 1145  US Supreme Court, U.S. v. Verdugo-Urquidez, 494 U.S. 259 (1990), S. 274 f. Siehe auch FISCR, In Re Directives [redacted], 551 F.3d 1004, S. 1010 ff.; Bestätigend Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (849). 1146  US Supreme Court, Zivotofsky v. Kerry, 135 S. Ct. 2076 (2015). 1147  Siehe US Supreme Court, Mohamud v. United States, Order List Certiorari 583 U.S. 17-5126 (2018), S. 7. 1148  US Supreme Court, Boumediene v. Bush, 553 US 723 (2008). 1149  US Supreme Court, Carpenter v. United States, 585 U.S. (1) (2018), S. 22. In seinem Dissent äußerte Richter Gorsuch jedoch, dass die gerichtliche Anordnung nicht aus dem Recht auf Privatsphäre erwachse, sondern vielmehr aus dem Eigentumsrecht der Telekommunikationsanbieter, die Eigentum an den Daten hätten. Ebd., S.  99 ff. 1143  Ebd.,



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Nichtsdestotrotz beeinflussen die ordentlichen Gerichte der USA lediglich das Verständnis und die Auslegung der nationalen Sicherheitsgesetze im Lichte der Civil Liberties und des Privatsphärenschutzes. Die Entscheidung gegen eine ständige Etablierung eines präventiven Genehmigungssystems bei ordentlichen Gerichten und für die Einführung des FISC führen jedoch zu großen Lücken,1150 da der FISC gesetzlich nur dazu befugt ist, einen verschwindend geringen Teil der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung zu kontrollieren.1151 Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass mit der (teilweisen) Abkehr von der Third-party doctrine durch den Supreme Court zumindest gerichtliche Anordnungen für Überwachungsmaßnahmen benötigt werden. Allerdings bleibt abzuwarten, in welchen Bereichen die Third-party doctrine doch erhalten bleibt, da sich das Gericht lediglich auf einen Teil­ aspekt von Überwachungsmaßnahmen bezog. f) Weitere Kontrollmechanismen Neben den benannten Kontrollmechanismen gibt es die bzw. den Inspector General of the Intelligence Community, welcher nach Sec. 103H (b) National Security Act unabhängige Untersuchungen und Kontrollen im Tätigkeitsbereich des DNI wahrnimmt, die insbesondere die Programme zur auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit beinhalten. Die Stelle soll die parlamentarischen Kontrollstellen über diese Kontrolltätigkeiten regelmäßig informieren.1152 Vorwiegend wurde die Stelle geschaffen, um Rechtsmissbrauch und Missmanagement vorzubeugen.1153 Des Weiteren kommt es neben den präsidialen Ad hoc Commissions regelmäßig zur Einsetzung von parlamentarischen Sonderkommissionen, die mit dem deutschen Pendant des Untersuchungsausschusses verglichen werden können.1154 Benannt wurden hierfür bereits die Church- und Pike-Commission, wobei thematisch ähnlich auch die Hoover- (1948), Rockefeller(1971) oder Gore-Commission (1993) zur Aufklärung nachrichtendienstlicher Missstände einberufen wurden.1155 Die Sonderausschüsse legen nach 1150  So Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (849 f.). 1151  Ebd., S. 853. 1152  Siehe Sec. 103H (b) (4), (k) (1) (C) National Security Act. Sie hat lediglich sieben Tage Zeit, sollte es zu einem Missbrauch der Auslandsnachrichtendienste gekommen sein. Vgl. Sec. 103H (k) (2) (B) National Security Act. 1153  So jedenfalls Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 303. 1154  Ebd., S.  303 f. 1155  Ausführlich dazu Hastedt, Foreign Policy by Commission, in: Intelligence & Nat. Sec. 2007, Vol. 22, S. 443 (444 ff.).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

ihren Untersuchungen stets einen Bericht mit unverbindlichen Empfehlungen vor.1156 g) Zwischenergebnis Die Enthüllungen Edward Snowdens und die nationale sowie internationale Kritik an dem Vorgehen der Auslandsnachrichtendienste stellten die USA unter besonderen Reformdruck. Diesem Druck kamen sie mit mehr Transparenz und leichten Änderungen des rechtlichen Gehörs vor dem FISC nach, die einigen jedoch wegen der vagen Natur noch nicht weit genug gingen.1157 Es fehle weiterhin an stärkeren Befugnissen für den FISC,1158 mehr „sitting judges“ statt lediglich Einzelrichterinnen bzw. Einzelrichter in den Verfahren sowie mehr personelle und materielle Mittel hierfür, um sowohl vollumfängliche als auch sachkundige Prüfungen vornehmen zu können.1159 Darüber hinaus fehlen klare Vorgaben für die Eindämmung von Massenüberwachungsmaßnahmen, die nicht vom FISC genehmigt werden dürften,1160 1156  So Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 304 mit Verweis auf Tutchings, Rhetoric and Reality, 1979, S. 56. 1157  Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (520, 534); Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (832). 1158  Vor allem fehlen solche auch im repressiven Bereich, worunter teilweise etliche Jahre zwischen Genehmigung und Kenntnis der (fehlerhaften) Umsetzung – zumeist aus den Medien – lägen. So Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1228, 1230 f.). 1159  So gab selbst Chief Justice des FISC Reggie Walton zu, dass zu wenig technische Expertise im FISC sitze, zitiert in: Leonnig, Ability to Police U.S. Spying Program Limited, in: Washington Post vom 15.08.2013. Ferner The President’s Review Group on Intelligence and Communications Technologies, ODNI, Liberty and Security in a Changing World (2013), S. 202, verfügbar unter: http://www.whitehouse. gov/sites/default/files/docs/2013-12-12-rg-final-report.pdf (alles zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ferner Donohue, Bulk Metadata Collection, in: Harv. J. L. & Pub. Pol. 2014, Vol. 37, S. 757 (831 f.). A. A. FISC (Richter Frank Saylor), Memorandum Opinion at 5 vom 17.06.2015, In re Applications of the Federal Bureau of Investigation for Orders Requiring the Production of Tangible Things, Nos. BR 15-77, S. 5. 1160  Sowohl mehrere Gerichte als auch die PCLOB hielten diese nach Bekanntwerden der NSA-Affäre für illegal: siehe US District Court of Appeals 2nd District, ACLU v. Clapper, 785 F.3d 787 (2015), S. 821 (erachtete das Metadatenüberwachungsprogramm als Verstoß gegen Sec. 215); US District Court for the District of Columbia, Klayman v. Obama, 957 F. Supp. 2d. 1 (2013) S. 41 (erachtete das Sec. 215 Programm als Verstoß gegen das 4th Amendment); PCLOB, Report on the Telephone Records Program Conducted Under Section 215 of the USA PATRIOT Act and on the Operations of the Foreign Intelligence Surveillance Court (2014), S. 57. Siehe auch Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 29 ff., welche die Genehmigung der Massenüberwachung schon vorher für verfassungswidrig hielten.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 531

oder Konsequenzen für eine „Non-compliance“ der Exekutive, die in der Vergangenheit vermehrt aufgetreten ist.1161 Die wenigen Veröffentlichungen, um Transparenz zu schaffen, seien ferner gar nicht in der Lage, die Interpretationen und Auslegungen des FISC widerzuspiegeln und herrsche deshalb selbige Unsicherheit wie vor den Reformen.1162 Hinzukommt, dass bei der Besetzung der Richterinnen und Richter – die ausschließlich die bzw. der Chief Justice vornimmt, welcher bereits seit 2005 im Amt ist – seit Jahren eine breite Mehrheit aus dem republikanischem Sektor stammt. Seit 2014 wurden von 20 Kandidatinnen und Kandidaten lediglich vier mit nicht-republikanischen Wurzeln benannt und derzeit sitzt lediglich ein Kandidat der Demokraten am FISC.1163 Eine ausgewogenere Besetzung oder parlamentarische statt exekutive Benennungsmechanismen sind trotz zahlreicher Kritik mit dem USA FREEDOM Act nicht umgesetzt worden.1164 A. A. Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1199 f.). Zudem zeigt die veröffentlichte Statistik von 2012, dass von 1800 Anordnungen keine abgelehnt wurde. So zu finden bei Blumenthal, FISA Court Secrecy Must End, in: POLITICO vom 14.07.2013. Richard Blumenthal spricht sogar davon, dass seit Anbeginn des FISC von 34.000 Anordnungen lediglich 11 abgelehnt wurden. Ähnliches gaben Alberto Gonzales (Attorney General) und Robert Mueller (Director FBI) für 2004 bei einer Anhörung des SCIS an: Der FISC hat von 1758 Anordnungen auch damals keine abgelehnt. Vgl. Hearing before the SCIS, 109th Cong. 90-91 (2005) [USA PATRIOT Act]. 1161  Vgl. zur „incompliance“ auch den Bericht aus 2011 zu einer „overcollection“ eines ursprünglich genehmigten Upstream-Programms: Dokumentiert in: PCLOB, Report on the Telephone Records Program Conducted Under Section 215 of the USA PATRIOT Act and on the Operations of the Foreign Intelligence Surveillance Court (2014), S. 29. Ebenfalls schlug Emily Berman vor, dass man positive Anreize (in Form von Boni oder Zusatzurlaub) für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienste schaffen solle, damit jene vermehrt Verfehlungen melden. Dies., The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1238). Siehe ferner Slobogin, Testilying: Police Perjury and What To Do About It, in: U. Colo. L. Rev. 1996, Vol. 67, S. 1037 (1045 ff.), welcher selbiges im polizei­ lichen Kontext vorschlug. 1162  Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (545 f.). Die PCLOB schlug vor, dass zur stichprobenartigen Prüfung zufällig Dokumente für das Parlament ausgewählt werden sollten. So PCLOB, Report on the Telephone Records Program Conducted Under Section 215 of the USA PATRIOT Act and on the Operations of the Foreign Intelligence Surveillance Court (2014), S. 141. 1163  Der einzige Richter der Demokraten am FISC ist derzeit James Jones. 1164  So schon The President’s Review Group on Intelligence and Communications Technologies, ODNI, Liberty and Security in a Changing World (2013), S. 207 f., verfügbar unter: http://www.whitehouse.gov/sites/default/files/docs/2013-12-12-rgfinal-report.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Kritisch dazu auch Donohue, Bulk Metadata Collection, in: Harv. J. L. & Pub. Pol. 2014, Vol. 37, S. 757 (825);

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Aus der global entstandenen Debatte wurden aber fast ausschließlich nur nationale Schlüsse gezogen, weswegen man sich wenig reformorientiert bei Themen der Eindämmung von globalen Massenüberwachungsmaßnahmen oder Schutz von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland zeigte.1165 Der FISC ist immer noch nur dafür da, um eine zu weitgehende Überwachung nationaler Kommunikation zu verhindern.1166 Zwar führte der damalige ­Präsident Barack Obama mit dem Judicial Redress Act einen erweiterten Schutzmechanismus durch den Privacy Act für Ausländerinnen und Ausländer ein, welcher aber im Bereich der nationalen Sicherheit nur sehr limitiert anwendbar ist und lediglich für 27 Staaten gilt.1167 Dennoch ist trotz all der Kritik am US-amerikanischen System hervorzuheben, dass eine unabhängige Kontrolle durch quasi-gerichtliche Organe durchgeführt wird und diese weitaus mehr Transparenz zulassen als in Deutschland oder Frankreich.1168 Daher bezeichnete die Venice Commission den FISC trotz eingeschränkter Unabhängigkeit als vorbildlich im Rechtsvergleich.1169

Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1230). 1165  Lachmayer/Witzleb, The Challenge to Privacy from Ever Increasing State Surveillance, in: U.N.S.W.L.J. 2014, Vol. 37, S. 748 (748 f.), welche auch zu dem Schluss kommen, dass kaum gerichtliche Kontrolle in den USA bei Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet werde. 1166  Siehe 50 U.S.C. § 1881a (c) (1), (g) [Sec. 702 FISA]. 1167  Vgl. 5 U.S.C. § 552 (b) (1) [Sec. 2 Judicial Redress Act]. Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1114 f.). Siehe zudem Attorney General Order No. 3824-2017 (Judicial Redress Act of 2015); Attorney General Designations, 82 Fed. Reg. 7860 (2017). 1168  Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1053). 1169  Report of the European Commission for Democracy through Law („Venice Commission“) on the Democratic Oversight of Signals Intelligence Agencies, 2015, CDL-AD(2015)011, S.  31 ff.



II. Auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle im Rechtsvergleich 533 Übersicht 4 Die spezielle auslandsnachrichtendienstliche Kontrolle in den USA seit 2015 Select Committee on Intelligence of the Senate Parlamentarisch

Permanent Select Committee on Intelligence of the House of Representatives Allgemeine parlamentarische Kontrolle durch den Senat und das Repräsentantenhaus Präsidentin bzw. Präsident

Exekutiv

Judikativ

Wichtigste beratende Organe der Präsidentin bzw. des Präsidenten: PIAB, IOB, NSC, DNI, PCLOB Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) und der Foreign Intelligence Surveillance Court of Review (FISCR)

3. Einzelne hervorzuhebende nachrichtendienstliche Kontrollansätze aus weiteren Staaten In Deutschland sind die Kontrolleure beim Zugang zu und bei der Offenlegung von Informationen stark beschränkt. Dabei würden regelmäßige und einfachere Kontrollbesuche der hierfür vorgesehenen Kontrolleurinnen und Kontrolleure sowie mehr Transparenz von auslandsnachrichtendienstlichen Aktivitäten nicht nur das Vertrauen in das rechtskonforme Handeln der auslandsnachrichtendienstlichen Stellen stärken, sondern ihre Legitimität generell festigen. Diese Probleme haben u. a. die Niederlande, Norwegen und Großbritannien gesehen und wirken diesen durch eine Stärkung der Kontrollorgane und stärkere Transparenz entgegen. Ohne auf deren nachrichtendienstlichen Kontrollarchitekturen in Gänze einzugehen, sollen diese drei Staaten in einem sehr engen Ausschnitt als Beispiele für eine bessere Transparenz und für einen besseren Zugang zu Informationen von Kontrollorganen hervorgehoben werden. In Norwegen besteht so für das dortige Kontrollorgan Stortingets kontrollutvalg for etterretnings-, overvåkings- og sikkerhetstjeneste, kurz EOS-Ausschuss, die Möglichkeit eines Echtzeitzugangs zum internen IT-System der Auslandsnachrichtendienste.1170 Nur in besonderen Ausnahmesituationen ist 1170  Das norwegische Kontrollgremium hat bspw. die Möglichkeit „free searches in the services’ computer systems“ in Echtzeit durchzuführen. Siehe dazu The Norwe-

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

die Versagung eines Zugangs zu spezifischen Informationen zulässig.1171 Darüber hinaus sind norwegische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der heimischen Nachrichtendienste jederzeit verpflichtet – selbst nach Dienstaustritt –, dem EOS-Ausschuss Auskunft über ihre Tätigkeiten zu geben.1172 Diese Auskunftspflicht ist dabei unabhängig von der Geheimhaltungsstufe der Information. Damit besteht für das norwegische Kontrollorgan ein wesentlich breiterer und besserer Zugang zu Informationen, als das in den bisher untersuchten Staaten der Fall ist. Ferner hat Norwegen die Transparenz bei Massenüberwachungen erhöht: So berichtet der EOS-Ausschuss regelmäßig öffentlich über die Anzahl von auslandsnachrichtendienstlich durchgeführten Selektorenabfragen, die fälschlicherweise Norwegerinnen und Norweger b ­ etrafen.1173 Auch in den Niederlanden besteht ein ähnlicher Zugang zu den nachrichtendienstlichen Datenbanken für die Commissie van Toezicht op de Inlichtingen- en Veiligheidsdiensten (CTIVD).1174 Hinzutritt jedoch, dass dieser Zugang sowohl für die Inlands- als auch die Auslandsfernmeldeaufklärung gilt, da die Niederlande als bisher einziger Staat auf eine Unterscheidung zwischen ausländischen und inländischen Daten bei der Regelung zur Auslandsfernmeldeaufklärung verzichten.1175 Aus technischer Sicht ist dies auch durchaus hervorzuheben, da in einer globalisierten Welt und einem grenzen­ unabhängigen Internet nationale Telekommunikationsmerkmale wie Ländervorwahlen und Top-Level-Domains nicht mehr zwangsläufig mit einem Ort oder einer Staatsangehörigkeit verknüpft sind.1176 Einen guten Zugang zu Kontrollinformationen haben ebenfalls die britischen Nachrichtendienste. Die Ausgestaltung des Investigatory Powers Tribunal und deren Investigatory Powers Commissioner ähnelt dabei der G10Kommission;1177 mit dem Unterschied, dass das britische Pendant mit der gian Parliamentary Intelligence Oversight Committee (EOS Committee), Annual Report 2015, S. 35. 1171  Siehe dazu The Norwegian Parliamentary Intelligence Oversight Committee (EOS Committee), Annual Report 2015, S. 34 f. 1172  Sec. 21 Norwegian Act relating to Oversight of Intelligence, Surveillance and Security Services (EOS-kontrolloven), 1995. 1173  Siehe dazu The Norwegian Parliamentary Intelligence Oversight Committee (EOS Committee), Annual Report 2018, S. 43 f. 1174  Vgl. Art. 7 Wet op de inlichtingen- en veiligheidsdiensten. Ferner Huber, § 15 G10, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 223. EL 2018, Rn. 26. 1175  Vgl. Wetzling/Vieth, Upping the Ante on Bulk Surveillance, 2018, S. 23. Die Thematik ist auch deshalb brisant, weil NSA-Generaldirektor Michael Hayden angab: „We kill people based on metadata.“ Zitiert in: Cole, „We Kill People Based on Meta­ data“, in: NYREV 2014. 1176  Siehe dazu auch näher Abschnitt E.II. 1177  Für „bulk collection“ bedarf es dabei eines Antrags der Exekutive beim Investigatory Powers Tribunal, der die Begründung des Anlasses, der Erforderlichkeit und



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle535

Einführung des Investigatory Powers Act 2016 ein umfassendes Auskunftsrecht hat und vollen Zugriff auf sämtliche zur Kontrolle erforderlichen ­Unterlagen der von ihnen überwachten Dienste erhalten muss.1178 Darüber hinaus sieht der Code of practice des Home Office ein internes Kontrollsystem vor. Bevor nachrichtendienstliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Datenabfragen Zugang zu Informationen erhalten, müssen sie darlegen, dass die Überwachung erforderlich und verhältnismäßig ist.1179 Ferner ist Großbritannien an mehr Transparenz und Beteiligung der Zivilgesellschaft gelegen: Das Investigatory Powers Commissioner’s Office lud 2018 NGOs und andere Interessierte öffentlich ein, Antwortvorschläge zu den Fragen einzureichen, welche Kriterien die Judicial Commissioners bei der Feststellung der Verhältnismäßigkeit von Massenüberwachungen berücksichtigen sollte und wie konkurrierende Faktoren zu berücksichtigen sein sollten.1180

III. Ein Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle in den USA und Frankreich im Verhältnis zu Deutschland Bisherige Vergleiche der auslandsnachrichtendienstlichen Kontrollarchitektur vor den Gesetzesnovellen aus 2016 attestierten dem deutschen System bisweilen eine sehr intensive und effektive Kontrolle.1181 Dass dies nicht für jeden Sektor tatsächlich zutraf, stellte auch die deutsche Bundesregierung fest und musste bereits zum vierten Mal seit 1990 mit zwei großen Gesetzespaketen nachbessern. Manche kamen bei rechtsvergleichenden Analysen zu dem Ergebnis, dass das beste System in den USA vorhanden sei – jedenfalls für den Rechtsstand vor Edward Snowden.1182 Dabei wird die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit erfordert. Ablehnungen durch Judicial Commissioner müssen begründet werden. Vgl. dafür Part 6, Ch. 1, Sec. 140 Investigatory Powers Act 2016. 1178  Vgl. für die Auskunftsrechte des Investigatory Powers Tribunal im Vereinigten Königreich: EGMR, Big Brother Watch and Others v. United Kingdom, Appl. No.  58170/ 13 u. a., Rn. 250, 379. Für die unbeschränkten Auskunftsrechte des Investigatory Powers Commissioner siehe Annual Report of the Investigatory Powers Commissioner, 2017, S. 41. Anzumerken ist jedoch, dass Part 6, Chapter 1 des Investigatory Powers Act 2016 eine sehr weitgehende anlasslose Massenüberwachungen erlaubt. Siehe dazu auch Leigh, in: Dietrich/Sule, Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 553 ff. 1179  UK Home Office, Interception of Communications, Code of Practice, 03/2018, 6.14. 1180  Investigatory Powers Commissioner’s Office, IPC Invitation for Submissions on Issues Relevant to the Proportionality of Bulk Powers, 03/2018. 1181  So Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (439); Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, 1996, S. 320. 1182  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 365.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Auslandsnachrichtendienste in den USA von anderen seit Jahren als „the worst of all oversight worlds“ bewertet.1183 Seit 2015 mussten so auch in den USA zahlreiche Gesetzesanpassungen verabschiedet werden, da das bisherige System trotz invasiver Überwachungsmöglichkeiten intransparent und lückenhaft war. Diese einseitig negativen Bewertungen der Kontrollarchitekturen in Deutschland und den USA werden den Systemen allerdings nicht gänzlich gerecht, da beide Staaten bereits eine lange Historie an nachrichtendienstlich niedergeschriebener Kontrolle aufweisen – vor allem im Verhältnis zu Frankreich. Gerade die USA hatten lange Zeit einen Vorbildcharakter für andere Kontrollsysteme. Frankreich wiederum spielte jahrelang in Rechtsvergleichen kaum eine Rolle, da erst 2015 erstmalig eine Regulierung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit eingeführt wurde, die jedoch viele neue und innovativere Kontrollinstrumente enthielt. 1. Exekutiver Kontrollbereich im Rechtsvergleich Die institutionelle und normierte Kontrolle seitens der Exekutive von auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit ist in den USA weitaus länger existent als in Frankreich oder Deutschland.1184 Die auslandsnachrichtendienstliche Kontrollstruktur ist in allen Staaten zwar mittlerweile vorhanden, aber stark exekutivlastig ausgeprägt.1185 In Frankreich ist die Premierministerin bzw. der Premierminister für Anordnungen auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungsmaßnahmen zuständig und kann den Diensten Weisungen erteilen, was in den USA ebenfalls von der Präsidentin bzw. vom Präsidenten im Rahmen der Executive Branch und in Deutschland überwiegend vom Bundeskanzleramt übernommen wird. Dadurch ist die Überprüfung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit nicht im vollen Umfang von politischer Einflussnahme losgelöst.1186

1183  So Lowenthal, Intelligence, 6. Aufl. 2015, S. 87; Zegart, Eyes on Spies, 2011, S. 115 f. A. A. in Bezug auf die Kontrollqualität im Vergleich zu Spanien, Großbritannien und Deutschland: Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 345 ff. 1184  Siehe Senate Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, 1975–76 (Church Committee), Final Report, REP. No. 94-755, 1976, S. v. 1185  So auch Kramer, The Director of National Intelligence and Congressional Oversight of the Intelligence Community, in: Kan. J. L. & Pol. 2011, Vol. 20, S. 452 (474 f.). 1186  Kritisch Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1053). Ähnlich Katzen, Correspondence, A Reality Check on an Empirical



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle537

Hinzutritt, dass die exekutive Kontrolle zwar den besten Zugang zu Informationen in den Vergleichsstaaten erhält und dort eine Vielzahl exekutiver Beratungseinrichtungen besteht, die anhand dessen teilweise auch eine Recht­mäßigkeitsprüfung durchführen.1187 Entgegengesetzt dazu nehmen aber fast all diese Exekutivorgane – trotz teils umfassender Regelungen – lediglich aufsichtliche Befugnisse wahr, womit eine Ergebniskontrolle der gewonnenen Informationen und nicht die Rechtmäßigkeitskontrolle der Methoden oder angewandten Maßnahmen im Vordergrund steht.1188 Die exekutiven Stellen dienen mithin lediglich als Beratungsorgane.1189 In Deutschland übernimmt die Dienst- und Fachaufsicht im Bundeskanzleramt die präventive Rechtmäßigkeitskontrolle auf exekutiver Seite und wird zusätzlich repressiv von der bzw. dem BfDI ergänzt. In Frankreich sieht das ähnlich aus: Die präventive Kontrolle wird lediglich von exekutiver Seite von der anordnenden Stelle übernommen. Die bestehende Groupement interministériel de contrôle führt lediglich eine repressive Kontrolle durch. Die exekutive Kontrolle gestaltet sich daher eher unsystematisch und die internen Befugnisse sind ungleich ausgestaltet.1190 Überdies fehlen in Frankreich systematische Kontrollen mit stärkeren Befugnissen gegenüber den auslandsStudy, in: Mich. L. Rev. 2007, Vol. 105, S. 1497 (1498), welche davon spricht, dass die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit auf das Weiße Haus zentralisiert sei. 1187  Die Vergangenheit zeigte jedoch, dass in den USA oder Deutschland zahlreiche Anhaltspunkte vorlagen, dass die Auslandsnachrichtendienste selbst die anordnenden Stellen nicht umfassend aufgeklärt haben. Siehe zu Geheimgefängnissen: Senate Select Committee on Intelligence, Committee Study of the CIA’s Detention and Interrogation Program, 2014, S. 2 ff., verfügbar unter: https://web.archive.org/web/ 20141209165504/http://www.intelligence.senate.gov/study2014/sscistudy1.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ebenso soll Stellar Wind, das ehemalige präsi­diale Überwachungsprogramm während der Bush-Administration, diesen Punkt nochmal stärken. Trotz der Vielzahl an Beraterinnen und Beratern, die hiergegen rechtliche Bedenken äußerten, wurde Stellar Wind ohne richtige präsidiale Kontrollmöglichkeit genehmigt. Zusammenfassend und kritisch dazu Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harvard Law Review 2016, Vol. 129, S. 633 (648, 654); Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 18 ff., 55 f., 112. 1188  So auch Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harvard Law Review 2016, Vol. 129, S. 633 (646). 1189  Mit den Reformen 2015 wurden die Voraussetzungen für ein Gremium – Panel de contrôles complémentaires – geschaffen, welches bisherige Kontrollmechanismen bewertet und Vorschläge für Regulierungsmöglichkeiten unterbreiten kann, damit die nachrichtendienstliche Tätigkeit im rechtsstaatlichen Rahmen stattfindet. 1190  Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (41). Ebenso Urvoas/Verchère, Pour un „État secret“ au service de notre démocratie, rapport d’information sur l’évaluation du cadre juridique applicable aux services de renseignement vom 14.05.2013, Doc. AN n° 1022, S. 54 ff.; Délégation parlementaire au renseignement, Le rapport public de la Délégation parlementaire au renseignement pour l’année 2014, S. 70 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

nachrichtendienstlichen Behörden, die über Beratungsfunktionen hinausgehen.1191 In den USA ist dieser Mechanismus nur teilweise anders ausgestaltet. Einerseits werden die Beratungen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen für die Präsidentin bzw. den Präsidenten bereits vorab sowie repressiv durch den NSC und das PCLOB durchgeführt, wobei ersteres zudem interministeriell besetzt ist, um eine bessere Verknüpfung der einzelnen Ministerien zu erreichen.1192 Die untergeordneten Gremien haben aber lediglich beratende Funktion für die Präsidentin bzw. den Präsidenten und die wenigen Befugnisse, die ihnen über die Executive Order 12.333 zustehen, sind überwiegend unbestimmt oder beinhalten zu manchen Verantwortlichkeiten gar keine Regelungen.1193 Die Kontrollmöglichkeiten sind in den USA noch stärker von der Regierung abhängig: So hat die Trump-Administration erst nach fast drei Jahren Amtszeit Mitglieder für das Intelligence Advisory Board berufen.1194 Daher herrscht unter der Literatur in den USA auch große Skepsis über den Nutzen der Executive Intelligence Advisory Boards, weil diese kaum effektive Kontrollmechanismen besitzen,1195 deren Aufgabenwahrnehmung willkürlich erscheint und sie ausschließlich beratend tätig sind.1196 Daher wurden viele exekutive Kontrollmechanismen lediglich dafür geschaffen, um eine „compliance“ zwischen nachrichtendienstlicher Überwachung und den Civil Liberties herzustellen – eine Einhaltung derer unterliegt allerdings kaum Kontrollen der exekutiven Stellen.1197 Trotz dieser 1191  Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (42). 1192  Die Executive Order 12.333 stellt klar, dass die Executive Branch die Überwachungsmaßnahmen überprüfen und genehmigen soll. So Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1053). 1193  Johnson, National Security Intelligence, 2012, S. 178, der die Stelle des DNI auch als „cardboard cutout“ bezeichnet. Siehe ferner Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (648 f., 655); Chesney, Further Thoughts on Congressional Oversight, the UBL Operation, and the Title 10/Title 50 Issue, in: Lawfare vom 03.05.2011. 1194  Vgl. McLaughlin, A Key Intelligence Advisory Board Has No Members, in: Foreign Policy vom 30.11.2017. 1195  So Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (649 f.). Zusammenfassend dazu Absher/Desch/Popadiuk, Privileged and Confidential, 2012, S. 325 ff. 1196  Das IOB übernimmt eine generelle rechtliche Überprüfung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit, wohingegen das PCLOB nur für die Privatsphäre und die Civil Liberties zuständig ist und sich wiederum auf terroristische Maßnahmen fokussiert. Vgl. PCLOB, Report on the Telephone Records Program Conducted Under Section 215 of the USA PATRIOT Act and on the Operations of the FISC (2014), S. 104. 1197  So Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1215).



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle539

Kritik zeigte sich in der Vergangenheit allerdings ebenso, dass die Stellen in den USA die Möglichkeit haben, mit ihren Vorschlägen auf Veränderungen in der Durchführung auslandsnachrichtendienstlicher Maßnahmen Einfluss zu nehmen. So wurden einzelne Empfehlungen des PCLOB mit dem USA FREEDOM Act implementiert.1198 Auch veröffentlichte das ODNI einige Daten der überwachten Kommunikation und deren Überprüfungen aus Transparenzgründen.1199 Generell ist somit festzustellen, dass eine systematische und effektive Kontrolle repressiver sowie präventiver Natur weder in den USA, Frankreich noch in Deutschland seitens der Exekutive vorhanden ist.1200 Daran können ferner die deutsche Stelle der bzw. des BfDI oder das amerikanische Pendant des PCLOB nicht viel ändern, da deren Kontrollbefugnisse zumeist schwach ausgestaltet sind und dies auch die Berichtspflichten gegenüber dem Parlament nicht kompensieren können. Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass alle Staaten diese Kontrolllücken durch interne Beschwerdemöglichkeiten zu schließen versuchen. In den USA besteht hierfür die Möglichkeit beim CLPO. In Deutschland und in Frankreich gibt es eine eigene Hinweisgeberinnen- bzw. Hinweisgeber-Regelung für Missstände. Nichtsdestotrotz sind alle Systeme nicht whistleblowerfreundlich ausgelegt. In Deutschland und Frankreich besteht für diese Personen kein Schutz auf Anonymität und wird vielmehr in ersterem der strafrechtliche Verrat von Informationen hervorgehoben. Einen ähnlichen Ansatz wählte das PSCIHR in den USA, welches vorschlug, diese Beschwerdemög-

1198  Z. B. Verbesserungen in Bezug auf den FISC, mehr Transparenz und teilweise wurden Programme beendet, die zur Massenüberwachung eingesetzt wurden. Siehe dazu PCLOB, Fact Sheet: Recommendations Implemented by the Government, 2016, verfügbar unter: https://www.pclob.gov/library/Recommendations_Assessment_Fact Sheet_20160205.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Auch sorgte die PCLOB dafür, dass die NSA ihre „targeting procedures“ anpasste und nun für die individuelle Überwachung den Wert der Überwachung bei dem FISC schriftlich darlegen muss, was vor allem eine Verbesserung für die überwachten Ausländerinnen und Ausländer darstellt. Siehe PCLOB, Report on the Surveillance Program Operated Pursuant to Section 702 of the Foreign Intelligence Surveillance Act 2014, S. 11, 134 f., verfügbar unter: https://www.pclob.gov/library/702-Report.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ebenso Banks, Next Generation Foreign Intelligence Surveillance Law, in: U. Rich. L. Rev. 2017, Vol. 51, S. 671 (686). 1199  Siehe ODNI, Statistical Transparency Report Regarding Use of National Security Authorities: Annual Statistics for Calendar Year 2015, 2016, verfügbar unter: https://www.dni.gov/files/icotr/ODNI %20CY15 %2OStatisticalo20Transparency2OR eport.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1200  So auch Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (636, 695 ff.).

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

lichkeiten durch effektive Mechanismen gänzlich einzudämmen, um öffent­ liches Whistleblowing generell zu vermeiden.1201 Darüber hinaus muss man den personellen Missstand im exekutiven Kontrollsektor in Frankreich und Deutschland gegenüber den USA hervorheben. Allein die bzw. der DNI besteht aus ca. 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, was den gesamten Umfang der deutschen und französischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im exekutiven Sektor erheblich übersteigt.1202 2. Parlamentarischer Kontrollvergleich Aufgrund der Kontrolldefizite, wegen der Nähe von Kontrollobjekt und Kontrollorganen im exekutiven Bereich sowie im Hinblick auf die Gewaltenteilung haben alle Staaten Kontrollmechanismen außerhalb der handelnden Behörden eingeführt.1203 Die genaue parlamentarische Ausgestaltung der Kontrolle ist in den USA, Deutschland und Frankreich allerdings sehr unterschiedlich. Wohingegen die USA und Deutschland bereits seit Ende der 1950er- bzw. zu Beginn der 1960er-Jahre parlamentarische Kontrollgremien und auslandsnachrichtendienstliche Gesetze hierzu schufen, wurde in Frankreich erst 2007 ein parlamentarisches Gremium einberufen. Mit der CNCTR schuf Frankreich 2015 hingegen eine Kommission, die in den USA und Deutschland ihresgleichen sucht. Beide letztgenannten Staaten haben ein streng gewaltenuntergliedertes System mit einer Vielzahl von Kontrollstellen, die zumeist untereinander der Geheimhaltung unterliegen. Frankreich versucht diese zersplitterte und wissensparzellierte Architektur ein Stückweit aufzubrechen, um eine zentralisierte und fachkompetente Kontrolle zu schaffen, in welcher parlamentarische, höchstrichterliche und sachverständige Mitglieder zusammen agieren. Ferner zeigt nur das französische System eine gewaltenübergreifende Kon­ trollarchitektur, in der auch IT-Expertinnen bzw. -Experten vertreten sind. All das erhöht die Kontrolldichte und ermöglicht einen umfassenderen Blick für die Kontrolleurinnen und Kontrolleure. 1201  Vgl. PSCIHR, Review of the Unauthorized Disclosures of Former National Security Agency Contractor Edward Snowden, 15.09.2016, S. i, iii. 1202  Vgl. dafür ODNI, Factsheet, verfügbar unter: https://www.dni.gov/files/docu ments/FACTSHEET_ODNI_History_and_Background_2_24-17.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020), welches allerdings nur grob, von unter 2000 Beschäftigten spricht. Von 1500 ausgehend aber O’Connell, The Architecture of Smart Intelligence, in: Calif. L. Rev. 2006, Vol. 94, S. 1655 (1668). Aus deutscher Perspektive siehe ­Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 314. 1203  So in conclusio auch Rascoff, Presidential Intelligence, in: Harv. L. Rev. 2016, Vol. 129, S. 633 (693 ff.).



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle541

Auf der anderen Seite sind die Befugnisse und der Kontrollumfang der CNCTR wesentlich zurückhaltender ausgeprägt als in den USA und Deutschland. Im Verhältnis zu diesen gibt es kein Recht auf Sondervoten bei abweichenden Meinungen von Kontrollmitgliedern, keine Möglichkeit von umfassenden Auskunftsersuchen gegenüber auslandsnachrichtendienstlichen Mit­ arbeiterinnen bzw. Mitarbeitern und die Kontrollen haben nur empfehlenden Charakter für die Präsidentin bzw. den Präsidenten.1204 Dementsprechend gering sind aber die Hürden der CNCTR zur Anrufung des Conseil d’État, der lediglich eine Eindrittelmehrheit der Kommission oder die Anrufung durch die Vorsitzende bzw. den Vorsitzenden verlangt. Beim PKGr bedarf es im Vergleich dafür eine Zweidrittelmehrheit. Darüber hinaus ist die zentralisierte Kontrolle in Frankreich hinsichtlich einer pluralistischen Besetzung der französischen Kontrollkommission und des DPR durchaus unausgewogener, da bei der DPR nur die sechs nicht-gesetzten Mitglieder pluralistisch besetzt werden und es vorkommen kann, dass eine Oppositionspartei gar nicht vertreten ist, was in Deutschland und den USA in der Praxis bei den parlamentarischen Kontrollgremien nicht vorkommt darf.1205 Im Gegenteil sind im US-amerikanischen SCIS nicht die Mehrheitsverhältnisse des Parlaments widergespiegelt, sondern hat die Opposition lediglich einen Sitz weniger.1206 Das ist auch für die Befugnisausübung relevant: In Deutschland, wo die Mehrheitsverhältnisse im PKGr stets zugunsten der Regierung ausfallen, wird zusätzlich eine Zweidrittelmehrheit für die meisten Befugnisse benötigt. Diese Minderheitenrechte sind gerade in den USA im Ausschuss des Senats zumindest anders und beide Commitees 1204  Auch die Affäre Dreyfus/Merah zeigte in Frankreich, dass andere parlamentarische Kontrollmechanismen nicht benutzt werden, um eine Aufarbeitungskultur bei Defiziten zu verfolgen. Hierbei wurde bspw. kein Untersuchungsausschuss eingesetzt, sondern sich lediglich allgemein mit Problemen im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich auseinandergesetzt und hieraus abstrakt Schlüsse gezogen. So Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 190 f. Siehe ferner Raimbourg, Rapport vom 04.12.2012, Doc. Ass. Nat. N° 471, S. 10. Loch Johnson kritisierte in Bezug auf die USA allerdings, dass seit dem Bestehen der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste die Motivation zur tatsächlichen Kontrolle diskontinuierlich wechselte und der Wille von Aufklärung und wirksamer Kontrollmechanismen von den unterschiedlichen Auffassungen der Demokraten und Republikaner geprägt waren. So Johnson, USA, in: Smidt/Poppe/Krieger/Müller-Enbergs, Geheimhaltung und Transparenz, 2007, S. 173 (190). 1205  Das kritisierend Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S.189 f. 1206  Es muss aber berücksichtigt werden, dass die Parteienlandschaft in den europäischen Untersuchungsländern pluralistischer ausgestaltet ist. Ebenso stellt Laura Donohue dar, obwohl die Ausgestaltung des SCIS nach den Erkenntnissen der Watergate-Affäre ausgewogener stattfinden sollte, dennoch bis 2014 die Opposition ausgespäht wurde. Dies., The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 112 f.

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

on Intelligence benötigen für die Zustimmung, um beispielsweise abweichende Meinungen zu veröffentlichen, lediglich eine einfache Mehrheit. Weiterhin existieren nur in den USA und in Deutschland öffentliche Anhörungen der Leiterinnen bzw. Leiter der jeweiligen Auslandsnachrichtendienste. Diese Form der Transparenz ist positiv hervorzuheben, um ein öffentliches Verständnis für die sensiblen Tätigkeiten der Dienste zu generieren und die Kontrolle nicht ausschließlich im Verborgenen stattfinden zu lassen. Deren Erfolg ist aber abhängig von der Auskunftsbereitschaft der Dienste. Personell betrachtet ist zu ergänzen, dass die USA einen wesentlich größeren Mitarbeiterinnen- bzw. Mitarbeiterstab für die parlamentarischen Kon­ trollorgane als in Frankreich und Deutschland aufweisen. In Deutschland dürfen wegen der strikten Geheimhaltung nur die ordentlichen Mitglieder an Sitzungen teilnehmen.1207 Hingegen ist anzumerken, dass es einerseits gerade in den USA problematisch ist, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst früher bei den Nachrichtendiensten tätig waren und es so zu einer Vermengung der Kontrolleure und Kontrollierten kommt, andererseits damit aber auch viel Expertise und Insiderkenntnis verfügbar ist.1208 Gleich ist den Systemen, dass seitens der Exekutive stets die Möglichkeit besteht, Informationen aus Geheimhaltungsinteressen zu verweigern, dass die öffentlichen Berichte in den Parlamenten sehr vage und wenig aussagekräftig gehalten und die Kontrollinformationen nicht aufgrund eigener Recherche der Gremien gewonnen werden.1209 Ferner haben die parlamentarischen Gremien keine Befugnisse, in Operationen der Dienste einzugreifen oder diese 1207  Von insgesamt 60 Personen sprach 2009 Dominic Hörauf. Siehe ders., Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 300 unter Verweis auf Born, Democratic and Parliamentary Oversight of the Intelligence Services, 2002, S. 19. 1208  Vgl. Klein, Art 45d, in: Maunz/Dürig, GG, 85. EL 2018, Rn. 19. 1209  Ebd., Rn. 19, welcher meint, dass diese Berichte „skeletal in nature“ seien und kaum inhaltliche Aussagen über das tatsächliche Vorgehen und Ausmaß treffen, was eine Bewertung der Arbeiten durch das Parlament erheblich erschwere. Ähnlich Clark, Congress’s Right to Counsel in Intelligence Oversight, in: U. Ill. L. Rev. 2011, S.  915 (935 ff.); Krumrey, Die Inlandsnachrichtendienste in Frankreich und Deutschland, 2014, S. 183, 192; Vadillo, Les Modalités du Contrôle Démocratique des Services de Renseignement: Scruter L’État Secret, in: Après-demain 2016, Vol. 37, S. 40 (42). Gerade aber im Zuge der Snowden-Enthüllungen zeigten mehrere öffentlich zugängliche Berichte des PSCIHR, dass diese sich überwiegend mit der unautorisierten Veröffentlichung der Informationen und deren Schäden für die nationale Sicherheit beschäftigten als mit dem Grundproblem auslandsnachrichtendienstlicher Arbeit. Vielmehr kritisieren sie, dass die NSA und CIA seit den Veröffentlichungen nicht genug unternommen habe, damit dieses Problem nicht wieder auftrete. Vgl. PSCIHR, Review of the Unauthorized Disclosures of Former National Security Agency Contractor Edward Snowden, 15.09.2016, S. i, iii.



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle543

gar zu beenden.1210 Den Stellen, denen dies erlaubt wäre – dem FISC oder dem Unabhängigen Gremium – stehen dafür aber nur limitierte Auskunftsansprüche bei den parlamentarische Kontrolleurinnen und Kontrolleuren gegenüber.1211 3. Judikativer und quasi-gerichtlicher Kontrollvergleich Auf judikativer Seite weisen alle drei Staaten quasi-gerichtliche bzw. gerichtlich-atypische Kontrollorgane auf, die außerhalb der Exekutive angesiedelt sind und deren vorherige Anrufung notwendige Voraussetzung für eine auslandsnachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahme ist.1212 In Frankreich kann die CNCTR jedoch für die lediglich existierende Kontrolle mit Auslandsbezug nur eine Empfehlung aussprechen, aber bei Nichteinhaltung durch die Exekutive den Conseil d’État zur Prüfung anrufen.1213 Das ist positiv zu bewerten, da bei Streitigkeiten über die Ausübung der Befugnisse des CNCTR der Rechtsweg offensteht und zugleich Vertreterinnen und Vertreter des Conseil d’État im CNCTR sitzen. Die Kontrolle wird also zentralisiert und gewaltenübergreifend vorgenommen. In Deutschland kann zwar auch das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich über Streitigkeiten hinsichtlich des BND angerufen und in den USA die Überprüfung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeiten vor den ordent­lichen Gerichten eingeklagt werden, was im Vergleich zu Frankreich sogar für Individuen einfacher möglich ist.1214 Die eigentliche präventive und repressive Kontrolle der geWhen Should State Secrets Stay Secret?, 2015, S. 14 ff., 174 ff. verdeckten Ermittlungen müssen sogar nur die Committees on Intelligence informiert werden. Ebd., S. 104. Auch die Informationen, die die Exekutive an parlamentarische Kontrollgremien weiterleitete, führten nicht zu einer Entwicklung eines Problembewusstseins für exzessive Massenüberwachungen. So kritisch US District Court of Appeals 2nd District, ACLU v. Clapper, 785 F.3d 787 (2015), S. 819 f.; Margulies, Dynamic Surveillance, in: Hastings L. J. 2014, Vol. 66, S. 1 (46 f.); Goitein/ Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 51. 1212  Da der Judicial Redress Act in den USA im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich kaum Anwendung findet, ist er für Ausländerinnen und Ausländer kaum wirksam. Vgl. dafür bereits Abschnitt D.II.2.d)cc). Die Ausland-Ausland-Überwachung wird in den USA damit fast ausschließlich über die Executive Order 12.333 geregelt, die keine unabhängigen Kontrollinstrumente beinhaltet. Siehe dazu Goitein/ Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 27. Die Diskussion in den USA geht jedoch nicht dahin, Ausländerinnen und Ausländern mehr Schutz einzuräumen, sondern noch klarer die Nationalitäten und Aufgabenbereiche zu definieren, um US-Bürgerinnen und US-Bürger effektiver zu schützen. 1213  Eine ähnliche Möglichkeit existiert weder für den FISC noch für deutsche quasi-gerichtliche Kontrollstellen. 1214  Vgl. dazu Beaud, Es gibt eine Vernachlässigung des Rechts in Frankreich, in: VerfBlog 06.06.2015, welcher umschreibt, dass es für Individuen schier aussichtslos 1210  Lester, 1211  Bei

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

heimen Maßnahmen wird aber von anderen Gremien übernommen, die selber nicht eine Angelegenheit an die ordentliche Gerichtsbarkeit überweisen oder die höchsten Gerichte bei Streitigkeiten anrufen dürfen.1215 Zusätzlich dazu hat Frankreich strafrechtliche Sanktionsmechanismen eingeführt, sollte das CNCTR von zuständigen Stellen nicht rechtzeitig oder umfassend über alle notwendigen Erkenntnisse zur Kontrolle informiert werden. Derartige Sanktionsmechanismen bestehen weder in den USA noch in Deutschland, obgleich in letztbenannten Ländern vermehrt Berichte öffentlich wurden, dass Nachrichtendienste ihren Informationspflichten rechtswidrig nicht nachgekommen sind oder sogar die eigenen Kontrollgremien überwachten.1216 Die Befugnisse in Frankreich sind damit schwächer, die Konsequenzen bei Nichteinhaltung jedoch deutlich intensiver als in den USA oder Deutschland ausgeprägt. Gemein ist diesen Kontrollgremien, dass sie geheim, ex parte, unter Zeitdruck und lediglich aufgrund von Fremdinformationen über die Rechtmäßigkeit auslandsnachrichtendienstlicher Handlungen entscheiden, was in allen Staaten durchaus kritisch bewertet wird.1217 Zumindest die ersten beiden Aspekte haben die USA 2015 beheben wollen, in dem der FISC einerseits eine Transparenzoffensive startete und nicht nur vergangene Beschlüsse veröffentlichte,1218 sondern auch zukünftig alle signifikanten Interpretationen oder Entscheidungen unter Wahrung der Geheimhaltung veröffentlichen wird. Kritisch daran ist zu bemerken, dass durch die bisher sehr selektive Veröffentlichung US-Bürgerinnen und US-Bürger immer noch nicht wissen, wie der FISC das geltende Recht auslegt und welche Mechanismen geneh-

sei, Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten zu erhalten. Siehe auch Abschnitt D.II.1.e). 1215  Im Rahmen der G10-Kommission: BVerfGE 143, 1, 8 ff. – NSA-Selektoren (G10-Kommission). 1216  Siehe Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1170 ff.); Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S.  112 f. Ferner Leyendecker/Pinkert, BND behindert Kontrollgremium bei der Arbeit, in Süddeutsche Zeitung vom 07.12.2017. 1217  So selbst Richter am FISC Laurence Silberman, Hearings before the Subcommittee on Legislation of the PSCIHR, 95th Cong. 224 (1978) [H.R. 5794, H.R. 9745, H.R. 7308 und H.R. 5632]. Ähnlich Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015, S. 7; Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1241 ff.); Clarke, Ex Parte Proceedings and the FISC Win Rate, in: Stan. L. Rev. Online 2013/14, Vol. 66, S. 125 (127 ff.). 1218  Kein Beschluss beinhaltet aber eine Bestätigung von Massenüberwachungsmaßnahmen. Ferner Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1205).



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle545

migt wurden.1219 Ebenfalls wurden die bestehenden Befugnisse nicht erweitert und besteht für den FISC weiterhin kaum eine Möglichkeit, eine vollumfassende Kontrolle individueller Maßnahmen durchzuführen.1220 Die fehlende Unabhängigkeit wurde vor allem von der Venice Commission bemängelt.1221 Andererseits wirkte der FREEDOM Act dem Ex-parte-System entgegen, in dem der FISC nach eigenem Ermessen eine bzw. einen Amicus curiae bestellen kann, um für einzelne Verfahren eine unabhängige Verteidigung für die fehlenden Parteien zu gewährleisten, die jedoch selber an den eigentlichen Verhandlungen nicht mitwirken dürfen.1222 Dem steht jedoch entgegen, dass 1219  So kritisch Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1169 ff.); Persinger, Reforming the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Campbell L. Rev. 2015, Vol. 37, S. 519 (524), die den FISC lediglich als „show“ bzw. dessen Kontrolle als „insignificiant“ bezeichnete, da seit 30 Jahren kaum eine Anordnung abgelehnt und die Genehmigungsbefugnisse für strittige Maßnahmen stetig erweitert wurden. Ähnlich kritisch Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Indiana Law Journal 2016, Vol. 91, S. 1191 (1205). Siehe für Kritik vor den Novellierungen Butler, Standing Up to Clapper, in: New Eng. L. Rev. 2013, Vol. 48, S. 55 (86 ff.). Das neue Amicus curiae-System förderte aber zumindest auch positives zu Tage: Amicus curiae Amy Jeffress wurde in Beug auf die Beurteilung von Sec. 702 FISA vom FISC bestimmt und argumentierte, dass die Bestimmung verfassungswidrig war, weil sie gegen das 4th Amendment verstoße und zudem an Bestimmtheit mangele. Allerdings hielt der FISC an der Verfassungsmäßigkeit fest. Siehe dazu FISC, Memorandum and Opinion Order vom 06.11.2015, verfügbar unter: https://www.dni.gov/files/documents/20151106-702Mem _Opinion_Order_for_Public_Release.pdf (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 1220  Das erklärt die hohe Anzahl an genehmigten Überwachungsanträgen. So Clarke, Is the Foreign Intelligence Surveillance Court Really a Rubber Stamp: Ex Parte Proceedings and the FISC Win Rate, in: Stan. L. Rev. Online 2013/14, Vol. 66, S. 125 (132); Goitein/Patel, What Went Wrong With The FISA Court, 2015 S. 49. 1221  Report of the European Commission for Democracy through Law („Venice Commission“) on the Democratic Oversight of Signals Intelligence Agencies, 2015, CDL-AD(2015)011, S. 31 ff., die den FISC dennoch als vorbildlich im Rechtsvergleich einordnete. 1222  Die neu geschaffene Möglichkeit einer Berufung einer bzw. eines Amicus Curiae ist aber selbst wieder sua sponte – lediglich dem Gericht überlassen. Kritisch wird daher weiterhin gesehen, dass vor dem FISC in der Regel lediglich die Anordnung der Regierung begutachtet werde, ohne die potenziellen Betroffenen oder einen Anwalt dieser zu hören. Die Praxis zeige, dass der FISC nur mit den Regierungsparteien verhandelt und sogar nur solche Personen in den Gerichtssaal lässt, die die nötige Sicherheitsfreigabe haben, womit lediglich eine Handvoll von Regierungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern überhaupt an diesen Terminen teilnehmen dürfen. So Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1202 ff., 1246) mit Verweis auf FISA Court Rule 17 (b). Ähnlich dazu The President’s Review Group on Intelligence and Communications Technologies, ODNI, Liberty and Security in a Changing World (2013), S. 205 ff.; Butler, Standing Up to Clapper, in: New Eng. L. Rev. 2013, Vol. 48, S. 55 (86 ff.). Ferner Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017,

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

es für Entscheidungen des FISC lediglich die Berufungsmöglichkeit für die Regierung gibt, die in der Vergangenheit zeigte, dass strittige Entscheidungen letztlich doch genehmigt werden konnten. In Deutschland existiert keine derartige Entwicklung: Lediglich dem PKGr ist es möglich, Sachverständige einzuberufen, welche allerdings der quasigerichtlichen Kontrolle die Berichte zur Verfügung stellen können. Veröffentlichungen von oder unabhängige Beistände für Entscheidungen über Überwachungsanordnungen durch quasi-gerichtlichen Einrichtungen in Frankreich oder Deutschland sind nicht vorhanden,1223 sondern in beiden Ländern werden lediglich abstrakte Zahlen von Überwachungsanordnungen an das Parlament übermittelt. Diese öffentlichen Berichte existieren in allen Staaten, wobei in Frankreich erst seit 2015 und nur durch eine interne Verwaltungsvorschrift auch zu auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeiten Stellung bezogen wird. Neben der abstrakten Kenntniserlangung von auslandsnachrichtendienst­ lichen Tätigkeiten werden erst seit 2015 individuelle Mitteilungen über abgeschlossene Überwachungsmaßnahmen in den USA und Frankreich vorgenommen.1224 Im deutschen G10-System existieren solche Verpflichtungen und Auskunftsansprüche von vermeintlich Betroffenen wesentlich länger. Allen Systemen ist dennoch gleich, dass diese Mitteilungen sehr rar sind und wegen des starken Geheimhaltungsschutzes in der Regel nicht übermittelt werden, um die Arbeit der Dienste nicht zu beeinträchtigen und die nationale Sicherheit nicht zu gefährden. Selbiges gilt für die Beschwerdemöglichkeiten bei den einzelnen Gremien durch Individuen: Seit der Einrichtung der CNCTR wurden von über 100 Beschwerden keine zur Kontrolle an den Conseil d’État weitergeleitet,1225 in Deutschland waren solche bei der G10Kommission seit 2011 alle nicht erfolgreich1226 und in den USA existiert keine unabhängige Stelle, die Beschwerden entgegennimmt.1227

Vol. 85, S. 800 (855), welcher sich daher dafür ausspricht, eine eigene dauerhafte Stelle für eine bzw. einen Amicus Curiae zu schaffen. 1223  Zumindest kann man die IT-Expertin bzw. den IT-Experten bei der CNCTR als externe Sachverständigenstelle betrachten. 1224  Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1114). 1225  Vgl. Abschnitt D.II.1.e). 1226  Vgl. Abschnitt D.I.2.d)cc). 1227  So Margulies, Surveillance by Algorithm, in: Fla. L. Rev. 2016, Vol. 68, S. 1045 (1114 f.). Jedoch besteht die Möglichkeit über den Freedom of Information Act oder den Privacy Act direkt bei der CIA oder der NSA einen Auskunftsanspruch zu stellen. Siehe dazu: 50 U.S.C. Chapter 15, Subchapter V.



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle547

Des Weiteren gibt es in der organisatorischen Struktur in allen drei Staaten Unterschiede. In den USA existieren wesentlich mehr Richterinnen und Richter, wohingegen von den elf zuständigen lediglich eine Einzelrichterin bzw. ein Einzelrichter über die Überwachungsanordnung zeitnah entscheidet, ohne die Möglichkeit zu haben, bei schwierigen Rechtsfragen die Frist zu verlängern oder das Plenum anzurufen. Ebenfalls ist die Zusammensetzung des FISC problematisch: Die bzw. der Chief Justice hat fast ausschließlich die alleinige Befugnis bei der Besetzung der Ämter, wobei seit 2014 von 20 Mitgliedern lediglich drei Demokraten benannt wurden, was wegen der zwei komplett verschieden Lager und Auffassungen in den USA auch die Review Group kritisierte.1228 Sie werden zudem für einmalig sieben Jahre besetzt, womit stets wenig erfahrene Personen die Richterinnenbzw. Richterposition einnimmt.1229 In Frankreich hat die CNCTR zwar neun Mitglieder, wovon allerdings nur vier von judikativer Seite stammen. Diese können wiederum bei schwierigen Rechtsfragen das Plenum ersuchen und die Entscheidung damit zeitlich angemessen zurückstellen. In Deutschland sitzen sowohl in der G10-Kommission als auch im Unabhängigen Gremium Richterinnen bzw. Richter. Außerdem kann die deutsche G10-Kommission im Verhältnis zu ihren Pendants Genehmigungen lediglich versagen oder erteilen, jedoch nicht modifizieren oder Auflagen erteilen. Ebenso tritt sie lediglich monatlich zusammen, um über Überwachungsanordnungen zu entscheiden, was dazu führt, dass bei Gefahr in Verzug lediglich eine Nachholung der Unterrichtung erfolgen muss. Um das zu vermeiden, tritt die CNCTR mehrmals wöchentlich zusammen und ist der FISC durchgängig besetzt bzw. müssen in Eilfällen dafür Richterinnen und Richter erreichbar sein.1230 4. Conclusio Frankreich setzt mit beratenden Expertinnen und Experten auf eine zentralisierte und gewaltenübergreifende Kontrolle, die zwar von den Befugnissen den US-amerikanischen und deutschen Pendants zurücksteht, allerdings bei

1228  Siehe The President’s Review Group on Intelligence and Communications Technologies, Office of the Director of National Intelligence, Liberty and Security in a Changing World (2013), S. 207 f. Kritisch dazu auch Donohue, Bulk Metadata Col­ lection, in: Harv. J. L. & Pub. Pol. 2014, Vol. 37, S. 757 (825). 1229  So Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1205). Zu berücksichtigen ist auch, dass seit 1953 lediglich vier Chief Justices im Amt waren und damit kontinuierlich über einen langen Zeitraum dieser Einfluss ausgeübt wurde. 1230  Vgl. dazu 50 U.S.C. § 1803 (a) (1) [Sec. 103 FISA].

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D. Nachrichtendienstliche Kontrollmechanismen

Rechtsstreitigkeiten wesentlich einfacher die ordentlichen Gerichte befassen darf und strafrechtliche Sanktionen bei Verfehlungen existieren. Die USA verteilen die Kontrollbefugnisse auf verschiedene Organe, deren wichtigste – aber zugleich auch schwach ausgestaltete – Rolle der FISC einnimmt, welcher die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit mit Inlandsbezug kontrollieren soll. In den USA gibt es zwar keine Sanktionsmechanismen oder fachlich im IT-Bereich gut ausgebildete Kontrolleure, aber es wurden zumindest seit den Snowden-Enthüllungen mehr Transparenz und verfahrensrechtliche Neuerungen geschaffen: Öffentliche Anhörungen, Veröffentlichungen von FISC-Dokumenten und Amicus curiae-Verfahren sollen mehr gesellschaftliches Vertrauen in die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der Dienste geben. Dennoch ist dem US-amerikanischen und dem französischen System gleich, dass die Dienste weitgehende Befugnisse zur anlasslosen Massenüberwachung haben, die in den USA vom FISC sogar quasi legitimiert wurden.1231 Deutschland setzt auf ein System aus mehreren spezialisierten Kontroll­ organen. Die Organe können zwar teilweise untereinander kooperieren, aber unter diesen herrscht eine strenge Geheimhaltungsverpflichtung und eine starke Parzellierung. Spezifisch ist festzustellen, dass die exekutiven Kontrollmaßnahmen sich in allen Untersuchungsobjekten von Ausformung und Befugnisstruktur her ähneln. Wenn Kontrollinstrumente existieren, haben sie zumeist lediglich eine beratende Funktion für die anordnenden Stellen, die an diese Entscheidungen nicht gebunden sind. Eine Ausnahme hierfür existiert mit der bzw. dem BfDI oder dem PCLOB, welche selbst öffentliche Berichte und somit zumindest eine öffentliche Bewertung der Arbeit abgeben können. Die parlamentarische Kontrolle weist in den USA und mittlerweile auch in Deutschland mehr Öffentlichkeitswirksamkeit auf: Öffentliche Anhörungen der Präsidentinnen und Präsidenten der Dienste sind wie Sondervoten möglich. Der Minderheitenschutz wird aber nur in den USA effektiv beachtet, wo zumindest ein Kontrollgremium nicht spiegelbildlich zum Parlament besetzt ist und lediglich einfache Mehrheiten für Beschlüsse erforderlich sind. In Frankreich kann die Opposition gar nicht vertreten sein und in Deutschland sind die meisten öffentlichkeitswirksamen Befugnisse abhängig von einer Zweidrittelmehrheit bei in der Praxis zumeist bestehender spiegelbildlicher Besetzung des PKGr nach Parlamentsmehrheiten. Die judikative Kontrolle ist hinsichtlich Transparenz und Ex-parte-Verfahren in den USA am öffentlichkeitsfreundlichsten normiert. Die Praxis zeigt 1231  So auch Vladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S. 1161 (1170 ff.).



III. Resümee der Novellierungen zur Auslandsnachrichtendienstkontrolle549

aber in den sehr spärlichen Veröffentlichungen und durch die reine Ausgestaltung des Amicus curiae-Verfahrens, dass diese Regelungen lediglich Potentiale eröffnen, aber den Schutz praktisch nicht erweitern. De facto lässt der FISC nur eine Handvoll von Regierungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern überhaupt an den Verhandlungen teilnehmen und ist trotz vieler Trans­ parenzmechanismen, für die breite Öffentlichkeit ein undurchsichtiger Ort, welcher bisweilen kaum eine Anordnung seitens der Regierung abgelehnt hat.1232

1232  So auch Berman, The Two Faces of the Foreign Intelligence Surveillance Court, in: Ind. L. J. 2016, Vol. 91, S. 1191 (1202 ff., 1246) mit Verweis auf FISA Court Rule 17 (b).

„Um es noch einmal ganz klar und unmissverständlich zu sagen: Auf deutschem Boden hat man sich an deutsches Recht zu halten. Bei uns in Deutschland und in Europa gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts. […] Wenn das irgendwo nicht oder noch nicht überall der Fall sein sollte, dann muss es für die Zukunft sichergestellt werden.“1 Angela Merkel

E. Matrix – Neun Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit und Kontrolle Der verfassungsrechtliche Ordnungsrahmen in Bezug auf die Gesetze zur auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungstätigkeit, einerseits, sowie deren Kontrolle in Deutschland, andererseits, offenbarten eine Reihe von teilweise eklatanten Defiziten im Grund- und Menschenrechtsbereich. Am Ende dieser Dissertation wird deshalb ein Vorschlag zur Modifizierung des bisher bestehenden einfachgesetzlichen Regelungsgeflechts in Deutschland in Form einer Matrix dargestellt. Hierfür werden auch Ansätze aus den untersuchten französischen und US-amerikanischen Vergleichssystem herangezogen und wird an Vorschläge auf internationaler Ebene angeknüpft, die zusammen einen Vorschlag zur Neuregelung anhand von „best practices“ darstellen sollen. Zu Beginn soll jedoch aufgezeigt werden, dass die Novellierungen des deutschen Auslandsnachrichtendienstrechts von 2016 – auch im Vergleich zu den anderen Kontrollsubjekten – bereits gute Ansätze aufweisen und – jedoch nicht durchweg – positive Ansätze zur Neureglung des BNDG im Referentenentwurf vom September 2020 zu finden sind. Beide Teilbereiche sollen am Ende Verbesserungsansätze abbilden, die versuchen, einen Ausgleich zwischen freiheitlichen und sicherheitsrelevanten Punkten bei der nachrichtendienstlichen Auslandsaufklärung zu schaffen.2 Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht alle Staaten einen identischen Lösungsansatz wählen, 1  Angela Merkel, Bundespressekonferenz, Protokoll vom 19.07.2013, MAT A BK-1/4j, Bl. 52 (55). 2  Die verfassungsrechtliche Regulierungsmöglichkeit wird dabei außer Betracht gelassen und nur als benannter Ordnungsrahmen für die Ausgestaltungsmöglichkeit sowie die Begrenzung der einfachgesetzlichen Regelungen auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit herangezogen. Siehe hierzu aber ausführlich Hempel, Der Bun-



I. Ausgangslage einer deutschen Re-Novellierung551

um die sicherheitsrelevante auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit mit den jeweilig gewährleisteten Freiheitsrechten in Einklang zu bringen. Die aufgezeigte Matrix soll daher primär für Deutschland einen möglichen Lösungsansatz darstellen und beansprucht nicht, auf einer Metaebene allumfassende singuläre Geltung zu erlangen. Dennoch können aus Teilen dieser Matrix generelle Grundvoraussetzungen abgeleitet werden, um auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit im grund- und menschenrechtskonformen Rahmen abzuhalten. Eine solche Aufstellung von Grundbedingungen ist zumindest im internationalen sicherheitsrechtlichen Bereich nicht unbekannt, wie der bereits 2001 von der Versammlung der Minister des Europarates verabschiedete Ethikkodex für die polizeiliche Arbeit oder der Vorschlag eines solchen für die nachrichtendienstliche Arbeit zeigen.3 Ähnliche Versuche sind in der Rechtsprechung des EGMR auszumachen, welcher generelle Mindestanforderungen an die (auslands-)nachrichtendienstlicher Tätigkeit aufstellt.4

I. Ausgangslage einer deutschen Re-Novellierung: Bestehende positive Ansätze im Regelungssystem der Auslandsnachrichtendienste nach den Novellierungen 2016 Haben die Enthüllungen von Edward Snowden dazu geführt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit demokratisiert wurde? Zumindest wurden nach den Enthüllungen in einer Vielzahl von großen Überwachungsstaaten neue Gesetze erlassen,5 was auch Deutschland zur Novellierung der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit und deren Kontrolle veranlasste. Positiv ist generell hervorzuheben, dass in Deutschland schon seit 1990 gesetzliche Grundlagen bestehen, die die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit des BND regulieren, beschränken und eine Aufsicht durch das Bundeskanzleramt festlegen sollten. Noch länger besteht sogar eine Kontrolle der destag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG?, 2014, S.  13 ff. 3  Zu ersterem siehe: Council of Europe, Committee of Ministers, Recommendation of the Committee of Ministers to Member States on the European Code of Police Ethics vom 19.09.2001, Rec (2001) 10. Für einen Vorschlag zum Ethikkodex für eine demokratische Kontrolle der Nachrichtendienste siehe Council of Europe, Committee of Ministers, Recommendation of the Committee of Ministers to Member States on Democratic oversight of the security sector in member states vom 23.06.2005, Rec 1713 (2005). 4  Vgl. Abschnitte C.II.2.f) und D.I.3. 5  Neben den drei untersuchten Staaten trifft das auch auf Großbritannien (Investigatory Powers Act 2016, sog. „Snoopers Charter“), Australien (Intelligence Services Amendment Act 2018) oder die Niederlande (Wet op de inlichtingen- en veiligheidsdiensten 2017) zu.

552 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

Tätigkeit der Nachrichtendienste in Deutschland durch parlamentarische Abgeordnete und quasi-gerichtliche Gremien. Dies ist deshalb hervorzuheben, weil in Frankreich eine solche Rechtsgrundlage und ein Kontrollgremium erst 2015 eingeführt wurden. Die deutschen Regelungen zur Tätigkeit und Kontrolle des BND unterlagen jedoch einer Vielzahl von Novellierungen, da sie zu Beginn sehr vage, weit und unbestimmt ausgeformt waren, was vermehrt zu Kritik an den Diensten führte, die auch durch „Missstände und Fehlverhalten“ regelmäßig aufflammte. Trotz alledem war und sind Reformen in Bezug auf die auslandsnachrichtendienstliche Tätigkeit und deren Kontrolle nur langsam und mühsam vorangeschritten. Daher mag es nicht verwundern, dass die Bundesregierung erst bei der vierten großen Reform des Auslandsnachrichtendienstrechts, die vor allem wegen der Enthüllungen von Edward Snowden 2016 veranlasst wurde,6 feststellte, „dass eine systematische und strukturierte Kontrolle nach wie vor nicht hinreichend gewährleistet werden kann.“7 Die Novellen des BNDG und des PKGrG aus 2016 haben die Regelungswerke ein Stück weit verbessert und vereinzelt mehr Transparenz geschaffen. In einem demokratischen System ist es notwendig, dass Auslandsnachrichtendienste – im Gegensatz zu der Ausgestaltung der Geheimdienste, die keinen demokratischen Grundsätzen unterliegen – nicht ausschließlich im Dunkeln agieren. Daher ist ein Mindestmaß an Transparenz unerlässlich, weil auch eine Behörde zum Schutz der Verfassungswerte simultan im Gefüge der verfassungsmäßigen Ordnung eingegliedert ist. Folglich ist die Neueinführung von jährlichen öffentlichen Anhörungen der Präsidentinnen bzw. der Präsidenten der Nachrichtendienste nach § 10 Abs. 3 PKGr als ein wichtiger Schritt hierfür zu bewerten. Ein weiterer hervorzuhebender Aspekt ist die Stärkung der Kooperation der vielen Kontrollorgane durch eine bzw. einen Ständigen Bevollmächtigten – auch wenn die genaue Ausgestaltung durchaus viele Fragezeichen aufgeworfen hat, weil der Stelle weder eigene Befugnisse eingeräumt noch alle Kontrollstellen miteinander vernetzt wurden. Eine enge Kooperation der Kontrollstellen ist – zumindest bei einem aufgesplitterten Kontrollsystem mit mehreren spezifischen Kontrollorganen – notwendig, um eine umfassende und nicht nur rudimentäre Kontrolle zu gewährleisten. Ebenfalls sind die vielen Detailänderungen im PKGrG im Ansatz zu loben, die dazu beitragen, normenklare und hinreichend bestimmte Befugnisse zu regulieren. Zuvörderst ist hierfür die Einführung von Regelbeispielen in Bezug auf die Unterrichtungspflichten des BND gegenüber dem PKGr in § 4 6  Hierbei

sind kleinere Änderungen im BNDG oder PKGrG ausgeklammert. der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 1. 7  Gesetzentwurf



II. Abbau asymmetrischer Strukturen zw. Staatsangehörigen u. Ausländern553

Abs. 1 PKGrG zu nennen.8 Allerdings kommen die Neuerungen eines „jederzeitigen Zutrittsrechts“ der Kontrolleure zu den Dienststellen des BND (§ 5 Abs. 1 S. 2 PKGrG) sowie der Schutz für Hinweisgebende (§ 8 Abs. 1 PKGrG) nicht über den Status des guten Ansatzes hinaus. Zu ersterem Aspekt ist anzumerken, dass für die Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste ein mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteter Kontrollapparat unerlässlich ist, da nur so eine umfassende Kontrolle sichergestellt werden kann. Die derzeitige Regelung des § 5 Abs. 1 S. 2 PKGrG erlaubt jedoch nicht die unangemeldete Kontrolle bei den Diensten – wie sie beispielsweise in Norwegen vorgesehen ist.9 Auch der Ansatz hinsichtlich des letzteren Aspekts bleibt auf halbem Wege stehen: Zwar erkennt die Novellierung von 2016, dass eine umfassende Kontrolle von Informationen interner Hinweisgebenden abhängig ist, aber bietet diesen keine umfassende Anonymität, was ein Hindernis zur Aufdeckung interner Missstände – wie dies bereits bei der Vorgängerregelung festgestellt wurde10 – darstellt. Darüber hinaus lässt sich der Ansatz positiv bewerten, dass zumindest teilweise personenbezogene Daten von Ausländerinnen und Ausländern, die im Ausland generiert wurden und in Deutschland weiterverarbeitet werden, einem gewissen Schutz und einer Kontrolle durch das Unabhängige Kon­ trollgremium unterstehen. Gerade in den USA finden sich kaum Regelungen zum Schutz von Ausländerinnen und Ausländern bei der auslandsnachrichtendienstlichen SIGINT-Aufklärung wieder.

II. Abbau asymmetrischer Strukturen zwischen Staatsangehörigen und Ausländerinnen bzw. Ausländern Strategische Auslandsfernmeldeaufklärung grenzenunabhängiger digitaler Telekommunikation erfordert gesetzliche Grundlagen zur Beachtung der Grund- und Menschenrechte auch für Nichtstaatsangehörige und im Ausland. Anknüpfend an den Aspekt des Grund- und Menschenrechtsschutzes im Ausland ist anzumerken, dass die deutsche Gesetzeslage mit den Novellierungen von 2016 noch weit von einem Schutzniveau entfernt ist, das dem Grundgesetz vollumfänglich entspricht. Zwar ist festzustellen, dass das deutsche 8  Allerdings sind zeitgleich in diese Regelbeispiele weitere Ausnahmen eingeflossen, die die nachrichtendienstliche Kooperation betreffen. 9  Das norwegische Kontrollgremium hat bspw. die Möglichkeit „free searches in the services’ computer systems“ in Echtzeit durchzuführen. Siehe dazu The Norwegian Parliamentary Intelligence Oversight Committee (EOS Committee), Annual Report 2015, S. 35. 10  Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 05.07.2016, BT-Drs. 18/9040, S. 14.

554 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

Grundgesetz – im Vergleich zu den anderen beiden Vergleichsstaaten – verfassungsrechtlich die höchsten Standards zum Schutz von Ausländerinnen und Ausländern setzt. Alle untersuchten Staaten haben jedoch gemein, dass die auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen bei der reinen Auslandsfernmeldeaufklärung de facto keinen Einschränkungen unter­ liegen.11 Wie im Abschnitt C. dieser Arbeit aufgezeigt, fehlt nicht nur im BNDG die Akzeptanz einer generellen extraterritorialen und transnationalen Grundrechtsgeltung für Ausländerinnen und Ausländer bei heimlichen SIGINT-Überwachungsmaßnahmen. Darüber hinaus fehlt in allen anderen ­ untersuchten Gesetzen aus Frankreich und den USA, die zur auslandsnachrichtendienstlichen Fernmeldeaufklärung berechtigen, weitestgehend ein adäquater Schutz für diese Betroffenen. Dies ist im Hinblick auf zwei Aspekte allerdings bedenklich: Einerseits sind zumindest Deutschland und Frankreich verfassungsrechtlich bzw. unions- und völkerrechtlich zum Schutz der Privatsphäre – auch von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland – verpflichtet. Lediglich die USA weisen ein besonders geringes Schutzniveau für jene Personengruppen auf. Andererseits zeigen mehrere Studien, dass es immer schwieriger wird, digitale und internetbasierte Kommunikation eindeutig zu „territorialisieren“, weswegen ein singulärer Schutz lediglich für eigene Staatsangehörige oder auf dem eigenen Staatsgebiet aus technischer Perspektive nur bedingt sinnig erscheint. Zum ersten Aspekt des extraterritorialen und transnationalen Menschenrechtsschutzes ist mithin zu optieren, dass die auslandsnachrichtendienstliche SIGINT-Aufklärung des BND trotz der immensen Bedeutung der nationalen Sicherheit gewissen Mindeststandards und Eingriffsschwellen unterliegt, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Ausland-­ Ausland-Fernmeldeaufklärung forderte.12 Das heißt konkret, dass bei sämtlichen Verarbeitungsprozessen die Vorgaben der Grund- und Menschenrechte beachtet werden müssen. Der EGMR hat dies zuletzt mit seiner Forderung von „end-to-end-safeguards“ unterstrichen.13 Diese können bei der Auslandsfernmeldeaufklärung auch dann gelten, wenn die Überwachungsmaßnahmen transnational oder extraterritorial ausgeführt werden. Das Bundesverfassungsgericht erachtet bei der Grundrechtsgeltung im Ausland Modifizierungen und Differenzierungen zwar für möglich, was allerdings nicht bedeutet, dass die einfachen Gesetze von vornherein eine Auslandsgeltung für 11  Lediglich in Deutschland gilt bei Inlandsbezügen der SIGINT-Aufklärung das BNDG, selbst wenn personenbezogene Daten von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland gewonnen wurden (§§ 6 ff. BNDG). 12  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 87 ff. – BNDG. Vgl. im Detail dazu bereits Abschnitt C.II.4.b)hh). 13  EGMR (Große Kammer), Urteil vom 25.05.2021, App. Nos. 58170/13, 62322/14 and 24960/15, Rn. 350 ff. – Big Brother Watch and Others v. the United Kingdom.



II. Abbau asymmetrischer Strukturen zw. Staatsangehörigen u. Ausländern555

Ausländerinnen und Ausländer ausschließen dürfen. Daher bedarf es auch für Beschränkungsmaßnahmen gegenüber jenen Personengruppen bei allen Eingriffsmöglichkeiten hinreichend bestimmte Befugnisnormen und -schwellen, die an tatsächliche Gefahrenlagen anknüpfen und keinen unbestimmten Personenkreis adressieren. Diesen Ansprüchen werden gerade die deutschen Regelungen zur strategischen Auslandsfernmeldeaufklärung nicht vollends gerecht, weil der Personenkreis kaum begrenzt ist, da er sich lediglich auf Ausländerinnen bzw. Ausländer bezieht und § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 BNDG gar nicht an Gefahrenlagen anknüpfen. Um darüber hinaus trotz der sehr weitreichenden Vorgaben eine flächendeckende Totalerfassung bei der SIGINT-Aufklärung zu verhindern, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, wäre eine mit § 10 Abs. 4 S. 4 G10 vergleichbare Regelung zu deren Begrenzung notwendig. Die dortige Limitierung der strategischen Fernmeldeaufklärung auf maximal 20 % der Übertragungskapazitäten wäre auch für die Auslandsfernmeldeaufklärung denkbar. Da das Bundesverfassungsgericht bei starkem Auslandsbezug Modifikationen für möglich erachtet, wäre in diesem Fall eine Anpassung der Maximalgrenze vorstellbar. Die derzeitige Möglichkeit eines sog. „Full-takes“ nach § 12 BNDG entspricht dieser Grenze nicht, selbst wenn hierfür kurze Löschungsfristen gelten, da die Gefahr einer nicht spurenlosen Löschung weiterexistiert und Daten rekonstruiert werden können. Deswegen müssen bereits auf Erhebungsebene stärkere Begrenzungen vorgenommen werden.14 Hieran ändern auch die Aussagen des BND, dass die eigenen Kapazitäten für eine flächendeckende Massenüberwachung gar nicht ausreichen, nichts. Vielmehr zeigen die von Edward Snowden aufgedeckten Programme PRISM oder XKeyScore, dass es technisch mittlerweile möglich ist, eine Vielzahl von Daten auszuwerten und diese auf die zu gewinnenden Erkenntnisse zu bündeln. Selbst wenn der BND diese Mittel noch nicht einsetzt, existieren sie bereits und werden zwangsläufig für den deutschen Dienst in Zukunft eine bedeutende Handlungsoption darstellen. Zudem bedarf es einer klareren Regelung des Kernbereichsschutzes.15 Zwar findet sich in § 11 BNDG eine Regelung hierzu für die transnationale Auslandsfernmeldeaufklärung. Der Wortlaut legt allerdings nahe, dass lediglich Maßnahmen verboten sind, die „allein“ Überwachungen des Kernbereichs adressieren. Damit könnten derartige Informationen aber legitim gezielt miterfasst werden, solange die Überwachung nicht dem ausschließlichen 14  Siehe dazu Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164); Lüders, Gesetzlich enthemmter Geheimdienst, in: Vorgänge 2016, S. 43 (43 f.). 15  So auch BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 199 ff. – BNDG; BVerfGE 141, 220, 276 ff. – BKAG.

556 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

Zweck dient, Kernbereichsinformationen zu erheben. Das widerstrebt dem Grundgedanken des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, aus welchem Informationen nicht gezielt erhoben werden dürfen. Eine Klarstellung muss sich im Wortlaut der Norm niederschlagen. Der zweite Aspekt, der einer Differenzierung zwischen nationalen und ausländischen Sachverhalten entgegensteht, ist technischer Natur. Derzeit gehen die untersuchten Gesetze davon aus, dass bei der SIGINT-Aufklärung klar bestimmt werden kann, von wo aus eine Person fernkommuniziert und ob diese die Staatsangehörigkeit des Heimatlandes des agierenden Auslandsnachrichtendienstes besitzt. Auf technischer Seite hat für den deutschen Grundrechtsschutz der BND ein dreistufiges Filtersystem (DAFIS) entwickelt, der die Herkunft der überwachten Kommunikation feststellen soll.16 Dabei wird zuerst von einer automatisierten Parametererkennung untersucht, ob die überwachte Kommunikation Telekommunikationsmerkmale aufweist, die deutschen Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträgern anhand von Ländervorwahlen im Bereich der Telefonie (+49) oder anhand von Top-Level-Domains bei paketvermittelter Kommunikation (.de) zuzuordnen sind. Da diese Selektierung jedoch nicht verlässlich erfolgte, führte man auf einer zweiten Stufe eine G10-Positiv-Liste ein, um die noch nicht aussortierte Kommunikation deutscher Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger herauszufiltern. Die G10-Positiv-Liste enthält Telekommunikationsmerkmale von deutschen natürlichen und juristischen Personen, die nicht anhand einer deutschen Ländervorwahl oder deutschen Top-Level-Domäne kommunizieren – was überwiegend für deutsche Personen im Ausland gilt.17 Die Liste generiert sich anhand von bereits gewonnenen Erkenntnissen vorheriger Anordnungen. Laut einem Mitglied der G10-Kommission – Bertold Huber – weist dieses Filterungssystem aber große Lücken auf und funktioniert nur unzureichend.18 Dies liegt vor allem daran, dass in einer globalisierten Welt und 16  Siehe dazu generell Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, S. 28 f. 17  Auf 3. Stufe wird des Weiteren überprüft, ob die Suchbegriffe gegen „deutsche Interessen“ verstoßen. Diese Begrifflichkeit ist jedoch ein sehr weiter unbestimmter Rechtsbegriff, der keine Definition hat, weswegen er hier nicht näher ausgeführt wird. Er soll jedoch u. a. auch dem Schutz von EU- oder NATO-Einrichtungen bezwecken. 18  Huber, BND-Gesetzreform – gelungen oder nachbesserungsbedürftig?, in: ZRP 2016, Vol. 49, S. 162 (164). Ebenso Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (979). Die Programmierung und nicht die technische Leistungsfähigkeit kritisierend Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, S. 170.



II. Abbau asymmetrischer Strukturen zw. Staatsangehörigen u. Ausländern557

einem grenzenunabhängigen Internet nationale Telekommunikationsmerkmale wie Ländervorwahlen und Top-Level-Domains nicht mehr zwangsläufig mit einem Ort oder einer Staatsangehörigkeit verknüpft sind. So kann man über WhatsApp internetbasiert kommunizieren und als territorialen Anknüpfungspunkt könnte hierfür die vergebene – einem Staat – zuweisbare Telefonnummer dienen. Das heißt jedoch nicht per se, dass sich eine Person, die eine deutsche Telefonnummer benutzt, auf deutschem Territorium aufhalten muss oder gar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ähnlich sieht das bei sozialen Netzwerken aus, die zumeist nur eine E-Mail-Adresse verlangen. Auch hier gibt es zuweisbare Territorialitätskriterien. Allerdings trifft hier das vorbenannte zu: Eine Deutsche kann eine googlemail.com-Adresse haben und eine E-Mail aus Spanien an ihren britischen Freund auf Englisch schreiben. Umso schwerer wird die Zuordnung, wenn man ein internetangebundenes System anhand seiner IP-Adresse zu lokalisieren versucht. Zwar gibt es hierfür verschiedene Möglichkeiten. Entweder kann man über kommerzielle Datenbanken ein sog. „Location Mapping“ anfordern. Man kann aber auch selbst die geografische Position anhand von Triangulierung berechnen oder sich auf öffentlich zugängliche Information, beispielsweise von whois-Einträgen von Providern oder Hostnamen im Traceroute, verlassen.19 Keine der Methoden ist allerdings genau genug, um eine annähernd exakte geografische Lokalisierung vorzunehmen.20 Umso schwerer wird es, verwertbare Aussagen über den Standort der internetbasierten Kommunikation von Start- und Zieladressen zu treffen, wenn nicht über öffentliche Netzwerke kommuniziert wird, Hostnamen nicht aussagekräftig genug sind oder Filter (wie Proxys, Verschlüsselungssysteme oder Multiprotocol Label Switching) implementiert wurden.21 Die territoriale Zuordnung bestimmter digitaler Merkmale kann damit lediglich ein Indikator sein, der allerdings nicht zuverlässig ist oder verhindern kann, dass auch Kommunikationen von Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträgern unter den geringen Standards der BNDG verarbeitet werden. Zwar könnten andere Indizien – wie Kommunikationssprache, Sprache oder Top-Level-Domains der meisten besuchten Webseiten des Browserverlaufs 19  So Rechthien, Sachverständigen-Gutachten gem. Beweisbeschluss SV-13 für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (NSA-Untersuchungsausschuss), 2016, S. 13. 20  Ebd. Nach diesem seien kommerzielle Datenbanken oft so veraltet, dass bspw. eine in Berlin ansässige IP-Adresse vom Provider dem Ausland zugeordnet wird. Die Triangulierung auf Latenzbasis sei sehr anfällig bei zu vielen Variablen, was zu Abweichungen von mehreren hundert Kilometern führen könne. Und auch Traceroutes seien auf vollständig transparente Dokumentationen angewiesen, ohne die eine Lokalisierung kaum möglich wäre. 21  Ebd., S. 14.

558 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

oder territoriale Hinweise aus den Kommunikationsinhalten – herangezogen werden, wenn hierzu ein Zugang zu diesen Informationen besteht. Allerdings wird dies angesichts der voranschreitenden Globalisierung schwieriger, in der international tätige Unternehmen über mehrere Länder agieren oder im wissenschaftlichen Bereich weder die Kommunikationssprache noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwangsläufig deutsch sind. Ebenso besteht die Möglichkeit bei der internetbasierten Kommunikation, dass personenbezogene Daten und Inhaltsdaten jederzeit überall abgefangen und auf Servern außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes gespeichert werden können.22 Die Cloud ermöglicht einen ortsunabhängigen Zugriff auf eigene Daten. Wo die Daten existieren und gespeichert werden, ist zumeist nicht transparent. Über welche digitale Infrastruktur diese Daten zum Speichermedium kommen, ist kaum vorhersehbar. Daher können reine Inlandskommunikationen ebenso im Ausland mit den richtigen Mitteln über Internetknotenpunkte, Satelliten, Blind-Server oder durch Hacks abgefangen werden. Weil aus all diesen Gründen eine Unterscheidung sowohl von Metadaten und Inhalt von Kommunikation als auch von Aus- und Inländerinnen bzw. Inländern technisch nicht zuverlässig möglich ist, sprechen sich einige Expertinnen und Experten für die Abschaffung dieser Unterscheidungen aus.23 Bisher verzichten aber lediglich die Niederlande auf eine Unterscheidung zwischen ausländischen und inländischen Daten bei der Regelung zur Auslandsfernmeldeaufklärung und deren Kontrolle.24

22  Vgl.

Schaar, Überwachung total, S. 201 f. Rodosek, Sachverständigengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 30.09.2016, S. 19; Rechthien, Sachverständigen-Gutachten für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (NSA-Untersuchungsausschuss), 2016, S.  13 f.; Daskal, The Un-territoriality of Data, in: Yale L. J. 2015, Vol. 125, S. 326 (366); Schaller, Strategic Surveillance and Extraterritorial Basic Rights Protection, in: Ger. L. J. 2018, Vol. 19, S. 941 (978); Milanovic, Human Rights Treaties and Foreign Surveillance: Privacy in the Digital Age, in: Harv. Int. L. J. 2015, Vol. 56, S. 81 (141 ff.); Töpfer, Stellungnahme Menschenrechtliche Anforderungen an die AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung und ihre Kontrolle, Innenausschuss Drs. 18(4)653 E, S. 10; Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (770). 24  Vgl. Art. 6 ff. Wet op de inlichtingen- en veiligheidsdiensten. Siehe auch Wetzling/Vieth, Upping the Ante on Bulk Surveillance, 2018, S. 23. Die Thematik ist auch deshalb brisant, weil NSA-Generaldirektor Michael Hayden angab: „We kill people based on metadata.“ Zitiert in: Cole, „We Kill People Based on Metadata, in: N ­ YREV 2014. 23  Siehe



III. Gesetzliche Regelungen zur Stärkung der Berufsgeheimnisträger559

III. Einführung gesetzlicher Regelungen zur Stärkung der Berufsgeheimnisträgerinnen bzw. Berufsgeheimnisträger bei der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit Ein Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern existiert in Deutschland nur über § 3b G10. Dort wird jener Schutz für geistliche Seelsorgerinnen bzw. Seelsorger, Verteidigerinnen bzw. Verteidiger oder Mitglieder des Bundestages, der Bundesversammlung, eines Landtages, Vertreterinnen bzw. Vertretern des Europäischen Parlaments aus Deutschland und die Personen, denen sie in Ausübung ihres Amtes Informationen anvertraut haben – genauso wie für die Informationen selbst – gewährt.25 Außerhalb dieser Regelung findet sich weder eine Privilegierung für die AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung noch für die reine Auslandsfernmeldeaufklärung wieder.26 Zumindest für letzteren Bereich mag dies mit den Auffassungen im Einklang stehen, die bei Auslandssachverhalten die deutschen Grundrechte für nicht anwendbar erachten. Es erklärt aber nicht, wie dieser Schutz gänzlich im BNDG fehlen kann, wenn eine transnationale Geltung mit den §§ 6 ff. BNDG vorgesehen wurde. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind transnational oder extraterritorial stattfindende Kommunikationen mit Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern, die ein besonderes Vertrauensverhältnis begründen, geschützt und zwingend bei der Auslandsfernmeldeaufklärung zu beachten.27 Daher bedarf es einer Regelung zum Schutz dieser besonders vertraulichen Kommunikationen.28 Es bedarf aber mindestens einer Regelung für Kommunikationen einer Person mit Berufsgeheimnisträgerinnen bzw. Berufsgeheimnisträgern, sofern diese typischerweise den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt.29 In Frankreich wurde zumindest vom Conseil Constitutionnel ein solcher Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern für die französische Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung gefordert und kurze Zeit später mit Art. L854-3 CSI eingeführt.30 Dieser gilt aller25  Telekommunikationsüberwachungen und -aufzeichnungen sowie Briefe und Post zu öffnen und einzusehen, ist nach § 1 Abs. 1 G10 gegen die genannten Personen nicht möglich. 26  Auch der in § 11 BNDG vorgesehene Kernbereichsschutz privater Lebensgestaltung ist hierfür nicht anwendbar. 27  BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 201 – BNDG. 28  So schon BVerfGE 141, 220, 318 – BKAG. 29  Siehe dazu auch BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 201 – BNDG. Dieser könne jedoch relativiert sein, wenn der Kernbereich privater Lebensgestaltung typischerweise nicht berührt werde. So BVerfGE 129, 208, 259 – TKÜNeuregelung. 30  Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr.  2015-713 DC vom 23.07.2015, Rn. 34 ff. – Loi relative au renseignement.

560 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

dings nicht für die reine Auslandsfernmeldeaufklärung, die dort ungeregelt ist. Frankreich hat diesen Schutz ebenso auf die journalistische Tätigkeit erstreckt. Zwar gibt es im deutschen Nachrichtendienstrecht keine derartige Schutzklausel für die Überwachungen im Ausland. Allerdings wird vermehrt angenommen, dass die Überwachung der Presse sowohl völkerrechtlich als auch bei einem effektiv verstandenen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unzulässig ist.31 Da Überwachungsmaßnahmen jedoch zunehmend auch auf deutschem Hoheitsgebiet und gegenüber deutschen Staatsangehörigen durchgeführt wurden, wäre eine klarstellende Regelung diesbezüglich wünschenswert, die eine gezielte Überwachung versagt bzw. nur unter engen Voraussetzungen für zulässig erachtet – jedenfalls zumindest die schwerpunktmäßige Aufklärung einer journalistischen Quelle versagt. Daher muss die Feststellung von Außenminister Heiko Maas, dass die „Pressefreiheit zu schützen, […] eine unserer wichtigsten Aufgaben“32 sei, auch für den (auslands-)nachrichtendienstlichen Sektor gelten. Eine solche Regelung zum Schutz vertrauenswürdiger Kommunikationsbeziehungen könnte ähnlich wie § 3b G10 ausgestaltet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass § 3b G10, wie die fast gleichlautenden § 160a StPO und § 20u BKAG, eine Differenzierung von verschiedenen Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern etabliert hat. Hiernach existiert eine Art abgestuftes „Zweiklassensystem“, das vor allem Geistliche, Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Abgeordnete privilegiert. Eine Erweiterung dieses engeren Kreises – insbesondere auf Journalistinnen und Journalisten sowie bestimmte Gruppen von Heilberufen – wäre jedoch gerade in Anlehnung an die internationale Praxis und die vorbenannte besondere Stellung dieser Gruppen wünschenswert. Angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welche zumindest im strafrechtlichen Bereich dieses „Zweiklassensystem“ gebilligt hat,33 dürfte es aber durchaus fraglich sein, dass eine solche Regelung tatsächlich im nachrichtendienstlichen Bereich kommen wird. Nichtsdestotrotz bleibt es dabei: Eine Regelung zum Schutz von 31  So zumindest Gusy, § 1 BNDG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1276 f. Ähnlich Deutscher Bundestag, Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht), S. 143 ff. Ferner ARD u. a., Gemeinsame Stellungnahme Rundfunkanstalten und Medienverbände zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)654, S. 9 f., 12 f. Einschränkend LG Berlin, Urteil vom 02.12.2009, Az.: 23 O 68/09. 32  Zitiert bei Roth, Maas ruft zu besserem Schutz von Journalisten auf, in: Spiegel Online vom 03.05.2019. 33  BVerfGK 16, 299; Schmitt, § 160a StPO, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, S. 872, Rn. 1.



IV. Herstellung einer leistungsfähigen Kontrollarchitektur561

Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern, wie immer sie auch genau ausgestaltet werden sollte, muss zwingend ergänzt werden.

IV. Herstellung einer leistungsfähigen Kontrollarchitektur durch „Entsplitterung“ der Nachrichtendienstkontrolle und Steigerung der Kooperation der Kontrollorgane Die Kontrolle der Nachrichtendienste ordnet sich zwischen den Aspekten der nationalen Sicherheit i. S. e. wehrhaften Demokratie und der Effektivität des Rechtsstaates im gewaltengeteilten System zum Schutz der verbürgten Freiheitsrechte ein. Damit beide im „Spannungsverhältnis“ stehenden Opponenten im rechtstaatlichen Rahmen bewältigt werden können, ist eine Kon­ trolle, die beide Interessensbereiche ausgleicht, unentbehrlich.34 Enrico Brissa und Christoph Gusy umschreiben dies allgemein damit, dass die „Kontrolle so öffentlich wie möglich und so geheim wie nötig erfolgen“ müsse.35 Es bedarf jedoch mindestens einer effektiven, unabhängigen und externen Kontrolle, die neben einer parlamentarischen Kontrolle eine gerichtliche Überprüfung und Anordnung der Überwachungsmaßnahmen vorsieht.36 Zudem muss sichergestellt werden, dass die Kontrollgremien selbst die notwendige Expertise für derartige Überprüfungen besitzen oder allen Kontrollmitgliedern ein solcher Zugang gewährt wird, falls die Anordnungen die Expertise der Kontrolleurinnen und Kontrolleure übersteigen sollte. Eine solche Kontrolle ist verfassungsrechtlich umso wichtiger, wenn eine automatische Überwachung erfolgt und dem Schutz relevanter Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung ausreichend Rechnung getragen werden soll. Von politischer Seite wurde zur Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit das PKGr geschaffen, welches durch eine Vielzahl von Gremien unterstützt werden soll, die überwiegend geheim tagen und außerhalb des Parlaments angesiedelt sind. Dadurch wurde das Wissen über die genaue Tätig34  Vgl. dazu Art. 45d sowie Art. 20 Abs. 2, 3 GG. Siehe auch Gusy, Parlamentarische Kontrolle, in: JA 2005, Vol. 37, S. 395 (396). 35  Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (767); Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S. 437 (445). 36  EGMR, Zakharov v. Russia, Appl. No. 47143/06, Rn. 165, 232, 284, der hierin an die Forderungen der Venice Commission anknüpft. Siehe Report of the European Commission for Democracy through Law („Venice Commission“) on the Democratic Oversight of Signals Intelligence Agencies, CDL-AD(2015)011, 2015. Auch verfassungsrechtlich wurde das Effektivitätsprinzip bei der nachrichtendienstlichen Kon­ trolle vom Bundesverfassungsgericht mehrfach angesprochen und gefordert: BVerfGE 100, 313, 351 f., 401; 133, 277, 322 ff. – ATDG; 141, 220, 275, 284 – BKAG.

562 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

keit der Dienste klein parzelliert.37 Dies lässt sich exemplarisch am quasigerichtlichen Kontrollsystem aufzeigen: Derzeit nehmen das Unabhängige Gremium und die G10-Kommission einen fast identischen Aufgabenbereich wahr, ersteres hat allerdings viel weniger Befugnisse. Das Unabhängige Gremium soll lediglich stichprobenartig und partiell die Einhaltung des Kernbereichsschutzes kontrollieren,38 ihm werden keine Zutrittsrechte zu den Dienststellen des BND gewährt39 und von einer Kooperation der Kontrollorgane ist es ausgeschlossen.40 Von einer effektiven Kontrolle durch zwei de facto parallellaufende Kontrollorgane, die unterschiedliche Befugnisse innehaben, kann nicht die Rede sein. Daher ist der bereits in der Debatte zum neuen BNDG – sowohl von nachrichtendienstlicher als auch wissenschaft­ licher Seite41 – aufgetauchte Vorschlag zu befürworten, dass die beiden quasi-­ 37  So besteht nur das PKGr ausschließlich aus Abgeordneten; für die G-10-Kommission gilt das nicht. 38  Vgl. § 15 Abs. 3 S. 7 BNDG. Siehe auch Dietrich, § 11 BNDG, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 1474; Marxsen, Strategische Fernmeldeaufklärung, in: DÖV 2018, S. 218 (225). 39  Thorsten Wetzling schlägt dabei gemeinsame Kontrollbesuche der verschiedenen Gremien vor: ders., Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur AuslandAusland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 10, 14. 40  Es darf auch keine genauen Verstöße oder Hinweise auf spezifische Missstände an das PKGr weitergeben, obwohl dessen Kontrollrechte unberührt bleiben sollen und das Unabhängige Gremium als Berichtsorgan fungieren soll. Vgl. § 9 Abs. 5 S. 3 BNDG und § 16 Abs. 6 BNDG. Ferner Brissa, Aktuelle Entwicklungen der parlamentarischen Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, in: DÖV 2017, S. 765 (773), welcher die Entfernung des in Karlsruhe ansässigen Unabhängigen Gremiums und den Berliner Stellen, wobei selbst der BND in naher Zukunft seine Dienststellen fast gänzlich in Berlin haben wird, als „ein wenig merkwürdig“ bezeichnet. Ähnlich Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 20. 41  Gerhard Schindler nennt dafür § 8b Abs. 2 BVerfSchG, welcher es der G10Kommission erlaube, gem. § 8a BVerfSchG auch besondere Auskunftsverlangen hervorzubringen, die kaum Art. 10 GG-Relevanz haben und über § 2a BNDG auch für den BND gelten würden. Die Schaffung einer zusätzlichen Stelle, deren Aufgaben sich teilweise überschneiden, führe seiner Ansicht nach eher zur Unübersichtlichkeit und störe die Systematisierung: ders., Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (EBNDG) und des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes (EPKGrG), Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 2, 4 ff. Siehe von wissenschaftlicher Seite Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4 f. Es ist jedoch fraglich, ob die Abschaffung der G10Kommission mit Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG vereinbar wäre. Dieser sieht nur „von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane“ vor, weswegen die Abschaffung der G10-Kommission zeitglich mit der Einführung eines neuen Organs einhergehen müsste, welches die Kompetenzen der G10-Kommission übertragen bekommt, den



IV. Herstellung einer leistungsfähigen Kontrollarchitektur563

gerichtlichen Kontrollorgane zusammengeführt und deren Befugnisse generell erweitert werden sollten. Es bedarf mithin ein juristisches Kontrollorgan, dass sowohl den Ersatzrechtsschutz von Art. 10 Abs. 1 GG im In- und Ausland als auch weitere relevante Grundrechte, die von auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungen tangiert sein können, überprüft und erst bei deren Rechtmäßigkeit eine Anordnung der Überwachungsmaßnahme erteilt. Dass jedoch bei der heutzutage überwiegend digital stattfindenden Kommunikation weder ein Schutz für abgeschlossene Kommunikationsvorgänge noch eine Kontrolle nach Art. 13 GG existiert, weil angeblich keine Wohnraumüberwachung vorgenommen werde,42 ist durchaus bedenklich. Schließlich ist es nicht von vornherein absolut auszuschließen, dass das Telefonat abgehört wird, der Zugriff auf das Mikrofon oder die Kamera des genutzten Laptops erfolgt, während Handy und Laptop in der Wohnung einer betroffenen Person sind. Zwar ist der Ersatzrechtsschutz nur in Art. 10 Abs. 2 GG für Verletzungen nach Abs. 1 explizit vorgesehen, dieser ergibt sich aber generell bei Überwachungsmaßnahmen auch für andere Grundrechte aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.43 Überdies verweisen Gerhard Schindler und Heinrich Wolff bei der Expertenanhörung zu den Gesetzesnovellen aus 2016 zu Recht darauf, dass mit § 8b BVerfSchG bereits zum Ausdruck komme, dass die G10-Kommission jetzt schon für Bereiche zuständig wäre, die keine originären Schutzmaßnahmen i. S. d. Art. 10 Abs. 1 GG seien.44 Rechtsweg diesbzgl. nach Art. 19 Abs. 4 GG einzuschränken. Heinrich Wolff schlägt hierfür auch die Streichung des Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG mit einer notwendigen Zweidrittelmehrheit vor, ebd., S. 5. 42  Die Bundesregierung gab an, dass zwischen 1998 und 2016 ein Einsatz von Wohnraumüberwachungen des BND nicht stattgefunden habe. Vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung gemäß Artikel 13 Absatz 6 Satz 1 des Grundgesetzes, BT-Drs. 14/2452, S. 2 (für 1998); BT-Drs. 14/3998, S. 1 (1999); BT-Drs. 14/6778, S. 1 (2000); BT-Drs. 14/9860, S. 1 (2001); BT-Drs. 15/1504, S. 1 (2002); BT-Drs. 15/3699, S. 1 (2003); BT-Drs. 15/5971, S. 1 (2004); BT-Drs. 16/3068, S. 1 (2005); BT-Drs. 16/6363, S. 1 (2006); BT-Drs. 16/10300, S. 1 (2007); BT-Drs. 16/14116, S. 1 (2008); BT-Drs. 17/3038, S. 1 (2009); BT-Drs. 17/7008, S. 1 (2010); BT-Drs. 17/10601 (2011), hiervon haben allerdings zwei präventive Maßnahmen des BKA stattgefunden; BT-Drs. 17/14835 (2012); BT-Drs. 18/2495 (2013); BTDrs. 18/5900 (2014); BT-Drs. 18/9660 (2015), hiervon hat allerdings eine präventive Maßnahme des BKA stattgefunden; BT-Drs. 18/13522 (2016). Siehe auch Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 162 ff., nach welchem eine Kontrolle in diesem Bereich quasi nicht stattfindet. 43  Derzeit gibt es zwar bei der akustischen Wohnraumüberwachung ein eigenes parlamentarisches Gremium und ist ein Richtervorbehalt vorgesehen. Etwas Vergleichbares fehlt allerdings bei den digitalen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, obgleich ein solcher Schutz aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt. So BVerfGE 141, 220, 275 – BKAG. 44  Gerhard Schindler nennt dafür § 8b Abs. 2 BVerfSchG, welcher es der G10Kommission erlaube, gem. § 8a BVerfSchG besondere Auskunftsverlangen vorzu-

564 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

Außerdem darf die Zusammenlegung der beiden quasi-gerichtlichen Kon­ trollorgane nicht mit einem Wegfall von Kontrollierenden einhergehen, sondern sollten das mit nur vier Personen besetzte Unabhängige Gremium und die mit drei Personen besetzte G10-Kommission personell, finanziell und kom­ petenziell ausgeweitet werden.45 Derzeit tritt die G10-Kommission wegen einer zu geringen und zudem lediglich ehrenamtlichen Besetzung trotz des immensen Arbeitsaufwandes lediglich monatlich zusammen, was es schwer gestaltet, den stetig wachsenden Arbeitsaufwand nur annähernd zu bewältigen.46 Der derzeitige Sitzungsturnus widerspricht darüber hinaus den Forderungen des EGMR, wonach nachrichtendienstliche Beschränkungsmaßnahmen bei Gefahr in Verzug zwar ohne vorherige Anrufung der jeweils zuständigen Kontrollorgane zulässig, aber umgehend – spätestens nach 72 Stunden – nachzuholen sind.47 Derzeit bedeutet das bei der G10-Kommission, dass mit der Begründung einer Gefahr in Verzug bis zu einen Monat ohne quasi-gerichtliche Genehmigung nachrichtendienstliche Beschränkungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Um eine baldige Überprüfung der Überwachungsmaßnahmen zu gewährleisten, tagen daher sowohl die französische CNCTR als auch der US-amerikanische FISC mehrmals wöchentlich bzw. ist letzterer sogar durchgängig besetzt.48 Beiden Gremien stehen überdies mehr Mitglieder zur Verfügung: Der FISC hat dafür elf Richterinnen und Richter49 und der CNCTR neun Kontrolleure vorgesehen, wobei der CNCTR bei ähnlich gelagerten oder unstrittigen Fällen auch in kleinerer Besetzung von vier Personen – darunter die gerichtlichen Vertreterinnen und Vertreter sowie eine IT-Expertin bzw. ein IT-Experte – tagen kann.50 bringen, die kaum Art. 10 GG-Relevanz haben und über § 2a BNDG für den BND gelten würden. Vgl. Schindler, Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (E-BNDG) und des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes (EPKGrG), Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 4 ff. Ferner Wolff, Öffentliche Anhörung Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 26.09.2016, Protokoll-Nr. 18/89, S. 40 f., welcher daneben § 13 G10 benennt. 45  So auch BVerfG, Urteil vom 19.05.2020, 1 BvR 2836/17, Rn. 284 – BNDG. 46  So Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4 f. 47  EGMR, Urteil vom 12.01.2016, Appl. No. 37138/14, Rn. 79  ff. – Szabó & Vissy v. Hungary. 48  Vgl. dazu 50 U.S.C. § 1803 (a) (1) [Sec. 103 FISA]. 49  Siehe Sec. 103 (a) (1), (d) FISA. 50  Siehe Art. L831-1 ff. CSI. Generell lassen sich noch weitere Systeme erkennen, wie die Kontrolle stattfindet: Unmittelbare Kontrolle durch aktive Parlamentarierinnen bzw. Parlamentarier, Kontrolle durch Expertinnen- bzw. Expertengremien oder Kontrolle durch spezielle Beauftragte, Ombudspersonen oder Generalinspekteurinnen bzw. Generalinspekteure mit jeweils eigenem Unterbau. So Singer, Praxiskom-



IV. Herstellung einer leistungsfähigen Kontrollarchitektur565

Gerade die Hinzunahme von Personen mit technischem Sachverstand ist ein wichtiger Aspekt. Mitglieder der G10-Kommission klagten bereits seit Jahren über mangelnde Unterstützung durch technische Expertise, weil sie ohne diese meist nur schwer oder kaum in der Lage waren, die Anordnungen des BND zu überprüfen.51 Selbiges gilt für parlamentarisch besetzte Kontrollgremien, die im nachrichtendienstlichen oder technischen Bereich nicht zwangsläufig eine besondere Kenntnis aufweisen müssen. Im Idealfall wären zwei Optionen denkbar: Einerseits – anknüpfend an die bisherige Tradition der deutschen separierten nachrichtendienstlichen Kon­ trolle – könnte sich ein neues (quasi-)gerichtliches Kontrollorgan in Deutschland aus hauptamtlich tätigen Richterinnen und Richtern sowie Expertinnen und Experten im IT-Bereich zusammensetzen, das eine präventive und repressive Kontrolle aller Überwachungsanfragen des BND durchführt, mehrmals wöchentlich tagt und aus mindestens neun Mitgliedern besteht.52 Daneben sollten für die parlamentarische Kontrolle das PKGr und für die spezifische datenschutzrechtliche Kontrolle der bzw. die BfDI weiter bestehen bleiben. Alle Gremien müssen jedoch – ähnlich dem britischen oder norwementar zum PKGrG, 2015, § 2 PKGrG, S. 59. Zur Diskussion über Vorschläge zur Ausgestaltung der nachrichtendienstlichen Kontrolle siehe ferner 7. Konferenz der parlamentarischen Kontrollgremien für die Nachrichten- und Sicherheitsdienste aus den Mitgliedstaaten der EU sowie aus Norwegen und der Schweiz vom 27.-28.10.2011 in Berlin, dokumentiert bei Singer, Dokumentation durch den Bundestag, Sekretariat PD 5, 2012. 51  Es stehen der G10-Kommission aber „Mitarbeiter mit technischem Sachverstand“ zur Verfügung. Siehe § 15 Abs. 3 S. 2 G10. Trotz dieser Regelungen prangerte Nils Muižnieks vor allem die mangelnden technischen Fachkenntnisse sowie die geringen Mitarbeiterinnen- bzw. Mitarbeiter- und Sachmittel der G10-Kommission an: ders., Bericht des Menschenrechtskommissars nach seinem Besuch in Deutschland im April und Mai 2015, S. 3 f., 18 ff. 52  Ob dieses Kontrollgremium an das BVerwG angegliedert wird, weil es auch erstinstanzlich bei Klagen gegen den BND nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zuständig ist und hierfür auch bereits einen Fachsenat nach § 189 VwGO aufgestellt hat, bei dem nach §§ 99 Abs. 2, 189 VwGO ein besonderer Geheimnisschutz bereits etabliert worden ist (so Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 21) oder ob man die Rechtskontrolle bewusst außerhalb des BVerwG angliedert, um eine mehrmalige Befassung einer Abteilung bei einem Gericht mit derselben Materie zu vermeiden, soll hier offenbleiben, weil beide Varianten gangbar wären. Ferner dazu auch Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 4 f., der sich für mehr Expertinnen und Experten im IT-Bereich in den Kontrollorganen ausspricht. Siehe auch Margulies, Searching for Federal Judicial Power, in: Geo. Wash. L. Rev. 2017, Vol. 85, S. 800 (851), welcher der Meinung ist, dass Anordnungen zur Überwachungen nicht von ordentlichen Gerichten vorgenommen werden dürften, weil dies die Handlungsfähigkeit der Exekutive zu stark beschränken.

566 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

gischen Modell – einen umfangreichen Zugriff auf kontrollrelevante Informationen erhalten.53 Andererseits – sollte man dem französischen Modell folgen – könnte ein einheitliches Gremium mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der Gerichte und IT-Bereichen geschaffen werden, um die nachrichtendienstliche Kontrolle gänzlich zu zentralisieren. Das hat den Vorteil, dass die Kontrolle gebündelt wird. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass hierbei durchaus der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betroffen sein könnte, wenn Oppositionsmitglieder bei Anordnungsentscheidungen mit­ wirken und so in den Willens- und Initiativbildungsbereich der Exekutive eingreifen können. Allerdings könnten Vorkehrungen geschaffen werden, die jenes vermeiden. Mithin könnte ein solches Gremium nur in kleiner Be­ setzung – ohne die parlamentarischen Vertretungen – eine Vorabkontrolle durch­führen, weil hinsichtlich der nachträglichen Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Willens- und Initiativbildungsbereich nicht mehr betroffen ist. Nur bei gesetzlich noch genauer auszuformenden Bedingungen wäre die volle Besetzung – samt Opposition – zu involvieren. Der entscheidende Unterschied ist somit, dass ein einheitliches Kontrollgremium existiert, in welchem – anders als im bisherigen deutschen System – die Mitglieder untereinander nicht der Geheimhaltung verpflichtet sind. Jedoch ist anzumerken, dass eine Gesamtfusion von Kontrollorganen in Deutschland nach derzeitigem Verfassungsrecht ausgeschlossen ist: Mindestens das PKGr muss separat bleiben.

V. Stärkung der Kontrollbefugnisse und der Personal- sowie Sachmittelausstattung der Kontrollorgane Darüber hinaus benötigen die neuen Kontrollorgane weitere Kontrollbefugnisse. Die Reformen aus dem Jahr 2016 haben bereits einige Neuerungen in dieser Hinsicht hervorgebracht. Zur Effektivität der Kontrolle bedarf es aber weiterer Anpassungen. Derzeit ist lediglich das PKGr befugt, das Bundesverfassungsgericht bei Streitigkeiten mit der Bundesregierung anzurufen. Diese Vorlagemöglichkeit muss auch unmittelbar oder mittelbar für die quasi-gerichtliche Kontrolle eröffnet sein, weil genau jene über die Überwachungsanordnungen entscheidet. Bei verfassungsrechtlichen Unklarheiten – wie dies vermehrt vor allem bei der G10-Kontrolle vorgekommen ist – ist eine höchstrichterliche Absicherung notwendig, damit eine verfassungsrechtliche Entscheidung nicht ausschließlich einem Vierer-Gremium überlassen wird, welches nur für den Vorsitz die Befähigung zum Richteramt verlangt. Ob eine derartige Neurege53  Vgl.

dazu bereits Abschnitt D.II.3.



V. Stärkung der Kontrollbefugnisse567

lung über den Umweg in Form eines Ersuchens beim PKGr ausgestaltet oder direkt möglich ist, obliegt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.54 Darüber hinaus muss die Kooperation unter den Kontrollorganen gestärkt werden. Die Einführung einer bzw. eines Ständigen Bevollmächtigen allein ist hierfür nur bedingt ausreichend. Einerseits müsste diese Stelle zu allen Kontrollstellen Zugang haben55 und diese vernetzen. Andererseits ersetzt eine solche Stelle, die lediglich dem PKGr berichtet und an dessen Anweisungen gebunden ist, nicht einen generellen Austausch unter den Kontrollstellen. So ist derzeit nicht einmal die G10-Kommission befugt, der bzw. dem Ständigen Bevollmächtigen Untersuchungsaufträge zu erteilen, um auch von anderen Organen kontrollrelevante Informationen zu erhalten. Ferner besteht bisher lediglich eine Unterrichtungspflicht der Kontrollstellen an das PKGr – nicht andersherum. Aufgrund von Geheimhaltungsaspekten darf eine Unterrichtung nur abstrakt erfolgen.56 Daher müsste neben der Stelle einer bzw. eines Ständigen Bevollmächtigten eine regelmäßige Vollversammlung zwischen PKGr, BfDI und quasi-gerichtlichen Kontrollstellen – bzw. einer zu präferierenden quasi-gerichtlichen Kontrollstelle – eingeführt werden. Dafür könnte die bzw. der Ständige Bevollmächtigte diese Sitzungen vorbereiten und im Vorfeld ermittelte Probleme oder Missstände auf eine Tagesordnung setzen, die dann – ohne eine Geheimhaltungsklausel bzgl. dieser speziellen Aspekte – besprochen werden. Ferner bedarf es einer vorherigen und nachträglichen Kontrolle durch die jeweils zuständigen Kontrollorgane. Überlässt man die rechtliche Überprüfung der Anordnungen zur Überwachung einer quasi-gerichtlichen Kontrollstelle, muss diese in der Lage sein, vorab alle Informationen zu erhalten und im Anschluss über die Durchführung der Überwachung informiert zu werden. Derzeit ist jedoch das Unabhängige Gremium lediglich zur präventiven Kontrolle berufen und die nachträgliche Kontrolle wird überwiegend abstrakt vom PKGr übernommen, ohne dass dieses automatisch einen detaillierten Zugang zu allen Anordnungen und Informationen zur Durchführung bekommt. Das bedeutet, dass nicht alle genehmigten Überwachungsmaßnahmen einer vollständigen nachträglichen Kontrolle unterliegen, sondern entweder lediglich stichprobenartige Kontrollen vorgesehen sind oder eine Unterrichtungspflicht nur bei bedeutenden und wesentlichen Änderungen der genehmigten Überwachungsmaßnahmen besteht. Dieses derzeitige Auseinanderfallen von Genehmigung der Anordnungen zur Überwachung und Über54  Sollte man sich für eine einheitliche Kontrollstelle entscheiden, wäre ebenso eine Vorlagemöglichkeit notwendig, weil auch hier die Klärung strittiger Verfassungsfragen dem dafür zuständigen Organ – dem Bundesverfassungsgericht – obliegt. 55  Derzeit fehlt ein solcher Zugang beim Unabhängigen Gremium. 56  Siehe bspw. § 15 Abs. 8 G10.

568 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

prüfung der Einhaltung der Bedingungen dieser benötigt eine Regelung, die eine vollumfängliche Überprüfung vorsieht, um der nur eng begrenzt zulässigen Ersatzkontrolle auch gerecht zu werden. Daher muss allen quasi-gerichtlichen Stellen – wie immer man sie auch ausgestalten mag – eine repressive Kontrolle der genehmigten Anordnungen zugestanden werden. Hierfür bedarf es jedoch ganz praktischer Verbesserungen der Befugnisstruktur: So muss den Kontrollstellen jeweils ein unangekündigtes Zutrittsrecht eingeräumt werden, um verdachtsunabhängige Kontrollen zu ermöglichen.57 Eine weitere Variante zur Erweiterung der Befugnisse wäre – dem norwegischen Modell folgend – den Kontrollstellen die Möglichkeit zu geben, „free searches in the services’ computer systems“ in Echtzeit durchzuführen.58 Oder zumindest – angelehnt an das britische Modell – sollten ein umfassendes Auskunftsrecht und ein voller Zugriff auf sämtliche zur Kontrolle erforderlichen Unterlagen eingeführt werden.59 Außerdem ist eine Reform des Protokollwesens notwendig. Derzeit fehlen dem PKGr aussagekräftige Protokolle oder Tonbandaufzeichnungen und mangels Berechtigung zur Teilnahme von eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Sitzungen sind die PKGr-Mitglieder ausschließlich auf die mündliche Überlieferung und eigene Notizen angewiesen, die auch nicht zu Beweiszwecken herangezogen werden können. Ohne zu wissen, was diskutiert wird, können Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine wichtige Vor­arbeit für die PKGr-Mitglieder leisten, welche essentiell für die Sitzungen wäre.60 Zwar sollte die Zahl an kenntniserlangenden Personen so gering wie möglich gehalten werden, aber allein kann diese Arbeit von PKGr-Mitgliedern nicht effektiv und umfassend gewährleistet werden. Aus diesen Gründen muss die Ausweitung der Befugnisse zwingend mit einer Ausweitung der Personal- und Sachmittel einhergehen. Das gilt nicht nur für die Kontrollstellen, sondern auch für die Nachrichtendienste. Es wird vermehrt darauf hingewiesen, dass die Kapazitäten zu einer umfänglichen Kontrolle nicht gewährleistet sind und die Nachrichtendienste für die Dokumentation ihrer Tätigkeit ebenfalls ausreichend Personal benötigen.61 57  Vgl. dazu bereits Abschnitt D.I.2. So auch Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 642; Roggan, G-10-Gesetz, 2012, § 15 G10, Rn. 10. 58  Siehe dazu The Norwegian Parliamentary Intelligence Oversight Committee (EOS Committee), Annual Report 2015, S. 35. 59  Vgl. bereits Abschnitt D.II.3. 60  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes: ein Rechtsvergleich vor und nach 9/11, 2011, S. 229 f. Den § 12-Beschäftigen der Bundestagsverwaltung ist allerdings die Teilnahme an den Sitzungen des PKGr bereits gestattet. 61  Ähnlich schon Antrag der Abgeordneten Ströbele u. a., Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste vom 18.04.2016, BT-Drs. 18/8163, S. 3 f.



VI. Kein Geheimnisschutz gegenüber und unter den Kontrollorganen569

VI. Kein Geheimnisschutz gegenüber und unter den Kontrollorganen Die Geheimschutzeinrede der Nachrichtendienste gegenüber den Kontrolleurinnen und Kontrolleuren sowie der Geheimnisschutz innerhalb der Kon­ trollstellen müssen wegfallen bzw. erheblich reduziert werden. Um die nachrichtendienstliche Tätigkeit hierdurch nicht zu stark einzuschränken, gleichzeitig aber eine effektive und verfassungsrechtlich notwendige Kontrolle zu gewährleisten, muss ein Kompromiss zwischen einer vollumfänglichen Geheimniseinrede der Bundesregierung für die nachrichtendienstliche Tätigkeit und einer völligen Transparenz gefunden werden. Die Geheimhaltung im nachrichtendienstrechtlichen Bereich darf und soll hierfür nicht in Frage gestellt werden. Die Offenlegung aller Informationen, wie, warum, wann und gegen wen nachrichtendienstliche Mittel durchgeführt werden, könnte zur völligen Unwirksamkeit der Nachrichtendienste führen und am Ende in einer Gefahr für Leib und Leben für Menschen oder gar den Bestand der demokratischen Grundordnung resultieren.62 Bereits der vage Hinweis über Einzelheiten der nachrichtendienstlichen Tätigkeit kann ausreichend sein, um beispielsweise Anschläge im Verborgenen planen zu können und ohne Kenntnis der Sicherheitsbehörden durchzuführen.63 Einem zu transparenten Nachrichtendienst wäre es mithin kaum möglich, seinem Auftrag zum Schutz des Staates und der Verfassung wirksam nachzukommen.64 Daher ist es verständlich, dass eine funktionale Begrenzung der Offenlegung nachrichtendienstlicher Tätigkeit gefordert wird.65 Allerdings ermöglicht die nachrichtendienstliche Tätigkeit zum Teil tiefe Grundrechtseingriffe. Dabei gilt ebenso für Behörden, die zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung berufen sind, dass derartig beschränkende Maßnahmen grundgesetzlichen Ansprüchen genügen müssen. Da die nachrichtendienstliche Arbeit eine besondere Struktur aufweist, wurde zum Ausgleich der Sicherheits- und Freiheitsinteressen ein Ersatzrechtsschutz zur Rechtmäßigkeitskontrolle – zumindest für Beeinträchtigungen von Art. 10 62  So

auch BVerfGE 130, 318, 359 – Stabilisierungsmechanismusgesetz. Der Bundestag und die Nachrichtendienste – eine Neubestimmung durch Art. 45d GG?, 2014, S. 177. 64  Vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b, Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. 65  Dies gilt auch der Wahrung des Kernbereichs der Exekutive, damit parlamentarische Kontrolle nicht in die Willens- und Initiativbildung der Bundesregierung eingreift. Vgl. auch Gärditz, Gesetzentwürfe zur Reform des Nachrichtendienstrecht, Anhörung des Innenausschusses am 26. September 2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 A, S. 22; Kahl, Begriff, Funktionen und Konzepte von Kontrolle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, Rn. 77. 63  Hempel,

570 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

Abs. 1 GG – eingeführt, der den Geheimhaltungsinteressen Rechnung tragen soll. Entscheidet man sich somit aus Geheimhaltungsgründen dazu, quasigerichtliche geheim tagende Kontrollstellen mit der Rechtmäßigkeitsprüfung von nachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen zu betrauen und den Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG somit erheblich einzuschränken, müssen die hierfür berufenen Kontrollgremien auch einen umfassenden Überblick über das erhalten, was sie kontrollieren sollen. Daher hat Heinrich Wolff vollkommen Recht, wenn er ausführt: „Wenn das Parlament die höchste Vertraulichkeit zusagt, darf es auch höchste Vertraulichkeitsstufen kontrollie­ ren“66 bzw. kontrollieren lassen. Das muss genauso für den Ersatzrechtsschutz gelten, der den Geheimhaltungsbedürfnissen Rechnung zollen soll. Da keine öffentliche gerichtliche Kontrolle stattfindet, soll eine effektive und vollumfängliche nicht-öffentliche Ersatzkontrolle stattfinden, um zu vermeiden, dass exekutive Tätigkeit existiert, die gänzlich oder auch nur partiell unkontrolliert durchgeführt wird. Letzteres wäre mit der Idee einer gewaltengeteilten Demokratie und anderen verfassungsrechtlichen Werten ansonsten unvereinbar. Folglich bedarf es gegenüber den Kontrollgremien einer vollständigen, wahrheitsgemäßen und qualifizierten Unterrichtung über deren Tätigkeiten, ohne sich grundsätzlich auf eine Geheimhaltungseinrede berufen zu können. In Anlehnung an das britische Modell, das den Kontrollorganen einen umfassenden und unbeschränkten Auskunftsanspruch zu kontrollrelevanten Informationen gewährt, wäre eine solche Ausgestaltung notwendig.67 Dies gilt umso mehr, wenn solche Gremien selbst vollständig der Geheimhaltung unterliegen.68 Es ist nicht ersichtlich, wieso die Geheimhaltung auch gegenüber den Gremien gelten soll, wenn mit der Schaffung eines den 66  So Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 19 f. Er forderte deshalb den § 6 Abs. 1 S. 1 PKGrG um den Halbsatz „oder von ihm verarbeitet werden“ zu ergänzen, was durchaus sinnvoll erscheint. 67  Siehe dazu näher Abschnitt D.II.3. 68  So auch schon in Bezug auf das PKGr: Antrag der Abgeordneten Ströbele u.  a., Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste vom 18.04.2016, ­BT-Drs. 18/8163, S. 2 f. Eine Ausnahme für Untersuchungsausschüsse und die G10Kommission bei der internationalen nachrichtendienstlichen Kooperation anerkennend: BVerfG, Beschluss vom 13.10.2016, Az.: 2 BvE 2/15, Rn. 176 – NSA-Selektoren (NSA-Untersuchungsausschuss). Eine solche Ausnahme bedarf dann aber einer gesetzlichen Grundlage und Begründung. Nur in einem „formalisierten Verfahren kann sichergestellt werden, dass die Bedingungen, unter denen die Weitergabe von Informationen ausländischen Ursprungs an das Parlament beschränkt werden kann, eingehalten werden“. So Möllers, Von der Kernbereichsgarantie zur exekutiven Notstandsprärogative: zum BND-Selektoren-Beschluss des BVerfG, in: JZ 2017, Vol. 6, S. 271 (278).



VI. Kein Geheimnisschutz gegenüber und unter den Kontrollorganen571

Rechtsschutz ersetzenden Kontrollsystems der Geheimhaltung ausreichend Rechnung getragen wurde. Folglich müssen die Kontrollstellen alle notwendigen Informationen erhalten, die sie für die ihr aufgetragene Kontrolle benötigen. Die bestehende Verpflichtung zur Geheimhaltung der verfassungsrechtlich und demokratisch legitimierten Gremien muss hierfür ausreichend sein, da andernfalls eine Kontrolle leerliefe.69 Die hier vorgeschlagene Vereinheitlichung und Zentralisierung der nachrichtendienstlichen Kontrolle würde die starke Beschränkung der Geheimniseinrede sogar verlangen – vor allem, wenn man sich für ein einheitliches Kontrollgremium im französischen Stil entscheidet. Zugleich darf – anders als es derzeit der Fall ist – die Verständigung unter den Kontrollgremien nicht der Geheimhaltung unterliegen, sofern diese nicht mit der „Third Party Rule“ kollidiert.70 Dies wäre wohl unproblematisch bei einem einheitlichen Gremium und käme nur zum Tragen, wenn es weiterhin mehrere unterschiedliche Kontrollorgane gibt. Hier muss gelten, dass die Wahrung des Geheimnisschutzes, welcher bereits zur Einführung des Ersatzrechtsschutzes führte, nicht als grundlegendes Argument dafür herangezogen werden darf, um sich seiner Kontrollierbarkeit zu entziehen. Dies betrifft die Vorabkontrolle durch quasi-gerichtliche Einrichtungen genauso, wie die Kontrolle abgeschlossener Vorgänge sowohl für die quasi-gericht­ lichen als auch parlamentarischen Kontrollstellen. Diese Kontrollen können nur effektiv durchgeführt werden, wenn alle Stellen Zugang zu allen notwendigen Informationen von der Anordnungserlaubnis bis zur Durchführung der Überwachungsmaßnahme und deren Ergebnissen haben. Entscheidend – und das bestätigte der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler – ist jedoch, dass eine angemessene Geheimhaltung nach Außen gewahrt werden muss.71 Solange sind Nachrichtendienste und effiziente parlamentarische Kontrolle kein Widerspruch. Da die Pflicht zur Geheimhaltung allerdings für die Kontrollorgane bereits normiert ist und der Geheimnisbruch strafrechtlich emp69  Zu Recht bringt Dominic Hörauf allerdings vor, dass der Geheimnisschutz nicht durch eine personelle Aufstockung der Kontrollgremien und deren Hilfspersonal ins unermessliche untergraben werden könne. Die Involvierung von zur Kontrolle berufenen Personen und deren Unterstützerinnen bzw. Unterstützer darf daher nur mit „Augenmaß“ erfolgen. Er bringt dafür ins Spiel, dass lediglich zwei Referentinnen bzw. Referenten der Fraktion ausreichend zur Unterstützung eines PKGr-Mitgliedes seien. So ders., Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 226 f. Aber auch die anderen Stellen benötigen Personal. Ein einheitliches Sekretariat mit bis zu drei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern für diese Angelegenheiten könnte dafür ausreichend sein. 70  Vgl. BVerfGE 143, 101, 151 f. – NSA-Untersuchungsausschuss. 71  Schindler, Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 D, S. 13, welcher sich genauer gegen eine „überzogene Geheimhaltung“ aussprach.

572 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

findlich sanktioniert wird,72 sind die Voraussetzungen hierfür schon längst existent.73

VII. Verbesserung der Kontrolle durch Stärkung der parlamentarischen Minderheiten Je schwächer die parlamentarische Gestaltungsmöglichkeit ausgeformt ist, „desto stärker muss die parlamentarische Kontrolle ausgestaltet sein“,74 was vor allem die Stärkung der parlamentarischen Minderheiten adressiert. Obgleich das Grundgesetz die „Opposition“ nicht direkt erwähnt, ist diese „wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie“ und im gewaltengeteilten System unerlässlich zur Kontrolle der regierenden Parteien.75 Daher ist die parlamentarische Kontrolle in erster Linie ein Oppositionsrecht, welches das Informationsdefizit des Parlaments durch effektive Kontrollrechte ausgleichen soll.76 Entscheidet man sich für ein parlamentarisch besetztes Gremium zur Kontrolle der deutschen nachrichtendienstlichen Tätigkeit, müssen der ­demokratisch gewählten Opposition effektive Kontrollrechte eingeräumt werden. Bereits mit der Entscheidung zur Einrichtung des PKGr als parlamentarisches Gremium und nicht als Ausschuss setzte man ein Zeichen, dass die ­Regelungen der GO-BT nicht anwendbar sein sollten.77 Das brachte einige 72  Vgl.

§§ 353a, 353b StGB. weitergehend hierzu sind frühere Forderungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, welche eine noch transparentere Ausgestaltung der Kontrolltätigkeit beinhalten. Diese müsse über eine schlichte öffentliche Bewertung der Tätigkeit die Mitglieder auch dazu ermächtigen, über inhaltliche Vorgänge zu berichten, sollte sich die Mehrheit des PKGr dafür aussprechen und weder die Sicherheit Deutschlands noch einzelner Person hiervon betroffen sein. Siehe dazu Ströbele u. a., Antrag für eine wirksamere Kontrolle der Geheimdienste vom 08.03.2006, BT-Drs. 16/843; von Notz u. a., Für eine Zäsur und einen Neustart in der deutschen Sicherheitsarchitektur vom 22.04.2015, BT-Drs. 18/4690; Ströbele u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 01.07.2015, BT-Drs. 18/5431; Antrag der Abgeordneten Ströbele u. a., Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste vom 18.04.2016, BT-Drs. 18/8163. 74  So Holzner, Parlamentarische Informationsansprüche im Spannungsfeld zwischen demokratischer Kontrolle und Staatswohlinteressen, in: DÖV 2016, Vol. 69, S. 668 (668). 75  Zumindest einige Landesverfassungen nehmen auf die Opposition Bezug. Siehe hierfür den im Fließtext zitierten Ausschnitt des Art. 23a Abs. 1 Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg. 76  So auch Holzner, Parlamentarische Informationsansprüche im Spannungsfeld zwischen demokratischer Kontrolle und Staatswohlinteressen, in: DÖV 2016, Vol. 69, S.  668 (668 f.). 77  Vgl. BVerfGE 70, 324, 358  f. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Siehe ferner etwa Shirvani, Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichten73  Noch



VII. Verbesserung durch Stärkung der parlamentarischen Minderheiten573

Pro­bleme für die Opposition mit sich: Der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz galt nicht zwangsläufig bei der Besetzung des PKGr, wegen des besonderen Geheimhaltungsintereses wurden bei der Wahl der Mitglieder andere Quora aufgestellt und die Rechte der Kontrollmitglieder konnten eigens ausgestaltet werden. All dies führte zu einer Beschränkung der Minderheitenrechte im PKGr und simultan zu einer Beschränkung der Kontrolle. Hinsichtlich der ersten beiden Aspekte der Besetzung sieht § 2 Abs. 3 PKGr die Wahl der Mitglieder mit der absoluten Mehrheit vor und ermöglicht – wie bereits vermehrt in der Geschichte des Gremiums v ­ orgekommen78 – den Regierungsparteien, die Wahl vorgeschlagener Oppositionsvertreterinnen oder Oppositionsvertreter zu verweigern. In Bezug auf die Wahl zum Vertrauensgremium gem. § 10a BHO erklärte das Bundesverfassungsgericht ein derartiges Quorum zwar für verfassungskonform, sofern eine einseitige Besetzung des Gremiums durch die Regierungsparteien vermieden werde.79 Es führte aber ebenso aus, dass der Grund dieser Quorumsregelung die Gewährleistung sei, „daß nur Abgeordnete gewählt werden, die persönlich das Vertrauen der Mehrheit des Bundestages genießen [… und] die Verschwiegenheit der Gewählten zur Überzeugung der Mehrheit [feststeht].“80 Zwar ist somit eine solche Verfahrensweise in engen Grenzen zulässig.81 Eine Erhöhung des Quorums würde diesen Ansprüchen jedoch auch gerecht und könnte die Kontrollrechte der Opposition merklich stärken, ohne dass dies mit einer Einbuße der Kontrolltätigkeit des PKGr einherginge. In Anbetracht dessen mag es nicht überzeugen, dass bei der Wahl des PKGr „nur“ die Parlamentsdienste, in: VBlBW 2010, S. 99 (99 ff.); Huber, Vorbemerkung PKGrG, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1463; Hornung, Kontrollgremiumgesetz, 2012, Einleitung PKGrG, Rn. 20; Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2015, Art. 45d GG, S. 17 ff.; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 162. Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, S. 526. 78  Bereits in der Vergangenheit traten schon bei der Besetzung des PKGr erhebliche Probleme auf, weil manche Fraktionen oder Abgeordnete bei der Wahl zum Mitglied keine notwendige Mehrheit erhielten. Dies traf zu auf Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in den 1980ern und der Fraktion PDS in den 1990ern. Erst in der 18. Legislaturperiode wurden im PKGr alle Fraktionen berücksichtigt. Aber bereits in der 19. Legislaturperiode trat dieses Problem bei der Wahl von Roman Reusch als Vertreter der AfD-Fraktion erneut auf, der am Ende jedoch gewählt wurde. 79  BVerfGE 70, 324, 365 – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Siehe auch zum verfassungsrechtlich vorgegebenen Gebot einer angemessenen Beteiligung der Opposition im PKGr: BayVerfGH, NVwZ 2002, S. 1372 (1374). Siehe auch Huber, § 2 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1467. 80  BVerfGE 70, 324, 365 – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. 81  Ebd.

574 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

mehrheit – also anders als bei Bundestagsausschüssen82 – erforderlich ist, die die Regierungsfraktionen ohnehin stellen. Daher ist es aus der Perspektive einer unabhängigen Kontrolle nicht verständlich, wie ein Gremium zur Kontrolle der Exekutive, das sich überwiegend aus Abgeordneten der Regierungsfraktionen zusammensetzt, ein immens höheres Quorum im Vergleich zu Bundestagsausschüssen aufweist, um Kontrollbefugnisse auszuüben.83 Die eigenen Kandidatinnen und Kandidaten der regierenden Fraktionen – die zumeist für diesen Posten parteiintern nicht wegen ihrer Kritik an der Partei ausgewählt wurden – können dabei ohne weiteres gewählt werden. Die Hürde für die Parlamentsminderheit ist hingegen um ein wesentliches Höher: Unliebsame Kandidatinnen und Kandidaten können von der Regierung geblockt werden – wie es in den 1980ern schon die Fraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und in der 19. Legislaturperiode die AfD erfahren mussten.84 Dies stellt laut Jens Singer sogar eine „Konterkarierung wirksamer Kon­ trolle“ dar, da die angemessene Berücksichtigung von Minderheitenrechten „für das parlamentarische Regierungssystem unerlässlich“ sei.85 Daher würde ein erhöhtes Quorum für die Wahl der PKGr-Mitglieder den Regierungsfraktionen Kompromisse mit der Opposition abverlangen, um die eigenen Kandidatinnen und Kandidaten durchzubringen.86 Eine solche Regelung findet sich 82  Ausschussmitglieder werden von den jeweiligen Fraktionen des Deutschen Bundestags lediglich benannt, vgl. § 57 Abs. 2 GO-BT. Dies gilt nicht für den Wahlprüfungs-, Wahl-, Richterwahl- und Vermittlungsausschuss. Zudem findet sich in § 24 Abs. 1 S. 3 Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen genau eine solche Zweidrittel-Regelung für die Wahl des Kontrollgremiums. Kritisch zu dieser hier vertretenen Auffassung Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 18, welcher davon spricht, dass man sich bewusst für die Ausgestaltung als Gremium und eben nicht als Ausschuss entschieden habe, weswegen dem PKGr weniger Opposi­ tionsrechte zukommen sollten. Dass die derzeitige Ausgestaltung jedoch selbst gegen benannte verfassungsrechtliche Prinzipien verstößt, ändert nichts an der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers. 83  So auch Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2015, § 2 PKGrG, S. 60  f. A. A. Arndt, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, S. 1369 (1376), welcher den Verzicht eines solchen Quorums als Positivum für die Opposition auslegt. 84  Siehe auch Huber, § 2 PKGrG, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, S. 1467. 85  Singer, Praxiskommentar zum PKGrG, 2015, § 2 PKGrG, S. 61 ff., der eine Zweidrittelmehrheit vorschlägt, weil dies ansonsten eine „Konterkarierung wirksamer Kontrolle“ darstelle, wenn Minderheitenrechte nicht angemessen berücksichtigt werden, da diese „für das parlamentarische Regierungssystem unerlässlich“ seien. 86  Ebd. Teilweise zustimmend Achterberg/Schulte, Art. 45d GG, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Rn. 18; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, 2014, S. 129 ff. A. A., dass das PKGr kein „Ort für die Entfaltung der Opposition“ sei: Christopeit/Wolff, Die Reformgesetze zur parlamenta-



VII. Verbesserung durch Stärkung der parlamentarischen Minderheiten575

bereits in § 24 Abs. 1 S. 3 Gesetz über den Verfassungsschutz in NordrheinWestfalen, wo der Weg einer Zweidrittelregelung für die Wahl des Kontrollgremiums des Landes gewählt wird. Eine solche Regelung ist verfassungsrechtlich zwar nicht zwingend, aber würde den Minderheitenschutz stärken, ohne die Kontrolle zu beeinträchtigen. Entgegengesetzt dazu ist zugleich eine Absenkung der schon angesprochenen Quora für die Befugnisausübung im PKGr geboten. Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass trotz der Geheimhaltungsinteressen im nachrichtendienstlichen Bereich die Rechte der Opposition nicht vollends unberücksichtigt bleiben dürften.87 Verfassungsrechtliche Kontrolle im System der drei Gewalten, als Ausfluss des Demokratie-, Rechtsstaatsprinzips und des hieraus folgenden Gewaltenteilungsgrundsatzes, wird erst ermöglicht, wenn Parlament, Exekutive und Legislative in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen.88 In einem parlamentarischen Regierungssystem überwacht daher zur Gewährleistung dieses Spannungsverhältnisses in erster Linie nicht die Mehrheit im Bundestag die Regierung, sondern die Opposition.89 Diese muss zumindest ihren Standpunkt im Willensbildungsprozess des Plenums geltend machen können.90 Im Unterschied zum Untersuchungsausschuss, bei welchem ein Viertel der Mitglieder Beweiserhebungsanträge stellen können (§ 17 Abs. 2 PUAG), bedarf es beim PKGr für die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts (§ 14 PKGRG), die Beauftragung eines Sachverständigen (§ 7 Abs. 1 S. 1 PKGrG), ob dem Parlament Untersuchungsergebnisse des Sachverständigen zur Kenntnis gebracht werden können (§ 7 Abs. 1 S. 1 PKGrG), bei der Anfertigung von Sondervoten (§ 10 Abs. 2 P ­ KGrG) und ob gewisse Vorgänge generell veröffentlicht werden dürfen, eine Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des PKGr. Dies erschwert die verfassungsrechtliche Aufgabe der Kontrolle der Regierungstätigkeit im nachrichtendienstlichen Sektor durch die Opposition nicht nur, sondern macht sie schier rischen Kontrolle der Nachrichtendienste, in: ZG 2010, Vol. 25, S. 77 (93). Ebenso ablehnend Roewer, Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1987, § 4 PKKG, Rn. 4; Hermes, Art. 45d GG, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Rn. 35. 87  BVerfGE 70, 324, 358 f. – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Vertiefend dazu Selmer, Parlamentarische Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste, in: JUS 1987, Vol. 27, S. 62 (62 ff.). Es ist jedoch hervorzuheben, dass sich die hier in Rede stehende Haushaltskommission zumindest von dem PKGr oder der G10-Kommission dahingehend unterscheidet, dass letztere insbesondere zur Kontrolle der Nachrichtendienste berufen sind. Vgl. Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, 2014, S. 162 ff. 88  BVerfGE, 49, 70, 85 f. – Untersuchungsausschüsse. 89  Ebd. 90  BVerfGE 70, 324, 363 – Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste. Sie ist jedoch nicht vor parlamentarischen Mehrheitsentscheidungen geschützt.

576 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

unmöglich. Das wird allein daran erkennbar, dass trotz zahlreicher teils schwerer Verfehlungen – wie etwa beim NSU oder der NSA-Überwachung – nicht ein einziges Mal das Bundesverfassungsgericht angerufen wurde. Vor diesem Hintergrund kann nicht einmal von einer schwachen Stellung der Opposition die Rede sein, da ihr so gut wie gar kein Kontrollfaktor zukommt, um diese Missstände zu verhindern.91 Infolgedessen kann durchaus davon gesprochen werden, dass die Rechte der Opposition vollends unberücksichtigt bleiben. Folglich bedarf es einer Anpassung der Quora für die Ausübung der Befugnisse im PKGr. Zwar kann es aufgrund der Geheimhaltung gerechtfertigt sein, dass es Quora für die Veröffentlichung von Sondervoten gibt bzw. diese deutlich höher im Verhältnis zu Untersuchungsausschüssen ausgestaltet sind. Die Opposition muss aber angemessene Mittel besitzen, ihre Kontrolle auszuüben, was derzeit wegen der übermäßig hohen Quora nicht möglich ist. Als angemessen wurde beim Untersuchungsausschuss eine Viertelmehrheit angesehen.92 Die französische CNCTR93 oder beim US-amerikanischen SCIS94 haben hingegen diese Grenzen auf ein Drittel festgelegt. Ungeachtet dessen, welcher Variante man folgt, sollte idealerweise ein Quorum unter 50 % angestrebt werden.95 In Verbindung mit der Erhöhung des Quorums zur Wahl der Abgeordneten birgt die Absenkung der Quora für die Ausübung von Befugnissen auch kein erhöhtes Missbrauchspotential, da im PKGr dann nur Mitglieder sitzen, die sorgfältig von der Parlamentsmehrheit ausgewählt

91  Selbst der Versuch der Stärkung der Opposition durch die Einführung von Sondervoten ist hierfür kein Ausgleich, weil diese gem. § 10 Abs. 2 PKGrG ebenfalls von einer Zweidrittelmehrheit des PKGr abhängen. 92  So gefordert von Gusy, Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungs­archiv 2015, Vol. 106, S. 437 (449). Ähnlich Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, S. 219, 225, der § 17 Abs. 2 PUAG als Vorbildnorm heranzieht und die Vorlagepflicht von Sondervoten generell ablehnt. Dieser verweist aber auch auf Funke, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 A, S. 3, welcher in der Vorlagepflicht ein „Redaktionsversehen“ sehe. 93  Siehe Art. L854 Abs. 5 S. 2 CSI. Dort gibt es die Möglichkeit für den CNCTR den Conseil d’Etat bei potenziellen Rechtsverstößen der Nachrichtendienste anzurufen. Dies kann durch die Vorsitzende bzw. den Vorsitzenden oder mindestens drei Mitglieder des Neun-Personen-Gremiums geschehen. 94  Dort werden nicht die Mehrheitsverhältnisse des Senats abgebildet, sondern hat die Senatsmehrheit lediglich eine Stimme mehr. Vgl. Resolution To establish a Standing Committee of the Senate on Intelligence, and for other purposes, S. Res. 400, 94th Congress (1976), S. 3. Ferner Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 303. 95  Dies strikt ablehnend Röttgen, Mehr Vertrauen durch bessere Kontrolle, in: ders./Wolff, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 89 (90).



VIII. Vorbeugung durch Schaffung von Sanktionsmechanismen577

wurden und deren Vertrauen genießen.96 Zudem wird mit der Stärkung der Oppositionsrechte im PKGr nicht zugleich eine Verringerung der Kontrollmöglichkeiten und eine Reduzierung der Kontrolltiefe einhergehen – wie es Heinrich Wolff vorhersagt.97 Vielmehr gibt es dadurch die Möglichkeit manche Vorgehensweisen vom Bundesverfassungsgericht bestätigen zu lassen, was die Tätigkeiten des BND legitimieren würde, oder über Sachverständige einen größeren Einblick in die Tätigkeit des BND zu generieren, was für Abgeordnete deshalb vorteilhaft wäre, da nicht alle über ein umfassendes technisches Verständnis verfügen dürften. Die Kontrolltiefe würde damit steigen.

VIII. Vorbeugung von Missständen und Missbrauch bei auslandsnachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen durch Schaffung von Sanktionsmechanismen Ein weiterer Aspekt zur Verbesserung der Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit ist die Einführung eines Sanktionsmechanismus. Vermehrt wird bemängelt, dass es keinen solchen für grobes Fehlverhalten der Nachrichtendienste in Deutschland gibt.98 Allerdings werden meist keine konkreten Vorschläge zur Ausgestaltung gemacht. Die Idee der Sanktionierung für grobes Fehlverhalten kommt aber nicht von Ungefähr, wenn man sich die deutsche Geheimdienstgeschichte – vor allem mit Gestapo und Stasi – vor Augen führt. Eine besondere Sensibilität bei geheim agierenden Überwachungsbehörden liegt daher nahe.99 Sicherlich ist der heutige BND – obwohl 96  Ähnlich schon Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 225 f., der zudem ein Abberufungsrecht vorschlägt, sollte dennoch ein Missbrauch gegeben sein. Dieses Abberufungsrecht müsse aber dem gesamten PKGr obliegen. 97  Wolff, Öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 26.09.2016, ProtokollNr. 18/89, S. 41. Heinrich Wolff kritisiert aber auch die geringen Rechte der Opposition im PKGr, sieht diese gleichwohl wegen der einzuhaltenden Vertraulichkeit für gerechtfertigt an. Ders., Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 18. 98  Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes sowie weiterer Vorlagen vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)643 C, S. 8, 14, welcher strafrechtliche Sank­ tionen für grobes Fehlverhalten für Mitglieder der Exekutive fordert. Zur allgemeinen Kritik an fehlenden Sanktionen: Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, S.  189 f.; Cornelius, Strafrechtliche Verantwortlichkeiten bei der Strategischen Telekommunikationsüberwachung, in: JZ 2015, Vol. 70, S. 693 (693 ff.). 99  So dazu näher Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 2. Aufl. 2010, S. 233 ff., 264 ff.

578 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

er aus der Organisation Gehlen hervorgegangen ist – nicht mit den Diensten der früheren Unrechtsregime zu vergleichen und kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sich staatliche Stellen an Recht und Gesetz halten.100 Dennoch zeigt die jüngere Vergangenheit, dass gerade geheim agierende Behörden missbrauchsanfällig sind: Die Unterstützung des NSU durch Verfassungsschutzbehörden,101 öffentliche politische Einflussnahmen seitens des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen,102 das unzulässige Abhören von Presseunternehmen durch den BND,103 Inlands­ 100  Vgl. Art. 20 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 3 GG. In letzter Zeit wurden auch vereinzelt Gesetze und Urteile seitens anderer exekutiver Stellen nicht eingehalten. Zuletzt war dies der Fall bei der rechtswidrigen Abschiebung im Fall Sami A. aus Bremen. Dort wurde von gerichtlicher Seite Zwangsgeld angedroht. Hierzu nahm auch der Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle Stellung: „Gerichtliche Entscheidungen, seien sie von erstinstanzlichen Gerichten oder vom Bundesverfassungsgericht, sind von anderen Hoheitsträgern zu akzeptieren und umzusetzen. Andernfalls ist das ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Versprechen, das wir uns gegenseitig in der Bundesrepublik gegeben haben. Ein Verstoß, der nicht zu tolerieren ist.“ So zitiert in Holscher, Voßkuhle bezeichnet CSU-Sprache in Asyldebatte als „inakzeptabel“, in: Spiegel Online vom 26.07.2018. Ebenfalls wurde über eine Beugehaft des CSU-Ministerpräsidenten im Zuge der Fahrverbote für Dieselfahrzeuge diskutiert. Siehe dazu Suliak, CSU-Ministerpräsident Söder droht Beugehaft, in: LTO vom 27.08.2018. 101  Siehe hierzu Mitteilung des Bundestages vom 19.07.2012, verfügbar unter: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/39895729_kw29_pa_2ua_nsu/ (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). Ferner Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des 3. Untersuchungsausschusses der 18. Legislaturperiode vom 23.06.2017 (NSU), BT-Drs. 18/12950, S. 57 ff., 262 ff. 102  Hans-Georg Maaßen führte nicht nur Beratergespräche mit rechtspopulistischen Gruppen durch, von denen Teile selbst unter nachrichtendienstlicher Beobachtung stehen, sondern übte er im Zuge des Skandals in Chemnitz im September 2018 öffentlich Kritik an der Bundeskanzlerin. Siehe hierfür Interview mit der BILD vom 07.09.2018. Er spricht davon, dass es bei den Chemnitzer Protesten von Rechtsextremisten keine „Hetzjagden“ auf Ausländerinnen und Ausländer gegeben habe und widerspricht damit öffentlich Angela Merkel, die solche vorher bestätigte. Vgl. dazu auch Steffen, AfD erhielt vorab Informationen aus Verfassungsschutzbericht, in: Zeit Online vom 13.09.2018. Ein besonders gravierender Verstoß ereignete sich zudem in den sechziger Jahren in den USA. Dort versuchte J. Edgar Hoover, ehemaliger Chef des FBI, einst den nach eigenen Aussagen „gefährlichsten Neger für die Zukunft Amerikas“ – Martin Luther King – zu stürzen, indem er vermeintlich illegal Medien und Anhängerinnen bzw. Anhängern des Baptistenpastors diskreditierende Informationen übersandte. Vgl. dafür Post-Speech Memo des FBI vom 30.08.1963, Communist Party, USA, Negro Question, zitiert in: Capaccio, MLK’s speech attracted FBI’s intense attention, in: Washington Post vom 27.08.2013. 103  Vgl. Deutscher Bundestag, Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht), S. 153, 164 f., 167 f.; BVerwG, Urteil vom 24.03.2010, Az.: 6 A 2/09. Siehe für ähnliche Fälle in den USA



VIII. Vorbeugung durch Schaffung von Sanktionsmechanismen579

spionage des Dienstes für die NSA,104 die Überwachung des NSA-Untersuchungsausschusses durch BND-Mitarbeiter für die NSA105 oder die Missachtung zur Weitergabe wichtiger Informationen an staatliche Organe im Fall NetBotz106 sind nur einige der in den letzten Jahren aufgedeckten „Skandale“ der Nachrichtendienste.107 Sanktionen – wie etwa die Entlassung des damaligen BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen – für diese teils schwerwiegenden Vergehen durch die Dienste und einzelner Angestellter sind jedoch eine Seltenheit. Das liegt auch daran, dass solche Sanktionierungen für derartige Bereiche nicht explizit geregelt sind und Beweismaterial zumeist der Geheimhaltung unterliegt. Allerdings führte das Bundesverfassungsgericht mehrfach aus, dass „eine verhältnismäßige Ausgestaltung wirksame Sanktionen bei Rechtsverletzungen“ voraussetze,108 was umso mehr für Behörden gelten muss, denen durch ihr geheimes Agieren ein besonderes Vertrauen zu Teil wird und die ein Informationsmonopol – Informationen über ihr Verhalten einschließend – besitzen. Würden hingegen schwere Grundrechtsverletzungen von solchen Stellen im Ergebnis sanktionslos bleiben, hätte das zur Folge, dass die verletzten Rechte verkümmern würden. Das widerspräche dem staatlichen Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG. Da dem Gesetzgeber zur Ausgestaltung jedoch ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, sollen mehrere Modelle zur Einführung eines Sanktionsmechanismus bei eklatanten und groben Rechtsverletzungen durch die Dienste bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diskutiert werden. Eine Möglichkeit, die als Sanktionsmechanismus angesehen werden kann, besteht bereits seit der Einführung von § 14 PKGrG, der den Gang vor das Bundesverfassungsgericht ermöglichen sollte. Allerdings blieb der 2009 einVladeck, The FISA Court and Article III, in: Wash. & Lee L. Rev. 2015, Vol. 72, S.  1161 (1170 ff.); Donohue, The Future of Foreign Intelligence, 2016, S. 112 f. 104  Im Rahmen der sog. „Operation Eikonal“ wurde dabei der DE-CIX angezapft, um nach Informationen für die US-Behörden zu suchen. Siehe hierzu Krempl, Geheimakte BND & NSA, in: Heise Online vom 09.04.2017. 105  Holland, Festnahme: BND-Mitarbeiter soll NSA-Untersuchungsausschuss ausspioniert haben, in: Heise Online vom 04.07.2014. 106  Bergmann/Fuchs/Weller, Die NSA schaut durch die Hintertür zu, in: Zeit Online vom 27.09.2016. 107  Siehe auch Deutscher Bundestag, Beschlußempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses der 13. Wahlperiode vom 28.05.1998 („Plutonium-Schmuggel“), BT-Drs. 13/10800, S. 213 ff.; Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode vom 18.06.2009 („Beteiligung am Irakkrieg“), BT-Drs. 16/13400, S. 351 ff.; Graulich, Nachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung mit Selektoren in einer transnationalen Kooperation, offener Bericht für den Deutschen Bundestag, S. 27, 99, 192 ff., 217 ff. 108  BVerfGE 125, 260, 327, 339 f. – Vorratsdatenspeicherung; 141, 220, 284 – BKAG; BVerfGK 16, 389, 394 – Castor; BGHZ 128, 1, 15.

580 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

geführte Paragraph weitestgehend wirkungslos,109 weil seit mehr als zehn Jahren seiner Existenz trotz NSU-Verfahren oder NSA-Selektoren nicht einmal von diesem Gebrauch gemacht wurde.110 Dies liegt – wie bereits ausgeführt – auch an der schwachen Ausgestaltung des § 14 PKGrG.111 Ebenfalls ist fraglich, ob dies als Sanktionsmittel angesehen werden kann, weil keine spezifischen Missstände übermittelt werden dürfen.112 Es wird jedoch vermehrt in Frage gestellt, ob ein effektiv ausgestalteter § 14 PKGrG überhaupt allein als Sanktionsmechanismus ausreichend ist. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts richten sich lediglich an den Gesetzgeber oder das Bundeskanzleramt zur Nachbesserung oder Einhaltung der Rechtslage. Zudem bedeutet jeder weitere potenzielle Verstoß einen erneuten Gang vor das Gericht und damit einen insgesamt langwierigen Prozess, bis weitere Konsequenzen folgen. Daher werden zu Recht zusätzliche Sanktionsmechanismen gefordert. Eine entsprechende Möglichkeit wäre die Einführung einer eigenen strafbewehrten Klausel für grobes Fehlverhalten von Mitgliedern und Verantwortlichen der Nachrichtendienste.113 Fraglich ist allerdings, ob für die Überschreitung der nachrichtendienstlichen Befugnisse einzelner Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des BND nicht bereits die bestehenden strafrechtlichen Normen genügen.114 Wenn diese eigenständig ohne Wissen der Behördenleitung rechtswidrige Maßnahmen durchführen, ist ohnehin fraglich, ob sie noch im hoheitlichen Auftrag des Nachrichtendienstes agieren können, ohne sich individuell strafbar zu machen. Selbiges gilt, wenn es sich um ein systematisches Fehlverhalten des Nachrichtendienstes handelt. Auch dann könnten sich diejenigen persönlich strafbar machen, die vorsätzlich den Gesetzes109  Siehe Gesetzentwurf der Abgeordneten Röttgen u. a., Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411, S. 12 f. 110  So hat die G10-Kommission zumindest vor dem BVerfG versucht, die Herausgabe der NSA-Selektorenliste zu verlangen. Das Begehren wurde jedoch mangels Parteifähigkeit als unzulässig abgewiesen. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.09.2016, Az.: 2 BvE 5/15, Rn. 27 – NSA-Selektoren (G10-Kommission). 111  Hörauf, Die demokratische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes, 2011, S. 223. 112  Gusy, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 18.05.2009, Innenausschuss A-Drs. 16(4)614 B, S. 7. 113  Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes sowie weiterer Vorlagen vom 19.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)643 C, S. 8, 14. 114  In Betracht kämen so etwa die §§ 201 ff. StGB. Unter Umständen kämen je nach Handlung etwa §§ 88, 353a StGB in Betracht. Lediglich § 16 Abs. 4 S. 1 ­NVerfSchG und § 6 VII S. 2 BbgVerfSchG erlauben die Verwirklichung enumerativ aufgeführter Straftaten für Nachrichtendienstbedienstete.



VIII. Vorbeugung durch Schaffung von Sanktionsmechanismen581

verstoß angeordnet haben. In dieser Hinsicht wäre für jene Bereiche eine neue strafbewehrte Regelung nicht notwendig. Zwar ist es korrekt, dass es kaum individuelle Verurteilungen in der Vergangenheit gegeben hat, obwohl mehrfach in rechtswidriger Weise in die Rechte Betroffener eingegriffen wurde.115 Dies lag jedoch nicht an einer fehlenden Strafbewehrung, sondern an dem übersteigerten Geheimnisschutz der Nachrichtendienste, der die Beweiserhebung selbst für die Kontrollstellen erschwerte oder unmöglich ­ machte. Daher wäre es konsequenter, eine Regelung einzuführen, die bei der Aufdeckung von Missständen und Fehlverhalten die vollständige Offenlegung der Akten vor dem PKGr vorsieht, was im Anschluss darüber entscheiden muss, an welche Stellen die Beweise weitergeleitet werden sollen. Dies gilt erst recht für Verschlusssachen über Prozesse, die bereits abgeschlossen wurden und keiner Geheimhaltung mehr unterliegen.116 Anderes ergäbe sich nur für grobes Fehlverhalten, dass strafrechtlich nicht sanktioniert ist. Jenes wäre zumindest hinsichtlich der Unterrichtungs- und Informationspflichten gegenüber den nachrichtendienstlichen Kontrollorganen der Fall. Daher hat Frankreich auch mit Art. L833-3 CSI eine Norm geschaffen, mit der Ministerinnen bzw. Minister, Behördenmitglieder oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienste oder der Ministerien für die Behinderung der Arbeit der Kontroll-Kommission CNCTR mit einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe i. H. v. 15.000 Euro bestraft werden können. Eine solche Behinderung läge vor, sofern diese sich weigern, kontroll­ relevante Informationen zu übermitteln, diese manipulieren bzw. zerstören, vorenthalten oder den Zugang zu Informationen für Kommissionsmitglieder oder deren Beauftragte verwehren. Diese Neueinführung einer strafbewehrten Regel in der Bundesrepublik hätte den Vorteil, den Kontrollbehörden ein wirksames Durchsetzungsmittel an die Hand zu geben, wenn grobes Fehlverhalten hinsichtlich der Informations- und Unterrichtungsverpflichtung vorliegt. Aufgrund des Art. 103 Abs. 2 GG müsste in einer solchen Norm dieses Fehlverhalten – ähnlich wie in der französischen Regelung – allerdings hinreichend genau bestimmt sein. Eine weitere Variante – angelehnt an die Rechtslage in den USA – wäre, dass als Sanktionsmittel die Kürzung des Budgets des Nachrichtendienstes beschlossen wird, bei welchem ein grobes Fehlverhalten festgestellt werden 115  Vgl. Deutscher Bundestag, Gutachten des vom PKGr beauftragten Sachverständigen Gerhard Schäfer vom 26.05.2006 (Schäfer-Bericht), S. 153, 164 f., 167 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des 3. Untersuchungsausschusses der 18. Legislaturperiode vom 23.06.2017 (NSU), BT-Drs. 18/12950, S. 57 ff., 262 ff. 116  So gefordert: Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des 3. Untersuchungsausschusses der 18. Legislaturperiode vom 23.06.2017 (NSU), BT-Drs. 18/ 12950, S. 1298. Ferner Wolff, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der mündlichen Anhörung am 26.09.2016, Innenausschuss Drs. 18(4)653 F, S. 26.

582 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

konnte. In den USA genehmigt zwar ein Sonderausschuss das Budget der Nachrichtendienste, über deren Kürzungen muss aber das gesamte Parlament abstimmen.117 Dies hat zur Folge, dass – selbst bei Ablehnung der Kürzung – sich das Parlament mit den Missständen befasst und diese öffentlich werden. Sind die Verfehlungen erheblich, kann damit zumindest eine politische Debatte über Neuerungen und Gesetzesänderungen angestoßen werden. Das Problem an der Herstellung von Öffentlichkeit im nachrichtendienstlichen Bereich ist jedoch, dass diese die Arbeit der Dienste erheblich erschwert und sie nur deswegen effektiv agieren kann, weil ihre Tätigkeit dem Schutz der Geheimhaltung unterliegt. Sollte man sich daher für einen Sanktionsmechanismus entscheiden, muss das PKGr als hauptverantwortliche Kontrollstelle eine weitere bedeutende Rolle bei der Entscheidung der Veröffent­ lichung spielen und vorher über die Freigabe der Informationen oder Teile davon entscheiden.

IX. Steigerung der Transparenz nachrichtendienstlicher Tätigkeit und deren Kontrolle Neben Sanktionsmechanismen ist ferner eine Steigerung der Transparenz nachrichtendienstlicher Tätigkeit und dessen Kontrolle notwendig. Die Veröffentlichungen von Edward Snowden haben gezeigt, dass die Gesellschaft und Politik keine genaue Vorstellung vom Ausmaß dessen haben, was die Nachrichtendienste tun. Selbst PKGr-Mitglieder waren von vielen Tätigkeiten der Dienste überrascht. Um diesen Vertrauensverlust wiederherzustellen und auch mehr gesellschaftlichen und politischen Rückhalt für die Dienste zu schaffen, bedarf es transparenterer Maßnahmen. Dies bedeutet nicht, dass die deutschen Nachrichtendienste vollständig oder überwiegend transparent sein und agieren sollen. Dies stünde im eklatanten Widerspruch zu ihrem Auftrag. Gerade im Unterschied zur i. d. R. öffentlich agierenden Polizei, deren Erfolge durch Festnahmen und Anklagen öffentlich einsehbar sind, liegt der „Erfolg“ der Nachrichtendienste darin, die Begehung von schlimmsten Straftaten unbemerkt zu verhindern, ohne dass Informationen in die Öffentlichkeit gelangen.118 Es gibt jedoch Mittelwege zwischen „(totaler) Heimlichkeit und (totaler) Öffentlichkeit.“119 Deshalb müssen Transparenzanforderungen für die geheime datenverarbeitende Tätigkeit und deren Kontrolle gelten.120 117  So

Klein, Art 45d GG, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 83. EL 2018, Rn. 19. Kontrolle der Nachrichtendienste, in: Verwaltungsarchiv 2015, Vol. 106, S.  437 (439 f.). 119  Ebd., S. 449, der diese Transparenz jedoch als stark limitiert bezeichnet. 120  BVerfGE 125, 260, 327, 365 – Vorratsdatenspeicherung; 129, 208, 250 f. – TKÜ-Neuregelung; 133, 277, 365 – ATDG; 141, 220, 282 – BKAG. 118  Gusy,



IX. Transparenz nachrichtendienstlicher Tätigkeit und deren Kontrolle583

Allerdings ist dafür eine regelmäßige demokratische Rückkopplung unerlässlich, die über die derzeitigen Informations- und Unterrichtungspflichten gegenüber dem PKGr und deren Berichtspflichten gegenüber dem Parlament hinausgeht. Vor allem die geringe Mitteilungsquote an die von Überwachungsmaßnahmen Betroffenen hat gezeigt, dass es weitere Transparenzmaßnahmen braucht. Dies haben auch die regierenden Parteien in den Gesetzesentwürfen von 2016 gesehen und dementsprechend jährliche öffentliche Anhörungen der Präsidentinnen bzw. Präsidenten der Nachrichtendienste eingeführt. Damit haben sie einen Schritt zu mehr Öffentlichkeit und Transparenz getan. Allerdings hielten z. B. die USA dies nicht für ausreichend und führten nach dem NSA-Skandal Sec. 602 FISA ein, nach welcher ein „declassification review“ jeder „order“ oder „opinion“ des FISC der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, die eine „significant construction or interpretation“ einer auslandsnachrichtendienstlichen Regel des FISA beinhaltet.121 Diese Neuerung wurden auch deshalb notwendig, weil der FISC anhand der bestehenden Regeln Massenüberwachungen genehmigte, die nicht im Einklang mit dem FISA standen.122 Um solchen zweifelhaften Genehmigungen in Deutschland vorzubeugen, wäre die Veröffentlichung von Entscheidungen der G10-Kommission oder des Unabhängigen Gremiums, die eine fundamentale Änderung in der Bewertung der Rechtmäßigkeit der Befugnisse enthalten, eine notwendige Maßnahme, um eine allgemeine Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu sichern.123 Die Veröffentlichung könnte unter Wahrung der Geheimhaltung entweder über das PKGr, das somit vorher seinem Prüfrecht nachkommt, oder durch eine allgemeine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes erfolgen, dass auf Vorlage der G10-Kommission oder des Unabhängigen Gremiums zu einer abstrakten Frage ersucht wurde.

121  Bisher waren derartige Informationen nur für die Congressional Oversight Committees vorgesehen. Diese Berichte sollen zusätzlich auch an den Kongress geschickt werden. 122  Diese Rechtsauffassung in den USA ist jedoch nicht vollends einheitlich bewertet wurden. Siehe dazu bereits Abschnitt D.II.2.d). 123  Angelehnt an BVerwGE 149, 359, 372, welcher hierfür jedoch die Kontrolle durch die G10 ausreichend erachtete. A. A. Schantz, Rechtsschutz gegen die strategische Fernmeldeüberwachung, in: NVwZ 2015, Vol. 34, S. 873 (876), welcher auf § 15 Abs. 2 S. 2 G10 verweist, wonach die Öffentlichkeit dort gänzlich fehle.

584 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

X. Regelmäßige Evaluierung der auslandsnachrichtendienstlichen Möglichkeiten durch parlamentarische Gremien zur Anpassung der gesetzlichen Befugnisse Die Fortentwicklung der Technik, die in den letzten beiden Jahrhunderten so schnell vorangeschritten ist wie nie zuvor, brachte auch neue Überwachungsmöglichkeiten für die Nachrichtendienste mit sich, die ihre Überwachungsmechanismen stetig an die neusten technischen Standards anpasste. Das geht sogar so weit, dass die Dienste mit den Entwicklerinnen und Entwicklern eng zusammenarbeiten und jene ihre Software sogar auf die technischen Programme der Nachrichtendienste anpassen.124 Wie genauso in anderen Bereichen hinkt das Recht hingegen stetig hinter der technischen Innovation hinterher. Dadurch wird zumeist ein rechtsfreier bzw. rechtlich (noch) ungeklärter Raum geschaffen. Das nutzen nicht nur User von dubiosen Streamingdiensten oder bei YouTube aus, sondern auch Sicherheitsbehörden, wie die mündliche Verhandlung zum BKAG zeigte. Das BKA, welches ebenso über geheime Informationsbeschaffungsbefugnisse verfügt, hat jahrelang teilweise rechtswidrig Informationen gesammelt und das im Bewusstsein, dass das Gesetz „nah an der Grenze zur Verfassungsmäßigkeit, eventuell auch teilweise darüber hinaus“ ausgestaltet sein könnte.125 Damit wurde dem BKA zumindest kurzzeitig ein erweiterter Zugriff zur Informationsgewinnung gewährt. Die zu unbestimmten Adressatenkreise, die fast unbeschränkte Kooperation und der Austausch von Datensätzen mit anderen in- und ausländischen Diensten sowie die Verknüpfung aller Metadaten wurden durch die Gerichte für rechtswidrig erklärt; diese Maßnahmen jedoch auch erst dann – teilweise mit längeren Übergangsfristen – eingestellt. Um diesem Problem zu begegnen, soll ein Ansatz von Thorsten Wetzling herangezogen werden. Dieser fordert eine regelmäßige Evaluation der Wirksamkeit der Maßnahmen der Nachrichtendienste und dahingehende regelmäßige Anpassungen der gesetzlichen Befugnisse.126 Bisher kann die Regierung 124  Wolf, Der rechtliche Nebel der deutsch-amerikanischen „NSA-Abhöraffäre“, in: JZ 2013, Vol. 68, S. 1039 (1040). 125  So vorgetragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zum BKAG am 07.07.2015 vom Prozessvertreter Christoph Möllers. Ähnlich wiedergegeben von Spiecker genannt Döhmann, Bundesverfassungsgericht kippt BKA-Gesetz, in: VerfBlog vom 21.04.2016. 126  Wetzling, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND sowie weiterer Vorlagen, Innenausschuss Drs. 18(4)653 C, S. 6. Ähnlich schon Matthias Bäcker, zitiert im Bericht von Fremuth,



XI. Zwischenfazit585

nur behaupten, dass die auslandsnachrichtendienstliche Fernmeldeaufklärung unverzichtbar für die Aufgabenerfüllung des BND ist,127 muss den Beweis hierüber aber nicht erbringen. Eine solche Evaluierung hätte zwei positive Aspekte: Einerseits, ginge man davon aus, dass diese aus Geheimhaltungsgründen vom PKGr vorgenommen wird, wäre die Möglichkeit geschaffen, Gesetze und Befugnisse der Dienste derart anzupassen, dass auch neuere technische Entwicklungen grundrechtliche Aspekte angemessen berücksichtigen. Andererseits würde damit die zwingende Erforderlichkeit der Maßnahmen und Befugnisse der Nachrichtendienste sichergestellt, was deren Legitimität zuträglich ist.128 Da dem PKGr eine Vorlagemöglichkeit an das Bundesverfassungsgericht zusteht, könnten zweifelhafte Maßnahmen höchstrichterlich überprüft werden. Unabdingbar wäre die vorherige Befragung von Sachverständigen, da ein umfassendes und spezielleres Verständnis dieser hochkomplexen technischen Materie zwingend notwendig ist.

XI. Zwischenfazit: Matrix auslandsnachrichtendienstlicher Überwachungstätigkeit In der Quintessenz sollen folgende – teils verfassungsrechtlich notwendige – Vorschläge zur Verbesserung der auslandsnachrichtendienstlichen Überwachung und deren Kontrolle stehen: Grund- und Menschenrechte müssen nicht nur transnational, sondern auch extraterritorial gelten, was sich in den auslandsnachrichtendienstlichen Gesetzen niederschlagen muss. Und dies gilt für jede Verarbeitungsebene. Zwar kann bei starkem Auslandsbezug eine Differenzierung oder Modifikation angebracht sein, eine vollkommende Verneinung der Grundrechte ist aber unzulässig. Daraus folgt, dass bei den auslandsnachrichtendienstlichen Gesetzen die verfassungsrechtlichen Vorgaben – wie beispielsweise das Zitiergebot, die Notwendigkeit von Befugnisnormen bei Grundrechtsbeschränkungen oder die Einhaltung des Kernbereichsschutzes – einfließen müssen. Auch aus einer technischen Perspektive 1. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste, in: NVwZ 2017, Vol. 36, S. 688 (689). Siehe auch Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (30). 127  Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 05.07.2016, Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes, BT-Drs. 18/9041, S. 22. 128  Allerdings müssen Nachrichtendienste weiterhin die Mittel nutzen können, die auch Hackerinnen und Hackern zur Verfügung stehen, um mit dem technischen Know-how auf Augenhöhe zu sein. Anerkennend auch Delarue, Les Écoutes, un Besoin Insatiable?, in: Aprés-demain 2016, Vol. 37, S. 30 (30, 32), nach welchem die Aufrechterhaltung der Bedrohungslage vor terroristischen Gefahren als Einladung für die Ausweitung nachrichtendienstlicher Befugnisse diene.

586 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

ergibt eine Differenzierung zwischen In- und Ausländerinnen bzw. Ausländern nur bedingt Sinn. Einer weiteren Novellierung bedarf es hinsichtlich des Schutzes von Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern und im Hinblick auf das Verbot der gezielten Überwachung von Presseeinrichtungen und Journalistinnen bzw. Journalisten, deren Kommunikation einen besonderen Vertrauensschutz genießt. Letztere Personengruppen und Institutionen sind als additives Element zur nachrichtendienstlichen Kontrolle unerlässlich. Eine Aufhebung der Zersplitterung der verschiedensten Kontrollorgane und Verminderung des Geheimnisschutzes würde zu mehr Übersichtlichkeit und zu mehr Kontrolltiefe führen. Zugleich muss die Geheimschutzeinrede der Dienste gegenüber den Kontrollorganen stark beschränkt und die Geheimhaltung innerhalb der Kontrollorgane aufgehoben werden, um alle relevanten Informationen an die ohnehin nur als Ersatzrechtsschutz fungierenden Kontrollstellen zu übermitteln. All dies würde zur Optimierung der Kontrolle führen. Die parlamentarischen Kontrollorgane müssen aus Effektivitätsgründen die parlamentarischen Minderheiten angemessen beteiligen. Deren wesentliche Aufgabe zur Kontrolle der Regierung bleibt derzeit im nachrichtendienstlichen Bereich fast gänzlich unberücksichtigt. Darüber hinaus benötigt es Sanktionsmechanismen bei Fehlverhalten der Nachrichtendienste und einzelner verantwortlicher Personen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Nachrichtendienste in der Vergangenheit als anfällig für Missbrauch und Fehlverhalten erwiesen haben, ist dies notwendig. Strafbewehrte Klauseln, Herstellung von Öffentlichkeit oder eine Kombination beider Varianten wären mögliche Ansatzpunkte für den Gesetzgeber. Zudem sind mehr Transparenz und höchstrichterliche Absicherung notwendig. Um zu vermeiden, dass Befugnisse der Dienste durch Interpretationen der teils vagen Normen durch geheim agierende Kontrollstellen weiter ausgedehnt werden, bedarf es für die quasi-gerichtliche Kontrolle einer Vorlagemöglichkeit an das Bundesverfassungsgericht und wären Veröffentlichungen von Entscheidungen, die eine fundamentale Änderung der Bewertung der Rechtmäßigkeit der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten beinhalten, erforderlich.



XII. Ausblick: Referentenentwurf des Bundeskanzleramtes v. 25.09.2020587

XII. Ausblick: Der Referentenentwurf des Bundeskanzleramtes vom 25.09.2020 Ende September 2020 veröffentlichte netzpolitik.org den Referentenentwurf des Bundeskanzleramtes zur Neufassung des BNDG, der damals in die Ressortabstimmung übergeben wurde.129 Da dieser Entwurf einer weiteren fachlichen und politischen Abstimmung unterliegen wird, soll nachfolgend nur überblicksartig auf die Novellierung des BNDG unter Berücksichtigung der vorgelegten Matrix eingegangen werden. Positiv hervorzuheben ist, dass in Anerkennung der Geltung der Grundrechte sowohl dem Zitiergebot nachgekommen wurde als auch eine explizite, auf bestimmte Zwecke begrenzte Befugnisnorm für die Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung mit § 21 BNDG-E geschaffen werden soll. Infolgedessen finden sich in §§ 23 f. (für die strategische Auslandsfernmeldeaufklärung) und in §§ 37 f. BNDG-E (für die technische Aufklärung) auch Regelungen zum Kernbereichsschutz und von Vertraulichkeitsbeziehungen.130 Überdies ist ein Schutz von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern sowie EU-Institutionen und Mitgliedstaaten vorgesehen. Nach § 21 Abs. 7 BNDG-E erfolgt eine automatisierte Filterung von Telekommunikationsverkehren von ausländischen und deutschen Staatsangehörigen sowie im Inland befindlichen Personen. Ebenfalls finden sich in §§ 10 ff. und 31 f. BNDG-E umfassende Regelungen zur Übermittlung personenbezogener Daten, die auf gewichtige Rechtsgüter beschränkt, konkrete Gefahrenlagen benennen sowie Rechtsstaatlichkeitsanforderungen und Protokollierungspflichten vorsehen. §§ 28 f. BNDG-E begrenzen die bevorratende Speicherung von Verkehrsdaten auf sechs Monate; in Ausnahmefällen auf sieben Jahre. Damit setzt der Entwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts detailliert um. Allerdings sieht der Entwurf auch eine Ausweitung der Befugnisse vor: So dürfen ausländische Telekommunikations- oder Telemedienanbieter im Ausland ohne deren Wissen umfassend überwacht werden (§ 21 Abs. 6 BNDGE) und es werden sogar Veränderungen an informationstechnischen Systemen erlaubt (§ 36 Abs. 4 BNDG-E). Ferner begrenzt § 28 Abs. 2 BNDG-E zwar das Volumen der Überwachung von Verkehrsdaten auf 50 % der bestehenden Telekommunikationsnetze. Diese Grenze liegt damit jedoch deutlich über derjenigen, die in § 10 Abs. 4 S. 4 G10 vorgesehen ist.

129  Vgl. netzpolitik.org vom 29.09.2020, verfügbar unter: https://netzpolitik. org/2020/bnd-gesetz-eine-neue-lizenz-zum-hacken/#2020-09-25_Bundeskanzleramt_ Referentenentwurf_BND-Gesetz (zuletzt abgerufen am 30.10.2020). 130  Ebenfalls werden weitere Verarbeitungsprozesse von diesem Schutz erfasst. Siehe bspw. § 11 Abs. 7 Nr. 3, § 32 Abs. 5 S. 5 oder § 33 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 d) ­BNDG-E.

588 E. 9 Punkte zur Verbesserung auslandsnachrichtendienstlicher Tätigkeit

Der Entwurf sieht zudem die Abschaffung des erst 2016 eingeführten Unabhängigen Gremiums und die Neueinführung des Unabhängigen Kontroll­ rates vor. Dabei soll der Kontrollrat in eine gerichtsähnliche Kontrolle und eine administrative Kontrolle unterteilt werden (§ 41 Abs. 2 BNDG-E). Letztere Zuständigkeit ist nur eröffnet, sofern eine gerichtsähnliche Kontrolle nach § 44 Abs. 1 BNDG-E nicht vorgesehen ist. Die gerichtsähnliche Kontrolle besteht nach § 42 Abs. 1, § 43 Abs. 1 BNDG-E aus sechs Mitgliedern, die auf Vorschlag der Präsidentin oder des Präsidenten des BGH und der Generalbundesanwältin oder des Generalbundesanwaltes mit einfacher Mehrheit für die Dauer von bis zu sechs Jahren vom PKGr gewählt werden. Hinsichtlich der administrativen Kontrolle wird im Entwurf nur ausgeführt, dass diese durch eine Person mit „Befähigung zum Richteramt“ geleitet werden soll. Wie die Zusammensetzung im Übrigen erfolgt, ist unklar. Der gerichtsähnlichen Kontrolle kommt überwiegend eine Vorabkontrollfunktion zu. Der gesamte Kontrollrat prüft so u. a. nach § 44 i. V. m. § 25 Abs. 4 S. 1, Abs. 7 S. 1, § 39 Abs. 1 BNDG-E Anordnungen der strategischen Auslandsaufklärung, von Selektoren und individuellen Aufklärungsmaßnahmen vor deren Vollzug. In Ausnahmefällen ist jeweils in S. 2 bei Gefahr im Verzug zudem die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme durch ein Mitglied des Kontrollrates vorgesehen, was zumindest den Anforderungen des EGMR entspricht. Nach § 25 Abs. 4 S. 3, Abs. 7 S. 3, § 39 Abs. 1 S. 3 BNDG-E ist die Prüfung durch den gesamten Kontrollrat unverzüglich nachzuholen. Ebenfalls erfolgt eine Vorabkontrolle bei der Verarbeitung unselektierter Verkehrsdaten im Rahmen von Kooperationsprogrammen (§ 35 Abs. 2 S. 3 BNDG-E), eine Kontrolle bei Eingriffen in informationstechnische Systeme (§ 36 Abs. 5 S. 4 BNDG-E) sowie eine Prüfung vermeintlich kernbereichsrelevanter Informationen bei der Datenauswertung (§ 38 Abs. 3 S. 1 BNDG-E). Jeweils sind unverzügliche Löschungs- samt Protokollierungspflichten normiert, sollten die Überwachung nicht rechtmäßig erfolgen. Die Unabhängigkeit wird in § 41 Abs. 3 BNDG-E statuiert. Die administrative Kontrolle übernimmt gem. § 44 Abs. 3 BNDG-E überwiegend die Rolle der nachträglichen stichprobenartigen Überprüfung. Ihr steht hierfür nur ein Beanstandungsrecht zu, über das der Kontrollrat gem. § 44 Abs. 1 Nr. 10 BNDG-E abschließend entscheiden kann. Der Gesetzesentwurf verdeutlicht jedoch, dass dieses Beanstandungsrecht lediglich bei strukturellen Problemen greift und der administrativen Kontrolle eine „Beobachterrolle“ zukommt. Eine nachträgliche Kontrolle wird damit nur punktuell ausgeübt. Zudem sind generell Unterrichtungspflichten an das PKGr (§ 44 Abs. 4 BNDG-E) sowie abstrakte Beanstandungsmöglichkeiten unter Wahrung der



XII. Ausblick: Referentenentwurf des Bundeskanzleramtes v. 25.09.2020589

Geheimhaltung an den Bundestag vorgesehen (§ 44 Abs. 5 BNDG-E). Allerdings muss für letztere Möglichkeit zuerst eine Anhörung des Bundeskanzleramtes erfolgen. In § 44 Abs. 6 BNDG-E wird weiterhin geregelt, dass erforderliche Kontrollunterlagen und Daten unverzüglich zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen sind. Ebenfalls soll der Kontrollrat Zugang zu informationstechnischen Systemen der technischen Aufklärung erhalten, womit der Zugang zu Kontrollinformationen verglichen mit dem status quo deutlich erweitert wird. Neben einigen guten Ansätzen lässt der Entwurf jedoch gerade einen umfassenden und unbeschränkten Zugang zu den Kontrollinformationen vermissen. Es wird wieder auf die altbewährten Formulierungen Rückgriff genommen: So ist ein „jederzeit[iger] Zutritt zu allen Dienststellen“ vorgesehen, der aber erneut nur in Abstimmung mit den Diensten erfolgen darf. Eine anlasslose Kontrolle wird so gerade nicht ermöglicht. Vielmehr unterstreicht der Entwurf, dass im Einzelfall eine Einsicht oder Auskunft verweigert werden kann, sollte es das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass diese pauschale Formulierung es zu häufig ermöglicht hat, dem Kontrollorgan kontrollrelevante Informationen unter Berufung auf dieses Verweigerungsrecht vorzuenthalten. Dies entspricht nicht dem Sinn einer effektiven Kontrolle. Zudem werden dem Kontrollrat keine IT-Spezialistinnen bzw. IT-Spezialisten an die Seite gestellt, was eine bessere Einschätzung der technischen Überwachungsmaßnahmen ermöglichen würde. Ebenso fehlen in dem Entwurf Sanktionsmechanismen sowie eine Regelung, die eine Kooperation zwischen den Kontrollorganen ohne strenge Geheimhaltungsvorgaben zulässt. Auch die schwache Ausgestaltung des PKGr und die lediglich monatlichen Zusammenkünfte der G10-Kommission, die eine vom EGMR geforderte Überprüfung der Anordnungen innerhalb von 72 Stunden nicht gewährleisten, bestehen unverändert. Der größte Kritikpunkt bleibt jedoch, dass das System der Zersplitterung der Kontrolle beibehalten wird. In der Quintessenz liegt somit weiterhin ein großer Handlungsbedarf vor.

„Wer wesentliche Freiheit aufgeben kann[,] um eine geringfügige bloß jeweilige Sicherheit zu bewirken, verdient weder Freiheit, noch Sicherheit.“1 Benjamin Franklin

F. Fazit Die Frage, ob auch Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USamerikanischen Verfassung, die heutige Form der Terrorismusbekämpfung unterstützen würde, ist trotz der derzeit vollkommen anderen politischen und rechtlichen Lage wohl zu verneinen.2 Die vorangegangenen Analysen zeigen, dass die auslandsnachrichtendienstliche SIGINT-Überwachung nicht nur die von Benjamin Franklin hochgelobte Freiheit gefährdet, sondern auch ganz konkret im Ausland und für Ausländerinnen bzw. Ausländer kaum oder gar kein Menschen-, Bürger- oder Grundrechtsschutz besteht. Dabei ermöglicht die Technik heutzutage einen tiefen Einblick in die intimsten Lebensbereiche schon anhand weniger Daten. Egal ob man Teil der Internetgemeinschaft ist oder war, können auch durch Dritte über einen selbst Daten generiert werden, die am Ende äußerst zutreffend ermittelbare Rückschlüsse etwa auf die politische oder sexuelle Orientierung geben, die religiöse Ausrichtung zuverlässig bestimmen und zu einer hohen Wahrscheinlichkeit offenbaren, ob eine Person bereits straffällig geworden ist. Personenbezogene Daten geben nicht nur über Vorlieben eine verlässliche Auskunft, sondern sind verknüpft zu einem Profil so gehaltvoll, dass sie Ereignisse oder Verhaltensweisen vorhersagen – und somit auch steuern – können.3 Für große Wirtschaftsunternehmen und Staaten gilt daher schon längst: „Data is the new oil.“4 Es mag in Zeiten des Terrorismus folglich kaum verwundern, dass gerade Nachrichtendienste ein gesteigertes Interesse an einer Vielzahl dieser Daten haben, weil man mit ihnen sehr gut herausfinden und vorhersagen kann, wer 1  Franklin/Wagner, Dr. Benjamin Franklin’s nachgelassene Schriften und Corres­ pondenz, Bd. 3, 1818, S. 442. 2  So zumindest US District Court for the District of Columbia, Klayman et al. vs. Obama et al., Civil Action No. 13-0851 (RJL), S. 49 (64): „Die Schöpfer der amerikanischen Verfassung wären bestürzt.“ 3  Kosinski/Stillwell/Graepel, Private traits and attributes are predictable from digital records of human behaviour, in: PNAS 2013, Vol. 110, S. 5802 ff. 4  Hirsch, The Glass House Effect, in: Me. L. Rev. 2014, Vol. 66, S. 373 (374).



F. Fazit591

schwere Verbrechen gegen den Staat und seine Bürgerinnen bzw. Bürger plant und potenziell durchführen wird. Die effiziente Verhinderung solcher Straftaten erfordert einen leistungsstarken Auslandsnachrichtendienst, dem die Vielzahl personenbezogener Daten dabei eine immense Hilfe ist, um derartiges zu verhindern. Aktuelle Beispiele zeigen allerdings auch, dass das digitale Zeitalter nicht nur die Möglichkeiten erweitert, sondern vor allem das Missbrauchspotential steigt und die Menschen- bzw. Grundrechte in Gefahr geraten. Mit Blick auf einige Staaten ist festzustellen, dass ein Orwell’scher-Überwachungsstaat nicht bloße Dystopie, sondern für viele Menschen bereits Realität ist. In China nutzen über eine Milliarde Menschen täglich die Anwendung „WeChat“, worüber der Staat Unmengen an Daten gewinnt und diese in Sozialpunkte umwandelt: Wer seine Eltern zu selten besucht, die Miete nicht pünktlich zahlt oder etwas Negatives über die Kommunistische Partei veröffentlicht, erhält Minuspunkte. Die Folgen dieses Sozialpunktesystems sind weitreichend. Wenige Sozialpunkten können bedeuten, dass man keine Kredite bekommt, nicht befördert wird, gekündigt werden kann, man in der Wahl der Bildungs- oder Berufseinrichtungen beschränkt ist, auf die man selbst oder die Kinder gehen wollen, VISA grundlos versagt oder Hausarrest bzw. Haft verhangen werden kann.5 Diese flächendeckenden Überwachungsmaßnahmen und die daran anknüpfende Verteilung von Sozialpunkten werden in westlichen Staaten zwar erheblich kritisiert.6 Dahingegen hat die Untersuchung gezeigt, dass viele Nachrichtendienstgesetze sich hinsichtlich der Möglichkeit von Massenüberwachungsmaßnahmen in der EU und der Five Eyes kaum noch von jenen Staaten unterscheiden.7 Diese Massenüberwachungsmaßnahmen stellen wegen ihrer immensen Reichweite auch ohne bestehendes Sozialpunktesystem bereits eine Gefahr für die persönlichen Privatsphärenrechte dar, weil sie teilweise in die intimsten Bereiche des privaten Lebens reichen, die frei von staatlicher Einflussnahme sein sollen. Diese Überwachungen führen aber ebenfalls wie in autoritären Staaten zu chilling effects, die die Meinungs- und Handlungsfreiheit gefährden, welche 5  Vgl. Landwehr, China schafft digitales Punktesystem für den „besseren“ Menschen, in: Heise Online vom 01.03.2018. Ähnliche Entwicklung zeigt sich auch in Russland. 6  Der US-Vizepräsident Mike Pence sagte: „China’s rulers aim to implement an Orwellian system premised on controlling virtually every facet of human life.“ Zitiert in: Song, The West may be wrong about China’s social credit system, in: Washington Post vom 29.11.2018. Generell hierzu auch Strittmatter, Die Neuerfindung der Diktatur, 2018, S. 144 ff. 7  Allgemein dazu Amnesty International, Dangerously disproportionate: The ever-expanding national security state in Europe, 2017. Ähnlich auch Pillay, Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, The right to privacy in the digital age, UN Doc. A/HRC/27/37.

592

F. Fazit

wiederum für ein pluralistisch demokratisches System, in welchem fehlende öffentliche Kritik zu einem freiheitlich demokratischen und oppositionellen Defizit führt, unentbehrlich sind. Entfiele der Schutz der grund-, bürger- und menschenrechtliche gewährten Privatsphäre, könnte jede Bürgerin bzw. jeder Bürger zum „gläsernen Menschen“ werden, keine intimste Information bliebe mehr geheim und nichts könnte ausgesprochen werden, ohne von Big Brother mitgehört oder mitgelesen zu werden. Es verbliebe nicht einmal der Rückzug in die vermeintlich letzte freie Bastion der Gedankenwelt, sofern die Maßnahmen bereits „die Schere im Kopf“ etabliert haben.8 In Anerkennung eines effizienten Grundrechtsschutzes und der vollumfänglichen Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung ist mithin nicht nur ein leistungsstarker Auslandsnachrichtendienst notwendig, sondern vor allem ein Dienst, der sich der verfassungsmäßigen Ordnung vollends unterordnet. Dazu gehört die Akzeptanz der Grundrechtsgeltung auch bei Auslandssachverhalten und die Unterordnung in ein effektives Kontrollsystem was sich de lege ferenda in den auslandsnachrichtendienstlichen Gesetzen niederschlagen muss. Zwar kann man vorbringen, dass die westlichen Staaten eine Überbetonung von Grund- und Menschenrechten auf Kosten anderer Verfassungswerte betreiben9 und daher diese Forderungen zu weitgehend sind. Diejenigen, die das allerdings im Bereich der Nachrichtendienste behaupten, sollten sich daran erinnern, wieso diese grundlegenden Rechte zum Aushängeschild der westlichen Staaten geworden sind. Gerade die öffentliche Kritik an überzogener staatlicher Machtausgestaltung war der wesentliche Antrieb zur Schaffung der Menschenrechte, was man zuvörderst an den Beispielen der US-amerikanischen Bill of Rights sowie der französischen Déclaration des droits de l’homme et du Citoyen sieht.10 Sie sollten gerade nach dem Zweiten Weltkrieg als Antwort auf und Verhinderung von schweren, von staatlicher Seite angeordneten Menschenrechtsverletzungen dienen. Wenn man sich für diesen Schutz entscheidet und an den universellen Menschenrechten ausgerichtete Prinzipien der staatlichen Ordnung aufstellt, die – anders als Jürgen Habermas es umschreibt – nicht nur einen moralischen, sondern vor allem einen rechtlichen Impetus besitzen,11 muss man diese auch im nachrichtendienstlichen Bereich zu Ende denken. 8  So bereits Strecker, Die Schere im Kopf, in: RuP 1983, S. 216 (216 ff.); Engel, Die Europäische Grundrechtscharta und die Presse, in: ZUM 2000, S. 975 (992). 9  Hoffmann, Human Rights and History, in: Past & Present 2016, Vol. 232, S. 279 (279): „human rights are still something like the doxa of our times: those ideas and sentiments that are tacitly presumed to be self-evident truths and not in need of any justification.“ 10  So auch Starck, Art. 1 Abs. 3 GG, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. I, 7. Aufl. 2018, S. 88 f. 11  Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 197 ff.



F. Fazit593

Dies soll nicht bedeuten, dass die Nachrichtendienste nicht mit Sicherheit eine bemerkenswerte Arbeit zum Schutz der Verfassung, des Staates und dessen Bürgerinnen und Bürgern leisten. Allerdings zeigten nicht nur die historisch zweifelhaften Geheimdienste wie Gestapo oder Stasi auf, wie gefährlich unkontrollierte geheim agierende Behörden sein können, sondern sind ebenso demokratische Nachrichtendienste anfällig für Fehlverhalten – wie u. a. die Verfehlungen beim Umgang mit der terroristischen Vereinigung des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ oder den Überwachungen eigener Staatsangehöriger für die NSA offenbarten. Daher müssen manche eingesetzten Mittel der Dienste, obgleich sie zum Schutz der Verfassung dienen, aus selbigen Gründen beschränkt oder gar verboten werden. Derzeit gestaltet sich jedoch die Regulierung der Nachrichtendienste als „ebbs and flows“.12 Je nachdem, welches politische Ereignis gerade im Vordergrund steht, wird die Kontrolle der Dienste gestärkt oder werden die Befugnisse erweitert. Die Untersuchung zeigte zwar, dass Deutschland seit Jahrzehnten stetig die Demokratisierung und Verrechtstaatlichung des BND in diesem Sinne vorantreibt, aber sie hebt auch hervor, dass immer noch entscheidende Faktoren fehlen, die den Dienst und dessen Kontrolle vollumfänglich auf das verfassungsrechtliche Fundament des Grundgesetzes stellen. Diametral dazu offenbarte der Rechtsvergleich, dass das Grundgesetz weitaus mehr Anforderungen an das deutsche Auslandsnachrichtendienstrecht stellt als das beispielsweise in den USA der Fall ist, wo die Gewährleistungen der Bill of Rights entgegen der universalistischen Ursprünge überwiegend national verstanden werden. Ähnlich verhält es sich in Frankreich im Hinblick auf die Déclaration des droits de l’homme et du Citoyen. Das wirkt sich zudem auf den Kontrollbereich der auslandsnachrichtendienstlichen Tätigkeit aus, der allerdings in allen drei untersuchten Staaten noch Verbesserungspotential hat. Erkennbar wird dies vielmehr daran, dass die großen Skandale nach den Novellierungen nicht ausblieben und fast ausschließlich durch die Medien aufgedeckt wurden. Solange die Kontrollorgane weiterhin „blinde Wächter […] ohne Schwert“13 sind, wird sich daran auch nur wenig ändern. Zudem lässt sich die Frage stellen, ob auf internationaler Ebene die auslandsnachrichtendienstliche Überwachung nicht generell umgedacht werden sollte. Im menschenrechtlichen Bereich werden stetig Versuche unternommen, das Recht der Privatsphäre im digitalen Überwachungskontext zu stärken.14 Auf bi- und multilateraler Ebene scheiterten bisher allerdings alle 12  Lester, Intelligence in Public Media, When Should State Secrets Stay Secret?, 2015, S. 158. 13  Gusy, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2008, S. 39. 14  Siehe bereits Abschnitte C.II.1.b)dd) sowie C.II.2.f).

594

F. Fazit

Versuche, einen Ethikkodex für die Nachrichtendienste15 oder ein „No-Spy“Abkommen einzuführen.16 In Zeiten von Handelskriegen, Protektionismus und einer Abkehr von multilateralen Verträgen ist auf internationaler Ebene nicht mit einem baldigen Umdenken in diesem Bereich zu rechnen, sondern eher damit, dass Staaten unverändert und teils weitergehender zur Terrorismusbekämpfung Freiheitsrechte beschränken. Die aus der Balance geratene Austarierung von Freiheit und Sicherheit im auslandsnachrichtendienstlichen Bereich ist deshalb anhand eines stärkeren Schutzes der Freiheitsrechte wiederherzustellen. Gelingt dies nicht und ordnet man Sicherheit weiterhin als „Supergrundrecht“ ein,17 stellt sich die Frage: welche verfassungsmäßigen Errungenschaften bleiben dann noch übrig?

15  So 2005 vorgeschlagen von der Versammlung des Europarates: Recommendation of the Committee of Ministers to Member States on Democratic oversight of the security sector in member states, Rec 1713 (2005). 16  Vgl. Amann/Gude/Schindler/Schmid, US Unlikely to Offer ‚No-Spy‘ Agreement, in: Spiegel Online vom 12.11.2013. 17  So der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zitiert von Bewarder/Jungholt, Friedrich erklärt Sicherheit zum „Supergrundrecht“, in: Die Welt vom 16.07.2013.

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IV. Drucksachen, Mitteilungen, Veröffentlichungen und Berichte von und für den Bundestag ARD/BDZV/DJV/Deutscher Presserat/VDZ/ver.di/VPRT/ZDF: Gemeinsame Stellungnahme Rundfunkanstalten und Medienverbände zum Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)654 Aust, Helmut: Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 05.06.2014 vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, Mat A SV-4/1, A-Drs. 56 Bäcker, Matthias: Stellungnahme zur Anhörung des NSA-Untersuchungsausschusses, MAT A Sv-2/3, A-Drs. 54 Bäcker, Matthias: Stellungnahme zu den Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND, Innenausschuss Drs. 18(4)653 G Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit: Unterrichtung vom 12.04.2011, BT-Drs. 17/5200 Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutz und Rechtsstaat: Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, 1981, Heymann, Köln Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes vom 06.04.1989, BT-Drs. 11/4306

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Literaturverzeichnis647 Parlamentarisches Kontrollgremium: Bericht gem. § 14 Abs. 1 Art. 10-Gesetz über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 Art. 10-Gesetz vom 16.02.2017, BT-Drs. 18/11227 Parlamentarisches Kontrollgremium: Bericht gem. § 14 Abs. 1 Art. 10-Gesetz über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 Art. 10-Gesetz vom 29.01.2016, BT-Drs. 18/7423 Parlamentarisches Kontrollgremium: Bericht gem. § 14 Abs. 1 Art. 10-Gesetz über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 Art. 10-Gesetz vom 08.01.2015, BT-Drs. 18/3709 Parlamentarisches Kontrollgremium: Bericht gem. § 14 Abs. 1 Art. 10-Gesetz über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach §§ 3, 5, 7a, 8 Art. 10-Gesetz vom 19.12.2013, BT-Drs. 18/218 Parlamentarisches Kontrollgremium: Erklärung in der Sondersitzung vom 16.12.2015, verfügbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/parlamentarisches-kontrollgremium/399586 (zuletzt abgerufen am 01.11.2020) PDS-Fraktion: VS-Vertraulich, PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, 1997 Rechthien, Kay: Sachverständigen-Gutachten gem. Beweisbeschluss SV-13 für den 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (NSAUntersuchungsausschuss), 2016 Rechthien, Kay/Rieger, Frank/Kurz, Constanze: Sachverständigengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 30.09.2016, verfügbar unter: https://www.ccc.de/system/ uploads/220/original/beweisbeschluss-nsaua-ccc.pdf (zuletzt abgerufen am 01.11.2020) Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages: Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 14/6393, 14/6854 – Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 14.11.2001, BT-Drs. 14/7474 Robbe, Patrizia: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, „Infobrief“ Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung, Aktualisierung des Infobriefs „Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung“ (WD 3–367/08), 2010, Az.: WD 3–3010–331/10 Rodosek, Gabi: Sachverständigengutachten gemäß Beweisbeschluss SV-13, 1. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, 30.09.2016, verfügbar unter: https://cdn.netzpolitik.org/wpupload/2016/10/gutachten_ip_loka lisation_rodosek.pdf (zuletzt abgerufen am 01.11.2020) Röttgen, Norbert/Schmidbauer, Bernd/Uhl, Hans-Peter/Kauder, Volker/Ramsauer, Peter (Fraktion CDU/CSU)/Oppermann, Thomas/Stünker, Joachim/Körper, Fritz/ Struck, Peter (Fraktion SPD)/Stadler, Max/Westerwelle, Guido (Fraktion FDP): Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vom 24.03.2009, BT-Drs. 16/12411 Schindler, Gerhard: Stellungnahme vom 19.09.2016, Innenausschuss A-Drs. 18(4)653 D

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Stichwortverzeichnis American Civil Liberties Union (ACLU)  426, 524 Amicus Curiae  82, 522, 545 ff. Antiterrordatei  294, 397, 440 Aufgabennorm  179 ff., 198 f., 442 ff. Aufsicht –– Begriff  36 ff. –– Deutschland  372 ff. –– Frankreich  479 ff. –– innergewaltliche Befugnisse  36 ff. –– USA  492 ff. Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung –– Gesetz  50 ff., 166 ff., 174 ff., 441 f. –– Urteil  166 ff., 441 f. Beauftragter für die Nachrichtendienste  377 f. Befugnisnorm  179 ff., 198 f., 442 ff. Berufsgeheimnisträger  172, 190 f., 202 ff., 522 f., 559 ff. Bloc de constitutionnalité –– Ausland  217 ff. –– Bindung  212 ff. –– Entwicklung  207 ff., 221 ff. –– Inland  212, 217 ff. –– internationaler Einfluss  230 ff. –– Schutzwirkung  217 ff. –– territoriale Reichweite  215 ff. –– Vie privée  238 ff. BND-Gesetz –– Inhalt  48 ff., 174 ff., 441 f. –– Referentenentwurf 2020  587 ff. Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)  378 ff., 457 Bundeskanzleramt  374 ff. Bundesnachrichtendienst (BND)

–– Auftrag  45 ff. –– Befugnisse  53 ff., 168 ff. –– territoriales Betätigungsfeld  50 ff., 174 ff. –– Trennungsprinzip  55 f., 59, 179 –– verfassungsrechtliche Verankerung  46 ff. Central Intelligence Agency (CIA)  62 ff., 450, 497 ff. Civil Liberties –– Anwendbarkeit  267 ff. –– Ausland  273 ff. –– Bindungsreichweite  262 ff., 277 ff. –– Inland  267 ff. –– internationaler Einfluss  277 ff. –– Officer (CLPO)  500 –– right to privacy  280 ff. Code de la sécurité intérieure (CSI)  72 ff., 245 ff., 467 ff. Commissie van Toezicht op de Inlichtingen- en Veiligheidsdiensten (CTIVD)  534 Commission de Vérification des Fonds Spéciaux (CVFS)  478 Commission nationale de contrôle des interceptions de sécurité (CNCIS)  468, 481 f. Commission nationale de contrôle des techniques de renseignement (CNCTR)  77, 469 ff. Committee on Foreign Intelligence (CFI)  450, 497 Coordonnateur National du Renseignement (CNR)  480 Daten-Filter-System (DAFIS)  169, 415, 556

Stichwortverzeichnis657 Délégation Parlementaire au Renseignement (DPR)  476 ff., 541 Direction du Renseignement et de la Sécurité de la Défense (DRSD)  72 Direction du Renseignement Militaire (DRM)  72 Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE)  35, 71 ff., 246 ff. Direction Nationale du Renseignement et des Enquêtes Douanières (DNRED)  467 Director of National Intelligence (DNI)  497 ff., 540 Director of the Central Intelligence Agency (D-CIA)  497 ff. EOS-Ausschuss  414, 445, 533 f., 553 Executive Order 12.333  69 ff., 310 f., 490 f., 494 f., 518, 538 Exekutive Kontrolle –– Deutschland  372 ff. –– Frankreich  479 ff. –– USA  492 ff. Fernmeldeaufklärung, strategische  44 f., 57, 193 f., 200 f., 555 Finanzkontrolle  368, 381 f., 573 Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) –– Minimization procedures  65 ff., 499, 505, 512 f., 518 –– Reasonable test  293, 295 ff., 310 –– The Right to privacy  289 ff. –– Third-party Doctrine  284, 288 f., 291 f., 308 ff., 526 ff. Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC)  67 ff., 82, 298 ff., 310, 491, 509 ff. Foreign Intelligence Surveillance Court of Review (FISCR)  510 f., 515 Freedom Act  27, 65, 291 f., 492 ff., 521 ff., 526, 531, 539, 545 G10 –– Art.  10-Gesetz  59 ff., 169 ff.

–– G10-Kommission  60, 82, 320, 325 ff., 353 f., 357 f., 381, 391 ff., 402 ff., 433, 438 ff., 451, 458 ff., 547, 556, 562 ff., 583, 589 –– G10-Positiv-Liste  556 Geheimdienst  30 ff. Geheimnisschutz  349, 356, 363, 449, 454, 463, 477, 569 Gewaltenteilung  37 f., 42, 95, 260, 326 ff., 358, 420 f., 448, 453 Government Accountability Office  505 Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG  365 f., 563 Groupement Interministériel de Contrôle (GIC)  467 f., 482 f., 537 Grundrechte –– Fernmeldefreiheit (Art. 10 GG)  50 ff., 145 ff., 169 ff., 178, 325 ff., 402 ff. –– Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme  150 ff., 165, 180 f., 197 ff., 397, 450 f. –– Grundrechtsbindung –– beschränkte ~  104 f. –– eingeschränkte ~  108 ff.  124 ff. –– extraterritoriale ~  124 ff., 133 ff. –– Hoheitsgewalt  94 ff. –– institutionelle Reichweite  93 ff. –– internationaler Einfluss  114 ff. –– territoriale Reichweite  102 ff. –– transnationale ~  124 ff., 127 ff. –– Universalismus  105 ff. –– vollziehende Gewalt  94 ff. –– Grundrechtsgeltung  141 ff. –– Informationelle Selbstbestimmung  181, 372, 391, 395, 439, 459 –– Kernbereich privater Lebensgestaltung  59, 110, 157 f., 169 ff., 182 ff., 199 ff., 332 ff., 555 f., 559, 561 f., 587 –– Rechtfertigung  154 ff., 160 ff., 436 ff. –– Unverletzlichkeit der Wohnung  89, 365 ff., 563 –– Verbot der Totalüberwachung (Full take)  184 ff., 200

658 Stichwortverzeichnis Hinweisgebende (Whisleblower)  361, 369, 371, 423 ff., 445 ff., 462 f., 539 f., 553 HUMINT  43, 63 IMINT  43 f. Intelligence Community (IC) –– Aufgaben  63, 493, 496, 508 –– Inspector General of the Intelligence Community  505, 529 Intelligence Oversight Board (IOB)  495 f. Investigatory Powers Commissioner  534 f. Investigatory Powers Tribunal  414, 445, 534 f. Judicial Redress Act  81, 294, 300 ff., 523, 532 Judikative Kontrolle –– Deutschland  387 ff. –– Frankreich  483 ff. –– quasi-gerichtliche Kontrolle  402 ff., 483 ff., 509 ff. –– USA  524 ff. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung  317, 367, 397, 409, 441, 448, 455, 566 Kontrolle –– Akteneinsicht  339 f., 348 f., 394 –– Art. 45d GG  46 f., 322 ff., 344 f. –– Auskunftsrecht  388 f., 390 ff., 400, 409, 429 f., 444, 523, 534, 570, 589 –– außerinstitutionelle ~  422 ff. –– Third Party Rule  332, 442, 448, 462, 571 –– Zutrittsrecht  341 f., 360, 369 f., 406, 419, 444 f., 568 Loi relative au Renseignement  74 f., 238, 244 ff., 485 f. Nachrichtendienst –– Auslandsnachrichtendienst  34 f.

–– Begriff  30 ff. –– Mehrwert  39 ff. –– Unterscheidung zu Geheimdiensten  30 ff. National Security Agency (NSA)  62 ff. National Security Council (NSC)  490, 496 f. Office of the Director of National Intelligence (ODNI)  498, 500, 539 Ordre public  160 f., 249 ff. Organisation Gehlen  45, 578 OSINT  44 Parlamentarische Kontrolle –– Deutschland  36 ff., 332 ff. –– Frankreich  476 ff. –– USA  503 ff. Parlamentarische Kontrollkommission  320, 402 Parlamentarische Minderheitenrechte  329 f., 334, 356, 399, 452, 507, 541 f., 571 ff. Parlamentarisches Kontrollgremium (PKGr)  59 f., 321, 323 ff., 333 ff., 370 f., 378, 382, 403, 412 ff., 443 ff., 541 ff., 552 f., 561 ff., 566 ff., 572 ff., 581 ff., 588 f. Parlamentarisches Vertrauensmännergremium  319 f. Patriot Act  291, 491 f., 516, 526 Permanent Select Committee on Intelligence of the House of Representatives  503, 508 f. Personenbezogene Daten, Verarbeitung  35 f. President’s Intelligence Advisory Board (PIAB)  495 Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB)  501 f., 521, 538 f., 548 Privatheit –– Entwicklung  85 ff. –– Konzept  85 ff. –– Right to be let alone  86 f., 280 ff.

Stichwortverzeichnis659 Question prioritaire de constitutionnalité  214 f., 485 Sanktionen  331 f., 343 f., 350 f., 364, 440, 457, 474, 506, 547, 577 ff. Select Committee on Intelligence of the Senate (SCIS)  503, 506 ff. SIGINT  43 ff., 138 ff., 163 ff., 194 ff. Ständiger Bevollmächtigter  353 ff., 444, 567

Transparenz  600 ff. Unabhängiges Gremium  50, 59, 82, 357 f., 402 f., 410 ff., 444, 458 f., 562 ff. Untersuchungsausschuss  366 f., 399, 441, 463 ff., 575 f. Venice Commission  160, 434, 532, 545 Zitiergebot  155, 178 f., 193, 585, 587