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German Pages [433]
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) · Tobias Nicklas (Regensburg) J. Ross Wagner (Durham, NC)
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Heidrun Gunkel
Der Heilige Geist bei Lukas Theologisches Profil, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie
Mohr Siebeck
Heidrun Gunkel, geboren 1984; 2003–2010 Studium der Theologie in Göttingen und Rom; 2010–2014 Promotionsstudium Theologie in Göttingen; Promotionsstipendiatin des Graduiertenkollegs „Götterbilder-Gottesbilder-Weltbilder“; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Neues Testament; seit 2014 Vikarin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
e-ISBN PDF 978-3-16-153493-5 ISBN 978-3-16-153439-3 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2015 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meinen Eltern Gaudium enim Domini est fortitudo nostra. Nehemia VIII,10
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/14 von der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Für den Druck habe ich sie geringfügig überarbeitet. Vielen Menschen gebührt an dieser Stelle mein Dank. Zuerst meinem Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Reinhard Feldmeier, an dessen Lehrstuhl ich seit 2007 tätig war. Die Entstehung meiner Dissertation hat er stets mit konstruktivem Interesse gefördert. Nicht zuletzt das lehrstuhlinterne Oberseminar bot fruchtbaren Raum, gewonnene Erkenntnisse zu diskutieren. Im Kreise der Feldmeier-Schüler habe ich zudem in verschiedenen Bereichen Unterstützung und Austausch gefunden, wofür ich mich ebenfalls an dieser Stelle bedanke: Während meiner Promotionszeit verstarb nach schwerer Krankheit Frau PD Dr. Frances Back, die mir einst im Proseminar das exegetische Laufen beigebracht hatte. Zusammen mit Prof. Dr. Rainer Hirsch-Luipold konnte ich am Alexander von Humboldt-Transcoop-Projekt „The Historical Roots of Early Christian Pneumatology“ teilnehmen. Renato C. Raasch und Dr. Fritz Heinrich haben mich an Projekten zu den Geister-Welten Brasiliens beteiligt. Fachlichen Austausch, der ebenfalls zu mancherlei Klärung beitrug, habe ich außerdem im Neutestamentlichen Doktorandenkolloquium gefunden. Namentlich genannt sei Prof. Dr. Florian Wilk, der sich stets kritisch mit meiner Arbeit auseinandersetzte und das Zweitgutachten erstellt hat. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft gewährte mir drei Jahre lang ein Promotionsstipendium im Rahmen des Göttinger Graduiertenkollegs „Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder“. Herrn Prof. Dr. Hermann Spieckermann möchte ich nicht nur in seiner Eigenschaft als Sprecher des Kollegs danken, sondern auch für meine Förderung von frühen Studienzeiten an. Den anderen Mitgliedern des interdisziplinären Kollegs danke ich für die Weggemeinschaft und die Diskussionen über den theologischen Horizont hinaus. Wer ungezählte Stunden am Schreibtisch in die Welt des lukanischen Doppelwerks vorstößt, ist für freundschaftliche Begleitung und Ermunterung dankbar. Viele sind auf der langen Reise mitgegangen, von denen ich an dieser Stelle nur diejenigen nennen kann, die das abschließende Korrekturlesen auf sich genommen haben: Florian Dinger, Dr. Thomas Hanke, Lena Hesselbarth, Merryl Rebello und Lena Reinhardt.
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Vorwort
Nicht zuletzt gilt mein Dank meiner Familie, die meinen wissenschaftlichen Unternehmungen immer mit Geduld und Verständnis begegnet ist und so manche neue Herausforderung liebevoll mitgetragen hat. Mein Vater Jürgen Gunkel hat darüber hinaus viel Mühe auf die Korrektur der wachsenden Kapitel meiner Arbeit verwandt und mich bis hin zur Drucklegung tatkräftig unterstützt. Meiner Mutter Gunda Gunkel verdanke ich, in der christlichen Gemeinde Heimat zu haben. Ich möchte dieses Buch daher meinen Eltern widmen. Abschließend danke ich Prof. Dr. Jörg Frey für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe“ und dem Verlag Mohr Siebeck für die umsichtige Betreuung bei der Erstellung der Druckfassung. Peine, im Dezember 2014
Heidrun Gunkel
Inhaltsverzeichnis Vorwort ..................................................................................................... VII
Einleitung ................................................................................................. 1 1 Ausgangspunkt und Ziel ............................................................................ 1 2 Forschungsgeschichtliche Verortung ......................................................... 5 3 Methodik .................................................................................................... 7
Teil I: Die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes bei Lukas – Funktionen und Auswirkungen in drei Wirkungsepochen ............ 9 1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist ............................................13 1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel ..........................................15 1.1.1 Der Auftrag des Johannes (Lk 1,15.17.80) ................................16 1.1.2 Johannes’ heilsgeschichtlicher Rang (Lk 3,16) ..........................27 Ergebnis .............................................................................................33 1.2 Gerechte Repräsentanten Israels .........................................................35 1.2.1 Elisabeth und Zacharias (Lk 1,41.67) ........................................35 1.2.2 Simeon (Lk 2,25–27) ................................................................40 Ergebnis .............................................................................................42 1.3 Vorherbestimmung in den Schriften Israels ........................................44 1.3.1 Die Komplettierung des Zwölferkreises (Apg 1,16) ..................45 1.3.2 Die Bedrängnis der Gemeinde Jesu (Apg 4,25) .........................48 1.3.3 Das Evangelium auch für die Heiden (Apg 28,25) ....................51 Ergebnis .............................................................................................53 Fazit: Das Gottesvolk Israel zwischen Vorbereitung und Veränderung ....55 2 Jesus und der Heilige Geist ......................................................................58 2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus .............................58 2.1.1 Die wesenhafte Geistprägung Jesu (Lk 1,35) .............................58 2.1.2 Die Offenbarung und Inthronisation des Geistträgers (Lk 3,22) ...................................................................................69
X
Inhaltsverzeichnis
2.1.3 Die Bewährung des Geistträgers (Lk 4,1.14) .............................76 2.1.4 Die heilbringende Tätigkeit des Geistträgers (Lk 4,18; Apg 10,38) .................................................................83 2.1.5 Die Einbeziehung der Jünger in die Geistträgerschaft Jesu (Lk 10,21; Apg 1,2) ................................................................. 101 Ergebnis ........................................................................................... 107 2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes .................. 109 2.2.1 Die Installation Jesu (Apg 2,33) .............................................. 109 2.2.2 Die Geist-Verheißungen Jesu an die Seinen (Lk 11,13; 12,12; 24,49; Apg 1,5.8) ........................................ 115 Ergebnis ........................................................................................... 133 Fazit: Jesu einzigartiger Status ............................................................... 135 3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist .............................................. 137 3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung ............................ 138 3.1.1 Die Befähigung und Beauftragung am pfingstlichen Anfang (Apg 2,4.17f.) ............................................................. 139 3.1.2 Die Ermutigung und Stärkung gegen Widerstände (Apg 4,31) 156 3.1.3 Einzelfälle geistgewirkter Zeugenschaft (Apg 4,8; 5,32;6,10; 9,31; 18,25) ............................................ 161 Ergebnis ........................................................................................... 162 3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission ................................. 165 3.2.1 Die beginnende Öffnung zur Heidenmission (Apg 8,29.39) .... 165 3.2.2 Die offizielle Durchsetzung der Heidenmission (Apg 10,19; 11,12) .................................................................. 174 3.2.3 Die Konkretisierung der Heidenmission (Apg 15,28) .............. 183 3.2.4 Der Weg nach Europa (Apg 16,6f.) ......................................... 186 3.2.5 Der Weg in die Welthauptstadt (Apg 19,21; 20,22) ................. 190 Ergebnis ........................................................................................... 192 3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk ................................................... 194 3.3.1 Die (Neu-)Definition des Gottesvolkes (Apg 2,38) .................. 195 3.3.2 Die Wahrung von Kontinuität und Einheit (Apg 8,15.17–19) .................................................................... 206 3.3.3 Das exklusive Identitätsmerkmal (Apg 10,44f.47; 11,15f.; 15,8) ................................................. 215 3.3.4 Das Differenzkriterium gegenüber alternativer Taufpraxis (Apg 19,2.6) ............................................................................ 225 3.3.5 Die Aufnahme als ,Regelfall‘ (Apg 5,32; 9,17.31; 13,52) ........ 230 Ergebnis ........................................................................................... 233 3.4 Die Funktionsträger .......................................................................... 236 3.4.1 Die Apostel (Lk 6,12; Apg 1,2) ............................................... 236 3.4.2 Die Armenpfleger (Apg 6,3.5) ................................................ 240
Inhaltsverzeichnis
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3.4.3 Die Propheten und prophetisch Begabten (Apg 7,55; 11,28; 20,23; 21,4.11) ........................................... 243 3.4.4 Die Missionare (Apg 11,24; 13,2.4.9) ..................................... 246 3.4.5 Die Ältesten (Apg 20,28) ........................................................ 250 Ergebnis ........................................................................................... 253 3.5 Die Verwerfung ................................................................................ 254 3.5.1 Der äußere Widerstand (Lk 12,10; Apg 7,51) .......................... 254 3.5.2 Der innere Widerstand (Apg 5,3.9) ......................................... 257 Ergebnis ........................................................................................... 263 Fazit: Die Gemeinde Jesu in ihrer Bedeutung, Konstitution und geschichtlichen Entwicklung ........................................................... 263 Fazit des I. Teils: Das Konzept der lukanischen Pneumatologie. Der Heilige Geist als Garant des göttlichen Heilsplans ......................... 266
Teil II: Profilierung, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie – von den Traditionen zum Konzept .................. 271 1 Die Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie ....................................................................................... 275 1.1 Die Wirkweisen des Geistes ............................................................. 276 1.1.1 Der Geist als besondere Auszeichnung .................................... 276 1.1.2 Die Indienstnahme durch den Geist ......................................... 278 1.1.3 Der prophetische Geist ............................................................ 279 1.1.4 Der lenkende Geist .................................................................. 279 1.1.5 Der ermächtigende Geist ......................................................... 280 1.2 Die Wesensvorstellungen des Geistes ............................................... 282 1.2.1 Der Geist als Kraft und Substanz ............................................. 282 1.2.2 Der Geist als Person ................................................................ 287 1.3 Die Einheit der lukanischen Pneumatologie ..................................... 291 2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen ............................. 294 2.1 Altes Testament ................................................................................ 297 2.1.1 Schöpfung ............................................................................... 297 2.1.2 Besondere Fähigkeiten und Führungspositionen ...................... 299 2.1.3 Prophetie ................................................................................. 301 2.1.4 Heil und Gehorsam ................................................................. 302 2.2 Hellenistische Philosophie ................................................................ 303 2.2.1 Stoa ......................................................................................... 303 2.2.1.1 Göttliche Weltvernunft ................................................ 304 2.2.1.2 Menschliche Vernunft und Ethik ................................. 305 2.2.2 Pseudo-Platon ......................................................................... 305
XII
Inhaltsverzeichnis
2.2.3 Plutarch ................................................................................... 306 2.2.3.1 Inspiration ................................................................... 307 2.2.3.2 Zeugung ...................................................................... 309 2.3 Antikes Judentum ............................................................................. 310 2.3.1 Qumran ................................................................................... 311 2.3.1.1 Erwählung und Reinigung ........................................... 311 2.3.1.2 Prophetische Gestalten ................................................ 313 2.3.2 Weisheit Salomos .................................................................... 314 2.3.2.1 Lebensprinzip .............................................................. 314 2.3.2.2 Kosmische Weisheit .................................................... 315 2.3.3 Psalmen Salomos .................................................................... 316 2.3.4 Philo ........................................................................................ 317 2.3.4.1 Kosmisches Prinzip ..................................................... 317 2.3.4.2 Unsterblichkeit, Gotteserkenntnis und Ethik des Menschen .............................................................. 318 2.3.4.3 Prophetie ..................................................................... 319 2.4 Frühchristentum (Paulus) ................................................................. 320 2.4.1 Jesus ........................................................................................ 320 2.4.2 Ewiges Leben und ethisches Verhalten ................................... 321 2.4.3 Auferbauung der Gemeinde ..................................................... 322 3 Die lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der maßgeblichen Traditionen ................................................................ 324 3.1 Der Vergleich ................................................................................... 324 3.1.1 Die lukanischen Wirkweisen des Geistes vor dem Hintergrund der maßgeblichen Traditionen ............... 324 3.1.2 Die lukanischen Wesensvorstellungen des Geistes vor dem Hintergrund der maßgeblichen Traditionen ................ 343 3.2 Ergebnisse des Vergleichs ................................................................ 346 3.2.1 Die Profilierung der lukanischen Pneumatologie ..................... 347 3.2.2 Der Grund und die Intention der lukanischen Pneumatologie .. 351 Fazit des II. Teils: Die lukanische Pneumatologie als ein wesentlicher Baustein der hermeneutischen Strategie ................................................. 356
Schluss .................................................................................................... 359 Bibliographie ............................................................................................. 363 Stellenregister............................................................................................. 381 Sachregister ................................................................................................ 402
Einleitung 1 Ausgangspunkt und Ziel 1 Ausgangspunkt und Ziel
Mit dem dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses bekennen sich die Christen regelmäßig zum Heiligen Geist. Dieser wird in dem Bekenntnis als dritte Person der Trinität aufgefasst. Über eine solche stetige Erwähnung im gottesdienstlichen Bekenntnis hinaus spielt der Geist in der westlichen Kirche und Theologie keine besonders herausragende Rolle. Vielmehr wurde sogar eine westliche „Geistvergessenheit“1 diagnostiziert. Die (Tendenz zur) Vernachlässigung des Heiligen Geistes hat verschiedene Ursachen2, von denen drei hier kurz genannt werden sollen: So wird die Pneumatologie als eigenständiger Topos in den systematisch-theologischen Entwürfen nur in geringem Maße berücksichtigt – am häufigsten ist der Geist noch in den Erörterungen zur göttlichen Trinität zu finden. Frömmigkeitsgeschichtlich wird dem Heiligen Geist zwar mit Pfingsten ein eigenes Fest gewidmet, dieses hat jedoch im Kirchenjahr nicht annähernd dieselbe Bedeutung wie die Christusfeste oder auch die Totengedenktage. Außerdem dürfte auch die Tatsache eine Rolle spielen, dass im Laufe der Kirchengeschichte zu verschiedenen Zeiten Bewegungen entstanden, die besonders unter Berufung auf den Heiligen Geist zu Reformen aufriefen. Die angestrebten Reformen gerieten, weil sie nicht den Vorstellungen der etablierten Kirchen entsprachen, stets unter den Verdacht, die bestehenden Verhältnisse zu gefährden. Ein solcher Verdacht wiederum warf auf die intensivere Beschäftigung mit dem Geist, auf den sich die Reformer nicht zuletzt als autoritative Instanz gegen die kirchliche Tradition beriefen, ein schiefes Licht. Neben diesen kirchen- wie theologiegeschichtlichen Entwicklungen wird der Thematik des Heiligen Geistes hierzulande häufig eine spürbare Reserviertheit entgegengebracht, weil der Geist weit deutlicher als Gottvater oder Christus eine Affinität zu ungewöhnlichen, übernatürlichen oder gar irratio-
1
Vgl. zu diesem Begriff DILSCHNEIDER, Geistvergessenheit. Vgl. zu den erläuterten und darüber hinaus weiteren Zusammenhängen SATTLER, Erinnerung, S. 404–406. 2
2
Einleitung
nalen Phänomenen zu haben scheint und nicht selten als „unfassbar“3 gilt. Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu beobachten, dass eine „Geisterinnerung“4 eingesetzt hat. Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Beitrag zu dieser „Geisterinnerung“ geleistet werden. Allerdings wird dies nicht in Form einer systematischtheologischen Abhandlung über den Heiligen Geist geschehen. Vielmehr geht die Arbeit zu den Anfängen des christlichen Glaubens zurück und widmet sich den Erwähnungen des Heiligen Geistes bei Lukas. Anlass für diese nähere Beschäftigung mit den lukanischen Aussagen zum Geist war die exegetische Beobachtung, dass der Heilige Geist im lukanischen Doppelwerk eine große Rolle spielt und dass einige lukanische Geistphänomene den in der hellenistischen Umwelt vorhandenen ähneln. Die vorliegende Arbeit geht demnach von der Feststellung aus, dass der auctor ad Theophilum ein besonderes Interesse am Heiligen Geist hatte. Darauf weisen bereits die zahlreichen Belege für den Heiligen Geist in beiden Teilen des Doppelwerkes5 hin: 19 Mal kommt er im Lukas-Evangelium vor, 58 Mal in der Apostelgeschichte. Berücksichtigt werden bei diesen 77 Belegen die Erwähnungen des den Geist Gottes bezeichnenden Begriffes πνεῦµα. Dieser Geist wird von Lukas auf unterschiedliche Weise präzisiert: Neben dem absoluten πνεῦµα („Geist“) spricht Lukas vom πνεῦµα ἅγιον („Heiliger Geist“), vom πνεῦµα κυρίου („Geist des Herrn“) und vom πνεῦµα Ἰησοῦ („Geist Jesu“).6 Dass diese unterschiedlichen Wendungen alle denselben Geist Gottes meinen, erschließt sich durch die Beobachtung, dass an zahlreichen Stellen verschiedene dieser Ausdrücke nebeneinander stehen.7
3 So der Titel des Buches von Erlemann zum Heiligen Geist im Neuen Testament. Vgl. ERLEMANN, Unfassbar. 4 SATTLER, Erinnerung, v. a. S. 406–411. Auch in den Bibelwissenschaften ist in den letzten Jahren ein stärker werdendes Interesse am Heiligen Geist zu verzeichnen. Davon zeugen vor allem die Veröffentlichungen des Sammelbandes zum Heiligen Geist der Reihe „Jahrbuch für Biblische Theologie“ (Nr. 24) oder des Themenheftes zum Geist der „Zeitschrift für Neues Testament“ (Nr. 25). 5 Dass das Lukas-Evangelium und die Apostelgeschichte von einem Verfasser stammen, wird heute nicht mehr angezweifelt. Vgl. VERHEYDEN, Unity, S. 6, Anm. 13. Der von Verheyden herausgegebene Sammelband „The Unity of Luke-Acts“ enthält eine Reihe von Beiträgen, die die Einheitlichkeit der beiden Werke aufzeigen. 6 In der überwiegenden Zahl der Belege wird der Geist Gottes im lukanischen Doppelwerk mit πνεῦµα ἅγιον („Heiliger Geist“) bezeichnet. Auffälligerweise fehlt das Syntagma πνεῦµα θεοῦ bei Lukas, lediglich in der Gottesrede in Apg 2,17f. spricht Gott vom πνεῦµά µου. 7 S. dazu z.B. das Nebeneinander von πνεῦµα und πνεῦµα ἅγιον in Lk 2,25–27; Lk 4,1; Apg 2,4 oder von πνεῦµα ἅγιον und πνεῦµα κυρίου in Apg 5,3.9 bzw. in den bedeutungsverwandten Stellen Lk 4,18; Apg 10,38 oder von πνεῦµα ἅγιον und πνεῦµα Ἰησοῦ in Apg 16,6f.
1 Ausgangspunkt und Ziel
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Die besondere Bedeutung des Geistes für Lukas zeigt sich auch im Vergleich mit den beiden anderen synoptischen Evangelien. Hierbei fällt auf, dass Lukas in seinem Evangelium dreimal so oft vom Geist spricht wie das Markus-Evangelium, das 6 Belege aufweist, und eineinhalb Mal so viel wie das 12 Belege enthaltende Matthäus-Evangelium.8 Diesbezüglich werden die in Teil I dieser Arbeit durchgeführten Exegesen zeigen, dass der Heilige Geist besonders häufig an redaktionellen Textstellen auftritt, an denen Lukas ihn explizit eingetragen hat. In der Apostelgeschichte, wo Lukas weitaus eigenständiger formulieren konnte, findet sich das dichteste Vorkommen des Geistes innerhalb des Neuen Testaments. Insofern liegt es nahe, bei einer exegetischen Arbeit zum Heiligen Geist das lukanische Doppelwerk in den Blick zu nehmen. Die in diesem Zusammenhang zu stellenden Fragen lassen sich in zwei Themenkomplexe gliedern: Der erste Themenkomplex betrifft die von Lukas in seinem Doppelwerk gebotene systematische9 Entfaltung seiner Theologie. In diesem Rahmen der lukanischen Theologie stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Heiligen Geistes. Der erste Arbeitsschritt besteht darin, die Bedeutungsspektren des Heiligen Geistes, die innerhalb der lukanischen Theologie erkennbar werden, zu ermitteln. Das Ergebnis einer solchen Ermittlung wird Aufschluss darüber geben, ob und inwiefern Lukas ein Konzept vom Heiligen Geist bietet und damit von einer (spezifisch) lukanischen Pneumatologie gesprochen werden kann. Diese im I. Teil behandelte Fragestellung gibt der Arbeit den Untertitel „Theologisches Profil der lukanischen Pneumatologie“. Innerhalb des zweiten Themenkomplexes soll angesichts der auffallenden Prominenz des Heiligen Geistes im lukanischen Doppelwerk erkundet werden, was Lukas mit seiner umfangreichen Pneumatologie erreichen wollte. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst die Ausrichtung des lukanischen Doppelwerks insgesamt zu betrachten, d.h. es ist darzustellen, von welchen Traditionen der auctor ad Theophilum geprägt war und an welchen Leserkreis das lukanische Doppelwerk gerichtet ist. Hierzu werden sowohl der Verfasser als auch seine Leserschaft verortet: Der innerhalb der Evangelien einmalige Prolog des Lukas-Evangeliums (Lk 1,1–4) sowie der darauf Bezug nehmende Anfang der Apostelgeschichte (Apg 1,1f.), mit denen Lukas an Konventionen griechisch-römischer Ge8
Bei Johannes spielt das πνεῦµα mit 19 Belegen ebenfalls eine stärkere Rolle als bei Matthäus und Markus. Die Bedeutung des Heiligen Geistes als den Jüngern nach Jesu Abschied beistehendem „Tröster“ (παράκλητος) wird in den Abschiedsreden Joh 14-16 hervorgehoben. 9 Inwieweit bei der mit dem lukanischen Doppelwerk vorliegenden narrativen Literatur von einer systematischen Darstellung gesprochen werden kann, wird im Laufe dieser Arbeit ersichtlich werden. Zwar präsentiert der auctor ad Theophilum keine systematischen Erörterungen über theologische Themen, aber er bietet „mit großem erzählerischen Geschick Theologie“ (EISEN, Poetik, S. 219).
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Einleitung
schichtsschreibung anknüpft, weisen ihn als einen literarisch gebildeten Griechen aus. Gleichzeitig sind auch die auf ihn einwirkenden jüdischen Einflüsse erkennbar: Zwar vermeidet Lukas die Verwendung semitischer Begriffe, zeigt kein Interesse am jüdischen Kult und ist mit der Geografie Palästinas nicht vertraut10, aber er lässt eine große Vertrautheit mit der Septuaginta erkennen, kann sogar deren Stil imitieren, betont das Erbe der Väter und die überragende Bedeutung Jerusalems und des dortigen Tempels.11 Lukas ist demnach dort zu verorten, wo die jüdische und die griechisch-römische (d.h. hellenistische) Tradition zusammenfließen, also an deren Schnittstelle. Die oben genannten Ausführungen lassen vermuten, dass es sich bei Lukas entweder um einen hellenistischen Juden oder aber um einen in enger Verbindung zum Judentum stehenden Gottesfürchtigen handelte.12 Die Tatsache, dass Lukas einerseits durch alttestamentlich-jüdische Vorstellungen, andererseits durch hellenistische Traditionen geprägt ist, hat Konsequenzen im Hinblick auf den von ihm intendierten Leserkreis. Bereits zu Beginn des Evangeliums wird deutlich, dass das Werk doppelt ausgerichtet ist. Zum einen zeigen die gepflegte Sprache und der anspruchsvolle Stil des erwähnten Prologs, dass Lukas für eine breitere griechische Öffentlichkeit schreibt, die auch die gehobenen Gesellschaftsschichten einschließt (vgl. die Widmung an κράτιστε Θεόφιλε („Exzellenz Theophilus“) (Lk 1,3)). Zum anderen wechselt er direkt im Anschluss an den Prolog ab Lk 1,5 zu alttestamentlichem Sprachstil und schildert zu Beginn seiner Geschichte eine typisch jüdische Begebenheit im Jerusalemer Tempel. Während die beiden Traditionen demnach am Anfang nebeneinander stehen, finden sich im Laufe des Doppelwerks zahlreiche Elemente, die sowohl vom jüdischen als auch vom hellenistischen Kontext her verständlich werden.13 Diese generelle Ausrichtung des lukanischen Doppelwerks trägt dazu bei, das Evangelium sowohl der jüdischen wie der hellenistischen Welt plausibel
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Solche Beobachtungen wurden häufig als Indiz dafür angesehen, dass Lukas nicht aus jüdischem Haus stammt. Vgl. KÜMMEL, Einleitung, S. 118; BROER, Einleitung, S. 139. 11 S. dazu auch die Einleitung zu I.1. 12 Vgl. POKORNÝ / HECKEL, Einleitung, S. 533. 13 Dieser doppelte Bezug wurde anhand einer Anzahl lukanischer Elemente bereits von Marguerat nachgewiesen und als „ambivalence sémantique“ bezeichnet (MARGUERAT, Luc-Actes entre Jérusalem et Rome, S. 86). Feldmeier versteht diesen darüber hinaus „als Ausdruck einer Inkulturations- und Missionsstrategie“ und bezeichnet ihn als „Doppelkodierung“ (FELDMEIER, Himmelfahrt, S. 69). Aus der Reihe der von Marguerat bzw. Feldmeier identifizierten Elemente mit doppeltem Bezug seien folgende Beispiele genannt: die Perikope vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41–52); die Darstellung des Täufers Johannes (Lk 3,1–20); das spezifisch lukanische Wort des Hauptmanns unter dem Kreuz (Lk 23,47); die lukanische Darstellung der Erhöhung Jesu als Himmelfahrt (Lk 24,44–53; Apg 1,1–11); die Rede des Paulus auf dem Areopag in Athen (Apg 17,16–34).
2 Forschungsgeschichtliche Verortung
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zu machen. Daher ist zu vermuten, dass Lukas auch die für seine Botschaft zentralen Aussagen vom Heiligen Geist in die jeweilige Gedankenwelt seiner Leser vermitteln will. Im zweiten Arbeitsschritt wird diese Vermutung überprüft und herausgearbeitet, inwiefern der Grund für die ausführliche Pneumatologie in der Aufnahme alttestamentlich-jüdischer und hellenistischer Geistvorstellungen zu finden ist und wie Lukas durch diese Vorgehensweise seine Intention, die Botschaft Juden wie Griechen verständlich zu machen, verwirklichen kann. Diese im II. Teil durchgeführte Untersuchung gibt der Arbeit den Untertitel „Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie“. Ziel dieser Arbeit ist es demnach, das eigene theologische Profil der lukanischen Pneumatologie zu ermitteln und – in Verbindung damit – Grund und Intention für dieses Profil aufzuzeigen.
2 Forschungsgeschichtliche Verortung 2 Forschungsgeschichtliche Verortung
Die beiden genannten Themenkomplexe zum Heiligen Geist bei Lukas lassen sich in der Forschungssituation zur lukanischen Pneumatologie folgendermaßen verorten: Unter den Arbeiten, die die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes speziell bei Lukas untersuchen, ist an erster Stelle Heinrich von Baers deutschsprachige Monographie „Der Heilige Geist in den Lukasschriften“ von 1926 zu nennen. Von Baer befragt das Doppelwerk unter Anwendung der zu dieser Zeit erst in Ansätzen entwickelten redaktionsgeschichtlichen Methode nach spezifisch lukanischen Aussagen zum Heiligen Geist. Er identifiziert den Geist zusammen mit dessen Funktion des εὐαγγελίζεσθαι als „Leitmotiv für das Doppelwerk“14 Bei seiner Untersuchung nimmt er jedoch nicht alle Belege für den Geist in den Blick, sondern setzt Schwerpunkte im Lukas-Evangelium sowie am Anfang der Apostelgeschichte. Außerdem fragt er in seiner Zusammenfassung explizit nach den Geisterfahrungen des Lukas selbst, die sich in seinen Aussagen zum Heiligen Geist spiegeln. In jüngerer Zeit spielt sich die Forschung zur theologischen Bedeutung des Heiligen Geist bei Lukas vorwiegend im englischsprachigen Raum ab und ist vor allem15 durch die Debatte bestimmt, ob Lukas den Heiligen Geist nur als Geist der Prophetie auffasst (so anschließend an Schweizer16 vor allem Men14
VON BAER, Der Heilige Geist, S. 2. Eine aktuelle Zusammenstellung zu den weiteren thematischen Ausrichtungen in den Untersuchungen zum Heiligen Geist bei Lukas findet sich bei BONNAH, Holy Spirit, S. 12– 56. Bonnah selbst untersucht (im Anschluss an die Arbeit von Shepherd) den Heiligen Geist als „narrative factor“ in der Apostelgeschichte. 16 Vgl. SCHWEIZER, πνεῦµα, S. 401–413. 15
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Einleitung
zies17) oder ob dem Geist vielmehr eine soteriologische Funktion zur Schaffung des Gottesvolkes aus Juden wie Heiden zukommt (so in neuerer Zeit vor allem Turner18 und Wenk19). Die vorliegende Arbeit wird demgegenüber in ihrem I. Teil die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes bei Lukas nicht unter der Prämisse einer thematischen Begrenzung untersuchen, sondern aufzeigen, wie vielfältig die Funktionen und Auswirkungen des Geistes von Lukas dargestellt werden. Sie wird dabei insofern eine (besonders im deutschsprachigen Raum bestehende) Lücke in der Erforschung der lukanischen Pneumatologie schließen, als sie der Untersuchung nicht nur eine Auswahl, sondern alle 77 im lukanischen Doppelwerk vorhandenen Belege zum Heiligen Geist zu Grunde legt. Der II. Teil der Arbeit, der die lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der für ihn maßgeblichen Traditionen betrachtet, stellt in mehrfacher Hinsicht einen Neuansatz in der religionsgeschichtlichen Verortung der Aussagen des Lukas zum Heiligen Geist dar. Eine erste Neuerung gegenüber der bisherigen Forschung besteht darin, die Einordnung der Pneumatologie in die Traditionen mit der Frage nach der Intention des sich an einen bestimmten Leserkreis richtenden auctor ad Theophilum zu verbinden. Zum zweiten wird es ein Novum darstellen, dass bei dem Vergleich mit anderen Traditionen unterschiedliche Traditionsbereiche herangezogen werden. Bisher wurde in der Forschung versucht, die lukanische Darstellung des Heiligen Geistes vor dem Hintergrund alttestamentlich-jüdischer Geist-Aussagen zu verstehen.20 Die Konzentration auf diesen Traditionsbereich ist nach wie vor als Gegenreaktion zu einem älteren Entwurf von Leisegang21 zu sehen, der die alttestamentlich-jüdischen Traditionen für irrelevant erklärte und den Ursprung des Gedankengutes zum Heiligen Geist, das sich wie bei Lukas auch in den beiden anderen synoptischen Evangelien findet, ausschließlich in den griechischrömischen Geistvorstellungen (der Mystik) sah. Diese Arbeit will weder die eine noch die andere Seite ausblenden, sondern sie wird – von einer Verortung des Lukas und seiner Leser im Bereich der Schnittstelle von jüdischem und hellenistischem Gedankengut ausgehend – beide Traditionen berücksichtigen.
17
Vgl. MENZIES, Pneumatology, S. 114–284. Vgl. TURNER, Power. 19 Vgl. WENK, Community. 20 Wiederum kann hier auf die Arbeiten von Menzies, Turner und Wenk verwiesen werden, die in ihrer Debatte um die lukanische Pneumatologie auch die Frage nach dem Geistverständnis im antiken Judentum diskutieren. 21 Vgl. LEISEGANG, Pneuma hagion. 18
3 Methodik
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3 Methodik 3 Methodik
Die in den beiden Teilen der Arbeit zu vollziehenden Arbeitsschritte erfordern die Verwendung verschiedener Methoden: Da in Teil I der Arbeit die Bedeutung des Heiligen Geistes innerhalb der von Lukas in seinem Doppelwerk gebotenen Theologie erörtert werden soll, bildet die Gestalt des Endtextes den Ausgangspunkt der Untersuchung. Deshalb bewegt sich diese Untersuchung schwerpunktmäßig auf synchroner Ebene. Um die Arbeit des Redaktors Lukas nachvollziehen zu können, sind darüber hinaus jedoch auch diachrone exegetische Methoden heranzuziehen. Dies gilt insbesondere für die Genese einzelner Passagen, bei denen durch den Vergleich mit den von Lukas verwendeten Quellen gezeigt werden kann, wie der auctor ad Theophilum im Einzelnen gearbeitet hat. Auch die Erörterung einzelner von Lukas aus den Traditionen aufgenommener Motive und Begriffe soll der Ermittlung der Aussageabsicht dienen. In Teil II der Arbeit soll die Aufnahme von alttestamentlich-jüdischen wie hellenistischen Geistvorstellungen in die lukanische Pneumatologie betrachtet werden, um den Grund dieser Pneumatologie zu ermitteln. Dazu ist es methodisch erforderlich, einen Vergleich der lukanischen Geistkonzeption mit den in den beiden Traditionsbereichen vorhandenen Vorstellungen vom Wirken eines göttlichen Geistes durchzuführen. Ziel dieses Vergleiches ist es jedoch nicht, nur Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzulisten, sondern herauszustellen, an welche Phänomene und Bedeutungsgehalte des Geistes sich der auctor ad Theophilum anlehnt und wie er diese für seine Pneumatologie aufnimmt und gegebenenfalls transformiert. Hinsichtlich der GeistAussagen des Lukas kann dabei auf die im ersten Arbeitsschritt erzielten Ergebnisse zurückgegriffen werden. Die in den oben genannten Traditionen enthaltenen Geistvorstellungen müssen sodann identifiziert und erörtert werden. Da Lukas jedoch nicht der Erste im frühen Christentum ist, der vom Heiligen Geist spricht, muss für die Erörterung des besonderen lukanischen Profils auch die frühchristliche Geisttradition berücksichtigt werden. Der in dieser Weise durchgeführte Vergleich wird Rückschlüsse bezüglich der Verständlichkeit der lukanischen Pneumatologie für die jeweiligen Leserkreise des Doppelwerks zulassen, auf deren Basis dann Aussagen zur Intention der lukanischen Pneumatologie getroffen werden können.
Teil I
Die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes bei Lukas – Funktionen und Auswirkungen in drei Wirkungsepochen Teil I: Die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes bei Lukas
Begründet auf der in der Einleitung der Arbeit dargestellten Beobachtung, dass Lukas ein besonderes Interesse am Heiligen Geist erkennen lässt, widmet sich dieser I. Teil der Arbeit der Fragestellung, welche theologische Bedeutung der auctor ad Theophilum dem Heiligen Geist in seinem Doppelwerk insgesamt zuweist. Das Ziel ist es also, die Bedeutungsspektren des Heiligen Geistes innerhalb der lukanischen Theologie insofern zu erschließen, als sie in der narrativen Entfaltung des Lukas vorhanden sind. Außerdem ist zu ergründen, ob man von einem Konzept des Heiligen Geistes bei Lukas bzw. von einer lukanischen Pneumatologie sprechen kann. Zu diesem Zweck werden daher die 77 Belege für den Heiligen Geist1 im lukanischen Doppelwerk untersucht werden: Da nach der von dem Redaktor Lukas dem Heiligen Geist zugemessenen Bedeutung gefragt ist, ist die Ebene des lukanischen Endtextes ausschlaggebend und es wird vorwiegend mithilfe synchroner Methoden gearbeitet. Wo es zu der Erschließung der redaktionellen Tätigkeit des Lukas erforderlich ist, werden auch diachrone exegetische Methoden eingesetzt. Für die Untersuchung werden die Belege unter folgenden Gesichtspunkten systematisiert: Zum einen ist zu fragen nach den Bezugspunkten, an denen der Heilige Geist auftritt. Zum anderen sind die jeweils spezifischen Funktionen und Auswirkungen des Geistes hinsichtlich dieses Bezugspunktes zu berücksichtigen. Die Bezugspunkte des Geistwirkens ergeben sich innerhalb des zeitlichen Rahmens, der in den Erzählungen des Evangeliums sowie der Apostelgeschichte abgesteckt wird. Dieser Zeitrahmen erstreckt sich, beginnend mit Zacharias im Jerusalemer Tempel, von der Zeit um Jesu Geburt bis hin zu der Zeit um die Mitte der 60er Jahre, als Paulus in Rom das Evangelium verkündet. Innerhalb dieser erzählten Geschichte wird immer wieder das Wirken des Heiligen Geistes geschildert, wobei für eine Systematisierung entscheidend 1
S. dazu die Einleitung dieser Arbeit. Zu diesen 77 Belegen werden in zwei Fällen Parallelstellen hinzugenommen, an denen keine explizite Erwähnung des Geistes erfolgt (Lk 6,12 par. Apg 1,2; Lk 24,49 par. Apg 1,5.8). Für das Verständnis der lukanischen Aussage sind sie jedoch unerlässlich.
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Teil I: Die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes bei Lukas
ist, dass dieses Geistwirken zwei Einschnitte erfährt, insofern es zweimal auf neue Weise einsetzt: Die erste Neuerung besteht in dem außerordentlichen und fundamentalen Bestimmtsein Jesu durch den Geist, die sich von dem zuvor auftretenden Wirken des Geistes im Gottesvolk Israel abhebt. Zum Zweiten stellt die pfingstliche Geistausgießung an die gesamte Gemeinde Jesu einen Einschnitt dar, weil der Heilige Geist fortan nur noch exklusiv an den Jesusanhängern wirkt, gleichzeitig aber nicht mehr nur an einzelnen Ausgewählten, sondern an allen Gemeindegliedern. Aufgrund dieser Beobachtung erfolgt in dieser Arbeit die Darstellung der theologischen Bedeutung des Heiligen Geistes in der Form, dass das Wirken des Geistes drei Epochen zugeordnet wird: dem Gottesvolk Israel, Jesus sowie der Gemeinde Jesu2. Die gewählte Aufteilung in drei Wirkungsepochen schließt zunächst an Conzelmann3 an. Hinsichtlich der exakten Abgrenzung der Wirkungsepochen wird jedoch von der Einteilung Conzelmanns abgewichen, weil für die Zuordnung zu den unterschiedlichen Epochen das Wirken des Geistes als das entscheidende Kriterium angesehen wird.4 Die auf Jesus 2 Der Begriff „Gemeinde Jesu“ oder „christliche Gemeinde“ wird in dieser Arbeit zur Bezeichnung der von Lukas beschriebenen Gemeinschaft der Jesusanhänger verwendet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Gemeinde sich in der erzählten Zeit in ihrer Entstehung befindet und der Begriff „Gemeinde“ daher nicht unbedingt institutionelle Strukturen beinhaltet, sondern vielmehr das sich in vielerlei Hinsicht äußernde Leben der Gemeinde und vor allem die von Lukas dargestellte Bedeutung dieser Gemeinschaft umfasst. Bewusst vermieden wird der Begriff „Kirche“, da die Entwicklung von den christlichen Gemeinden zur Kirche als Institution in den lukanischen Ausführungen durch die Behandlung organisatorischer Fragen lediglich angedeutet wird (z.B. in der Entwicklung der Ämter oder in der Durchführung des Apostelkonzils), aber erst nach dem von Lukas geschilderten Zeitraum erfolgte. Das entspricht dem Befund, dass im lukanischen Doppelwerk mit dem Wort ἐκκλησία in der Mehrzahl der Belege eine einzelne Ortsgemeinde (z.B. Apg 8,1; 11,22; 13,1; 20,17) bezeichnet wird. Nur in Einzelfällen bezieht sich der Begriff ἐκκλησία auf die Gesamtheit der bestehenden Gemeinden als ,Gesamtkirche‘ (Apg 9,31; 20,28). 3 Es war Conzelmann, der den Begriff „Epoche“ im Zusammenhang mit der Einteilung der im lukanischen Doppelwerk erzählten Heilsgeschichte in Zeitabschnitte nachhaltig prägte. Conzelmann unterteilte die lukanische Heilsgeschichte in die Zeit Israels, die Zeit Jesu (als „Mitte der Zeit“) und in die Zeit der Kirche. Vgl. CONZELMANN, Mitte, S. 158.195. Dabei wird die Grenze zwischen den ersten beiden Epochen nach Lk 16,16 so markiert, dass mit Johannes dem Täufer die erste Epoche als die von Gesetz und Propheten bestimmte endet und mit Jesus die Zeit der Reich-Gottes-Predigt beginnt. Diese Sichtweise hat Burchard in dem Sinne weiterentwickelt, dass zwar in Lk 16,16 die Grenze zwischen Johannes und Jesus markiert ist, dass dies aber nicht bedeutet, dass auch Gesetz und Propheten nur zur Zeit Israels gehören. Sie sind auch für die folgenden zwei Epochen weiterhin relevant. Vgl. BURCHARD, Lk 16,16, S. 119–125, 121. 4 Eine Gliederung der von Lukas dargestellten Geschichte in drei Epochen führen auch andere Ausleger auf den Geist zurück, wobei sie allerdings von je unterschiedlichem Gebrauch des Geistes ausgehen: So differenziert z.B. Tatum zwischen dem in der Epoche
Teil I: Die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes bei Lukas
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bezogene Wirkungsepoche des Geistes beginnt bereits bei Jesu Entstehen (Lk 1,35) und endet erst mit Jesu Einsetzung zum Vermittler und Verwalter des Geistes bei seiner Erhöhung (Apg 2,33). Diese Abgrenzung der zweiten Wirkungsepoche hat Folgen für die sie umschließenden Epochen: So ist die auf das Gottesvolk Israel bezogene Wirkungsepoche noch nicht zum Ende gekommen, wenn das Wirken des Geistes an Jesus schon beginnt. Außerdem ist die auf die Gemeinde Jesu bezogene Wirkungsepoche, die mit der ersten Geistausgießung an Pfingsten beginnt, aufgrund der Vermittler- und Verwaltertätigkeit Jesu von der vorangehenden Epoche abhängig. So liefern die Neueinsätze des Geistwirkens einerseits die Begründung für die Einteilung in Epochen, gleichzeitig wird aber deutlich, dass diese drei Zeiträume durch das Geistwirken ineinander verwoben und aufeinander bezogen sind. Innerhalb dieser Wirkungsepochen sind sodann unterschiedliche Funktionen und Auswirkungen des Geistes zu beobachten, denen in der folgenden Darstellung jeweils eigene Abschnitte gewidmet werden.
Israels an Einzelnen und in der Kirche an allen Gliedern wirkenden Geist der Prophetie („Spirit of prophecy“) und dem an Jesus wirkenden schöpferischen und messianischen Geist („creative Spirit“, „messianic Spirit“) (TATUM, Epoch, S. 189–193). Von Baer grenzt den an Johannes sowie Simeon und Hanna wirkenden „Prophetengeist“ von dem an Jesus wirkenden „Messiasgeist“ ab, der sich wiederum von dem den Jüngern gesandten „Pfingstgeist“ unterscheidet (VON BAER, Der Heilige Geist, S. 45–49.76f.). Im Gegensatz dazu zeigt diese Arbeit, dass der Geist in den unterschiedenen Epochen zwar verschiedene Bedeutungen gewinnt, die Wirkweisen, zu denen beispielsweise auch die prophetische zu rechnen ist, aber durch die Wirkungsepochen hindurch gleich bleiben. S. dazu insbesondere II.1.
1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist Im lukanischen Doppelwerk wird als erste Wirkungsepoche des Heiligen Geistes diejenige im Gottesvolk Israel beschrieben.1 Sie umfasst das Auftreten des Heiligen Geistes bis zu dem Zeitpunkt, an dem Lukas mit der Beschreibung des an Jesus sich zeigenden außergewöhnlichen Geistwirkens beginnt. Die für diese Fragestellung relevanten Textstellen finden sich zum einen in den beiden Eingangskapiteln des Lukas-Evangeliums, der sogenannten Vorgeschichte (Lk 1,15.17.41.67.80; 2,25–27), und in der ersten Perikope, die zur öffentlichen Wirksamkeit Jesu überleitet (Lk 3,16), sowie zum anderen in der Apostelgeschichte (Apg 1,16; 4,25; 28,25).2 Dass die meisten dieser Belege in der lukanischen Vorgeschichte zu finden sind, zeigt nachdrücklich an, dass das Wirken des Geistes, von dem der autor ad Theophilum berichtet, gleich dort auftritt, wo das Lukas-Evangelium seinen Anfang nimmt, i.e. mitten in Israel. Denn mit Lk 1,5–2,523, dem Bericht 1
Lukas erwähnt den Heiligen Geist im Zusammenhang mit dem Gottesvolk Israel letztmalig in Lk 3,16 im Zusammenhang mit Johannes’ heilsgeschichtlichem Rang (s. I.1.1.2). Während des Zeitraumes von Jesu Entstehen bis zu der Wirksamkeit des Johannes überschneiden sich also die in Bezug auf das Gottesvolk Israel bzw. Jesus bestehenden Wirkungsepochen des Geistes. Dadurch, dass die erste Epoche zeitlich nicht genau von der zweiten Epoche abgrenzbar ist, sondern eine Übergangszeit entsteht, wird hervorgehoben, dass Jesus aus dem Gottesvolk Israel kommt. Gleichzeitig wird er aber aus seinem Volk herausgehoben, weil das Geistwirken bei ihm in neuer, vorher noch nie dagewesener Weise einsetzt. Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, werden die geistbegabten Repräsentanten Israels in dieser Übergangszeit zu Grenzgestalten, die durch den Geist auf das in Jesus kommende Heil ausgerichtet sind. 2 Der πνεῦµα-Beleg in Lk 1,47 wird in dieser Arbeit nicht berücksichtigt, da er nicht den Heiligen Geist, sondern den menschlichen Geist Marias bezeichnet. Dieses Verständnis wird gestützt durch den in Lk 1,46bf. vorliegenden Parallelismus, durch den πνεῦµά µου als ein dem Ausdruck ψυχή µου ähnlicher Begriff identifiziert wird. Vgl. BOVON, Lukas 1, S. 88; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 73. Πνεῦµά µου und ψυχή µου umschreiben beide das „Ich des Beters“ (WOLTER, Lukasevangelium, S. 101), in diesem Fall also das Ich Marias. 3 Die Quellenfrage der lukanischen Vorgeschichte ist (anders als die entsprechende Frage in Bezug auf den Hauptteil des Evangeliums) in der Forschung höchst umstritten. Da als Vergleichsmaterial lediglich die stark differierende Vorgeschichte des MatthäusEvangeliums zur Verfügung steht, wird die Beantwortung der Frage auch weiterhin sehr
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
von der Geburt Jesu und den sich in deren zeitlichem Umfeld zutragenden Ereignissen, beginnt die lukanische Jesuserzählung ganz prägnant im jüdischen Gottesvolk. Das gesamte Kolorit weist auf diese jüdische Prägung der erzählten Geschehnisse hin.4 So führt die erste Szene den Leser direkt in den als Zentrum Israels anzusehenden Jerusalemer Tempel5 (Lk 1,9.21f.); dorthin kehrt die Vorgeschichte auch noch einige Male zurück (Lk 2,27.37.46). Außerdem gibt es eine Fülle von weiteren Anklängen an alttestamentliche Traditionen, wie die Lieder in Lk 1,46–55.68–79; 2,29–32, die an die Psalmen6 erinnern, oder die Verweise auf die große Thoratreue der Figuren (Lk 2,22– 24), auf das Passahfest (Lk 2,41) oder auf die Priester in Israel (Lk 1,5.8f.). Auch finden sich Bezugnahmen auf die Heiligen Schriften des Gottesvolkes, besonders auf an Israel ergangene Verheißungen, wie beispielsweise Jes 42,6; 46,13; 52,10 in Lk 2,31f. Nicht zuletzt unterstreicht Lukas mit der Verwendung des alttestamentlichen Sprachstils7, der sich deutlich von dem in Lk
spekulativ bleiben. Weil Matthäus und Lukas in einigen Details übereinstimmen, wie z.B. in der Nennung Bethlehems als Geburtsort Jesu (Lk 2,3–7; Mt 2,1) oder auch in der Schilderung der entscheidenden Rolle des Heiligen Geistes hinsichtlich der Empfängnis Jesu (Lk 1,35; Mt 1,18.20), kann vermutet werden, dass es eine nicht näher bestimmbare Tradition mit diesen Informationen gab. Hinzukommend hat Lukas wahrscheinlich auf weiteres Traditionsmaterial zurückgegriffen. Besonders die Lieder machen einen stark vorgeprägten Eindruck. Die außergewöhnliche Betonung des Täufers Johannes lässt außerdem eine diesbezügliche, möglicherweise aus Täuferkreisen stammende, Quelle vermuten. Vor allem aber ist davon auszugehen, dass Lukas die Vorgeschichte unter Aufnahme dieser Traditionen zu einem sehr großen Teil frei komponiert hat. Vgl. FITZMYER, Luke 1, S. 309. Zur Diskussion im Einzelnen vgl. insbesondere RADL, Ursprung; auch OLIVER, Lukan Birth Stories, S. 202–226; FITZMYER, Luke 1, S. 305–316; BROWN, Birth, S. 26–38.235– 253. 4 Vgl. WILK, Jesus und die Völker, S. 169f.; WASSERBERG, Aus Israels Mitte, S. 119– 121; TATUM, Epoch, S. 194f. 5 Hinsichtlich der Bedeutung des Tempels im lukanischen Doppelwerk (ναός bzw. ἱερόν) ist außerdem hervorzuheben, dass das Lukas-Evangelium nicht nur seinen Beginn, sondern auch seinen Abschluss im Tempel hat (Lk 24,53), womit eine Inklusion vorliegt. Der Tempel ist für Lukas nicht nur Ort des Kultes (z.B. Lk 1,9; 2,27; Apg 21,26), sondern auch der Verheißung und des Heils (z.B. Lk 2,22–40), der Lehre und Selbstoffenbarung Jesu (z.B. Lk 2,46–49; 19,47; 22,53) und der Auseinandersetzung (z.B. Lk 19,45–48). Vgl. WASSERBERG, Aus Israels Mitte, S. 122f. Zur konzeptionellen Bedeutung des Tempels bei Lukas vgl. auch BACHMANN, Jerusalem. 6 Vor allem ist das Magnifikat mit dem Lied der Hanna in 1. Sam 2,1–10 zu vergleichen. 7 Als Beispiel ist gleich in Lk 1,5 die erste Wendung ἐν ταῖς ἡµέραις samt Königsnamen zu nennen, welche nur in der Septuaginta zur Datierung anhand von Regierungszeiten belegt ist (z.B. 2. Kön 21,1 LXX; 4. Kön 15,29 LXX; 1. Chr 4,41). Dieser Sprachstil der Vorgeschichte hat zu der Vermutung Anlass gegeben, dass Lukas hier hebräische oder aramäische Quellen benutzt hat. Vgl. z.B. TURNER, Power, S. 142. Dagegen spricht aber
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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1,1–4 direkt vorangehenden, kunstvoll stilisierten Proömium unterscheidet8, dass er Geschichte Israels erzählt.9 „The allusions encourage the implied reader to expect that this text will deal with the narrative world of the Old Testament.“10 Innerhalb dieser lukanischen Darstellung des Gottesvolkes Israel in der Zeit um Jesu Geburt (Lk 1–2) ist der Heilige Geist in zwei verschiedenen Zusammenhängen wirksam, in denen ihm wichtige Auswirkungen und Funktionen zugewiesen werden. So hat der Heilige Geist zum einen eine besondere Bedeutung in Bezug auf Johannes den Täufer. Zum anderen prägt und bewegt er einige weitere Repräsentanten des Gottesvolkes, nämlich Elisabeth, Zacharias und Simeon. In den drei außerdem relevanten Belegen in der Apostelgeschichte (Apg 1,16; 4,25; 28,25) bietet Lukas einen weiteren, dritten Aspekt des Geistwirkens im Gottesvolk Israel: Der Heilige Geist ist hier derjenige, der in bestimmten alttestamentlichen Schriftworten geweissagt hat. Diese in der Apostelgeschichte enthaltenen Hinweise auf den Heiligen Geist in Israel weisen sich dadurch aus, dass sie von Auswirkungen des Geistes berichten, die sich im Unterschied zu den in der Vorgeschichte berichteten Geschehnissen nicht unmittelbar im Umfeld von Jesu Geburt, sondern eine längere Zeit zuvor ereigneten. Dem Ausgeführten entsprechend wird die folgende Untersuchung in einem Dreischritt zunächst Johannes den Täufer, sodann die weiteren drei geistbegabten Repräsentanten Israels und schließlich die Schriftworte besprechen.
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel 1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
Johannes der Täufer ist nach der Darstellung des Lukas ein herausragender Repräsentant innerhalb des Gottesvolkes Israel. In Hinblick auf die Bedeutung, die der Täufer für Israel hat, hat der Geist eine sehr große Relevanz. Diese erstreckt sich in zwei Richtungen: Zum einen hat der Geist direkte Funktionen für den dem Johannes zukommenden Auftrag (Lk 1,5–25; 1,80),
schon, dass Lukas sich im Evangelium ansonsten nicht scheut, etwa bei Markus auftretende Semitismen in feineres Griechisch umzuformulieren. 8 Cadbury hebt den gegensätzlichen Stil von Proömium und Vorgeschichte hervor und betont außerdem die Einmaligkeit des deutlich alttestamentlichen Stils in Lk 1,5–2,52 im Blick auf das gesamte Lukas-Evangelium. Vgl. CADBURY, Making, S. 223f. 9 Vgl. WOLTER, Epochengeschichte, S. 272. Der einzige über die jüdische Perspektive hinausgehende Hinweis findet sich in Lk 2,1 mit der Nennung des Kaisers Augustus und des Statthalters Quirinius „als Erfüllungsgehilfen im Heilsplan Gottes“ (WILK, Jesus und die Völker, S. 170). 10 SHEPHERD, Holy Spirit, S. 117; vgl. auch TANNEHILL, Unity 1, S. 118.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
zum anderen bestimmt der Geist den heilsgeschichtlichen Rang des Johannes, auch in Abgrenzung zu Jesus (Lk 3,15–17). 1.1.1 Der Auftrag des Johannes (Lk 1,15.17.80) Das erste Mal wird die Geistbegabung des Johannes bereits im Zuge der Ankündigung seiner Geburt an seinen Vater Zacharias durch den Engel Gabriel (Lk 1,5–25), d.h. noch in verheißender Form, thematisiert. Diese Perikope Lk 1,5–25 weist einen doppelten Rahmen auf: Der äußere Rahmen besteht aus der Einleitung mit zeitlicher Verortung und Vorstellung der Eltern des Johannes (Zacharias und seine Frau Elisabeth) (Vv.5–7) und dem Schluss der Perikope, der von der Heimkehr des Zacharias und der Empfängnis der Elisabeth berichtet (Vv.23–25). Darin eingebettet befindet sich der zweiteilige Bericht vom Priesterdienst des Zacharias11 (Vv.8–10.21–22) als innerer Rahmen, der gleichzeitig die Rahmenhandlung für den Kern der Perikope, die Engelserscheinung vor Zacharias samt der Ankündigung der Geburt des Johannes (Vv.11–20), bildet. Für die Frage nach der Funktion des Heiligen Geistes in Bezug auf Johannes ist der Inhalt dieser dem Perikopen-Kern zugehörigen Ankündigung seiner Geburt durch den erscheinenden Engel in Lk 1,11–20 aufschlussreich, da der Geist in diesem Zuge gleich zweimal erwähnt wird (Vv.15.17). Nachdem der Engel dem Zacharias erschienen war und bei diesem Erschrecken ausgelöst hatte (Vv.11f.), verkündete er ihm, dass sein Gebet erhört wurde12 und seine Frau Elisabeth ein Kind gebären wird, das er Johannes nennen soll und über das viele sich freuen werden (Vv.13f.). 11
Nach Lk 1,5 war Zacharias Priester aus der Ordnung Abias. Seine Priesterklasse war in der erzählten Zeit gerade mit dem Priesterdienst an der Reihe (V.8) und Zacharias selbst wurde für das Räucheropfer ausgelost (V.9). Im Hintergrund dieser Schilderung steht die Dienstordnung der israelitischen Priesterschaft: Die Priesterschaft war in 24 Priesterklassen eingeteilt. Da jede Priesterklasse zweimal im Jahr eine Woche (von Sabbat bis Sabbat) im Jerusalemer Tempel Dienst hatte, wurden die Priesterklassen auch als Wochenabteilungen bezeichnet. Die Priesterklasse des Abias, zu der Zacharias nach lukanischer Darstellung gehörte, wird in 1. Chr 24,10 als die achte ausgewiesen. Eine Priesterklasse war wiederum in einzelne Priestergeschlechter gegliedert, auf die die einzelnen Tage des Priesterdienstes verteilt wurden. Über die jeweiligen Dienstfunktionen wurde dann unter den Priestern durch das Los entschieden; so wurde Zacharias für das Räucheropfer bestimmt. Zu den Priesterklassen vgl. weiter JEREMIAS, Jerusalem, S. 224–234 sowie die Texte bei STRACK / BILLERBECK, Kommentar 2, S. 55–68. 12 Diese Notiz über die Gebetserhörung ist zunächst erstaunlich, weil an keiner Stelle von einem expliziten Gebet des Zacharias berichtet wird. V.7 legt es jedoch nahe, dass Zacharias aufgrund der bisherigen Kinderlosigkeit um Nachwuchs gebetet hat. Der Hinweis, dass das Gebet des Zacharias erhört wurde, wird vor dem Hintergrund verständlich, dass mit der Feststellung der Gebetserhörung im Alten Testament (z.B. 2. Kön 20,5; Ps 66,19; Prov 15,29) sowie in frühjüdischen Schriften (z.B. PsSal 6,5; Sir 51,11) die „heilbringende Zuwendung“ Gottes ausgedrückt wird (WOLTER, Lukasevangelium, S. 78).
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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Schon diese ersten beiden Verse der Verheißung verdeutlichen in zweifacher Hinsicht, dass es sich bei dem angekündigten Johannes um ein besonderes Kind handeln wird. Zum einen weist die in der Einleitung der Perikope genannte Tatsache, dass Elisabeth bislang unfruchtbar und das schon betagte Ehepaar daher kinderlos war (V.7; vgl. Lk 1,36), auf ein außergewöhnliches Geburtsereignis hin. Die Geburt des Johannes steht damit in einer Linie mit Geburten von Kindern zuvor unfruchtbarer Frauen, von denen im Alten Testament berichtet wird (z.B. Sarah13 Gen 21,1–7; Frau des Manoach Ri 13,2.24; Hanna 1. Sam 1,5.19f.). Auch dass die Geburt des Johannes durch einen Engel angekündigt wird, wobei es sich um die Gattung der Geburtsankündigung14 handelt, stellt einen Verweis auf diese alttestamentliche Tradition dar.15 Johannes wird auf diese Weise als jemand gekennzeichnet, der in einer Reihe mit wichtigen Vertretern Israels steht, deren Geburtsereignis gleichermaßen hervorgehoben wird. So verdeutlicht Lukas, dass Johannes zunächst einmal ganz und gar vom alttestamentlichen Gottesvolk herkommt und zu dessen heilsgeschichtlich bedeutsamen Personen gehört. Die folgenden Ausführungen werden weiterführend zeigen, inwiefern es gerade die Wirksamkeit des Heiligen Geistes ist, die Johannes zu einer Art ,Übergangsgestalt‘ macht, die von Israel aus hinweist auf das in dem einzigartigen Geistträger Jesus Christus gegebene Heil. Insgesamt legt Lukas mit dem aufgezeigten Rückgriff auf alttestament-
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Wie von Elisabeth und Zacharias, so wird gleichermaßen auch von Abraham und Sarah berichtet, dass sie bereits alt und hochbetagt waren (Gen 18,11), als ihnen ein Kind angekündigt wurde. 14 Diese Gattung, die in Lk 1,11–20 vorliegt, ist im Alten Testament weit verbreitet (z.B. Ismael Gen 16,7–12; Isaak Gen 17,15–22; 18,9–15; Simson Ri 13,2–20; Samuel 1. Sam 1,9–17). Als ihre spezifischen Elemente werden identifiziert: eine göttliche Erscheinung (Engel etc.) (Lk 1,11; Gen 16,7; Ri 13,3.9); die Furcht des Adressaten (Lk 1,12; Ri 13,6); die himmlische Botschaft mit Ankündigung der Schwangerschaft, der Bedeutung des Kindes und des vorgesehenen Namens (Lk 1,13–17; Gen 16,11f.; 17,18–21; Ri 13,3– 5); ein Einwand des Adressaten (Lk 1,18; Gen 17,17; 18,12); ein Zeichen oder eine Versicherung (Lk 1,19f.; Ri 13,19f.). Vgl. BERGER, Formen, S. 421f.; BROWN, Birth, S. 156; FITZMYER, Luke 1, S. 318; RADL, Ursprung, S. 72f. Auch in außerbiblischer Literatur (altorientalisch, ägyptisch, griechisch-römisch) lässt sich die Gattung der Geburtsankündigung finden (vgl. die Zusammenstellung bei ZELLER, Geburtsankündigung, S. 69–96) als „[ein beliebtes] Mittel, um auszudrücken, daß Gestalten des Mythos, aber auch geschichtliche Persönlichkeiten schon vor der Geburt von Gott zu Großem bestimmt waren“ (ebd., S. 96). Eindeutiger lehnt sich Lukas bei der vorliegenden Ankündigung des Johannes allerdings an die alttestamentlichen Vorbilder an, die im Gegensatz zu den außerbiblischen nicht von zeugenden und die außergewöhnliche Geburt selbst ankündigenden Göttern reden. 15 Dass das zu erwartende Kind dem zukünftigen Vater verheißen wird, findet sich im Alten Testament analog nur bei der Ankündigung der Geburt Isaaks an Abraham (Gen 17,15–22; 18,9–15).
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
liche Vorstellungen nachdrücklich dar, dass Gottes Eingreifen an dieser Stelle in Kontinuität zu seinem bisherigen Handeln an Israel steht.16 Zum anderen deutet der Hinweis des Engels, dass viele sich über Johannes freuen werden (V.14), daraufhin, dass diesem eine außergewöhnliche Bedeutung zukommen bzw. dass er etwas Besonderes tun wird, was diese Freude auslösen wird. Dabei meint χαρά die Reaktion auf göttliches Heilshandeln (vgl. Lk 2,10)17, zu dem Johannes und sein Wirken damit gezählt werden. Begründet wird diese Aussage, dass sich viele über Johannes freuen werden, sodann in den anschließenden Vv.15–1718, denn diese werden durch die Partikel γάρ („denn“) an die vorangehenden Ausführungen angeschlossen und sind damit deutlich als Begründung gekennzeichnet. Der Engel erklärt die Freude über das verheißene Kind also folgendermaßen: „Denn er wird groß sein vor dem Herrn und Wein und Rauschtrank trinkt er gewiss nicht, und er wird erfüllt werden vom Heiligen Geist schon vom Leib seiner Mutter an, und viele der Söhne Israels wird er hinwenden zu dem Herrn, ihrem Gott. Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elias, um hinzuwenden die Herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zur Einsicht der Gerechten, dem Herrn ein Volk zuzurichten, das vorbereitet ist“ (Vv.15– 17). Innerhalb dieser Begründung für die Besonderheit des Kindes werden in V.15 zunächst drei nebeneinanderstehende Aussagen19 zu Eigenschaften des Johannes gemacht: Erstens soll Johannes groß sein vor dem Herrn (µέγας ἐνώπιον [τοῦ] κυρίου). Dabei ist in ἐνώπιον der Anteil ὀπ- als Wurzel von „sehen“ noch bewusst20, so dass „in den Augen Gottes“ gemeint ist.21 Das bedeutet, dass sich die Größe des Johannes in Bezug auf das Urteil Gottes über ihn zeigen wird.22 Damit wird angedeutet, dass ihm im Blick auf die Heilsgeschichte eine große Rolle zukommen wird.23
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Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 77f. Vgl. BERGER, χαρά, Sp. 1087. 18 Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 33; RADL, Lukas 1, S. 48. 19 Die Gleichberechtigung der drei in V.15 über Johannes gemachten Aussagen ergibt sich aus der Beiordnung der drei Teilsätze mit καί. Anders meinen WIEFEL, Lukas, S. 48; SCHNEIDER, Lukas 1, S. 46, dass die erste Aussage von V.15 von den beiden nachfolgenden erläutert wird. 20 Vgl. KRÄMER, ἐνώπιον, Sp. 1130. 21 Vgl. z.B. auch Lk 1,6; 12,6. 22 In Lk 7,28 sagt Jesus innerhalb seines Zeugnisses über den Täufer allerdings, dass dieser der Größte der von einer Frau Geborenen sein wird, dass aber jeder im Reich Gottes größer sein wird als Johannes (vgl. Mt 11,11). 23 Vgl. BETZ, µέγας, Sp. 984f.; MÜLLER, Prophet, S. 102. 17
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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Außerdem wird vorhergesagt, dass Johannes weder Wein noch Rauschtrank trinken wird.24 Ein solches Verhalten entspricht einerseits den in Lev 10,9 enthaltenen Anweisungen für Aarons Priestergeschlecht, ist andererseits Teil des sogenannten Nasiräergesetzes (Num 6,3). Es ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob Johannes durch diese Ankündigung seines asketischen Lebensstils als Priester oder Nasiräer beschrieben werden soll. So spricht für die Darstellung des Johannes als Nasiräer der Vergleich mit Samuel (1. Sam 1,11) und Simson (Ri 16,17), die als Söhne von ursprünglich unfruchtbaren Frauen Nasiräer sind25 und zu bedeutenden Gestalten Israels werden.26 Andererseits verweist diese Notiz auf Johannesʼ Abstammung von priesterlichen Eltern (vgl. Lk 1,5) und unterstreicht damit seinen priesterlichen Kontext.27 Möglicherweise intendiert der Hinweis auf den enthaltsamen Lebensstil des Johannes folglich sogar seine Einordnung in beide Traditionen. Was in jedem Fall sicher gesagt werden kann, ist, dass diese Enthaltsamkeit Johannes als jemanden kennzeichnet, der Gott besonders nahe und für den Empfang des Auftrages Gottes offen sowie für dessen Durchführung vorbereitet ist. Wie diese Ausführungen zeigen, betreffen die ersten beiden Aussagen von V.15 das Gottesverhältnis des Johannes28, das sich sowohl in Johannesʼ heilsgeschichtlicher Größe als auch in seiner asketischen Lebensweise zeigt. In diesen Kontext, in dem die besondere Relation des Johannes zu Gott bestimmt wird, fügt sich nun als drittes eine Aussage über die Bedeutung des Heiligen Geistes für ihn ein: Er wird vom Mutterleib an mit dem Heiligen Geist erfüllt sein (πνεύµατος ἁγίου πλησθήσεται ἔτι ἐκ κοιλίας µητρὸς αὐτοῦ). Seine ihn für das oben genannte Handeln Gottes vorbereitende Askese findet demnach im Geistwirken sein Pendant: Er ist nicht vom Wein erfüllt und inspiriert, sondern vom Heiligen Geist.29 Eine solche Erfüllung mit dem Heiligen Geist vom Mutterleib an wird im gesamten lukanischen Doppelwerk nur in Bezug auf Johannes ausgesagt und ist daher einzigartig. Auch die alttestamentliche Tradition, der Johannes – wie die oben genannten Ausführungen zeigen – zuzurechnen ist, kennt keine 24
In Lk 7,33 wird berichtet, dass er dies tatsächlich nicht tat. Auch seine Jünger fasteten viel (Lk 5,33). 25 Allerdings wird für Samuel und Simson jeweils ausschließlich die Einhaltung des Verbots, die Haare zu scheren, berichtet. Nur 1. Kön 1,11 LXX nennt (abweichend vom masoretischen Text 1. Sam 1,11) auch die Enthaltsamkeit von Wein für Samuel. In Ri 13,4.7.14 wird diese Enthaltsamkeit an Simsons Stelle seiner Mutter auferlegt. In Lk 1,15 fehlt dagegen das im Nasiräergesetz wesentliche Verbot des Haarescherens. 26 Vgl. MÜLLER, Prophet, S. 103. 27 Weiterführende Überlegungen zu priesterlichen Elementen bei Johannes finden sich bei RINDOŠ, John, S. 224–230. 28 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 78. 29 Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 46; FITZMYER, Luke 1, S. 326; BOVON, Lukas 1, S. 56.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
Parallele. Zwar gibt es einige Geistbegabte Israels30, in deren Reihe Johannes durch seine Erfüllung mit dem Geist stehen wird; aber Lukas zeigt hier zugleich an, dass Johannes auch aus Israel hervorragen wird, da er wie kein anderer bereits im Mutterleib mit dem Geist begabt werden wird, so dass dieser ihn von Anfang an bestimmt und ihm dauerhaft gegeben ist. Die Wendung „vom Mutterleib an“ (ἐκ κοιλίας (µητρός)) deutet darüber hinaus noch auf einen anderen Zusammenhang hin: Im Alten Testament begegnet sie als Motiv in Prophetenberufungen (Jes 44,2.24; 49,1.5; Jer 1,5; Sir 49,7). Hier bringt „vom Mutterleib an“ zum Ausdruck, dass die von Gott gegebene Bestimmung zum Propheten allem anderen vorausgeht.31 Die Wendung wird allerdings an keiner dieser Stellen mit dem Geist in Verbindung gebracht. Die einzige inhaltliche Verknüpfung besteht darin, dass das Alte Testament einige mit dem Geist begabte Propheten kennt (z.B. Num 11,25–27; 24,2; 1. Sam 10,6.10; 19,20.23; 2. Chr 15,1; 20,14; 24,20; Neh 9,30; Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.5.24; 37,1; 43,5; Hos 9,7; Mi 3,8; Sach 7,12). Auch Lukas ist die Verbindung von Geistbegabung und Prophetie nicht fremd (Lk 1,41.67; 2,26; Apg 7,55; 8,39; 11,28; 20,23; 21,4.11).32 Dass die oben genannte Wendung mit der Gabe des Heiligen Geistes an Johannes verknüpft wird, ist aber singulär. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Lukas die Formulierung in der von ihm aufgenommenen Tradition33 vorgefunden hat, spricht für die Rückführung dieser Kombination auf lukanische Redaktion die Tatsache, dass πίµπληµι absolutes lukanisches Vorzugswort ist34 und dessen Verbindung mit dem Heiligen Geist im Neuen Testament nur bei Lukas belegt ist, es sich also um eine typische lukanische Formulierung handelt.35 In jedem Fall ist anzunehmen, dass mit dieser einzigartigen Verknüpfung angedeutet werden soll, dass Johannes zum Propheten berufen wird36 und dass für diese Berufung seine Geisterfüllung das Ausschlaggebende ist.37 „Grundlage seiner prophetischen Gabe ist der Heilige Geist“.38 Johannes ist nach Lukas in der
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Z.B. Josef (Gen 41,38f.), Mose (Num 11,17.25), diverse Richter (Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25; 14,6.19; 15,14), Saul (1. Sam 10,6.10; 11,6), David (1. Sam 16,13), Daniel (Dan 5,11.14). S. dazu auch II.2.1.2. 31 Vgl. TURNER, Power, S. 151. 32 S. dazu auch I.3.4.3; II.1.1.3. 33 Zu der Quellenfrage der lukanischen Vorgeschichte s. die Einleitung zu I.1. 34 Von 24 Belegen im Neuen Testament finden sich 22 im lukanischen Doppelwerk. 35 Vgl. JEREMIAS, Sprache, S. 35f.; BOVON, Lukas 1, S. 57; BÖHLEMANN, Jesus und der Täufer, S. 16. 36 Die ausdrückliche Berufung des Johannes zur Ausführung seines Auftrages wird dann in Lk 3,2b geschildert. S. dazu I.1.1.2. 37 „Here the Spirit is depicted as the impetus of John’s prophetic ministry“ (MENZIES, Pneumatology, 118). 38 ERLEMANN, Unfassbar, S. 65.
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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Tradition der Propheten des Gottesvolkes Israel vom Geist erfüllt39, seine bereits vor der Geburt verliehene Geistesgabe hebt ihn jedoch gleichzeitig aus der Reihe der Propheten heraus40 und deutet an, dass er und sein prophetisches Amt außergewöhnlich sein werden.41 In V.15 steht diese mit Hilfe der Geisterfüllung ausgedrückte Berufung des Johannes zum Propheten in einer Reihe (καί) mit den zwei oben genannten Aussagen über die besondere Beziehung des Johannes zu Gott. Durch diese Parallelisierung der Teile in V.15 wird der Gabe des Heiligen Geistes, die Johannes prägt und ihm das Prophetenamt zuweist, ebenfalls eine Bedeutung in Bezug auf seinen Status vor Gott zugeschrieben. Demnach wird Johannes durch den Heiligen Geist in einem besonderen Verhältnis zu Gott stehen und gleichzeitig wird seine Geistbegabung dieses ausweisen. Die Verheißung des Engels Gabriel über Johannes wird in den Vv.16f. noch weitergeführt. Während V.15 die Eigenschaften des Johannes und seine Beziehung zu Gott beschreibt, legen nun die Vv.16f. den konkreten prophetischen Auftrag des Johannes dar. Sowohl in V.16 als auch in V.17 wird Johannesʼ Aufgabe mit dem Wort ἐπιστρέφω („hinwenden“) benannt, das den Umkehrruf des Johannes beschreibt (vgl. Lk 3,3). Darüber hinaus setzen V.16 und V.17 jeweils eigene Akzente. So gibt V.16 an, wohin sich die Umkehr richten soll: ἐπὶ κύριον τὸν θεὸν αὐτῶν („zu dem Herrn, ihrem Gott“). Auch das Objekt dieses Umkehrrufes des Johannes wird in V.16 mit πολλοὺς τῶν υἱῶν Ἰσραήλ („viele der Söhne Israels“) erwähnt. Der im Umkehrruf bestehende Auftrag des Johannes ist demnach explizit an Israel42 gerichtet.43 Diese Sendung des Johannes an sein Volk wird bestätigt in V.17, wo der Umkehrruf noch einmal präzisiert wird mit ἐπιστρέψαι καρδίας πατέρων ἐπὶ τέκνα καὶ ἀπειθεῖς ἐν φρονήσει δικαίων. Diese Wendung nimmt die an das Volk Israel ergangenen Verheißungen auf, die von der Wiederkunft 39
Vgl. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 118. Nach Jesu Zeugnis über den Täufer ist Johannes daher auch „mehr als ein Prophet“ (περισσότερον προφήτου) (Lk 7,26), der in Lk 7,27 mit dem in Mal 3,1 / Ex 23,20 angekündigten, dem Kommen Gottes vorausgehenden Boten identifiziert wird. 41 Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 46; GRUNDMANN, Lukas, S. 51; WOLTER, Lukasevangelium, S. 79; MÜLLER, Johannes, S. 135. 42 Gleichzeitig wird betont, dass es Johannes lediglich gelingen wird, „viele der Söhne Israels“ zur Umkehr zu bewegen, nicht alle. Von hier aus erschließt sich, warum in V.14 bereits von der Freude „vieler“ über Johannes die Rede war: Die vielen, die Johannes’ Umkehrruf folgen, können sich auf das Heil Gottes freuen, jedoch nicht die „Gesamtheit des Gottesvolkes“, wie anders WIEFEL, Lukas, S. 47 meint. Bereits hier wird auf ein mögliches Scheitern des Heilshandeln Gottes an einem Teil Israels hingewiesen. Vgl. WASSERBERG, Aus Israels Mitte, 127; KLEIN, Lukasevangelium, S. 89. 43 An dieser Stelle kommt ein Stück weit auch die oben genannte starke Betonung des priesterlichen Hintergrunds des Johannes zum Tragen, denn (versöhnende) Zusammenführung des Volkes mit Gott ist ein priesterlicher Dienst. Vgl. GRUNDMANN, Lukas, S. 51. 40
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
des Elia und seinen Aufgaben handeln (Mal 3,23f.; Sir 48,10). Mit Johannes’ Ruf zur Umkehr werden demnach diese Verheißungen Israels erfüllt werden, weil Johannes damit die Aufgaben Elias übernimmt. Auf die Tatsache, dass sich in Johannes die Erfüllung von Verheißungen ereignet, wird hinzukommend dadurch hingewiesen, dass nach V.17 zum einen Johannes vor Gott44 hergehen soll und zum anderen der Zweck der Aufgabe des Johannes darin besteht, dass er dem Herrn ein vorbereitetes Volk (λαὸς κατεσκευασµένος) zurichten soll. Diese Beschreibungen verweisen auf weitere Heilsverheißungen Israels aus Mal 3,1 und Jes 40,3, die von einem Boten Gottes handeln, der dem Kommen Gottes den Weg bereitet. Auch die in diesen Verheißungstexten genannten Aufgaben werden nun von Johannes ausgeführt: Er wird dem eschatologischen Heilshandeln Gottes den Weg bereiten, denn dazu ist er dem Volk Israel gesandt. Damit wird Johannes „mitten in einen heilsgeschichtlichen Rahmen hineingestellt und ihm die Rolle, die ihm innerhalb des Heilsplans Gottes zufällt, gewiesen.“45 Hier zeigt sich, worin seine heilsgeschichtliche Größe bestehen wird (vgl. V.15). Es bestätigt sich dabei, dass die Aufgabe des Johannes eine prophetische sein wird46, die als Besonderheit die Vorbereitung Israels auf das unmittelbar bevorstehende eschatologische Kommen Gottes aufweist.47 In Bezug auf diesen Auftrag des Johannes an Israel wird in V.17 ein zweites Mal der Geist genannt, denn nach der hier getroffenen Aussage wird Johannes seine Aufgabe wahrnehmen ἐν πνεύµατι καὶ δυνάµει Ἠλίου. In dieser Wendung zeigt zunächst die Verbindung von πνεῦµα und δύναµις, die als Hendiadyoin zu verstehen ist, dass der Geist an dieser Stelle als Kraft-
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Das Pronomen αὐτοῦ in V.17a bezieht sich auf κύριος ὁ θεός in V.16b. Johannes wird also das Volk zu Gott, dem Herrn, hinwenden und vor diesem hergehen. An dieser Stelle ist die Zuordnung des Titels κύριος zu Gott durch die Zusammenstellung mit ὁ θεός eindeutig. Innerhalb der Geburtsankündigung des Johannes finden sich in V.15a und V.17d weitere Erwähnungen des κύριος-Titels, bei denen zunächst nicht (durch einen Zusatz o. Ä.) deutlich erkennbar ist, ob sie sich auf Gott oder Christus beziehen. V.17d gehört jedoch inhaltlich zu dem in den Vv.16–17 beschriebenen Auftrag des Johannes und gibt seine bereits in den Vv.16b.17a genannte Aufgabe in anderen Worten wieder, so dass auch an dieser Stelle mit κύριος Gott bezeichnet sein muss. Da es somit in diesem Text keinen Bezug des κύριος-Titels zu Jesus Christus gibt, ist auch die Verwendung von κύριος in V.15a als Titel Gottes anzusehen. Nach dieser lukanischen Darstellung wird Johannes in Lk 1,13–17 als Vorläufer Gottes angekündigt. Dass Gott in Jesus kommt und Johannes damit zum Vorläufer Jesu wird, wird dann erst in den anschließenden Texten zu Johannes dem Täufer – auch anhand des κύριος-Titels – deutlich, wie im Folgenden noch gezeigt werden wird. 45 VON BAER, Der Heilige Geist, S. 46. 46 Vgl. BOVON, Lukas 1, S. 56f. 47 Vgl. SCHMITHALS, Lukas, S. 24.
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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phänomen48 aufgefasst werden soll.49 Ist der Heilige Geist aber ein Kraftphänomen, so kann implizit auch die Wirkung des Geistes als eine angesehen werden, die denjenigen, der vom Geist ergriffen wird, stark und kräftig macht.50 Außerdem ist zu fragen, warum dieser Geist mit dem Genitivattribut Ἠλίου51 versehen ist, und ob dieser „Geist Elias“ den Heiligen Geist meint oder nicht. Zur Klärung dieser Fragen sind folgende Überlegungen aufschlussreich: In 2. Kön 2 wird im Rahmen der Entrückung des Elia in den Vv.9.15 beschrieben, dass der Geist Elias auf Elisa kommt, um so die Nachfolge des Elia durch Elisa zu regeln.52 Das ,Amt‘, das von Elia auf Elisa übertragen wird, ist das ,Prophetenamt‘. Der Geist war für Elia die Begabung, die ihn zur Ausübung seiner prophetischen Aufgabe befähigte53, deshalb ging sie im Rahmen der Nachfolgeregelung auf Elisa über. In Lk 1,17 wird nun Johannes zugeschrieben, in diesem dessen ,Prophetenamt‘ ausmachenden Geist Elias zu wandeln. Bereits V.15 enthielt Aussagen, nach denen Johannes durch seine Erfüllung mit dem Heiligen Geist vom Mutterleib an zum Propheten berufen wird. Wie schon die Ausführung in V.15, so weist folglich auch das Wandeln des Johannes im Geist Elias (V.17) auf Johannes’ Prophetendasein hin. Das Genitivattribut des Geistes, das diesen Geist dem Elia zuschreibt, stellt dabei klar, dass Johannes nicht einfach irgendein Prophet ist, sondern in der Nachfolge des Propheten Elia steht. Dies bedeutet nicht, dass Johannes an dieser Stelle eindeutig mit dem kommenden Elia identifiziert wird 54, sondern vor allem, dass Johannes mit demselben Geist wie Elia prophetisch ausgestat-
48 FITZMYER, Luke 1, S. 319f.326f. sieht mit Geist und Kraft Elias zwei unterschiedliche Dinge bezeichnet, wobei die Kraft sich seinen Ausführungen zufolge in den Wundern Elias zeigt; allerdings ergibt sich bei dieser Unterscheidung der Kraft vom Geist für Fitzmyer selbst das Problem, dass im Lukas-Evangelium nie davon die Rede ist, dass Johannes in der Kraft Elias Wunder tut. 49 Eine Zusammenstellung von πνεῦµα und δύναµις findet sich im lukanischen Doppelwerk an weiteren Stellen (Lk 1,35; 24,49 par. Apg 1,5.8; 10,38). Inwiefern sich diese Begriffe gegenseitig interpretieren und was es bedeutet, dass der Heilige Geist somit als Kraft oder Macht zu verstehen ist, wird ausführlich behandelt in II.1.2.1. 50 Zum Zusammenhang von der Wesensvorstellung des Geistes als Kraft und der ermächtigenden Geist-Wirkweise s. II.1.3. 51 Da πνεῦµα und δύναµις ein Hendiadyoin bilden, bezieht sich der Genitiv Ἠλίου auf beide Begriffe bzw. auf das durch beide Ausgedrückte. 52 Vgl. die Aufnahme dieses Motivs in Sir 48,12. 53 Vgl. FRITZ, Könige, S. 13. 54 Vgl. MÜLLER, Prophet, S. 104; GRUNDMANN, Lukas, S. 51; NEBE, Prophetische Züge, S. 61. Anders jedoch FITZMYER, Luke 1, S. 320, der aber in Kauf nimmt, diese Identifizierung des Johannes mit Elia gegen die sonstige Tendenz im Lukas-Evangelium zu stellen.
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tet ist.55 Denn Lukas vermeidet ansonsten eine solche Gleichsetzung, indem er Mk 9,9–13 par. Mt 17,1–13 übergeht. Auch zu Mt 11,14 weist Lukas keine Parallele auf. Dazu passt, dass sich mit Johannes gleich zwei Verheißungen Israels erfüllen sollen. Hierbei handelt es sich zum einen um die Verheißung des wiederkommenden Elia und zum anderen um diejenige des Gottes Kommen vorangehenden anonymen Boten.56 Daher bedeutet dieser Hinweis des Wirkens des Johannes im Geist und in der Kraft Elias, dass Johannes seine Aufgabe, die in der Vorbereitung des Volkes Israel auf den Herrn besteht, nur in Anlehnung an das ,Prophetenamt‘ des Elia wahrnehmen wird.57 Der Geist ist nach diesen Ausführungen als die Johannes prägende Macht konstitutiv und die entscheidende ,Ausrüstung‘ dafür, dass Johannes seinen Auftrag zum Umkehrruf wahrnehmen kann. Dass es sich bei dem Geist Elias für Lukas um den Heiligen Geist handelt, kann darüber hinaus deutlich gemacht werden, wenn man die Vv.15bf. und V.17 nebeneinanderstellt58, denn hier wird dieselbe Aussage praktisch in zwei verschiedenen Variationen geboten: Der Heilige Geist ist Johannes zur Wahrnehmung seiner prophetischen Aufgabe gegeben und diese Aufgabe besteht im Umkehrruf an sein Volk. Innerhalb dieser Variation ist deshalb auch zweimal von demselben Heiligen Geist59 die Rede; dieser verweist in V.17 durch den Bezug auf Elia auf die konkrete prophetische Aufgabe des Johannes. Da sich in diesem Sinne die Erwähnung des das Wirken des Johannes bestimmenden Geistes Elias an die im Lukas-Evangelium zu beobachtende Relativierung der Identifikation des Johannes mit Elia einfügt und außerdem an die lukanische Erwähnung des Heiligen Geistes in V.15 anschließt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Formulierung ἐν πνεύµατι καὶ δυνάµει Ἠλίου auf Lukas selbst zurückgeht.60
55 Vgl. RADL, Lukas 1, S. 49. „Wo das Eliamotiv in der Beschreibung des Täufers, wenn auch durch die Tradition vermittelt, aufgenommen wird, ist es der Zeichnung des Johannes als Propheten dienstbar gemacht“ (ÖHLER, Elia, S. 89). 56 Vgl. auch RINDOŠ, John, S. 194f. 57 „Für Lukas ist Johannes […] ein Prophet wie Elija, aber nicht Elija selbst“ (MÜLLER, Johannes, S. 136). 58 Vv.15bf. καὶ πνεύµατος ἁγίου πλησθήσεται ἔτι ἐκ κοιλίας µητρὸς αὐτοῦ, καὶ πολλοὺς τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ ἐπιστρέψει ἐπὶ κύριον τὸν θεὸν αὐτῶν. V.17 καὶ αὐτὸς προελεύσεται ἐνώπιον αὐτοῦ ἐν πνεύµατι καὶ δυνάµει Ἠλίου, ἐπιστρέψαι καρδίας πατέρων ἐπὶ τέκνα καὶ ἀπειθεῖς ἐν φρονήσει δικαίων, ἑτοιµάσαι κυρίῳ λαὸν κατεσκευασµένον. 59 Dabei ist allerdings auffällig, dass nur bei der Auftragsbeschreibung des Johannes in V.17 πνεῦµα und δύναµις in der Weise parallelisiert werden, dass der Geist als Kraftphänomen beschrieben und damit auch der kräftigende Aspekt des Geistes betont wird. Dies ist bei der bloßen Wesensbeschreibung des Johannes in V.15 noch nicht der Fall. 60 Vgl. RADL, Ursprung, S. 99.
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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Die zweite Stelle, an der der Geist in Bezug auf Johannes genannt wird, ist Lk 1,80. Dieser Vers folgt auf den Bericht über die Geburt des Johannes, nach der zunächst die Wahl des Namens Johannes61 bei allen, die davon hörten, zu intensiven Diskussionen und Vermutungen über die Bedeutung des Kindes führte (Vv.57–66), sowie den daran anschließenden weissagenden Lobpreis des nun nicht mehr stummen Vaters Zacharias (Vv.67–79).62 Abgeschlossen wird diese Geburts- und Kindheitsgeschichte des Johannes mit der hier relevanten summarischen Notiz in V.80, dass Johannes heranwuchs, durch den Geist erstarkte und bis zur Ausführung seines Israel betreffenden Auftrags (ἀνάδειξις πρὸς τὸν Ἰσραήλ) in der Wüste blieb.63 Dieser Vers macht klar, dass Johannes zunächst heranwachsen und in der Wüste verweilen musste, bis er seinem Auftrag nachkommen konnte. Der konkrete Auftrag des Johannes wurde bereits in den Ausführungen zu Lk 1,15–17 dargestellt. Kurz vor Lk 1,80 wird dieser Auftrag auch innerhalb des Lobgesangs des Zacharias noch einmal zusammengefasst: „Und du aber, Kind, wirst Prophet des Höchsten genannt werden; denn du wirst vor dem Herrn hergehen, um seine Wege zu bereiten, um seinem Volk Kenntnis der Rettung zu geben in der Vergebung ihrer Sünden“ (Lk 1,76f.). In diesen Versen sind wie in Lk 1,15–17 ebenfalls die Stichworte Vorangehen64 vor dem Herrn65, ἐτοιµάζειν („bereiten“) und λαός („Volk“) zu finden. Hinzu kommt, dass hier das erste Mal im Blick auf Johannes die Bezeichnung „Prophet“ genannt ist, wobei an dieser Stelle als Besonderheit die einmalige lukanische Diktion 61
Die Bedeutung des Namens („Gott ist gnädig“) weist auf die Aufgabe des Johannes hin, der Barmherzigkeit Gottes den Weg zu bereiten (vgl. besonders Vv.76–78). Der Name war bereits bei der Ankündigung seiner Geburt an den Vater Zacharias von Gott festgelegt worden (Lk 1,13). 62 Zu diesem Benediktus des Zacharias s. I.1.2.1. 63 Mit einer ähnlichen summarischen Notiz wird in Lk 2,40 die Geburtsgeschichte Jesu abgeschlossen, in Lk 2,52 kommt dann die Kindheit Jesu summarisch zu Ende. Im ursprünglichen Text von Lk 2,40 findet sich kein Verweis auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für das Heranwachsen Jesu. Spätere Abschreiber haben diesen – wohl in Analogie (besonders ἐκραταιοῦτο) zu dieser Notiz über Johannes – eingetragen. Zur Begründung, warum dieser Eintrag sich jedoch schwerlich in die Bedeutung des Heiligen Geistes, die Lukas ihm für Jesus zuweist, einfügen lässt, s. I.2.1.1. 64 V.17 προέρχοµαι; V.76 προπορεύοµαι. 65 Die Ausführungen zeigen, dass in den Vv.76f. inhaltlich Lk 1,15–17 aufgenommen wird. Von dort aus wird auch die Bedeutung des in V.76 verwendeten Titels κύριος als Bezeichnung Gottes (vgl. V.16b) bestimmt. Vgl. SCHNEIDER, Gott und Christus, 219. Allerdings ist in Lk 1,43 Jesus bereits das erste Mal im Lukas-Evangelium mit dem κύριος-Titel benannt worden, weil Johannes in anfänglicher Wahrnehmung seiner Aufgabe seine Mutter Elisabeth auf diesen Heilsbringer aufmerksam gemacht hat, so dass der Leser vor den Ausführungen in Lk 1,76 schon darauf hingewiesen wurde, dass Gott als κύριος in Jesus kommen und Johannes diesem Kommen den Weg bereiten wird. Vgl. auch FITZMYER, Luke 1, S. 385f.
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„Prophet des Höchsten“ (προφήτης ὑψίστου) gebraucht wird.66 Auf diese Weise wird nun explizit, was zuvor in den Vv.15–17 nur implizit enthalten war und daher bislang lediglich erschlossen werden konnte: Johannes wird ein Prophet sein. Außerdem wird in V.77 die zur Umkehr rufende Tätigkeit des Johannes, mit der er dem Herrn den Weg bereiten wird, näher entfaltet: Er wird dem Volk Erkenntnis des Heils geben, das in der Vergebung der Sünden besteht.67 Durch das zur Umkehr rufende Wirken des Johannes wird das Volk demnach auf den Weg hin zur Sündenvergebung gebracht, so dass es das kommende Heil erkennen kann. D.h., dass Johannes durch sein Handeln das Wissen vermittelt, dass Gott jetzt (in Jesus Christus) das Heil der Sündenvergebung anbietet.68 Es fällt aber auf, dass innerhalb dieser Auftragsbeschreibung in den Vv.76f. im Gegensatz zu den Vv.15.17 von der für seine Aufgabe konstitutiven Begabung des Johannes mit dem Geist keine Rede ist. Allerdings wird wenige Verse später in V.80 in Form einer summarischen Wachstumsnotiz69 deutlich gemacht, dass Johannes zur (vollständigen)70 Ausführung seines Auftrags erst heranwachsen musste. In diesem Zusammenhang des Heranwachsens berichtet Lukas, dass Johannes durch71 den Geist erstarkte (ἐκραταιοῦτο πνεύµατι). Für diese Wendung des Erstarkens durch den Geist gibt es im lukanischen Doppelwerk keine Parallelen, weshalb ihre Bedeutung vom Kontext her erschlossen werden muss. Seit Lk 1,15–17 ist klar, dass Johannes zur Ausführung seines Auftrags vom Mutterleib an mit dem Heiligen Geist begabt worden ist. Zudem wurde bereits darauf hingewiesen, 66 Die Bezeichnung „Prophet“ für Johannes ist auch sonst in den Evangelien bezeugt: In Mk 11,32 parr. Mt 21,26; Lk 20,6 sowie Mt 14,5 als Meinung des Volkes, in Joh 1,21.25 als Anfrage abgesandter Priester, Leviten und Pharisäer; in Mt 11,9 par. Lk 7,26 wird er von Jesus sogar als „mehr als ein Prophet“ tituliert. Der Titel „Prophet des Höchsten“ tritt allerdings nur in Lk 1,76 auf. Da das Gottesepitheton ὕψιστος typisch lukanisch ist (S. dazu I.2.1.1), ist zu vermuten, dass die Benennung des Johannes als προφήτης ὑψίστου auf Lukas zurückgeht. Wie sich bei der Untersuchung der Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesus (insbesondere Lk 1,32–35) zeigen wird, dient diese Bezeichnung des Johannes dem Autor des lukanischen Doppelwerks dazu, Johannes zu Jesus, dem „Sohn des Höchsten“, ins Verhältnis zu setzen. 67 Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 62. 68 Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 91. 69 Derartige Wachstumsnotizen finden sich sowohl im Alten Testament (Gen 21,8.20.; 25,27; Ri 13,24; 1. Sam 2,21.26; 3,19; 2. Kön 4,18) als auch in griechisch-römischer Literatur (Sall. bell. Iug. 6,1,1; Cic. rep. 2,4; Liv. 1,4,8,2; Plu. Rom. 6,2), stellen folglich in den Traditionen, auf die hin Lukas mit seinem Doppelwerk ausgerichtet ist, einen üblichen Topos in der Beschreibung herausragender Personen dar. 70 Zur durch Johannes erfolgenden anfänglichen Wahrnehmung seiner Aufgabe s. I.1.2.1. 71 Zur instrumentalen Bedeutung des eigentlichen Dativs (ohne Präposition) vgl. B/D/R § 195.
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dass das Hendiadyoin πνεῦµα und δύναµις in Lk 1,17 anzeigt, dass der Heilige Geist hier als Kraftphänomen zu verstehen ist, das auch eine kräftigende Wirkung des dem Johannes gegebenen Geistes impliziert. Dieser Zusammenhang wird in Lk 1,80 weitergeführt: Wenn davon die Rede ist, dass Johannes durch den Geist erstarkt, dann kann das in dem genannten Kontext nur bedeuten, dass Johannes durch seine Geisterfüllung immer stärker und immer mehr ermächtigt wurde, (um) seine Aufgabe zu erfüllen.72 Es ist außerdem zu beachten, dass das Starkwerden durch den Geist in V.80 als einzige Erläuterung in Bezug auf die Aussagen zum Heranwachsen des Johannes und seiner Vorbereitungszeit in der Wüste genannt wird. Dies verdeutlicht, dass dem Geist nach Lukas gewissermaßen als ,Ausrüstung‘ des Johannes für dessen Aufgabe als Wegbereiter des Herrn eine zentrale Funktion zukommt. 1.1.2 Johannes’ heilsgeschichtlicher Rang (Lk 3,16) Ein weiteres Mal spielt der Heilige Geist eine Rolle, während Johannes seinen an Israel gerichteten Auftrag ausführt. Dabei wird deutlich, welchen heilsgeschichtlichen Rang Johannes einnimmt. Die entsprechende Perikope Lk 3,1–20 folgt im Lukas-Evangelium direkt auf den Abschluss der Geburtsund Kindheitsgeschichte Jesu. Mit Lk 3,1–2a bietet Lukas zu Beginn eine neue zeitliche Verortung des Geschehens in jüdischer und römischer Zeitgeschichte (Synchronismus73), so dass die Erzählung deutlich neu einsetzt. Johannes ist jetzt offensichtlich ausreichend herangewachsen und die Zeit ist gekommen, dass er seinen Auftrag ausführen kann. Denn das Wort Gottes geschieht über Johannes in der Wüste74 (V.2b). Die Formulierung ἐγένετο ῥῆµα θεοῦ ἐπὶ Ἰωάννην lehnt sich an den Anfang alttestamentlicher Prophetenbücher an.75 Dabei wird die sogenannte Wortereignisformel aufgegriffen (vgl. 2. Kön 7,4 LXX; 3. Kön 12,22 LXX; Mi 1,1; Jon 1,1; Jes 38,4; Ez 1,3; Jer 1,4), wobei allerdings das Wort Gottes nicht zu (πρός), sondern über (ἐπί) Johannes geschieht.76 Hier schildert Lukas die eigentliche Beru-
72 An den menschlichen Geist des Johannes denken, ohne eine Begründung dafür anzugeben, anders WIEFEL, Lukas, S. 65; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 94; GRUNDMANN, Lukas, S. 74; RADL, Lukas 1, S. 101. 73 Bei Lk 3,1–2a handelt es sich bereits um den dritten Synchronismus im LukasEvangelium, da in Lk 1,5 eine zeitliche Verortung in jüdischer und in Lk 2,1f. eine in römischer Zeitgeschichte erfolgte. Beide damit aufgezeigten Kontexte des Geschehens werden somit am Anfang von Lk 3 zusammengeführt. 74 Dieser Hinweis auf den Aufenthaltsort des Johannes schließt an Lk 1,80 an und dient der Verknüpfung der einzelnen Johannes-Perikopen. 75 Vgl. BOVON, Lukas 1, S. 169. 76 Diese Formulierung findet sich nur in Jer 1,1 und (mit Dativ) in 1. Chr 22,8.
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fung des Johannes77, wohingegen zuvor in Lk 1,15–17.76f. die berufende Auftragsverkündigung zunächst in verheißender Form erfolgte. Nach dieser Einleitung der Perikope in den Vv.1–2 folgt in den Vv.3–6 eine explizite Deutung des Auftretens des Täufers Johannes: In ihm erfüllt sich die aus Jes 40,3–5 stammende Verheißung des Wegbereiters des Herrn. Diese Aufgabe des Johannes war bereits in Lk 1,15–17 und Lk 1,76f. angekündigt worden (vgl. besonders das an diesen Stellen wiederkehrende ἐτοιµάζειν). Konkret führt Johannes seinen Auftrag aus, indem er in der Gegend des Jordans die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden predigt (κηρύσσων βάπτισµα µετανοίας εἰς ἄφεσιν ἁµαρτιῶν). Es ist zu beachten, dass an dieser Stelle zum ersten Mal in den im Lukas-Evangelium enthaltenen Ausführungen zur Aufgabe des Johannes – unter Aufnahme von Mk 1,4 – von der Taufe als zentralem Element seines Wirkens die Rede ist, denn in Lk 1,15– 17.76f. ist seine Tauftätigkeit noch nicht erwähnt worden. In Lk 3,7–18 wird anschließend in mehreren Abschnitten geschildert, wie Johannes im Einzelnen gewirkt und verkündigt hat. So wird zunächst in den Vv.7–9 seine Bußpredigt sowie in den Vv.10–14 seine Standespredigt ausgeführt, bevor in den Vv.15–17 die Ankündigung des Messias folgt und V.18 Johannesʼ weitere Wirksamkeit summarisch berichtet. Abgeschlossen wird die Perikope in den Vv.19f. mit der Notiz über die Gefangennahme des Johannes durch Herodes (sc. Antipas). Im Rahmen dieser geschilderten Wirksamkeit Johannesʼ des Täufers wird der Heilige Geist nicht in Bezug auf seine eigene Rolle als prophetischer Wegbereiter des Kommens des Herrn genannt, wie dies an den zuvor behandelten Stellen Lk 1,15.17.80 der Fall war. In Lk 3,15–17 wird der Heilige Geist vielmehr zu einem wesentlichen Kriterium innerhalb von Johannesʼ Christusankündigung und damit für die Bestimmung von Johannes’ heilsgeschichtlicher Funktion im Verhältnis zu eben diesem Christus relevant. Dieser Teilabschnitt beginnt in V.15 mit der wohl durch die vorhandene Messiaserwartung (προσδοκῶντος δὲ τοῦ λαοῦ) sowie die vorangehende Bußund Standespredigt des Johannes ausgelöste und die Herzen bewegende Frage des Volkes über Johannes: µήποτε αὐτὸς εἴη ὁ Χριστός („Ob er etwa der Christus sei“). Das Volk, das die Verkündigung des Täufers Johannes hört, überlegt demnach, ob es sich bei Johannes um den erwarteten Messias bzw. Christus handelt, der dem Volk Heil bringen soll. Dieser Anfrage begegnet Johannes mit folgender Antwort: „Ich taufe euch zwar mit Wasser; es kommt aber der Stärkere als ich, dessen Sandalenriemen zu lösen ich nicht würdig bin; er wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen. Dessen Worfschaufel ist in seiner Hand, seinen Ausdrusch zu säubern und den Weizen in seinen 77 „Luke depicts his activity as the result of a ,callʻ from God“ (FITZMYER, Luke 1, S. 458). Es ist hervorzuheben, dass Lukas der einzige ist, der in dieser Weise von der Berufung des Johannes berichtet. Vgl. auch VON BAER, Der Heilige Geist, S. 49.
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Speicher zu sammeln, aber die Spreu wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer“ (Vv.16–17). Die Frage nach seinem Christus-Sein wird von Johannes damit nicht direkt beantwortet, sondern stattdessen verweist er darauf, dass nach ihm noch einer kommt, den er mit dem Attribut ὁ ἰσχυρότερος („der Stärkere“) betitelt. Dieser Stärkere wird über ihm stehen, da Johannes nicht würdig ist, ihm den niedrigsten Sklavendienst zu erweisen und seine Sandalenriemen zu lösen.78 Für das Stärker-Sein dieses (nach Johannes) Kommenden ist laut V.16 der Heilige Geist entscheidend. Denn der Unterschied zwischen Johannes und dem Stärkeren besteht in der Verschiedenartigkeit der von ihnen vermittelten Taufe, d.h. er besteht darin, dass Johannes die Angeredeten zwar mit Wasser tauft (ἐγὼ µὲν ὕδατι βαπτίζω ὑµᾶς), der Stärkere aber mit Heiligem Geist und Feuer taufen wird (αὐτὸς ὑµᾶς βαπτίσει ἐν πνεύµατι ἁγίῳ καὶ πυρί). Wie bereits gezeigt wurde, ist die Taufe des Johannes nach V.3 die Erfüllung seines oben genannten Auftrags, dem Herrn voranzugehen und das Volk durch seinen Umkehrruf vorzubereiten. Dass es sich dabei um eine Taufe mit Wasser handelt, wird hier das erste Mal erwähnt.79 Die in V.16 genannte Wassertaufe ist somit die von Johannes verkündigte und vermittelte Taufe der Umkehr, die auf den Weg zur Vergebung der Sünden führt. Sie entspricht der Rolle des Johannes, als Wegbereiter das Volk auf den Herrn vorzubereiten. Da der Auftrag des Johannes vom Geist bewirkt ist, ist der Geist für diese Wassertaufe des Johannes indirekt von Bedeutung. Dieser Wassertaufe des Johannes wird von Lukas die Geist- und Feuertaufe des Stärkeren gegenübergestellt (V.16). Diese Taufe ist von dem direkt anschließenden V.17 her zu interpretieren80, in dem mithilfe der Metapher des Erntevorgangs, bei dem der Weizen gesammelt und die Spreu verbrannt wird, die Endereignisse beschrieben werden.81 Dabei wird der Vollzug des endzeitlichen Gerichts diesem Stärkeren, von dem Johannes spricht, zugewiesen, denn dieser hält in dem Bild die Worfschaufel in der Hand, so dass sich an ihm Heils- und Unheilsergehen entscheidet. Der Bezug dieser scheidenden Funktion des Stärkeren zu seiner Geist- und Feuertaufe ergibt sich aus der Nennung des die Spreu vernichtenden Feuers im beschriebenen Erntevor78
Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 171. Auch wird an dieser Stelle zum ersten Mal die Jordangegend als das Wirkungsgebiet des Johannes genannt. 80 Im Unterschied zu Markus schreiben sowohl Lukas als auch Matthäus dem Stärkeren nicht nur die Geisttaufe, sondern auch die Feuertaufe zu und verknüpfen mit der Ankündigung des Stärkeren das die scheidende Wirkung anzeigende Erntebild. Beides stammt daher vermutlich aus der Logienquelle Q und ihre Verknüpfung nicht erst von Matthäus und Lukas. 81 Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 177; BOVON, Lukas 1, S. 177; WOLTER, Lukasevangelium, S. 165; zu einer detaillierten Analyse der mit der Struktur gegebenen Zusammenhänge vgl. WILK, Jesus und die Völker, S. 182f. 79
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
gang. Dies bedeutet, dass die Ausgeschiedenen mit dem verbrennenden Feuer82 das Gericht treffen wird. Dieses Gericht und Unheil wird demnach durch die Feuertaufe erfolgen (vgl. V.16 mit V.17).83 Die Taufe mit dem Heiligen Geist hingegen ist folglich die andere Seite der Scheidung: Sie bringt Heil.84 Der Unterschied zwischen der Wassertaufe des Johannes und der Geistbzw. Feuertaufe des Stärkeren besteht nach diesen Ausführungen darin, dass die Wassertaufe lediglich eine vorbereitende Funktion hat, indem sie das Volk durch Umkehr hin zur Sündenvergebung auf das Kommen des Herrn vorbereitet. Erst in der Taufe des Stärkeren, dessen Starksein an dieser Taufe festzumachen ist, entscheidet sich aber dann die Heils- oder Unheilszugehörigkeit. Diese Rolle des Stärkeren als Geist- und Feuertäufer wird durch die oben genannte Anfrage des Volkes in V.15 mit dem Christus-Titel in Verbindung gebracht.85 Denn die Ausführungen des Johannes zielen darauf, zu erklären, 82
Vgl. auch Lk 3,9. Manche Ausleger meinen, dass es sich bei den die pfingstliche Geistesgabe begleitenden Feuerzungen (Apg 2,3) um einen Rückgriff auf diese Feuertaufe handelt. Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 87; BOVON, Lukas 1, S. 177; WIEFEL, Lukas, S. 92. Dies lässt sich von dieser Gerichts- und Unheilsthematik her allerdings ausschließen, da die Geistbegabten, auf die sich die Feuerzungen am Pfingsttag setzen, eben nicht vom Unheil, sondern im Gegenteil vom Heil betroffen sind. Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 49; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 174f.; RADL, Lukas 1, S. 190. Wie in I.3.1.1 gezeigt wird, handelt es sich bei den Feuerzungen um Theophanie-Elemente, die von Lukas außerordentlich passend gewählt worden sind, weil sie mit der durch den Geist bewirkten Sprachenvielfalt korrespondieren. 84 Da anders als in der in Lk 3,16f. par. Mt 3,11f. gebotenen Q-Version in der MarkusParallele nur von der Geisttaufe, nicht aber von der Feuertaufe des Stärkeren die Rede ist (Mk 1,8), ist in der Forschung viel diskutiert worden, von was für einer Taufe diesbezüglich das ursprüngliche Wort des Täufers gesprochen hat: Enthielt es nur die Geisttaufe, die Geist- und Feuertaufe oder nur die Feuertaufe? Damit verbindet sich schließlich die höchst umstrittene Frage nach der Bedeutung der vom Täufer angekündigten Taufe des Stärkeren. Vgl. zur Diskussion THEISSEN / MERZ, Jesus, S. 190f. Im Hinblick auf die in dieser Arbeit untersuchte lukanische Pneumatologie muss diese Frage nicht eingehend diskutiert werden, da der Autor des lukanischen Doppelwerks – wie dargestellt – in Lk 3,16f. eine eindeutige Interpretation der Geist- und Feuertaufe vom endzeitlichen Gericht her liefert. Lukas bietet gleichwohl in Apg 1,5; 11,16 dann auch das (in entscheidender Weise abgewandelte) Taufwort ohne die Feuertaufe, so dass davon auszugehen ist, dass er auch die in Mk 1,8 überlieferte Version kannte. Die Erörterungen zu Apg 1,5; vgl. 11,16 werden zeigen, dass an diesen Stellen von der das Unheilsergehen im Gericht beschreibenden Feuertaufe keine Rede mehr ist. Im Blick auf die entstehende christliche Gemeinde soll hier ausschließlich dargelegt werden, dass in der von dem erhöhten Christus ausgehenden und an Pfingsten sich initiatorisch ereignenden Geisttaufe Heil an diejenigen ergeht, die sie empfangen. Nur durch die Gabe des Heiligen Geistes werden sie in die Heilsgemeinschaft eingegliedert und gehören auf diese Weise zum Gottesvolk. S. dazu I.2.2.2; I.3.3. 85 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 164. 83
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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dass erst dieser gegenüber ihm Stärkere der Christus sein wird und nicht Johannes selbst. Es ist nach den Vv.16f. dieser Christus, dessen Taufe zu Heil und Unheil führen wird. Mit Blick auf die lukanische Pneumatologie kann man daher andersherum sagen: Es ist das Vermögen, den Heiligen Geist zu vermitteln, an dem sich die Frage entscheidet, wer der Christus und Heilsbringer ist: V.15: µήποτε αὐτὸς εἴη ὁ Χριστός V.16: Johannes: Ἐγὼ µὲν ὕδατι βαπτίζω ὑµᾶς Auftragsausführung (V.3) ὁ ἰσχυρότερός: αὐτὸς ὑµᾶς βαπτίσει ἐν πνεύµατι ἁγίῳ καὶ πυρί scheidende Wirkung (V.17) Dass nach Lukas diese Identifikation des Geisttäufers mit dem Christus-Titel die entscheidende Aussage ist, kann anhand des synoptischen Vergleichs verdeutlicht werden: Der Zusammenhang des Taufwortes mit dem ChristusPrädikat ist weder bei Markus (Mk 1,7–8) noch bei Matthäus (Mt 3,11–12) gegeben; nur in Joh 1,24–28 wird ähnlich wie bei Lukas die Tauftätigkeit mit dem Christus-, Propheten- oder Elia-Prädikat in Verbindung gebracht. Ausschließlich in der lukanischen Szene findet sich allerdings die exklusive Verknüpfung des Christus-Prädikates mit der Geisttaufe schon in der Ankündigung durch Johannes. Diese Darstellung ist demnach eine auffällige Eigenheit des Lukas. Der Grund für diese exklusive Verknüpfung von Christus-Titel und Geisttaufe erschließt sich im Kontext der Bedeutung, die der Heilige Geist nach der Darstellung des Lukas für die Christologie insgesamt hat. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Christus-Titel Jesus deshalb zukommt, weil er der einzigartige Geistträger ist (v.a. Lk 4,18; Apg 10,38).86 Zu der Einzigartigkeit von Jesu Geistträgerschaft gehört allerdings nicht nur die Prägung seines eigenen Seins und Wirkens, sondern auch, dass Jesus den Heiligen Geist anderen vermitteln kann. Im Blick auf die hier verhandelte Frage der Verbindung von Christus-Titel und Geisttaufe in Lk 3,15–17 ist entscheidend, dass es nach lukanischer Darstellung in Apg 2,33 Jesus ist, der im Anschluss an seine Himmelfahrt zum Vermittler und Verwalter des Geistes eingesetzt
86
S. dazu I.2.1.4.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
wird.87 Das bedeutet nichts anderes, als dass Jesus zum Geisttäufer wird, weil von ihm die Taufe mit dem Heiligen Geist ausgehen wird. Nach den zu Lk 3,15–17 bereits erfolgten Erörterungen kommt demjenigen, der mit dem Heiligen Geist taufen wird, der Christus-Titel zu. Deshalb ist Jesus nicht nur aufgrund seiner vom Geist geprägten heilbringenden Wirksamkeit der Christus (Lk 4,18; Apg 10,38), sondern auch, weil er zum Geisttäufer eingesetzt wurde. Damit hat Lukas mithilfe des zweifach auf der Bedeutung des Heiligen Geistes gründenden Christus-Titels das heilbringende Wirken des irdischen geistgeprägten Jesus und das heilschenkende Wirken des auferstandenen Geisttäufers zusammengebunden. Für die in diesem Kapitel behandelte Frage nach der Bedeutung des Heiligen Geistes in Bezug auf Johannes den Täufer wird anhand dieser Differenzierung der Wassertaufe von der Geist- bzw. Feuertaufe deutlich, dass Johannes nicht der erwartete Messias bzw. Christus ist, weil er es eben nicht vermag, den Heiligen Geist und damit das Heil an andere zu vermitteln. Gleichwohl ist auch Johannes zu einer Taufe beauftragt, nämlich der Wassertaufe, die dem Umkehrruf an sein Volk Israel entspricht, das durch ihn auf das kommende Heil vorbereitet wird. Bereits im Blick auf Lk 1,76 konnte das von Johannes vorbereitete Kommen Gottes durch den in Lk 1,43 zur Bezeichnung Jesu verwendeten κύριος-Titel88 erstmalig in der lukanischen Darstellung auf das Kommen Jesu bezogen werden. In der hier behandelten Perikope wird in Lk 3,4 ebenfalls davon gesprochen, dass Johannes dem Herrn (κύριος) den Weg bereiten soll. Die vorigen Überlegungen zum Taufwort mit der Gegenüberstellung der beiden Taufen von Johannes und Jesus haben gezeigt, dass in der von Jesus vermittelten Taufe das Kommen des Heils verwirklicht wird. Daher ist Jesus an dieser Stelle explizit als κύριος89 bezeichnet, dessen Kommen von Johannes angekündigt und auf den durch Johannes’ Wassertaufe vorbereitet wird. Lukas macht durch die Art der Gestaltung der Vorgeschichte, insbesondere durch die ,Verzahnung‘ der beiden Geburts- und Kindheitsgeschichten90 deutlich, dass Johannes und Jesus einander entsprechen, Johannes gleichzeitig jedoch von Jesus überboten wird.91 Im Hinblick auf das aufeinander bezoge87
S. dazu I.2.2.1. Vgl. anschließend ebenso Lk 2,11. 89 Von der genannten eindeutigen Identifikation in Lk 3 an tritt dieser Gebrauch im Lukas-Evangelium regelmäßig auf (Lk 5,8.12; 7,13.19; 10,1; 13,15; 19,8; 24,3 u. ö.), wobei die Bezeichnung κύριος auch weiterhin auf Gott bezogen sein kann (Lk 4,8.12.18f.; 5,17; 10,21 u. ö.). 90 Zur Struktur der Vorgeschichte als Ausweis der überbietenden Parallelität von Jesus und Johannes vgl. DIBELIUS, Johannes, S. 67f.; ERNST, Täufer, S. 113f. 91 Einige wenige Aspekte des von Lukas gebotenen überbietenden Vergleichs seien hier genannt: Die Tatsache, dass Johannes Kind einer ursprünglich unfruchtbaren und schon betagten Frau (Lk 1,7) ist, wird von der Jungfräulichkeit der Mutter Jesu überboten 88
1.1 Johannes der Täufer als Prophet für Israel
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ne, aber auch unterschiedene Wirken92 der beiden Genannten spielt der Geist nach Lk 3,16f. eine bedeutende Rolle: Beide haben durch ihre Geistbegabung eine Aufgabe für das Volk Israel, aber die der Umkehr dienende Wassertaufe des Johannes wird von der Geisttaufe Jesu überragt (Lk 3,16), weil erst sie das Heil schenkt. Johannes ist zwar auch von seiner Geburt an ein außergewöhnlicher Geistbegabter und ihm kommt als diesem eine hervorragende heilsgeschichtliche Bedeutung für das Gottesvolk zu, aber er wird noch von dem einzigartigen Geistträger und -spender Jesus überboten. Diese Überbietung äußert sich u.a. darin, dass Johannes nicht mit dem Geist taufen und somit nicht das Heil bringen kann. Anhand des Geistwirkens zeigt sich demnach, dass Johannes eine wichtige, wenn auch nicht die wichtigste Rolle in der Heilsgeschichte zukommt. Er kann das Heil nicht vermitteln – dies vermag nur der Christus Jesus – aber er kann durch seine Geistbegabung sein Volk auf dieses Heil vorbereiten. Durch den Geist kann Johannes nach der lukanischen Darstellung auf den kommenden Geistträger und -täufer und damit auf den Heilsvermittler hinweisen. Dass die durch den Geist gegebene Aufgabe des Johannes allein in dieser Vorbereitung des Volkes auf das Kommen des Heils besteht, zeigt sich dann auch daran, dass am Ende der geschilderten Perikope Lk 3,1–20, die das Wirken Johannes des Täufers darstellt, von seiner Gefangennahme berichtet wird, die seine zur Umkehr rufende Tätigkeit beendet (V.20)93 und den Weg freimacht für das ab Lk 3,2194 beginnende Auftreten Jesu.95 Ergebnis Die in Lk 1,5–25.80; 3,15–17 beschriebene Bedeutung des Heiligen Geistes für Johannes den Täufer lässt sich so zusammenfassen, dass der Geist die heilsgeschichtliche Rolle des Johannes festsetzt: Zunächst wird in Lk 1,15–17 dargestellt, dass der Heilige Geist dem Johannes – wie keinem anderen zuvor – vom Mutterleib an gegeben ist und ihn insofern von Anfang an als eine ihn bewegende Macht prägt. Durch seine (Lk 1,27). Während Johannes als „groß vor dem Herrn“ dargestellt wird (Lk 1,15), ist Jesus für sich „groß“ (Lk 1,32). Bringt Johannes Freude für viele (Lk 1,14), so Jesus aber Freude für alles Volk (Lk 2,10). Weitere zahlreiche Vergleichspunkte finden sich z.B. bei MÜLLER, Prophet, S. 108–112. 92 Zur ebenfalls am Geist festgemachten Unterscheidung des Wesens von Johannes und Jesus s. I.2.1.1. 93 Nach dieser Darstellung des Lukas ist der Täufer bereits im Gefängnis, wenn Jesus in Lk 3,21f. getauft wird. Damit vermeidet Lukas, explizit auszuführen, dass Jesus von Johannes getauft wurde und sich ihm damit untergeordnet hat (vgl. mit gleicher Intention Mt 3,14f.). 94 In Lk 3,21 tritt Jesus als Erwachsener das erste Mal auf, seine öffentliche Wirksamkeit beginnt gleichwohl erst in Lk 4,14. 95 Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 82.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
Geisterfüllung vom Mutterleib an wird Johannes aus allen anderen Geistbegabten hervorgehoben. Er stellt ihn in ein außergewöhnliches Verhältnis zu Gott. Gleichzeitig hat Johannes den Geist zu einem bestimmten Zweck erhalten, denn durch den Geist kann und wird er seinen speziellen Auftrag als Prophet, vor allem in der Nachfolge des Elia, wahrnehmen. Der ihm von Geburt an gegebene Heilige Geist stärkt ihn für diese Aufgabe und ist für Johannes damit gleichsam die entscheidende ,Ausrüstung‘, mit der er für sein Volk Israel wirken und dem in Jesus bevorstehenden Kommen Gottes den Weg bereiten kann, indem er das Volk zur Umkehr ruft. Deshalb bewirkt der Johannes in besonderer Weise auszeichnende Heilige Geist, dass Johannes von dem Gottesvolk Israel, aus dem er stammt, hinüberweist in eine neue Epoche, die mit Gottes Kommen in Jesus einsetzen wird. Johannes kommt folglich ganz und gar von Israel her, wird aber durch den Heiligen Geist zu einer Art ,liminaler‘ Gestalt. In Lk 1,80 wird an diese Ausführungen anschließend offenbar, dass Johannes erst durch den ihm schon vom Mutterleib an gegebenen Geist erstarken muss, bevor er seinen göttlichen Auftrag an Israel ausführen kann. Dabei wird die ermächtigende Wirkung des Heiligen Geistes für Johannes noch einmal betont. In Lk 3,15–17 wird ferner deutlich, dass der Heilige Geist Johannes’ Rang im Heilsplan Gottes exakt bestimmt. So hat er zwar durch den Geist die Aufgabe der Wegbereitung, er ist aber nicht selbst der erwartete Christus. Denn auch wenn Johannes durch den Geist ausgezeichnet ist und ihm ein besonderer Auftrag zukommt, kann er den Geist nicht vermitteln und somit das Heil nicht selbst bringen. Dies wird durch die Gegenüberstellung der von Johannes und der von dem nach ihm kommenden Stärkeren vermittelten Taufen offengelegt: Sowohl Johannes als auch der Stärkere, den Johannes selbst als Christus identifiziert, taufen, aber nur der Christus tauft mit dem Heiligen Geist und bringt den Getauften somit das Heil. Der Geist und speziell die Fähigkeit, diesen auszuteilen, werden an dieser Stelle also zum Unterscheidungskriterium zwischen Johannes und dem, auf den er – durch seine eigene Geistbegabung beauftragt – hinweisen soll. Da Johannes mittels des Heiligen Geistes seinem Auftrag nachkommt, ist es dieser Geist, der ihn dazu befähigt, auf den Geisttäufer und damit Heilsbringer hinzuweisen und gleichzeitig das Volk durch die Taufe mit Wasser zur Umkehr auf den Weg hin zu diesem Heil zu bringen. Mit Blick auf Israel bedeutet dies, dass diesem Volk durch den Heiligen Geist der Prophet Johannes gegeben ist, der es auf das Kommen Gottes vorbereitet, weil sich seine Heilshoffnungen nun erfüllen sollen. Durch das Wirken des Heiligen Geistes bekommt das Gottesvolk Israel folglich die Chance zur Vorbereitung auf das Heil. Für Lukas ist es der Heilige Geist, der in Johannes dem Täufer für Israel die exklusive Möglichkeit schafft, sich dem Heil zuzuwenden. Deshalb wird Johannes aufgrund seiner Geistbegabung
1.2 Gerechte Repräsentanten Israels
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gleichzeitig zu einer Gestalt an der Grenze, die über die Zeit des Gottesvolkes Israel hinausweist, weil sie durch den geistgewirkten Auftrag den Übergang zur Zeit Jesu und dem in ihm geschenkten Heil schafft und markiert.
1.2 Gerechte Repräsentanten Israels 1.2 Gerechte Repräsentanten Israels
Johannes der Täufer ist nach den Ausführungen des Lukas jedoch nicht der einzige Repräsentant des Gottesvolkes Israel, an dem der Heilige Geist wirksam wird. In den ersten beiden Kapiteln seines Evangeliums erfahren mit Elisabeth, Zacharias und Simeon drei weitere Figuren die Auswirkungen des Geistes Gottes. 1.2.1 Elisabeth und Zacharias (Lk 1,41.67) In Lk 1,41.67 wird davon berichtet, dass die beiden Elternteile des Täufers Johannes, Elisabeth und Zacharias, mit dem Heiligen Geist erfüllt werden (ἐπλήσθη πνεύµατος ἁγίου). Zuvor waren die beiden innerhalb der Einleitung der Perikope über die Ankündigung der Geburt Johannesʼ des Täufers (Lk 1,5–25) dem Leser in Lk 1,5bf. bereits vorgestellt worden: In V.5b wird erwähnt, dass beide aus priesterlichem Geschlecht stammen, Zacharias aus der Ordnung Abias und Elisabeth aus Aarons Geschlecht. Außerdem wird in V.6 betont, dass sie beide δίκαιοι ἐναντίον τοῦ θεοῦ („gerecht vor Gott“) waren, weil sie in Gottes Geboten und Rechtssatzungen wandelten.96 Im Alten Testament bezeichnet das Attribut „gerecht“97 diejenigen frommen Menschen, die Gottes Forderungen und den durch die Mitmenschen gestellten Anforderungen in ihrem Leben und Handeln entsprechen (vgl. Gen 18,24f.; 20,4; 2. Sam 4,11).98 Dieses Entsprechen wird an zahlreichen alttestamentlichen Stellen (vgl. z.B. Lev 26,3f.; Dtn 4,40; 7,11–14; Ez 11,20) mit der Folge eines von Gott bewirkten Wohlergehens verbunden. Indem Lukas dieses Attribut für Elisabeth und Zacharias übernimmt, kennzeichnet er sie als zu diesen frommen Menschen gehörend.99 In Bezug auf diese Gerechtigkeit von Elisabeth und Zacharias wird zudem durch den Zusatz ἐναντίον100 τοῦ θεοῦ „die Beziehung auf Gott hervorgehoben“.101 Der Hinweis bedeutet, dass es Gottes Beurteilung ist, dass die beiden ihr Leben in der von ihm gebotenen 96 In Lk 1,8 wird in ähnlicher Diktion betont, dass Zacharias seinen Priesterdienst „vor Gott“ (ἔναντι τοῦ θεοῦ) tut. 97 ∆ίκαιος ist die in der LXX meistens verwendete Übersetzung des hebräischen qyDic. 98 Vgl. SCHNEIDER, δίκαιος, Sp. 781. 99 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 74. 100 Vgl. zu ἐναντίον in Verbindung mit Gott auch Lk 24,19 und in der Septuaginta Gen 7,1; Ex 15,26; Hi 32,1f; 35,2. 101 SCHRENK, δίκαιος, S. 191.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
gerechten Weise führen.102 Durch diese Beschreibung in V.6 werden Elisabeth und Zacharias demnach von Lukas als zwei fromme Vertreter des Gottesvolkes Israel dargestellt, die der Erwählung Israels entsprechend leben und sich dadurch auszeichnen. Weiterhin ist zu bedenken, dass Gerechtigkeit im Alten Testament „nie bloß ein sittliches Verhalten, sondern von den Anfängen an […] einen Zustand gesunden, unangefochtenen und heilvollen Ergehens“103 meint. Allerdings sind die Gerechten auch gleichzeitig diejenigen, die in besonderer Weise durch unheilvolle Umstände von Gott geprüft werden, was letztlich als der Festigung der Gottesbeziehung dienend angesehen wird.104 So berichtet Lukas davon, dass gerade diese beiden Frommen die von Menschen so betrachtete Schmach der Kinderlosigkeit105 getroffen hatte (Vv.7.25).106 Durch das unverhoffte Geschenk der Geburt des Sohnes Johannes sind sie dann aber – wie schon andere hervorragende Repräsentanten Israels vor ihnen (Sarah und Abraham (Gen 17,15–22; 18,9–15; 21,1–7); Rahel und Jakob (Gen 30,22– 24); Manoach und seine Frau (Ri 13); Hanna und Elkana (1. Sam 1)) – in besonderer Weise von Gott bedacht worden.107 Ebenfalls als Geschenk Gottes empfangen sowohl Elisabeth als auch Zacharias nach Lukas den Heiligen Geist. Eine eingehendere Betrachtung der beiden Perikopen Lk 1,39–45 und Lk 1,67–79 wird zeigen, zu welchem Zweck dies geschieht. Zunächst erhält Elisabeth den Heiligen Geist, als sie während ihrer schon fortgeschrittenen Schwangerschaft (vgl. Lk 1,26.36) auf die ebenfalls schwangere Maria, ihre Verwandte, trifft, die ihr einen Besuch abstattet (Lk 1,39–45).108 Dass Elisabeth109 mit dem Heiligen Geist erfüllt wird, steht 102
Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 14. KOCH, qdc, Sp. 516. 104 Vgl. RINGGREN / JOHNSON, qdc, S. 922. Dieses Moment wird noch weitergeführt im Blick auf den „leidenden Gerechten“, der der Gemeinschaft dient und dessen Leiden versöhnend wirkt (vgl. z.B. Jes 52,13–53,12). 105 Die Darstellung des frommen Verhaltens von Elisabeth und Zacharias verdeutlicht, „daß ihre Kinderlosigkeit infolge der Unfruchtbarkeit der Elisabeth keine Strafe Gottes sein kann“ (GRUNDMANN, Lukas, S. 49). 106 Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 45. 107 Das bedeutet: „Ihre Kinderlosigkeit enthüllt sich als Erwählung“ (WIEFEL, Lukas, S. 47). 108 Die vorliegende Perikope über Marias Besuch bei Elisabeth folgt direkt auf die Geburtsankündigungen des Johannes- und des Jesuskindes. 109 Dass Elisabeth bei der geschilderten Begegnung mit Maria die Hauptrolle spielt, wird bereits dadurch klar, dass die wiederholte Nennung ihres Namens im Stilmittel einer Epipher erscheint: [...] Ἐλισάβετ (V.40) […] Ἐλισάβετ (V.41a) […] Ἐλισάβετ (V.41c). Dadurch rückt Elisabeth in den genannten drei Teilsätzen jeweils an die betonte Stelle des Teilsatzendes, wobei die Klimax der Aussagenreihe in der Geisterfüllung der Elisabeth liegt (V.41c). 103
1.2 Gerechte Repräsentanten Israels
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dabei am Ende einer Art ,Kettenreaktion‘, die in den Vv.40b–41 geschildert wird: Auslöser der Kettenreaktion ist der Gruß der das Jesuskind schon unter dem Herzen tragenden Maria an Elisabeth (V.40b). Dieser Gruß ist der Grund dafür (V.41a), dass das Johanneskind in Elisabeths Mutterleib hüpft (V.41b; vgl. V.44). Dies wiederum hat die Geistbegabung der Elisabeth zur Folge (V.41c).110 Diese Geistbegabung führt dazu, dass Elisabeth einen prophetischen Lobpreis anstimmt (Vv.42–44). In diesem wird zunächst Maria unter den Frauen und sodann die Frucht ihres Leibes als gesegnet gepriesen (V.42b). Daran anschließend stellt Elisabeth eine Frage, die u.a. den Grund dafür angibt, aus dem Elisabeth Maria und ihr Kind gesegnet hat: Sie fragt danach, warum (πόθεν) die Mutter ihres Herrn zu ihr gekommen ist (V.43). Das bedeutet, dass Elisabeth das Kind Marias als ihren Herrn (κύριος) betrachtet.111 Bei dieser Aussage handelt es sich um eine prophetische Erkenntnis, da es sich um eine zutreffende Aussage über Maria und ihr Kind handelt, die bisher nur Maria selbst kannte und die das Wissen aus Lk 1,26–38, besonders 31–33, voraussetzt. Elisabeth hat diese Aussage direkt, nachdem sie mit dem Heiligen Geist erfüllt worden war, getroffen. Folglich wurde diese prophetische Erkenntnis („Jesus ist ihr Herr“) der Elisabeth nach lukanischer Darstellung durch die Geistesgabe zuteil.112 Der Zweck der Gabe des Heiligen Geistes an Elisabeth ist demnach, dass diese Jesus als ihren Herrn, d.h. als für ihr Heil zuständig, erkennen und diese Erkenntnis als göttlich legitimiert kundtun kann. Wie schon im Blick auf den Johannes betreffenden Vers Lk 1,15 gezeigt wurde, ist πίµπληµι lukanisches Vorzugswort und seine Verbindung mit dem Heiligen Geist nur bei Lukas belegt, so dass auch im Blick auf Elisabeths Geisterfüllung in V.41c davon auszugehen ist, dass Lukas für diese Aussage verantwortlich ist.113 Damit hat Lukas durch seine redaktionelle Tätigkeit die Tatsache, dass Elisabeth in dem ungeborenen Jesuskind ihr Heil erkennen kann, auf den Heiligen Geist zurückgeführt. Es ist interessant, dass Elisabeth in ihrem Lobpreis als Begründung (γάρ) für ihre genannte Erkenntnis noch einmal auf das Hüpfen (σκιρτάω) des Kindes in ihrem Mutterleib, das durch den Gruß der Maria ausgelöst wurde (vgl. V.41b), verweist (V.44). Man kann sich diesen Zusammenhang nur so erklären, dass das ungeborene Kind Johannes durch das Hüpfen auf den ihm
110 Das den Teilsatz einleitende καί ist demnach als καί consecutivum zu beurteilen. Vgl. dazu B/D/R § 442,2. 111 In Lk 1,43 wird Jesus das erste Mal im lukanischen Doppelwerk mit „Herr“ bezeichnet. Κύριος ist hier christologischer Hoheitstitel, da die Bedeutung des erhöhten in die Bezeichnung des irdischen Jesus eingezeichnet ist. Vgl. FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 47. 112 Vgl. FRIEDRICH, προφήτης, S. 837. 113 Vgl. MENZIES, Pneumatology, S. 120.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
hier zum ersten Mal begegnenden ungeborenen Jesus114 hinweist. Denn – wie bereits dargestellt – wird es die Aufgabe des Johannes sein, das Volk auf das Kommen Gottes in Jesus vorzubereiten. Außerdem zeigt Lukas in Lk 1,15.17.76 auf, dass Johannes vom Mutterleib an mit dem Geist erfüllt und daher ein Prophet ist. Dies deutet darauf hin, dass Johannes nach Lukas schon im Mutterleib seinen prophetischen Auftrag anfänglich115 ausführen kann116, indem er seine Mutter durch das Hüpfen auf Jesus als den Herrn und Heiland hinweist. Ein weiteres Indiz für die geschilderte Bedeutung des hüpfenden Kindes ist die Erwähnung des Jubels, mit dem das Hüpfen geschieht (ἐν ἀγαλλιάσει) (V.44).117 Dieser Jubel kann seinen Grund nur in dem Heil haben, das hier mit Jesus gegeben ist. So findet sich in Lk 6,23 ebenfalls die Kombination von Freude (χαίρω) über widerfahrendes Heil und dem hüpfenden Ausdruck dieser Freude.118 Dass der Jubel und damit das Hüpfen auch mit der vorhandenen Geistbegabung des Johannes zusammenhängt, legt der in Lk 10,21 gegebene vergleichbare Zusammenhang zwischen dem Geistbesitz Jesu und seinem Jubelruf (ἠγαλλιάσατο [ἐν] τῷ πνεύµατι) nahe.119 Weil Johannes seine Botschaft aber noch nicht selbst zu Gehör bringen kann, wird auch seine Mutter mit dem Geist erfüllt und damit zu prophetischer Rede ermächtigt. „Geisterfüllt vermag Elisabeth nun […] die ihr von ihrem Kinde bezeugte Wahrheit zu deuten und in Worte zu fassen“.120 Es ist derselbe Heilige Geist, der Johannes zum Wegbereiter des Herrn beauftragt hat, welcher nun auch seine Mutter erfüllt, so dass diese das in Jesus kommende Heil bezeugen kann. Elisabeth ist damit die erste Vertreterin des Gottesvolkes Israel, die von Johannes auf das Kommen Jesu hingewiesen wird. Nicht nur Elisabeth wird mit dem Heiligen Geist erfüllt, Gleiches geschieht auch ihrem Mann Zacharias, dem Vater des Johannes, direkt nach der Geburt seines Sohnes (Lk 1,67). Lukas verwendet in V.67 wiederum den für ihn typischen Ausdruck ἐπλήσθη πνεύµατος ἁγίου, der daher als redaktio114 D.h., die beschriebene Kettenreaktion geht von dem noch ganz winzigen Jesus aus: Jesus → Johannes → Elisabeth. 115 Dieses „anfänglich“ ist so zu verstehen, dass Johannes nach Lk 1,80 für die voll umfängliche Ausführung seines Auftrags erst durch den Geist erstarken muss. 116 Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 56. 117 In V.41 ist in einigen Textzeugen – wohl in Anlehnung an V.44 – ἐν ἀγαλλιάσει ergänzt. 118 Da die Verwendung von σκιρτάω im Neuen Testament nur bei Lukas und nur an den beiden genannten Stellen belegt ist, handelt es sich offenbar um eine spezifisch lukanische Eigenheit, mittels des Hüpfens Freude und Jubel zum Ausdruck zu bringen. Im Alten Testament kann das Hüpfen sowohl die natürliche Bewegung des Kindes im Mutterleib (Gen 25,22) als auch die Freude als Reaktion auf Heilsgeschehen (Mal 3,20) bedeuten. Vgl. FITZER, σκιρτάω, S. 405. Allerdings steht in Lk 1,44 die letztgenannte Bedeutung im Vordergrund. 119 S. dazu I.2.1.5. 120 SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 67.
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nell anzusehen ist. Auch die Übergangsfunktion des Verses als Einleitung des Lobpreises deutet auf lukanische Redaktion hin.121 Die Folge der Geistbegabung des Zacharias wird sodann explizit beschrieben mit προφητεύω (V.67). Das bedeutet, dass Zacharias durch diese Gabe des Geistes prophetische Aussagen treffen konnte. Wie schon seiner Frau Elisabeth wird demnach auch ihm durch den Heiligen Geist prophetische Erkenntnis zuteil. Der Inhalt dieser Erkenntnis wird im darauffolgenden Lobpreis122 des Zacharias (Vv.68–79) genannt, d.h. das „Benediktus kann als […] Prophetie des Zacharias gelesen werden“123, die vom Autor des lukanischen Doppelwerks als eine vom Heiligen Geist eingegebene dargestellt wird. Dass der Heilige Geist für die Prophetie des Zacharias verantwortlich ist, bestätigt die Zuverlässigkeit der Aussagen des Lobpreises.124 Der prophetische Lobpreis des Zacharias besteht aus drei Teilen125: Zunächst preist Zacharias, dass Gott ihnen gemäß den Weissagungen der Propheten Rettung geschenkt hat, wobei dementsprechend zahlreiche Aufnahmen alttestamentlicher Wendungen126 erfolgen (Vv.68–75). Im Anschluss spricht er über die dieser Rettung vorlaufende Funktion, die seinem Sohn Johannes zukommen wird (Vv.76–78a)127, und abschließend über die als „Aufgang aus der Höhe“ (ἀνατολὴ ἐξ ὕψους) anzusehende kommende Rettung und ihre Heilsfolgen. Der Heilige Geist hat Zacharias demnach das Wissen geschenkt, dass die Heilsverheißungen Israels erfüllt werden, weil Gott sich (endlich) über sein Volk erbarmt hat.128 Dabei kann Zacharias das kommende Heil noch nicht wie Elisabeth auf das ungeborene Kind Marias beziehen, aber die konkrete Rolle seines Sohnes kundtun, wie es ihm auch von dem Engel Gabriel angekündigt worden war (vgl. Lk 1,11–20). Er weiß durch seine Begabung mit dem Heiligen Geist aber über die vom Engel gegebene Auskunft hinausgehend, dass die Hoffnungen seines Volkes Israel auf das Heil durch den „Aufgang aus der Höhe“ erfüllt werden. Nicht ohne Grund erhält Zacharias das Geschenk des Geistes und die damit einhergehende Heilserkenntnis, gerade nachdem das Verhältnis zu seinem 121
Vgl. FITZMYER, Luke 1, S. 382. Die Mehrheit der Ausleger geht davon aus, dass es sich beim Benediktus um ein zumindest in großen Teilen vorlukanisches Lied handelt, wobei die genauen Ausmaße der vorlukanischen Tradition sowie die Herkunft des Hymnus umstritten sind. Vgl. zur Diskussion FARRIS, Hymns, S. 128–133. 123 MÜLLER, Prophet, S. 132. 124 Vgl. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 119; TURNER, Power, S. 143. 125 Vgl. ebenso WOLTER, Lukasevangelium, S. 111. 126 Vgl. den Verweis auf das Haus Davids (V.69; vgl. Jes 11,1; Jer 23,5f.), die Rede von der Aufrichtung des Horns des Heils (V.69; vgl. 2. Sam 22,3) und den Bezug auf den Abrahamsbund (Vv.72f.; vgl. Gen 15; 17). 127 S. dazu I.1.1.1. 128 Vgl. FRIEDRICH, προφήτης, S. 837. 122
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
Gott wieder in Ordnung gekommen war: In Lk 1,6 war Zacharias als einer beschrieben worden, der in gerechter Weise nach den Geboten Gottes lebt. Weil er dem Engel Gabriel aber nicht geglaubt hatte, dass ihm ein Sohn geboren werden würde, hatte er seine Sprache verloren (V.20). Diese hatte er erst wiedererhalten (V.64), nachdem er seinem neugeborenen Sohn den von dem Engel Gabriel mitgeteilten und von Gott festgelegten Namen gegeben hatte. Als Zeichen seiner nun wieder rechten Gottesbeziehung erhält Zacharias von Gott den Heiligen Geist, damit dieser ihm die Erkenntnis des nahenden Heils ermöglicht. 1.2.2 Simeon (Lk 2,25–27) Als Träger des Heiligen Geistes wird neben Elisabeth und Zacharias in der lukanischen Vorgeschichte außerdem Simeon gekennzeichnet (Lk 2,25–35). Gleich dreimal ist in den Vv.25–27 von dem Wirken des Heiligen Geistes an diesem die Rede. In V.25 wird Simeon zunächst mit drei Attributen vorgestellt: Er ist ein Gerechter und Gottesfürchtiger (δίκαιος καὶ εὐλαβής), der außerdem den Trost Israels erwartet (προσδεχόµενος παράκλησιν τοῦ Ἰσραήλ). Mit dem Attribut δίκαιος wurden auch Elisabeth und Zacharias in ihrer Frömmigkeit charakterisiert. Darüber hinaus wird Simeon zusätzlich mit εὐλαβής beschrieben. Dieses Wort wird im Neuen Testament ausschließlich von Lukas verwendet. Er drückt damit die Frömmigkeit der betroffenen Personen aus (vgl. Apg 2,5; 8,2; 22,12). Da Entsprechendes nicht über Elisabeth und Zacharias ausgesagt wird, ist anzunehmen, dass Lukas Simeon als jemanden darstellen will, der die Frömmigkeit jener noch überbietet. Der Grund dafür dürfte im dritten Teil der Charakterisierung Simeons angegeben sein: Er war voller Erwartung des Trostes Israels (παράκλησις τοῦ Ἰσραήλ). Die Hoffnung auf diesen „Trost für Israel“ ist vor allem im Jesaja-Buch (z.B. Jes 40,1; 49,13; 51,3; 52,9; 66,13), aber auch anderswo im Alten Testament (Jer 31,13; Sach 1,17) als eschatologische Hoffnung bezeugt, die „den Anbruch der zugesagten messianischen Heilszeit für das Gottesvolk“129 erwartet.130 Simeon schließt mit seiner erwartenden Haltung demnach an die an sein Volk ergangenen Verheißungen an und „repräsentiert“131 sie dadurch zugleich. Mit den genannten Attributen wird Simeon demnach nicht nur als dem Gottesvolk Israel zugehörig, sondern als einer seiner exzellenten, weil gottgefälligen, Vertreter beschrieben. Dieser Beschreibung des Simeon folgt in V.25 noch eine weitere Notiz, i.e. dass der Heilige Geist auf ihm war (πνεῦµα ἦν ἅγιον ἐπ’ αὐτόν). Mit die-
129
ECKEY, Lukasevangelium 1, S. 160. Vgl. auch die Texte in STRACK / BILLERBECK, Kommentar 2, S. 124–126. 131 WOLTER, Lukasevangelium, S. 138. 130
1.2 Gerechte Repräsentanten Israels
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ser Aussage wird – auch aufgrund des durativen Imperfekts132 – nahegelegt133, dass Simeon nach Lukas dauerhaft mit dem Heiligen Geist begabt war134 und dass diese Gabe ihn auszeichnete. Dazu passt, dass die Geistbegabung in V.25 lediglich festgestellt wird, ohne dass sich unmittelbar Auswirkungen damit verbinden. Erst die Vv.26f. schildern dann, auf welche konkrete Weise sich das Wirken des Geistes im Leben des Simeon bemerkbar macht.135 Nach V.26 hat die Geistbegabung für Simeon eine Folge, die auch mit seiner den Trost Israels erwartenden Haltung zusammenhängt (vgl. V.25). Der Heilige Geist hatte ihm offenbart, dass er nicht sterben würde, ehe er den Christus des Herrn (χριστὸς κυρίου) gesehen habe (V.26). Dieser kann deshalb als Trost Israels aufgefasst werden. Durch diesen Zusammenhang zeigt Lukas in der Figur des Simeon auf, dass die Hoffnungen Israels auf Rettung im nahe bevorstehenden Kommen des Christus verwirklicht werden sollen. Der Geist, der Simeon erfüllt, zeigt sich aber nicht nur für diese Verheißung zuständig, sondern auch für die Erfüllung derselben. Denn in V.27a wird geschildert, wie Simeon „im Geist“ (ἐν τῷ πνεύµατι) in den Tempel kommt. Dort trifft er auf das Jesuskind und seine Eltern, die in den Tempel gegangen waren, um das bei der Erstgeburt fällige Opfer darzubringen (V.27b; vgl. Vv.22–24.39).136 Simeon nimmt daraufhin das Jesuskind auf die Arme und preist Gott, dass er jetzt in Frieden gehen kann, weil seine Augen nunmehr wie angekündigt das Heil Gottes gesehen haben (Vv.28–30). Simeon erkennt demnach in dem Jesuskind das von Gott geschenkte Heil und in seiner Begegnung mit diesem Kind die Erfüllung der an ihn vom Heiligen Geist ergangenen Verheißung. Da Simeon auf Anregen des Geistes in den Tempel gekommen ist, hat der Geist auf diese den Weg des Simeon lenkende Weise dafür gesorgt, dass sich die an Simeon ergangene Verheißung erfüllt. Der Geist übernimmt folglich gleichsam die ,Regie‘ im Erfüllungsgeschehen,
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Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 137. Vgl. die Formulierung der dauerhaften Geistbegabung mit ἐπί auch in Lk 4,18; Apg 1,8; 10,44.45; 11,15; 19,6. 134 Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 124; SCHWEIZER, Lukas, S. 37. 135 Vgl. MENZIES, Pneumatology, S. 120. 136 Interessant ist, dass bei diesem Geschehen Gesetz und Geist gewissermaßen ,zusammenarbeiten‘. Zwar kommt Simeon durch den Heiligen Geist in den Tempel, aber das von ihm als Heil erkannte Jesuskind wird von seinen Eltern aufgrund des Gesetzes dorthin gebracht. So ist νόµος (Vv.22.23.24.39) stets als Referenzpunkt des Tuns der Eltern Jesu mit ihrem Neugeborenen Jesus genannt. Getrieben von dem Bestreben, die Bestimmungen des Gesetzes zu erfüllen, ziehen die Eltern mit Jesus in den Tempel nach Jerusalem und – nach den beschriebenen Ereignissen um Simeon und Hanna – wieder in ihre Heimatstadt Nazareth zurück. 133
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
denn lediglich weil der Geist Simeon führt, kommt dieser zum Heil Gottes und erkennt es als solches. Diese Ausführungen bestätigen, dass Simeon nach der Darstellung des Lukas stetig mit dem Geist begabt ist, denn der Geist übernimmt unterschiedliche Funktionen in Bezug auf Simeon – mal offenbarend, mal führend – und wird ihm nicht nur punktuell für ein bestimmtes Ereignis gegeben, wie es bei Elisabeth und Zacharias mit Blick auf ihre prophetische Erkenntnis der Fall war. Simeon wird durch seine dauerhafte Geistbegabung zu seinem Heil und damit auch zu dem seines Volkes hingeführt. In Simeons Verhalten wird darüber hinaus deutlich, wie Israel auf das erfahrene Heil in angemessener Weise reagiert. Er lobt und preist Gott für die Erfüllung der Heilsverheißung (Vv.28–32). Bei Simeon ist dieser Lobpreis ganz deutlich als Reaktion auf seine Begegnung mit dem Heil Israels gekennzeichnet (εὐλογέω) (V.28). Gleiches wurde auch schon in Bezug auf Elisabeth und Zacharias berichtet, die im Zuge ihrer Erkenntnis des Heils einen Lobpreis anstimmten (Vv.42.68). Damit werden Elisabeth, Zacharias und Simeon zum „Idealbild für die Antwort Israels“137 auf das von Gott in Jesus gesandte Heil. Die letzten beiden Verse des Lobpreises Simeons zeigen außerdem an, dass Simeon durch den Heiligen Geist nicht nur Jesus als das Heil erkennen kann, sondern auch Einblick in den damit verbundenen Heilsplan Gottes hat: Er verkündet mit der vom Heiligen Geist verbürgten Autorität Gottes, dass das Heil seinem Volk Israel zuerst zuteilwird und von dort aus dann auch zu anderen Völkern kommen wird (V.32)138: Denn das Heil wurde bereitet für alle Völker139, zunächst als Glanz Israels, der dann zum Licht für die Heidenvölker wird.140 Ergebnis Elisabeth, Zacharias und Simeon werden von Lukas einschlägig als Repräsentanten des Gottesvolkes Israel gekennzeichnet. Alle drei werden bzw. sind mit dem Heiligen Geist erfüllt und können durch den Geist das in Jesus von Gott gesandte Heil für sich und ihr Volk erkennen. Es stellt sich die Frage, 137
WOLTER, Lukasevangelium, S. 138. Vgl. RADL, Beziehungen, 305f.; WIEFEL, Lukas, 79f.; STEGEMANN, Licht, 94; SCHWEIZER, Lukas, S. 38. 139 Da in V.32 mit ἔθνη und λαὸς Ἰσραήλ eine Differenzierung aufgemacht wird, liegt es nahe, dass πάντες οἱ λαοί in V.31 einen Überbegriff für beide Gruppen bilden, so dass die „Nationen der ganzen Erde“ (RADL, Beziehungen, 303) bezeichnet werden. Eindeutig ist die Verwendung von λαοί im lukanischen Doppelwerk nicht zu klären, da beispielsweise λαοί in Apg 4,25 die Stämme Israels meint, aber in Apg 4,27 parallel zu ἔθνη verwendet ist. 140 Vgl. WILK, Jesus und die Völker, S. 172f. 138
1.2 Gerechte Repräsentanten Israels
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warum Lukas ausgerechnet bei diesen drei Vertretern Israels von einer zur Heilserkenntnis führenden Geistbegabung berichtet. Sucht man nach weiteren Gemeinsamkeiten der drei, so fällt auf, dass Simeon, Elisabeth und Zacharias von Lukas alle als Gerechte (δίκαιοι) dargestellt wurden. Diese drei sind daher nicht nur die einzigen, die Lukas innerhalb der Vorgeschichte im Gottesvolk Israel neben Johannes dem Täufer als geistbegabt darstellt, sondern auch die einzigen, die er mit dem Prädikat δίκαιοι versieht. Es sind also die explizit Gerechten Israels, die mit dem Heiligen Geist begabt werden. Nach dieser lukanischen Darstellung besteht ein Zusammenhang zwischen der frommen Lebensweise der drei Genannten und ihrer Geistbegabung, insofern diese nach Lukas offenbar jene zur Voraussetzung hat. Die Gabe des Geistes wird damit gleichsam zur beschenkenden ,Reaktion‘ Gottes auf die Gerechtigkeit dieser drei Figuren. Ob Repräsentanten des Gottesvolkes mit dem Heiligen Geist begabt werden, hängt demnach von ihrer Frömmigkeit ab. Dabei kann sogar zwischen der einmaligen Geisterfüllung141, die Elisabeth und Zacharias zuteilwird, und dem auf Simeon stetig ruhenden Geist zusammen mit dem sich daraus ergebenden noch tieferen Einblick in Gottes Heilsplan unterschieden werden. Der Unterschied korrespondiert nach Lukas mit dem ,Grad‘ ihrer Frömmigkeit. Auch wenn die Gerechtigkeit der IsraelRepräsentanten letztlich keine unumstößliche Bedingung für das Geistwirken sein kann142, ist es auch kein Zufall, dass Elisabeth, Zacharias und Simeon sich nach dem, was Lukas darstellt, durch ihr intaktes Gottesverhältnis als für das hervorragende Geschenk des Geistes besonders würdig erweisen. Das ideale Verhalten der drei vor ihrem Gott findet also weniger seine Belohnung als vielmehr seinen Ausdruck in ihrer Geistbegabung. In ihrer frommen Lebensweise, der Ausrichtung ihrer Existenz auf Gott sind diese drei Vertreter Israels bereit für das Wirken des Geistes und die von diesem gewährte Erkenntnis des kommenden Heils. Für Lukas ergeht demnach die die Heilserkenntnis bringende Geistesgabe schon vor Jesu Auftreten an Israel, aber nicht an beliebige Repräsentanten des Gottesvolkes, sondern an durch ihre Gerechtigkeit in ihrem Verhältnis zu Gott ausgezeichnete und damit würdige Vertreter. So hat der Heilige Geist an dieser Stelle die Funktion, den Frommen des Gottesvolkes die Erkenntnis des 141
Mit πίµπληµι drückt Lukas in Bezug auf das Gottesvolk Israel und Jesus grundsätzlich eine einmalige Erfüllung mit dem Heiligen Geist aus. Ein Sonderfall ist die Geistbegabung des Johannes, die in Lk 1,15 zwar mit πίµπληµι beschrieben ist, aber durch den Zusatz ἐκ κοιλίας µητρός als eine dauerhafte definiert wird. Im Unterschied zu πίµπληµι meint πλήρης eine dauerhafte Geistbegabung (s. I.2.1.3). Der Bedeutungsgehalt von πίµπληµι und πλήρης hinsichtlich des Grades der Geistbegabung ändert sich jedoch in Bezug auf die Gemeinde Jesu. S. dazu I.3.4.2. 142 Gottes Souveränität kann nicht durch einen mechanischen Tun-ErgehenZusammenhang eingeschränkt werden. Auch wenn Gott sich keine Ungerechten aussucht, als Bedingung wird die Gerechtigkeit nicht genannt.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
in Jesus ihnen und ihrem Volk gegebenen Heils zu offenbaren. Elisabeth, Zacharias und Simeon erhalten durch den Geist die Fähigkeit, an diesem Heil zu partizipieren. Dies zeigt, dass nicht alle im Gottesvolk Israel den Umkehrruf des ebenfalls durch das Wirken des Geistes in sein Amt eingesetzten Täufers Johannes brauchen, sondern dass es Gerechte143 in Israel gibt, an die das Wirken des Geistes bereits direkt anknüpfen kann und denen durch den Geist Partizipation am Heilsgeschehen zukommt.144 Durch ihre Frömmigkeit sind sie schon bereit für das Kommen des Heils und ihre Geistbegabung bestätigt ihre Zugehörigkeit zum Heil. Durch die Betonung des Geistwirkens macht Lukas an diesen exemplarischen Vertretern des Gottesvolkes deutlich, dass Israel erwählt ist, von Gottes kommendem Heil in Jesus zuerst und schon vor dessen öffentlichem Auftreten zu erfahren. Elisabeth, Zacharias und Simeon sind innerhalb Israels noch einmal besonders Erwählte, da sie sich durch ihr ausgezeichnetes Gottesverhältnis als für Gottes Geist würdig erweisen und auf Gottes rettendes Handeln in Jesus in angemessener Weise reagieren.145
1.3 Vorherbestimmung in den Schriften Israels 1.3 Vorherbestimmung in den Schriften Israels
Von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes innerhalb des Gottesvolkes Israel berichtet Lukas ebenfalls, wenn er in Apg 1,16; 4,25; 28,25 Worte aus der Heiligen Schrift des Gottesvolkes als vom Heiligen Geist gesprochen kennzeichnet. Die Tatsache, dass diese drei Schriftworte auf den Heiligen Geist zurückgeführt werden, hebt sie von allen anderen alttestamentlichen Zitaten im lukanischen Doppelwerk ab, da diese nicht explizit mit dem Heiligen Geist in Verbindung gebracht werden (z.B. Lk 20,28.42; Apg 2,16.25.34f.; 3,22f.; 7,37). In Lk 20,42 hat der auctor ad Theophilum sogar auf die Nennung der in der markinischen Vorlage Mk 12,36 enthaltenen ,Autorschaft‘ des Heiligen Geistes verzichtet. Deshalb ist davon auszugehen, dass Lukas in Apg 1,16; 4,25; 28,25 mit einer bestimmten Absicht vom Heiligen Geist als 143
Entsprechend wurde die Aufgabe des Johannes in Lk 1,17 als Ruf der Ungehorsamen zur Einsicht der Gerechten (φρόνησις δικαίων) beschrieben. 144 Der Geist „schenkt […] nach Lukas die Bürgschaft des Herrn“ (BOVON, Lukas 1, S. 141). 145 Der auctor ad Theophilum verschweigt jedoch nicht, dass er auch um die den Heiligen Geist ablehnende Haltung eines Teils Israels in dieser Zeit vor Jesu Auftreten weiß. In Apg 7,51f. ist in einer Nebenbemerkung von den Vätern (πατέρες) die Rede, die sich dem Heiligen Geist widersetzt haben, indem sie die Propheten töteten. Dabei werden die Väter mit denen verglichen, die die Evangeliumsverkündigung des Stephanus nicht annehmen und damit dem die Zugehörigkeit zum Gottesvolk garantierenden Heiligen Geist Widerstand leisten. Da es in Apg 7,51f. primär um die Zurückweisung des Heiligen Geistes durch die Gegner des Stephanus geht, finden sich nähere Ausführungen in I.3.5.1.
1.3 Vorherbestimmung in den Schriften Israels
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Ursprung der Schriftworte spricht. Daraus ergibt sich die Frage nach dem Grund dieser Betonung des Geistwirkens. Weil es sich dabei um Geistwirken innerhalb Israels handelt, ist besonders zu ergründen, welche Bedeutung und Funktion dem Heiligen Geistes dabei im Blick auf das Gottesvolk zukommt. 1.3.1 Die Komplettierung des Zwölferkreises (Apg 1,16) Der erste Verweis auf den Heiligen Geist als Urheber eines Schriftwortes findet sich im ersten Kapitel der Apostelgeschichte im Rahmen der Rede, die Petrus als Auftakt der Nachwahl des zwölften Apostels hält (Apg 1,16–22). Gleich in der Einleitung dieser Rede legt Lukas in Apg 1,16 dem Petrus in den Mund: „Männer, Brüder, es war notwendig, dass die Schrift erfüllt wurde, die der Heilige Geist vorhergesagt hat durch den Mund Davids über Judas, der ein Führer geworden ist für die, die Jesus festnahmen“. Auf diese Einleitung der Rede folgend werden von Petrus zwei Hinweise über das Schicksal des Judas angeführt: Zunächst betont er in V.17, dass Judas dasselbe Amt146 wie Petrus und die anderen Apostel empfangen hatte (vgl. Lk 6,12– 16). Sodann berichtet er vom Untergang des Judas: Dieser hatte zwar von seinem Verratslohn einen Acker gekauft, ist aber durch Kopfüberstürzen unter Hervorquellen seiner Eingeweide umgekommen, so dass sein Stück Land allgemein „Blutacker“ genannt wird (Vv.18f.). Hinsichtlich dieser beiden das Schicksal des Judas betreffenden Aussagen in den Vv.17–19 wird in V.20 mit Ps 69,26 (68,26 LXX) und Ps 109,8b (108,8b LXX) nun in chiastischer Anordnung dazu von Petrus je ein Schriftwort geliefert. Als erstes wird bezogen auf Judasʼ „Blutacker“-Ergehen die geweissagte Verwüstung der Behausung aus Ps 69,26 (68,26 LXX)147 angeführt (V.20a), die sich für Judas 146
Das Amt wird an dieser Stelle als διακονία bezeichnet; in V.25 wird diese Bezeichnung διακονία allerdings mit ἀποστολή („Apostelamt“) im Hendiadyoin verbunden, so dass auch in V.17 das Apostelamt gemeint ist. 147 In Apg 1,20a sind die Unterschiede zum Septuaginta-Text Ps 68,26 nicht unerheblich, denn statt γενηθήτω ἡ ἔπαυλις αὐτῶν ἠρηµωµένη, καὶ ἐν τοῖς σκηνώµασιν αὐτῶν µὴ ἔστω ὁ κατοικῶν liest Lukas γενηθήτω ἡ ἔπαυλις αὐτοῦ ἔρηµος καὶ µὴ ἔστω ὁ κατοικῶν ἐν αὐτῇ. Die meisten Änderungen lassen sich jedoch mit Blick auf den Kontext, in den das Zitat von Lukas eingepasst wurde, d.h. den Bezug auf das unheilvolle Schicksal des Judas, erklären. Vgl. auch RUSAM, Lukas, 274f. So entfällt die Rede von den Zelten, da es Lukas im Blick auf Judas nur um eine bestimmte Behausung (ἔπαυλις) geht, auf die daher der zweite Teilvers mit ἐν αὐτῇ bezogen wird. Auch die Änderung des Possessivpronomens zu ἔπαυλις vom Plural αὐτῶν in den Singular αὐτοῦ rührt von der Anwendung des Verses auf Judas, der nicht mit einer Gruppe identifiziert werden kann. Möglicherweise deutet die Änderung von ἠρηµωµένη in ἔρηµος an, dass der Platz des Judas nicht endgültig zerstört wurde, sondern leer und damit – wie das zweite Zitat ausführt – neu zu besetzen ist. Wegen dieses freien, weil kontextbedingten, Umgangs mit dem Zitat lässt sich nicht entscheiden, ob Lukas den masoretischen Text oder denjenigen der Septuaginta vorliegen hatte. Vgl. HOLTZ, Zitate bei Lukas, S. 47. Anders geht NELLESSEN,
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
bereits erfüllt hat (vgl. ἔδει πληρωθῆναι) (V.16).148 Zum anderen wird mit Blick auf dessen in V.17 erwähntes Apostelamt der Schrift-Befehl aus Ps 109,8b (108,8b LXX)149 angeführt, dass ein anderer dieses Amt150 empfangen soll. Diese Forderung ist im Gegensatz zum ersten Teil des Schriftbezugs noch nicht erfüllt und wird daher auf diese Weise von Petrus als auszuführende Handlung in den Raum gestellt, deren Umsetzung er in den folgenden Versen als notwendig (vgl. δεῖ in V.21) hinstellt (Vv.21f.) und die sodann mit der Wahl des Matthias auch erfolgt (Vv.23-26). Die Zusammenstellung der beiden Psalmenworte Ps 68,26 LXX und Ps 108,8 LXX verbindet also das unheilvolle Schicksal des Judas mit der Neubesetzung seines Apostelamtes. Der angesprochene Chiasmus (V.17 Amt des Judas (a) – Vv.18f. unheilvolles Schicksal (b) – V.20a Schriftwort zu unheilvollem Schicksal (b) – V.20b Schriftwort zur Neubesetzung des Amtes (a)) zeigt, dass die Wiederbesetzung des Apostelamtes des Judas den Rahmen und damit die Hauptsache der Aussage bildet. Lukas zeigt somit die Nachwahl des zwölften Apostels als aus dem Tod des Judas folgende NotwendigZeugnis, S. 149f. vom masoretischen Text aus. Es ist wahrscheinlich, dass das Zitat aus Ps 68,26 LXX von Lukas selbst für den Kontext der Komplettierung des Zwölferkreises herangezogen wurde, denn von diesem Vorgang ist nur im lukanischen Doppelwerk die Rede. Außerdem ist Ps 68,26 LXX in der Tradition ansonsten nicht mit dem Tod des Judas verbunden (vgl. stattdessen das Jeremia zugeschriebene Wort aus Sach 11,13 in Mt 27,9). Vgl. RUSAM, Lukas, S. 274f. Anders jedoch BONNAH, Holy Spirit, S. 237. 148 Anstelle des Imperfekts ἔδει findet sich in D*, lat, Irlat das Präsens δεῖ. Anders als die Imperfektform würde sich δεῖ nicht mehr auf das mit dem Tod des Judas bereits erfüllte Wort aus Ps 68,26 LXX beziehen, sondern auf das mit der Wahl eines Nachfolgers noch zu erfüllende Wort aus Ps 108,8 LXX. Neben der eindeutig besseren äußeren Bezeugung von ἔδει spricht gegen diese Lesart, dass schon das δεῖ in Apg 1,21 auf Ps 108,8 LXX zu beziehen ist. Vgl. auch SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 212. 149 Das Zitat unterscheidet sich vom Septuaginta-Text lediglich dadurch, dass der Befehl zum Amtsempfang im Ps 108,8 LXX mit λάβοι als Optativ formuliert ist, in Apg 1,20b aber im Imperativ der 3. Person Singular erscheint (λαβέτω). Es wäre zwar möglich, die lukanische Version auf eine eigenständige Übersetzung des masoretischen Textes Ps 109,8 zurückzuführen (so NELLESSEN, Zeugnis, S. 150), jedoch spricht der ansonsten exakte Wortlaut der Septuaginta eher dagegen. Außerdem kann der lukanische Imperativ als Anpassung an den Kontext des Zitats verstanden werden, der die Notwendigkeit zur Nachwahl des zwölften Apostels als direkten göttlichen Auftrag, den es zu erfüllen gilt, verdeutlicht. Vgl. auch SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 218; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 33; RUSAM, Lukas, S. 277; HOLTZ, Zitate bei Lukas, S. 47. Sehr wahrscheinlich geht die Verknüpfung dieses Psalmverses mit Judas auf Lukas selbst zurück, der damit die Nachwahl des Matthias begründen kann. Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 241; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 65f. 150 Dieses Amt wird hier – wie im Zitat Ps 108,8 LXX vorgegeben – mit ἐπισκοπή benannt. Dadurch, dass Lukas in V.25 dann aber wieder von διακονία und ἀποστολή spricht, interpretiert er den im Zitat enthaltenen Amtsbegriff in dem für den Kontext der Apostel-Nachwahl adäquaten Sinn. Vgl. auch RUSAM, Lukas, S. 278f.
1.3 Vorherbestimmung in den Schriften Israels
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keit auf, indem er einen Schriftbeweis als Beleg für diesen Zusammenhang anführt. Nicht nur die Schrift wird jedoch als Autorität für die erforderliche Komplettierung des Zwölferkreises bemüht, sondern darüber hinaus auch der Heilige Geist als Sprecher der genannten Schriftworte: τὴν γραφὴν ἣν προεῖπεν τὸ πνεῦµα τὸ ἅγιον διὰ στόµατος ∆αυίδ (V.16).151 An dieser Formulierung ist in Bezug auf den Heiligen Geist Folgendes von Bedeutung: Dem Heiligen Geist wird die Urheberschaft für das Schriftwort (γραφή) zugeschrieben. Allerdings hat der Heilige Geist die Worte nicht direkt gesprochen152, sondern „durch den Mund Davids“, wobei diese Mittlerschaft Davids durch διά153 ausgedrückt wird. Die Psalmen, die die Überschrift dwId"l. / τῷ ∆αυιδ tragen, galten im frühen Christentum als von David verfasst.154 Dies gilt daher auch für die in Apg 1,20 zitierten Psalmen (vgl. Ps 69,1 (68,1 LXX); 109,1 (108,1 LXX)). Allerdings ist David für Lukas an dieser Stelle lediglich Sprachrohr des Heiligen Geistes, der als eigentlicher Verfasser der entsprechenden Psalmworte gilt. Durch diese Rückführung auf den Heiligen Geist erhält der Inhalt der Schrift direktere göttliche Autorität und Legitimation.155 Der Grund für diese von Lukas mittels der Geist-Urheberschaft ausgedrückte göttliche Legitimation erschließt sich mithilfe der Thematik der betreffenden Perikope Apg 1,15–26 und ihrer Rolle innerhalb des lukanischen Doppelwerks. Hier wird, nachdem Jesus zum Himmel aufgefahren ist und bevor der Heilige Geist am Pfingsttag auf die Gemeinde ausgegossen wird, der Zwölferkreis der Apostel wiederhergestellt. Dass dieser Vorgang bei keinem anderen neutestamentlichen Zeugen belegt ist, zeigt die besondere Rolle, die den zwölf Aposteln im lukanischen Doppelwerk zugewiesen wird. So haben diese zum einen eine konstitutive Bedeutung für die Weitergabe des Evangeliums und die Garantie der von Jesus überlieferten Tradition.156 Zum 151 Manche Ausleger bestreiten, dass sich V.16 auf das Schriftwort in V.20 bezieht und sehen V.16 als Hinweis auf Ps 41,10 (40,9 LXX), der auf den Verrat des Judas hinweist (vgl. Mk 14,18; Joh 13,18). Vgl. z.B. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 32; BARRETT, Acts 1, S. 96f.; MUSSNER, Apostelgeschichte, S. 19. Allerdings ist fraglich, warum die Zitateinleitung sich auf einen hier nicht zitierten Vers beziehen soll und nicht auf das tatsächlich angeführte Schriftwort. Zudem zeigt sich, dass es Lukas im Rahmen dieser Perikope eben genau um die im vorhandenen zweiteiligen Psalmenzitat angeführten Inhalte geht, d.h. darum, die Notwendigkeit sowohl des Unheils des Judas als auch der Ersetzung seines Apostelamtes aufzuzeigen. Vgl. auch BONNAH, Holy Spirit, S. 233; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 68; ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 63. 152 Zu direkt vom Geist gesprochenen Worten vgl. Apg 8,29; 10,19; 11,12; 13,2. 153 Zu διά mit Genitiv als Ausdruck der Vermittlung vgl. B/D/R § 223,3. 154 „[Im] Juden- und Christentum [wurde] der Ausdruck in dem Sinn verstanden […], daß der Psalm tatsächlich von David gedichtet wurde“ (FÜGLISTER, Verwendung, S. 373). 155 Vgl. RUSAM, Lukas, S. 267. 156 S. dazu I.3.4.1.
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1 Das Gottesvolk Israel und der Heilige Geist
anderen verweist die Zwölfzahl auf die zwölf Stämme Israels als Kern des Gottesvolkes. Lukas legt mit der Nachwahl des zwölften Apostels expliziten Wert darauf, dass die Gemeinde Jesu sich analog und in Kontinuität zu Israel auf einen Zwölferkreis gründen kann. Da Judas aufgrund seines Verrats und des darauffolgenden Todes aus der Gruppe der von Jesus erwählten Zwölf ausgeschieden ist, muss sein Apostelamt laut Lukas neubesetzt werden. Diesen Vorgang begründet er mithilfe eines geistgewirkten Schriftbeweises, um dessen Notwendigkeit göttlich zu legitimieren. Das bedeutet, die Kontinuität der entstehenden christlichen Gemeinde zum Gottesvolk Israel ist nach lukanischer Darstellung durch das Wirken des Heiligen Geistes bereits in den Schriften Israels angelegt. Der Heilige Geist ist die maßgebende Instanz dafür, wie sich das Gottesvolk entwickelt, und zeigt die entscheidende Veränderung an, die darin besteht, dass sich in der Gemeinde Jesu das Gottesvolk neu konstituiert.157 Als Zeichen der Fortführung muss sich dieses ebenfalls auf einen Zwölferkreis gründen.158 1.3.2 Die Bedrängnis der Gemeinde Jesu (Apg 4,25) Ein zweites Mal nennt Lukas den Heiligen Geist im Zusammenhang mit einem Schriftwort in Apg 4,25 innerhalb des Gebets, das die erste Gemeinde Jesu in einer Situation schwerer äußerer Bedrohung, die mit einem Verkündigungsverbot einherging (vgl. Apg 4,8–21), anstimmt (Apg 4,24–30).159 Das Gebet160 beginnt mit der Berufung auf die Schöpferkraft Gottes (V.24b), the157
S. dazu I.3.3.1. Hier wird auch deutlich werden, welche Rolle Lukas dem Heiligen Geist bei der (Neu-)Definition des Gottesvolkes zuweist und inwieweit er die Kontinuität zu Israel und den Israel geltenden Verheißungen als gewahrt ansieht. 158 Deshalb muss diese Komplettierung des Zwölferkreises stattfinden, bevor die Gemeinde Jesu als Gottesvolk durch die initiatorische Geistesgabe an Pfingsten gebildet werden kann. 159 Zu der Perikope Apg 4,23–31 s. ferner I.3.1.2. 160 Diskutiert wird vielfach die Frage, ob Lukas dieses Gebet aus der Tradition übernommen oder selbst komponiert hat. Für ältere Überlieferung spricht, dass die christologischen Ausführungen in den Vv.24–28 für die Situation der Gemeindebedrängnis unangemessen scheinen. Außerdem tritt die im lukanischen Doppelwerk ungewöhnliche Nennung des Gottesprädikats δέσποτα (sonst nur Lk 2,29) auf; auch die negative Beurteilung von Pontius Pilatus und Herodes weicht von der sonstigen positiven lukanischen Darstellung der beiden ab (vgl. Lk 23,1–25). Vgl. DIBELIUS, Herodes und Pilatus, S. 123–126; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 85f.; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 189f. Allerdings wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die gesamte Perikope inklusive Gebet sehr deutlich lukanische Sprache aufweist (z.B. χρίω, ὁµοθυµαδόν, παρρησία, ἐπʼ ἀληθείας, βουλή) und das Gebet mit der Bitte zur Stärkung der Gemeinde in den Vv.29f. dem Kontext deutlich angepasst ist. Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 131f.; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 355; HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 225f.; FITZMYER, Acts, S. 306; DÖMER, Heil Gottes, S. 63–66. Daher muss zumindest von einer erheblichen lukanischen Bearbeitung des evtl. überlieferten Materials ausgegangen werden (möglicherweise in Anlehnung an ein
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matisiert im Hauptteil Gottes Vorherbestimmung der Bedrohung des Christus sowie die Erfüllung dieser Vorherbestimmung (Vv.25–28) und endet mit der Bitte, dass die Gemeinde den Bedrohungen mit Gottes Hilfe in Form von freimütiger Verkündigung, Zeichen und Wundern begegnen kann (Vv.29f.). Der Schriftbezug auf Ps 2,1–2161 dient innerhalb des Hauptteils als Beleg für die nach Gottes Ratschluss bestimmte Bedrohung des Christus (V.25b–26).162 Wie schon in Apg 1,16, so wird auch in der Einleitung zu diesem Schriftbeweis auf den Heiligen Geist verwiesen (V.25a). Allerdings ist dieser einleitende Teilvers zu dem Psalmenzitat (ὁ τοῦ πατρὸς ἡµῶν διὰ πνεύµατος ἁγίου στόµατος ∆αυὶδ παιδός σου εἰπών) grammatisch nicht eindeutig aufzulösen, da er keine klar erkennbare syntaktische Einheit darstellt. Den Rahmen des Teilsatzes bilden der Artikel ὁ und das dazugehörige Verb der Phrase, das im Partizip (εἰπών) steht und bestimmt wird durch das ebenfalls im Partizip formulierte Prädikat im vorangehenden Satz in V.24 (ποιήσας). Subjekt ist demnach der in der 2. Person Singular von der Gemeinde angesprochene Schöpfergott (σύ), der damit auch als Urheber des Psalmenwortes genannt ist. In der Mitte des Teilsatzes ist sodann der Heilige Geist mit διὰ πνεύµατος ἁγίου als dieses Gotteswort vermittelnde göttliche Instanz genannt.163 Zwischen dem äußeren Rahmen und der Satzmitte steht nun noch ein innerer Rahmen, i.e. das Hyperbaton τοῦ πατρὸς ἡµῶν […] στόµατος ∆αυὶδ παιδός σου („Mundes deines Knechtes David, unseres Vaters“). Es findet sich also hier – wie schon in Bezug auf das Psalmenzitat in Apg 1,16 – der Hinweis auf den „Mund Davids“.164 Zunächst liegt es nahe, davon auszugehen, dass er an dieser Stelle ebenfalls als Sprachrohr des Gotteswortes genannt ist. Allerdings fehlt die diese Vermittlung anzeigende Präposition διά direkt vor στόµατος ∆αυίδ, weshalb unklar bleibt, ob der Genitiv Schema alttestamentlicher Gebete wie das Gebet des Hiskia in Jes 37,15–20; 2. Kön 19,15–19). 161 Das Zitat in Apg 4,25f. entspricht dem Septuaginta-Text von Ps 2,1f. 162 Während das Psalmenzitat von Bedrohungen gegen den Herrn und „seinen Christus“ (χριστὸς αὐτοῦ) spricht (Apg 4,26), wird in der darauffolgenden Anwendung des Zitats in Apg 4,27 interessanterweise nicht das substantivische χριστός-Prädikat genannt, sondern Jesu Christus-Sein mit dem Verb χρίω beschrieben. Vgl. DÖMER, Heil Gottes, S. 68. Dass es sich bei dieser Beschreibung des Christus-Titels mithilfe des Verbgebrauchs um eine auf Jes 61,1 bzw. 58,6 beruhende, typisch lukanische Aussage handelt, mit deren Hilfe Lukas in Lk 4,18; Apg 10,38 den Christus-Titel von der Geistbegabung Jesu her erklärt, wird in I.2.1.4 dargestellt. 163 Im Unterschied dazu ist der Heilige Geist in Apg 1,16; 28,25 Subjekt des Redens; dies ist hier jedoch Gott selbst. 164 Anders als die in Apg 1,20 zitierten Psalmen 69 (68 LXX) und 109 (108 LXX) weist der hier relevante Psalm 2 allerdings keine Überschrift auf, die den Psalm David zuweist. Möglicherweise deutet dieser Hinweis auf David als Sprecher des Psalms 2 darauf hin, dass der Autor des lukanischen Doppelwerks „den gesamten Psalter davidischer Autorschaft zugeschrieben hat“ (RUSAM, Lukas, S. 267).
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στόµατος tatsächlich in diesem Sinne zu verstehen ist. ∆ιά steht in dem Teilvers jedoch lediglich vor der Erwähnung des Heiligen Geistes, der – wie dargestellt – ebenfalls als Vermittler des in der Schrift bezeugten Wortes eine Rolle spielt. Die Problematik des das Schriftzitat einleitenden Satzes liegt offensichtlich in dieser doppelten Vermittlung des von Gott als Subjekt gesprochenen Wortes, das einerseits durch den Mund Davids geredet wird, andererseits aber auch durch den Heiligen Geist.165 Lukas hätte beiden Vermittlern je ein διά voranstellen können, so wie es die Variante des westlichen Textes166 bietet, oder er hätte nur einen Vermittler nennen können, so wie sich der Mehrheitstext sowie die Minuskeln 614 und 1241 auf den „Mund Davids“ beschränken.167 Anscheinend wollte er jedoch die doppelte Gotteswort-Vermittlung aufzeigen, aber sie nicht als zweifachen Vorgang, sondern als Einheit begriffen wissen und konnte dies nur in der unübersetzbaren Phrase ausdrücken, die beide Aussagen zusammenbindet.168 „[Durch] diese übernatürliche Verbindung von göttlicher und menschlicher Aktivität [werden] sogar die grammatischen Regeln gesprengt“.169 Für den Zusammenhang der lukanischen Pneumatologie ist von Bedeutung, dass Lukas den Heiligen Geist hier als Vermittler des göttlichen Wortes, das die Bedrohung des Christus von außen vorherbestimmt, gekennzeichnet hat. Der Grund für diese lukanische Rückführung des Schriftwortes auf den Heiligen Geist ist in der Bedeutung zu suchen, die die mit Hilfe des Psalmenzitats getroffene Aussage für den Kontext hat. In Apg 4,23–31 wendet sich die Gemeinde wegen äußerer Bedrohung im Gebet an Gott. Innerhalb dieses Gebets dient das Wort aus Ps 2,1f. dazu, die Bedrohung des Christus als von Gott vorherbestimmt darzustellen und somit eine Analogie zum derzeitigen Ergehen der Gemeinde aufzuzeigen. Lukas führt auf diese Weise die äußere Bedrohung der Anhänger Jesu auf die Schicksalsgemeinschaft mit Christus zurück. Wenn die Gemeinde sich an Jesus Christus hält, dann gilt
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„It is God who speaks through David, but he does through or by means of the Holy Spirit“ (BONNAH, Holy Spirit, S. 249). 166 D ändert darüber hinaus noch an anderen Stellen, so dass die gesamte zu einem Relativsatz gewordene Einleitung des Schriftzitats dort lautet: ὅς διὰ πνεύµατος ἁγίου διὰ τοῦ στόµατος λαλήσας ∆αυὶδ παιδός σου. Mit kleineren Abweichungen bietet die syp ebenfalls diese Variante. 167 Eine weitere von 945 bezeugte Variante zieht das διά vor πατρός und ändert den Kasus des Heiligen Geistes in den Dativ zu πνεύµατι ἁγίῳ, wobei ergänzend die Präposition ἐν die Differenzierung zwischen David und dem in David noch wirkenden Heiligen Geist ausdrückt. Der in NTG28 gebotene Text weist allerdings mit den Zeugen 74, ℵ, A, B, E, Ψ, 33, 323, 1175, 1739 die beste äußere Bezeugung auf und ist darüber hinaus auch als schwierigere Lesart die wahrscheinlichere (lectio difficilior probabilior). 168 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 176. 169 BOVON, Geist, S. 232.
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auch für sie die in der Schrift vorhergesagte Bedrängnis Jesu und diese ist daher als wesentlicher Teil ihrer Bestimmung zu ertragen.170 Deutlich wird in Apg 4,27 darüber hinaus, dass die Bedrohungen zumindest zum Teil von durch Herodes und den Stämmen Israels repräsentierten Teilen des Gottesvolkes Israel selbst ausgehen. Der Widerstand eines Teiles Israels gegen Jesus und damit zusammenhängend gegen das neu konstituierte Gottesvolk wird auf den im Psalmenwort und damit im Gottesvolk Israel selbst wirkenden Heiligen Geist zurückgeführt und damit gerechtfertigt. Denn auf diese Weise wird die durch die Vorherbestimmung gegebene Notwendigkeit dieses Ergehens der entstehenden christlichen Gemeinde unterstrichen, in der der Heilige Geist nun wirksam ist171, weil sie nun das (neu definierte) Gottesvolk ist. Deshalb betet die Gemeinde auch nicht darum, aus der Bedrohung errettet zu werden, sondern darum, weiterhin mit Freimut ihrer Verkündigungstätigkeit nachgehen zu können172, wofür den Betenden noch einmal der Heilige Geist geschenkt wird (V.31).173 1.3.3 Das Evangelium auch für die Heiden (Apg 28,25) Der dritte Beleg dafür, dass der Heilige Geist als Sprecher von Schriftworten genannt ist, findet sich innerhalb der letzten Perikope der Apostelgeschichte; in dieser berichtet Lukas vom Aufenthalt des Paulus in der Welthauptstadt Rom (Apg 28,17–31). Im Zentrum dieser Perikope steht eine zweifache Begegnung des Paulus mit Juden. Zunächst bittet Paulus die Führer der stadtrömischen Juden zu sich und erklärt ihnen, wieso er auf Veranlassung der Jerusalemer Juden als Gefangener der Römer in die Welthauptstadt gebracht worden ist (Vv.17–20). In diesem Zusammenhang beteuert er, nichts gegen sein jüdisches Volk getan zu haben und für die Hoffnung Israels einzustehen. In den Vv.21f. antworten die Juden, dass sie von Glaubensgeschwistern bisher nichts Schlechtes über Paulus gehört haben, dass sie aber die von ihm vertretene Sache hören wollen, von der sie bisher lediglich wissen, das ihr überall widersprochen wird. Die daraufhin für die Evangeliumsverkündigung des Paulus angesetzte zweite Begegnung mit den Juden wird unmittelbar anschließend in den Vv.23–28 erzählt. Lukas berichtet davon, dass einige den in der Predigt des Paulus gemachten Aussagen zustimmen, andere aber nicht glauben (V.24). Solchermaßen untereinander uneins verlassen sie Paulus (V.25a), nachdem dieser zuvor noch mit Blick auf diesen Zwiespalt unter den Juden das aus Jes 6,9–10174 stammende und an die Väter gerichtete Schrift170
Vgl. SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 142. Vgl. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 169. 172 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 355. 173 Zur Deutung dieser Geistesgabe s. I.3.1.2. 174 Das von Lukas gebotene Zitat weist im Vergleich zum Septuaginta-Text eine leicht differierende Einleitung auf: Statt πορεύθητι καὶ εἰπὸν τῷ λαῷ τούτῳ (Jes 6,9 LXX) 171
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wort von der Verstockung des Gottesvolkes angeführt und es als „trefflich“ (καλῶς) bezeichnet hat. Diesem Schriftwort zufolge werden die, über die gesprochen wird, also in diesem Kontext die Juden in Rom, aufgrund ihrer Verstockung nicht sehen, nicht hören und nicht verstehen, so dass sie sich nicht zu Gott bekehren und dieser sie nicht heilen kann (Vv.26f.). Als Folge (οὖν) der Erfüllung des Schriftwortes teilt Paulus den versammelten Juden in Rom mit, dass den Heiden das Heil Gottes gesandt ist und diese es auch hören werden (V.28). Für die lukanische Pneumatologie relevant ist, dass das Jesaja-Zitat innerhalb dieser abschließenden Rede an die Juden in Rom vom lukanischen Paulus auf den Heiligen Geist zurückgeführt wird (Apg 28,25). Der Heilige Geist ist an dieser Stelle, wie schon in Apg 1,16, Subjekt des Redevorgangs, spricht aber auch hier nicht direkt, sondern durch den Propheten Jesaja. Diese Mittlerschaft des Jesaja für die Rede des Geistes wird wiederum durch die Präposition διά ausgedrückt, vom „Mund des Jesaja“ analog der oben erwähnten Nennung des „Mundes Davids“ ist jedoch nicht die Rede. Mit dem Verweis auf den Heiligen Geist als Urheber des Verstockungswortes gewinnt dieses größere göttliche Autorität, als wenn es lediglich auf den Propheten Jesaja zurückgeführt würde. Auch die von Paulus geäußerte Bewertung des Schriftwortes mit καλῶς („trefflich“) wird göttlich legitimiert und in der Konsequenz ebenfalls die von Paulus aus dem Verstockungswort gezogene Schlussfolgerung, dass das Heil auch für die Heiden bestimmt ist und sie es hören werden. Mit dieser Legitimierung des Verstockungswortes durch den Heiligen Geist kann der lukanische Paulus im unmittelbaren Kontext der beschriebenen Missionssituation in Rom die Tatsache erklären, dass auch in der Welthauptstadt Teile des jüdischen Volkes die Botschaft vom in Jesus Christus gekommenen Heil Gottes ablehnen175 und dass andererseits Heiden die Botschaft hören. Das geistgewirkte Schriftwort rechtfertigt mit göttlicher Autorität, dass die Evangeliumsverkündigung des Paulus nicht nur an die Juden, sondern auch an die Heiden erfolgt. Daraus ergibt sich, dass Gott sein Heil schriftgemäß nicht nur zu den Juden gesandt hat, sondern auch zu den Hei-
heißt es in Apg 28,26 πορεύθητι πρὸς τὸν λαὸν τοῦτον καὶ εἰπόν. Außerdem fehlt in Apg 28,27 das Pronomen αὐτῶν zu ὠσίν. Die lukanischen Änderungen können möglicherweise auf stilistische Verbesserungen oder versehentliche Auslassungen zurückgehen. Vgl. RUSAM, Lukas, S. 437f. Da ansonsten der Wortlaut mit dem Septuaginta-Text übereinstimmt, ist dieser als Vorlage anzunehmen. Vgl. auch BONNAH, Holy Spirit, S. 253; HOLTZ, Zitate bei Lukas, S. 34. 175 Durch den Verweis darauf, dass nur ein Teil der Juden die Evangeliumsbotschaft ablehnt, wird auf der anderen Seite von Lukas betont, „dass auch in Rom […] eine Gruppe aus den Juden existiert, die zum Glauben an Jesus Christus kommt“ (SCHAEFER, Zukunft Israels, S. 348).
1.3 Vorherbestimmung in den Schriften Israels
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den.176 Dabei geht es letztlich darum, dass sich das Gottesvolk in neuer Weise definiert. Denn mit der Ausweitung der Verkündigungstätigkeit auf die Heiden tritt eine Veränderung im Verständnis dessen ein, was Gottesvolk heißen soll. Nicht mehr die Zugehörigkeit zu Israel ist ausschlaggebend, sondern das Bekenntnis zu Jesus Christus. Dieses Gottesvolk der Gemeinde Jesu wird daher aus Juden und Nichtjuden bestehen, wobei durch die Juden die Kontinuität zu Israel gewährleistet wird. Diese Perikope bildet im weiteren Kontext der Apostelgeschichte den Endpunkt einer Folge von Ereignissen, die Lukas als Entwicklung der Missionstätigkeit der Gemeinde schildert, bei der eben diese Erkenntnis wächst, dass das Heil nicht nur zu den Juden, sondern auch zu den Heiden gesandt ist. An keiner Stelle stellt Lukas dar177, dass das Heil generell für die Juden verloren geht.178 Auch wenn stets deutlich wird, dass nicht das ganze Volk Israel sein Heil in Jesus annimmt, so bleibt es dennoch Empfänger der Evangeliumsbotschaft, so wie es auch die geschilderte Szene der Mission des Paulus in Rom zeigt. Dass der Heilige Geist nach lukanischer Darstellung als lenkende Instanz bei der Ausrichtung der Mission auch hin zu den Heiden in entscheidender Weise mitgewirkt hat, zeigen Stellen wie Apg 8,29.39; 10,19; 11,12; 15,28; 16,6f.; 19,21; 20,22.179 Das geistgewirkte Schriftwort in Apg 28,25 bestätigt in diesem Sinn am Ende der von Lukas dargestellten Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde, dass es sich um eine richtige, weil göttlich autorisierte Entwicklung handelt. Die Öffnung und gleichzeitige neue Definition des Gottesvolkes war bereits in den Schriften Israels angelegt, weil der Heilige Geist dies schon zur Zeit Israels angekündigt und damit gleichzeitig vorherbestimmt hat. Dass das Gottesvolk nun aus Juden wie Heiden gleichermaßen besteht, wurde auf diese Weise durch den Heiligen Geist legitimiert. Ergebnis Im Vorangehenden wurde dargestellt, dass Lukas drei Schriftworte mit dem Heiligen Geist verbunden hat. Diese Stellen entstammen alle dem zweiten
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Vgl. MARGUERAT, Juden und Christen, S. 243. Wie in Apg 28,25–28 wird zuvor in Apg 13,46; 18,6 der Ärger des Paulus über die seine Botschaft ablehnenden Juden deutlich. Trotzdem wendet sich Paulus mit seiner Verkündigung immer wieder zuerst an die Juden, wie auch zuletzt bei seinem Aufenthalt in Rom. Vgl. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 363f.; 459f. 178 Die in Apg 28,26f. benannte Verstockung ist „als eine Phase der Heilsgeschichte, die der Hinzunahme der Heiden dient, die endgültige Erfüllung der Hoffnungen Israels jedoch nicht abrogiert“ zu betrachten (SCHRÖTER, Heil, S. 305). Anders jedoch HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 691f. im Anschluss an Apg 28,28; CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 149. 179 S. dazu I.3.2. 177
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Teil des lukanischen Doppelwerks, im Lukas-Evangelium ist also kein Beleg für die explizite Geist-Urheberschaft von Schriftzitaten zu finden. Es ist auffällig, dass die Belege in Apg 1,16 und Apg 28,25 eine Inklusion der Apostelgeschichte und damit der von Lukas erzählten Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde bilden.180 Dabei haben diese beiden geistgewirkten Schriftzitate, die die Inklusion bilden, ein gemeinsames Thema: die sich als Gottesvolk neu konstituierende christliche Gemeinde und ihr Verhältnis zum Gottesvolk Israel.181 Sowohl in der Perikope von der Komplettierung des als Kern der christlichen Gemeinde anzusehenden Zwölferkreises als auch in der Abschlussperikope von der Evangeliumsverkündigung des Paulus an Juden und Heiden zeigt Lukas auf, dass sich die christliche Gemeinde als Gottesvolk in Kontinuität mit Israel verstehen muss.182 Denn dies ist bereits durch den Heiligen Geist in den Heiligen Schriften Israels vorherbestimmt worden, d.h., es ist der Heilige Geist, der nach Lukas die Gemeinde Jesu in die unkündbare Verbindung zu Israel stellt. Für das Gottesvolk Israel, in dem der Heilige Geist diese Schriftworte bewirkt hat, bedeutet dies, dass durch das Wirken des Heiligen Geistes schon in ihm eine Veränderung angelegt ist und sich nunmehr anbahnt: Das Verständnis dessen, was Gottesvolk heißen wird, wird sich verschieben und sich auf das Bekenntnis zu Jesus Christus gründen; damit wird die Heilsbotschaft, so sehr sie weiterhin den Juden gelten wird, auch an die Heiden gerichtet sein. Die Entwicklung dieser Neukonstituierung des Gottesvolkes ist nach lukanischer Darstellung vom Heiligen Geist vorhergesagt und damit als unausweichlich bestimmt. Das dritte auf den Heiligen Geist zurückgeführte Schriftwort (Apg 4,25) fügt sich ebenfalls in diese Thematik der christlichen Gemeinde als Gottesvolk ein. Es geht bei dieser Stelle um ein Ergehen, das für die entstehende christliche Gemeinde nach der Schilderung des Lukas an der Tagesordnung war: die stete Bedrohung durch äußere Mächte und sogar durch Vertreter des Gottesvolkes Israel. Indem auch dieser bedrohliche Zustand des Gottesvolkes in Analogie zur Passion Christi als bereits in den Schriften Israels durch den Heiligen Geist geweissagt und damit der Bestimmung entsprechend gekennzeichnet wird, wird das geschilderte Geschehen als dem sich neu konstituierenden neuen Gottesvolk zugehörig angesehen.
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Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 213. „This depiction of the Spirit as active in David or Isaiah enables Luke to relate the story that he is writing to the Period of Israel of old“ (FITZMYER, Spirit, S. 172). 182 Vgl. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 158. 181
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Fazit: Das Gottesvolk Israel zwischen Vorbereitung und Veränderung Fazit: Das Gottesvolk Israel zwischen Vorbereitung und Veränderung
Die vorangegangenen Erörterungen zu der Bedeutung, die Lukas dem Heiligen Geist in Bezug auf Johannes den Täufer, die Gerechten Israels in Gestalt von Elisabeth, Zacharias und Simeon sowie hinsichtlich bestimmter Schriftworte zuweist, haben gezeigt, dass der Geist auf sehr verschiedene Weise im und für das Gottesvolk Israel waltet, dabei verschiedene Funktionen hat und Auswirkungen zeigt. Johannes der Täufer wird durch seine ihn vom Mutterleib an prägende Geistbegabung, die keinem anderen je zuvor zuteilwurde, aus seinem Volk Israel herausgehoben. Diese außergewöhnliche Geistesgabe hat ihre Berechtigung in der besonderen Aufgabe, die Johannes erhält, i.e. Israel auf das Kommen Gottes hinzuweisen und vorzubereiten. Nach Lukas ist es eben der Heilige Geist, der für diesen Auftrag des Johannes ausschlaggebend ist: Er ,beruft‘ ihn gleichsam zum Propheten für Israel in der Nachfolge des Elia und stattet ihn mit der nötigen Stärke und Macht aus, um sein Volk zur Umkehr zu rufen. Zwar schon vom Mutterleib an mit dem Geist erfüllt, muss er jedoch erst durch den Geist erstarken, um seinen Auftrag für Israel schließlich ausführen zu können. So außergewöhnlich sein durch den Geist gegebenes Prophetenamt aber auch ist, so evident wird nach lukanischer Darstellung ebenfalls anhand des Heiligen Geistes, dass Johannes nicht der Christus ist, den Israel als Heilsbringer erwartet. Denn Johannes kommt nicht das Vermögen zu, den Heiligen Geist an andere zu vermitteln und diesen damit Heil zu schenken. Dieses Vermögen besitzt erst der nach ihm kommende Stärkere, der als Christus identifiziert wird, mittels seiner Geisttaufe. Denn dieser – selbst der einzigartige Geistträger – ist zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt und kann daher das durch den Geist gegebene Heil an andere weitergeben. Die Wassertaufe des Johannes kann daher zwar nicht Heil bringen, sie kann aber in entscheidender Weise ihre Empfänger zu dem bevorstehenden Erscheinen des Heils hinführen. Diese Möglichkeit, sich an den Propheten Johannes zu halten und sich – dessen Umkehrruf folgend – auf das Heil ausrichten zu können, erhält laut Lukas exklusiv das Gottesvolk Israel durch das Wirken des Heiligen Geistes. Zugleich zeigt Lukas an Elisabeth, Zacharias und Simeon exemplarisch auf, dass den Gerechten Israels die Gabe des Heiligen Geistes ebenfalls zuteilwird, damit sie das ihnen geltende und von Gott geschenkte Heil selbst erkennen können. Diesen drei Figuren wird das Heilsgeschehen direkt durch den Heiligen Geist offenbart, was bedeutet, dass sie sich des in Jesus ereignenden Geschehens gewiss werden, ohne dass sie von Johannes dem Täufer
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darauf vorbereitet worden sind.183 Dieser Auftrag des Johannes gilt eben nicht den Gerechten Israels, die schon zugerüstet sind für die kommende Rettung. So wirkt der Heilige Geist für diejenigen in Israel, die noch nicht Gott zugewandt leben, in ihrem Propheten Johannes, die anderen bewegt er als Zeichen ihrer intakten Gottesbeziehung unmittelbar. Diese Gerechten erhalten durch das vom Heiligen Geist ermöglichte Erkennen Anteil am Heilsgeschehen und können dieses gleichzeitig bezeugen, indem sie Gott für sein Heil loben. Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Wirkungen des Heiligen Geistes innerhalb des Gottesvolkes Israel an Johannes dem Täufer einerseits und den Gerechten andererseits, dass sie beide auf Jesus hinweisen bzw. auf das in ihm sich ereignende Heil bezogen sind.184 Die Funktion des Heiligen Geistes im Gottesvolk ist damit nach der Darstellung des Lukas stets auf Jesus als Heilsbringer, der er als einzigartiger Geistträger ist, ausgerichtet. Anhand der Geistbegabten Israels wird der Übergang zum in Jesus kommenden Heil deutlich. Hinzukommend macht der Heilige Geist offenbar, dass Gottes Heilshandeln zuvörderst Israel gilt, da der Geist zu dieser Zeit in keinem anderen Volk waltet und nur Israel Zugehörige daran teilhaben. Dieser Zusammenhang wird auch von dem geistbegabten Simeon im Angesicht des Jesuskindes verkündet: Die Partizipation am Heil ist zunächst für Israel bereitet und wird erst von dort aus auch zu den Heidenvölkern kommen. Diese vorrangige Stellung Israels zum Heil wird durch die Bedeutung des Heiligen Geistes für Israel von Lukas anschaulich gemacht. Eine andersgeartete Funktion weist der auctor ad Theophilum dem Heiligen Geist zu, wenn er ihn als Urheber von drei Schriftworten kennzeichnet. Indem in der Folge der Bezug zwischen den entsprechenden Schriftworten und den Vorgängen um die Komplettierung des Zwölferkreises, die Bedrohung der christlichen Gemeinde sowie der Nichtannahme der Evangeliumsbotschaft durch einen Teil Israels bei gleichzeitiger Verkündigung an die Heiden hergestellt wird, werden diese Ereignisse der Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde als schon innerhalb Israels vorausgesagt und göttlich autorisiert dargestellt. Diese Geschehnisse sind in die Thematik der Neukonstituierung des Gottesvolkes einzuordnen, insofern die Zwölf – in Anlehnung an die zwölf Stämme Israels – den Kern der Gemeinde Jesu als neu definiertes Gottesvolk bilden, das leidvolle Ergehen dieses Gottesvolkes auch durch den Widerstand seitens Teilen Israels zustande kommt und es um die Zusammensetzung des Gottesvolkes aus Juden wie Heiden als Empfänger
183 Elisabeth wird durch den in ihrem Mutterleib hüpfenden Johannes lediglich auf ihren Herrn Jesus Christus hingewiesen. Sie braucht nicht die Taufe des Johannes zur Umkehr hin zur Sündenvergebung. 184 Vgl. auch SIEBER, Spirit, S. 273; FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 235, Anm. 96.
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des Heils geht. Letzteres hat bereits Simeon durch seine Begabung mit dem Heiligen Geist erkennen und bekanntmachen können.185 Indem Lukas diesen Vorgang als durch den Heiligen Geist in den Schriften Israels vorherbestimmt kennzeichnet, legitimiert er diese neue Definition des Gottesvolks als aus Israel selbst kommend und in ihm angelegt. Das Wirken des Heiligen Geistes stellt damit Israel und die Gemeinde Jesu in einen Erfüllungszusammenhang, der die Kontinuität von Israel und Gemeinde garantiert. Der Heilige Geist führt an dieser Stelle diejenigen, an denen er wirkt, nicht zum Heil hin, wie dies bei Johannes und den exemplarischen Gerechten der Fall war, sondern er bestimmt, wer zu den Empfängern des Heils gehören soll und wie die Heilsgemeinschaft aussehen wird. Insgesamt bedeutet der Heilige Geist für Israel folglich zum einen die privilegierte Vorbereitung auf das Heil, da das exklusive Geistwirken dieses Volk vor allen anderen zum Heil hinführt. Zum anderen zeigt der Heilige Geist auch an, dass sich das Verständnis dessen, was Heilsgemeinschaft heißen wird, nicht an der Frage der Zugehörigkeit zu Israel, sondern zu dem Geistträger Jesus entscheiden wird. Die Heilsgeschichte, für die Lukas den Heiligen Geist als ausschlaggebend kennzeichnet, beginnt mit dem Walten des Geistes in Israel, weist gleichzeitig aber über die Begrenzung auf Israel hinaus.
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Zur diesbezüglichen Verbindung vom Lied des Simeon und der Apostelgeschichte vgl. RADL, Beziehungen, S. 304.312.
2 Jesus und der Heilige Geist Die zweite Wirkungsepoche des Heiligen Geistes im lukanischen Doppelwerk umfasst den Zeitraum des außergewöhnlichen Geistwirkens, das auf Jesus bezogen ist. Die Erwähnungen des Heiligen Geistes, an denen dieser Funktionen und Auswirkungen für Jesus hat, lassen sich gliedern in Belege, die den Geist als Jesu Sein und Wirken bestimmend kennzeichnen (Lk 1,35; 3,22; 4,1.14.18; 10,21; Apg 1,2; 10,38), und in Belege, aus denen hervorgeht, dass Jesus bei der Austeilung des Geistes an seine Gemeinde beteiligt ist (Lk 11,13; 12,12; 24,49; Apg 1,5.8; 2,33). Die nachstehenden Ausführungen zu Jesus und dem Heiligen Geist folgen dieser Zweiteilung, indem zunächst die Bedeutung der Jesus eigenen Geistträgerschaft dargestellt und anschließend seine Vermittler- und Verwalterrolle in Bezug auf den Geist erörtert wird.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus 2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
Jesus ist nach der Darstellung des Lukas der einzigartige Geistträger. Dies wird im Doppelwerk an verschiedenen Stellen deutlich, wobei diese auffallender Weise vorwiegend in den ersten Kapiteln des Lukas-Evangeliums zu finden sind. Bei der chronologischen Bearbeitung dieser Stellen aus dem Evangelium, denen die beiden Belege aus der Apostelgeschichte thematisch zugeordnet werden, wird sich zeigen, inwiefern der auctor ad Theophilum mithilfe zahlreicher redaktioneller Eingriffe sukzessive die fundamentale Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesu Sein und Wirken entwickelt. 2.1.1 Die wesenhafte Geistprägung Jesu (Lk 1,35) Die erste Stelle im lukanischen Doppelwerk, an welcher der Heilige Geist in Bezug auf Jesus genannt wird, findet sich gleich im Rahmen der ersten Perikope, die im Lukas-Evangelium von Jesus handelt, i.e. die Ankündigung der Geburt Jesu durch den Engel Gabriel1 an Maria (Lk 1,26–38).2 1
Derselbe Engel Gabriel hatte nach Lukas bereits dem Zacharias die Geburt des Johannes verheißen (Lk 1,11.19).
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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Diese Perikope kann gegliedert werden zum einen in einen Rahmen, der in den Vv.26–28a von dem Kommen und in V.38b vom Fortgang des Engels Gabriel zu bzw. von Maria berichtet. Zum anderen wird im Kern der Perikope, in den Vv.28b–38a, geschildert, dass und wie der Engel Gabriel Maria die Geburt eines Sohnes verheißt, den sie Jesus nennen soll (V.31). Für die Frage nach der auf Jesus bezogenen Bedeutung des Heiligen Geistes sind innerhalb des Gespräches, das der Engel zu diesem Zweck mit Maria führt3, die die angekündigte Geburt hinterfragende Äußerung Marias und die darauffolgende Antwort des Engels in den Vv.34–35 maßgeblich. In V.34 fragt Maria den Engel danach, wie das, was er ihr verheißen hat, d.h. ihre Schwangerschaft, geschehen kann. Die von Maria in Bezug auf die Schwangerschaft geäußerten Zweifel beruhen auf der Tatsache, dass sie noch keinen Mann kennt, was bedeutet, dass sie noch mit keinem Mann sexuellen Kontakt hatte. Bereits zu Beginn der Perikope in V.26 wurde über Maria als die Adressatin der Sendung des Engels berichtet, dass sie noch eine Jungfrau ist, auch wenn sie bereits mit Josef verlobt ist.4 Diese Jungfräulichkeit zeigt die unter normalen Umständen gegebene Unmöglichkeit einer Schwangerschaft Marias. Daher sagt Maria mit ihrer Frage aus, dass sie auf natürlichem Wege nicht schwanger geworden sein kann und dass – da Josef sie noch nicht zu sich genommen hat – damit in naher Zukunft nicht zu rechnen ist.5 Gleichzeitig sind mit Marias Frage Interpretationsschwierigkeiten für den Exegeten verbunden, denn Gabriel hatte nichts Explizites über den genauen Zeitpunkt der Schwangerschaft der Maria gesagt6, und die Tatsache, dass Maria bereits verlobt ist, weist darauf hin, dass eine Schwangerschaft in absehbarer Zeit nicht unwahrscheinlich ist.7 Diesbezüglich hat Gewieß gezeigt, dass eine solche Frage, wie sie Maria in V.34 stellt, im lukanischen Doppelwerk häufig als literarisches Stilmittel auftritt (vgl. z.B. Lk 13,23; 17,37; Apg 8,34; 16,30), um dem Leser wichtige Zusammenhänge zu verdeutlichen – in diesem Fall die in V.35 gegebene, unten zu erörternde Information über die geistgewirkte Empfängnis der Jungfrau.8 Daher hat die Frage der Maria in 2 Zur Gattung der Geburtsankündigung s. I.1.1.1. Auch in Lk 1,26–38 finden sich typische Elemente einer Geburtsankündigung: der Engel als göttliche Erscheinung (Vv.26.30.34f.38); das Erschrecken des Adressaten (V.29); die himmlische Botschaft über das Kind (Vv.30–33.35); ein Einwand des Adressaten (V.34); ein Zeichen oder eine Versicherung (V.36). 3 Der genannte Kern der Perikope in den Vv.28b–38a besteht aus einem Dialog zwischen dem Engel (Vv.28b.30–33.35–37) und Maria (Vv.29.34.38). 4 Vgl. dazu BOVON, Lukas 1, S. 73. 5 Vgl. LANDRY, Narrative Logic, S. 78. 6 Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 50. 7 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 92. 8 Vgl. GEWIESS, Marienfrage, S. 243–254. Die Frage in V.34 „ist also mit Rücksicht auf die Leser gestellt und im Hinblick auf V.35 formuliert, dient somit als Wegweiser zum
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V.34 einen zweifachen Sinn: Sie ist sowohl als Auskunft darüber zu verstehen, dass ihre Schwangerschaft nicht auf natürlichem Wege zustande kommt9, als auch als Frage danach, wie der übernatürliche Weg aussehen wird. Der direkt anschließende Vers Lk 1,3510 ist eindeutig als Antwort des Engels Gabriels auf diese Frage der Maria gekennzeichnet (ἀποκριθείς).11 Dieser Bezug zeigt, dass es in V.35 um das Zustandekommen der Schwangerschaft der Maria geht12, wozu ihr Folgendes mitgeteilt wird: „Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten; deshalb wird auch das Gezeugte heilig genannt werden, Sohn Gottes“ (Πνεῦµα ἅγιον ἐπελεύσεται ἐπὶ σέ καὶ δύναµις ὑψίστου ἐπισκιάσει σοι· διὸ καὶ τὸ γεννώµενον ἅγιον κληθήσεται υἱὸς θεοῦ). Diese Aussage besteht aus drei Teilen, von denen die ersten beiden in einem Parallelismus gestaltet sind und der dritte Teil durch διὸ καί als sich aus dem Parallelismus ergebende Folge gekennzeichnet ist. Das Stilmittel des Parallelismus in den ersten beiden Versteilen lässt sich folgendermaßen darstellen: Πνεῦµα ἅγιον (a) δύναµις ὑψίστου (a)
ἐπελεύσεται (b) ἐπισκιάσει (b)
ἐπὶ σέ (c) σοι (c)
Zwei Beobachtungen weisen darauf hin, dass es sich hier um einen synonymen Parallelismus13 handelt: Die sich damit ergebende Gleichsetzung von πνεῦµα und δύναµις tritt im lukanischen Doppelwerk auch an anderen Stel-
vollen Verständnis der Engelsbotschaft“ (ebd., S. 253). Vgl. auch SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 49f.52; ELBERT, Observation, S. 104. 9 Vgl. BROWN, Birth, S. 308. 10 Da sich – wie die folgenden Ausführungen zeigen werden – in V.35 zahlreiche typisch lukanische Wendungen und Vorzugsworte (πνεῦµα, δύναµις, ὕψιστος, ἐπέρχοµαι, ἐπισκιάζω) finden, ist dieser Vers zu Recht auf die redaktionelle Tätigkeit des Lukas zurückgeführt worden, auch wenn Mt 1,18.20 zeigt, dass Lukas bei seiner Darstellung mit hoher Wahrscheinlichkeit die Tradition der Empfängnis der Jungfrau Maria durch den Geist genutzt hat. Vgl. zur redaktionellen Tätigkeit des Lukas ausführlich SCHNEIDER, Empfängnis, S. 91f.; auch JEREMIAS, Sprache, S. 51. Anders jedoch TURNER, Power, S. 157, Anm. 57; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 55. 11 Dass Lk 1,34f. eng zusammen gehören, hat Schneider gezeigt, der die „redaktionelle Einheit“ der Verse betont (SCHNEIDER, Lk 1,34.35, S. 255–259). 12 Vgl. auch TURNER, Power, S. 57. Unentschlossen ist an dieser Stelle hingegen Wolter, der einerseits V.35 zwar als „die erbetene Erklärung“ identifiziert, andererseits diese nicht auf die von Maria gestellte Frage, sondern auf den Status des Kindes (V.35d) bezogen wissen will. Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 92. 13 Vgl. RADL, Ursprung, S. 328; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 52; WOLTER, Lukasevangelium, S. 92.
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len auf (Lk 1,17; 24,49 par. Apg 1,5.8; Apg 10,38)14 und entspricht damit lukanischem Gedankengut. Hinzu kommt, dass die Verben in beiden Teilen des Parallelismus einen Vorgang beschreiben, der „über“ (ἐπί-) Maria geschehen wird, so dass von einer äquivalenten Vorstellung ausgegangen werden kann. Dieser synonyme Parallelismus enthält, wie gezeigt, die Antwort auf die Frage der Maria, auf welche übernatürliche Weise ihre von dem Engel verheißene Schwangerschaft zustande kommen soll. Es ist Lukas zufolge der als Kraft des Höchsten bezeichnete Heilige Geist, der vom Engel als für die Entstehung des Kindes Jesus ausschlaggebend genannt wird.15 Die Gleichsetzung von πνεῦµα ἅγιον mit δύναµις ὑψίστου zeigt dabei an, wie Lukas den Heiligen Geist und seine Funktion bei der Empfängnis an dieser Stelle verstanden wissen will. Der Heilige Geist ist demnach als eine Kraft aufgefasst, die – wie das Genitivattribut ὑψίστου verdeutlicht – von dem Höchsten kommt. Dieses die δύναµις als eine göttliche bestimmende Genitivattribut verweist auf typisch lukanische Redeweise, denn der Autor des lukanischen Doppelwerks ist innerhalb der neutestamentlichen Schriften der einzige, der das Gottesepitheton ὕψιστος in substantivierter Form zur Bezeichnung Gottes verwendet (Lk 1,32.76; 6,35; Apg 7,48).16 14
Zu diesem synonymen Gebrauch bzw. der interpretierenden Zusammenstellung von πνεῦµα und δύναµις s. II.1.2.1. 15 Manche Ausleger verneinen diesen Bezug, indem sie die Bedeutung des Heiligen Geistes nur auf Maria bezogen wissen wollen. So wirke der Geist an Maria, um das Umfeld der Entstehung des Kindes zu schützen. Vgl. MAINVILLE / VOGEL / VOUGA, Christologie, S. 67. OLIVER, Lukan Birth Stories, S. 224f., meint, allein eine solche Sichtweise füge sich in die dem Geist ansonsten im lukanischen Doppelwerk, speziell in der Vorgeschichte, zugeschriebene Wirkung ein, wobei er – wie diese Arbeit deutlich machen will – übersieht, dass Lukas dem Heiligen Geist sehr unterschiedliche Bedeutungen zuweisen kann. Menzies will in Lk 1,35 zuvörderst die δύναµις ὑψίστου auf die Entstehung des Kindes bezogen wissen, wohingegen das πνεῦµα ἅγιον vor allem zu der Inspiration der Maria in Bezug auf ihr Loblied in Lk 1,46–55 gehöre und nur „in a less direct way to the miraculous birth“ (MENZIES, Pneumatology, S. 128). In diesem Zusammenhang ist auch die Position Mainvilles zu erwähnen, nach der Lk 1,35 lediglich als Ankündigung der nachösterlichen messianischen Wirksamkeit Jesu zu verstehen ist, die sich laut Apg 2,33 dadurch erfüllt, dass Jesus den Geist erhält und an seine Jünger vermittelt. Vgl. MAINVILLE, Messianisme. Problematisch erscheint vor allem die mit dieser Position einhergehende Degradierung der Ereignisse bei der Taufe Jesu zur Einsetzung in sein prophetisches Wirken ohne Bezug zu messianischer Bedeutung. Vgl. ebd., 316. Dagegen zeigt diese Arbeit, dass nach Lukas schon Jesu irdische Wirksamkeit in der Weise vom Geist bestimmt ist, dass Jesus bereits zu diesem Zeitpunkt Messias bzw. Christus ist (besonders Lk 4,18f.; Apg 10,38). 16 In Mk 5,7 und Hebr 7,1 findet sich mit ὁ θεός ὁ ὕψιστος darüber hinaus lediglich die adjektivische Verwendung des Wortes in Bezug auf Gott (vgl. auch Lk 8,28; Apg 16,17). Das Gottesprädikat stammt aus der Septuaginta, in der damit (vorwiegend) das hebräische !Ayl.[, übersetzt wird (z.B. Num 24,16; Dtn 32,8; 2. Sam 22,14). Bei Betrachtung
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In diesem Zusammenhang erschließt sich die Wirkung, die dieser von Gott ausgehenden Geisteskraft17 zugeschrieben wird: Da es in V.35, wie der Bezug zu V.34 zeigt, um die Entstehung des Kindes der Maria geht, muss es sich hier um eine Tätigkeit des Heiligen Geistes handeln, die eben zu dieser Kindes-Entstehung hinführt. Man kann daher sagen, dass der Heilige Geist in Lk 1,35 eine Art schöpferische Gotteskraft ist18, die von Gott stammt und die nach lukanischer Darstellung für Jesu Existenz verantwortlich ist. Allerdings handelt es sich doch um mehr als ein bloßes Schöpfungsgeschehen, da der Heilige Geist geradezu eingeht in Jesu Existenz und somit dieser Geist die Involviertheit Gottes in die Entstehung des Kindes der Maria ausmacht. Es geht folglich um einen die natürliche Zeugung ersetzenden Vorgang. Allerdings muss in Bezug darauf betont werden, dass Lukas durch die Identifizierung des Heiligen Geistes als δύναµις vermeidet, dass der Geist in personaler Weise als „heiliges Geistwesen nach Art der Engel oder Dämonen“19 angesehen werden kann, das in körperlichem Sinn in sexueller Vereinigung an dem Entstehen Jesu beteiligt ist.20 Dass Lukas dem Heiligen Geist als Kraft jedoch die Funktion zuschreibt, für die Existenz Jesu verantwortlich zu sein, kann nicht bezweifelt werden, auch wenn die konkrete Vorstellung dieses Zeugungsgeschehens nicht geschildert wird und daher unbekannt bleibt. Es geht um die „göttliche Ursächlichkeit der Empfängnis“21, für die der Heilige Geist ausschlaggebend ist.22
der spezifisch lukanischen Rede von Gott als ὕψιστος wird eine „soteriologische Neuqualifikation“ erkennbar (FELDMEIER, Gottesprädikat, S. 560). „Auf das Prädikat des Höchsten rekurriert der Evangelist nicht, um einen überlegenen Gott der Niedrigkeit der Menschen entgegenzusetzen, sondern vom ὕψιστος spricht er (bis auf die bewusste Ausnahme in Apg 7,48) im Genitiv, um die Zugehörigkeit von Menschen zu ihm und dessen Verbundenheit mit diesen zu betonen“ (ebd.). 17 Es findet sich im lukanischen Doppelwerk keine gleichbedeutende Aussage hinsichtlich einer derartigen Wirkung des Heiligen Geistes, lediglich eine nahezu parallele Nennung dieser Gotteskraft in Lk 24,49 (ἐξ ὕψους δύναµις). Auch an dieser Stelle ist die „Kraft aus der Höhe“ mit dem Heiligen Geist gleichgesetzt (vgl. Apg 1,5.8). Sie bezeichnet hier allerdings keinen Entstehungsprozess, wohl aber ebenfalls ein Anfangsgeschehen, insofern es um die Ankündigung der Grundausstattung der Gemeinde Jesu mit dem Heiligen Geist geht. S. dazu I.2.2.2. 18 Vgl. TATUM, Epoch, S. 187; auch SHEPHERD, Holy Spirit, S. 120. 19 BÜCHSEL, Geist Gottes, S. 198. 20 „Wohl greift der göttliche Geist unmittelbar ein und es wird eine Empfängnis unter Ausschaltung des Mannes bewirkt, aber nicht so, daß die heidnische Vorstellung eines ἱερὸς γάµος aufgenommen wäre und der übernatürliche Same an die Stelle des natürlichen träte, sondern daß durch die schöpferische Macht Gottes eine Zeugung ohne jeden Samen ermöglicht wird“ (HAHN, Hoheitstitel, S. 305). 21 SCHNEIDER, Lukas 1, S. 51. 22 Vgl. auch DIBELIUS, Jungfrauensohn, S. 41.
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Zu der in der Schwebe bleibenden Aussage passt, dass Lukas es auch in Bezug auf die Tätigkeitsbeschreibung der Geisteskraft an Deutlichkeit vermissen lässt. Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes an Maria, die zur Schwangerschaft führen soll, wird mit den beiden – durch den Parallelismus ebenfalls gleichgesetzten – Verben ἐπέρχοµαι („überkommen“) und ἐπισκιάζω („überschatten“) beschrieben. Diese sind beide lukanische Vorzugsverben. Denn ἐπέρχοµαι kommt im Neuen Testament 10 Mal vor, davon 8 Mal bei Lukas (Lk 1,35; 11,22; 21,26.35; Apg 1,8; 8,24; 13,40; 14,19; sonst Eph 2,7; Jak 5,1) und von den 5 neutestamentlichen Belegen von ἐπισκιάζω finden sich 3 im lukanischen Doppelwerk (Lk 1,35; Mk 9,7 parr. Mt 17,5; Lk 9,34; Apg 5,15). Es fällt auf, dass beide Verben von ihrem Bedeutungsgehalt her keinen konkreten Bezug zu einem Schöpfungs- oder Zeugungsgeschehen haben23 und sie auch von Lukas an den übrigen Stellen in anderem Kontext verwendet werden.24 Relevant für die von Lukas intendierte Bedeutung der beiden Verben ist, dass sie allgemein ein (auch göttliches) Geschehen bezeichnen können, das den Betroffenen widerfährt und sie in starker Weise bestimmt.25 Lukas sagt an dieser Stelle demnach aus, dass der Heilige Geist als Kraft Maria heimsuchen und sie betreffen wird, wobei die Transzendenz des Geschehensursprungs und die Passivität der Maria betont wird. Die beiden Verben umschreiben folglich, dass der Heilige Geist an Maria hinsichtlich ihrer Schwangerschaft wirken wird; wie dies konkret geschehen soll, bleibt aber im Unklaren. Es ist anzunehmen, dass Lukas diese Formulierungen bewusst gewählt hat26, um die Wirkung des Heiligen Geistes in Bezug auf die Entstehung Jesu im Geheimnisvollen und Wunderbaren zu belassen. Dass der Heilige Geist jedoch in aller Undefinierbarkeit und Unverfügbarkeit
23
Vgl. BOVON, Lukas 1, S. 76; FITZMYER, Luke 1, S. 351; BÜCHSEL, Geist Gottes, S. 198. 24 So kann ἐπέρχοµαι bei Lukas sowohl den einfachen Ortswechsel (Apg 14,19), den feindlichen Angriff (Lk 11,22), das Kommen des endzeitlichen Geschehens (Lk 21,26.35) oder von Unheil (Apg 8,24; 13,40; vgl. Jak 5,1) beschreiben. Das Verb ἐπισκιάζω meint ein Überdecken (Apg 5,15), auch durch göttliche Präsenz (Lk 9,24). 25 Darauf weist auch der Sprachgebrauch der beiden Worte in der Septuaginta hin, an den sich der lukanische Sprachgebrauch offensichtlich anlehnt: So wird mit ἐπισκιάζω göttliche Gegenwart bezeichnet, wenn etwa die Stiftshütte von der göttlichen Wolke überschattet wird (Ex 40,35) oder Gottes Fittiche den Beter zudecken (Ps 91,4 (90,4 LXX)). Das Verb ἐπέρχοµαι kann das Kommen von Bösem wie Gutem, wie z.B. von Geschehen der Endzeit (Jes 63,4), Unheil (2. Kön 19,8 LXX; 2. Chr 20,9; Hi 2,11; 5,21; 20,22; 21,17; Prov 3,25; Mi 3,11), auch göttlichem Zorn (2. Chr 32,26; Hi 20,28; Zeph 2,2; Bar 4,25) sowie Segen (Sir 3,8) und Trost (Bar 4,36) ausdrücken. Es findet sich auch ein negativ konnotiertes πνεῦµα als Subjekt des Verbs in Num 5,14.30; Hi 4,15. Den deutlichsten Anklang hat die lukanische Redeweise an Jes 32,15, wo vom Kommen des πνεῦµα ἀφʼ ὑψηλοῦ als endzeitlichem Heilsgeschehen die Rede ist. 26 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 93.
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für diese Entstehung Jesu verantwortlich ist, macht Lukas unzweifelhaft deutlich. Die Antwort des Engels Gabriels an Maria ist mit dieser Information über die geistgewirkte Entstehung Jesu noch nicht zu ihrem Ende gekommen, denn auf den Parallelismus folgt eine durch διὸ καί gekennzeichnete Folgerung.27 Die Funktion, die Lukas dem Geist in Bezug auf die Geburt Jesu zuschreibt, geht daher über die bloße Entstehung des Kindes hinaus und hat zugleich Auswirkungen auf die Bedeutung, die das Kind haben wird: Denn diese Entstehung durch den Heiligen Geist ist nach dem, was der Engel in V.35d sagt, der Grund dafür, dass das Gezeugte (τὸ γεννώµενον) heilig genannt werden wird und Sohn Gottes.28 Hier sind sowohl ἅγιον als auch υἱὸς θεοῦ prädikativ zu verstehen, wobei υἱὸς θεοῦ appositionell nachklafft, dadurch aber auch betont am Ende des Satzes steht, so dass es als Hauptaussage betrachtet werden muss. Dieses gleichermaßen prädikative Verständnis der beiden Begriffe liegt deshalb nahe, weil damit zu den gleichgesetzten Größen πνεῦµα ἅγιον und δύναµις ὑψίστου, die laut Lukas bewirkten, dass Jesus entsteht, jeweils eine begrifflich verwandte Auswirkung für das Kind genannt ist29: Wie der Geist heilig ist, so auch das von ihm geschaffene Leben, wie es sich um eine Kraft Gottes30 handelt, so bei dem Kind um Gottes Sohn. Da aber πνεῦµα ἅγιον und δύναµις ὑψίστου für Lukas dasselbe ist, müssen auch die sich daraus ergebenden Attribute als eng zusammengehörig angesehen werden. Als heilig31 wird alles das bezeichnet, was zu Gott gehört und für ihn ausgesondert ist.32 Die Beteiligung des Heiligen Geistes am Werden Jesu führt nach Lukas folglich zu einer besonderen Aussonderung Jesu für Gott. Diese zeigt sich nun konkret darin, dass Jesus Gottessohn sein wird.33 Diese 27
Vgl. auch WENK, Community, S. 163. Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 48. 29 Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 53f.; BOVON, Lukas 1, S. 77; SCHNEIDER, Empfängnis, S. 96. 30 Die begriffliche Verwandtschaft zu δύναµις ὑψίστου geht hier gewissermaßen einen Umweg über V.32, in welchem parallel zu V.35 das der Maria verheißene Kind als υἱὸς ὑψίστου bezeichnet wird. 31 Überwiegend ist ἅγιος κτλ. im lukanischen Doppelwerk Attribut von πνεῦµα. Daneben werden Gottes Name (Lk 1,49; Apg 4,30; 21,28), seine Propheten (Lk 1,70; Apg 3,21), seine Engel (Lk 9,26; Apg 10,22), sein Bund (Lk 1,72), sein Knecht (Apg 4,27) und seine Stätte (Apg 6,13; 7,33) so betitelt. Gott selbst wird in Apg 3,14 mit ὁ ἅγιος bezeichnet. Ansonsten tritt die Substantivierung in Lk 4,34 noch einmal in Bezug auf Jesus auf sowie in Apg 9,13.32.41; 26,10 in Bezug auf die Glieder der christlichen Gemeinde. 32 Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 20. 33 Dass Jesus damit von seiner Geburt an Gottessohn ist, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Futur κληθήσεται in den Vv.32.35 auf eine erst in der Zukunft erfolgende Benennung Jesu als Gottessohn hinweist. Anders jedoch WILK, Jesus und die Völker, S. 158, Anm. 30; 190f., der die Erwählung Jesu zum Gottessohn im Rahmen der Taufe betont. Die in dieser Arbeit erfolgenden Ausführungen zu der Bedeutung des Geistes in 28
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nachdrücklich am Ende von V.35d stehende Tatsache ist der aufgezeigten lukanischen Argumentation gemäß die Folge der Bedeutung des Geistes für Jesu Entstehen. Weil das Wirken des Geistes für Jesu Existenz ausschlaggebend ist, ist er Sohn Gottes.34 Dass diese durch das Wirken des Geistes beim Entstehen Jesu zustande gekommene Gottessohnschaft Jesu für die lukanische Konzeption hervorzuheben ist35, wird deutlich, wenn man diesen Zusammenhang mit der entsprechenden Sequenz in der matthäischen Vorgeschichte vergleicht. Dort heißt es in Mt 1,18 über die Geburt Jesu, dass Maria vom Heiligen Geist schwanger war, ehe Josef sie heimgeholt hatte. Und in Mt 1,20 erklärt der Engel dem zum Verlassen der schwangeren Maria bereiten Josef eben dies, dass das Kind der Maria „von dem Heiligen Geist“ (ἐκ πνεύµατος ἁγίου) ist. Wie Lukas kennt Matthäus demnach die Beteiligung des Heiligen Geistes an Jesu Entstehen36, mit der auch er die Schwangerschaft der Maria begründet, wobei Matthäus mit ἐκ πνεύµατος ἁγίου hinsichtlich des Zeugungsvorgangs etwas deutlicher ist als der sehr im Unkonkreten und damit wohl im intendiertem Geheimnisvollen bleibende Lukas. Allerdings findet sich in der matthäischen Variante kein Hinweis darauf, dass Jesus für Matthäus aufgrund seines Ursprungs aus dem Heiligen Geist der Gottessohn ist. Matthäus setzt stattdessen seine eigenen Akzente: Er erklärt den Namen Jesus mit dessen Aufgabe, sein Volk von den Sünden zu retten (Mt 1,21), und er deutet das Geschehen mit dem Reflexionszitat aus Jes 7,14 („Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und wird einen Sohn gebären und sie werden ihn Immanuel nennen; das heißt übersetzt ,Gott mit uns‘“ (Mt 1,22f.)). Lukas hingegen thematisiert die Bedeutung des Namens Jesu nicht und das Zitat aus Jes 7,14 spielt für ihn in Bezug auf die Jungfrauenschaft Marias keine explizite Rolle. Der obige Vergleich mit Matthäus macht demnach deutlich, dass die Aussage, Jesus sei durch die Beteiligung des Heiligen Geistes an seinem Entstehen der Gottes-
Lk 3,22 werden zeigen, dass für Lukas die Proklamation Jesu als Gottessohn im Zuge der Taufe (Lk 3,22) die geistgewirkte Grundlegung der Gottessohnschaft nach Lk 1,35 voraussetzt. S. dazu I.2.1.2. 34 Vgl. TATUM, Epoch, S. 187; auch KIRCHSCHLÄGER, Geistwirken, S. 38; SCHÜRMANN, geistgewirkte Lebensentstehung, S. 166. 35 Vgl. auch BÜCHSEL, Geist Gottes, S. 165. 36 Die Geburtsgeschichten im Lukas- und im Matthäus-Evangelium stimmen trotz großer Unterschiede in einigen Details überein, zu denen neben der Vorstellung der Eltern Jesu als der Jungfrau Maria und ihrem Verlobten Josef aus dem Hause Davids (Lk 1,26f.; Mt 1,16f.) sowie der Identifikation Bethlehems als Geburtsort Jesu (Lk 2,3–7; Mt 2,1) auch die für diese Arbeit relevante entscheidende Rolle des Heiligen Geistes hinsichtlich der Empfängnis Jesu (Lk 1,35; Mt 1,18.20) gehört. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Informationen auf eine gemeinsame Tradition zurückgehen, wobei die große Differenz der Erzählungen bei Matthäus und Lukas eher auf mündliche Überlieferung und literarische Unabhängigkeit hindeutet. Vgl. FITZMYER, Luke 1, S. 306f; RADL, Ursprung, S. 349f.
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sohn, eine dem Lukas eigene Aussage ist, so dass man von einem „eigenen Akzent“37 des Lukas sprechen kann. Für diese spezifisch lukanische Aussage ist die Überlieferung der geistgewirkten Empfängnis fruchtbar gemacht worden. Zur Erschließung der Beantwortung der Frage, wie Lukas die Aussage der Gottessohnschaft Jesu an dieser Stelle verstanden haben möchte, sind innerhalb der vorliegenden Perikope die der Auskunft über die Geist-Wirkung vorangehenden Vv.32f. aus der Verheißung der Geburt Jesu an Maria hinzuzuziehen. In diesen Versen finden sich, nachdem der Maria die Schwangerschaft angekündigt und der Name Jesus für das Kind festgelegt wurde, weitere Aussagen in Bezug auf das verheißene Kind Jesus, in denen Gabriel vor V.35 schon einmal mit nahezu derselben Wortwahl auf die Gottessohnschaft Jesu zu sprechen kommt: υἱὸς ὑψίστου κληθήσεται.38 Diesem Sohn des Höchsten bzw. Gottesssohn wird vom Engel verheißen, dass er von Gott den Thron seines Vaters David39 erhalten wird (vgl. auch Lk 1,69; 2,11; 18,38) und dass er ewig über das Haus Jakobs herrschen wird. Hierbei handelt es sich um alttestamentliche Motive der königlichen Messianologie (Thron Davids Jes 9,6; ewige Herrschaft 2. Sam 7,12f.16).40 In dem verheißenen Kind Jesus sollen sich also diese Erwartungen eines messianischen Herrschers erfüllen, so dass es sich um ein königliches Verständnis der proklamierten Gottessohnschaft Jesu handelt.41 In den Vv.32–33 findet sich allerdings keine Aussage zu der Frage der Einsetzung in diese Gottessohnschaft. Sie wird erst in V.35 mit dem Hinweis auf die Bedeutung des Geistes für die Existenz Jesu beantwortet. Im Zusammenhang bedeutet dies: Dass sich in Jesus die messianischen Verheißungen erfüllen, hat nach Lukas das Entstehen des Gottessohnes Jesus durch den Heiligen Geist zur Voraussetzung.42 Welche entscheidende Rolle der Heilige Geist in dieser lukanischen Konzeption für Jesu Wesen als Gottessohn spielt bzw. wie fundamental die Prä-
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WOLTER, Lukasevangelium, S. 93. Von V.35 unterscheidet sich diese Formulierung in V.32 durch das anstelle von θεοῦ verwendete Genitivattribut ὑψίστου. Damit wird jedoch der Bezug auf die mit dem Geist parallelisierte δύναµις ὑψίστου hergestellt, so dass die Vv.32–33 deutlich mit V.35 verknüpft werden. 39 Lukas stellt Jesu Abstammung von David als durch Josef vermittelt dar, obwohl dieser nicht der Vater des Kindes ist. Vgl. dazu die Genealogie Jesu in Lk 3,23–38, besonders Vv.23.31; auch Lk 1,27; 2,4. 40 HAHN, Hoheitstitel, S. 247f.288 vermutet daher hinter dem Hymnus Lk 1,32f. jüdisches Überlieferungsgut, in dem sich die diesseitig-politische Form der königlichen Messianologie niedergeschlagen hat. 41 Vgl. VOSS, Christologie, S. 79. 42 Vgl. auch SCHRÖTER, Heil, S. 290. „Jesu Gottessohnschaft ist seiner Übernahme der messianischen Regentschaft vorgeordnet, und diese wird aus jener abgeleitet“ (WOLTER, Lukasevangelium, S. 91). 38
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gung durch den Heiligen Geist nach Lukasʼ Ansicht für Jesus ist, wird erkennbar, wenn man dies mit der von Lukas beschriebenen Funktion des Heiligen Geistes bei Jesu Vorläufer Johannes43 vergleicht.44 Von diesem wird ausgesagt, dass er vom Mutterleib an vom Heiligen Geist erfüllt sein (Lk 1,15) und daher Prophet des Höchsten heißen wird (Lk 1,76). Die Differenz in der Bedeutung des Geistes wird anhand der beiden sich aus der Geistwirkung für sie ergebenden Bezeichnungen deutlich: Johannes ist durch seine Geisterfüllung „Prophet des Höchsten“ (προφήτης ὑψίστου), Jesus durch seinen geistgewirkten Ursprung „Sohn des Höchsten“ (υἱὸς ὑψίστου) (Lk 1,32). Beiden wird durch den Heiligen Geist ein besonderes Verhältnis zu Gott zu Teil, welches innerhalb dieser beiden Bezeichnungen gleichermaßen durch das Genitivattribut ὑψίστου ausgedrückt wird. Aber das Verhältnis der beiden zu Gott ist unterschiedlich. Der Gottessohn hat eine engere und nähere Verbindung zu Gott als der Prophet. Diese Unterscheidung manifestiert sich nach der Darstellung des Lukas in den unterschiedlichen Auswirkungen des Heiligen Geistes. „[The] status of John or Jesus is determined by his own peculiar relationship with God’s spirit.“45 Die Beteiligung des Geistes bei Jesu Entstehen, die zu Jesu Gottessohnschaft führt, ist von Lukas als ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zu seinem Vorläufer Johannes gekennzeichnet, der vom Heiligen Geist erfüllt ist und aufgrund dieser Geisterfüllung seine prophetische Tätigkeit ausüben kann. Die Rolle, die der Heilige Geist in Bezug auf Jesus spielt, ist damit stärker identitätsstiftend als bei dem auf Johannes gekommenen prophetischen Geist, insofern er nicht nur das Wirken 43 Dass Lukas bei der Geburtsankündigung Jesu das Verhältnis zu Johannes im Blick hat, wird vor allem durch zwei Hinweise in der Perikope Lk 1,26–38 deutlich: Zunächst findet sich am Beginn der Perikope in V.26 mit ἐν δὲ τῷ µηνὶ τῷ ἕκτῳ ein Rückbezug zur unmittelbar voranstehenden Perikope von der Ankündigung der Geburt des Johannes, der die beiden Geburtsankündigungen und damit auch die beiden Geburten und Geborenen in ein zeitliches Verhältnis zueinander stellt. Darüber hinaus gibt der Engel Gabriel Maria einen Beweis für die Glaubwürdigkeit seiner Sohnes-Verheißung, indem er darauf hinweist, dass ihre stets für unfruchtbar gehaltene Verwandte Elisabeth im sechsten Monat schwanger ist (Vv.36–37). 44 Wie in I.1.1.2 dargestellt, macht Lukas in der gesamten lukanischen Vorgeschichte – auch durch die ,Verzahnung‘ der beiden Geburts- und Kindheitsgeschichten – klar, dass Johannes und Jesus einander entsprechen, Johannes gleichzeitig jedoch von Jesus überboten wird. Bei dieser Verhältnisbestimmung von Jesus und Johannes spielt der Heilige Geist nach Lukas eine nicht unerhebliche Rolle. Zunächst sind beide als Geistbegabte auch miteinander verbunden. Zugleich wird anhand der Bedeutung, die Lukas dem Heiligen Geist für Johannes einerseits und für Jesus andererseits zuschreibt, klar, dass Jesus Johannes in Bezug auf den Geist gleich in zweifacher Weise überbietet. Zu der hier anhand des Geistes dargestellten Überbietung in Bezug auf das Wesen kommt hinzu, dass sich die Überbietung auch anhand des mittels der unterschiedenen Taufen erfolgenden Wirkens von Johannes und Jesus zeigt, wie anhand von Lk 3,15–17 erkennbar wurde. 45 TATUM, Epoch, S. 188. Vgl. auch CHEVALLIER, Esprit, S. 86.
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Jesu bestimmt, sondern auch sein gesamtes Wesen prägt.46 Jesus ist durch den Heiligen Geist Gottessohn „im buchstäblichen Sinn“47. Der Vergleich mit Johannes zeigt, dass es Lukas bei Jesus nicht nur um eine Erfüllung mit dem Geist geht. Durch das Wirken bei Jesu Entstehen ist der Heilige Geist umfassende Grundlage seiner ganzen Existenz und gleichsam ,fundamentaler Bestandteil‘ von Jesus. Er macht Jesus vom ersten Augenblick seiner Existenz an zum Gottessohn und verankert damit Jesu Verhältnis zu Gott48 in Jesu Wesen. Jesus ist nach lukanischer Darstellung folglich aufgrund seines GeistUrsprungs der Geistträger schlechthin, der alle geistbegabten Propheten und so auch Johannes in seinem einzigartigen Verhältnis zu Gott überbietet. Es gibt für Lukas keinen anderen, der so grundlegend in seinem Wesen vom Geist geprägt ist wie Jesus. Dies wird auch anhand eines negativen Befundes in Lk 2,40 bestätigt. In dieser summarischen Wachstumsnotiz wird im Anschluss an die Darstellung Jesu im Tempel durch seine Eltern samt der Begegnung mit Simeon und Hanna (Lk 2,22–39) berichtet, dass Jesus heranwuchs, erstarkte, erfüllt wurde von Weisheit und die Gnade Gottes mit ihm war. Bei einer Reihe von Textzeugen49 findet sich zu der Notiz über Jesu Heranwachsen (ἐκραταιοῦτο) hinzugefügt der Zusatz πνεύµατι, so dass in diesen Handschriften vom Wachsen Jesu durch den Geist die Rede ist. Dieser Zusatz πνεύµατι ist nach äußeren Kriterien als sekundär zu erweisen, da die Variante ohne den Hinweis auf den Geist durch ℵ, B, D, L, W, lat, sys, co; Orlat besser bezeugt ist. Zudem ist diese Textänderung von Lk 1,80 her zu erklären, wo mit derselben Formulierung ἐκραταιοῦτο πνεύµατι das Wachsen des Johannes durch den Geist beschrieben wird.50 Offenbar wollte man innerhalb der parallelen Darstellung der Geburts- und Kindheitsgeschichten von Johannes und Jesus auch diese Notiz angleichen. Allerdings verdeutlicht gerade die Tatsache, dass in Lk 2,40 nicht vom Heranwachsen Jesu durch den Geist die Rede ist, dass in der lukanischen Darstellung dessen, was der Heilige Geist für Johannes einerseits und für Jesus andererseits bedeutet, ein Unterschied besteht. Kann Johannes nach Lukas für seine Aufgabe als Prophet durch den Geist erstarken, so ist dies in Bezug auf Jesus nicht der Fall, da er als Gottessohn durch diesen Heiligen Geist existiert und daher wesenhaft von ihm geprägt ist.51 Deshalb 46
Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 51; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 53f. BOVON, Lukas 1, S. 65. 48 Vgl. ERLEMANN, Unfassbar, S. 43. Preß sieht die Bedeutung des Geistes für Jesus in Lk 1,35 allein in dieser „einzigartige[n] Stellung und Relation zu Gott“ (PRESS, Jesus und der Geist, S. 158). 49 A, K, N, Γ, Δ, Θ, Ψ, f1.13, 33, 565, 579, 700, 892, 1241, 1424, 2542, l 844, l 2211, , aur, f, q, (r1), syp.h, bomss, (Epiph). 50 S. dazu I.1.1.1. 51 „Der Geist des Propheten kann erstarken, bei dem Geiste Jesu jedoch scheint ein Wachstum ausgeschlossen, da ja bereits in seinem Wesen die Fülle göttlichen Geistes 47
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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ist als Konsequenz in Lk 2,40 im ursprünglichen Text nicht von einem Heranwachsen Jesu durch den Geist die Rede. Darüber hinaus wird es kein Zufall sein, dass im Rahmen von Lk 2,40 genauso wie in der zweiten summarischen Wachstumsnotiz Lk 2,52 die außerordentliche Weisheit Jesu betont wird. Diese beiden Verse bilden den Rahmen für die einzige in den kanonischen Evangelien enthaltene Kindheitsgeschichte Jesu (Lk 2,41–51). Die Erzählung erweist den zwölfjährigen Jesus im Gespräch mit den Lehrern im Tempel als mit besonderem Verstand ausgezeichnet (Vv.46f.), wodurch seine Außergewöhnlichkeit betont wird. Die Besonderheit des Kindes beruht nach Lukas auf der Beteiligung des Heiligen Geistes an seinem Entstehen, seine besondere Weisheit sieht Lukas offenbar als eine Auswirkung, die auf diese fundamentale Prägung durch den Geist zurückgeht52 und sie gleichzeitig anzeigt.53 2.1.2 Die Offenbarung und Inthronisation des Geistträgers (Lk 3,22) Die zweite Stelle, anhand derer deutlich wird, dass der Heilige Geist nach Lukas für Jesus eine bedeutende Rolle spielt, ist der Bericht von der Taufe Jesu in Lk 3,21–22. Diese Taufperikope hat Lukas aus dem MarkusEvangelium (Mk 1,9–11) übernommen.54 Inhaltlich schildert Lukas in der Perikope in Anlehnung an Markus, dass Jesus getauft wird55, wobei es sich ereignet, dass sich der Himmel öffnet, der Geist herabkommt und eine Himmelsstimme Jesus zusagt: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“ Schon im markinischen Taufbericht lag das Gewicht auf den dem Vollzug der Taufe folgenden Ereignissen56, die im Kontext des MarkusEvangeliums die Funktion der Einsetzung Jesu zum Gottessohn haben, da sie
beschlossen war“ (VON BAER, Der Heilige Geist, S. 49). Vgl. auch TATUM, Epoch, S. 189; LAMPE, Holy Spirit, S. 168; SCHNEIDER, Empfängnis, S. 97; SCHWEIZER, Heiliger Geist, S. 77. 52 Vgl. TURNER, Power, S. 160. 53 Zum Zusammenhang von Heiligem Geist und Weisheit s. auch I.3.4.2; II.1.1.1. 54 Die Notiz, Jesus sei von Johannes dem Täufer getauft worden, gehört zu den gesicherten Daten des Lebens Jesu. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Überlieferung mit der Unterordnung Jesu unter Johannes und der Frage nach der Sündhaftigkeit bzw. -losigkeit Jesu zunehmend Schwierigkeiten hat. Vgl. THEISSEN / MERZ, Jesus, S. 193. 55 Da unmittelbar zuvor in Lk 3,20 berichtet wird, dass die Wirksamkeit des Johannes mit der Gefangennahme durch Herodes beendet wurde, wird Johannes nicht als Ausführender dieser Taufe Jesu genannt, gleichwohl die Erzählung seine Tätigkeit voraussetzt. Dass Johannes nicht erwähnt wird, konzentriert die Szene auf Jesus. Damit wird dieser als „führende Gestalt der Heilsgeschichte in den Mittelpunkt“ gestellt (VON BAER, Der Heilige Geist, S. 56, Anm. 11) und gleichzeitig Johannesʼ Rolle als Vorläufer Jesu verdeutlicht, dessen Wirksamkeit abgeschlossen ist bevor die Geschichte Jesu beginnt. 56 Vgl. LÜHRMANN, Markusevangelium, S. 36.
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2 Jesus und der Heilige Geist
das folgende Wirken Jesu initiieren, das sodann nach Jesu Bewährung (Mk 1,12f.) mit seiner Predigt beginnt (Mk 1,14f.).57 Für diese Deutung der Identität Jesu sind verschiedene traditionsgeschichtliche Elemente herangezogen worden. Das Öffnen des Himmels (Jes 63,19b; Ez 1,1; vgl. Apk 4,1; 19,11) sowie die Herabkunft der Taube58 sind Motive der Apokalyptik, die das Geschehen nach Jesu Taufe als ein apokalyptisches kennzeichnen.59 Besonders interessant ist der traditionsgeschichtliche Hintergrund für die Worte der Jesus ansprechenden Himmelsstimme (Σὺ εἶ ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός ἐν σοὶ εὐδόκησα)60: Im vorderen Abschnitt Σὺ εἶ ὁ υἱός µου steht der erste Teil von Ps 2,7: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ und damit alttestamentliche königliche Messianologie im Hintergrund, wobei die Himmelsstimme bei der Taufe das σύ im Gegensatz zum Psalmwort nach vorne zieht, so dass die Anrede Jesu als davidischer Messias betont wird. Der hintere Abschnitt ἐν σοὶ εὐδόκησα nimmt Jes 42,1 MT61 „Jakob ist mein Knecht – ich halte ihn – mein Erwählter, meine Seele hat an ihm Wohlgefallen“ auf. Im Unterschied zur hier verwendeten 3. Person findet sich in der markinischen Taufperikope allerdings die 2. Person, womit Jesus 57
Vgl. MARCUS, Mark 1–8, S. 160. Der Bedeutungsgehalt der Taube als Vergleichspunkt für den Geist kann nicht sicher bestimmt werden. Vgl. zahlreiche Lösungsversuche von KECK, Dove; GERO, Spirit as a Dove; DÖRRFUSS, Taube; SCHWARZ, Taube; außerdem die Forschungsüberblicke z.B. bei RADL, Lukas 1, S. 205f.; FITZMYER, Luke 1, S. 483f. Am ehesten ist die Taube im Anschluss an den über den Wassern schwebenden Geist Gottes in Gen 1,2 als Symbol der Neuschöpfung oder im Anschluss an Noahs Taube in Gen 8,8–12 als Zeichen der neuen Gnadenzeit zu verstehen. In Gen 8,9 wird „das Wirken Gottes zu einer Taube in Beziehung gesetzt“ (GNILKA, Markus 1, S. 52). Auch wenn es keine Parallele zur Taube gibt, so ist ein Vergleich an sich typisch für die Apokalyptik, in der irdische Vergleiche genutzt werden, um sich himmlischer Realität zu nähern. 59 Vgl. BOVON, Lukas 1, S. 180. 60 In D, it und einigen Kirchenvätern (Ju, (Cl), Meth, Hil, Aug) ist für die Himmelsstimme in Lk 3,22 der Wortlaut des gesamten Verses Ps 2,7 überliefert. Diese Bezeugung spricht als äußeres Kriterium für eine sekundäre Lesart. Als inneres Kriterium lässt sich anführen, dass Ps 2,7b ἐγὼ σήµερον γεγέννηκά σε als Ausdruck der Adoption zum Gottessohn nicht zu den Ausführungen in Lk 1,35 passt und daher nicht vorstellbar ist, dass Lukas das Zitat gegen seine eigene Darstellung der in der Beteiligung des Heiligen Geistes am Entstehen gründenden Gottessohnschaft Jesu abgeändert hätte. Vgl. auch SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 193f.; SCHMITHALS, Lukas, S. 55. Anders jedoch BÜCHSEL, Geist Gottes, S. 162; VON BAER, Der Heilige Geist, S. 58, Anm. 18; 169; LEISEGANG, Pneuma hagion, S. 95, die die in Ps 2,7b proklamierte Zeugung des Gottessohnes als mit Lk 1,35 vereinbar ansehen, indem sie den Vers abweichend von seinem ursprünglichen adoptianischen Sinn interpretieren. Dem steht aber weiterhin der Umstand entgegen, dass σήµερον („heute“) den Beginn der Gottessohnschaft bei der Taufe bestimmt, diese für Lukas aber bereits seit Jesu Entstehen gegeben ist. 61 Die Septuaginta interpretiert diese Stelle durch den Zusatz Ἰσραήλ vor ὁ ἐκλεκτός als auf das Volk Israel bezogen. 58
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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als von Gott erwählter Knecht angesprochen wird. Für das sich in der Mitte befindende Attribut ἀγαπητός ist auf die Isaaktypologie zu verweisen, denn in der Erzählung von der Bindung Isaaks wird in Gen 22,2.12.16 von dem „geliebten Sohn“ gesprochen. In diese durch die Himmelsstimme erfolgende Deutung der Identität Jesu62 als davidischer Messias (Ps 2,7) und Gottesknecht (Jes 42,1) fügt sich die begleitende Herabkunft des Geistes insofern ein, als dass nach diesen Traditionen sowohl der Messias als auch der Gottesknecht nach Jes 11,1–2 bzw. 42,1 vom Geist ermächtigt werden, ihre spezifische Aufgabe zu übernehmen. In Mk 1,9–11 wird folglich geschildert, wie Jesus im Anschluss an seine Taufe in einer apokalyptischen Vision als der offenbart wird63, der er ist: der verheißene Gottessohn und Messias bzw. Christus64, der auch Züge des Gottesknechts trägt und der für seine Aufgabe mit dem Geist begabt wird. Lukas hat den Zusammenhang von Jesu Offenbarung und Einsetzung als Gottessohn samt Herabkunft des Geistes bei der Taufe Jesu also zunächst aus der Tradition übernommen. Dadurch, dass er jedoch die Markus-Vorlage überarbeitet hat und eine stark veränderte Fassung des Taufberichts bietet, hat Lukas in Bezug auf das Verständnis des Geschehens andere Akzente gesetzt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Jesus nach Lk 1,35 durch die Beteiligung des Heiligen Geistes an seinem Entstehen bereits wesenhaft von diesem geprägt ist und durch ihn, da dieser die Verbundenheit mit Gott in Jesu Wesen verankert, Gottessohn ist. Die lukanische Taufinterpretation ist mit der aufgezeigten Rolle des Heiligen Geistes in Lk 1,35 zu verbinden.
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Die Ausführungen haben gezeigt, dass im Wortlaut der Himmelsstimme unterschiedliche Traditionen vermischt wurden. Deshalb wird häufig vermutet, dass es für die Himmelsstimme bei der Taufe zunächst eine alttestamentliche Grundstelle gab, die dann (bereits auf einer vormarkinischen Traditionsstufe) umgestaltet wurde. Es wird diskutiert, ob zunächst entweder Ps 2,7 oder Jes 42,1 MT als gesamter Vers zitiert wurde. D.h., es stellt sich die Frage, ob Jesus mit Ps 2,7 als davidischer Messias proklamiert wurde (so DIBELIUS, Formgeschichte, S. 271; VIELHAUER, Erwägungen, S. 205f.) oder bei Zugrundelegung von Jes 42,1 MT als Gottesknecht (so die meisten Ausleger vor allem mit JEREMIAS, Παῖς θεοῦ, S. 699; HAHN, Hoheitstitel, S. 340–346). Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Himmelsstimme von Anfang an in der Tradition den ihr eigenen Wortlaut hatte. Lukas übernimmt die markinische Version und damit die Identifizierung Jesu mit beiden Traditionen. 63 In der markinischen Perikope wird zwar der Leser über Jesu Identität informiert, auf der Erzählebene handelt es sich aber um eine private Vision Jesu. 64 Damit liefert Markus einen Beleg für den Beginn seines Evangeliums Mk 1,1, wo es heißt, dass Jesus der Sohn Gottes und Christus ist. Der hier in der Taufperikope eingeführte Sohnestitel wird an entscheidenden Stellen im Markus-Evangelium (9,7; 15,39) noch eine Rolle spielen.
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2 Jesus und der Heilige Geist
In Lk 3,21f. werden die Taufe Jesu und die darauffolgenden Ereignisse in einem einzigen langen Satz berichtet65, den Lukas offenbar derart gestaltet hat, um dem Vorgang nicht zu großes Gewicht zu geben.66 Im Vergleich mit der Markusversion finden sich außerdem neben einigen Wortänderungen67 sowie Auslassungen68 drei redaktionelle Zusätze, die für die Funktion des Heiligen Geistes im lukanischen Verständnis der Taufszene ausschlaggebend sind: Die wichtigste lukanische Zufügung ist die in V.21 parallel zur Schilderung der Taufe im Genitivus absolutus ausgedrückte und auf diese folgende Notiz, dass Jesus betet (προσευχοµένου). Während die Taufe im Partizip Aorist als abgeschlossen dargestellt ist, dauert das im Partizip Präsens formulierte Gebet Jesu an. Damit wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Taufe Jesu und dem folgenden Geschehen unterbrochen. Die Geistherabkunft und die Jesus als Gottessohn und Christus ansprechende Himmelsstimme sind damit nicht mehr unmittelbar Folge der Taufe, sondern mehr zur Folge des Gebets geworden.69 Bei dem Zusatz des Gebets Jesu handelt es sich um eine typisch lukanische Eigenheit: Denn durch die betende Haltung Jesu markiert Lukas in seinem Evangelium an einigen als redaktionell zu beurteilenden Stellen (z.B. Lk 3,21; 6,12; 9,18.28; 11,1), dass Jesus stets und besonders an den bedeutenden Augenblicken seines Wirkens durch das Gebet in die Beziehung zu Gott tritt und in Verbindung mit diesem handelt.70 Im Gebet steht Jesus nach lukanischer Darstellung daher in besonderer Verbindung zu 65
Aufgrund dessen ergeben sich einige Formänderungen, vor allem, dass Verben in Infinitiv- oder Partizipialform verwendet werden (βαπτισθῆναι, ἀνεῳχθῆναι, καταβῆναι, γενέσθαι; βαπτισθέντος, προσευχοµένου). 66 Vgl. WIEFEL, Lukas, S. 94. Anders jedoch DÖMER, Heil Gottes, S. 45. 67 So wird das Öffnen des Himmels nicht mit dem markinischen σχίζω, sondern mit ἀνοίγω bezeichnet. Außerdem wird das Kommen des Geistes auf Jesus nicht wie bei Markus mit εἰς αὐτόν, sondern mit ἐπ’ αὐτόν ausgedrückt. Weil sich beide Änderungen auch im matthäischen Taufbericht finden (Mt 3,16), handelt es sich um sogenannte Minor Agreements. Diese können auf unabhängige Redaktion von Lukas und Matthäus zurückzuführen sein (so NEIRYNCK, Minor Agreements, S. 67; MENZIES, Pneumatology, S. 147), für einen unabhängigen Taufbericht in der Logienquelle Q sprechen (so SCHRÖTER, Bedeutung, S. 60; WOLTER, Lukasevangelium, S. 169) oder gar auf eine deuteromarkinische Texterweiterung verweisen (so FUCHS, Überschneidungen, S. 28–81 in Bezug auf Mk 1,1– 8 parr.). 68 Lukas lässt, auch aufgrund seines Bestrebens, das Geschehen innerhalb eines Satzes darzustellen, etliche bei Markus geschilderte Details entfallen: die Zeitangabe ἐν ἐκείναις ταῖς ἡµέραις, die Hinweise auf Nazareth in Galiläa, auf Johannes, den Jordan und Jesu Aufsteigen aus dem Wasser. Indem Lukas letzteres nicht erwähnt, verzichtet er auf das Wortspiel von Jesu καταβαίνω aus dem Wasser und dem ἀναβαίνω des Heiligen Geistes aus dem Himmel. 69 Vgl. KLOSTERMANN, Lukasevangelium, S. 55. 70 Vgl. dazu im Einzelnen FELDKÄMPER, Der betende Jesus.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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Gott, den er als Gottessohn im Gebet als Vater anredet (Lk 10,21; vgl. 11,2).71 Diese Beziehung Jesu zu Gott basiert nach Lk 1,35 auf dem Wirken des Heiligen Geistes bei Jesu Entstehen. Daher zeigt die lukanische Hinzufügung προσευχοµένου in Lk 3,21 an, dass das Vater-Sohn-Verhältnis zum Zeitpunkt der Herabkunft des Geistes und der Proklamation Jesu durch die Himmelsstimme im Gebet bereits besteht, eben wegen und seit der fundamentalen Prägung Jesu durch den Geist bei seiner Geburt.72 Daher kann die Herabkunft des Heiligen Geistes bei der Taufe Jesu in Lk 3,22 nicht so gedeutet werden, dass Jesus hier erstmalig mit dem Geist ausgestattet wird. Denn da der Geist als Reaktion auf das Gebet Jesu herabkommt, setzt dies die durch den Heiligen Geist gegebene einzigartige Verbindung zwischen Jesus und Gott, seinem Vater, bereits voraus. Da Lukas demnach das Kommen des Geistes als eine Antwort Gottvaters auf das Gebet des Gottessohnes kennzeichnet73, muss dieses so gedeutet werden, dass der herabkommende Heilige Geist an dieser Stelle die schon bestehende besondere Verbindung zwischen dem Gottessohn Jesus und seinem Vater zum Ausdruck bringt und sie demonstriert. Da die Gottessohnschaft Jesu nach Lukas durch den Heiligen Geist begründet wird, erscheint es folgerichtig, dass dieser Heilige Geist die Gottessohnschaft Jesu dann auch veranschaulicht. Die hinzugefügte Notiz über das vor der Herabkunft des Geistes erfolgte Gebet macht folglich deutlich, dass es Lukas bei der Taufe zunächst einmal um diese Demonstration des Vater-Sohn-Verhältnisses, das von der die Geistherabkunft begleitenden Himmelsstimme noch einmal benannt wird, geht – auch wenn die folgenden Erörterungen zeigen werden, dass das Geschehen darüber hinaus noch eine weitere Bedeutung gewinnt. Der Demonstrationscharakter wird bestätigt durch eine weitere relevante lukanische Textzufügung: In Bezug auf den Heiligen74 Geist erweitert Lukas in V.22 die aus Markus stammende Notiz, dass dieser wie eine Taube (ὡς περιστεράν) herabkommt, um den Hinweis σωµατικῷ εἴδει („in körperlicher Gestalt bzw. in körperlichem Aussehen“). Dieser Zusatz verstärkt die bei Markus durch den Vergleich mit der Taube schon gegebene Anschaulichkeit des Heiligen Geistes deutlich mit dem Verweis auf dessen gleichsame 71 Im Jubelruf Jesu (Lk 10,21f.) wird dieser von Lukas betonte Vater-SohnZusammenhang im Gebet explizit. S. dazu I.2.1.5. 72 Dies wird auch deutlich in der Perikope vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41–52), insbesondere durch Jesu Frage „Wisst ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (V.49). 73 Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 52; GRUNDMANN, Lukas, S. 108. 74 Das hier in der markinischen Version absolut gebrauchte τὸ πνεῦµα wird von Lukas durch die Hinzufügung des Attributs τὸ ἅγιον präzisiert, so dass klar ist, um welchen Geist es sich bei dem auf Jesus herabkommenden handelt. Allerdings wurde bereits in der Einleitung dieser Arbeit dargestellt, dass Lukas auch das absolute πνεῦµα als Bezeichnung für den Heiligen Geist verwenden kann.
74
2 Jesus und der Heilige Geist
,Materialität‘.75 Auch indem Lukas die Epiphanie nicht mehr wie Markus als eine Vision (εἶδεν), sondern als reales Geschehen (ἐγένετο) darstellt,76 unterstützt er diesen Effekt.77 Dies lässt darauf schließen, dass es Lukas besonders auf diese Realität und Erkennbarkeit des auf Jesus herabkommenden Geistes ankommt.78 Die Sichtbarkeit des Geistes kommt dabei zur hörbaren Proklamation hinzu und dient der Bestätigung der Aussage der Himmelsstimme. Dadurch erhält der Heilige Geist eine offenbarende und enthüllende Funktion. Der Geist demonstriert auf sichtbare Weise das, was die Himmelsstimme aussagt, und ermöglicht neben der auditiven auch die visuelle Wahrnehmbarkeit der Botschaft: Jesus ist der Sohn Gottes. Demzufolge machen die beiden besprochenen redaktionellen Hinzufügungen des Lukas, προσευχοµένου und σωµατικῷ εἴδει79, deutlich, dass der Heilige Geist in der lukanischen Taufperikope einerseits die Funktion hat, die einzigartige Beziehung Jesu zu seinem Vater, welche auf die Wirkung des Heiligen Geistes bei Jesu Geburt zurückzuführen ist, auf sichtbare Weise zu enthüllen und zu offenbaren. Andererseits bleibt es nicht bei dieser bloßen Demonstrationsbedeutung des Geistes. Für die Tragweite, die Lukas der durch die sichtbare Herabkunft des Heiligen Geistes erfolgenden Demonstration der Gottessohnschaft Jesu zuweist, ist zu fragen, wen Lukas als die Adressaten dieser bei der Taufe sich ereignenden Offenbarung ansieht.80 In Bezug auf die Zuschauer des Taufgeschehens Jesu findet sich die dritte bedeutende Ergänzung im lukanischen Text. Als Jesus getauft wird, ist nach V.21 auch das ganze Volk81 (ἅπας λαός) anwesend und lässt sich ebenfalls taufen.82 Wird damit die Taufe Jesu einerseits in eine große, das gesamte Volk betreffende Taufbewegung eingegliedert83, so ist für den hier dargestellten Zusammenhang entscheidend, dass das ganze Volk Zeuge des sich auf 75
S. dazu II.1.2.1. Vgl. KIM, Geisttaufe, S. 56. 77 Vgl. DÖMER, Heil Gottes, S. 48. 78 Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 51f.; RADL, Lukas 1, S. 204. 79 Dabei ergänzen sich diese beiden lukanischen Eigenheiten des Taufberichts gewissermaßen als Gegenüber: Die im Gebet gegebene Personalität kommt zur Materialität des Geistes „in leiblicher Gestalt“ hinzu. 80 Für die Leser des Lukas-Evangeliums, die bereits durch die Schilderung der Wirkung des Heiligen Geistes bei der Geburt Jesu wissen, dass es sich bei Jesus von seinem Anfang an um den Geistträger als Gottessohn handelt (Lk 1,32–35), enthält die Taufperikope in dieser Hinsicht keine neue Information. Vgl. auch BOVON, Lukas 1, S. 181. 81 Dadurch, dass Lukas an dieser Stelle mit λαός explizit vom Gottesvolk spricht, wird angedeutet, dass alle, die sich mit der Taufe zur Umkehr haben rufen lassen, in Jesus den Heiland erkennen können. 82 Die Zusammengehörigkeit dieser beiden Taufakte wird durch das Stilmittel des Chiasmus unterstützt (ἐν τῷ βαπτισθῆναι (a) ἅπαντα τὸν λαὸν (b) καὶ Ἰησοῦ (b) βαπτισθέντος (a)). Vgl. auch FELDKÄMPER, Der betende Jesus, S. 49. 83 Vgl. RADL, Lukas 1, S. 202. 76
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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Jesus beziehenden Geschehens wird. Denn weil der auf Jesus herabkommende Heilige Geist auf diese Weise dem ganzen Volk sichtbar wird, kann es die Geschehnisse bezeugen.84 Lukas macht damit die Öffentlichkeit der Demonstration der Gottessohnschaft Jesu explizit. Es wird deutlich, dass es Lukas im Rahmen der Taufe Jesu darauf ankommt, dass die mit dem Terminus „ganzes Volk“ bezeichnete Allgemeinheit die Herabkunft des Geistes sehend verfolgen kann und ihr auch auf diese Weise (und nicht mittels der Himmelsstimme allein) Jesu Gottessohnschaft enthüllt wird. Somit wird nach lukanischer Darstellung bei der Taufe allgemein bekannt gemacht, dass Jesus aufgrund seiner wesenhaften Prägung durch den Heiligen Geist der Gottessohn ist. Allerdings ist damit der Kreis der Adressaten der durch die Herabkunft des Heiligen Geistes erfolgenden sichtbaren Demonstration des Status Jesu noch nicht vollständig umrissen.85 Denn es ist zu berücksichtigen, dass nach Lukas, der hier an den markinischen Text anschließt, Jesus selbst durch die in der 2. Person (σύ) formulierende Himmelsstimme angesprochen wird86 und er es ist, auf den der Geist herabfällt. Auf diese Weise ist Jesus selbst der erste Adressat der Demonstration seiner eigenen Gottessohnschaft und Messianität. Dies wird unterstrichen dadurch, dass Lukas Jesus – wie gezeigt – als Betenden darstellt, der von Gott, seinem Vater, eine Antwort auf sein Gebet erhält. Außerdem ist die Direktheit des Geschehens hervorzuheben: Denn anders als in der von dem Engel Gabriel an Maria ergehenden Verheißung in Lk 1,35 ereignen sich hier Geistesgabe und Zusage der Gottessohnschaft im direkten Gegenüber von Jesus und Gottvater. Die Gebetsnotiz im Rahmen der Taufe und besonders die Aussage Jesu von „dem, was meines Vaters ist“ in Lk 2,49 zeigen jedoch, dass Jesus selbst bereits um seine Gottessohnschaft weiß. Deshalb kann die bei der Taufe unter der sichtbaren Herabkunft des Heiligen Geistes erfolgende Offenbarung an Jesus nur bedeuten, dass er in seinen ihn als Gottessohn betreffenden Auftrag hineingerufen wird.87 Denn Jesus ist erst von der Taufe an im Vollsinn Protagonist des Geschehens, so dass dieses Ereignis als eine Art ,Initialzündung‘ oder ,Aktivierung‘ des Auftretens Jesu gelten muss. Daher findet im Anschluss an die Taufe – so wie schon im Markus-Evangelium – auch nach lukanischer Darstellung die Einsetzung Jesu in sein messianisches Amt statt, auch wenn ihm dieses bereits seit seiner Geburt 84
Vgl. KRÄNKL, Jesus, S. 91. Anders meint jedoch Korn: „Das Herabkommen des Geistes in leiblicher Gestalt und die allen vernehmbare Himmelsstimme haben ihren Sinn nur im Blick auf die Zuschauer“ (KORN, Geschichte Jesu, S. 66). 86 Hier unterscheiden sich Lukas wie Markus von Matthäus, denn in Mt 3,17 ist das Offenbarungswort der Himmelsstimme in der 3. Person (οὗτος) formuliert und stellt daher ausschließlich eine Information an Johannes und das Volk dar. Vgl. LUZ, Matthäus 1, S. 156; WIEFEL, Matthäus, S. 59. 87 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 171. 85
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zukommt.88 Bei der Taufe Jesu ereignen sich laut Lukas demnach Proklamation und Inthronisation des Gottessohnes. Dies zeigt sich auch daran, dass nach der – an die eingeschobene Genealogie in Lk 3,23–38 anschließenden – bestandenen Bewährung in der Wüste das Wirken Jesu beginnt.89 Der Heilige Geist hat demnach nach Lukas bei der Taufe in Bezug auf Jesus die Funktion, dass er der gesamten Öffentlichkeit dessen Status als Gottessohn demonstriert und ihn selbst in sein Amt einsetzt und damit die Wahrnehmung seines Auftrags initiiert. Allerdings erfolgt nicht erst an dieser Stelle die fundamentale Geistbegabung Jesu90, so wie dies im MarkusEvangelium der Fall ist, wo Jesus erst bei seiner Taufe mit dem Geist ausgestattet wird (Mk 1,10). Im Vergleich mit Markus verliert Jesu Taufe für Lukas an Bedeutung, denn die Grundlegung des jesuanischen Geistbesitzes und damit dessen Gottessohnschaft hatte er bereits bei der Entstehung Jesu verortet.91 Lukas schließt sich deshalb nicht an die im markinischen Taufbericht vorliegende Vorstellung von der Adoption Jesu zum Gottessohn an.92 Aus diesem Grund hat er die Taufperikope so umgestaltet, dass im Rahmen der Taufe der Geistbesitz Jesu und sein durch den Geist gewährtes außergewöhnliches Gottesverhältnis Außenstehenden offenbar gemacht sowie in seiner Bedeutung erklärt werden. Zugleich wird das Auftreten des Geistträgers selbst initiiert. Insofern wird deutlich, dass Jesu Geistbegabung die entscheidende ,Ausstattung‘ des Gottessohnes darstellt. Die Taufe ist bei Lukas damit nicht mehr Grund des Geistbesitzes Jesu, sondern Anlass, diesen zu offenbaren und öffentlich zu machen und damit den Beginn der Wirksamkeit Jesu93 als Gottessohn zu initiieren. 2.1.3 Die Bewährung des Geistträgers (Lk 4,1.14) Direkt im Anschluss an die Jesu Taufe schildernden Verse folgt in Lk 3,23– 38 die lukanische Version des Stammbaums Jesu94, der dessen Abstammung
88
Vgl. auch PRESS, Jesus und der Geist, S. 153f. Im Prinzip folgt Lukas mit dieser Abfolge dem markinischen Aufriss. 90 Vgl. KORN, Geschichte Jesu, S. 65f. 91 Deshalb konnte sich der zwölfjährige Jesus nach Lk 2,41–52 bereits in seiner Außergewöhnlichkeit zeigen, auch wenn der Grund dafür erst bei der Taufe öffentlich gemacht wird und Jesus erst hier offiziell in sein Amt eingesetzt wird. 92 Vgl. SCHMITHALS, Lukas, S. 54. 93 In den heilsgeschichtlichen Abrissen des Wirkens Jesu nennt Lukas daher stets die Taufe als Ausgangspunkt, vgl. Apg 10,37–39; auch 1,22. 94 Der im Matthäus-Evangelium enthaltene Stammbaum Jesu (Mt 1,1–17) stimmt mit dem von Lukas gebotenen größtenteils nicht überein. Insbesondere ist zu erwähnen, dass Matthäus nicht wie Lukas Gott als Ausgangspunkt des Stammbaums erwähnt, so dass dort nicht Jesu Gottessohnschaft genealogisch aufgezeigt wird. 89
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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von Gott und damit seine Gottessohnschaft ,genealogisch belegen‘ soll.95 Daran wiederum schließt sich in Lk 4,1–13 die Perikope von der Versuchung Jesu in der Wüste und in Lk 4,14–15 ein „Sammelbericht“96 von der Lehrtätigkeit Jesu in Galiläa an. Für die Frage nach der Funktion des Heiligen Geistes in Bezug auf Jesus ist dabei relevant, dass Lukas den Geist in dem die Versuchungsperikope einleitenden V.1 gleich zweimal und in dem unmittelbar an die Perikope anschließenden V.14 einmal nennt, wobei sich zwei dieser drei Belege für den Geist als lukanische Redaktion erweisen werden. Die Tatsache, dass der Heilige Geist, nachdem er sich in der Taufperikope Lk 3,21f. als für die öffentliche Demonstration der Gottessohnschaft und Messianität Jesu sowie für die im Wege der an Jesus ergehenden Offenbarung erfolgten Einsetzung Jesu in sein Amt ausschlaggebend gezeigt hat, unmittelbar in der ersten darauffolgenden Jesus-Erzählung wiederum betont wird – der Zusammenhang wird lediglich durch den thematisch passenden Stammbaum unterbrochen – , unterstreicht die enorme Bedeutung, die Lukas dem Heiligen Geist für Jesus zuweist. In der Einleitung der Versuchungsperikope Lk 4,1 wird berichtet, dass Jesus voll des Heiligen Geistes vom Jordan zurückkehrte und im Geist in der Wüste geführt wurde. Der synoptische Vergleich zeigt, dass Lukas diesen Vers zwar von Markus übernommen (Mk 1,12), aber auch stark überarbeitet hat. So hat der Teilvers Lk 4,1a keine Entsprechung in der Markus-Parallele. Lediglich Lk 4,1b nimmt aus der markinischen Einleitung des Versuchungsberichts die Notiz auf, dass Jesus vom Geist in die Wüste gebracht wurde. Allerdings hat Lukas den Wortlaut dieses Markustextes in zweifacher Hinsicht geändert und beide Abweichungen sind für die Frage nach der Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesus von großer Wichtigkeit. Zunächst fällt auf, dass der Geist bei Markus noch „Subjekt des Handelns“97 ist, das Jesus geradezu gewaltsam in die Wüste „hinauswirft“ (ἐκβάλλει), während sich bei Lukas die Formulierung ἤγετο ἐν τῷ πνεύµατι findet. Durch diese Änderung zeichnet Lukas den Geist nicht mehr als eigenständig Handelnden, sondern als etwas, was Jesus bestimmt, in dem Jesus seine Wege geht und durch das Jesus solchermaßen eben auch in der Wüste geführt wird. Aber anders als 95
Die Zurückführung Jesu auf Gott erfolgt hier in größerer Mittelbarkeit über seine Vorfahren. Anders als die in Lk 1,35 erfolgte Begründung der Gottessohnschaft Jesu durch die Beteiligung des Heiligen Geistes an seinem Entstehen gilt für die Darstellung durch die Genealogie: „In diesem Sinn ist Jesus Sohn Gottes durch das schöpferische Wort Gottes an Adam, seine Verheißung an David und, in menschlicher Vermittlung, durch die gesetzliche Vaterschaft Josefs“ (BOVON, Lukas 1, S. 190). Mit der Genealogie wird Jesus zudem in die Menschheitsgeschichte und speziell in die Geschichte Israels eingeordnet. Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 201. 96 Z.B. KREMER, Lukasevangelium, S. 54; SCHNEIDER, Lukas 1, S. 104. 97 GNILKA, Markus 1, S. 56.
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2 Jesus und der Heilige Geist
bei Markus bleibt Jesus selbst bei dieser Bestimmung durch den Heiligen Geist98 (auch grammatisch) noch Subjekt des Vorgangs99 und damit Hauptperson der Erzählung. Dies gilt, auch wenn das Prädikat ἤγετο eine passivische Formulierung darstellt, da Lukas den Geist dabei dezidiert nicht durch ὑπό als logisches Subjekt des Geschehens100 kennzeichnet, sondern dessen Funktion durch die Präposition ἐν beschreibt. Diese grammatische Konstruktion ist wohl am ehesten als Ausdruck eines begleitenden Umstandes (freierer Dativus sociativus / modi) zu verstehen101, der die ,Begleitung‘ Jesu durch den auf ihm ruhenden Geist beschreibt. Diese Beobachtungen zeigen, dass es dem auctor ad Theophilum darauf ankam, den Heiligen Geist nicht als ein Gegenüber Jesu zu charakterisieren, sondern wie eine in Jesus wirkende Macht oder Kraft vorzustellen.102 Ist in dieser Szene im Markus-Evangelium der ihn in die Wüste hinauswerfende Geist Herr über Jesus, so ist in der lukanischen Variante Jesus Herr über den Geist. Nach Lukas ist der Heilige Geist etwas, was Jesus bestimmt, aber nicht beherrscht.103 Die zweite lukanische Modifikation in diesem Teilvers unterstützt diese Aussageabsicht. Denn nach Mk 1,12 wirft der Geist Jesus in die Wüste hinaus (εἰς τὴν ἔρηµον) und ist damit der ,Antreiber‘, der Jesus zum Ort der Versuchung erst hinführt. In Lk 4,1b jedoch findet sich nicht mehr eine Angabe der Richtung, sondern mit ἐν τῇ ἐρήµῳ104 („in der Wüste“) die Nennung des Ortes105, an welchem Jesus im Geist geführt wird.106 Der Geist ist durch diese 98
Zwar steht an dieser Stelle das absolute τὸ πνεῦµα, jedoch ist dieser Geist durch den Teilvers Lk 4,1a als „Heiliger Geist“ gekennzeichnet. Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 62, Anm. 1. 99 Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 54; KORN, Geschichte Jesu, S. 67. 100 Diese Variante bietet Matthäus in der Einleitung seiner Versuchungsperikope mit ἀνήχθη […] ὑπὸ τοῦ πνεύµατος (Mt 4,1). Die Präposition ὑπό bezeichnet mit Genitiv den Urheber und damit den Heiligen Geist als logisches Subjekt des Geschehens. Im synoptischen Vergleich ist Jesus daher nur in der lukanischen Variante nicht vom Heiligen Geist als bestimmendes Gegenüber beherrscht. 101 Vgl. dazu B/D/R § 198. 102 Vgl. auch SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 207. 103 „Jede Andeutung, die man verstehen könnte, als sei Christus dem Geist untergeordnet, ist vermieden“ (CONZELMANN, Mitte, S. 168). Vgl. auch ebd., S. 22, Anm. 1. Anders jedoch MENZIES, Pneumatology, S. 156, der die lukanische Darstellung der Geistbestimmtheit Jesu zwar als gegenüber den synoptischen Parallelen abgemildert ansieht, aber dennoch eine Unterordnung Jesu unter den Geist ausgedrückt findet. Vgl. FITZMYER, Luke 1, S. 514. 104 Durch den Einfluss der Parallelstellen ist allerdings auch hier in einigen Textzeugen εἰς τὴν ἔρηµον bezeugt. 105 Vgl. auch KLEIN, Lukasevangelium, S. 178. Anders will GRUNDMANN, Lukas, S. 114, Anm. 13 die Präposition ἐν als mit εἰς gleichbedeutend verstehen. Unklar bleibt, aus welchem Grund Lukas in diesem Fall die Präposition überhaupt geändert haben sollte.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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lukanische Abwandlung nicht mehr nur Auslöser dessen, dass Jesus zur Versuchung in die Wüste gelangt, sondern Jesu dauerhafte ,Ausrüstung‘ im Verlauf seiner gesamten Versuchung in der Wüste.107 Lukas betont auf diese Weise, dass der Geist eine Jesus unterstützende Kraft darstellt, in der er der Versuchung vom Teufel in der Wüste entgegen treten kann. Auf dieselbe Intention des Lukas deutet auch der Teilsatz von V.1 hin, um den er die Markussequenz ergänzt hat, nach dem Jesus „voll des Heiligen Geistes vom Jordan zurückkehrte“. Mit der hier angezeigten Ortsveränderung, die mit dem lukanischen Vorzugswort ὑποστρέφω108 formuliert ist, greift Lukas nach der eingeschobenen Genealogie mit der Nennung des Jordans auf den Ort der Taufe zurück, wo sich die Proklamation Jesu als Gottessohn unter der Herabkunft des Heiligen Geistes ereignete (Lk 3,3.21).109 Die hinzukommende Beschreibung Jesu als πλήρης πνεύµατος ἁγίου Wandelnder stimmt in diesen Rückverweis auf die Taufe ein, insofern sie die Geistherabkunft und die damit demonstrierte wesenhafte Prägung Jesu durch den Geist aufgreift, die freilich nach Lukas nicht erst von der Taufe, sondern bereits von Jesu Entstehen herrührt. Es ist hervorzuheben, dass hier im lukanischen Doppelwerk die erste Stelle vorliegt, an der Geistbegabung mit dem Adjektiv πλήρης beschrieben wird. In Bezug auf die geistbegabten Repräsentanten Israels Johannes, Elisabeth und Zacharias (Lk 1,15.41.67) hatte Lukas das Verb πίµπληµι verwendet. Hinsichtlich der auf die genannte Weise beschriebenen Eltern des Johannes, Elisabeth und Zacharias, wurde aufgezeigt, dass sie punktuell mit dem Geist erfüllt werden, um das in Jesu Kommen sich ereignende Heil zu erkennen. Die Geistbegabung des Johannes wird zwar ebenfalls mit πίµπληµι ausgedrückt, durch den Zusatz ἐκ κοιλίας µητρός jedoch als dauerhafter Zustand ausgewiesen. Das von Lukas dagegen für die Prägung Jesu durch den Geist verwendete πλήρης beschreibt im Gegensatz zum Verb πίµπληµι, das einen Vorgang ausweist, als Adjektiv einen Zustand und verweist daher auf ein intensiveres Vollsein und einen dauerhafteren 106
Der in Folge dieser Änderung im Lukas-Text verwendete Ausdruck vom „Geführtwerden in der Wüste“ erinnert (zusammen mit dem Hinweis auf die 40 Tage in V.2) an die Berichte der Exodus- und Wüstenwanderungszeit des Volkes Israel, das 40 Jahre in der Wüste von Gott geleitet wurde, um seinen Gehorsam zu prüfen. Vgl. besonders Dtn 8,2 (ἄγω, ἐν τῇ ἐρήµῳ, (die „40 Jahre“ sind in einigen Septuaginta-Handschriften sekundär eingetragen)); weitere Parallelen von der im Deuteronomium geschilderten Wüstenzeit Israels zur gesamten Versuchungsgeschichte werden von THOMPSON, Called, S. 1–12 aufgezeigt. Diese Negativparallele verdeutlicht, dass es bei der Versuchung Jesu in der Wüste ebenfalls um den Erweis seines Gehorsams geht – im Gegensatz zu Israel erbringt Jesus diesen. 107 Vgl. TURNER, Power, S. 203. 108 Von 35 Belegen im Neuen Testament finden sich 32 im lukanischen Doppelwerk. Auf diesen eindeutigen statistischen Befund verweist auch JEREMIAS, Sprache, S. 63. 109 Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 67.69; WOLTER, Lukasevangelium, S. 179.
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2 Jesus und der Heilige Geist
Zustand der Geisterfülltheit.110 Deshalb schließt Lk 4,1a an die Bedeutung an, die in der Abfolge des Lukas-Evangeliums bis zu dieser Stelle in Lk 1,35 sowie Lk 3,22 dem Heiligen Geist in Bezug auf Jesus zugeschrieben wurde: Jesus ist wesenhaft von diesem Geist bestimmt und daher πλήρης πνεύµατος ἁγίου.111 Von hieraus bestätigt sich dann die oben genannte diesbezügliche Deutung der im zweiten Teil von V.1 gemachten Aussage: Jesu Führung erfolgt im Geist, der ihn als Kraft oder Macht so stark prägt, dass er ihn auch bei seinem Aufenthalt in der Wüste bestimmt, aber ihn nicht beherrscht, da Jesus Subjekt des Handelns bleibt. Die lukanische Betonung der dauerhaften Prägung Jesu durch den Heiligen Geist geht auch nach der Versuchungsperikope geradezu redundant weiter. Denn unmittelbar auf das Ende der Versuchung folgt in V.14 der von Lukas redaktionell zum Stoff aus Mk 1,14aβ112 hinzugefügte Hinweis, dass Jesus „in der Kraft des Geistes“ (ἐν τῇ δυνάµει τοῦ πνεύµατος) nach Galiläa zurückkehrte.113 An dieser Stelle kommt ein neuer Aspekt von Jesu Geistträgerschaft zum Tragen, wenn hier δύναµις als Auswirkung des den Genitivus subiectivus bildenden πνεῦµα betont wird, in der Jesus nach bestandener Versuchung durch den Teufel seinen Weg nach Galiläa fortsetzt. Eine Kombination von πνεῦµα und δύναµις (in Bezug auf das Bestimmtsein Jesu durch den Geist) ist bereits bekannt aus Lk 1,35, wo der Heilige Geist als göttliche Kraft identifiziert wird, die für Jesu Entstehen verantwortlich ist und ihn daher wesenhaft prägt. In Lk 4,14 ist jedoch nicht die Erscheinungsform des Geistes mit δύναµις beschrieben, sondern die Auswirkung des Geistbesitzes auf Jesus. Dass der Geist eine Kraftwirkung auf Jesus und sein Handeln hat, macht Lukas zum ersten Mal hier in Lk 4,14 explizit, denn zuvor war lediglich klar, dass der Heilige Geist eine Jesus bestimmende Kraft oder Macht darstellt. Der auf Jesus ruhende Heilige Geist stattet diesen demnach mit Kraft für seine Wirksamkeit aus, die nun in Galiläa beginnt (Vv.14f.). Es ist nach dem Grund der durch die lukanische Redaktion in Lk 4,1.14 zustande kommenden auffälligen Redundanz und Betonung dieses Bestimmtseins Jesu durch den Heiligen Geist zu fragen. Für die Beantwortung der Frage ist zu berücksichtigen, was der Geistbesitz Jesu nach den bisherigen Erörterungen zu dessen Geburtsankündigung und Taufe bedeutet: Der Geist hatte die Gottessohnschaft Jesu begründet und eben diese der Öffentlichkeit enthüllt sowie Jesus in sein Amt eingesetzt und dessen Wirken aktiviert. Lu-
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Vgl. auch MAINVILLE / VOGEL / VOUGA, Christologie, S. 68. Zur weiteren Verwendung von πλήρης πνεύµατος ἁγίου im lukanischen Doppelwerk in Apg 6,3.5; 7,55; 11,24 s. I.3.4. 112 Mk 1,14aα enthält die Notiz von der Gefangennahme des Johannes, die bereits in Lk 3,20 berichtet wurde. 113 Wiederum weist auch die Änderung des markinischen ἦλθεν in ὑπέστρεψεν auf lukanische Redaktion hin (vgl. zu Lk 4,1). 111
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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kas hat den Gottessohn Jesus somit als den einzigartigen Geistträger präsentiert, wobei der Heilige Geist anzeigt, dass Jesus auf besondere Weise mit Gott verbunden ist. Er steht als Gottessohn durch seine wesenhafte Prägung mit dem Geist in einem einzigartigen Verhältnis zu Gott, seinem Vater. Die besprochenen Verse Lk 4,1.14, in denen das Wandeln Jesu im Heiligen Geist von Lukas so deutlich hervorgehoben wird, stellen den Rahmen dar für eine Erzählung, in der eben diese im Geist begründete Gottessohnschaft Jesu auf die Probe gestellt wird und sich bewähren muss (Lk 4,2–13). Denn der Teufel (διάβολος) fordert Jesus heraus mit den Worten „Wenn du Gottes Sohn bist […]“ (εἰ υἱὸς εἶ τοῦ θεοῦ) (Vv.3.9) und unterzieht ihn dreimal einer Prüfung: seine Wundermacht um seiner selbst willen einzusetzen (V.3), nach weltlicher Macht zu streben (Vv.6f.) sowie Gott zu versuchen (Vv.9– 11).114 Für diesen Zusammenhang ist entscheidend, dass in diesen Versuchungen seitens des Teufels eine andere Auffassung bezüglich der Gottessohnschaft zum Ausdruck kommt115, nach der dieser Gottessohn als eine Art Halbgott oder gewaltiger Herrscher, der von allem unabhängig ist und nach Gutdünken seine Übermacht ausleben kann, betrachtet wird. Mit diesem Verständnis von Gottessohnschaft stellt der Teufel gleich zwei entscheidende Aspekte der auf den Geist begründeten Gottessohnschaft Jesu in Frage: Zum einen möchte er den Gottessohn Jesus aus seiner Beziehung zu Gottvater emanzipieren.116 Das wird am deutlichsten in der mit dem Versprechen politischer Macht verbundenen Aufforderung, den Teufel anzubeten und sich von Gott abzuwenden (Vv.7f.). Jesus jedoch ist Gottessohn, weil ihn ein einzigartiges Verhältnis zu Gottvater wesenhaft prägt; dieses gründet auf der Beteiligung des Heiligen Geistes an seinem Entstehen. Wäre Jesus dieser Versuchung des Teufels erlegen, so hätte er nicht nur die Gemeinschaft mit dem Vater, sondern auch seine Geistbegabung auf Spiel gesetzt. Zum anderen definiert der Teufel die Macht des Gottessohnes als eine Art magische Wundermacht, die dieser beliebig auch zu seinem Wohl einsetzen kann, indem er sich beispielsweise im Falle von Hunger aus Steinen Brot macht (V.3). Aber Jesus „darf seine Macht weder zur Selbsthilfe noch für ein Schauwunder mißbrauchen, sondern allein für den Auftrag, den er erhalten hat.“117 Wie in der Abfolge des lukanischen Doppelwerks erst nach der Ver114
Lukas bietet von diesen aus Q stammenden drei Erprobungen eine andere Reihenfolge als Matthäus. Vermutlich hat Lukas die Position der letzten Versuchung bewusst gewählt, um den Höhepunkt der Begegnung Jesu mit dem Teufel als Aufforderung zur Versuchung Gottes zu schildern und die letzte bestandene Erprobung Jesu in Jerusalem zu lokalisieren, wo dann wieder die (vom Teufel initiierte) Passion Jesu beginnt. Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 178. 115 „The three scenes have a common subject in that they correct a false understanding of Jesus’ mission as Son“ (FITZMYER, Luke 1, S. 509). 116 Vgl. BOVON, Lukas 1, S. 199; HAHN, Hoheitstitel, S. 303; WIEFEL, Lukas, S. 102. 117 HAHN, Hoheitstitel, S. 303.
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suchungsgeschichte (in Lk 4,14.18f.; vgl. Apg 10,38) deutlich wird, ist auch das kraft- und machtvolle Wirken des Gottessohnes Jesus auf seine Geistträgerschaft gegründet, was die Macht noch expliziter an Gott bindet. Jesus hat diese Kraft in rechter Weise einzusetzen, so dass in seinen Machterweisen das Kommen der Gottesherrschaft sichtbar wird. Diese Aussageabsicht wird anschaulich an der Tatsache, dass Jesus später nicht zögert, Wunder zu tun, sofern diese nicht ihm, sondern anderen zu Gute kommen (vgl. z.B. besonders als Pendant zur Versuchung des Teufels die Brotvermehrung in Lk 9,12– 17) und als Ausweis des Reiches Gottes dienen (z.B. Lk 11,20), aber ebenso Zeichen verweigert, wenn sie als Demonstration seiner Macht gefordert werden (Lk 11,16.29f.). Indem Jesus den drei in Lk 4,3–12 geschilderten Versuchungen des Teufels widersteht, bewährt er sich in der ihm zukommenden Gottessohnschaft, weil er in der Beziehung zu Gottvater verbleibt und seine Wunderkraft nicht um seiner selbst willen einsetzt. Damit hat er sich eben auch als einzigartiger Geistträger bewährt. Dies stellt Lukas dadurch heraus, dass er im Rahmen der Versuchungsgeschichte in geradezu redundanter Weise auf Jesu Geistbesitz hinweist, so dass Jesus nach V.1 im Geist in die Versuchung hineingeht, während der Zeit in der Wüste im Geist geführt wird und nach der Prüfung wieder im Geist zurückkehrt. Der Heilige Geist, der Jesu Gottessohnschaft begründete, geht ihm nach dieser Darstellung während der Versuchung nicht verloren, weil Jesus sich als eben dieser vom Geist geprägte Gottessohn bewährt und sich vom Geist bestimmen lässt, auch wenn Jesus Herr über den Geist bleibt. Andersherum kann man deshalb sagen, dass es die Prägung durch den Geist ist, die es ermöglicht, dass der Teufel Jesus nicht zu seinen Zwecken missbrauchen kann.118 Weil sich Jesus in der Versuchung als einzigartiger Geistträger bewiesen hat, kann sich im Anschluss an diese Bewährung zum ersten Mal zeigen, dass es eben dieser Jesus bestimmende Geist ist, der eine Kraftwirkung auf ihn ausübt bzw. ihn mit Kraft und Macht ausstattet (δύναµις τοῦ πνεύµατος) (V.14). Denn erst jetzt ist geklärt, wie diese Macht des Geistes vom Gottessohn Jesus einzusetzen ist. Durch den grundlegenden Sieg über den Teufel119 kann sich die vom Geist ausgehende δύναµις an Jesus offenbaren und sich nun in seinen machtvollen Taten auch zeigen.
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Vgl. auch SHEPHERD, Holy Spirit, S. 132. Dieser Sieg zeigt sich darin, dass der Teufel von Jesus weicht, wodurch die „satansfreie Zeit“ beginnt (CONZELMANN , Mitte, S. 22). Erst in Lk 22,3 wird berichtet, dass dieser wieder zurückkehrt, indem er in Judas fährt, der mit seinem Verrat die Passion Jesu in Gang setzt. Damit stellt Lukas einen starken Bezug der Leidensgeschichte Jesu zum Teufel her, die in der Versuchungsgeschichte „einen ersten Waffengang“ erlebt (DUPONT, Versuchungen, S. 67). 119
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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Deshalb ist der als Gottessohn in seiner Beziehung zu Gottvater bewährte Geistträger nun bereit, seine Aufgabe mit der öffentlichen Wirksamkeit zu beginnen und in seiner Antrittspredigt darzulegen, zu welchen Heilstaten er durch den Heiligen Geist ermächtigt ist (Lk 4,16–21). 2.1.4 Die heilbringende Tätigkeit des Geistträgers (Lk 4,18; Apg 10,38) An Jesu Versuchung (Lk 4,1–13) und das Summarium über sein Wirken in Galiläa (Lk 4,14–15) schließt sich in der Abfolge des Lukas-Evangeliums mit Lk 4,18 in der unmittelbar darauffolgenden Perikope (Lk 4,16–30) gleich die nächste Stelle an, die in Bezug auf den Heiligen Geist und seine Bedeutung für Jesus relevant ist. In Lk 4,16–30 wird aus der in Lk 4,14f. zusammenfassend berichteten Lehrtätigkeit Jesu in den Synagogen Galiläas eine Szene, i.e. Jesu Lehre in der Nazarether Synagoge, im Detail geschildert. Diese sogenannte Antrittspredigt Jesu in Nazareth besteht aus zwei Abschnitten: Die Vv.16–21 enthalten die Selbstproklamation Jesu vor den Synagogenbesuchern Nazareths, die Vv.22–30 dagegen die Auseinandersetzung Jesu mit diesen Personen.120 Für diese Arbeit zu Funktion und Auswirkungen des Heiligen Geistes ist der erste der beiden Teile bedeutsam. Vor allem der synoptische Vergleich dieser Stelle mit der Parallelstelle Mk 6,1–6a über die Verwerfung Jesu in Nazareth121 verdeutlicht, welche herausragende Wichtigkeit der Szene insgesamt und damit auch dem hier relevanten ersten Teil (Vv.16–21) im Lukas-Evangelium zukommt. Der zuerst auffallende Unterschied ist die Stellung des Abschnitts im Verlauf des Evangeliums. Nach dem Markus-Evangelium hat Jesus vor seinem Besuch in Nazareth schon längere Zeit öffentlich gewirkt, wohingegen die NazarethPerikope bei Lukas direkt am Beginn der öffentlichen Wirksamkeit Jesu steht.122 Sie eröffnet nach dem Summarium in Lk 4,14f. als erste „EinzelEpisode“123 den Teil des Lukas-Evangeliums, den man mit „Jesu Wirksamkeit
120 Die zwei Hälften dieser Nazareth-Perikope stehen in einem eigentümlichen Gegensatz. Nach der Selbstaussage Jesu mit anschließender Bewunderung durch die Zuhörer (Vv.16–21) wird in den Vv.22–30 dargelegt, dass die weitere Entwicklung des Gesprächs dazu führte, dass Jesus von den Hörern aus der Stadt hinausgestoßen wurde, um ihn von einem Berg hinabzustürzen. 121 Die matthäische Parallele Mt 13,53–58 stimmt mit der Markus-Version in weiten Teilen überein. 122 Einige der weiterhin festzustellenden Unterschiede zwischen den synoptischen Berichten erscheinen als durch diesen veränderten Kontext bedingt. Beispielsweise wird Jesus laut Mk 6,1 von Jüngern nach Nazareth begleitet. Nach Lukas hat Jesus zu diesem Zeitpunkt noch keine Jünger berufen, weswegen ihm auch keine nach Nazareth folgen (können). 123 BRUN, Besuch Jesu, S. 7.
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2 Jesus und der Heilige Geist
in Galiläa und im jüdischen Land“ (Lk 4,14–9,50) überschreiben kann.124 Erst im Anschluss an diese Perikope folgt dann auch im Lukas-Evangelium die Darstellung der Berufungen von Jüngern durch Jesus, von einzelnen Wundern, Streitgesprächen und Gleichnissen. Durch diese Kontextveränderung hat Lukas die Nazareth-Perikope besonders hervorgehoben. Sie bekommt durch ihre Platzierung im Evangelium programmatische Bedeutung125, weil sie an den Anfang des Wirkens Jesu gestellt und damit für das, was darüber im Evangelium berichtet wird, also in christologischer Hinsicht126, tonangebend ist.127 Jesu Auftritt in der Synagoge von Nazareth ist damit zu einer Art Überschrift für seine gesamte Wirksamkeit geworden. Das Gewicht der Perikope im Lukas-Evangelium wird zusätzlich unterstrichen dadurch, dass Lukas die Erzählung gegenüber den Parallelstellen massiv überarbeitet und andersartig ausgestaltet. Dies ist außerordentlich auffällig für den 1. Teil der Perikope in den Vv.16–21, da nur Lukas das Dozieren Jesu am Sabbat in der Synagoge zu Nazareth in allen Einzelheiten über sechs Verse hinweg darstellt, wohingegen Markus (wie auch Matthäus) nur in einem Teilvers (Mk 6,2a par. Mt 13,54a) die knappe Aussage macht, dass Jesus am Sabbat in der Synagoge zu Nazareth lehrte.128 Die lukanische Schilderung dieses ersten Abschnitts des Besuchs Jesu in seiner Heimatstadt ist ausgesprochen detailliert, was beim Leser eine besondere Aufmerksamkeit erzeugt und die Spannung steigert.129 Gleichsam zeitlupenartig wird die Szene beschrieben und dadurch Dramatik hervorgerufen: Es
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Lk 4,23 setzt mit dem Hinweis auf in Kapernaum Geschehenes zwar voraus, dass Jesus schon eine Zeitlang in Galiläa wirkte (vgl. auch Lk 4,14f.), ehe er nach Nazareth kam, jedoch wird dieses Auftreten in Nazareth als erste Begebenheit ausführlich erzählt. 125 Vgl. u.a. ELTESTER, Nazarethperikope, S. 135; CONZELMANN, Mitte, S. 165; KORN, Geschichte Jesu, S. 57; GRUNDMANN, Lukas, S. 119. 126 Vgl. auch WILK, Jesus und die Völker, S. 220, Anm. 454. 127 Zur Programmhaftigkeit auch des zweiten Teils der lukanischen Nazareth-Perikope, der in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden kann, für Jesu Wirksamkeit vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 107; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 225. 128 Auch im Rest der Nazareth-Perikope unterscheiden sich Markus (und Matthäus) einerseits und Lukas andererseits in der Wortwahl (vgl. z.B. οὐκ ἔστιν προφήτης ἄτιµος εἰ µὴ ἐν τῇ πατρίδι αὐτοῦ (Mk 6,4) mit οὐδεὶς προφήτης δεκτός ἐστιν ἐν τῇ πατρίδι αὐτοῦ (Lk 4,24)) sowie durch die von Lukas zusätzlich eingefügten Sequenzen (besonders Lk 4,23.25–30) und vorgenommenen Auslassungen (besonders Mk 6,5). Auffälliger Weise stimmt jedoch der Aufbau der Nazareth-Szene bei den drei Synoptikern in Grundzügen überein: 1. Lehre Jesu in der Synagoge; 2. Bewundern durch die Zuhörer; 3. Anstoßnehmen der Zuhörer; 4. Sprichwort vom Propheten als Jesu Antwort. Dies verweist für die zahlreichen Änderungen eher auf lukanische Redaktionstätigkeit als auf eine Sonderquelle. Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 107. 129 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 191.
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wird dargestellt, wie Jesus130 in seine Heimatstadt Nazareth131 kam und seiner Gewohnheit gemäß am Sabbat die Synagoge aufsuchte (Vv.16a–b). In der Synagoge erhob er sich, um zu lesen (V.16c). Als man ihm das Jesaja-Buch gereicht hatte, rollte er es an einer bestimmten Stelle auf (V.17). Dass Jesus gerade diese Stelle „fand“ (εὗρεν), deutet wohl auf eine hinter der Zitatauswahl stehende wunderbare göttliche Fügung hin, die die Korrektheit des Vorgangs von Gottes Seite legitimiert.132 Das in den Versen 18 und 19 folgende Zitat ist eine Kombination aus Jes 61,1.2a LXX und Jes 58,6d LXX, wobei die Versteile in der Reihenfolge 61,1a.b.d; 58,6d; 61,2a aneinandergereiht werden: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat; Armen die gute Botschaft zu bringen, hat er mich gesandt, zu verkündigen Gefangenen Entlassung und Blinden Wiedererlangung des Augenlichts, zu entsenden Niedergebeugte in die Entlassung, zu verkündigen ein Gnadenjahr des Herrn.“133 Nach der Lesung dieser Stelle schloss Jesus das Buch wieder, gab es zurück und setzte sich (V.20a). Stilistisch sind die Verse 16c–20a, die den Vorgang von Jesu Lesung in der Synagoge erzählen, in einer Ringkomposition134 angeordnet. Denn die Verben, die die einzelnen Schritte des Lesevorgangs wiedergeben, weisen das Stilmittel des Chiasmus auf (ἀνέστη (V.16c) (a) [...] ἐπεδότη (V.17a) (b) [...] ἀναπτύξας τὸ βιβλίον (V.17b) (c) – πτύξας τὸ βιβλίον (V.20a) (c) [...] ἀποδούς (V.20a) (b) [...] ἐκάθισεν (V.20a) (a)).135 Im Zentrum dieser Ringkomposition steht das Schriftzitat aus dem Jesaja-Buch, das durch diese Umrahmung als Mittelpunkt des Geschehens betont wird.
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Die Nennung des Namens Jesus erfolgt hier nicht. Das Subjekt ist durch den Rückgriff auf V.14 zu ermitteln. Auf diese Weise ist die Nazareth-Perikope mit dem vorausgehenden Sammelbericht stark verbunden. 131 Außer in Lk 4,16 findet sich ein Hinweis auf Nazareth als Herkunftsort Jesu in Mk 1,9; Mt 2,23; 4,13; 21,11; Lk 1,26; 2,4.39.51; Joh 1,46f.; Apg 10,38. 132 Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 107; KLOSTERMANN, Lukasevangelium, S. 63; VON BAER, Der Heilige Geist, S. 65. 133 Anders als im NTG28, wo durch die Punktierung das Zitat so eingeteilt wird, dass die dritte Zeile noch von der zweiten abhängig ist und ab der vierten ein neuer Sinnzusammenhang beginnt, zeigt die hier gebotene Übersetzung, dass die ersten beiden Zeilen als eine erste Einheit begriffen und sodann die Zeilen 3–6 des Zitats als zweiter Abschnitt verstanden werden. Dabei bilden die Zeilen 1f. die Überschrift für das im zweiten Teil Gesagte. Für diese Einteilung der Verse sprechen auch der sich damit ergebende bessere Rhythmus und die anderweitig bei Lukas bezeugte Zusammenstellung von Salbung und Geist (Apg 10,38; vgl. Z.1f.) sowie von Verkündigung der frohen Botschaft und Sendung (Lk 4,43; vgl. Z.3f.). Vgl. RADL, Lukas 1, S. 254. Besonders Apg 10,38 bestätigt – wie im Folgenden noch gezeigt werden wird – ein solches Verständnis der Sinnzusammenhänge des Zitats. Vgl. NEIRYNCK, Luke 4,16–30, S. 387. 134 Vgl. u.a. WOLTER, Lukasevangelium, S. 190; BUSSE, Nazareth-Manifest, S. 32. 135 Vgl. auch RADL, Lukas 1, S. 247.
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V.20 bildet dann auch den Übergang von der Lesung der Schriftstelle hin zu ihrer Auslegung durch Jesus. Wiederum wird dieser Moment durch die Art der Schilderung hervorgehoben: Aller Augen in der Synagoge sahen gespannt (ἀτενίζω) auf Jesus (V.20b). Die Dramatik deutet an, dass etwas Außergewöhnliches geschehen wird.136 Dass der folgende V.21 zudem nicht wie die vorangehenden mit καί angeschlossen wird, sondern mit δέ, kennzeichnet ihn als die entscheidende Aussage in dieser Szene. Jesus sprach zu ihnen: „Heute ist diese Schrift erfüllt worden vor euren Ohren“. Jesus sagt damit nach Lukas über sich selbst aus, dass die alttestamentliche Verheißung aus dem JesajaBuch in ihm zur Erfüllung gekommen sei. Er sei es, auf dem der Geist Gottes ruhe, weil dieser ihn gesalbt habe, und er habe den Auftrag, der im JesajaZitat durch die Infinitive beschrieben wird.137 Diese Selbstaussage Jesu kann als zu der Gattung Proklamation gehörig eingeordnet werden138 und ist präziser als „Selbstproklamation des Heilsboten“139 zu beschreiben. Für diese Identifizierung ist auf folgende typische Elemente140 zu verweisen: Mit Jesus ist der Sprecher ein Bote Gottes, der die Hörer über ein die Gegenwart auszeichnendes Geschehnis informiert, das einen eschatologischen Bezug auf das Gekommensein des Reiches Gottes hat. Auch weist Lk 4,21 die eine Proklamation kennzeichnende Kürze auf und das Zeitadverb (σήµερον) ist ebenfalls für diese Gattung charakteristisch. Dieses σήµερον dient darüber hinaus auch an anderen Stellen im Lukas-Evangelium der Beschreibung der „aktuelle[n] Gegenwärtigkeit“141 des Heils (Lk 2,11; 19,9; 23,43) und kann daher als typisch lukanische Anzeige der Heilsgegenwart gelten. Diese Ausführungen haben gezeigt, dass der Abschnitt Lk 4,16–21 in einer Weise gestaltet ist, die das alleinige Ziel hat, zu proklamieren, dass sich die Verheißung des Heilsbringers aus Jes 61,1f. / 58,6 in Jesus erfüllt hat. Es ist zu vermuten, dass diese Ausschmückung der jesuanischen Lehrtätigkeit in der Nazarether Synagoge zu der erörterten Selbstaussage Jesu auf die redaktionelle Tätigkeit des Lukas zurückgeht, dass er also diese Szene weitgehend selbstständig gestaltet hat.142 136
Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 108. An die Erfüllungsaussage anschließend findet sich bei Lukas wieder eine Parallelität zu der markinischen Nazareth-Perikope: Wie in Mk 6,2b wird in Lk 4,22 die Admiration der Zuhörer Jesu geschildert. Dabei ist allerdings die Wortwahl verschieden, da die Verwunderung bei Markus durch ἐκπλήσσω und bei Lukas durch θαυµάζω ausgedrückt wird. 138 Vgl. BERGER, Formen, S. 289. 139 KORN, Geschichte Jesu, S. 65. 140 Vgl. dazu BERGER, Formen, S. 287f. 141 SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 233. 142 Vgl. ERNST, Lukas, S. 130; FLENDER, Heil und Geschichte, S. 132; DÖMER, Heil Gottes, S. 53–58. Dagegen wird die lukanische Nazareth-Perikope auf eine Sondertradition zurückgeführt u.a. von GRUNDMANN, Lukas, S. 119; VON BAER, Der Heilige Geist, S. 64; 137
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Dafür spricht zum einen, dass die Verse – wie bereits aufgezeigt – in beachtlicher Weise komponiert sind. Vor allem aber weist auf lukanische Redaktionstätigkeit hin, dass mit Hilfe des Jesaja-Zitats an die bereits in den vorangehenden Stellen Lk 1,35; 3,22; 4,1.14 von Lukas betonte fundamentale Bedeutung des Geistes für Jesus angeknüpft wird. Denn in der ersten Zeile des Jesus hier in den Mund gelegten Zitats findet sich die Aussage „Der Geist des Herrn ist auf mir“ (πνεῦµα κυρίου ἐπ’ ἐµέ). In der Abfolge des LukasEvangeliums bis zu der diese Selbstaussage Jesu enthaltenen NazarethPerikope war Jesus als derjenige dargestellt worden, der durch die Beteiligung des Heiligen Geistes an seinem Entstehen wesenhaft vom Geist bestimmt ist und dessen Gottessohnschaft auf diesem Geist gründet. Anknüpfend an die bisherige Darstellung kann Jesus selbst nun in der Antrittspredigt seine fundamentale Geistträgerschaft verkünden und mitteilen, welche Folgen sich daraus für seine Wirksamkeit ergeben. Dass sich dieser Zusammenhang nur für das Lukas-Evangelium ergibt, bestätigt die Annahme der redaktionellen Ausgestaltung – zumindest des ersten Teils – der Nazareth-Szene durch Lukas. Aufgrund der starken Kontextanbindung des im Jesaja-Zitat enthaltenen Geistmotives liegt es sogar nahe, dass Lukas diese Jesaja-Textstelle für die Gestaltung der Nazareth-Szene unter dem Stichwort Geist bewusst ausgewählt hat, dass also Auswahl und Einfügung auf lukanische Redaktion zurückzuführen sind.143 Gerade die Tatsache, dass es sich um ein „Mischzitat“144 aus Jes 61,1a.b.d; 58,6d; 61,2a LXX145 handelt, weist auf eine bewusste Zusammenstellung der Inhalte durch Lukas hin, die dieser mit dem Ziel vornahm, das heilbringende Programm der Wirksamkeit Jesu anzugeben.146 BRUN, Besuch Jesu, S. 14–17; STROBEL, Ausrufung, S. 40. Einen Überblick über die verschiedenen Ansichten zu Tradition und Redaktion in der Nazareth-Perikope bietet SCHRECK, Nazareth, S. 403–427. 143 Für Eltester ist dies „ganz augenscheinlich“ (ELTESTER, Nazarethperikope, S. 137). Vgl. auch HORN, Glaube, S. 173. Anders jedoch SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 233. 144 KREMER, Lukasevangelium, S. 55. 145 Gegenüber dem Septuaginta-Text dieser Verse finden sich im lukanischen Zitat folgende wenige Abweichungen: Die Verkündigung des Gnadenjahres wird in Lk 4,19 durch κηρύξαι beschrieben, wohingegen in Jes 61,2 καλέσαι steht. Außerdem ist Jes 58,6d mithilfe der Ersetzung des Imperativs ἀπόστελλε durch den Infinitiv ἀποστεῖλαι an die übrigen Verse des Zitats angeglichen. 146 Die von Lukas gebotene Zitatenkombination zeichnet sich dadurch aus, dass aus Jes 61,1f. die Versteile 1c und 2b fehlen. Stattdessen ist vor V.2a der Vers Jes 58,6d eingefügt. Lukas könnte die gebotene Zitat-Zusammenstellung als Jesaja-Text der Septuaginta vorgefunden haben (so (selbst wenig überzeugt) HOLTZ, Zitate bei Lukas, S. 40f.; DÖMER, Heil Gottes, S. 55f.), allerdings fehlen für diese Annahme jegliche Textzeugen. Eine bewusste Gestaltung des Textes durch Lukas ist demgegenüber wahrscheinlicher. Auch für andere alttestamentliche Zitate hat Rese gezeigt, dass Änderungen auf bewusste Abwandlung des Lukas zurückgehen, die dem Zweck dienen, die Aussagen an Kontext und Theo-
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„Dieses Jesajazitat ist seinem Inhalt nach der lukanischen Auffassung von der heilsgeschichtlichen Bedeutung der Person Jesu so kongenial, daß es besonders geeignet erscheinen mußte, als Themaangabe über die ganze Schilderung der messianischen Wirksamkeit Jesu geschrieben zu werden.“147 Auch wenn aber die Gestalt sowie Verwendung des Zitats in der Nazarether Antrittspredigt auf lukanische Redaktion zurückgeht, so ist zu betonen, dass sich der auctor ad Theophilum mit dem christologischen Bezug von Jes 61,1f. auf den Boden der Jesus-Überlieferung gestellt hat, denn bereits die aus Q stammenden Aussagen von Lk 7,22 par. Mt 11,5 stützen sich auf diesen Jesaja-Text.148 Allerdings finden in dieser Q-Überlieferung gerade die ersten beiden Zeilen, die die Geistträgerschaft und Salbung des Gesandten betonen, keine Erwähnung, wohingegen sie für die lukanische Verwendung des Zitats in der Antrittspredigt Jesu aufgrund des Geistmotivs ausschlaggebend sind. Der Grund für diese lukanische Komposition der Selbstaussage Jesu mithilfe des zusammengestellten Jesaja-Zitats in Lk 4,16–21 ist eben genau darin zu sehen, dass Lukas auf diese Weise die von ihm ohnehin schon betonte enorme Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesus um einen zusätzlichen, logie anzugleichen. Vgl. RESE, Alttestamentliche Motive, S. 215. Allerdings ist in diesem Sinne der Versuch Reses nicht plausibel, die Auslassung von Jes 61,1c ἰάσασθαι τοὺς συντετριµµένους τῇ καρδίᾳ damit zu erklären, dass die Wundertätigkeit von Lukas nie auf den Geist zurückgeführt würde. Vgl. RESE, Alttestamentliche Motive, S. 216 im Anschluss an SCHWEIZER, πνεῦµα, S. 405. Die Ausführungen insbesondere zu Apg 10,38 werden zeigen, dass Lukas den Geist auch als das ansieht, was Jesus zur Ausübung seiner Wundertätigkeit gegeben ist. Überzeugender ist hingegen der Ansatz von Albertz, die Zusammenstellung des Jesaja-Zitats in Lk 4,18f. als „Uminterpretation des Lukas“ zu verstehen (ALBERTZ, Antrittspredigt, S. 190), die einer zweifachen Intention geschuldet ist: Zum einen streichen die lukanischen Auslassungen aus Jes 61,1f. (Heilung der zerbrochenen Herzen sowie Ankündigung des Tages der Vergeltung und des Trostes für die Trauernden) den Aspekt „der partikularen Heilshoffnung des Textes“ (ebd.), die die Befreiung Zions und Israels aus Fremdherrschaft betraf. Zu korrigieren ist Albertzʼ Sichtweise jedoch in dem Punkt, dass Lukas damit nicht – wie Albertz meint – sogleich eine universalistische Heilshoffnung in den Text einträgt, sondern zunächst „die auf Israel bezogenen Heilsaussagen in einen neuen Zusammenhang gestellt werden“ (WOLTER, Lukasevangelium, S. 192). Darauf weist auch die bleibende Erwähnung des Jobeljahres als IsraelBezug hin (Jes 61,2a / Lk 4,19). Zum anderen bringt Lukas nach Albertz durch die Einfügung von Jes 58,6d einen sozialen (vgl. Jes 58,1–12), konkret auf Menschen in wirtschaftlicher Notlage ausgerichteten Gesichtspunkt mit in das Programm Jesu hinein. Vgl. ALBERTZ, Antrittspredigt, S. 196–198. Dies entspricht dem im lukanischen Doppelwerk enthaltenen theologischen Schwerpunkt des sozialen Aspekts, der insbesondere Jesu Zuwendung zu den Verlorenen, den Ausgestoßenen und Niedrigen betont. Vgl. ROLOFF, Einführung, S. 191. 147 VON BAER, Der Heilige Geist, S. 63. Allerdings verbindet von Baer diese Einsicht wie gesagt mit der Annahme, dass Lukas für seine Nazareth-Perikope eine Sonderquelle vorlag. Vgl. ebd., S. 64. 148 Vgl. u.a. RESE, Alttestamentliche Motive, S. 230; KORN, Geschichte Jesu, S. 64.
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entscheidenden Aspekt erweitern kann: die mit dieser Geistträgerschaft Jesu verbundenen heilbringenden Aufgaben. Das bedeutet, dass Ziel und Zweck der Sendung Jesu auf den Heiligen Geist zurückgeführt und begründet werden. Lukas kann somit darstellen, dass dieser Geistträger Jesus derjenige ist, der die Verheißungen Israels erfüllt, indem er unheilvolles Ergehen in Heil umwandelt.149 Er ist es, der gesandt wurde, Armen die frohe Botschaft zu bringen, Gefangenen Entlassung und Blinden wieder Sehen zu verkündigen, Niedergebeugte in die Entlassung zu entsenden. Die letzte Zeile des Zitats, die vom Verkünden des willkommenen Jahres des Herrn, d.h. von einem allgemeinen Schuldenerlass, spricht, fasst die im Vorangehenden gemachten Aussagen in ihrer Bedeutung zusammen.150 Denn der Bezug auf das Erlassjahr (vgl. Lev 25,10–17) macht deutlich, dass es bei Jesu Wirksamkeit um „vielfältige Entlastung und Befreiung der Menschen“151 geht (vgl. zweimal ἄφεσις in Lk 4,18). Mittels des Zitats wird demnach Jesu wesenhafte Geistprägung mit seiner konkreten Wirksamkeit in Verbindung gebracht. Nicht zufällig ist daher dieses Zitat am Anfang der öffentlichen Wirksamkeit Jesu platziert, so dass es in Bezug darauf programmatische Bedeutung erlangt. Auf diese Weise präsentiert Lukas in der Antrittspredigt das zusammengefasste ,Programm‘ des Geistträgers, dessen Verwirklichung im weiteren Verlauf des Lukas-Evangeliums dargestellt wird. Dort erweist sich Jesus, indem er verkündigt, heilt und befreit, als der, der in seinem Handeln und Sein durch den Heiligen Geist bestimmt ist. So wird im ganzen Lukas-Evangelium das hier auf Jesus bezogene Jesaja-Zitat als erfüllt interpretiert. Andersherum kann man sagen, dass die lukanische Komposition von Lk 4,16–21 hervorhebt, dass der Geist eine zentrale Rolle für die Charakterisierung der Funktion Jesu spielt. Denn an dieser Stelle wird deutlich, dass es der Heilige Geist ist, der Jesus zur Erfüllung seines Auftrags gegeben ist und ihn zum Vollführen seiner Aufgabe ermächtigt und ausrüstet. Aufgrund seiner fundamentalen Geistbegabung kann Jesus die genannten heilbringenden Taten ausführen. Letztlich ist folglich Jesu Geistträgerschaft der Grund dafür, dass er der verheißene Heilsbringer ist. Diese die Realisierung seines Auftrags betreffende ermächtigende Auswirkung des Heiligen Geistes für Jesus wird nach lukanischer Darstellung erst in Lk 4,18f. explizit gemacht und mit konkreten Heilshandlungen verbunden. Zuvor waren andere Zusammenhänge der fundamentalen Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesus aufgezeigt worden: in Lk 1,35 insbesondere die Relevanz für Jesu außergewöhnliche Beziehung als Gottessohn zu Gottvater, in Lk 3,22 die Funktion für Offenbarung und Einsetzung Jesu in sein Amt 149
Besonders zeigt das Fehlen der Ankündigung des Vergeltungstages aus Jes 61,2b, dass Lukas das Zitat ganz auf das Heilswirken des Gesandten ausgerichtet hat. 150 Vgl. TANNEHILL, Mission of Jesus, S. 71. 151 RADL, Lukas 1, S. 258.
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und in Lk 4,1.14 wiederum für die bleibende Gemeinschaft mit Gottvater. An der letztgenannten Stelle Lk 4,14, laut der Jesus nach der Versuchung ἐν τῇ δυνάµει τοῦ πνεύµατος nach Galiläa zurückkehrte, wurde erstmals angedeutet, dass es bei der Geistprägung auch um Ermächtigung für Jesu Wirksamkeit geht – ein Aspekt, der nach der Bewährung des Geistträgers offenbar wird, weil erst in diesem Zusammenhang deutlich wurde, wie diese Macht einzusetzen ist. Freilich enthält schon die Tatsache, dass Jesus von seinem geistgewirkten Entstehen an als der Gottessohn identifiziert wird, der Züge eines königlichen Messias trägt (Lk 1,32f.35), implizite Hinweise auf seine Aufgaben, aber erst in der Antrittspredigt werden Jesu Taten ausdrücklich mit dem ihn bestimmenden und ermächtigenden Geist verbunden. Die lukanische Komposition in Lk 4,16–21 macht demnach deutlich, zu welchem Zweck Jesus durch seine Begabung mit dem Heiligen Geist ermächtigt ist. Die Bedeutung, die Lukas dieser Selbstproklamation Jesu als der durch den Heiligen Geist zu heilbringenden Taten Gesandte und Ermächtigte zumisst, wird dadurch ersichtlich, dass er diese Nazareth-Szene an die Stelle von Mk 1,15 treten lässt: Der Abschnitt Lk 4,16–21, insbesondere die Aussage der Erfüllung in V.21, enthält daher auch den „Kern des Evangeliums“152, die Botschaft des herbeigekommenen Gottesreiches.153 „Deutlicher als Mk 1,15 ist hier aber nun ausgesagt, daß die ,Erfüllung‘ mit Jesu Kommen gegeben ist“.154 Da dieses Kommen Jesu nach der aufgezeigten lukanischen Darstellung auf seiner Geistträgerschaft beruht, ist es letztlich der auf Jesus ruhende Heilige Geist, durch den das Reich Gottes gegenwärtig ist.155 Neben der dargestellten Intention, die konkrete Wirksamkeit Jesu auf seine Geistträgerschaft zurückzuführen, kann Lukas mithilfe des Zitats noch einen weiteren, damit verknüpften Gesichtspunkt verdeutlichen. Denn durch die Einfügung des Jesaja-Zitats wird die Geistbegabung Jesu mit der Salbung verbunden, wie es in Jes 61,1 heißt: Πνεῦµα κυρίου ἐπ’ ἐµέ, οὗ εἵνεκεν ἔχρισέν µε („Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat“). Der Konnex von Geistbegabung und Salbung wird hier durch οὗ εἵνεκεν hergestellt, also einer Umschreibung des Kausalen156. Die Salbung ist demnach Grund der Geistbegabung bzw. die Geistbegabung resultiert aus der Salbung. Um diesen Zusammenhang deuten zu können, muss zunächst die Bedeutung der Rede von der Salbung in der von Lukas zitierten alttestamentlichen 152
MUHLACK, Parallelen, S. 123. Vgl. auch Lk 4,43. 154 SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 231. 155 Vgl. HORN, Glaube, S. 253f. 156 Vgl. auch das in Jes 61,1 MT verwendete ![;y:, das stets einen Grund angibt. Anders jedoch meint Radl, korrekterweise müsste mit „deswegen / weswegen“ übersetzt werden und versteht daher die Salbung als Folge der Geistbegabung. Vgl. RADL, Lukas 1, S. 254. Allerdings ist nicht belegbar, dass dies die einzig gebotene Übersetzung von οὗ εἵνεκεν darstellt. 153
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Textstelle Jes 61,1 erschlossen werden: Im Alten Testament bezeichnet das Salben (xvm)157 von Personen158 als religiöser Terminus die göttliche Erwählung und Beauftragung für ein bestimmtes Amt, wobei dieser Vorgang insbesondere bei Königen, Priestern und Propheten bezeugt ist.159 Hatte die Salbung bei Hohepriestern bestätigende Funktion, da der Gesalbte von Haus aus bereits Priester war (Ex 28,41; 30,30), veränderte sich aber mit der Salbung der Status des Gesalbten, wenn er zum König oder zum Propheten berufen wurde. Der Vorgang des Salbens war dabei sichtbares Zeichen der göttlichen Erwählung sowie kultisch-symbolischer Akt der Sendung und Beauftragung. Als Folgen der Salbung werden Übertragung von Kraft, Macht und Ansehen, Unverletzlichkeit, Heiligung (1. Sam 24,7.11; 26,9.11.16.23; 2. Sam 1,14.16; 19,22) und – wie auch im hier zitierten Vers Jes 61,1 – die Geistbegabung (1. Sam 10,6.10–13; 16,13) genannt. In Bezug auf Jes 61,1 kann nicht hinreichend geklärt werden, ob es sich bei dem Sprecher um einen gesalbten König (vgl. 1. Sam 10,6.10–13; 16,13) oder Propheten (vgl. 1. Kön 19,16; 2. Kön 2,9.15; Jes 42,1 (Gottesknecht)) handeln soll, da gerade auch mit der Geistbegabung ein Element aller beiden Möglichkeiten vorhanden ist.160 Was aber sicher gesagt werden kann, ist, dass die hier als Salbung beschriebene göttliche Beauftragung die Geistbegabung zur Folge hat und dieser Salbung eine Zweckbestimmung zugeschrieben wird: die Ausführung der durch die Infinitive ausgedrückten Aufgaben. Dazu passt, dass die Rede von dem Salben und dem Gesalbten nicht nur den eigentlichen Salbritus meinen kann, sondern der Terminus auch im über-
157 Das hebräische Verb xvm hat die Grundbedeutung „streichen / salben“ und bezeichnet die Handlung und den Vorgang des Begießens, Bestreichens und Schmierens, wobei in den meisten Fällen in diesem Zusammenhang Öl verwendet wird. In religiösen und theologischen Kontexten bezeichnet xvm die Salbung. „Da kaum profane Vorgänge mit diesem Verb bezeichnet werden (Am 6,6), kann man mit einer Spezialisierung zum terminus technicus rechnen“ (FABRY / SCHOLTISSEK, Messias, S. 19). Vgl. weiterhin auch SEYBOLD, xvm, S. 46–59; SOGGIN, %l,m,, Sp. 913f.; HAHN, χριστός, Sp. 1148–1153. 158 Im Alten Testament gibt es einerseits die in Bezug auf Jes 61,1 relevante Salbung von Personen. Zum anderen ist davon die Rede, dass Gegenstände gesalbt wurden, wie z.B. Schilde zum Kampf (Jes 21,5; vgl. 2. Sam 1,21), Brotfladen (z.B. Ex 29,2; Lev 2,4) sowie im engeren kultischen Bereich Altäre (Lev 8,11) und sonstige heilige Geräte (Ex 40). 159 Die Mehrzahl der Belege bezieht sich auf die Salbung von Königen (z.B. Ri 9,8.15; 1. Sam 9,16; 10,1; 15,1.17; 16,12f., 2. Sam 2,4; 5,3; 1. Kön 1,34.39; 19,15f.; 2. Kön 9,3.6.12; 23,30; Ps 89, 21; 1. Chr 11,3; 29,22; 2. Chr 22,7; 23,11). Nur einmal ist hingegen eindeutig von der Salbung eines Propheten die Rede (1. Kön 19,16). 160 Daher ist es wahrscheinlich, dass gerade die Verbindung mit verschiedenen heilsbringenden Gestalten die Anwendung des Zitats auf Jesus begünstigte. Vgl. RUSAM, Lukas, S. 176f.
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tragenen Sinn161 als Ausdruck der Legitimation zur Wahrnehmung der anvertrauten Aufgabe gebraucht wird.162 Indem Lukas die in Jes 61,1 genannte Salbung auf Jesus bezieht, hat er also nicht eine herkömmliche ,Berufssalbung‘ im Blick, da der Text Jes 61,1 selbst diese nicht eindeutig erkennen lässt. Aber er hat das alttestamentliche Zitat genutzt, um die Geistbegabung Jesu mit dem Terminus der Salbung und der damit ausgedrückten göttlichen Beauftragung zu verbinden, deren Zweck eben in den beschriebenen heilbringenden Taten besteht. Die Rede von der Salbung bedeutet folglich, dass Jesus von Gott für eine besondere Aufgabe erwählt, gesandt und beauftragt wurde, dass er von Gott in Dienst genommen wurde. Mit der Salbung bringt Lukas vor alttestamentlichem Hintergrund letztlich die theokratische Legitimierung für Jesu Wirken zum Ausdruck. Mittels der auf Jes 61,1 gründenden Selbstaussage Jesu in Nazareth stellt er die fundamentale Geistprägung Jesu als Folge seiner göttlichen Erwählung und Beauftragung dar. Zur Klärung die Frage, ob das in der Antrittspredigt proklamierte Ereignis der Salbung Jesu an einem konkreten von Lukas beschriebenen Geschehen festgemacht werden kann, ist zu beachten, dass die offizielle Einsetzung Jesu in sein Amt nach lukanischer Darstellung dadurch stattfindet, dass die Gottessohnschaft, die freilich schon seit Jesu Geburt besteht, im Anschluss an die Taufe an Jesus selbst und das umstehende Volk unter der Herabkunft des Heiligen Geistes im Rahmen einer sichtbaren Demonstration offenbart wird (Lk 3,22). Bei der Taufe ist Jesus laut Lukas demnach als Gottessohn eingesetzt worden und es spricht einiges dafür, dass genau dieses Ereignis in Lk 4,18 als Salbung Jesu interpretiert wird.163 Zunächst hat Lukas die Tauferzählung über den Rahmen der Versuchungsgeschichte (Lk 4,1.14f.) mit der Antrittspredigt in Nazareth durch eine Art ,Geist-Spur‘164 verbunden, die in den vorigen Abschnitten bereits deutlich gemacht wurde. Der Rückbezug der Salbung auf das sich bei der Taufe ereignende Geschehen wird außerdem durch die identische Beschreibung des Ruhens des Geistes auf Jesus unterstützt: Kam der Geist bei der Taufe ἐπ’ αὐτόν („auf ihn“)165, so spricht Jesus
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Vgl. dazu KUTSCH, Salbung, S. 61f. Dies ist besonders deutlich in Bezug auf die Rede von dem Perserkönig Kyros als Gesalbtem (Jes 45,1), aber auch in Sach 4,14; Ps 105,15; 1. Chr 16,22. 163 Vgl. auch TANNEHILL, Mission of Jesus, S. 68; DÖMER, Heil Gottes, S. 61. 164 „[In] case the reader misses the connection with the baptismal narrative, [Luke] has laid a clearly marked track from the banks of the Jordan right up to the door of the synagogue in Nazareth through his redactional references to the Spirit in 4.1 and 4.14“ (TURNER, Power, S. 213). 165 Der lukanische Text weicht hier von der markinischen Parallele ab, die εἰς αύτόν bietet. Dass wie bei Lukas auch in Mt 3,16 ἐπ’ αὐτόν steht, deutet allerdings eher auf eine gemeinsame andere Quelle (Q) als auf eigenständige Änderung durch Lukas hin. 162
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in der Antrittspredigt davon, dass der Geist ἐπ’ ἐµέ („auf mir“) ruht.166 Zudem ist paulinisch belegt, dass χρίω die Taufe (von Christen) beschreiben kann (2. Kor 1,21). Allerdings ist mit Blick auf die Tatsache, dass in Lk 4,18 die Geistbegabung Jesu als Folge der Salbung interpretiert wird, folgende Einschränkung167 für den Zusammenhang mit der Taufe zu machen: In Bezug auf Lk 3,22 wurde bereits aufgezeigt, dass Jesus den Heiligen Geist nach Lukas nicht erst bei der Taufe erhält, sondern seit seinem Entstehen von ihm bestimmt ist. Die Taufe ist lediglich Anlass, um den Geistbesitz Jesu und damit seine Gottessohnschaft und Messianität bekanntzumachen und zu ,aktivieren‘. Dazu kam der Heilige Geist in sichtbarer Gestalt auf ihn herab. Vor diesem Hintergrund ist nun auch die auf Jesus bezogene Aussage aus dem Jesaja-Zitat Πνεῦµα κυρίου ἐπ’ ἐµέ, οὗ εἵνεκεν ἔχρισέν µε zu verstehen: Demnach liegt der Grund für Jesu Geistbegabung in seinem Amt und Auftrag. Das muss jedoch nicht heißen, dass Jesus den Geist erst mit seiner offiziellen Einsetzung bzw. als deren Folge erhält, sondern es ist hier so zu verstehen, dass der Geist auf Jesus ruht, weil Jesus einen göttlichen Auftrag hat, weil Gott ihn in Dienst genommen hat. So geht die Aufgabe Jesu zwar seinem Geistbesitz voraus, aber Jesus erhält den Geist nicht erst bei seiner offiziellen Amtseinsetzung im Rahmen der Taufe. Hier ist die Geistherabkunft nur noch einmal sichtbares und gleichzeitig initiierendes Zeichen für seine schon bestehende Gottessohnschaft und deshalb kann dieses Zeichen des auf Jesus ruhenden Geistes (vgl. ἐπ’ αὐτόν; ἐπ’ ἐµέ) in Lk 4,18 nun noch einmal als Zeichen der Salbung bzw. göttlichen Beauftragung Jesu gedeutet und erklärt werden. Da Jesus jedoch nicht erst von der Taufe an, sondern bereits seit Beginn seiner Existenz wesenhaft vom Heiligen Geist bestimmt ist, muss man folgern, dass dieser fundamentale Geistbesitz Jesu anzeigt, dass die Rede von Jesu Salbung nicht nur das Ereignis der Taufe als öffentlicher Einsetzung meinen kann, sondern die schon vor dem Taufereignis begründete göttliche Sendung und Beauftragung Jesu insgesamt. Dass Jesu Begabung mit dem Heiligen Geist, die zuvor in Lk 1,35; 3,22; 4,1.14 in außergewöhnlicher Weise betont war, hier durch die Einfügung des Zitats sehr eng mit seiner Salbung verbunden wird, dient noch einer weiteren lukanischen Intention: Denn durch diese Kombination wird deutlich, dass Jesus als derjenige, auf dem der Geist ruht, gesalbt und damit Gesalbter ist, 166
Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 108. In ähnlicher Weise argumentiert auch KORN, Geschichte Jesu, S. 65f., der die Geistbegabung Jesu ebenfalls nicht als Folge des Taufgeschehens auffasst. Im Unterschied zu der hier vertretenden Position versteht Korn allerdings die sichtbare Geistherabkunft bei der Taufe nur als Offenbarung an die Zuschauer, nicht an Jesus selbst und damit auch nicht als dessen Einsetzung. Anders sehen die Geistbegabung Jesu erst als Folge der als Salbung beschriebenen Taufe u.a. BUSSE, Nazareth-Manifest, S. 33; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 231; TANNEHILL, Mission of Jesus, S. 68. 167
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dem – wie dargestellt – nicht eindeutig die Funktion des Königs oder Propheten zugewiesen wird, sondern für den eben die durch die Salbung ausgedrückte göttliche Beauftragung entscheidend ist. Das bedeutet letztlich, dass Lukas den einzigartigen Geistträger Jesus mit Hilfe von Jes 61,1 als Gesalbten, Messias bzw. χριστός dar- und vorstellt.168 Lukas hat sich demnach für die Erklärung des Christus-Titels von dem Jesaja-Zitat „den ersten Halbvers […] für eine eigenständige Aussage dienstbar gemacht.“169 Denn mit Hilfe dieses Verses kann er erweisen, dass und warum Jesus als der Geistträger der Christus ist. Auch dieser Titel wird hier, wie bereits zuvor die Betitelung Jesu als Gottessohn (Lk 1,35; 3,22), als sich auf der fundamentalen Geistprägung Jesu gründend dargestellt. Allerdings kommt in der auf dem Jesaja-Zitat beruhenden Selbstproklamation Jesu der Terminus χριστός nicht vor, sondern das entsprechende Verb χρίω. Dieses darf als spezifisch lukanisches Wort gelten, denn von insgesamt nur 5 im Neuen Testament enthaltenen Belegen werden 3 im lukanischen Doppelwerk (weitere Belege finden sich in Apg 4,27; 10,38) in Bezug auf Jesus verwendet.170 Es ist demnach eine Eigenart des Lukas, mit χρίω das Gesalbtsein Jesu auszudrücken und somit auf seinen Christus-Titel zu verweisen, der bereits in Lk 2,11.26 direkt und in Lk 3,15f. indirekt in Bezug auf Jesus genannt wurde. Dieses Vorgehen hängt mit dem Anliegen des Lukas zusammen, Jesu Salbung und damit auch das Christus-Prädikat mit seiner Geistbegabung zu verknüpfen und von ihr her zu erklären. Das gelingt Lukas durch die Heranziehung von Jes 61,1 für die Antrittspredigt Jesu. Denn hier wird deutlich, dass das, was Jesus zum Gesalbten, zum Messias, zum χριστός macht, zu dem, der das Reich Gottes nahe bringt, die Begabung mit dem Heiligen Geist ist.171 Der aufgezeigte enge Zusammenhang von Salbung und Geist wird von Lukas in Apg 10,38 wiederholt und verdeutlicht. Dieser Vers steht im Kontext der Perikope von der Bekehrung des Hauptmanns Kornelius (Apg 10,1– 11,18)172 innerhalb der zu diesem Zweck gehaltenen Missionspredigt des Petrus (Apg 10,34–43). Die Einleitung dieser Predigt in den Vv.34–36 schließt an den genannten Kontext an: Petrus ist durch Gottes Führung173 ins 168
Vgl. ELTESTER, Nazarethperikope, S. 137. „Nach Lukas ist Jesus […] zum χριστός gesalbt worden“ (RUSAM, Lukas, S. 179). Daher kann man zwar nicht von einer herkömmlichen Berufssalbung sprechen, aber davon, dass Lukas die Salbung zum Christus in analoger Weise konstruiert. 169 DÖMER, Heil Gottes, S. 61. 170 In Hebr 1,9 wird es ebenfalls in Bezug auf Jesus verwendet. Bereits erwähnt wurde, dass Paulus in 2. Kor 1,21 die Taufe der Christen mit χρίω bezeichnet. 171 „Die Geistsalbung rechtfertigt den Christustitel“ (BOVON, Lukas 1, S. 212). 172 Zu den in dieser Perikope beschriebenen Geschehnissen s. I.3.2.2; I.3.3.3. 173 Die Führung der Geschehnisse durch Gott ist – wie die Ausführungen in I.3.2.2 zeigen werden – gegeben in der Engelserscheinung vor Kornelius (Apg 10,3–6), der Vision des Petrus (Apg 10,9–16) und der Stimme des Geistes, die Petrus hört (Apg 10,19f.).
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Haus des Hauptmanns Kornelius, eines gottesfürchtigen Heiden, gekommen. Dabei hat er sich auf Gottes Anweisung hin über das jüdische Verbot, mit Fremden zu verkehren, hinweggesetzt (Apg 10,28f.). Zu Beginn seiner Rede wiederholt er in anderen Worten seinen bereits in V.28 genannten Auftrag von Gott, keinen Menschen unrein zu nennen, und gibt damit eine Begründung für die Tatsache, dass er das oben genannte jüdische Gebot nicht beachtet hat und das Evangelium nun auch den Heiden, konkret Kornelius und seinem Haus, verkündigt: Für Gott ist in jedem Volk der angenehm, der ihn fürchtet und recht tut (V.35). Israel ist der erste Adressat der Christusbotschaft, aber Jesus Christus ist Herr aller (V.36). Mit diesem Gedanken der Universalität der Christusbotschaft hat Petrus die Ausdehnung der Mission auch auf die gottesfürchtigen Heiden begründet. Diese Mission beginnt Petrus gleich an Ort und Stelle, indem er mit der Rede fortfährt. Allerdings setzt er mit einer im Blick auf diese Situation überraschenden Redewendung ein: „Ihr wisst“ (ὑµεῖς οἴδατε). Diese Wendung setzt voraus, dass die Hörer das nun Folgende bereits kennen174, obwohl es doch nach dem Kontext der Erzählung die erste christliche Predigt ist, die Kornelius und sein Haus hören. Trotz mancher Erklärungsversuche175 bleibt die Wendung ὑµεῖς οἴδατε hier auffällig und schwierig zu interpretieren.176 „In jedem Fall markieren die Worte nach der ,Überschrift‘ V.36 einen Neueinsatz, mit dem das eigentliche Jesuskerygma beginnt.“177 Petrus macht seine Hörer in den folgenden Ausführungen (Vv.37–43) mit dem Wirken Jesu von Nazareth bekannt. Er nennt zunächst einen zeitlichen und räumlichen Anfangspunkt des Geschehens: Angefangen178 hat es nach Jesu Taufe durch Johannes in Galiläa und sich dann im 174
„Ihr wisst“ ist eine geläufige Wendung zur Erinnerung an Wissensstoff, die z.B. von Paulus häufig gebraucht wird (z.B. Röm 6,16; 1. Kor 5,6; 1. Thess 1,5). 175 Beispielsweise erklärt Dibelius den Terminus „Ihr wisst“ als „literarische Wendung“ (DIBELIUS, Bekehrung, S. 52), die zu dem Bemühen des Lukas gehört, mittels der mehrfachen Durchführung des Schemas der Missionspredigten (s.u.) die Evangeliumsverkündigung exemplarisch aufzuzeigen. Wilckens dagegen hält diese Anrede für durchaus sinnvoll, da die Predigt sich ja „an eine bereits von Gott zusammengeführte christliche Gemeinde“ wende (WILCKENS, Missionsreden, S. 67). Nach HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 339 setzt Lukas voraus, dass die Ereignisse um Jesus so bekannt sind, dass sie auch Kornelius und seinem Haus zu Ohren gekommen sind. 176 Vgl. SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 249. 177 NELLESSEN, Zeugnis, S. 186. 178 Da ἀρξάµενος aufgrund eines fehlenden Beziehungswortes grammatisch schwierig ist, korrigieren einige Handschriften zu ἀρξάµενον als Angleichung zu ῥῆµα. Für ἀρξάµενος als ursprüngliche Lesart spricht neben der stärkeren Bezeugung auch die Regel lectio difficilior probabilior. Dibelius und Conzelmann erklären den schwierigen Nominativ durch die Übernahme des Wortlauts einer alten traditionellen Formel. Vgl. DIBELIUS, Bekehrung, S. 53, Anm. 5; CONZELMANN, Mitte, S. 185. Wilckens will zu ἀρξάµενος als logisches Subjekt Ιησοῦν hinzugedacht wissen, obwohl „Jesus“ hier im Akkusativ steht. Vgl. WILCKENS, Missionsreden, S. 107. Mit Haenchen ist im Anschluss an die Grammatik
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ganzen Judenland zugetragen (V.37). Anschließend spricht Petrus von Jesu Sendung und Wirken (V.38), seinem Tod (V.39b), der Auferstehung (V.40) und von seiner künftigen Richterfunktion (V.42b). In diese ,Daten‘ des christologischen Kerygmas ist der Gedanke der apostolischen (V.39a.41.42a) und prophetischen (V.43) Zeugenschaft verwoben.179 Petrus spricht dabei als Repräsentant der apostolischen Zeugen180 (ἡµεῖς µάρτυρες) (V.39) und nennt auch deren Auftrag zur Verkündigung (V.42). Dementsprechend fordert Petrus am Ende seiner Rede in indirekter Weise dazu auf, sich an Jesus als den zukünftigen Richter zu wenden, um als an Jesus Glaubender Sündenvergebung in dessen Namen zu erlangen (Vv.42f.). Innerhalb des beschriebenen Jesuskerygmas fällt der für diese Arbeit relevante Satz: „…wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft, der umherzog, Gutes tat und alle heilte, die vom Teufel unterdrückt wurden, denn Gott war mit ihm“ (V.38). Dabei handelt es sich um eine Aussage, die auf die redaktionelle Tätigkeit des Lukas zurückzuführen ist. Denn aufgrund der Analogie der Reden in der Apostelgeschichte ist anzunehmen, dass sie literarische Kompositionen des Autors sind, der sie nach einem festen Schema konzipiert hat.181 Bei den Reden folgt auf die Anknüpfung an die Situation die Ausführung eines Schemas, das aus Kerygma, Schriftbeweis und Bußmahnung besteht.182 Hinsichtlich der hier behandelten Petrusrede bedeutet dies: Vv.34–36 Anknüpfung an die Situation, Vv.37–41 Kerygma, V.43a Schriftbeweis, Vv.42.43b
von Blass / Debrunner / Rehkopf in diesem Fall anzuführen, dass der absolute Nominativ im hellenistischen Griechisch eine quasi-adverbielle Bedeutung bekommen zu haben scheint. Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 297; B/D/R § 419,3. 179 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 77. 180 Dabei steht im Hintergrund die lukanische Definition des Apostels als Augenzeuge von der Taufe Jesu bis zur Himmelfahrt (Apg 1,21f.). Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 343; SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 249. 181 Bei einem Vergleich der Petrusrede in Apg 10,34–43 mit den anderen Missionsreden in der Apostelgeschichte (besonders Apg 2,14–39; 3,12–26; 4,8–12; 5,29–32; 13,16–41; 17,22–31) lässt sich ein festes Schema herausarbeiten, das diesen Reden zugrunde liegt. Vgl. WILCKENS, Kerygma, S. 224. Laut Kränkl stammt zwar die konkrete Ausformung des Redeschemas von Lukas selbst, er scheint sie jedoch in Anlehnung an ähnliche zu seiner Zeit übliche heilsgeschichtliche Aufrisse vorgenommen zu haben, die vermutlich ihrerseits wieder eine längere Vorgeschichte besitzen. Vgl. KRÄNKL, Jesus, S. 206. Kränkl hat außer neutestamentlichem Vergleichsmaterial auch „heilsgeschichtliche Aufrisse“ aus den frühchristlichen Vätern und Apologeten herangezogen. Sie machen es aus seiner Sicht unwahrscheinlich, dass Lukas das stereotyp wiederkehrende Schema selbst erfunden hat. Die Reden in der Apostelgeschichte seien vielmehr bezeichnend für die Art, wie zur Zeit des Lukas das Jesusgeschehen zusammengefasst und proklamiert wurde. Vgl. KRÄNKL, Jesus, S. 79.81. 182 Vgl. DIBELIUS, Bekehrung, S. 52.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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Bußmahnung. Im Vergleich183 mit den anderen Missionsreden der Apostelgeschichte sind folgende Unterschiede hervorzuheben: Das Jesuskerygma wird in stark erweiterter Form geboten, so dass es den Hauptteil der Rede bildet. Die Bußmahnung in den Vv.42.43b erfolgt nur in indirekter Form. Im Unterschied zu den vor den Juden gehaltenen Predigten enthält diese Rede vor gottesfürchtigen Heiden nur den Bericht über die Tötung Jesu, aber keinen Vorwurf. Im Unterschied zu den Missionsreden vor den (nicht den gottesfürchtigen zuzuordnenden) Heiden fehlt die Verkündigung des einen Schöpfergottes, die für heidenmissionarisches Kerygma typisch ist (Vgl. Apg 17,24ff.), und die ihr entsprechende Umkehrforderung.184 Außerdem enthält diese Petrusrede in V.43a nur einen reduzierten Schriftbeweis, da ein Schriftzitat fehlt. Die an die Gottesfürchtigen gerichtete Rede spielt zwar im Unterschied zu den reinen Heidenpredigten auf das Zeugnis der Schrift an (es wird allgemein auf das Zeugnis der Propheten bezüglich Jesus hingewiesen), aber sie zitiert nicht ausdrücklich aus dem Alten Testament (, wie es in den Reden in Apg 2 und 13 der Fall ist). „Sie berücksichtigt also treffend die konkreten Hörer, die zwischen Judentum und Heidentum stehen.“185 Die Petrusrede vor Kornelius zeigt folglich das (modifizierte) Grundschema der lukanischen Reden.186 Wie die anderen Reden steht auch diese Rede im Kontext eines Ereignisses, dessen Bedeutsamkeit Lukas durch die Rede hervorheben will187: die Legitimation der Heidenmission. Die Rede des Petrus als Ganzes macht deshalb lukanische Theologie besonders deutlich.188 Dies gilt auch für den in Bezug auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesus zu untersuchenden V.38. Die Aussage in Apg 10,38 beginnt – wie es für Lukas typisch ist189 – mit dem betont vorgezogenen Akkusativ ’Ιησοῦν τὸν ἀπὸ Ναζαρέθ, der aus dem mit ὡς eingeleiteten Konjunktionalsatz herausgelöst ist. Dadurch erhält der Eigenname samt Herkunftsbezeichnung besonderes Gewicht und es kann nicht fraglich sein, dass es im Folgenden um Jesus geht. Zu diesem werden in V.38 nun drei Aussagen gemacht, von denen die erste den beiden folgenden 183
Vgl. WILCKENS, Kerygma, S. 224–227. Vgl. PESCH, Apostelgeschichte, S. 333f. 185 SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 63. 186 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 238. 187 Vgl. DIBELIUS, Aufsätze, S. 62. Darüber hinaus zeigen die Reden an, dass die Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde durch die Predigten der Apostel sowie des Paulus entscheidend in ihrem Weg bestimmt wurde. Vgl. WILCKENS, Missionsreden, S. 95f.; im Anschluss daran PLÜMACHER, Missionsreden, S. 113. 188 „Die Reden haben [...] insgesamt als genuine Zeugnisse lukanischer Theologie zu gelten“ (KRÄNKL, Jesus, S. 206). 189 Betont vorgezogene Akkusative gehören zu den Stilmitteln der lukanischen Darstellungskunst (vgl. auch Apg 10,36.40). Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 259; auch WILCKENS, Missionsreden, S. 108. 184
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übergeordnet ist: Zuerst wird erklärt, dass Gott Jesus mit Heiligem Geist und Kraft gesalbt hat (ἔχρισεν αὐτὸν ὁ θεὸς πνεύµατι ἁγίῳ καὶ δυνάµει). Mit dieser Formulierung nimmt Lukas seine Darstellung des Geistträgers Jesus als χριστός wieder auf, die er in Lk 4,18 auf der Basis des Zitats aus Jes 61,1 in der erörterten Weise entwickelt hatte. Es wird noch einmal gesagt, dass Jesus von Gott gesalbt wurde, d.h. einen besonderen Auftrag erhalten hat. Wie bereits dargestellt wurde, ist es die Eigenart des Lukas, mit Hilfe der Verwendung des Verbs χρίω zur Beschreibung der Beauftragung Jesu zum Ausdruck zu bringen, dass Gott Jesus durch das Salben zum Gesalbten bzw. χριστός gemacht hat.190 Dieser Status Jesu als Christus wird ebenso wie bereits in Lk 4,18 mit dem Heiligen Geist verbunden. Dabei hängen Geist und Salben in Apg 10,38 so eng zusammen, dass πνεύµατι ἁγίῳ als Dativus instrumentalis quasi das ,Material‘ bzw. die ,Materie‘ ist, mit dem das χρίω erfolgt. Dem Heiligen Geist wird an dieser Stelle außerdem das Substantiv δύναµις beigeordnet, so dass durch dieses Hendiadyoin deutlich wird, dass es sich bei dem Geist um ein Kraftphänomen handelt. Ohne den Heiligen Geist gäbe es den Salbvorgang demnach nicht bzw. der Heilige Geist ist eine wesentliche Voraussetzung für Jesu göttliche Beauftragung. Diesen Zusammenhang hatten bereits die Analysen zu Lk 4,18 gezeigt: Jesus ist nach lukanischer Darstellung der Christus, weil er in einzigartiger Weise mit dem Heiligen Geist begabt ist, wie auch in Lk 1,35; 3,22; 4,1.14 deutlich wird. In Apg 10,38 kann Lukas daher Jesu Geistbegabung und sein Gesalbtsein in der Rede von der Geistsalbung kombinieren, um die grundlegende Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesu Auftrag zum Ausdruck zu bringen. Der Terminus der Geistsalbung Jesu erweist sich damit als lukanische Eigenheit.191 In ihm werden Geistbegabung und von Gott ausgehende Indienstnahme Jesu in eins gesetzt und daher ist die ihn zum Christus machende Salbung Jesu nichts anderes als seine ,Ausrüstung‘ mit dem Heiligen Geist.192 Die Geistsalbung Jesu wird in V.38 mit zwei weiteren Aussagen verknüpft: Zunächst wird innerhalb eines Relativsatzes das umherziehende, wohltätig-heilende Handeln Jesu beschrieben. Sodann wird der Schilderung dieser heilend-wohltätigen Wirksamkeit Jesu von Lukas als Interpretament hinzugefügt: „..., denn Gott war mit ihm“ (ὅτι ὁ θεὸς ἧν µετ’ αὐτοῦ). Die Beschreibung des Handelns Jesu erfolgt mit lukanischen Vorzugswörtern.193 Das Verb διέρχοµαι weist von 41 Vorkommen im Neuen Testament 31 im lukanischen Doppelwerk auf. Bei ἰάοµαι kommen von insgesamt 26 190
Vgl. auch PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 343; HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 298. 191 Vgl. auch KORN, Geschichte Jesu, S. 68. 192 Vgl. DÖMER, Heil Gottes, S. 68. 193 Vgl. NELLESSEN, Zeugnis, S. 187; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 259; WILCKENS, Missionsreden, S. 108.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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neutestamentlichen Stellen 15 auf Lukas. Das Verb εὐεργετέω ist Hapaxlegomenon im Neuen Testament. Das verwandte Substantiv εὐεργετής kommt ebenfalls nur einmal in Lk 22,25, εὐεργεσία nur in Apg 4,9 und 1. Tim 4,9 vor. Auch εὐεργετέω dürfte deshalb als typisch lukanisch gelten.194 In Apg 10,38 wird nun Jesus als derjenige, der von Gott mit Heiligem Geist und Kraft gesalbt wurde, als dieser Wohltäter und Heilbringer beschrieben. Es ist also der Heilige Geist, mit dem Jesus gesalbt ist, der ihn zum Vollbringen seiner Taten ermächtigt und befähigt. Ohne seine Begabung mit dem Heiligen Geist könnte Jesus seinen von Gott erhaltenen Auftrag nicht ausführen. Allerdings wird in V.38 lediglich die Wundertätigkeit195 Jesu, explizit die Be194
Vgl. VOSS, Christologie, S. 46. Schweizer und im Anschluss an ihn Menzies haben bestritten, dass Lukas die Wundertätigkeit Jesu (und auch anderer Geistbegabter) auf den Heiligen Geist zurückführt. Vgl. SCHWEIZER, πνεῦµα, S. 405; MENZIES, Pneumatology, S. 124–126. Die oben genannte eindeutig die Wundertaten Jesu mit dem Heiligen Geiste verbindende Stelle Apg 10,38 wird dabei von Schweizer als „eine [übernommene] Formel“ abgetan (ebd., S. 405, Anm. 486). Es ist bereits erörtert worden, aus welchen Gründen Apg 10,38 als genuin lukanisch zu gelten hat. Mit ihrer Position wollen Schweizer und Menzies aufzeigen, dass das lukanische Geist-Verständnis die typisch jüdische Verbindung von Geist und Prophetie aufnimmt, die Menzies genauer im intertestamentarischen Judentum verortet. Beide begründen Ihre Ansicht vor allem mit dem Hinweis, dass Lukas die Wunder nicht auf den Geist, sondern stattdessen auf die Kraft (δύναµις) zurückführt, wofür Stellen wie Lk 5,17; 9,1; Apg 6,8 genannt werden. Allerdings bleibt unklar, wie die Zusammenstellungen von πνεῦµα und δύναµις in Lk 1,17; Apg 10,38 sowie der synonyme Gebrauch der beiden Begriffe in Lk 1,35; 24,49 par. Apg 1,5.8 damit zu vereinbaren sind. Wie in den Ausführungen zu II.1.2.1 gezeigt werden wird, handelt es sich bei diesen Zusammenstellungen um gegenseitige Interpretationen der beiden Begriffe, die den Heiligen Geist als Kraftvorstellung ausweisen und damit erlauben, besonders an Stellen wie Lk 5,17; Apg 6,8 δύναµις als synonym für πνεῦµα gebraucht anzusehen. (In Lk 9,1 und ebenso Lk 4,36 ist δύναµις hingegen von der mit ihr verbundenen ἐξουσία her zu verstehen. Dazu s. I.2.2.2.) Insgesamt kann man daher zu der These Schweizers und Menzies sagen: „[We] simply cannot say Luke dissociated the Spirit from Jesusʼ healings and exorcisms“ (TURNER, Spirit and Power, S. 141). Als ein weiteres wichtiges Argument für die These der Separation der Wundertätigkeit Jesu von seiner Geistbegabung wird häufig Lk 11,20 genannt. Anders als die Parallele Mt 12,28 spricht Lukas hier nicht davon, dass Jesus Dämonen mit dem Geist Gottes (πνεῦµα θεοῦ) austreibt, sondern mit dem Finger Gottes (δάκτυλος θεοῦ). Nach Menzies ist u.a. aufgrund des prophetischen Geistverständnisses des Lukas davon auszugehen, dass Lukas in der aus Q stammenden Aussage den ursprünglichen Geist durch den Finger Gottes ersetzt hat. Vgl. MENZIES, Pneumatology, S. 185–189. Demgegenüber hat Hengel überzeugend erwiesen, dass sich die Abänderung von Finger zu Geist im matthäischen Kontext, insbesondere aufgrund der Inclusio Mt 12,18 und 12,31f., plausibel machen lässt. Vgl. HENGEL, Finger, S. 87–89. Zudem erscheint es wenig wahrscheinlich, dass der auctor ad Theophilum, der an anderen Stellen den Heiligen Geist in seine Vorlagen einfügt, ihn in Lk 11,20 getilgt hätte. Vgl. auch VON BAER, Der Heilige Geist, S. 135; SCOTT, Spirit, S. 74. Deshalb ist davon auszugehen, dass die (an Ex 8,15 angelehnte) Rede vom „Finger 195
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2 Jesus und der Heilige Geist
freiung der vom Teufel196 Unterdrückten durch Dämonenaustreibungen und Exorzismen, erwähnt197 und mit seiner Geistprägung erklärt, nicht jedoch seine Verkündigungstätigkeit. Diese war aber bereits in der Antrittspredigt in Nazareth mit dem auf ihm ruhenden Geist in Verbindung gebracht worden.198 Gemeinsam ist Lk 4,18 und Apg 10,38 neben der Darstellung der Geistsalbung Jesu die damit zusammenhängende inhaltliche Bestimmung von Jesu Wirken als heilbringende Tätigkeit für die unheilvolle Welt. Mittels der oben genannten Hinzufügung nennt Lukas den Grund (ὅτι) dafür, dass Jesus seine Taten mit Hilfe des auf ihm ruhenden Geistes vollbringen kann: Gott ist mit ihm.199 Jesus erhält folglich laut Lukas die Befähigung für sein Handeln durch den Heiligen Geist, der Gottes ,Mit-ihm-Sein‘ bedeutet. Weil Jesus mit dem Geist gesalbt ist, wirkt Gott durch ihn. Jesu Wirken und seine auf alle Kranken und Unterdrückten gerichtete Zielrichtung wird also auf Gott selbst zurückgeführt (vgl. Apg 2,22); von ihm erhält Jesus im Heiligen Geist die Kraft für sein Tun.200 Andersherum kann man sagen, dass sowohl Dämonenaustreibungen als auch andere Heilungen als Sieg über die widergöttliche Sphäre beweisen, dass Gott mit Jesus war.201 Die Taten Jesu erweisen die Wirksamkeit Gottes an und mit ihm und das gesamte jesuanische Wirken gilt als „gnädige Heimsuchung Gottes“202. Es ist nach Lukas die fundamentale Prägung Jesu durch den Heiligen Geist, die seine Taten zum Wirken Gottes machen. Lukas verbindet also in Lk 4,18 und Apg 10,38 den bereits zuvor dargestellten fundamentalen Geistbesitz Jesu nun mit seiner Wirksamkeit. Jesu heilbringende Worte und Taten werden auf seine Geistbegabung zurückgeführt, wobei in Lk 4,18f. seine Verkündigungs- und in Apg 10,38 seine WunGottes“ als Ausdruck der göttlichen Macht in der ursprünglichen Q-Version stand, dass Matthäus den „Finger“ in „Geist“ umgeändert hat, Lukas jedoch nicht. Vgl. WOODS, Finger, S. 252. Aus diesem Grund kann Lk 11,20 kein Argument für eine lukanische Separation des Geistes von Wundern sein. 196 An dieser Stelle ist auch ein Zusammenhang mit der Bewährung des Geistträgers in der Wüste zu sehen: Dieser kann vom Teufel Unterdrückte heilen, weil er den Versuchungen des Teufels widerstanden hat. Vgl. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 1, S. 205. 197 Vgl. auch WILK, Apg 10,1–11,18, S. 611. 198 Zum Zusammenhang von Geistbegabung Jesu und seiner Predigt vgl. auch Apg 1,2. S. dazu I.2.1.5. 199 Damit hat Lukas eine alttestamentlich-jüdische Aussage aufgenommen (z.B. Gen 39,21; Jes 7,14 (hier wird der Begriff „Immanuel“ verwendet); vgl. auch Mt 1,23). Er wendet sie allerdings nicht nur auf Jesus an (vgl. Lk 1,28). Vgl. dazu VOSS, Christologie, S. 63–65. 200 Vgl. auch CIFRAK, Jesus und Gott, S. 239–241; FELDKÄMPER, Der betende Jesus, S. 78. 201 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 173; ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 245; KRÄNKL, Jesus, S. 100; NELLESSEN, Zeugnis, S. 187. 202 WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 269.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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dertätigkeit genannt wird. In diesem Zusammenhang begründet Lukas den Status Jesu als Gesalbter mit seiner Geistträgerschaft. Im lukanischen Terminus der Geistsalbung (Apg 10,38) erfolgt dabei geradezu eine Ineinssetzung von Geistbegabung und Salbung. Auf diese Weise schafft Lukas hier eine „,Ätiologie‘ der Christus-Bezeichnung“203, so dass nach Lukas wegen der fundamentalen Geistprägung Jesu gilt: „Jesus is […] a literal Christ“.204 2.1.5 Die Einbeziehung der Jünger in die Geistträgerschaft Jesu (Lk 10,21; Apg 1,2) Indem der auctor ad Theophilum in Lk 1,35–4,18 seine pneumatologische Christologie begründet und dargestellt hat, dass Jesus in seinem Sein und Wirken, in seiner Gottessohnschaft und Messianität fundamental vom Heiligen Geist geprägt ist, hat er insofern eine Art ,Leseanweisung‘ gegeben für alles, was in den auf die Antrittspredigt folgenden Evangeliumserzählungen über Jesus, seine Worte und Taten berichtet wird, als bei all diesen Berichten die Geistträgerschaft und deren Auswirkungen für Jesus und seine Wirksamkeit mitgedacht werden müssen.205 Deshalb wird dieser Geistbesitz Jesu auch nicht bei jeder Gelegenheit erneut erwähnt. Es finden sich im lukanischen Doppelwerk nach Lk 4,18 (vgl. Apg 10,38) allerdings noch zwei weitere Belege für die Bedeutung des Heiligen Geistes in Bezug auf Jesus.206 Diese 203
DÖMER, Heil Gottes, S. 68. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 135. 205 Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 69. Skeptisch in Bezug darauf ist TUCKETT, Christology, S. 144. 206 Umstritten ist, ob der πνεῦµα-Beleg in Lk 23,46 auf den Heiligen Geist zu beziehen ist. Der Begriff πνεῦµα tritt hier innerhalb des dem Lukas-Evangelium eigenen, an Ps 30,6 LXX angelehnten Kreuzeswortes auf: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Die Interpretation des Verses hängt an der Frage, ob mit πνεῦµα hier der Geist Gottes oder der menschliche Geist, d.h. die Seele, gemeint ist. In Bezug darauf hat Dochhorn erwiesen, dass der von Lukas – unter Hinzufügung der die lukanischen Jesus-Gebete (vgl. Lk 10,21; 22,42; 23,34) prägenden Anrede πάτερ und im Präsens statt im ursprünglichen Futur – zitierte Psalmvers im ersten nachchristlichen Jahrhundert sowohl in der jüdischen als auch in der christlichen Auslegungstradition „vielfach auf die Sterbestunde des verfolgten Gerechten bezogen [wurde], in der dieser seine Seele als eine von seinem Körper unterschiedene Wesenheit Gott übereignet“ (DOCHHORN, Vater, S. 490). Dieses Verständnis fügt sich auch in den lukanischen Kontext passend ein (vgl. besonders Lk 23,47 δίκαιος). Vgl. auch BONS, Sterbewort, S. 101. In diesem Sinne muss daher zunächst auch die lukanische Verwendung des Psalmwortes verstanden werden, da insbesondere seine ersten Leser diesen traditionsgeschichtlichen Hintergrund kannten. Allerdings bietet dieses Verständnis zumindest Ansätze für eine Interpretation innerhalb der lukanischen Pneumatologie. Wie Dochhorn darstellt, wurde vielfach der Gedanke integriert, dass mit der Seele Gott etwas zurückgegeben wird, was dieser dem Menschen gegeben hatte (Rekapitulationsgedanke). Vgl. ebd., S. 481–491. Gibt Jesus also nach Lukas den ihn zuvor wesenhaft prägenden Geist Gottes in die Hände des Vaters zurück? Dafür würde sprechen, dass er ihn nach 204
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2 Jesus und der Heilige Geist
sollen im Folgenden in die pneumatologische Christologie eingeordnet werden. Dabei stellt sich vor allem die Frage, warum ausgerechnet an diesen Stellen der Heilige Geist noch einmal in Bezug auf Jesus genannt wird. Die erste Stelle, die gleichzeitig den einzigen weiteren christologischen Geist-Beleg im Evangelium darstellt, ist Lk 10,21a. Dieser V.21a leitet das Lob-Gebet Jesu in Lk 10,21b–22 ein. Wie die matthäische Parallele in Mt 11,25–27 zeigt, stammen diese Verse Lk 10,21–22 aus der Logienquelle Q. Während das Gebet selbst bei Lukas und Matthäus weitgehend übereinstimmt207 und daher als traditionell gelten muss, unterscheidet sich der Einleitungssatz der beiden Versionen in auffallender Weise im Wortlaut. Dem matthäischen Ἐν ἐκείνῳ τῷ καιρῷ ἀποκριθείς steht hier bei Lukas Ἐν αὐτῇ τῇ ὥρᾳ ἠγαλλιάσατο [ἐν] τῷ πνεύµατι τῷ ἁγίῳ gegenüber. Neben der Tatsache, dass Einleitungssätze für Eingriffe seitens des Redaktors per se anfällig sind, findet sich in Lk 10,21a ein typischer Lukanismus: So ist αὐτός κτλ. mit substantivischer Zeitangabe im Neuen Testament nur im lukanischen Doppelwerk bezeugt (weiterhin Lk 2,38; 12,12; 13,1.31; 20,19; 23,12; 24,13.33; Apg 16,18; 22,13).208 Für diesen Zusammenhang besonders interessant ist, dass sich in Lk 10,21a der im matthäischen Text nicht vorhandene Hinweis findet, dass Jesus diesen Lobpreis in Kombination damit spricht, dass „er sich im Heiligen Geist freute“ (ἠγαλλιάσατο [ἐν] τῷ πνεύµατι τῷ ἁγίῳ). Für diese lukanische Nennung des Heiligen Geistes, in dem Jesus hier voller Freude spricht, lassen sich mehrere Gründe anführen, die jedoch zusammenhängen. Zunächst ist der Heilige Geist, von dem Jesus nach Lukas in Apg 2,33 als Erhöhter noch einmal vom Vater erhalten muss, um ihn an seine Gemeinde auszuteilen. Allerdings ist fraglich, wie dann Apg 1,2 zu verstehen wäre (s.u.), wenn Jesus vor seiner Himmelfahrt die Apostel im Geist unterweist, den Geist aber vorher schon zurückgegeben haben müsste. Müller argumentiert in seinem Beitrag „Die Hinrichtung des Geistträgers. Zur Deutung des Todes Jesu im lukanischen Doppelwerk“ dafür, dass das Kreuzeswort von Lukas gewählt wurde, um durch die Rückgabe des Heiligen Geistes durch Jesus an Gott zu erklären, wie es trotz der zunächst betonten Ausschließlichkeit des jesuanischen Geistbesitzes zur Ausgießung des Geistes an die Jünger kommen konnte. Der Tod Jesu ist nach ihm Voraussetzung für das Pfingstereignis. Vgl. MÜLLER, Hinrichtung, S. 47. Allerdings kann dieser Argumentation neben den oben genannten Argumenten entgegengehalten werden, dass nach der lukanischen Aussage in Apg 2,33 nicht der Tod, sondern die Erhöhung Jesu Grund der Geistbegabung der Gemeinde ist. Daher kann Lk 23,46 nicht eindeutig als Erwähnung des Heiligen Geistes benannt und daher an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. 207 Der Wortlaut des Lobpreises weicht bei Matthäus und Lukas nur an einigen wenigen Stellen ab. So findet sich in Lk 10,21 das Kompositum ἀπέκρυψας statt ἔκρυψας in Mt 11,25. Und anstelle von καὶ οὐδεὶς ἐπιγινώσκει τὸν υἱὸν εἰ µὴ ὁ πατήρ, οὐδὲ τὸν πατέρα τις ἐπιγινώσκει εἰ µὴ ὁ υἱός (Mt 11,27b) heißt es in etwas anderer Syntax und einem Simplex anstelle des Kompositums in Lk 11,22b οὐδεὶς γινώσκει τίς ἐστιν ὁ υἱὸς εἰ µὴ ὁ πατήρ, καὶ τίς ἐστιν ὁ πατὴρ εἰ µὴ ὁ υἱός. 208 Vgl. JEREMIAS, Sprache, S. 98.189; auch WOLTER, Lukasevangelium, S. 387.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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seinem Sein und Wirken geprägt ist, an dieser Stelle auch auf sein Freuen (ἀγαλλιάω) bezogen. Der Jesus wesenhaft prägende Geist ist nach Lukas demnach auch Auslöser von Jesu Jubel.209 Dieser jubelnde Ausdruck Jesu nimmt, wie auch die zeitliche Verortung ἐν αὐτῇ τῇ ὥρᾳ zeigt, gleichzeitig inhaltlich Bezug auf die Freuden-Thematik des vorangehenden Verses Lk 10,20.210 Dort hatte Jesus die 72 Jünger, die voll Freude über ihre Dämonen-Beherrschung zurückgekehrt waren, aufgefordert, sich nicht darüber, sondern über das Aufgeschriebensein ihrer Namen im Himmel211 zu freuen (χαίρω). Diese Freudenaufforderung nimmt Jesus nun hinüber in seinen eigenen Jubel und wendet sich damit im lobenden Gebet an Gott, seinen Vater.212 Zum Zweiten wurde im Rahmen der Besprechung der Taufe Jesu aufgezeigt, dass Lukas Jesus häufig als einen Betenden darstellt, um dessen besondere Beziehung zu Gott als Vater zu unterstreichen. In Lk 10,21 erfolgt zudem die Vateranrede Gottes zum ersten Mal aus dem Mund des Gottessohnes Jesus. Da diese Beziehung zwischen Gott als Vater und Jesus als Gottessohn nach den vorangehenden Erörterungen auf der fundamentalen Geistprägung Jesu beruht, ist es nicht verwunderlich, dass Lukas den Heiligen Geist hier noch einmal als etwas nennt, in dem Jesu jubelndes Gebet sich ereignet. Allerdings wäre dieser Hinweis nicht unbedingt notwendig gewesen, da dieser Sachverhalt bereits bekannt ist. Der Anlass für Lukas, hier die dauerhafte Geistträgerschaft Jesu eigens zu erwähnen, muss daher über die Betonung seines dadurch gegebenen besonderen Verhältnisses zu Gottvater hinausgehen. Da Jesus nach Lukas mit seinem Jubel auch die zur Freude aufgeforderten Jünger ins Gebet einschließt, holt er sie dadurch in die Beziehung zwischen sich und Gottvater hinein. Solchermaßen werden sie dann eben auch in den Wirkungsbereich des Heiligen Geistes hineingenommen, auch wenn sie selbst den Geist (noch) nicht erhalten. Dies wird Lukas veranlasst haben, den Jesus prägenden Geist hier zu erwähnen. Dieser Zusammenhang wird auch durch den Inhalt des Lob-Gebetes bestätigt. Jesus preist hier seinen Vater für die Offenbarung an die Unmündigen sowie die damit korrespondierende Geheimhaltung vor den Weisen und Klugen (V.21b). Damit verbunden thematisiert Jesus die gegenseitige einzigartige Erkenntnis des Vaters durch den Sohn sowie umgekehrt und darüber hinaus, dass ihm als Sohn alles übergeben ist vom Vater, so dass auch die Erkenntnis des Vaters nur für diejenigen mög209
Bereits in Bezug auf Elisabeth und Zacharias (Lk 1,41f.67f.) wurde aufgezeigt, dass die Begabung mit dem Heiligen Geist den Lobpreis der Begabten ermöglicht; im Unterschied zu diesen beiden Gestalten muss Jesus den Geist nicht erst erhalten, weil er schon von Geburt an von ihm geprägt ist. Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 387. 210 Vgl. WIEFEL, Lukas, S. 204. 211 Diese Redeweise nimmt die biblische Vorstellung vom „Buch des Lebens“ auf (vgl. z.B. Ex 32,32f.; Ps 69,29; Dan 12,1; Phil 4,3; Apk 3,5), bei dem die darin aufgeschriebenen Namen den Zugang zum Paradies bedeuten. Vgl. SCHNEIDER, Lukas 1, S. 242. 212 Vgl. auch FELDKÄMPER, Der betende Jesus, S. 158.
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lich ist, denen der Sohn sie offenbaren will (V.22). In dem Lobpreis Jesu wird also die Verbindung von Gott als Vater und Jesus als Gottessohn, die durch den Heiligen Geist zustande gekommen ist und ebenfalls von diesem als Fundament zusammengehalten, gewährt und ausgemacht wird, als eine beschrieben, die dem Sohn die Offenbarungsvollmacht zuschreibt. Er bestimmt, wer Gottvater erkennen kann und dies sind nach Gottes Wohlgefallen die Unmündigen. Dies ist daher auch der Grund für Jesu geistgewirkten Jubel.213 Da sodann in den anschließenden Vv.23f. die Jünger seliggepriesen werden, weil sie sehen und hören, was Könige und Propheten gerne gesehen hätten, wird angedeutet, dass es die von Jesus angesprochenen Jünger sind, denen die oben genannte Offenbarung zuteilwird, und die damit an der einzigartigen Beziehung zwischen Jesus und Gottvater Anteil erhalten. Der Heilige Geist wird demnach in Lk 10,21 genannt, weil es hier um die Einbeziehung des Jüngerkreises in die im Geist gründende Gemeinschaft von Vater und Sohn geht.214 Auch wenn die Jünger den Heiligen Geist hier noch nicht selbst erhalten, wird doch eine Art ,Vorprogramm‘ geboten und der Grundstock gelegt für die bedeutende Rolle, die dem Heiligen Geist später für die Gemeinde Jesu zukommen wird. Schon in dem dargestellten Zusammenhang wird deutlich, dass diese Rolle des Geistes auf der Zugehörigkeit der Gemeinde zu dem einzigartigen Geistträger Jesus basiert. In die gleiche Richtung weist auch in Apg 1,2 eine zweite lukanische Erwähnung des Heiligen Geistes, die Jesu ohnehin insgesamt unter die Wirksamkeit des Geistes gestelltes Handeln an einer spezifischen Stelle noch einmal als solches heraushebt. Dieser Vers steht innerhalb des Einleitungskapitels der Apostelgeschichte Apg 1,1–14, das unter der Aufnahme der Schlussperikope des Lukas-Evangeliums (Lk 24,44–53) noch einmal von Jesu Himmelfahrt und den sich damit verbindenden Ereignissen berichtet.215 In den ersten beiden Versen dieser Einleitungsperikope knüpft Lukas, auch durch die erneute Adressierung an Theophilus, an den Prolog216 seines Evangeliums als erstem Bericht an (τὸν µὲν πρῶτον λόγον ἐποιησάµην) und fasst dessen Inhalt mit den Worten zusammen: περὶ πάντων, […] ὧν ἤρξατο ὁ Ἰησοῦς ποιεῖν τε καὶ διδάσκειν ἄχρι ἧς ἡµέρας ἐντειλάµενος τοῖς ἀποστόλοις διὰ πνεύµατος ἁγίου οὓς ἐξελέξατο ἀνελήµφθη („über alles, […] was Jesus von Anfang an tat und lehrte, bis zu dem Tag, an dem er aufgenommen 213
Der Zusammenhang von Geistbegabung und Freude bzw. Jubel (ἀγαλλιάσις und χαρά) findet sich innerhalb des lukanischen Doppelwerks auch in Lk 1,44; Apg 13,52. S. dazu I.1.2.1; I.3.3.5. 214 Das wird sich auch daran zeigen, dass Jesus, genauso wie er selbst hier Gott „Vater“ nennt, kurz darauf die Jünger ebenfalls mit der Vateranrede zu beten lehren wird (Lk 11,2). Vgl. auch FITZMYER, Luke 2, S. 870. 215 Im Einzelnen zu Apg 1,1–14 s. I.2.2.2. 216 Zu diesem an griechisch-römische Geschichtsschreibung anknüpfenden Stil des Lukas s. die Einleitung dieser Arbeit.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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wurde, nachdem er durch den Heiligen Geist die Apostel, die er auserwählt hatte, unterwiesen hatte“) (Vv.1b–2). Demnach umfasste sein erster Bericht Jesu Taten und Lehre von Anfang an217 bis zu dem Tag seiner Hinaufnahme218, d.h. seiner Himmelfahrt.219 In dieses kurze Summarium bettet Lukas ein Detail ein, das er offenbar für den nun folgenden zweiten Teil seines Doppelwerkes als besonders wichtig und daher an dieser Stelle notwendigerweise zu erwähnen220 erachtet: Vor seiner Himmelfahrt hat Jesus die Apostel erwählt und ihnen Aufträge erteilt. Für diese Arbeit ist dieser Hinweis deshalb bedeutend, weil Lukas dieses Handeln Jesu als eines beschreibt, dass er διὰ πνεύµατος ἁγίου221 vollführt. Diese Erwähnung des Heiligen Geistes steht in V.2 zwischen den beiden das Agieren Jesu bezüglich der Apostel beschreibenden Wendungen, die zum einen eine Partizipialkonstruktion (ἐντειλάµενος τοῖς ἀποστόλοις) und zum anderen einen Relativsatz (οὓς ἐξελέξατο) darstellen. Aufgrund dieser Zwischenposition von διὰ πνεύµατος ἁγίου kann nicht eindeutig festgestellt werden, ob das Handeln Jesu durch den Heiligen Geist auf ἐντειλάµενος oder – über das Relativpronomen hinweg – auf ἐξελέξατο zu beziehen ist. Für die letztgenannte Möglichkeit des Bezugs des Heiligen Geistes auf die durch Jesus erfolgende Auswahl der Apostel spricht vor allem der in Lk 6,12–16 gebotene lukanische Bericht über dieses Ereignis selbst. Denn hier wird berichtet, dass Jesus, unmittelbar bevor er die zwölf Apostel erwählte (V.13), betete (V.12). Jesus hat an dieser Stelle demnach in der besonderen Beziehung zu Gottvater gehandelt, die ihm – wie bereits erwähnt – durch seine fundamentale Geistprägung zukommt. In Apg 1,2 wird dann dieses in Lk 6,12 durch das Gebet angedeutete Geistwirken hervorgehoben, wohl um die Beteiligung des Geistes an der Apostelwahl aufzuzeigen.222 Problematisch an diesem Bezogensein von διὰ πνεύµατος ἁγίου auf das in Apg 1,2 beschriebene Auswählen der 217
Das Prädikat ἤρξατο wird hier so verstanden, dass es dem beschriebenen Handeln Jesu eine „zeitliche Begrenzung nach rückwärts“ gibt (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 19), die mit dem Hinweis auf die Himmelfahrt als dessen Ende korrespondiert. 218 In gleicher Weise wird ἀναλαµβάνοµαι in Apg 1,11.22 zur Bezeichnung der Himmelfahrt Jesu gebraucht. Vgl. auch ἀναλήµψις in Lk 9,51. 219 Dies deckt sich damit, dass der letzte Abschnitt des Evangeliums in Lk 24,50–53 von Jesu Aufnahme in den Himmel handelt. Vgl. auch PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 61. 220 „Die Gestaltung der Vorrede Apg 1,1f. durch den dritten Evangelisten ist somit dadurch bestimmt, daß sie in ihrer formalen Fassung als Rückblick auf den Inhalt des ersten Buches konzipiert ist, dabei zugleich aber auch schon einleitend zu den nachfolgenden Versen im zweiten Teil des lukanischen Werkes hinführt“ (DÖMER, Heil Gottes, S. 111). 221 Diese Formulierung schillert zwischen einem Ausdruck der Vermittlung und einem Ausdruck des Umstands, wie die Deutung dieser Erwähnung des Geistes deutlich machen wird. Vgl. zu διά mit Genitiv B/D/R § 223,3f. 222 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 49; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 192f.; ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 44.
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2 Jesus und der Heilige Geist
Apostel ist jedoch, dass die Wendung nicht innerhalb des Relativsatzes steht. Die trotzdem mögliche Einbindung in den Relativsatz wird jedoch immer wieder vor allem mit der stilistischen Vorliebe des Lukas begründet, betonte Aussagen voranzustellen.223 Dieses Argument steht allerdings weiterhin unter der Einschränkung, dass es höchst unüblich ist, das Relativpronomen einfach zu überspringen. Für die zweite Option, nach der der an Jesus wirkende Heilige Geist auf die Unterweisung der Jünger zu beziehen ist, gibt es allerdings keine konkrete im Evangelium berichtete Begebenheit, die Lukas hier wiederholen könnte.224 Andererseits ist die Rückbindung von διὰ πνεύµατος ἁγίου an ἐντειλάµενος τοῖς ἀποστόλοις insofern plausibler, als dass sie eher den grammatischen Regeln entspricht. Es bleibt nach diesen Ausführungen jedoch dabei, dass die Wendung διὰ πνεύµατος ἁγίου nicht eindeutig einer der beiden die Apostel betreffenden Handlungen Jesu zugeordnet werden kann.225 Es ist daher zu vermuten, dass Lukas den Bezug bewusst offen lässt, um somit nicht nur eine bestimmte Begebenheit, sondern das gesamte Wirken Jesu hinsichtlich der Apostel unter die Auswirkungen des Heiligen Geistes zu stellen. Dafür spricht auch, dass sich für diese Geschehnisse, insbesondere für die genannte Unterweisung der Jünger, kein konkreter Zeitpunkt bestimmen lässt, sondern dass lediglich deutlich ist, dass sie sich innerhalb des Zeitraums von Jesu Wirken bis zur Himmelfahrt226 ereignet haben müssen. Der auctor ad Theophilum hebt also innerhalb der Zusammenfassung des im Evangelium Geschilderten hervor, dass Jesus die Apostel durch den Heiligen Geist auserwählt und beauftragt hat. Der Grund dieser Erwähnung ist in der Bedeutung zu suchen, die Lukas den Aposteln insgesamt zuschreibt. Diese227 sind für ihn die Garanten der Jesus-Überlieferung und führen die Gemeinde nach Jesu Himmelfahrt weiter, werden demnach für die im zweiten Teil des Doppelwerks geschilderte Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde besonders wichtig als „Kontinuum zwischen der Zeit des Tuns und
223 Vgl. u.a. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 108; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 110. 224 Die Geistbezüge bei der Auftragserteilung an die Jünger in Lk 24,49 und Apg 1,8, die nach BARRETT, Acts 1, S. 69 eher für einen Bezug von διὰ πνεύµατος ἁγίου zu ἐντειλάµενος sprechen, sind anderer Art, da sie die Wirkung des Geistes an den Jüngern und nicht an Jesus betreffen, und können daher nicht als plausibles Argument verwendet werden. 225 Vgl. JOHNSON, Acts, S. 24. 226 Das bedeutet auch, dass Lukas hier nicht genaue Auskunft darüber gibt, ob die beschriebenen Handlungen Jesu vor oder nach seiner Auferstehung stattfanden. Das hängt damit zusammen, dass die hier beschriebene Zeit der Taten und der Lehre Jesu für Lukas erst mit der Himmelfahrt beendet ist. Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 19. 227 Zur Bedeutung der Apostel s. auch I.3.4.1.
2.1 Der Geistträger Jesus als Gottessohn und Christus
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Wirkens Jesu und der Zeit der Kirche“.228 Diese zentrale Bedeutung der Apostel für die Gemeinde Jesu als diejenigen, die die Weitergabe seiner Botschaft garantieren, ist es auch, auf die die Nennung des Heiligen Geistes als Jesu Handeln begleitend zurückzuführen ist. Lukas hebt hervor, dass Jesus den Fortbestand seiner Botschaft durch die Apostel mittels des Heiligen Geistes sichert.229 Damit weist das Geistwirken Jesu bereits über ihn selbst hinaus in die Zeit, da er nicht mehr auf Erden wirken wird. Lukas thematisiert also noch einmal die Verbindung Jesu zu Gottvater und zu denen, die Jesu Botschaft weitertragen, als eine Beziehung, die im Geist getragen ist. Der auf Jesus ruhende Geist sorgt dafür, dass das Evangelium auch nach Jesu Auffahrt zum Himmel auf Erden weitergehen kann, indem Jesus die Weiterführung durch die Apostel regelt. Denn die Apostel können somit aus der Beziehung zu Jesus heraus wirken, auch wenn sie den Geist noch nicht erhalten haben, sie sind von dem einzigartigen Geistträger beauftragt worden. Ergebnis Im Vorangehenden wurde gezeigt, dass der auctor ad Theophilum dem Heiligen Geist eine fundamentale Bedeutung in Bezug auf Jesu Sein und Wirken zuweist. Dabei beruht es in großem Maße auf der redaktionellen Tätigkeit des Lukas, dass in seinem Doppelwerk die Christologie in starker Weise auf der Pneumatologie gründet: Schon in der lukanischen Ankündigung von Jesu Geburt wird deutlich, dass Jesus durch die Beteiligung des Heiligen Geistes an seinem Entstehen wesenhaft von diesem Geist geprägt sein wird (Lk 1,35). Diese einzigartige Geistträgerschaft begründet nach lukanischer Darstellung die Gottessohnschaft Jesu und seinen Status als königlicher Messias. Gleichzeitig hebt der Gottessohn sich mittels des sehr engen Gottesverhältnisses, das ihm durch den ihn wesenhaft bestimmenden Geist gegebenen ist, von anderen Geistbegabten, wie beispielsweise dem Propheten Johannes, ab. Anders als diese braucht der Gottessohn nicht mehr im Geist zu erstarken. Von dieser Basis ausgehend hat Lukas auch die markinische Taufperikope entsprechend stark redaktionell umgestaltet. Nicht erst im Rahmen der Taufe Jesu ereignet sich daher Jesu Ausstattung mit dem Geist. Jesus wird nach seinem an die Taufe anschließenden, die Beziehung zu Gottvater anzeigendem Gebet nicht – wie von Markus geschildert – erstmals mit dem Geist begabt, sondern durch die sichtbare Herabkunft des Geistes (nur noch) als Gottessohn und Christus offenbart. Auch wenn ihm dies durch seine Geistprägung schon von Beginn seiner Existenz an zukommt, wird Jesus erst im
228 229
ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 19. Vgl. auch FITZMYER, Acts, S. 196.
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2 Jesus und der Heilige Geist
Rahmen dieser Ereignisse in sein Amt eingesetzt und sein heilbringendes Wirken wird ,aktiviert‘. Der inthronisierte Gottessohn muss sich, bevor er mit seinem Wirken beginnen kann, zunächst gegenüber den Versuchungen des Teufels bewähren. Wiederum betont Lukas in diesem Zusammenhang in redundanter Weise, dass Jesus wesenhaft vom Geist geprägt ist. Denn er hat den Rahmen der Versuchungsgeschichte in Lk 4,1.14 so umgestaltet, dass dreimal vom Heiligen Geist die Rede ist, wohingegen die markinische Version den Geist lediglich einmal erwähnt. Auf diese Weise wird deutlich, dass es für Jesus in der Versuchung darum geht, sich als Geistträger zu bewähren, wobei sowohl der Aspekt der besonderen Beziehung des Gottessohnes zu Gottvater als auch die Frage nach dem richtigen Einsatz der gegebenen Macht zum Tragen kommt. Zudem wird durch die lukanische Umformulierung in Lk 4,1 klar, dass der Heilige Geist kein eigenständiges Gegenüber Jesu, sondern eine ihn bestimmende Kraft ist, so dass Jesus stets Herr des Geschehens bleibt. Nach der erfolgreichen Bewährung kann der Geistträger mit seinem Wirken beginnen. In dem zur programmatischen Antrittspredigt umgestalteten Besuch Jesu in der Nazarether Synagoge (Lk 4,16–21) lässt Lukas ihn seine Wirksamkeit als Erfüllung der Verheißung aus Jes 61,1 / 58,6 ankündigen. Die postulierte Umkehrung von Unheil und Heil durch Jesus hat dieser Selbstproklamation zufolge zur Voraussetzung, dass Jesus für diese Aufgabe von Gott gesalbt, d.h. beauftragt ist, und dass deshalb der Heilige Geist auf ihm ruht. Die enge Verbindung von Jesu Salbung und seiner Begabung mit dem Heiligem Geist bringt Lukas durch den ihm eigentümlichen Terminus der Geistsalbung in Apg 10,38 zum Ausdruck. Neben der Rückführung der Verkündigungstätigkeit auf den Heiligen Geist in Lk 4,18f. wird in Apg 10,38 auch die Wundertätigkeit Jesu mit seiner Geistbegabung begründet, so dass nach lukanischer Darstellung die gesamte Wirksamkeit Jesu mit seiner wesenhaften Prägung durch den Geist zusammenhängt. Durch diese Kombination von Salbung und Geist führt Lukas letztlich neben der Gottessohnschaft auch Jesu Christus-Sein und -Titel auf dessen Geistträgerschaft zurück. Da folglich Jesu gesamtes Wirken auf seiner Geistträgerschaft gründet, wird der Heilige Geist im folgenden Verlauf des Evangeliums nicht mehr permanent erwähnt. Lediglich an zwei Stellen findet sich noch einmal der Hinweis auf den Geist. Dabei geht es an beiden Stellen darum, dass die Jünger mit der einzigartigen Geistträgerschaft Jesu in Kontakt kommen. In Lk 10,21 werden sie dadurch in die besondere Beziehung zwischen dem Gottessohn Jesus und Gottvater einbezogen. In Apg 1,2 wird dargelegt, dass Jesus durch den an ihm wirkenden Geist die Apostel als diejenigen, die seine Botschaft weitertragen sollen, erwählt und beauftragt. Der auf Jesus ruhende Geist wirkt damit bereits über diese Epoche hinaus, indem er den Fortbestand der Evangeliumsbotschaft durch die Jünger, insbesondere durch den Apostel-
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
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kreis, sichert, auch wenn diese noch nicht selbst mit dem Heiligen Geist begabt werden. Sie sind aber bereits mit dem einzigartigen Geistträger verbunden.
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes 2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
Zur Bedeutung des Heiligen Geistes für Jesus gehört nach lukanischer Darstellung nicht nur, dass dieser selbst in seinem Sein und Wirken vom Geist maßgeblich bestimmt und daher der einzigartige Geistträger ist. Wesentlich ist auch die Tatsache, dass Jesus zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes an seine Anhängerschaft wird. In I.2.1.5 wurde ausgeführt, dass die Jünger nach Lk 10,21; Apg 1,2 bereits mit der Geistträgerschaft Jesu in Kontakt kamen und in die durch den Geist gegebene Beziehung Jesu zu seinem Vater hineingeholt wurden. Es bleibt jedoch nicht bei diesem bloßen Bezug zum einzigartigen Geistträger, sondern Jesus schenkt seinen Anhängern selbst die Gabe des Heiligen Geistes. Deshalb wird der Geist der christlichen Gemeinde zuteil. Um die von Lukas dabei aufgezeigten Zusammenhänge zu erschließen, muss zunächst Apg 2,33 als diejenige Aussage in den Blick genommen werden, die begründet, warum Jesus den Geist überhaupt an seine Jünger vermitteln kann. Anschließend wird anhand der von Jesus an die Jünger ergangenen Verheißungen (Lk 11,13; 12,12; 24,49; Apg 1,5.8) ausgeführt, was sich für die Gemeinde mit der Gabe des von Jesus geschenkten Heiligen Geistes verbinden soll. 2.2.1 Die Installation Jesu (Apg 2,33) Der Vers Apg 2,33 ist die einzige Stelle im lukanischen Doppelwerk, an der explizit ausgeführt wird, dass und warum Jesus für die Vergabe des Heiligen Geistes verantwortlich ist. Dieser Vers ist Teil der Predigt des Petrus in Apg 2,17–40230, in der das Pfingstereignis und damit die erste Ausgießung des Geistes an die Anhänger Jesu gedeutet wird.231 Im dritten Abschnitt dieser Predigt (Vv.29–36) wird unter Bezugnahme auf die an bzw. von David ergangenen Verheißungen die Auferweckung und das Sitzen Jesu Christi zur
230
Nähere Ausführungen zu dieser Petrusrede finden sich in I.3.1.1. Dass die Reden der Apostelgeschichte literarische Kompositionen des auctor ad Theophilum sind und daher als Ausdruck lukanischer Theologie gelten müssen, wurde bereits in I.2.1.4 im Blick auf Apg 10,38 dargelegt. Dies gilt daher auch für den an dieser Stelle relevanten Vers Apg 2,33, wobei insbesondere das Thema des Heiligen Geistes und dasjenige der (mit der Himmelfahrt erfolgten) Erhöhung Jesu als typisch lukanisch anzusehen sind. 231
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2 Jesus und der Heilige Geist
Rechten Gottes verkündet. Innerhalb dieser Thematik232 wird in V.33 nun die Rolle Jesu bei der an Pfingsten erfolgten Geistausgießung an die Gemeinde dargelegt: „Als er also zur Rechten Gottes erhöht war, empfing er auch die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater und hat (ihn) ausgegossen; es ist dies, was ihr (auch) seht und hört.“ Der letzte Teil dieses Verses τοῦτο ὃ ὑµεῖς [καὶ] βλέπετε καὶ ἀκούετε („es ist dies, was ihr (auch) seht und hört“) bezieht das Gesagte explizit auf den unmittelbaren Kontext der gesamten Predigt des Petrus, i.e. auf die zuvor in Apg 2,1–13 berichtete pfingstliche Ausgießung des Geistes und die damit verbundenen sicht- und hörbaren Folgen, die von den Zuhörern des Petrus (ὑµεῖς) wahrgenommen werden. Welche akustischen und visuellen mit der Geistausgießung zusammenhängenden Ereignisse mit dieser Formulierung genau gemeint sind, bleibt letztlich offen, allerdings sind in den Vv.5–13233 eine Reihe von Möglichkeiten genannt: So haben die Jerusalemer Juden sich versammelt, weil sie eine φωνή hörten (V.6a). Außerdem wundern sie sich darüber, die ungebildeten Jesusanhänger aus Galiläa in fremden Sprachen reden zu hören (Vv.6b–8). Sichtbar ist auf jeden Fall eine Anzahl von Jüngern, die in verschiedenen, für die Zuhörer zum Teil unverständlichen Sprachen durcheinander reden, was vermutlich auch die Assoziation von Betrunkenheit hervorrief (V.13). Apg 2,33 erklärt diesbezüglich, dass diese von dem Publikum des Petrus wahrgenommenen Phänomene darauf zurückgehen, dass Jesus den Geist ausgeteilt hat. Nicht ohne Grund wird bei der Formulierung dieser Austeilung des Geistes durch Jesus mit ἐξέχεεν („er hat ausgegossen“) dasselbe Verb verwendet, mit dem auch die von Petrus bereits im ersten Abschnitt seiner Predigt (Vv.14–21) zitierte alttestamentliche Verheißung aus Jo 3,1–5a die Geistmitteilung beschreibt. Laut dieser Verheißung hatte Gott mithilfe von ἐκχεῶ die Gabe des Geistes versprochen (Apg 2,17f.), was der Erläuterung des Petrus zufolge durch das Pfingstereignis erfüllt wurde (V.16). In Apg 2,33 wird diese Erfüllungsaussage – insbesondere auch durch das aufgenommene Verb ἐκχέω234 – dahingehend präzisiert, dass dieses aus Jo 3,1f. stammende Versprechen soeben deswegen realisiert wurde, weil Jesus (und
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Die Verknüpfung mit den vorangehenden Versen wird durch οὖν angezeigt, also als daraus sich ergebendes Ereignis. 233 Der Abschnitt Apg 2,1–4 kommt als Referenztext für die sicht- und hörbaren Phänomene nur bedingt in Frage, da die Juden, an die Petrus seine Predigt und damit auch die Anrede ὑµεῖς in V.33 richtet, die Szene erst ab V.5 betreten. Es ist daher unklar, ob diese Empfänger der Petruspredigt auch die mit dem Kommen des Geistes verbundene Theophanie der Feuerzungen gesehen haben können. Allerdings ist es durchaus möglich, dass die in V.6a erwähnte φωνή auf das gemeinsam mit den Feuerzungen sich ereignende Windbrausen Bezug nimmt. 234 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 275, Anm. 114.
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
111
entgegen der Ankündigung nicht Gottvater selbst) den Heiligen Geist ausgegossen hat. Diese Verschiebung bezüglich des Subjekts der Ausgießung des Heiligen Geistes wird in V.33 darauf zurückgeführt, dass Jesus die ἐπαγγελία τοῦ πνεύµατος τοῦ ἁγίου von Gottvater empfangen hat. Bei ἐπαγγελία τοῦ πνεύµατος τοῦ ἁγίου handelt es sich um eine Konstruktion mit Genitivus appositivus, die sinngemäß übersetzt wird mit „Verheißung, die im Geist besteht“.235 Der Geist wird an dieser Stelle demnach als eine verheißene Gabe bezeichnet, deren Übergabe an Jesus erfolgt ist. In V.33 wird jedoch nicht erwähnt, auf welche konkrete Verheißung des Geistes dieser Ausdruck ἐπαγγελία τοῦ πνεύµατος τοῦ ἁγίου Bezug nimmt. Im unmittelbaren Kontext wird Jo 3,1–5a zur Deutung des Pfingstereignisses herangezogen. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die weiteren alttestamentlichen Geist-Verheißungen (Jes 32,15; 44,3; 59,21; Ez 11,19; 36,26f.; 39,29) im Hintergrund dieser Aussage stehen.236 Es wird sich im Folgenden bei der Besprechung von Apg 1,4f. außerdem zeigen, dass Lukas noch eine weitere Verheißung des Heiligen Geistes im Blick hat.237 In Bezug auf Apg 2,33 ist zunächst entscheidend, dass Jesus den verheißenen Geist erhält. Dies muss infolgedessen so verstanden werden, dass die Geist-Verheißung Gottes und darüber hinaus auch deren Erfüllung Jesus übergeben und durch diese Übergabe auf ihn verengt wird. Denn er ist es nun, der den Geist ausgießt, wobei Gottvater weiterhin Ausgangspunkt und Quelle des Heiligen Geistes bleibt238, da Jesus von ihm den Geist erst erhält. „Ursprung des Geistes ist Gott […], aber man empfängt ihn nunmehr durch die Vermittlung Jesu.“239 Das bedeutet, dass Jesus von Gottvater zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wird. Dieses hier gewählte Begriffspaar „Vermittler und Verwalter“ für Jesu Funktion darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass es sich bei Jesu Rolle bloß um die gleichsam ,technische‘ Ausführung dezidierter Vorgaben seitens Gottvaters handelt oder gar im Einzelfall noch Entscheidungen von diesem eingeholt werden müssen. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass Jesus durch die erfolgte Erhöhung 235
Vgl. B/D/R § 167,2. Zur Bedeutung dieser alttestamentlichen Geist-Verheißungen s. II.2.1.4. 237 Die Rede von der „Verheißung des Geistes“ wird hier somit als eine verstanden, die an verschiedenen Stellen im Alten Testament überliefert ist und die schließlich noch einmal von Jesus aufgenommen und von ihm erfüllt wird (Apg 1,4f.). Vgl. auch DÖMER, Heil Gottes, S. 115; SHEPHERD, Holy Spirit, S. 155; HULL, Spirit l, S. 15f.; SIEBER, Spirit, S. 273. Dem entgegen steht eine Festlegung des Bezugs auf eine einzige bestimmte GeistVerheißung, wie z.B. durch MENZIES, Pneumatology, S. 203, der die ἐπαγγελία nur von Jo 3,1–5 aus verstehen will. 238 Deshalb wird die verheißene Gabe des Geistes in Lk 24,49; Apg 1,4 auch „Verheißung des Vaters“ genannt. Vgl. LARKIN, Spirit and Jesus, S. 125. 239 ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 59. Vgl. auch KREMER, Voraussagen, S. 151. 236
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2 Jesus und der Heilige Geist
zur Rechten Gottes Anteil erhalten hat an Gottes Macht (s.u.) und damit in eine einmalige Machtposition eingesetzt wurde. Bereits die auf der eigenen Geistträgerschaft begründete Gottessohnschaft und Messianität haben Jesu herrschaftliche Stellung angezeigt. Diese Macht Jesu realisiert sich nach Apg 2,33 nun auch in seiner Vermittler- und Verwaltertätigkeit bezüglich des Heiligen Geistes. So obliegt es ihm auch, selbständig zu entscheiden, wer den Heiligen Geist erhalten soll und wer nicht. Diese Vermittler- und Verwaltertätigkeit Jesu setzt nach Apg 2,33 zu dem Zeitpunkt ein, als der auferstandene Jesus zur Rechten Gottes erhöht worden ist. Erst als Erhöhter und zur Rechten Gottes Sitzender hat Jesus nach diesen Ausführungen den verheißenen Geist empfangen und sodann an die Gemeinde ausgießen können. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass nach lukanischer Konzeption die Auferstehung Jesu und der Erhöhungsvorgang voneinander zu trennen sind.240 Diese Unterscheidung wird im lukanischen Doppelwerk daran deutlich, dass nur hier zusätzlich zu Jesu Auferstehung auch von seiner Himmelfahrt berichtet wird, bei der der Auferstandene von den Jüngern weg in den Himmel entrückt wird (Apg 1,9-11; vgl. Lk 24,51).241 Nach Lukas ist demzufolge nicht schon die Auferstehung, sondern erst die auf die Erscheinungen des Auferstandenen vor den Jüngern folgende Himmelfahrt Jesu unabdingbare Voraussetzung für die pfingstliche Geistesgabe.242 Daraus ergibt sich die Besonderheit dieser Ausführung des Lukas zur Übergabe des Geistes durch Jesus, stellt doch dieses Ereignis nichts anderes dar als den Übergang von der Christologie zur Ekklesiologie: Jesus ist selbst schon nicht mehr bei den Jüngern, als diese am Pfingsttag den Heiligen Geist erhalten. Jesus und der Heilige Geist sind demnach nicht zusammen bei den Jüngern. Deshalb hat Jesus den Heiligen Geist empfangen, um ihn an seine Gemeinde weiterzugeben. Der Geist soll auf diese Weise an Jesu statt treten.
240
Vgl. u.a. BOUWMAN, Erhöhung, S. 263; ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 88; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 124; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 275. 241 Dass die eine Entrückung darstellende Himmelfahrt mit der Erhöhung Jesu zu identifizieren ist, zeigt sich auch an dem in Apg 2,34 angeführten Schriftzitat aus Ps 110,1 (109,1 LXX), das mit dem Hinweis versehen wird, nicht David selbst sei zum Himmel aufgefahren. Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 59. 242 Diese Darstellung hebt sich deutlich von der johanneischen Sichtweise ab, nach der der auferstandene Jesus seinen Jüngern den Geist austeilt, während er ihnen erscheint (Joh 20,22). Zur Folge hat diese unterschiedliche Schilderung außerdem, dass anders als bei Lukas im Johannes-Evangelium Jesus und der Geist eine kurze Zeit gleichzeitig bei den Jüngern sind. Lukas und Johannes stimmen allerdings insofern überein, als dass beide aufzeigen, dass der Heilige Geist nur von Jesus an die Jünger vermittelt wird und dass die Vermittlung erst nach dessen Erhöhung erfolgt. Vgl. auch VON BAER, Der Heilige Geist, S. 84.
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
113
Nicht von ungefähr wird die Übergabe des Heiligen Geistes an Jesus mit seiner Platzierung zur Rechten Gottes243 verbunden. Die Rechte Gottes bezeichnet die Hand, mit der Gott nach alttestamentlicher Tradition seine Herrschaft verrichtet (Ex 15,6.12; Ps 44,4; 74,11; 89,14; 98,1; 138,7; Jes 48,13; Klgl 2,3f. u. ö.). Ist Jesu Position durch seine Erhöhung die Rechte Gottes, so bedeutet dies auch, dass Jesus Anteil erhält an der Herrschaft und Macht Gottes. Diese Beteiligung Jesu an Gottes Macht konkretisiert sich nach Apg 2,33 eben darin, dass er den Heiligen Geist empfängt und vermitteln kann.244 Die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes wird von Lukas also gedeutet als Ermächtigung zur Anteilgabe am Heiligen Geist.245 Dass Jesus zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wird, ist nach Lukas demnach eine entscheidende Folge seiner Himmelfahrt.246 Jesus empfängt in der lukanischer Darstellung zu diesem Zeitpunkt nach der Himmelfahrt allerdings nicht das erste Mal den Heiligen Geist. Wie in I.2.1 dargelegt wurde, war Jesus nach Lukas in seinem gesamten Sein und Wirken vom Heiligen Geist geprägt und bestimmt. Auf diese fundamentale Geistträgerschaft Jesu findet sich in Apg 2,33 kein expliziter Hinweis. Jedoch nimmt dieser Vers indirekt darauf Bezug, wenn man berücksichtigt, dass Jesus nach Lukas aufgrund seiner Geistträgerschaft Gottessohn (Lk 1,35; 3,22) und Christus (Lk 4,18; Apg 10,38) war. Eben diese Gottessohnschaft und Messianität Jesu spielen auch für seine Vermittlertätigkeit in Bezug auf den Geist eine Rolle. Zum einen ist auffällig, dass Gott in V.33 als derjenige, von dem der Erhöhte den Geist empfängt, mit dem Vater-Prädikat bezeichnet wird. Dadurch wird Jesus in der Funktion desjenigen, der den Heiligen Geist aussendet, als Sohn Gottes identifiziert. Die nach lukanischer Konzeption wesentlich durch den Heiligen Geist bestimmte Vater-Sohn-Beziehung zwischen Gott und Jesus ist demnach von Bedeutung dafür, dass der Geist auch 243
Der Dativ in der Wendung τῇ δεξιᾷ τοῦ θεοῦ ὑψωθείς kann sowohl lokal als auch instrumental verstanden werden. Für den Dativus loci spricht insbesondere der Kontext von Apg 2,33, in dem es um die auf die Verheißungen Davids gestützte Auferstehung und Himmelfahrt Jesu geht. Die bei Lukas durch die Himmelfahrt ausgedrückte Erhöhung Jesu wird neutestamentlich sehr häufig auf Ps 110,1 (109,1 LXX) bezogen. Vgl. HENGEL, Inthronisation. So wird dieser Vers auch in Apg 2,34 zu der entsprechenden Thematik zitiert. Da dieser Vers eindeutig von der „Rechten Gottes“ als Ortsangabe spricht, liegt es nahe, dass auch im Vers zuvor die Rechte Gottes als der Ort aufgefasst werden muss, an den Jesus erhöht wird. Vgl. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 35; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 59; auch PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 124; anders jedoch VOSS, Christologie, S. 133. 244 Vgl. KRÄNKL, Jesus, S. 149. 245 Somit wird der Heilige Geist zu dieser Machtsphäre Gottes gerechnet. 246 Andersherum zeigt dieser Argumentation zufolge die am Pfingsttag erfolgte Geistausgießung an, dass Jesus zur Rechen Gottes erhöht wurde und daher Teil hat an Gottes Herrschaft und Macht. Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 146; VON BAER, Der Heilige Geist, S. 93.
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2 Jesus und der Heilige Geist
anderen zuteilwerden kann. Der, der durch den Heiligen Geist in einzigartiger Weise als Gottessohn an Gott als Vater gebunden ist, wird als Ausweis dieser Einzigartigkeit damit betraut, den Geist auszuteilen. Das bedeutet, dass aus dem vom Geist bestimmten Verhältnis zwischen Jesus und Gottvater heraus auch andere den Geist erhalten können. Dabei bleibt das Gefälle der geistgewirkten Vater-Sohn-Beziehung bestehen, weil Jesus den Geist erst vom Vater empfangen muss, um ihn weitergeben zu können.247 Dennoch ist der entscheidende Auslöser der Geistausgießung erst die Beteiligung des Gottessohnes. Zum anderen ist der Christus-Titel bereits durch die Ausführungen in Lk 3,15–17 mit der Weitergabe des Heiligen Geistes verknüpft.248 Hier wird derjenige als Christus gekennzeichnet, der die Geist- und Feuertaufe vollziehen wird, die über Heils- und Unheilsergehen entscheidet. Die Taufe mit dem Heiligen Geist bringt in diesem Zusammenhang Heil, die Feuertaufe Unheil. Wird die Austeilung des Heiligen Geistes nun in Apg 2,33 Jesus zugewiesen, so wird er, da er nun mit dem Geist taufen kann und dies nach Lk 3,15–17 dem Christus obliegt, damit auch als Christus identifiziert. Dieser Titel kommt ihm nach Lukas jedoch nicht erst als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes zu, sondern Jesus ist bereits aufgrund seiner eigenen Geistbegabung, die ihn zu heilbringenden Taten befähigte, der Christus (Lk 4,18; Apg 10,38). Diese Erörterungen verdeutlichen, dass nach lukanischer Darstellung die Tatsache, dass Jesus Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes ist, mit seiner (eigenen) einzigartigen Geistträgerschaft zusammenhängt. Offenbar ist allein Jesus als der Geistträger schlechthin von Gottvater dafür bestimmt, die Austeilung des Geistes vorzunehmen. Jesus hat nach Lukas demzufolge in zweifacher Weise den Heiligen Geist erhalten. Zunächst hatte der Geist Jesus von seinem Entstehen an in seinem Sein und Wirken geprägt. Nach seiner Erhöhung empfängt Jesus den Geist dann zum zweiten Mal, allerdings diesmal nicht für sich selbst, sondern um ihn weiterzugeben. Die zweite Geistesgabe hat folglich eine andere Qualität. Der Heilige Geist soll nun ausgehen von dem, der selbst wesentlich vom Geist bestimmt war, auf die, die dieser für diese Geistausgießung auserwählt. Wie das Pfingstereignis zeigt, vermittelt Jesus den Heiligen Geist an diejenigen, die als Glieder seiner Gemeinde zu ihm gehören. Wer Anhänger des einzigartigen Geistträgers war, für den bleibt es ab jetzt nicht bei einem bloßen Kontakt zu dieser Geistträgerschaft Jesu und einem Hineingenommensein 247 Daher ist auch weiterhin davon die Rede, dass Gott Geber des Geistes ist (Apg 5,32; 15,8), wobei Jesus als Vermittler und Verwalter unerwähnt bleiben kann. Auf der anderen Seite kann Lukas den Heiligen Geist dann auch als „Geist Jesu“ bezeichnen (Apg 16,7), was zeigt, wie stark die Vermittlerrolle Jesu ist. Vgl. KRÄNKL, Jesus, S. 180. 248 S. dazu I.1.1.2.
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
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in die vom Geist gewirkte besondere Verbindung zwischen Jesus und Gottvater, was besonders in Lk 10,21; Apg 1,2 angeklungen war, sondern der wird nun selbst mit dem Heiligen Geist begabt. Von der Christologie ausgehend erhält somit der Heilige Geist auch für die Ekklesiologie seine zentrale Bedeutung. Weil Jesus von Gottvater als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wird, kann der Geist zur exklusiven Gabe für Jesu Gemeinde werden. 2.2.2 Die Geist-Verheißungen Jesu an die Seinen (Lk 11,13; 12,12; 24,49; Apg 1,5.8) In dem soeben besprochenen Vers Apg 2,33 wird zwar dargelegt, dass Jesus im Anschluss an seine Himmelfahrt den Heiligen Geist an seine Anhänger vermitteln konnte, weil Gottvater ihm diese Gabe übergeben hat, allerdings wird keine Aussage dazu getroffen, inwiefern der vom Erhöhten ausgegossene Geist für die Geistbegabten relevant wird.249 Denn Apg 2,33 betrifft ausschließlich den ,innergöttlichen‘ Bereich dieses Geschehens.250 Im Hinblick darauf ist von Apg 2,33 aus der Blick darauf zu richten, dass sich im lukanischen Doppelwerk eine Reihe von Verheißungen der Ausgießung des Heiligen Geistes finden, die sowohl vom irdischen wie auch vom auferstandenen Jesus an seine Jünger ergehen (Lk 11,13; 12,12; 24,49; Apg 1,5.8). In ihnen wird die in Apg 2,33 herausgestellte Rolle Jesu als Vermittler und Verwalter des Geistes zwar nur noch einmal in Lk 24,49251 explizit erwähnt, jedoch deutet auch an den anderen Stellen die Tatsache, dass Jesus die Verheißungen ausspricht, auf diese Vermittlerrolle hin bzw. nimmt sie in gewisser Weise voraus. In diesen Verheißungen verspricht Jesus der Gemeinde die Gabe des Heiligen Geistes und verbindet diese Zusage jeweils mit einer konkreten Zweckbestimmung. Insofern zeigen diese Textstellen die Relevanz auf, die der Heilige Geist für die Anhänger Jesu haben soll. Weil es Jesus ist, der den Zweck der Geistesgabe festlegt, wird der von den Jüngern empfangene Heilige Geist unwiderruflich mit Jesus und seiner Botschaft verbunden. Die ekklesiologische Funktion des Heiligen Geistes rührt daher von der Christologie her. Nach lukanischer Darstellung spricht Jesus die grundsätzliche Verheißung des Heiligen Geistes an seine Jünger unmittelbar vor seiner Erhöhung bzw. Himmelfahrt aus (Lk 24,49; Apg 1,4f.8). Wie aus den zu Apg 2,33 gemachten Erläuterungen ersichtlich ist, macht Jesus die Geistzusage folglich zu dem 249
Lediglich im Kontext der Stelle zeigt sich die Auswirkung des Geistes für Jesu Anhänger in der Befähigung zum Reden in fremden Sprachen (Apg 2,1–13). S. dazu I.3.1.1. 250 Zu in der lukanischen Pneumatologie vorhandenen Ansätzen für eine trinitarische Rede von Gott s. den Schluss dieser Arbeit. 251 Der Geist wird hier mit dem von Lukas synonym aufgefassten Begriff „Kraft aus der Höhe“ (ἐξ ὕψους δύναµις) bezeichnet.
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2 Jesus und der Heilige Geist
Zeitpunkt, als er unmittelbar vor der mit der Erhöhung einhergehenden Einsetzung in seine Vermittler- und Verwaltertätigkeit hinsichtlich des Geistes steht. Zu diesem Zeitpunkt vermag er den Geist noch nicht zu vermitteln, sondern lediglich zu verheißen.252 Zudem wird er seine Jünger, denen er als Auferstandener nach seinem Tod wieder begegnet war, durch seine Himmelfahrt nun verlassen. Er selbst kann daher nicht mehr bei ihnen sein, aber er verheißt seinen Anhängern, ihnen den Heiligen Geist zu senden. Dies zeigt, wie sorgfältig Lukas die Rolle des Heiligen Geistes als Vertreter Jesu bei seiner Gemeinde einführt. Die Erzählung von der Himmelfahrt Jesu wird im lukanischen Doppelwerk also vor allem dadurch zu einer Geschichte des Übergangs, dass sie mit der Verheißung des Heiligen Geistes verbunden ist, der in Zukunft an Jesu Stelle bei seiner Gemeinde sein wird. Die ,Scharnier-Funktion‘ dieser Ereignisse zeigt sich dann auch daran, dass sie gleich zweimal von Lukas berichtet werden. Sie bilden sowohl den Abschluss des Lukas-Evangeliums (Lk 24,44–53) als auch den Beginn der Apostelgeschichte (Apg 1,1–14). Auf diese Weise stellt der auctor ad Theophilum heraus, dass der Heilige Geist für den Übergang von der Geschichte Jesu zur Geschichte seiner Gemeinde entscheidend ist. Die direkt vor der Himmelfahrt Jesu terminierte Geist-Verheißung verweist darauf, dass Jesu Aufnahme in den Himmel nicht das Ende seiner Botschaft bedeutet, und bindet gleichzeitig die Geschicke der prospektiv geistbegabten Jesusanhänger an ihren Herrn zurück. Die beiden lukanischen Berichte von der seitens Jesu vor seiner Himmelfahrt erfolgenden Geist-Verheißung sind jedoch nicht einfach identisch, sondern weisen – ihrem jeweiligen Ort im Doppelwerk geschuldet – ihre jeweiligen spezifischen Akzente auf. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Zusage der Geistesgabe, den Begriff Heiliger Geist, Jesu Bezugnahme auf die Verheißung des Vaters, den Zweck der Geistverleihung, die Adressaten, die Aufforderung an die Adressaten, den Verkündigungsinhalt, die Ausdehnung des Missionsbereichs sowie die Ereignisse bei und nach der Himmelfahrt. Die diesbezüglichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden innerhalb der folgenden Auslegung ausgeführt. Die Tabelle auf S. 117 zeigt ein zusammengefasstes Bild.
252
Vgl. auch KRÄNKL, Jesus, S. 150.
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
Zusage der Geistesgabe
Lk 24,44–53 in Form (nur) einer Verkündigung (Vv.48f.)
Begriff Heiliger Geist
nicht genannt, nur synonym Kraft
Jesu Bezugnahme auf die Verheißung des Vaters Zweck der Geistverleihung Adressaten
Betonung der Beziehung Gottvater – Jesus („meines Vaters“) einer = Verkündigung größere Jüngerschar (vgl. V.33)
Aufforderung zum Bleiben in Verkündigungsinhalt
Stadt (V.49)
Ausdehnung Bei und nach der Himmelfahrt
Umkehr zur Vergebung der Sünden in Jesu Namen (V.47) Jerusalem–alle Völker (V.47) Segen (V.51), Rückkehr nach Jerusalem in den Tempel, Gotteslob (Vv.52f.)
117
Apg 1,1–14 in zwei Teile aufgespalten: 1. Vv.4f.: Verheißung; Bleiben in Jerusalem; 2. V.8: auf euch; Zeugen; Missionsausdehnung genannt; Kraft als Wirkung des Geistes Hinweis auf die bereits erfolgte Ankündigung durch Jesus zwei = Heil und Verkündigung Apostel (V.2) (erst nach Himmelfahrt kommt größere Jüngerschar zusammen (Vv.13f.)) Jerusalem (V.4) Nur unkonkrete Angabe Jesu („meine Zeugen“) (V.8) Jerusalem–Judäa / Samaria– Ende der Erde (V.8) Ankündigung der Wiederkunft (V.11), Rückkehr nach Jerusalem in das Obergemach eines Hauses als gewohnten Versammlungsort, Gebet (Vv.12–14)
Bei der folgenden Erörterung der beiden von Lukas gebotenen Versionen253 steht die Frage im Vordergrund, welche Funktionen und Auswirkungen dem Heiligen Geist in dieser Situation des Übergangs zugewiesen werden. 253
Die Tabelle zeigt, dass zwischen diesen beiden Versionen zahlreiche Unterschiede hinsichtlich der Wortwahl und der inhaltlichen Details bestehen. Dennoch zeigen die Gemeinsamkeiten wie die Rede von der ἐπαγγελία τοῦ πατρός, der Verkündigungsauftrag und die stärkende Wirkung des Heiligen Geistes, dass Lukas dasselbe Ereignis schildert. Die Unterschiede der beiden Versionen lassen sich ausreichend durch ihre jeweilige Funktion im Doppelwerk erklären: Die Version in Lk 24,44–53 bildet den Abschluss des Evangeliums, in dem zwar angedeutet werden soll, dass die Geschichte eine Fortsetzung haben wird, gleichzeitig aber das Werk selbst zu einem abgerundeten Ende kommen muss (z.B. durch den Segen Jesu). Was diese erste Version nur ahnen lässt, findet sodann in der zweiten Version der Szene seine detailliertere Ausführung und Präzisierung: Hier werden
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2 Jesus und der Heilige Geist
Bevor das Lukas-Evangelium mit der Erzählung von der Himmelfahrt des seine Jünger segnenden Jesus zum Ende kommt (Lk 24,50–53), wird in Lk 24,44–49 das Abschiedsgespräch des Auferstandenen mit seinen Jüngern geschildert. Das wiederaufnehmende Pronomen αὐτούς in V.44 kennzeichnet die Gesprächspartner Jesu als die zuvor in Lk 24,33 beschriebene Jüngerschar, die aus den Elf, den Emmaus-Jüngern und der unbestimmten Menge derer, „die bei ihnen waren“ (οἱ σὺν αὐτοῖς), bestand.254 Ihnen legt Jesus dar, dass sich – wie er bereits vor seiner Kreuzigung erörtert hatte – alles erfüllen muss, was im Gesetz des Mose, den Propheten und in den Psalmen255 über ihn geschrieben steht (V.44). Durch das präsentische δεῖ wird dasjenige, was erfüllt werden soll, als noch nicht abgeschlossen gekennzeichnet. Somit geht es um ein Geschehen, das noch aussteht. Daraufhin öffnet Jesus den Anwesenden den Sinn für das Verständnis der Schrift und gibt den Inhalt der zu erfüllenden Schriftworte folgendermaßen an: oὕτως γέγραπται παθεῖν τὸν Χριστὸν καὶ ἀναστῆναι ἐκ νεκρῶν τῇ τρίτῃ ἡµέρᾳ, καὶ κηρυχθῆναι ἐπὶ τῷ ὀνόµατι αὐτοῦ µετάνοιαν εἰς ἄφεσιν ἁµαρτιῶν εἰς πάντα τὰ ἔθνη („so steht geschrieben, dass der Christus leidet und aufersteht von den Toten am dritten Tag, und dass verkündet wird in seinem Namen Umkehr zur Vergebung der Sünden an alle Völker“) (Vv.46b–47a). Da die drei in den Vv.46f. jeweils durch καί verbundenen Infinitive (παθεῖν, ἀναστῆναι, κηρυχθῆναι) alle von γέγραπται abhängen, gehört zur Erfüllung dessen, was die Schriften über Jesus als den Christus sagen, nach diesen Ausführungen neben Passion und Auferstehung Jesu256 in gleicher Weise257, dass in Jesu Namen Umkehr zur Vergebung der Sünden an alle die konkreten Auswirkungen der zukünftigen Gabe des Heiligen Geistes ausführlich dargestellt und die Apostel als Garanten der zu verkündigenden Evangeliumsbotschaft hervorgehoben. Insofern bildet die zweite Version der Ereignisse vor Jesu Himmelfahrt die programmatische Einleitung zu der Apostelgeschichte und stellt dementsprechend deren Anfang dar. Vgl. auch ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 17. Daher besteht kein Anlass, hinter den zwei Berichten unterschiedliche Quellen oder nachträgliche Bearbeitung anzunehmen. Anders z.B. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 78f. 254 Vgl. KORN, Geschichte Jesu, S. 151. 255 An der Aufzählung der in Lk 24,44 genannten Schriften ist neutestamentlich einzigartig, dass neben dem Gesetz des Mose (Thora) und den Propheten als dritte Schriftengruppe ψαλµοῖ genannt werden. Dabei ist anzunehmen, dass die Psalmen hier nicht als pars pro toto der sogenannten Ketubim stehen, sondern (nur) die Psalmen selbst gemeint sind. Denn Lukas verwendet häufig Psalmworte zur Deutung des Geschehens (z.B. Apg 1,20; 2,25–28; 4,25; 13,33.35). Vgl. mit Angabe von Vergleichsmaterial RUSAM, Lukas, S. 259–262. Anders jedoch BOVON, Lukas 4, S. 591; WIEFEL, Lukas, S. 417. 256 Vgl. zu dieser Verbindung auch Lk 9,22; Apg 17,3. 257 Vgl. SCHWEIZER, Lukas, S. 251. „Der Missionsauftrag wird unter dem Gesichtspunkt der Schrifterfüllung mit Kreuzigung und Auferstehung gleichgestellt“ (WIEFEL, Lukas, S. 417).
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
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Völker verkündigt wird.258 Zu dem Zeitpunkt, da Jesus diese Worte spricht, hat er bereits gelitten und ist auferstanden. Mit der Auferstehung ist das Christusgeschehen aber noch nicht vollendet.259 Die Verkündigung der Umkehr zur Vergebung der Sünden an alle Völker steht noch aus.260 Der mit µετάνοιαν261 εἰς ἄφεσιν ἁµαρτιῶν bezeichnete Verkündigungsinhalt entspricht demjenigen der Botschaft des Täufers Johannes262, der mit seiner Taufe zur Umkehr auf den Weg hin zur Sündenvergebung führte (Lk 3,3). In Bezug auf diesen Umkehrruf des Johannes wurde gezeigt, dass es sich um ein auf das Heil vorbereitendes Wirken handelt, das dieses aber selbst nicht vermitteln kann. In Lk 24,47 ist diese Verkündigung jedoch um einen entscheidenden Aspekt ergänzt, denn sie soll in seinem, d.h. in Christi Namen (ἐπὶ τῷ ὀνόµατι αὐτοῦ) geschehen. Dies bedeutet, dass die Umkehrbewegung direkt mit dem Christusgeschehen im Zusammenhang steht, das (wie im unmittelbaren Kontext in Lk 24,46) mit Passion und Auferstehung beschrieben werden kann. „Umkehr hat nach Ostern eine neue Qualität, und zwar insofern, als Vergebung der Sünden jetzt die faktische Konsequenz der Umkehr darstellt, nicht nur, wie beim Täufer, deren verheißene Folge.“263 Demzufolge ist der Ruf zur Umkehr der Ruf zur Annahme des Heilsgeschehens. Wer im Namen Jesu Buße tut, dem widerfährt in der Vergebung der Sünden das Heil. So ist auch diese ἄφεσις in der Antrittspredigt des Geistträgers Jesus als zentraler Aspekt seiner Botschaft genannt, weil sich darin die heilbringende Tätigkeit des Geistgesalbten entfaltet. In Lk 24,47 jedoch steht der auferstandene Jesus kurz vor seiner Himmelfahrt. Der Hinweis, dass die zur Vollendung des schriftgemäßen Christusgeschehen notwendige Verkündigung der Umkehr in Christi Namen geschehen soll, verrät bereits, dass nicht Jesus selbst dieser Aufgabe in Zukunft nachkommen wird, sondern andere, wobei sie aber – auch darauf deutet die Wendung „in seinem Namen“ hin – mit der Autorität Jesu agieren werden. Deshalb setzt der Auferstandene unmittelbar anschließend den oben genannten 258
Mit dem Jesuskerygma und der Ermahnung zur Buße sind zwei entscheidende Elemente der die Apostelgeschichte prägenden Missionsreden vorgegeben. Vgl. WILCKENS, Missionsreden, S. 98. 259 Vgl. DÖMER, Heil Gottes, S. 106. „Damit wird die Apg dem Christusgeschehen eingeordnet, sie ist christologisches Erfüllungsgeschehen“ (KORN, Geschichte Jesu, S. 153). 260 Ein bereits erfülltes Geschehen wird anders, und zwar mit dem einen Rückblick anzeigenden ἔδει eingeleitet. Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 791f. 261 Dass sich 11 von 24 Belege von µετάνοια im lukanischen Doppelwerk finden (Lk 3,3.8; 5,32; 15,7; 24,47; Apg 5,31; 11,18; 13,24; 19,4; 20,21; 26,20), deutet zudem an, dass die Umkehr zu den zentralen Themen des auctor ad Theophilum gehört. 262 Darüber hinaus ist dieser Umkehrruf Gegenstand jeder Propheten-Predigt im Alten Testament, an die Johannes als Prophet für Israel – wie in I.1.1 gezeigt – ausdrücklich anschließt. 263 WILK, Jesus und die Völker, S. 185.
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zuhörenden Kreis aus seinen Aposteln und Jüngern als zum Zeugnis Beauftrage ein. Sie sollen die Träger der Verkündigung sein: „Beginnend von Jerusalem aus seid ihr dafür Zeugen“ (ἀρξάµενοι ἀπὸ Ἰερουσαλήµ ὑµεῖς µάρτυρες τούτων) (Vv.47bf.). Dieser Zeugenauftrag ist der Grund für die in V.45 erfolgende Betonung, Jesus habe den Hörenden zunächst den Sinn dafür geöffnet, dass sie die Schriftworte auch verstehen. So ist garantiert, dass die Zeugen die Botschaft in korrekter Weise verkünden werden.264 Der Auftrag Jesu umreißt den Beauftragten auch die Ausdehnung der Aufgabe: von Jerusalem aus sollen sie die Evangeliumsbotschaft allen Völkern bringen. Man muss sich die Bedeutung der den Jüngern übertragenen Aufgabe vor Augen führen, um ihre Größe zu ermessen: Es geht um nichts weniger, als durch die Verkündigung der Umkehr zur Vergebung der Sünden das Heil zu allen Völkern zu bringen und somit nach Lukas zur Vollendung des Christusgeschehens beizutragen. Diese große Aufgabe sollen die Jünger nun zwar in seinem Namen und deshalb mit seiner Autorität, aber doch ohne Jesus erfüllen, da er unmittelbar anschließend zum Himmel auffahren wird. Der letzte Satz Jesu vor seiner Himmelfahrt zeigt jedoch an, dass die Jünger bei der Bewältigung ihres Auftrags nicht auf sich allein gestellt bleiben: Denn den Abschluss des letzten Gesprächs bildet in Lk 24,49 eine Zusage und Aufforderung verknüpfende Ankündigung Jesu: Jesus sagt den Jüngern in V.49a zu, die Verheißung seines Vaters auf sie zu senden. Auf was sich der von Jesus für die zu sendende Gabe verwendete Ausdruck ἐπαγγελία τοῦ πατρός µου („Verheißung meines Vaters“) beziehen soll, bleibt an dieser Stelle ungeklärt, da der Begriff, obwohl er das erste Mal im lukanischen Doppelwerk verwendet wird265, nicht weiter bestimmt wird. Diese Bestimmung wird erst die Parallelstelle Apg 1,4f. leisten, wie die unten erfolgenden diesbezüglichen Erörterungen zeigen werden. Einen Anhaltspunkt liefert hier lediglich der zweite Teil der Ankündigung Jesu in V.49b, der den Angesprochenen befiehlt, in der Stadt zu bleiben, bis sie mit der Kraft aus der Höhe (ἐξ ὕψους δύναµις) eingekleidet werden. Der metaphorische Gebrauch von ἐνδύειν ist im lukanischen Doppelwerk einzigartig266, aber die intendierte Aussage dennoch klar: Wer eingekleidet wird, ist ganz davon umfangen und geprägt. Jesus verspricht seinen Jüngern demnach, dass ihnen eine sie bestimmende Kraft zuteilwerden wird. Diese Kraft soll ἐξ ὕψους („aus der Höhe“) kommen – ein Ausdruck267, der auf Gottes Bereich verweist, aber auch auf den 264
Vgl. ERNST, Lukas, S. 512. Überhaupt ist Lk 24,49 der einzige Beleg für das Substantiv in den Evangelien. Häufig findet sich das Wort hingegen bei Paulus (z.B. Röm 4,13f.16; 9,8; Gal 3,14 (nur hier in Verbindung mit dem Geist).17f.; 4,28). 266 An den übrigen Stellen Lk 8,27; 12,22; 15,22; Apg 12,21 ist in wörtlichem Sinne das Anlegen von Kleidern gemeint. 267 Die Wendung ἐξ ὕψους tritt innerhalb des Neuen Testaments nur noch einmal in Lk 1,78 bei der Rede vom „Aufgang aus der Höhe“ auf, weshalb es sich um eine spezifisch 265
2.2 Jesus als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes
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dann im Himmel weilenden Erhöhten (ὑψόω!). Wenn also auch nicht ausgeführt wird, wie die versprochene Kraft zu den Jüngern kommt, so wird doch klargestellt, dass es sich um eine göttliche Kraft handelt. Ein der ἐξ ὕψους δύναµις ähnlicher Ausdruck kam bereits in Lk 1,35 mit δύναµις ὑψίστου vor. Wie die Auslegung dieser Stelle gezeigt hat, ist die „Kraft des Höchsten“ dort ein Synonym für den Heiligen Geist.268 Der Leser des LukasEvangeliums kann daher vermuten, dass auch in Lk 24,49 der Heilige Geist gemeint ist. Diese Vermutung bleibt aber zunächst unbestätigt, da eine entsprechende Erklärung und Identifizierung vorerst ausbleibt. Da in V.49 ausgesagt wird, dass Jesus die Verheißung seines Vaters auf die Jünger herabsendet und sie mit der von Gott kommenden Kraft ausgestattet werden, ist die Kraft mit der Verheißung Jesu in Verbindung zu bringen. Es ist diese von Gottvater verheißene Kraft, die Jesus den Jüngern für die Ausübung des zuvor erteilten Auftrags (V.48) zum Zeugnisgeben verspricht, um sie bei ihrer Aufgabe zu unterstützen. Sie brauchen daher nicht zu fürchten, bei der Erfüllung ihres Auftrags nach dem bevorstehenden Weggang Jesu auf sich allein gestellt zu sein, sondern dürfen mit der von Jesus und Gottvater ausgehenden Stärkung rechnen. Konkreteres erfährt der Leser an dieser Stelle nicht, aber es wird deutlich, dass, unmittelbar bevor der Auferstandene von seinen Jüngern fortgeht, eine Perspektive für die Zukunft der Jünger und die Botschaft Jesu eröffnet wird. Lukas zeigt auf, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist, sondern vielmehr mit den Jüngern weitergehen wird: Umkehr zur Vergebung der Sünden soll in Jesu Namen zur Vollendung des Heilsgeschehens verkündigt werden. Gleichwohl bleibt die angekündigte Zukunft noch sehr rätselhaft.269 Es steht die Frage im Raum, was die Jünger mit der Verheißung des Vaters und der Kraft aus der Höhe konkret erwartet. Auch wird kein Zeitpunkt für die Erfüllung der jesuanischen Verheißung genannt. Stattdessen werden die Jünger angehalten, in Jerusalem (darauf) zu warten. Mit der Zusage der göttlichen Unterstützung werden die Jünger folglich in eine „Zeit des Wartens hineinge-
lukanische Redeweise handelt, die im Zuge der Ausführungen in I.2.1.1 zu Lk 1,35 bereits für das Adjektiv ὑψίστος aufgezeigt wurde. 268 In Lk 9,1 wird berichtet, dass die Zwölf, als sie von Jesus zur Verkündigung des Gottesreiches und zu Heilungen ausgesandt wurden, δύναµις von Jesus erhielten. Die hier erwähnte δύναµις kann jedoch nicht mit dem Heiligen Geist in Verbindung gebracht werden, da die Jünger diesen den oben genannten Aussagen zufolge erst nach Jesu Erhöhung erhalten können. Vgl. auch VON BAER, Der Heilige Geist, 149. In Lk 9,1 ist die den Jüngern zukommende δύναµις daher von der mit ihr durch καί verbundenen ἐξουσία her zu verstehen. Diese ἐξουσία wird nirgendwo von Lukas mit dem Heiligen Geist verbunden, tritt aber in Bezug auf Jesu Vollmacht noch einmal in Kombination mit δύναµις auf (Lk 4,36). 269 Vgl. GREEN, Luke, S. 859.
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stellt, die sich bis zum Pfingstfest […] erstreckt“270. Der dargestellte Zusammenhang zeigt, dass erst dann ihre Zeugentätigkeit beginnen kann. Damit baut Lukas zum Ende seines Evangeliums Spannung auf, die zum zweiten Teil des Doppelwerks hindrängt. Die Erwartung löst sich zum Abschluss des ersten Teils jedoch vorerst in ein Abwarten auf: Das Ende des Lukas-Evangeliums erzählt von der Gemeinschaft der im Lob verweilenden Jünger im Jerusalemer Tempel (Lk 24,52f.).271 So kommt das Lukas-Evangelium trotz der über es hinausweisenden Ankündigung zunächst für sich zum Abschluss. Der Heilige Geist wird in diesem ersten Bericht von der vor der Himmelfahrt erfolgenden Verheißung Jesu an die Jünger nicht explizit genannt, auch wenn die ἐξ ὕψους δύναµις durch die Parallelstelle darauf hindeutet, dass es dieser Geist ist, den Jesus seinen Jüngern hier verheißt. Eine sichere Identifikation erlaubt erst der zweite lukanische Bericht derselben Ereignisse zu Beginn des zweiten Teils des Doppelwerks in Apg 1,3–14. Dieser folgt in der Einleitungsperikope der Apostelgeschichte auf das kurze Proömium in Apg 1,1–2, in dem Lukas samt der erneuten Adressierung an Theophilus den Inhalt des ersten Werks zusammenfasst.272 In V.3 beginnt die Erzählung der Ereignisse vor Jesu Himmelfahrt mit einer summarischen Notiz über die 40 Tage dauernden Erscheinungen Jesu, während derer er sich als Lebendiger bewies und vom Reich Gottes redete. Eine dieser Begegnungen des Auferstandenen mit seinen Jüngern wird in den anschließenden Vv.4–8 im Detail erzählt. Da dieser Abschnitt durch den Hinweis καὶ ταῦτα εἰπών („und als er dies sagte“) in V.9a direkt in die Schilderung der Himmelfahrt in den Vv.9–11 übergeht, ist es die letzte Zusammenkunft des Auferstandenen mit seinen Anhängern.273 Anders als in der Parallelstelle Lk 24,44–53, wo die Jüngerschar aus den Elf, den Emmaus-Jüngern und einer unbestimmten Anzahl weiterer Personen bestand, stellt Lukas hier auffälliger Weise nur die Apostel als an dieser Begegnung Beteiligte dar, denn nur sie werden in V.2 ausdrücklich genannt und durch das Relativpronomen οἵς in V.3 wiederaufgenommen. Zu Beginn der Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde ist dieser ausschließliche Bezug auf die Apostel als Jesu Zeugen mit ihrer Rolle als Garanten der Botschaft Jesu zu erklären.274 Da aber in der Parallelstelle Lk 24,44–53 eine größere Jüngerschar als erster Empfängerkreis des
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DÖMER, Heil Gottes, S. 106. Zur Bedeutung des Jerusalemer Tempels im lukanischen Doppelwerk und der Inklusion, die der Tempel als Ort des Geschehens am hier relevanten Schluss des Evangeliums mit seiner bereits erfolgten Erwähnung als Schauplatz an dessen Beginn in Lk 1,9.21f. bildet, s. I.1. 272 Zu Apg 1,1–2 s. auch I.2.1.5. 273 Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 148. 274 Zum Apostelbegriff des Lukas s. I.3.4.1. 271
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Verkündigungsauftrags genannt ist, ist der Auftrag nach Lukas nicht als auf die Apostel beschränkt zu verstehen. Das Gespräch des Auferstandenen mit den Aposteln in Apg 1,4–8 lässt sich gliedern in ein erstes Wort Jesu (Vv.4–5) und einen zweiten Block mit der Anfrage der Jünger und der darauf bezogenen Antwort Jesu (Vv.6–8). In beiden Teilen des Gesprächs verheißt Jesus den Jüngern die Gabe des Heiligen Geistes, allerdings jeweils in Verbindung mit einer anderen Auswirkung. Der den ersten Teil des Gesprächs eröffnende V.4 gleicht inhaltlich dem Befehl Jesu in der Parallele Lk 24,49, wobei sich allerdings nahezu die gesamte Wortwahl unterscheidet: Beide Male werden die Angesprochenen aufgefordert, in Jerusalem zu bleiben275, wobei in Lk 24,49 namenlos von der πόλις die Rede ist und der Befehl in Apg 1,4 als Verbot, Jerusalem zu verlassen, negativ formuliert wird. Beide Male kündigt Jesus das Kommen der ἐπαγγελία τοῦ πατρός an – nur in Lk 24,49 ist das Possessivpronomen µου hinzugefügt. In Lk 24,49 ist dieser Ausdruck „Verheißung des Vaters“ noch unbestimmt geblieben, in Apg 1,4f. wird er nun näher erläutert: Konkretisierung erfährt die Vater-Verheißung zunächst mittels des Relativsatzes ἣν ἠκούσατέ µου („die ihr von mir gehört habt“), durch den Jesus die Jünger daran erinnert, dass sie die Verheißung von ihm selbst bereits gehört haben. Im Lukas-Evangelium wird der Begriff aber in der Parallelstelle Lk 24,49, die genau dasselbe Ereignis schildert276, das erste Mal verwendet, so dass es im 275 Dieser geschilderte Befehl des Auferstandenen an seine Jünger, in Jerusalem zu bleiben, ist spezifisch lukanisch, denn er steht der in den Ostererzählungen der anderen Evangelien enthaltenen Weisung (Mk 16,7; Mt 28,7), nach Galiläa zu gehen, entgegen. Lukas hat diesen Hinweis auf den Rückzug der Jesusanhänger nach Galiläa gestrichen und auch sämtliche Erscheinungsberichte ausschließlich in Jerusalem und Umgebung lokalisiert. Diese Zentrierung der Osterereignisse und der darauf folgenden Anfänge der christlichen Gemeinde in Jerusalem ist vor dem Hintergrund der heilsgeschichtlichen Bedeutung Jerusalems zu verstehen: Mit dieser Stadt als religiösem Zentrum des Gottesvolkes Israel sind diverse eschatologische Heilshoffnungen verbunden (z.B. Jes 2,2f.; 27,13; 60,1; Jer 33,16; Ez 40–44; Sach 1,17; Jo 4,17). Außerdem wird die Stadt als Ort der Erfüllung des Weges Jesu hervorgehoben (vgl. die Betonung seitens Lukas durch den sogenannten Reisebericht (besonders Lk 9,51)). Jerusalem gewährt daher sowohl die Kontinuität von der Geschichte Jesu zu der seiner Gemeinde als auch die Kontinuität des Geschehens mit den Verheißungen Israels. Der erste Geistempfang der Gemeinde wird durch den mit der Geist-Verheißung verbundenen Befehl Jesu zum Bleiben in Jerusalem in diese heilsgeschichtliche Kontinuität hineingestellt. Vgl. KREMER, Voraussagen, S. 148f.; ECKEY, Apostelgeschichte 2, S. 46; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 22; KORN, Geschichte Jesu, S. 158; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 112; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 55f.; LOHFINK, Himmelfahrt, S. 262–265. 276 Daher ist es nicht plausibel, den Hinweis auf die Verheißung in Apg 1,4 als Rückbezug auf Lk 24,49 anzusehen. So aber z.B. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 66. Auch die im Folgenden noch als spezielle Geist-Verheißungen behandelten Belege Lk 11,13; 12,12 kommen als Rückbezugsmöglichkeit nicht in Frage, da diese nur einen bestimmten Aspekt der Bedeutung des Heiligen Geistes für die Gemeinde benennen, Jesus aber in Apg 1,4 von
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lukanischen Doppelwerk keinen früheren Hinweis als in dieser vor der Himmelfahrt stattfindenden Szene darauf gibt, dass Jesus von der ἐπαγγελία τοῦ πατρός gesprochen hätte. Möglicherweise soll die Notiz von der bereits erfolgten Rede Jesu über die Verheißung des Vaters in Apg 1,4 lediglich aufzeigen, dass Jesus bereits darüber gesprochen hat und seine Anhänger deshalb bereits Kenntnis über diese Zusage haben, deren Erfüllung ihnen nun als unmittelbar bevorstehend angesagt wird. Für den Leser des lukanischen Doppelwerks jedoch wird der Inhalt der Verheißung des Vaters im folgenden V.5 das erste Mal offenbart: Die Jesusanhänger werden nach wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden (V.5b), was in Abgrenzung (δέ) zu der durch Johannes erfolgten Wassertaufe steht (V.5a).277 Damit wird nun endgültig klar, dass es sich bei der ἐπαγγελία τοῦ πατρός um die Verheißung der Geisttaufe und demzufolge bei der vom Vater verheißenen Gabe um den Heiligen Geist handelt (vgl. auch Apg 2,33).278 Lukas verwendet in V.5 das Wort über die Wassertaufe des Johannes und die diese überbietende Geisttaufe als eines, das die Jünger nach seiner Darstellung nicht zum ersten Mal von Jesus hören. In Lk 3,16 hingegen war diese Aussage bereits als ein Wort des Johannes vorgestellt worden.279 Diese Zuweisung an Johannes kann als ursprünglich gelten, da die Aussage sowohl in der in Lk 3,16 aufgenommenen Logienquelle Q (vgl. Mt 3,11) als auch in der Parallelüberlieferung Mk 1,8 ein Wort des Täufers bildete. Es stellt sich daher die Frage, warum Lukas das Taufwort in Apg 1,5 – unter Inkaufnahme des Widerspruchs zu Lk 3,16 – Jesus zuweist. Die Beantwortung dieser Frage liegt polykausal in den Deutungsmöglichkeiten, die sich für Lukas durch diese Zuweisung des Wortes an Jesus ergeben. Zuvörderst liegt der Grund für die lukanische Eigenmächtigkeit in der durch Apg 1,5 entstehenden Verknüpfung von Verheißung der Geisttaufe und der Ausgießung des Geistes an die Anhänger Jesu zu Pfingsten, wobei der Hinweis auf die Identifikation mit Pfingsten in V.5 durch die zu erwartende Erfüllungszeit „nicht lange nach diesen Tagen“ deutlich wird.280
der ganz grundsätzlichen Verheißung des Geistes spricht, in der dann auch die speziellen Geist-Verheißungen aufgehen. 277 Diese Aussage wird in Apg 11,16 im Kontext der Rechtfertigung der ersten Heidenmission durch Petrus (Apg 11,1–18) nahezu identisch wiederholt. Zur Bedeutung dieser Wiederholung s. I.3.3.3. 278 Die Ausführungen in I.2.2.1 haben gezeigt, dass in dieser von Jesus verheißenen Geisttaufe auch die im Alten Testament überlieferten Geist-Verheißungen aufgenommen werden. 279 Zu Lk 3,16 s. I.1.1.2. 280 Vgl. MAINVILLE / VOGEL / VOUGA, Christologie, S. 68.
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Im Pfingstereignis281 vollzieht sich laut Lukas also das, was der Täufer Johannes von dem nach ihm kommenden Stärkeren angekündigt hatte: die seine eigene Wassertaufe überbietende Geisttaufe. In keiner anderen neutestamentlichen Schrift wird diese Johannes-Ankündigung als in dem den Geist vermittelnden Jesus sich erfüllend dargestellt282, so dass sich die erörterte Verknüpfung mit der Geistesgabe an die Gemeinde als spezifisch lukanisch erweist. „Lukas hat die von Johannes angekündigte Geisttaufe Jesu im Pfingstereignis erfüllt gesehen (3,16; Apg 1,5; 2,4).“283 Das bedeutet auch, dass Lukas mit dem Terminus der Geisttaufe die Vermittlung des Geistes durch Jesus bezeichnet.284 Offenbar war es für Lukas aber nicht zufriedenstellend, die pfingstliche Geistausgießung mit einer Ankündigung des Täufers zu belegen, sondern er sah die Notwendigkeit, da die ihm überlieferte Tradition kein den Geist verheißendes Jesus-Wort bot285, diese durch die Zuschreibung des ursprünglichen Johannes-Wortes an Jesus auf eine direkte Verheißung des irdischen wie auferstandenen Jesus selbst zurückzuführen.286 Denn mithilfe dieser Aussage kann Lukas noch weitere mit dem Heiligen Geist verbundene Sachverhalte klären: Wie in Bezug auf Lk 3,15–17 dargelegt wurde, entscheidet sich nach der Darstellung des Lukas die Frage, wer der Christus und Heilsbringer ist, an dem Vermögen, den Heiligen Geist zu vermitteln. Da nun in Apg 1,4f. die Ankündigung der die Johannestaufe überbietenden Geisttaufe Jesus in den Mund gelegt wird (ἣν ἠκούσατέ µου) (V.4b), wird angedeutet, dass Jesus dieser Spender des Heiligen Geistes sein wird und er mit dem Geist taufen wird. Dies wird in Apg 2,33 dann explizit ausgeführt und erläutert. Der Erhöhte ist es, der aufgrund der Zuweisung des verheißenen Geistes durch Gottvater das Vermögen zur Geistausteilung hat und dem die Entscheidung obliegt, wem der Geist zuteilwird. Damit aber liefert Lukas über das Taufwort einmal mehr eine Begründung für den Christus-Titel Jesu, den er zuvor bereits auf dessen eigene Geistträgerschaft und heilbringende Wirksamkeit im Geist zurückgeführt hatte (Lk 4,18; Apg 10,38). 281 Die Erörterungen zu Apg 2,38 und 11,16 werden zeigen, dass sich die Verheißung der Geisttaufe über das Pfingstereignis hinaus auch immer dort erfüllt, wo die Glieder der christlichen Gemeinde den Heiligen Geist empfangen. S. dazu I.3.3.1; I.3.3.3. 282 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 113. 283 SCHNEIDER, Lukas 1, S. 112. Vgl. auch VON BAER, Der Heilige Geist, S. 170. Das bedeutet auch, dass im Lukas-Evangelium die Verheißung der Geisttaufe zunächst unerfüllt bleibt. Vgl. TANNEHILL, Unity 1, S. 51. 284 Vgl. KREMER, Voraussagen, S. 160. 285 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 22. Anders als bei den Synoptikern wird im Johannes-Evangelium von der Zusage und Verheißung des Heiligen Geistes als „Tröster“ (παράκλητος) berichtet, die den Jüngern während der Abschiedsreden von Jesus gegeben wird (Joh 14–16). Vgl. auch HULL, Spirit, S. 16. 286 Vgl. KORN, Geschichte Jesu, S. 181.
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Bei einem Vergleich von Lk 3,16 mit Apg 1,5 fällt zudem auf, dass das Johannes-Wort den als Christus identifizierten Stärkeren als das die Geisttaufe spendende Subjekt identifiziert, das lukanische Jesus-Wort dies aber durch die Wahl des Passivs vermeidet.287 Durch den Hinweis auf die „Verheißung des Vaters“ in Apg 1,4 wird klar, dass Gottvater als der Ausgangspunkt der Geisttaufe gedacht ist, was nicht im Widerspruch dazu steht, dass Jesus als Geist-Vermittler und -Verwalter eingesetzt ist. Βαπτισθήσεσθε umschreibt die göttliche Handlung im Passivum divinum.288 Aufgrund der passivischen Formulierung stehen bei der Verheißung der Geisttaufe in Apg 1,5 sodann diejenigen im Zentrum der Aussage, die den Geist empfangen sollen, i.e. Jesu Anhänger. Damit ist ein nächster Aspekt benannt, der sich durch die lukanische Zuschreibung des ursprünglichen Johannes-Wortes an Jesus ergibt: Auf diese Weise werden die Anhänger Jesu zu den exklusiven Empfängern der Geisttaufe. Wie in Bezug auf Lk 3,16 dargestellt wurde, bedeutet der Empfang dieser Geisttaufe die Zugehörigkeit zum Heil. Sind die Jünger Jesu durch die ihnen zukommende Geist-Verheißung ihres Herrn als exklusiver Empfängerkreis des Heiligen Geistes ausgewiesen, so ist auch klargestellt, dass ausschließlich sie die Heilsgemeinschaft bilden werden. Da es in Apg 1,5 folglich nur um die Frage des Heils, nicht um die des Unheil oder Heil bringenden Gerichts geht, lässt sich erklären, warum – anders als in Lk 3,16 – in Apg 1,5 nur von der Geist-, nicht aber von der Feuertaufe die Rede ist, wodurch die Unheils-Seite des vom Christus vollzogenen Gerichtshandelns fehlt.289 Es geht Lukas an dieser Stelle eben nicht um das von dem Täufer Johannes angekündigte Gerichtshandeln und die damit verbundene Scheidung zwischen denjenigen, die Heil empfangen, auf der einen Seite und denen, die Unheil erwarten müssen, auf der anderen Seite. Im Blick ist hier vielmehr lediglich die Seite des Heilsbereichs und in Verbindung damit die Tatsache, dass diejenigen, denen Jesus es verheißt, die Geisttaufe und mit ihr das Heil empfangen werden. War dementsprechend in Lk 3,16 das gesamte im Gericht zu scheidende Volk von Johannes angesprochen, so bezieht sich das JesusWort nach Apg 1,5 nur auf Jesu Anhänger und damit exklusiv auf die HeilsEmpfänger.290 Weiterhin verdeutlicht die sowohl in Lk 3,16 als auch in Apg 1,5 angeführte Gegenüberstellung von Jesu Geisttaufe und der Wassertaufe des Johannes die eben beschriebene Exklusivität des Geistempfangs noch einmal: 287
Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 201; BONNAH, Holy Spirit, S. 114. Vgl. ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 47. 289 Da Apg 1,5 wie in der Markus-Parallele das Taufwort ohne Hinweis auf die Feuertaufe bietet, ist zu vermuten, dass Lukas an dieser Stelle Mk 1,8 (in seinem Sinn umgestaltet) aufgenommen hat. Vgl. DÖMER, Heil Gottes, S. 114. 290 Vgl. WILK, Jesus und die Völker, S. 183, Anm. 201. 288
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Nur diejenigen sollen den Geist empfangen, die eben nicht zu Johannes, sondern zu dem nach ihm kommenden Stärkeren, also zu Jesus, gehören.291 Das bedeutet auch, dass die Jesusanhänger durch diese Geisttaufe ausgezeichnet sein werden, insofern ihre Geistesgabe sie als zu Jesus Gehörige kennzeichnet.292 Hier wird der Geist also den Jüngern angekündigt als Erkennungsmerkmal derer, die zu Jesus gehören. Die Jünger werden somit denselben Geist besitzen, der Jesus in seinem Sein und Wirken fundamental geprägt hat. Dadurch werden sie verbunden sein mit dem einzigartigen Geistträger und mit Gott, seinem Vater, da der Geist sie zueinander in Beziehung setzen wird, wie er nach Lukas bereits die Beziehung zwischen Jesus und Gott ausmachte. Die Jünger erhalten demnach durch den Heiligen Geist Anteil an Jesu Gottesbeziehung, die Heil bedeutet. Für die Christologie bedeutend ist, dass auch Jesus durch den Heiligen Geist mit seinen Jüngern verbunden und in seiner Gemeinde noch nach seiner Himmelfahrt gegenwärtig sein wird. Diese Ausführungen zeigen, dass im ersten Teil (Vv.4f.) der insgesamt in Apg 1,3–8 geschilderten Geist-Verheißung vor der Entrückung Jesu der Akzent darauf liegt, dass Jesus seinen Jüngern die Geistesgabe zusagt als etwas, durch das sie auch nach seiner Himmelfahrt mit ihm in Beziehung bleiben werden und das darüber hinaus ihre Zugehörigkeit zu dem von ihm vermittelten Heil anzeigen wird. Es ist in diesen Versen noch keine Rede davon, dass sie den Heiligen Geist als Stärkung für ihre Verkündigungstätigkeit erhalten, wie es in Lk 24,49 angedeutet war. Der Heilige Geist wird den Jesusanhängern zunächst als ihr zukünftiges, das Heil betreffendes Alleinstellungsmerkmal angekündigt, das sie gleichzeitig mit Jesus verbindet und durch das dieser bei ihnen ist. Der Heilige Geist wird nach Lukas die Jünger Jesu in diesem ihren Sein und Stand als Zugehörige zu Jesus und damit zum Heil kennzeichnen. Im zweiten Teil des Gesprächs Jesu mit seinen Jüngern (Vv.6–8) stellt die Geist-Verheißung die Antwort dar auf die Frage der Jünger nach der Wiedererrichtung des Reiches für Israel durch den Auferstandenen.293 Er teilt 291
Vgl. auch HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 149. Gleichzeitig ist der auf die Taufe folgende Geistempfang deshalb Aufnahme in die Gemeinschaft derer, die an Jesus Christus glauben. S. dazu I.3.3.3. 293 Diese Frage ist zum einen vor dem Hintergrund der zentralen Botschaft Jesu vom Kommen des Reiches Gottes zu verstehen, zum anderen im Blick auf die vorangehenden Vv.4f., in denen den Anhängern Jesu die Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft versprochen wird. Die Aussage führt zu der Frage, was mit dem Gottesvolk Israel sein wird. Die Antwort Jesu weicht dem durch die Frage der Jünger deutlich gemachten Klärungsbedarf aus. Der einzige Hinweis auf die Zukunft für Israel ist die Nennung Jerusalems als Ausgangspunkt der Evangeliumsbotschaft der Gemeinde, aber durch die weiteren Angaben der Missionsausbreitung „in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde“ erfolgt dann auch „eine Entschränkung der nationalen Hoffnungen zu dem Gedanken der Weltmission“ (VON BAER, Der Heilige Geist, S. 82). Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 23. 292
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ihnen zunächst mit, dass sie den vom Vater in seiner Vollmacht festgesetzten Zeitpunkt der Wiedererrichtung nicht zu kennen brauchen (V.7), da sie stattdessen (ἀλλά) anderes zu erwarten haben: In V.8a wird ihnen von Jesus der Empfang des Heiligen Geistes zugesagt, was durch V.8b mit dem gleichzeitig an sie ergehenden Auftrag, Jesu Zeugen zu sein, verbunden wird. Das die beiden Sätze verbindende καί kann hier final verstanden werden. So werden in diesem Verheißungswort Empfang des Geistes und Zeugenauftrag der Jünger verbunden, der Geist als ,Ausrüstung‘ und antreibende Kraft für die kommende Missionstätigkeit gekennzeichnet. Das das Kommen des Geistes auf die Jünger bezeichnende Verb ἐπέρχοµαι ist dabei dasselbe, mit dem in Lk 1,35 das Wirken des Heiligen Geistes bei der Entstehung Jesu beschrieben wurde. In Bezug auf Lk 1,35 wurde ausgeführt, dass das Verb ein Geschehen ausdrückt, das den Betroffenen widerfährt und sie in starker Weise bestimmt. Es ist daher anzunehmen, dass Lukas wie in Lk 1,35 so auch in Apg 1,8 von einem initiatorischen Geschehen und einer ,Grundausstattung‘ durch den Geist spricht. Freilich betrifft diese Grundausstattung an dieser Stelle nicht explizit das Wesen der Jünger, da der Geist nicht wie bei Jesus an ihrer Entstehung beteiligt ist. Vielmehr ist der Geist für die Anhänger Jesu die Grundausstattung in Bezug auf ihre Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums. Mithilfe des Heiligen Geistes werden sie ihren Missionsauftrag erfüllen können. Dennoch wird durch die sprachliche Gemeinsamkeit, d.h. die Verwendung desselben Verbs in Apg 1,8 und Lk 1,35, eine große Nähe zwischen beiden verheißenen Anfangs-Vorgängen ausgedrückt. Die Geistmitteilung hatte bereits für das Wirken Jesu Initialcharakter und gewinnt diesen nun auch für das Wirken der Zeugen Jesu. Während die Bedeutung des Heiligen Geist nach Apg 1,5 über das in Lk 24 Gesagte hinausging, zeigt der Vergleich von Apg 1,8 mit der Parallelstelle Lk 24,48f. die explizite Gemeinsamkeit, dass die angesprochenen Jünger in beiden Versionen dazu aufgefordert werden, µάρτυρες („Zeugen“) zu sein. Dabei ist allerdings das eine Mal Jesus selbst als zu bezeugender Inhalt genannt (µου), das andere Mal soll der Verkündigungsinhalt die Umkehr zur Vergebung der Sünden sein, die aber auch nach Lk 24,47 zum Christusgeschehen dazu gehört. Ist in Lk 24,47 die Ausdehnung dieser Verkündigungstätigkeit von Jerusalem hin zu allen Völkern angegeben, so weist Apg 1,8 auf drei Etappen der Mission (Jerusalem, Judäa und Samaria, bis an das Ende der Erde) hin, was jedoch auf denselben Umfang des Zeugnisses hinausläuft. Schließlich weist der Ausdruck δύναµις τοῦ ἁγίου πνεύµατος, der das beschreibt, was Jesus den Jüngern für ihre Verkündigungstätigkeit verspricht, als Genitivus subiectivus den Geist als Urheber der Kraft (δύναµις) aus, die
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die Jünger bei ihrer Mission stärken soll.294 Dies macht deutlich, dass in der Parallelstelle mit der „Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49) diese stärkende und ermächtigende Funktion des Geistes gemeint war. Da in Lk 24,49 der Geist als Auslöser dieser Ermächtigung nicht genannt wird und damit die den Jüngern geschenkte Kraft das Wesentliche ist, wird an dieser Stelle δύναµις zum Synonym für den Heiligen Geist, beschreibt also nicht allein seine Wirkweise, sondern auch das Wesen des Geistes.295 Ähnlich hatte auch die Nebeneinanderstellung der beiden Begriffe in Lk 1,17.35; Apg 10,38 gezeigt, dass δύναµις synonym für den Geist gebraucht werden kann (auch im Hendiadyoin). Wie schon Jesus zu seinen heilbringenden Taten vom Heiligen Geist ermächtigt wurde (vgl. Lk 4,18; Apg 10,38), so werden nun seine Anhänger ebenfalls in ihrem Wirken vom Heiligen Geist geprägt.296 Dieser Parallelität entspricht die Kontinuität der Botschaft: Der für Jesu Wirken zentrale Aspekt der ἄφεσις soll auch Hauptsache innerhalb der Verkündigung der Jünger sein. In der durch den Heiligen Geist veranlassten und von der Gemeinde durchgeführten Mission geht folglich Jesu Wirken weiter.297 Somit findet sich neben Apg 1,5 als erstem Aspekt in Apg 1,8 ein zweiter Aspekt der durch Jesus ergehenden Verheißung des Heiligen Geistes. Er ist eine Macht bzw. Kraft, die die Zeugen Jesu zur Ausübung ihres Auftrages ermächtigt, befähigt und antreibt.298 Nur mit dem Heiligen Geist können die Jünger die Botschaft Jesu in die ganze Welt tragen. Dabei erweisen sich die in Apg 1,8 erwähnten einzelnen räumlichen Schritte der Mission für den in der Apostelgeschichte erzählten Missionsweg als programmatisch, denn von Jerusalem aus (Apg 2,4–8,3) erreicht das Evangelium über Judäa und Samaria (Apg 8,4–11,18) das Ende der Erde (Apg 11,19–28,31).299 Die durch Jesus 294 Dieser Sinngehalt ändert sich nicht, wenn man ἐπελθόντος τοῦ ἁγίου πνεύµατος als Genitivus absolutus auffasst und übersetzt: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist über euch kommt“. 295 Dazu s. II.1.2.1; II.1.1.5; II.1.3. 296 Vgl. auch BONNAH, Holy Spirit, S. 116. 297 Vgl. KORN, Geschichte Jesu, S. 154. Zugespitzt kann man sogar sagen: „The Spirit is Jesus at work in continuation of his ministry” (BRUNER, Spirit, S. 156). 298 Es ist eine Besonderheit der lukanischen Verwendung des Himmelfahrts-Mythems, dass diese Stärkung der Jünger für ihren Missionsauftrag eine Folge der Himmelfahrt Jesu darstellt. Denn sowohl im biblischen wie im griechischen Bereich dient eine Himmelfahrt lediglich der Glorifizierung des ,Himmelfahrers‘ selbst. Vgl. dazu FELDMEIER, Himmelfahrt. 299 Diese Entwicklung des Missionsweges geschieht nach lukanischer Darstellung unter Leitung des Heiligen Geistes (s. dazu I.3.2). Das weist darauf hin, dass Jesus den Jüngern den Heiligen Geist nicht nur als Stärkung geben wird, sondern dass dieser Geist innerhalb der Gemeinde sehr verschiedene Funktionen und Auswirkungen haben wird. Allerdings ist in Apg 1,8 lediglich die stärkende Wirkung des Heiligen Geistes genannt, weil sie für den Beginn der Zeugenschaft der Jesusanhänger von zentraler Bedeutung ist, hätte die Zeugenschaft doch ohne diese Wirkung des Geistes nicht aufgenommen werden können.
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vermittelte Geistesgabe wird seiner zentralen Verheißung (Apg 1,5.8) zufolge bei den geistbegabten Jüngern demnach nicht nur die Zugehörigkeit zu Jesus kennzeichnen, sondern sie umfasst gleichzeitig den Auftrag an sie, die Botschaft Jesu weiterzutragen und für ihn Zeugnis abzulegen. Der Geist ist „Gabe und Aufgabe zugleich.“300 Als Geistbegabte sind die Jünger der Heilsgemeinschaft eingegliedert, haben aber auch Jesu Botschaft zu verkündigen, wofür sie die notwendige Stärkung durch den Geist erhalten. Neben der zentralen Verheißung des Heiligen Geistes finden sich im lukanischen Doppelwerk zwei weitere Stellen, an denen nicht der auferstandene, sondern bereits der irdische Jesus seinen Jüngern den Geist zusagt (Lk 11,13; 12,12). Da die bisherigen Ausführungen zu Apg 2,33 und Apg 1,5.8 gezeigt haben, dass der Heilige Geist den Anhängern Jesu erst nach Jesu Erhöhung und der damit verbundenen Einsetzung in seine Vermittler- und Verwaltertätigkeit zuteilwerden kann, müssen sich auch die in Lk 11,13; 12,12 gemachten Geist-Zusagen auf diese Zeit nach der Himmelfahrt und dem Pfingstereignis beziehen.301 Gemeinsam ist diesen beiden Stellen außerdem, dass Jesus den Geist für den Fall des Eintretens spezieller Situationen zusagt, nämlich zum einen für das Gebet und zum anderen für die Bedrängnis. In Lk 11,1–3 präsentiert Lukas eine durch die Nachfrage der Jünger (V.1) ausgelöste Jesus-Rede zum Thema Gebet. Auf die lukanische Version des Vaterunsers (Vv.2–4)302 und des Gleichnisses vom bittenden Freund (Vv.5–8) folgt in den Vv.9–13 eine Reihe von Sprüchen zum Gebet. Den Abschluss bildet in V.13 ein Schluss a minore ad maius: Er basiert auf der Feststellung, dass es schon die irdischen Väter trotz ihrer Boshaftigkeit schaffen, ihren bittenden Kindern gute Gaben (δόµατα ἀγαθά) zu geben (Vv.11f.). Dies zeigt, um wie viel mehr der himmlische Vater denen den Heiligen Geist ge300
ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 107. Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 414.446; SCHÜRMANN, Lukasevangelium 2, S. 219; MENZIES, Pneumatology, S. 182. 302 Innerhalb der Überlieferung des lukanischen Vaterunsers gibt es eine für die Pneumatologie interessante Variante: In den Zeugen (162), 700, (McionT), GrNy findet sich für die zweite Du-Bitte (Lk 11,2) die Variante ἐλθέτω τὸ πνεῦµά σου τὸ ἅγιον ἐφʼ ἡµᾶς καὶ καθαρισάτω ἡµᾶς („Dein Heiliger Geist komme auf uns und reinige uns“). Schon aufgrund der schwachen äußeren Bezeugung, die auch durch alle für die Ursprünglichkeit vorgetragenen Argumente nicht ausgeglichen wird (vgl. WOLTER, Lukasevangelium, 407; die Debatte um die Ursprünglichkeit ist mit Akteuren und Argumenten beschrieben bei SCHNEIDER, Bitte), ist anzunehmen, dass es sich hier um eine sekundäre Änderung handelt, die durch Lk 11,13 befördert wurde. Zudem fügt sich diese Änderung aber auch nicht ohne weiteres in die lukanische Pneumatologie ein, da von einer durch den Heiligen Geist erfolgenden Reinigung nirgends sonst die Rede ist. In Apg 15,8f. wird nicht der Geist, sondern der Glaube in Beziehung zur Reinigung gesetzt. Mithilfe der Geistmitteilung hat Gott vielmehr die Aufnahme der Heiden in die christliche Gemeinde bezeugt. Vgl. KLEIN, Lukasevangelium, S. 405f.; HAACKER, Geist, S. 332. S. dazu I.3.3.3. 301
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ben wird, die ihn bitten. Jesus sagt den Jüngern hier also zu, dass sie auf ihr Gebet hin den Heiligen Geist von Gottvater bekommen. Allerdings bleibt dabei offen, ob der Betende dazu explizit um den Heiligen Geist bitten muss.303 Denn für das Bittgebet, das die Geistmitteilung zur Folge haben soll, fehlt eine Objektangabe und der Heilige Geist könnte damit als göttliche Antwort auf jedes erdenkliche Gebet genannt sein. Das wird auch durch den Vergleich von Lk 11,13 mit der Parallele Mt 7,11 nahegelegt. Denn dieser zeigt, dass Lukas das matthäische und ursprüngliche ἀγαθά durch den Heiligen Geist ersetzt hat.304 Es handelt sich daher um eine spezifisch lukanische Aussage. Offensichtlich will Lukas aufzeigen, dass der Geist die einzig notwendige gute Gabe ist, die der Betende auf Jesu Versprechen hin zu erhoffen braucht und erwarten kann. Dies stellt zunächst eine deutliche Verengung der göttlichen Gebetsantwort dar. Allerdings muss man sich vor Augen führen, was Jesus seinen Jüngern mit der Gabe des Heiligen Geistes verspricht. Nach der zentralen Geist-Verheißung (insbesondere Apg 1,4f.) zeigt die Begabung mit dem Heiligen Geist die Zugehörigkeit zu der Gemeinde Jesu und damit zur Heilsgemeinschaft an. Die auf das Gebet erfolgende Geistesgabe durch Gottvater muss deshalb dem Zweck dienen, dies für den Betenden noch einmal zu bestätigen. Der Geist garantiert die enge, sich auch im Gebet ausdrückende Beziehung zu Gott, wie dies bereits in Bezug auf die Beziehung des Geistträgers Jesus zu seinem Vater dargestellt war.305 Lukas ersetzt den Begriff ἀγαθά folglich deshalb mit dem Heiligen Geist, weil der Beter mit ihm alles empfängt, was er für sein Heil braucht. Die bei Lukas auftretende scheinbare Verengung der auf das Gebet folgenden göttlichen Reaktion erweist sich damit im Gegenteil als allumfassend. Darüber hinaus kommt Jesu Rolle als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes auch bei dieser speziellen Geist-Zusage zum Tragen. Weil Jesus selbst durch den Heiligen Geist in der Beziehung zu Gottvater stand und dies im Gebet stets in besonderer Weise zum Ausdruck kam, kann er diese seinen Anhängern verheißen. Somit gibt er seine sich in Gebet und Heiligem Geist 303 Wolter deutet Lk 11,13 dahingehend, dass dieses Gebet um den Heiligen Geist die einzige „Bitte [ist], mit der die Jünger jederzeit und mit unbedingter Erfüllungsgewissheit vor Gott treten können“ (WOLTER, Lukasevangelium, S. 414). Allerdings gibt der Zusammenhang mit den Vv.11f. lediglich her, dass alle, die um gute Gaben bitten, von Gottvater den Heiligen Geist erhalten. Daher ist nicht die Bitte um den Heiligen Geist die einzig ertragreiche, sondern die Gabe des Heiligen Geists die einzig notwendige. 304 Zahlreiche Abschreiber waren offenbar mit der ausschließlichen Gabe des πνεῦµα ἅγιον als Antwort auf das Gebet nicht einverstanden und haben den Geist ausgetauscht. So werden verschiedene Varianten geboten: δόµατα ἀγαθά in Θ, (a2) nimmt den ersten auf die irdischen Väter bezogenen Teilsatz auf; auch der dazu gehörige Singular ἀγαθὸν δόµα wird von D, it geboten; außerdem wird in 45, L, aur, vg, syhmg auf kreative Weise πνεῦµα ἀγαθόν gebildet. 305 S. dazu die Ausführungen zu Lk 3,21f.; 10,21 in I.2.1.2; I.2.1.5.
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zeigende Gottesbeziehung weiter. Das Gebet der Gemeinde wird durch diese Weitergabe des Geistes genau wie bereits das Beten Jesu als eine im Heiligen Geist getragene und durch ihn stets neu bestätigte Beziehung zu Gottvater gekennzeichnet. Der Heilige Geist wird daher nach Lukas die Gebetspraxis der Gemeinde prägen und begleiten. So finden sich in der Apostelgeschichte weitere Stellen, in denen das Gebet der Gemeinde mit dem Heiligen Geist in Verbindung steht (Apg 4,31; 6,6; 8,15; 13,3).306 Hier handelt die Gemeinde insgesamt nach dem Vorbild Jesu im Gebet und in Apg 4,31 entsprechend seiner Zusage der Gabe des Heiligen Geistes für das Gebet. Die zweite Zusage des Heiligen Geistes durch den irdischen Jesus in Lk 12,11f. betrifft einen weiteren lebenspraktischen Aspekt der Gemeinde Jesu, der sich diesmal allerdings nach außen richtet. Die Vv.11f. sind Teil einer Spruchsammlung (Lk 12,1–12). Das Stichwort Heiliger Geist ist bereits im vorangehenden Spruch in V.10 enthalten.307 Der Spruch geht von einer Situation aus, die für die frühe Gemeinde Jesu an der Tagesordnung war, wie auch in den Erzählungen in der Apostelgeschichte ersichtlich wird (Apg 4,5– 7308; 6,9.12–15; 18,12f.; 24,1–9 u. ö.): die Situation, sich vor Synagogen, Obrigkeiten und Gewalten, d.h. vor menschlichen Gerichten jüdischer und heidnischer Provenienz309, rechtfertigen zu müssen. Jesus fordert die Jünger auf, sich nicht zu sorgen, was sie in einer derartigen Lage zur Verteidigung vorbringen sollen. Denn in einer solchen Verantwortungsnot wird der Heilige Geist die nötigen Worte lehren. Der Heilige Geist wird hier den Jüngern als Lehrer in der Bedrängnis zugesagt. Deshalb müssen sie sich nicht mehr fürchten, sondern können auf Stärkung und Trost durch den Geist hoffen. Die anderen synoptischen Evangelien überliefern zwar sinngemäß eine ähnliche Zusage Jesu (Mk 13,11; Mt 10,19f.), aber nur Lukas stellt den Zusammenhang wie eben ausgeführt dar. Denn nach der markinischen Version, die von Matthäus weitestgehend aufgenommen wurde, wird die Aufforderung an die Jünger, sich in der Verantwortungsnot nicht zu sorgen, zwar ebenfalls mit dem Heiligen Geist begründet, jedoch wird eine andere Funktion des Geistes geschildert: Er wird es sein, der in denen, die sich verteidigen müssen, sprechen wird. Nach Lukas wird er aber deren Lehrer sein (διδάσκειν)310 und sie
306
Zur Bedeutung des Heiligen Geistes an den genannten Stellen s. I.3.1.2; I.3.3.2; I.3.4.2; I.3.4.4. 307 S. dazu I.3.5.2. 308 Apg 4,8 stellt ein explizites Beispiel für die Erfüllung der in Lk 12,12 gemachten Zusage dar: Petrus verteidigt die Evangeliumsverkündigung mit Hilfe des Heiligen Geistes vor dem Hohen Rat. S. dazu I.3.1.3. 309 Vgl. KLEIN, Lukasevangelium, S. 442. 310 Zu der lehrenden Wirkung des Heiligen Geistes gegenüber den Jüngern gibt es eine Parallele in Joh 14,26. Allerdings „bezieht sich [der johanneische Abschnitt] dabei eher auf die Abwesenheit des Sohnes […] als auf die Verfolgungen und ist darin den Verheißungen
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werden selbst sprechen.311 Dieser Vergleich zeigt, dass nach Lukas mehr die unterstützende Funktion des Geistes betont wird. Er setzt menschliches Handeln nicht aus, sondern stärkt und leitet es durch seine belehrende Hilfe. Ähnlich wie in Mk 13,11 findet sich in Lk 21,14f. im Kontext der Endzeitrede eine weitere von Lukas geschilderte Aufforderung Jesu zur Sorglosigkeit in Bedrängnis. Im Unterschied zu Lk 12,12 wird allerdings hier nicht der Heilige Geist, sondern Jesus selbst als Beistand genannt. Diese Variation muss so verstanden werden, dass der von Jesus seinen Jüngern zugesagte Heilige Geist letztlich von Jesus vermittelt wird und seine Hilfe an die Jünger darstellt.312 Auch diese spezielle Geist-Zusage für bedrängte Situationen fügt sich letztlich in den Kontext der zentralen Geist-Verheißung ein. Denn nach Apg 1,8; Lk 24,49 werden Jesu Jünger durch den Geist für die Mission ausgestattet und besonders gestärkt. Dies gilt nach Lk 12,12 insbesondere in Verantwortungsnot vor jedweden menschlichen Gerichten. Diese Zusagen des Geistes für besondere Situationen konkretisieren demnach anhand zweier Beispiele für die Gemeinde noch einmal, was es heißt, dass Jesus ihnen den Heiligen Geist grundsätzlich zugesagt hat als ihren Garanten für die Zugehörigkeit zum Heil und als Unterstützung bei der Ausführung ihres Zeugenauftrags (Apg 1,5.8). So dürfen sie als Antwort auf ein Gebet stets auf den Heiligen Geist als Bestätigung ihrer Beziehung zu Jesus und Gottvater vertrauen und das damit garantierte Heil annehmen. Außerdem brauchen sie in bedrängenden Situationen nicht zu verzweifeln, weil sie auf die grundsätzlich für die Mission verheißene Kraft des Geistes gerade in solchen schwierigen Lagen der Rechtfertigungsnot hoffen können.313 Ergebnis Der Heilige Geist hat nach Lukas nicht nur eine Bedeutung für Sein und Wirken Jesu, sondern die Pneumatologie wird zum wesentlichen Verbindungsglied zwischen Jesus und seiner Gemeinde, zwischen Christologie und Ekklesiologie. Dies geschieht dadurch, dass Jesus von Gottvater, der dabei jedoch Ursprung und Quelle der Geistesgabe bleibt, zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wird. Dieses Geschehen ereignet sich nach des auferstandenen Christus von Lk 24,49 und Apg 1,4–5 näher als unserem Abschnitt“ (BOVON, Lukas 2, S. 264). 311 Auf den Unterschied in der Vorstellung hat auch SCHWEIZER, Lukas, S. 135 hingewiesen. 312 Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 148. 313 Interessanterweise werden nach Lukas diese beiden Zusagen für besondere Situationen in einem sich in der Urgemeinde in Jerusalem zutragenden Ereignis erfüllt, das Lukas in Apg 4,23–31 berichtet. S. dazu I.3.1.2.
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Apg 2,33 im Anschluss an die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes, indem Jesus Anteil erhält an der Macht Gottes und damit in konkreter Folge auch an der Geistmitteilung. Die Eignung Jesu als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes beruht nach Lukas auch auf Jesu eigener Geistträgerschaft, die ihn zum Gottessohn und Christus gemacht hat. Deshalb obliegt es nun dem Erhöhten, den als verheißene Gabe betonten Geist auszugießen. Die Ausgießung des Geistes, die Gott schon lange verheißen hatte, kommt endlich durch Jesus zur Erfüllung; gleichzeitig bedeutet die Vermittlung und Verwaltung des Heiligen Geistes durch Jesus, dass der Geist zu einer Gabe wird, die ausschließlich Jesu Anhängern zuteilwird, denn nur diesen weist Jesus den Geist, der deswegen auch als Jesu Geist bezeichnet werden kann, zu. Weitergehend berichtet der auctor ad Theophilum von Verheißungen des Heiligen Geistes an Jesu Anhänger, die anders als Apg 2,33 Aussagen darüber enthalten, inwiefern der Geist für die Jesusanhänger relevant sein und welche Bedeutung er für sie haben wird. Die zentrale Geist-Verheißung Jesu an die Seinen erging nach Lukas unmittelbar vor der Himmelfahrt; erst anschließend wird Jesus in seine Vermittler- und Verwaltertätigkeit eingesetzt. Die Verheißung erfolgte damit vor Jesu Fortgang von den Jüngern, womit die Stellvertreter-Funktion des Geistes verdeutlicht wird. Nach dem, was Jesus hier seinen Jüngern verheißt, wird der Heilige Geist für Jesu Gemeinde eine zweifache Funktion haben. Zum einen wird sich für die Gemeindeglieder die Verheißung erfüllen, dass sie mit dem Heiligen Geist getauft werden (Apg 1,4f.). Dadurch werden sie der Heilsgemeinschaft zugeordnet und sind in eine bleibende Beziehung zu Jesus und Gottvater hineingestellt. Der Heilige Geist wird somit auch zum Alleinstellungsmerkmal der Jesusanhänger, da er sie beispielsweise von den Anhängern des Johannes abgrenzt. Zum anderen wird mit dieser exklusiven Gabe eine Aufgabe für die Jünger verbunden. Sie sollen zur Vollendung des Christusgeschehens beitragen, indem sie die Umkehr zur Vergebung der Sünden verkündigen, was bedeutet, zur Zuwendung zum Heil aufzurufen. Ihre Tätigkeit soll sich von Jerusalem aus bis ans Ende der Welt erstrecken. Für diesen gewaltigen Auftrag werden die Jesusanhänger durch den Heiligen Geist gestärkt und zugleich ermächtigt. Zwei von Lukas berichtete Geist-Zusagen Jesu konkretisieren diese zentralen Verheißungen für zwei besondere Situationen. Auf ein Gebet hin wird dem Betenden der Heilige Geist als gute Gabe versprochen, die ihm stets die Beziehung zu Jesus und Gottvater sowie seine Zugehörigkeit zum Heil vergegenwärtigt. Und im Fall der Verfolgung und Verantwortungsnot vor menschlichen Gerichten wird der Heilige Geist die richtigen Worte lehren, deren die Jünger zu ihrer Verteidigung bedürfen. Diese beiden besonderen Geist-Verheißungen ordnen sich daher in die generelle Geist-Zusage ein. Der Heilige Geist gewährleistet demnach, dass die Geschichte der Gemeinde Jesu mit ihrem erhöhten Herrn verbunden bleibt. Er weist die Ge-
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meinde auf Jesus zurück in der Gewährung der Zugehörigkeit zum Heil und ebenso im Auftrag zur Evangeliumsverkündigung und Mission in alle Welt.
Fazit: Jesu einzigartiger Status Fazit: Jesu einzigartiger Status
Die vorangehenden Ausführungen zu der Bedeutung, die dem Heiligen Geist nach lukanischer Darstellung innerhalb der Christologie zukommt, haben gezeigt, dass sich für Jesus zwei außergewöhnliche Auswirkungen des Heiligen Geistes ergeben. Der Heilige Geist ist zunächst für das Sein und Wirken Jesu ausschlaggebend. Es konnte dargelegt werden, inwiefern Lukas durch zahlreiche redaktionelle Ergänzungen das Bild der Geistträgerschaft Jesu gegenüber seinen Vorlagen deutlich verstärkt und die Geistprägung damit zum Wesensmerkmal Jesu gemacht hat. Kein anderer ist so grundlegend in Sein und Wirken vom Heiligen Geist bestimmt, so dass man von der Einzigartigkeit dieser Geistträgerschaft Jesu sprechen kann. Diese zeigt sich zum einen darin, dass der Heilige Geist für die identitätsprägende Verbindung Jesu zu Gott, seinem Vater, verantwortlich ist und Jesus durch den Geist in seinem Wesen von dieser Beziehung geprägt ist. Dies ist der Grund dafür, dass Jesus der Gottessohn ist – ein Zusammenhang, der nach Lukas beim Entstehen Jesu grundgelegt, sodann in der Taufe enthüllt und in der Versuchung bewährt wird. Zum anderen spielt der Heilige Geist laut lukanischer Darstellung dann auch für die Wirksamkeit Jesu eine maßgebliche Rolle, denn der Heilige Geist ist die entscheidende ,Ausrüstung‘ Jesu, durch die dieser seinem Auftrag nachkommen und seine heilbringenden Taten vollbringen kann. In diesen Zusammenhang gehört auch die Eigentümlichkeit des Lukas, von der Geistsalbung Jesu zu sprechen. Mit dieser Redeweise kommt zum Ausdruck, dass Jesu Beauftragung mit seiner Geistbegabung unaufkündbar zusammenhängt. Zudem ermöglicht der Terminus dem auctor ad Theophilum, auch den Christus-Titel Jesu mit dessen Geistträgerschaft zu begründen. Diese fundamentale Prägung Jesu durch den Heiligen Geist stellt einen Höhepunkt in der lukanischen Pneumatologie dar, der sich eben dadurch offenbart, dass Jesus durch den Geist Gottessohn und Christus und damit Heilsbringer ist. Es bleibt allerdings nicht bei dieser das Sein und Wirken Jesu ausmachenden Einzigartigkeit, denn Jesus erhält den Heiligen Geist ein zweites Mal aufgrund seiner Erhöhung zur Rechten Gottes, diesmal jedoch nicht für sich selbst, sondern zum Zweck der Weitergabe an die zu ihm Gehörenden. Jesus wird somit zum Vermittler und Verwalter der Gabe des Heiligen Geistes eingesetzt, weshalb die Geistbegabung anderer nun von ihm abhängig ist, auch wenn Gottvater Ursprung des Geistes bleibt. Aufgrund dieser Vermittlung des Heiligen Geistes durch Jesus gewinnt dieser Geist auch für Jesu Anhänger eine besondere Relevanz. Sie werden zum einen durch den
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2 Jesus und der Heilige Geist
Heiligen Geist der Heilsgemeinschaft zugeordnet und gleichzeitig in die Zeugenschaft für Jesu Botschaft gerufen. Dabei fällt auf, dass die von Lukas dem Heiligen Geist zugeschriebenen Funktionen, die für die Christologie gelten, nun erneut beim Übergang von der Christologie auf die Ekklesiologie hin relevant werden: Wie die Geistträgerschaft Jesu für seine einzigartige Verbindung zu Gottvater ausschlaggebend war, so werden nun die zu Jesus Gehörenden, die in ihrer Gesamtheit die christliche Gemeinde bilden, durch ihre von Jesus vermittelte Geistbegabung eine Verbindung zu Jesus und Gottvater haben. Wie der Heilige Geist Jesu Wirken und Auftrag wesentlich prägt, so weist Jesus die Jünger zur Fortsetzung der Evangeliumsverkündigung mit Hilfe des Geistes an. Man kann hier zunächst in Bezug auf die lukanische Christologie und Ekklesiologie von parallelen Funktionen des Heiligen Geistes sprechen, muss dabei aber den grundsätzlichen Unterschied berücksichtigen, dass die Bedeutung des Geistes für Jesu Gemeinde eine von Jesus vermittelte ist und daher stets an ihn und sein Wirken gebunden bleibt. Die Pneumatologie wird für die Ekklesiologie nur von der Christologie aus relevant. Deshalb kann die Bedeutung, die Lukas dem Heiligen Geist für die Christologie zuschreibt, so zusammengefasst werden, dass der Geist Jesu einzigartigen Status bestimmt, insofern ihm in mehrfacher Hinsicht ein einzigartiges Verhältnis zum Geist zukommt. Denn niemand sonst wird in seinem Sein und Wirken so wesentlich vom Geist bestimmt wie Jesus und hat dadurch eine solch einzigartige Rolle im Heilsgeschehen. Niemand sonst wird wie Jesus von Gottvater zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt, wodurch das einzigartige Verhältnis zwischen Jesus und dem Heiligen Geist neu bestimmt wird, kann Jesus diesen Heiligen Geist doch nun für die Weiterführung seiner Botschaft nutzbar machen.
3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist Die dritte Wirkungsepoche des Heiligen Geistes ist in den auf die Gemeinde Jesu bezogenen Bedeutungen des Heiligen Geistes auszumachen. Das entsprechende, an Pfingsten beginnende Auftreten des Geistes in der Gemeinde, das neben einigen wenigen Belegen im Lukas-Evangelium in sehr umfangreichem Maße in der Apostelgeschichte geschildert wird, weist verschiedene Funktionen und Auswirkungen auf: So ist der Heilige Geist das ermöglichende Moment für die Evangeliumsverkündigung (Apg 2,4.17f.; 4,8.31; 5,32; 6,10; 9,31; 18,25), spielt die entscheidende Rolle in Bezug auf Ausrichtung und Ausbreitung der Mission (Apg 8,29.39; 10,19; 11,12; 15,28; 16,6f.; 19,21; 20,22), ist für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk ausschlaggebend (Apg 2,38; 5,32; 8,15.17–19; 9,17.31; 10,44f.47; 11,15f.; 13,52; 15,8; 19,2.6) und hat maßgebliche Bedeutung sowohl für die Funktionsträger (Lk 6,12; Apg 1,2; 6,3.5; 7,55; 11,24.28; 13,2.4; 20,23.28; 21,4.11) als auch hinsichtlich der Frage der Verwerfung (Lk 12,10; Apg 5,3.9; 7,51).1 Die folgende Darstellung wird nach diesen fünf Zusammenhängen gegliedert. Über allen diesen unterschiedlichen Bedeutungen des Heiligen Geistes, die auf die Gemeinde Jesu bezogen sind, steht die in Abschnitt I.2.2 aufgezeigte Abhängigkeit von der Christologie, da der Heilige Geist die bleibende Verbindung zwischen Jesus und seiner Gemeinde garantiert. Jesus ist nach seiner Erhöhung von Gottvater als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt worden (Apg 2,33), so dass er den Geist denen verleihen kann, die zu ihm gehören. Deshalb hatte Jesus unmittelbar vor seiner mit seinem Fortgang verbundenen Himmelfahrt die Geistherabkunft an seine Anhänger verheißen (Lk 24,49; Apg 1,5.8), ein Umstand, der verdeutlicht, dass der Geist an Jesu statt bei dessen Gemeinde sein wird. Diese zentrale, vor der Himmel1
Da die Einteilung der Belege nach den oben genannten thematischen Zusammenhängen erfolgt, lässt es sich nicht vermeiden, dass manche Perikope oder einzelne Verse mehrfach zugeordnet werden. Insbesondere gilt dies für Folgendes: Da der Heilige Geist in der Perikope Apg 10,1–11,18 sowohl für die Ausrichtung der Mission als auch für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk eine Rolle spielt, wird diese Perikope in beiden Zusammenhängen behandelt werden, wobei die Schwerpunktsetzung entsprechend der zu untersuchenden Thematik erfolgt. Die Verse Apg 5,32; 9,31 beinhalten jeweils Aussagen, die die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung sowie auch die Zugehörigkeit zum Gottesvolk betreffen, so dass sie in beiden Zusammenhängen Berücksichtigung finden müssen.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
fahrt ergehende Geist-Verheißung weist dem Geist bereits eine zweifache Funktion für die Gemeinde zu: Zum einen soll er die Geistempfänger der Heilsgemeinschaft eingliedern und in diesem Sinne ihr Alleinstellungsmerkmal darstellen (Apg 1,5), zum anderen sollen die Jesusanhänger durch den Heiligen Geist beauftragt und ermächtigt sein, das Evangelium in der gesamten Welt zu verkündigen (Apg 1,8; Lk 24,49). Die folgenden Ausführungen werden einerseits zeigen, inwiefern diese Geist-Verheißung hinsichtlich der Auswirkungen zur Erfüllung kommt, andererseits wird deutlich werden, dass sich die Rolle des Geistes in der Gemeinde ausdifferenziert und deshalb noch über die verheißenen Funktionen hinausgeht. Es ist hervorzuheben, dass die vor der Himmelfahrt verheißene Geistverleihung an die Jesusanhänger nicht unmittelbar an die Erhöhung Jesu und die damit erfolgte Einsetzung in seine Vermittler- und Verwaltertätigkeit anschließt, sondern nach der Darstellung des Lukas ereignet sich zunächst eine Art ,Zwischenzeit‘, in der die Jesusanhänger auf die Erfüllung der GeistVerheißung warten müssen. Diese „Zeit des Wartens“2 hatte Jesus seinen Anhängern im Zusammenhang mit der Verheißung des Heiligen Geistes angekündigt, indem er ihnen – abgesehen von der vagen Angabe „nicht lange nach diesen Tagen“ (Apg 1,5b) – keinen konkreten Zeitpunkt für die Erfüllung seiner Verheißung genannt und ihnen stattdessen befohlen hatte, in Jerusalem zu bleiben und auf diese Erfüllung zu warten (Apg 1,4; Lk 24,49b). Diese Zeit verbringen die Jesusanhänger nach Apg 1,12–26; vgl. Lk 24,52f. damit, die Gemeinschaft zu pflegen, Gott zu loben und zu beten sowie den Kreis der zwölf Apostel und damit den Kern des Gottesvolkes durch die Nachwahl des Matthias zu komplettieren. Getragen wird diese Zeit des Übergangs von der auf Jesus bezogenen hin zu der auf die Gemeinde Jesu bezogenen Wirkungsepoche des Geistes von der oben genannten Geist-Verheißung, die beide Epochen auf das Engste miteinander verbindet und die Jesusanhänger auf künftige göttliche Unterstützung hoffen lässt.
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung 3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
Das Wirken des Heiligen Geistes in der Gemeinde Jesu beginnt nach lukanischer Darstellung mit dem Pfingstereignis. Deshalb beginnen die Erörterungen über die sich nach Lukas für die Gemeinde ergebenden verschiedenen Funktionen und Auswirkungen des Heiligen Geistes mit der Analyse dieser Erzählung von der initiatorischen Geistesgabe an die Gemeinschaft der Jesusanhänger, dem Pfingstbericht in Apg 2,1–13. In diesem Bericht und in der anschließenden Deutung der Ereignisse in Apg 2,14–21 steht die Thematik im Vordergrund, dass den Jesusanhängern durch den Heiligen Geist die Ver2
DÖMER, Heil Gottes, S. 106.
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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kündigung des Evangeliums ermöglicht wird. Dieser Zusammenhang wird noch einmal aufgenommen in der Perikope Apg 4,23–31, die daher im Anschluss zu untersuchen ist. Abschließend sollen weitere Belege, die die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung betreffen, in zusammenfassender Weise dargestellt werden. 3.1.1 Die Befähigung und Beauftragung am pfingstlichen Anfang (Apg 2,4.17f.) Der Bericht über das Pfingstwunder in Apg 2,1–133 wird mit einer das Geschehen situierenden Angabe eröffnet: „Und als sich der Tag des Wochenfestes erfüllte, waren alle zusammen an demselben Ort“ (V.1). Diese Situierung ist für das Verständnis der ersten Geistverleihung an die Jesusanhänger in mehrfacher Hinsicht bedeutend. Als Zeitpunkt der ersten Geistmitteilung an die Gemeinde wird der Tag des Wochenfestes (ἡ ἡµέρα τῆς πεντηκοστῆς)4 genannt. Durch diese Zeitangabe wird zunächst ein Neueinsatz markiert, der die Erzählung von dem vorangehenden Bericht über die Nachwahl des zwölften Apostels (Apg 1,15– 26) abgrenzt. Die lukanische Formulierung dieser zeitlichen Einordnung mithilfe des Verbs συµπληρόω zeigt darüber hinaus allerdings an, dass es sich bei dieser Form der Datierung um eine über eine reine Zeitangabe hinausgehende Aussage handelt5, die das Geschehen in besonderer Weise konnotiert und dadurch hervorhebt. Denn um das bloße Datum des Ereignisses anzugeben, hätte Lukas anders und vor allem einfacher formulieren können (z.B. ἔν τῇ ἡµέρᾳ τῆς πεντηκοστῆς („am Tag des Wochenfestes“)).6 Die intendierte Bedeutung der stattdessen von Lukas gebrauchten Wendung ἐν τῷ συµπληροῦσθαι τὴν ἡµέραν τῆς πεντηκοστῆς muss daher erschlossen werden. Das Verb συµπληρόω („erfüllen“) wird im Neuen Testament ausschließlich von Lukas und auch lediglich dreimal verwendet. Zeitlichen Gebrauch weist neben Apg 2,1 auch Lk 9,51 auf.7 An diesen beiden Stellen findet sich eine parallele Formulierungsweise mit ἐν τῷ συµπληροῦσθαι + (Subjekts-) Akkusativ + Genitivattribut, was darauf hindeutet, dass die Wendung beide Male in gleicher Weise zu verstehen ist. Zwar wird in Apg 2,1 3
Eine umfassende Bearbeitung des lukanischen Pfingstberichts Apg 2,1–13 bietet KREMER, Pfingstbericht. 4 Mit πεντηκοστή wird in 2. Makk 12,32; Tob 2,1 und z.B. auch bei Josephus (AJ III,252; XIV,337; BJ I,253; II,42 u. ö.) das jüdische Wochenfest (Ex 34,22; Lev 23,15– 22; Dtn 16,9–12 u. ö.) bezeichnet. In dieser Bedeutung gebraucht auch Lukas das Wort hier und in Apg 20,16. 5 Vgl. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 132. 6 Vgl. KREMER, Pfingstbericht, S. 95. 7 An der dritten Stelle Lk 8,23 bezeichnet συµπληρόω die Bedrohung einer Schifffahrt bei starkem Wind.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
lediglich ein Tag und werden in Lk 9,51 mehrere Tage in Kombination mit συµπληροῦσθαι genannt, jedoch haben beide Verwendungen des Verbs gemeinsam, dass sie das Eintreten eines Geschehens bezeichnen, dessen Vollendung noch in der Zukunft liegt: Zum einen den Beginn der Tage von Jesu Hinaufnahme (ἀναλήµψις), die erst mit der Himmelfahrt enden, und zum anderen den Anfang des Pfingsttages, dessen Abend noch fern ist.8 Dass es sich jeweils um ein noch nicht abgeschlossenes, andauerndes Geschehen handelt, wird dadurch bestätigt, dass der Infinitiv συµπληροῦσθαι im Präsens steht.9 Gemeinsam ist beiden Stellen außerdem die heilsgeschichtliche Relevanz der Ereignisse: Wendet sich Jesus in Lk 9,51 seinem ihm in Jerusalem vorherbestimmten Ausgang zu (vgl. Lk 9,31), so beginnt sich in der Abfolge des lukanischen Doppelwerks mit dem Anbrechen des Pfingsttages die Verheißung zu erfüllen, die Jesus den Jüngern vor seiner Himmelfahrt gegeben hatte: Diese werden den Heiligen Geist empfangen (Apg 1,5.8; vgl. Lk 24,49).10 Durch das Verb συµπληροῦσθαι markiert Lukas demnach auch den „Erfüllungscharakter“11 der in Apg 2,1ff. und Lk 9,51ff. geschilderten Ereignisse, indem er mit diesem Wort zum Ausdruck bringt, dass es sich jeweils um die Erfüllung einer Verheißung und damit um ein für die Heilsgeschichte entscheidendes Geschehen handelt. Mithilfe des Ausdrucks ἐν τῷ συµπληροῦσθαι τὴν ἡµέραν τῆς πεντηκοστῆς in Apg 2,1 kennzeichnet Lukas also die im Folgenden geschilderte erste Geistmitteilung an die Jesusanhänger als einen heilsgeschichtlichen Wendepunkt.12 Mit der Gabe des Geistes endet nicht nur das wartende Ausharren der Jünger (vgl. Lk 24,49b.52f.; Apg 1,4.12–26)13 auf die Erfüllung der jesuanischen Verheißung14, sondern es beginnt auch ein neuer Zeitabschnitt. Denn das Pfingstereignis ist der Anfang15 der Epoche der Gemeinde Jesu, die sich u.a. durch die Zeugenschaft der Nachfolger Jesu für das Evangelium auszeichnet. Durch das Pfingstereignis wird diese Zeugenschaft erst ermöglicht und angestoßen, so dass letztlich die christliche Gemeinde entstehen und sich ausbreiten kann. 8
Das „Erfüllen des Pfingsttages“ könnte auch bedeuten, dass dieser sich dem Ende zuneigt. Dieser Annahme steht aber Apg 2,15 entgegen. An dieser Stelle weist Petrus darauf hin, dass erst die dritte Stunde des Tages ist, um den Vorwurf der Trunkenheit der Jesusanhänger abzuwehren. Vgl. LOHSE, Bedeutung des Pfingstberichtes, S. 423. 9 Vgl. B/D/R § 404,1. Im Unterschied dazu bezeichnet der Aorist, auch von πληρόω bzw. πίµπληµι (z.B. Lk 1,23; 2,21f.; Apg 9,23; 24,27), den zeitlichen Abschluss eines Geschehens. 10 S. dazu I.2.2.2. 11 MUSSNER, Apostelgeschichte, S. 21; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 40. 12 Vgl. LOHSE, Bedeutung des Pfingstberichtes, S. 432; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 81f. 13 S. dazu die Einleitung zu I.3. 14 Vgl. auch KREMER, Voraussagen, S. 150. 15 Vgl. die Bezeichnung der pfingstlichen Geistausgießung als ἀρχή in Apg 11,15.
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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D.h., mit der ersten Geistesgabe an die Jesusanhänger (Apg 2,1–13) beginnt nach Lukas die Geschichte der Gemeinde als die einer neuen heilsgeschichtlichen Epoche.16 Weiterhin geben in Apg 2,1 die Angaben über Personen und Ort Auskunft über die Bedeutung, die Lukas dem zu Pfingsten an die Gemeinde ausgegossenen Heiligen Geist zuschreibt. Am Pfingsttag waren nach V.1 alle versammelt an demselben Ort (ἐπὶ τὸ αὐτό), über den dann in V.2 weiter ausgeführt wird, dass es sich um ein Haus handelte, in dem sich die Jesusanhänger aufhielten. Auch die Angabe „Haus“ ist jedoch nicht besonders genau, da die Identität des Hauses unbestimmt bleibt. Man kann vermuten, dass es sich um das Haus handelt, dessen Obergemach in Apg 1,13 schon als Aufenthaltsort der Jünger erwähnt wurde.17 Dass Lukas den exakten Versammlungsort ungenannt lässt, weist darauf hin, dass es hier nicht auf den genauen Ort ankommt. Für die erste Ankunft des Heiligen Geistes in der Gemeinde ist stattdessen nach Lukas entscheidend gewesen, dass alle (in einem abgeschlossenen Raum) versammelt waren, gleich an welchem Ort. Dabei bleibt auch der Grund für die Versammlung ungenannt. Möglicherweise greift Lukas hier auf die Gewohnheit der Jesusanhänger zu Zusammenkunft und Gebet zurück, die bereits zuvor in Apg 1,13f. aufgezeigt wurde. Man mag an eine gottesdienstliche Versammlung denken.18 All das scheint für Lukas jedoch nicht erwähnenswert gewesen zu sein. Für ihn ist entscheidend, darzustellen, dass sich die Jesusjünger zu einer Gemeinschaft zusammen gefunden haben. „Das Pfingstgeschehen soll dadurch von vornherein als ein gemeinschaftsbezogenes Ereignis dargestellt werden.“19 Nach Lukas ist die Gemeinschaft der Jesusanhänger also die Voraussetzung für den Beginn des Geistwirkens in der entstehenden christlichen Gemeinde. Deshalb gewinnt der Heilige Geist nicht nur für einzelne Jesusanhänger, sondern zuerst und vor allem für die gesamte Gemeinschaft an Bedeutung. Im Hinblick auf die Personenanzeige bleibt die lukanische Schilderung ebenfalls undeutlich, denn es stellt sich die Frage, wer in Apg 2,1 mit den πάντες gemeint ist, die zur Versammlung zusammengekommen sind. In dem dem Pfingstbericht vorangehenden ersten Kapitel der Apostelgeschichte werden verschiedene Gruppen genannt: Zum einen die Elf samt den Frauen, Ma16
Vgl. CONZELMANN, Mitte, S. 195; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 40. Vgl. z.B. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 103; ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 105. 18 Die Wendung ἐπὶ τὸ αὐτό kann aufgrund der neutestamentlichen Belege allerdings nicht als Terminus für die gottesdienstliche Versammlung angesehen werden (anders SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 94; DÖMER, Heil Gottes, S. 143), sondern gerade im lukanischen Doppelwerk bezeichnet sie ausschließlich eine bloße Zusammenkunft (vgl. außer der hier relevanten Stelle noch Lk 17,35; Apg 1,15; 2,44.47; 4,26; auch Mt 22,34; 1. Kor 7,5; zum Ausdruck einer gottesdienstlichen Versammlung dient die Wendung nur in 1. Kor 11,20; 14,23). Vgl. auch SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 247f., Anm. 43. 19 ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 105. 17
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
ria und den Brüdern Jesu (Apg 1,13f.). Anschließend wird von einer zur Nachwahl des zwölften Apostels versammelten Menge von ca. 120 Anhängern Jesu berichtet (Apg 1,15).20 Möglich wäre außerdem, dass sich πάντες auf den unmittelbar vor dem Pfingstereignis komplettierten Zwölferkreis bezieht (Apg 1,26)21, der ja auch im Anschluss an die Reaktion der Menge auf das Pfingstgeschehen unter der Führung des Petrus auftritt (Apg 2,14).22 Für die Annahme, dass nur der Zwölferkreis als Subjekt in Apg 2,1 gemeint ist, gibt es im Folgenden jedoch keine Anhaltspunkte, denn die Geistbegabung und die sich daraus ergebende, für diesen Zusammenhang relevante Zeugenschaft der Jesusanhänger ist im Fortgang der Apostelgeschichte nicht auf die Zwölf beschränkt. Wie die Ausführungen zu der zentralen GeistVerheißung, die von Jesus an die Seinen erging, gezeigt haben, wird als Empfänger dieser Verheißung und damit zum Evangeliumszeugnis Beauftragte in Lk 24,44–53 eine größere Jüngerschar (vgl. V.33) genannt, in der Parallelstelle Apg 1,1–14 werden jedoch nur die Apostel erwähnt, was mit ihrer Rolle als Garanten der Botschaft Jesu erklärt werden konnte.23 Jedoch wird durch die Nennung der größeren Jüngerschar in Lk 24,33.44 herausgestellt, dass die Geist-Verheißung und der damit verbundene Zeugenauftrag nicht bloß den Aposteln gelten. All diese Überlegungen führen nicht zu einer definitiven Klärung der Frage, wen Lukas mit den πάντες als Empfänger der ersten Geistverleihung benennen wollte. Jede Festlegung auf einen der genannten Personenkreise bleibt daher letztlich anzweifelbar. Deshalb ist auch im Hinblick auf die Personenangabe davon auszugehen, dass die vorhandene Angabe (πάντες) der intendierten Aussage des auctor ad Theophilum entspricht: Alle Jesusanhänger waren anwesend, als sich das Pfingstwunder ereignete. Demnach wird keiner der Jesusanhänger von der erstmaligen Geistbegabung ausgeschlossen, so dass keiner ohne Geist bleibt. Vielmehr wird betont, dass der Heilige Geist jedem dieser Anhänger zukommt.24 Die initiatorische Geistesgabe gilt folglich nach lukanischer Darstellung der ganzen Gemeinde Jesu, nicht nur einer aus dieser ausgewählten Gruppe.25 Damit ist die Ausgangssituation für die folgenden Ereignisse beschrieben. Die Zusammenkunft aller Jesusanhänger am Pfingsttag (V.1) wird von der 20 Vgl. eine Identifikation dieser Gruppe mit den πάντες z.B. bei FITZMYER, Acts, S. 238; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 102f.; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 247; BONNAH, Holy Spirit, S. 149. 21 Vgl. z.B. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 40f.; MUSSNER, Apostelgeschichte, S. 21. 22 In einigen Textzeugen findet sich in V.1 zur Festlegung des mit πάντες beschriebenen Subjekts auf die Apostel der Zusatz οἱ ἀπόστολοι. 23 Zu der Bedeutung der Apostel im lukanischen Doppelwerk s. I.3.4.1. 24 Diese Überlegungen zu Apg 2,1 werden dadurch bestätigt, dass in Apg 2,2–4 weitere dreimal betont wird, dass die gesamte bzw. jedes einzelne Glied der Gemeinde Jesu von der ersten Herabkunft des Heiligen Geistes betroffen ist (Vv.2b.3b.4a). 25 Vgl. DÖMER, Heil Gottes, S. 154.
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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Herabkunft des Geistes überrascht (Vv.2–4): Lukas berichtet davon als von einem plötzlichen (ἄφνω), also unerwarteten Einbruch eines vom Himmel kommenden Geschehens (V.2a). Die Angabe ἐκ τοῦ οὐρανοῦ kann in einem Haus aufgrund des Daches kaum räumlich gemeint sein. Ein Blick auf die sonstige Verwendung von οὐρανός im lukanischen Doppelwerk kann einen Hinweis auf die intendierte Bedeutung geben: Häufig wird der Ausdruck „Himmel“ von Lukas synonym für „von Gott“ oder zur Bezeichnung des Ortes Gottvaters gebraucht, so z.B. in Lk 3,21f.; 6,23; 9,16; 10,20; 11,1326.16; 20,4f; Apg 7,55f.; 9,3; 10,11; 11,9; 22,6. Hinzu kommt, dass der Kontext von Apg 2,2 in dieselbe Richtung weist: Nicht lange vor der Nachwahl des zwölften Apostels und dem Pfingstgeschehen hatten die Jünger den Auferstandenen zum Himmel fahren sehen und erwarten nun von dort seine Wiederkunft (Apg 1,9–11). Deshalb kann ἐκ τοῦ οὐρανοῦ hier auch als „Hinweis auf den Herrschaftsbereich des Auferstandenen und Erhöhten verstanden werden“27. Der Himmel ist demnach nicht nur der Ort Gottes, sondern auch der Ort Jesu. Das, was der versammelten Jüngerschar mit dem Kommen des Geistes überraschend widerfährt, wird folglich mithilfe der Wendung „vom Himmel“ (V.2a) als von Gottvater und dem zu seiner Rechten sitzenden Jesus28 herkommend gekennzeichnet.29 Die anschließenden Beschreibungen des Geschehens in Form eines hörbaren und eines sichtbaren Phänomens sind stark parallel gestaltet: V.2: καὶ ἐγένετο [...] ἦχος ὥσπερ φεροµένης πνοῆς βιαίας (a) καὶ ἐπλήρωσεν (b) V.3: καὶ ὤφθησαν [...] διαµεριζόµεναι γλῶσσαι ὡσεὶ πυρὸς (a) καὶ ἐκάθισεν (b) Dadurch wird die Zusammengehörigkeit dieser beiden Ereignisse unterstrichen. In den beiden ersten Vershälften werden die Phänomene jeweils mit Hilfe eines Vergleichs umschrieben. Dabei offenbart die Art der Beschreibung die Undefinierbarkeit und damit Unfassbarkeit beider Phänomene, d.h., dass es sich um etwas Rätselhaftes, nicht klar in Worte zu Fassendes handelt: Zum einen geschah ein Brausen, das dem von einem heftigen Wind verursachten Geräusch ähnelte (V.2a). Zum anderen erschienen sich verteilende Zungen30, die aussahen, als wären sie von Feuer (V.3a). In der jeweiligen 26
An dieser Stelle ist der Himmel explizit der Ort Gottes als des Vaters, der den Heiligen Geist auf ein Gebet hin geben wird. 27 KREMER, Pfingstbericht, S. 101. 28 Dieser Zusammenhang wird in Apg 2,33 dahingehend differenziert, dass Gottvater die Quelle des Heiligen Geistes ist und Jesus der Vermittler und Verwalter. S. dazu I.2.2.1. 29 Vgl. ähnlich die Bezeichnung des Heiligen Geistes als „Kraft aus der Höhe“ (ἐξ ὕψους δύναµις) in Lk 24,49. 30 Die Übersetzung von διαµεριζόµενοι mit „sich verteilende“ anstatt mit dem auch möglichen „zerteilte“ (Feuerzungen) liegt deshalb näher, weil diese Feuerzungen beschrie-
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
zweiten Vershälfte wird anschließend dargelegt, dass diese beiden Phänomene die gesamte Jüngerversammlung ergriffen, so dass das ganze Haus von dem Brausen erfüllt wurde (V.2b) und sich die Feuerzungen auf jeden einzelnen der Anwesenden setzten31 (V.3b). Erst in V.4a gibt Lukas den Grund für die zuvor geschilderten geheimnisvollen Ereignisse preis: die Erfüllung aller Versammelten mit dem Heiligen Geist. Von hier aus gesehen entpuppen sich der Wind und die Feuerzungen aus den Vv.2–3 als Begleiterscheinungen dieses Kommens des Heiligen Geistes. Mit dem Erscheinen von Feuer und Wind begegnen in dieser Schilderung der ersten Sendung des Heiligen Geistes alttestamentliche TheophanieMotive. Denn im Alten Testament können Gotteserscheinungen von Feuer begleitet werden. So sprach Gott beispielsweise zu Mose aus einem feurigen Dornbusch (Ex 3,2–4) und begleitete das aus Ägypten ausziehende Volk Israel in einer Feuersäule (Ex 13,21f.; 14,20.24; Num 14,14).32 Gott kann sich außerdem im Wind zeigen: So wurde z.B. für den Propheten Elia ein sanfter Wind zur Gotteserscheinung (1. Kön 19,11f.), während Gott im Wettersturm den Dialog mit Hiob führte (Hi 38,1).33 Wind und Feuer können demnach im Alten Testament die Gegenwart Gottes anzeigen.34 Begleiten nun nach der lukanischen Darstellung Wind und Feuer die erste Gabe des Heiligen Geistes an die Jüngerversammlung, so bringt Lukas hierdurch zum Ausdruck, dass die Ankunft des Heiligen Geistes in der Gemeinde ben werden als solche, die sich auf jeden Einzelnen in der Jüngerversammlung setzen. Vgl. KREMER, Pfingstbericht, S. 109f.; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 249; CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 31. 31 Der Singular des Verbs in V.3b (ἐκάθισεν) bereitet in Verbindung mit dem pluralischen Subjekt γλῶσσαι Schwierigkeiten, wovon auch die Bezeugung des Plurals in einigen Handschriften herrührt. Stattdessen den Geist als zu ergänzendes Subjekt anzunehmen, ist allerdings nicht schlüssig, da er erst im darauf folgenden V.4 das erste Mal in dieser Perikope genannt wird. Hingegen kann die Parallelität von V.3 zu V.2 Aufschluss über die intendierte Bedeutung der grammatischen Ungenauigkeit geben: Wie oben dargestellt, geht es im zweiten Teilsatz jeweils um die Auswirkungen des zuvor geschilderten Phänomens. Das Subjekt in V.3b müssen daher die Feuerzungen sein. Evtl. verstärkt der Singular des Verbs die Vorstellung, dass sich jeweils eine einzelne Feuerzunge auf einen Anwesenden niederlässt. Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 41f.; KREMER, Pfingstbericht, S. 115f. 32 Vgl. weiter Feuer als Theophanie-Motiv z.B. Gen 15,17; Dtn 4,12; 5,26; 2. Kön 2,11; Ps 18,9; 50,3; Jes 66,15. 33 Vgl. weiter Wind als Theophanie-Motiv z.B. Ex 15,8.10; Ps 18,1. 34 Im griechisch-römischen Bereich treten Feuer und Wind nicht als Theophanien, wohl aber als Attribute von Göttern auf. So ist Hephaistos bzw. Vulcanus der Gott des Feuers (z.B. Hom. Il. I 571–611; XVIII 390ff.). Außerdem gibt es die Anemoi als Götter der Winde (Hom. Od. V 291–296; Verg. georg. III 267–283). Auch wenn folglich Feuer und Wind als Theophanie-Motive eindeutig eher vom Alten Testament her zu verstehen sind, so zeigen die genannten Feuer- und Wind-Götter, dass auch im griechisch-römischen Denken, das sich sowohl in den Mythen als auch in der rituellen Praxis zeigte, die Verbindung der Naturphänomene Feuer und Wind mit Göttlichem durchaus gegeben war.
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die Ankunft und Gegenwart des Göttlichen in dieser bedeutet.35 Im Heiligen Geist kommen Gottvater und Jesus, von denen dieser Geist ausgeht, zu ihrer Gemeinde, treten zu ihr in Beziehung und sind bei ihr. Der Grund für diese Verdeutlichung der göttlichen Herkunft des Heiligen Geistes mittels der die Geistausgießung begleitenden Phänomene Feuer und Wind ist darin zu suchen, dass es sich hier um die erste Mitteilung des Geistes an die christliche Gemeinde handelt. Mithilfe der Theophanie wird folg35 Mitunter wird die lukanische Pfingsterzählung als Neudeutung des nach 70 n. Chr. als Bundeserneuerungsfest gefeierten Wochenfests verstanden. Vgl. z.B. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 132f.138f.; ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 69f.; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 101f.108; MUSSNER, Apostelgeschichte, S. 21. Nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70 n. Chr. konnten die Erstlingsgaben der Frühjahrsernte nicht mehr in ihm dargebracht werden, wie es am Wochenfest üblich gewesen war. Daher erfolgte eine zunehmende Umdeutung des Wochenfestes als Fest der Gesetzgebung am Sinai. Dies wurde für das 50 Tage nach dem Passahfest stattfindende Fest dadurch nahegelegt, dass Mose das Gesetz am Sinai etwa 50 Tage nach dem Aufbruch aus Ägypten und dem Passahmahl empfangen hatte. Bereits vor 70 n. Chr. wurde das Fest in Qumran (1QS 1,8–2,18) und in dem Qumran nahestehenden Buch der Jubiläen (Jub 6,17–22) als Fest der Bundeserneuerung verstanden. Ähnliches kann man schon in dem nachexilischen Text 2. Chr 15,10–15 finden. (Eine umfassende neuere Studie zur jüdischen Feier des Wochenfestes als Feier des Sinaigeschehens bietet PARK, Pentecost and Sinai.) Die Ansicht, Lukas habe den Pfingstbericht in Apg 2,1–13 in Entsprechung zur Sinaioffenbarung gestaltet, wird mit der Beobachtung begründet, dass ähnlich wie im lukanischen Pfingstbericht die Erscheinungen von Feuer und brausendem Wind auftreten, die Theophanie bei der Gesetzgebung am Sinai von Getöse (Posaune, Donner etc.) und Feuer (Ex 19,16.18) bestimmt ist.. In diesem Falle würde nach Lukas die Geistausgießung an die als das Gottesvolk des neuen Bundes anzusehende christliche Gemeinde die Gabe des Gesetzes an das Gottesvolk Israel ablösen, so dass – wenn beide Akte als Bundesschlüsse verstanden sind – der neue Bund den alten überbietet. Allerdings finden sich bei der lukanischen Schilderung des Pfingstgeschehens abgesehen von den ähnlichen Theophanie-Elementen, die – wie bereits gezeigt wurde – im Alten Testament nicht ausschließlich am Sinai begegnen, und der Datierung der Geistausgießung keine Hinweise inhaltlicher Art für ein solches Verständnis der ersten Geistausgießung bei Lukas. Weder auf einen Bundesschluss noch auf das Gesetz wird im Pfingstbericht explizit verwiesen oder auch nur angespielt. Auch gewinnt die Bundesthematik bei Lukas keine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist. Da sich also keine inhaltlichen Hinweise auf eine lukanische Deutung der pfingstlichen Geistausgießung als neues Sinaigeschehen finden, gibt es keinen Grund, dies anzunehmen. Vgl. ablehnend auch ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 41; BONNAH, Holy Spirit, S. 138; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 246f.; LOHSE, πεντηκοστή, S. 49. Aufgrund dieser Erkenntnis ist davon auszugehen, dass Lukas mit dem in Apg 2,1 angegebenen Datum „Pfingsttag“ (ἣ ἡµέρα τῆς πεντηκοστῆς) für die Geistausgießung an die christliche Gemeinde keinen besonderen inhaltlichen Bezug zur Bedeutung des Wochenfestes herstellen wollte. Wahrscheinlich war dieses Datum in dem von ihm aufgenommenen überlieferten Material vorgegeben. Vgl. auch KREMER, Pfingstbericht, S. 94. S. dazu auch den unten genannten Hinweis zu den in Jerusalem wohnenden, nicht extra zum Wochenfest angereisten, Juden aus aller Welt, die Zeugen des Geschehens um die Geistausgießung werden (Apg 2,5).
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lich die Sonderstellung der erstmaligen Gabe des Heiligen Geistes an die christliche Gemeinde zum Ausdruck gebracht und dieses Ereignis als initiatorisch und heilgeschichtlich bedeutend hervorgehoben. Die Theophanie-Motive Wind und Feuerzungen passen dabei auffällig gut zu den betreffenden Ereignissen: Der Wind liegt durch das Bedeutungsspektrum des den Heiligen Geist bezeichnenden Wortes πνεῦµα nahe, das auch mit dem in V.2 auftretenden Ausdruck πνοή verwandt ist. Außerdem weist die Tatsache, dass das Feuer in Form von Zungen erscheint, auf die Folgen der Geistbegabung hin, i.e. das Reden in fremden Sprachen, das im Folgenden thematisiert werden wird.36 Die zentrale Verheißung Jesu, die Jünger würden den Heiligen Geist erhalten, schließt nach Apg 1,5.8; vgl. Lk 24,49 eine zweifache Folge für die Empfänger des Geistes mit ein.37 Daher ist die Geist-Verheißung nach Apg 2,4 mit der bloßen durch den Geist bewirkten göttlichen Anwesenheit noch nicht vollständig erfüllt, vielmehr folgt eine Angabe der Auswirkung. Mit V.4b ist der Aussage über die Herabkunft des Geistes (V.4a) eine Beschreibung der hier im Mittelpunkt stehenden Wirkung, die der Heilige Geist auf die Geistbegabten hatte, hinzugefügt: Die Folge des Geistempfangs ist es, dass die Jesusanhänger in ἕτεραι γλῶσσαι reden, und zwar so, wie der Geist es bestimmt.38 Diese Wirkung ist gleichzeitig auch als eine Demonstration der Geistbegabung anzusehen. Somit wird die in Apg 1,8; Lk 24,49 verheißene Geistwirkung in der Form explizit, dass der Geist die Jesusanhänger zur ihrer Zeugenschaft ermächtigt und antreibt. Bei dieser ersten Geistausgießung an Pfingsten wird in diesem Sinne konkretisiert, auf welche Weise der Geist die Jünger bei der ihnen aufgetragenen Evangeliumsverkündigung unterstützt. Der zur Beschreibung der Geistwirkung in Apg 2,4b verwendete Ausdruck γλώσσαις λαλεῖν kann die Glossolalie bezeichnen.39 Lukas hat diesem Aus36 Mit Schille kann man hier von einem „Wortspiel“ sprechen (SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 95). 37 S. dazu I.2.2.2. 38 Da das hier verwendete Verb ἀποφθέγγοµαι im Neuen Testament neben der genannten Stelle ausschließlich in Apg 2,14; 26,25 auftritt, kann es als spezifisch lukanisch gelten. Nur hier in Apg 2,4b wird das durch ἀποφθέγγοµαι ausgedrückte Reden explizit als Wirkung des Geistes gekennzeichnet (καθὼς τὸ πνεῦµα ἐδίδου). Apg 2,14 schließt daran an (s.u.). Die beiden Stellen weisen jedoch nicht darauf hin, dass ein ekstatisches oder prophetisches Reden ausgedrückt werden soll (anders BEHM, ἀποφθέγγοµαι, S. 448). In Apg 26,25 bezeichnet das Verb außerdem das vernünftige Reden des Paulus vor Festus. Das Wort ist daher insgesamt bei Lukas als „geradeheraus sagen“ zu verstehen. 39 Vgl. im lukanischen Doppelwerk (ohne den Zusatz ἑτέραις) Apg 10,46; 19,6 (zu diesen Stellen s. I.3.3.3; I.3.3.4); bei Paulus vor allem 1. Kor 14. Die erfolgte Differenzierung von Glossolalie und Sprachenwunder stellt nicht in Frage, dass es sich bei beiden um Geistwirkungen und daher um verwandte Phänomene handelt, worauf auch die Ähnlichkeit der Begriffe hindeutet.
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druck hier allerdings das Pronomen ἑτέραις hinzugefügt und damit eine im Neuen Testament singuläre Wendung geschaffen, deren Bedeutung mithilfe des Kontextes erschlossen werden muss. Die folgenden Verse Apg 2,5–13 zeigen an, wie die lukanische Wendung λαλεῖν ἑτέραις γλώσσαις zu verstehen ist. Dieser zweite Abschnitt der Pfingstperikope schildert die Folgen der Geistbegabung der Jesusanhänger aus der Perspektive von betroffenen Außenstehenden. Dabei ist der Neueinsatz in V.5 deutlich durch den auffallenden Satzanschluss gekennzeichnet: Im Gegensatz zu den vorangehenden Vv.1–4, die alle mit καί beginnen, ist V.5 mit δέ angeschlossen und dadurch hervorgehoben. Außerdem erfolgt mit V.5 eine erneute Disposition40: Die Perspektive schwenkt in V.5 von der versammelten, geistbegabten Jüngerschar weg auf einen neuen Personenkreis, und zwar auf die aus allen Nationen stammenden frommen Juden, die in Jerusalem wohnen.41 Gleichzeitig vergrößert sich der Schauplatz des Geschehens, indem der Blick der Erzählung jetzt nicht mehr nur auf das Haus der Jünger, sondern auf ganz Jerusalem gerichtet ist (V.5). Zeugen des Pfingstgeschehens waren nach Lukas demnach die in Jerusalem ansässig gewordenen Diasporajuden aus allen Völkern der Erde. Diese allumfassende Notiz ἀπὸ παντὸς ἔθνους τῶν ὑπὸ τὸν οὐρανόν wird dann in den Vv.9–11a durch die Aufzählung einer Reihe von Völkern, d.h. mithilfe einer Völkerliste, veranschaulicht42, mit deren Nennung sich nach lukanischer Darstellung die anwesenden Juden ihrer Herkunft nach selbst vorstellen. Da die Liste keineswegs „alle Völker unter dem Himmel“ aufführt, kann sie lediglich dem Zweck dienen, die Völkervielfalt unter den beim Pfingstereignis anwesenden Juden exemplarisch darzustellen.43 Plausi40
Vgl. auch KREMER, Pfingstbericht, S. 131. Dass diese Juden laut Lukas in Jerusalem wohnen (κατοικέω) (V.5), bedeutet, dass sie dauerhaft dort ansässig sind und keine Pilger, die nur zum Wochenfest nach Jerusalem gekommen waren. Juden in der Diaspora siedelten häufig nach Jerusalem um, insbesondere um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 108; auch HENGEL, Hellenisten, S. 165–174. Deshalb kann nicht angenommen werden, dass sich die in V.1 genannte Datierung des Pfingstereignisses auf das Wochenfest für Lukas aus der Tatsache ergab, dass dieses Fest mit seinen fremdsprachigen Pilgern aus aller Welt einen geeigneten Rahmen für das pfingstliche Sprachenwunder abgeben würde. 42 Vgl. auch ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 75. 43 Diese Völkerliste bereitet nicht lösbare Schwierigkeiten. In ihr werden 17 Namen unterschiedlicher Kategorien genannt: Völker, Landschaften und römische Provinzen. Außerdem wird als vorletztes Glied die religiöse Bezeichnung „Juden und Proselyten“ aufgeführt, die nicht recht in diese Aufzählung zu passen scheint. Auch ist die Nennung von Judäa als fremdes Gebiet in Jerusalem mehr als merkwürdig. Für diese Arbeit ist lediglich die erkennbare „rhetorische Absicht“ des Lukas entscheidend (LOHSE, Bedeutung des Pfingstberichtes, S. 435), den Reichtum an Nationen und damit an Sprachen unter den in Jerusalem ansässigen Juden, die Zeugen des Pfingstgeschehens werden, exemplarisch aufzuzeigen. 41
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bel erscheint die Annahme der meisten Forscher, dass der auctor ad Theophilum diese Völkerliste nicht selbst geschaffen hat, sondern dass sie ihm aus einem anderen Zusammenhang, der nicht mehr eindeutig festzustellen ist, vorlag.44 Dafür spricht vor allem die Ähnlichkeit dieser Völkerliste zu anderen antiken Listen (z.B. 1. Makk 15,22–23; Phil. Gai. 281f.). Es ist folglich anzunehmen, dass Lukas eine ihm vorliegende Völkerliste zur Veranschaulichung seiner Pfingstdarstellung aufgenommen und evtl. an einigen Stellen überarbeitet hat. Denn durch die Völkerliste wird die universale Ausrichtung des Geschehens illustriert. Gleichzeitig wird betont, dass es sich bei denjenigen, die da aus der ganzen Welt stammen, um in Jerusalem ansässige Juden handelte. Diese waren die ersten Personen, die von den Auswirkungen der an die Jesusanhänger erfolgten pfingstlichen Geistausgießung betroffen waren und ,begünstigt‘ wurden. Zwei Dinge sind an dieser lukanischen Darstellung hervorzuheben: Zum einen wird die erste Geistausgießung auf die Jesusanhänger in Jerusalem als dem Zentrum des Judentums lokalisiert. Angesichts des von Lukas in Apg 1,8; vgl. Lk 24,47 vorgestellten Programms ist dies der Ort, an dem die Zeugenschaft der Jünger Jesu beginnen soll. Deshalb hatte der Auferstandene seinen Anhängern befohlen, in Jerusalem auf die Herabkunft des Heiligen Geistes zu warten (Lk 24,49; Apg 1,4). Wie die Erläuterungen zu diesen Textstellen gezeigt haben, handelt es sich um eine ausschließlich im lukanischen Doppelwerk auftretende Anweisung Jesu.45 Diese Lokalisierung der pfingstlichen Geistmitteilung und des daraus resultierenden Beginns der Evangeliumsverkündigung geschieht daher nicht zufällig, sondern ist „dem Gedanken der Kontinuität der Heilsgeschichte“46 geschuldet: Dort, wo die Zeit Jesu endete, muss die Geschichte seiner Gemeinde beginnen. Zum anderen betont Lukas, dass die Hörerschaft der geistbegabten Jesusanhänger ausschließlich aus Juden bestand. Damit macht er deutlich, dass sich das, was mittels und in Folge der pfingstlichen Geistausgießung geschah, also die Evangeliumsverkündigung durch die mit dem Geist ausgestatteten Zeugen, zuallererst an die Juden47 richtete. Darüber hinaus deutet die Herkunft der Juden aus allen Völkern der Erde bereits an, dass dieses Geschehen daneben auch der ganzen Welt gelten soll. Schon die erste Geistmitteilung nämlich ermöglicht es den Geistbegabten, in den Sprachen der ganzen Welt Zeugnis abzulegen (s.u.). Damit sind die Voraussetzungen für eine Verkündi-
44
Vgl. z.B. KREMER, Pfingstbericht, S. 145–158.164. S. dazu I.2.2.2. 46 WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 82. 47 Dabei macht V.11 deutlich, dass es sich sowohl um Juden von Geburt als auch durch Beitritt handelt. 45
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gung des Evangeliums an alle Völker der Erde von vornherein gegeben48, auch wenn die Heidenmission zu Beginn der Geschichte der Gemeinde Jesu in Apg 2 ausdrücklich noch nicht thematisiert, geschweige denn verwirklicht wird.49 Für den Leser der Apostelgeschichte ist allerdings durch Apg 1,8 bereits die Perspektive gegeben, dass es sich bei dem pfingstlichen Ereignis in Jerusalem erst um den Anfang der Zeugenschaft der Jesusanhänger handeln kann, die weiter bis an das Ende der Welt führen soll. In den Vv.6–13 geht es nun „um den Eindruck, den das Pfingstgeschehen auf die in Jerusalem sich aufhaltenden Juden macht“.50 Auf diese Weise führt Lukas den genannten Personenkreis der Juden aus aller Welt als gleichsam ,objektiven‘ Zeugenkreis für das durch den Geist bewirkte Geschehen und dessen Bewertung an. In V.6a wird geschildert, wie die Juden auf das in den Vv.1–4 dargestellte Geschehen aufmerksam wurden: Weil sie eine φωνή hörten, versammelten sie sich. Dabei lässt Lukas offen, ob diese φωνή das Brausen des herabkommenden Geistes oder das Stimmengewirr der geistbegabten Redner meint; möglicherwiese sind es sogar beide Phänomene, die die Menge anziehen.51 Die Vv.6b–13 berichten anschließend von der Reaktion der zusammengekommenen Menge auf das Erlebte. Zur Beurteilung der Frage, was die Juden von den Rednern zur hören bekommen und wie sie das erleben, was zuvor in V.4 als vom Heiligen Geist bewirktes λαλεῖν ἑτέραις γλώσσαις gekennzeichnet wurde, sind die Vv.6.8.11 ausschlaggebend. Denn hier wird der Verwunderung und Verwirrung der Hörer darüber Ausdruck verliehen, dass sie das von den Geistbegabten Gesagte in ihrer eigenen Sprache (διάλεκτος (Vv.6.8); γλῶσσαι (V.11)) hören. Die ἕτεραι γλῶσσαι (V.4b) werden zweimal von Lukas mit διάλεκτος gleichgesetzt, einmal wiederum mit γλῶσσαι umschrieben52, wobei die ἕτεραι γλῶσσαι von den aus aller Welt stammenden Juden als ἡµέτεραι γλῶσσαι bezeichnet werden. Bei διάλεκτος handelt es sich um einen spezifisch lukanischen Ausdruck, da er im Neuen Testament nur von ihm verwendet wird. An den übrigen Belegstellen (Apg 1,19; 21,40; 22,2; 26,14) bezeichnet das Wort eine bestimmte Landes- oder Volkssprache, was auch für die Belege in Apg 2,6.8 anzunehmen ist. Dies wird durch die folgenden Angaben in den Vv.6.8 bestätigt: Jeder 48 „Das kirchengründende Geschehen hat sofort weltmissionarischen Zuschnitt. Es geht […] um die Ausbreitung der Botschaft“ (SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 101). 49 Vgl. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 134; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 86f.; anders ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 113. 50 ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 98. 51 Dann wären die „Bekundungen des Gottesgeistes insgesamt gemeint“ (ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 74). 52 Die Anordnung der beiden Begriffe ist chiastisch (γλῶσσαι (V.4) – διάλεκτος (V.6) – διάλεκτος (V.8) – γλῶσσαι (V.11)), wodurch die Zusammengehörigkeit und Identifikation betont wird. Außerdem wird deutlich, dass der eingekreiste Begriff den umkreisenden erklärt.
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einzelne der Diasporajuden hört die Geistbegabten jeweils in seiner eigenen Sprache (ἰδία διάλεκτος) (Vv.6b.8a) reden. Dabei handelt es sich um Sprachen, mit denen die jeweiligen Hörer aufgewachsen sind (V.8b), also um ihre Muttersprache53 und damit um eine bestimmte Völker- oder Landessprache. Diese lukanischen Ausführungen zu den Reaktionen der vom Pfingstgeschehen betroffenen Juden sprechen gegen die Annahme, in dem, was den Jesusanhängern nach Lukas durch den Geist widerfährt, Glossolalie zu sehen, denn Zungenreden würde nicht in fremden Sprachen erfolgen. Hinzu kommt, dass in V.11b der Inhalt der Rede der Jesusanhänger erwähnt wird: Sie berichten von den großen Taten Gottes (µεγαλεῖα τοῦ θεοῦ).54 Das bedeutet, dass das, was die Geistbegabten reden, direkt verstehbar ist. Diese unmittelbare Verständlichkeit ist ein weiteres Argument dafür, dass Lukas nicht Glossolalie als Folge der pfingstlichen Geistausgießung beschreibt. Denn bei der Zungenrede wäre – folgt man den von Paulus zu diesem Thema gemachten Ausführungen – eine Auslegung erforderlich, damit die Hörer den Sinn verstehen können (vgl. 1. Kor 14,2.9.13f.27f.). Die Rede der Jesusanhänger aber ist für die Juden verständlich, ohne dass sie vorher interpretiert wird. Die dargelegten Argumente sprechen dafür, dass der Heilige Geist nach lukanischer Darstellung an Pfingsten nicht Glossolalie, sondern Reden in fremden Sprachen bewirkt hat.55 Da dieses Reden als „Reden von den großen Taten Gottes“
53
Vgl. KREMER, Pfingstbericht, S. 141. Der Begriff µεγαλεῖα wird im Neuen Testament nur von Lukas gebraucht und dies auch lediglich zweimal, und zwar an dieser Stelle sowie, allerdings textkritisch unsicher, in Lk 1,49. In der Septuaginta werden mit µεγαλεῖα die Großtaten Gottes bezeichnet (vgl. Dtn 11,2; Ps 70,19 LXX; Sir 18,4; 3. Makk 7,22), worauf Lukas hier wahrscheinlich Bezug nimmt. 55 Da diese Arbeit zeigen will, welche Vorstellung vom Heiligen Geist Lukas auf der redaktionellen Ebene darbietet, ist hier nicht der Ort, die Möglichkeit einer vorlukanischen Tradition des Pfingstberichts im Einzelnen zu diskutieren. Es sei deshalb an dieser Stelle lediglich darauf hingewiesen, dass es zwei gegensätzliche Positionen im Hinblick auf eine lukanische Überarbeitung vorgegebener Tradition in Apg 2,1–13 gibt: Die meisten Forscher gehen davon aus, dass Lukas einen ihm vorliegenden Bericht über das erste vom Geist bewirkte Auftreten von Glossolalie in der Urgemeinde aufgenommen und durch verschiedene Hinzufügungen (vor allem ἑτέραις (V.4) und Vv.5–11) im Sinne eines Sprachenwunders uminterpretiert hat. Vgl. u.a. LOHSE, Bedeutung des Pfingstberichtes, S. 434f.; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 100f.; DÖMER, Heil Gottes, S. 141–151; SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 99–101; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 81.84f; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 134; BONNAH, Holy Spirit, S. 155f. Dieser Sichtweise entgegengesetzt wird die Meinung vertreten, Lukas habe einen Bericht über ein geistgewirktes Sprachenwunder so überarbeitet, dass das Pfingstereignis in Apg 2 als Glossolalie gekennzeichnet wird. Vgl. u.a. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 32; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 38.42f.; ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 102f. Dabei wird Glossolalie allerdings anders als bei Paulus nicht als unverständliche, der Deutung bedürftige Geistrede verstanden, sondern z.B. mit der Prophetie identifiziert (Vgl. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 32.34) oder 54
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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(V.11) spezifiziert wird, kann man es im Sinne von Verkündigen deuten.56 Auch die folgende, an die vorangehenden Verse anknüpfende Predigt des Petrus (s.u.) bestätigt diese Interpretation. Den wunderbaren Charakter dieses Verkündigens in fremden Sprachen macht Lukas besonders durch das Verhalten der Hörer deutlich. Gleich fünfmal wird in diesem Textabschnitt die Verwunderung und Verwirrung (συγχέω, ἐξίστηµι, θαυµάζω, διαπορέω) der Juden über das Geschehen thematisiert (Vv.6.7(2).12(2)), was in der Redundanz die Größe des Wunders betont. In V.7 ist außerdem eine Information darüber enthalten, was die schon allein durch das Erklingen der vielen Sprachen ausgelöste Verwunderung zusätzlich noch verstärkt hat: Diejenigen, die in den Fremdsprachen reden, sind Galiläer. Dies hat zwei Konnotationen. Zum einen werden die Jünger des Galiläers Jesus (Lk 23,6) im lukanischen Doppelwerk auch als Galiläer bezeichnet (vgl. Lk 22,59; Apg 1,11). Die auffallenden Redner werden also zunächst als Jesusanhänger erkannt.57 Zum anderen wird mit der Bezeichnung „Galiläer“ ihre Herkunft und damit eine bestimmte Muttersprache ausgewiesen, über die die verschiedenen pfingstlichen Fremdsprachen hinausgehen. Die Bezeichnung der Jesusanhänger als Galiläer impliziert nicht zuletzt noch mehr: In Apg 4,13 werden Petrus und Johannes als Jesusanhänger und ἄνθρωποι ἀγράµµατοι καὶ ἰδιῶται („ungebildete und einfache Menschen“) beschrieben, weswegen der Hohe Rat sich über ihre freimütige Rede wundert. Werden die Jesusanhänger in Apg 2,7 folglich als Galiläer benannt, so bringt das zum Ausdruck, welch großes Wunder geschieht, wenn diese einfachen und ungebildeten Leute in vielfältigen fremden Sprachen reden. Neben den Zuhörern, die sich über die Sprachenvielfalt wundern, gibt es jedoch auch andere Zuhörer, die die Jesusanhänger verspotten und sich deren Verhalten durch von Wein hervorgerufene Betrunkenheit58 erklären (V.13). Dass neben dem Admirationsmotiv eine ablehnende Reaktion geschildert
als „universale Sprache des Lobpreises und Gebets“ angesehen (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 43). 56 Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 102. 57 Vgl. KREMER, Pfingstbericht , S. 140f. 58 Dies deutet auf unverständliches Gerede hin, was zu der Annahme einer beschriebenen Glossolalie zu passen scheint. Vgl. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, S. 31. Nicht selten wird dieser Vorwurf der Trunkenheit an die Jünger deshalb als Indiz dafür angesehen, dass Lukas von Glossolalie als Auswirkung des Heiligen Geistes am Pfingsttag berichtet. Auf der Ebene des lukanischen Endtextes ist der Eindruck der Betrunkenheit ebenso gut erklärbar, wenn man berücksichtigt, dass die zahlreichen von den Geistbegabten durcheinander gesprochenen Sprachen „im ganzen einen wirren Eindruck“ machten und „für jeden einzelnen Zuhörer das meiste unverständlich“ blieb (HAACKER, Pfingstwunder, S. 126). Deshalb führt auch V.13 nicht zu einer von den obigen Aussagen abweichenden Interpretation der Geistwirkung als Sprachenwunder.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
wird, ist für Wunderberichte typisch.59 Man kann also bei dem von Lukas geschilderten Pfingstgeschehen von einem Sprachenwunder sprechen. Auf wunderbare Weise werden folglich die Jesusanhänger durch ihre sich an Pfingsten ereignende Geistbegabung dazu befähigt, das Evangelium bis hin in alle Teile der Welt zu verkündigen. Unmittelbar nachdem die gespaltene Meinung der Menge in Bezug auf das vom Heiligen Geist hervorgerufene Sprachenwunder deutlich wurde, tritt – gleichsam durch die unterschiedlichen Reaktionen herausgefordert – Petrus mit den Elf auf und beginnt zu predigen (Apg 2,14). Da kein Szenenwechsel erfolgt, ist diese Verkündigung an die Juden in Jerusalem gerichtet, die soeben Zeugen des Pfingstgeschehens wurden (vgl. Apg 2,5 mit 2,14b). Im Erzählverlauf der Apostelgeschichte handelt es sich bei dieser Petruspredigt um die erste Evangeliumsverkündigung durch die Jesusanhänger, deren Inhalt der Leser der Apostelgeschichte in ausführlichem Maße erfährt.60 Gleich diese erste Predigt kann als geistgewirkt gelten. Darauf deutet vor allem hin, dass das Wort ἀποφθέγγοµαι, mit dem Lukas das Reden des Petrus einleitet, dasselbe ist wie das, mit dem in Apg 2,4 das durch den Geist bewirkte pfingstliche Sprachenwunder beschrieben wird. Damit wird offenbar, dass die Predigt des Petrus eben an diese Geistesgabe anknüpft und sich aufgrund dieser vollziehen kann. Das bedeutet, ohne die Gabe des Geistes wäre diese Zeugenschaft des Petrus nicht möglich gewesen.61 Die durch den Geist ermöglichte Pfingstpredigt des Petrus lässt sich folgendermaßen gliedern62: V.14a: Einleitung der Rede Vv.14b–21: Deutung der pfingstlichen Geistesgabe mithilfe von Jo 3,1–5a Vv.22–28: Verkündigung von Leben, Tod und Auferweckung Jesu Christi mit Schriftbeweis Vv.29–36: Verkündigung von der Auferweckung und vom Sitzen Jesu Christi zur Rechten Gottes mit auf David bezogener Begründung (Einschub V.37: Rückfrage der Zuhörer) Vv.38–40: Umkehrmahnung mit Aufruf zur Taufe. Für den hier aufgezeigten Zusammenhang der durch den Heiligen Geist bewirkten Ermöglichung der Verkündigung ist aus dieser Predigt des Petrus der
59
Vgl. THEISSEN, Wundergeschichten, S. 78–81. Bisher war als Inhalt der Verkündigung der Jesusanhänger lediglich die zusammenfassende Nennung der großen Taten Gottes (µεγαλεῖα τοῦ θεοῦ) bekannt (Apg 2,11b). 61 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 250. 62 Die Gliederung erfolgt in Hinblick auf die ersten drei Abschnitte dieser Predigt aufgrund der Beobachtung, dass jeweils ein Neueinsatz mit einer neuen Anrede an die Zuhörer vorliegt (Vv.14b.22.29). Schließlich trennt der Einschub in V.37 den letzten Abschnitt der Rede ab. 60
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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erste Abschnitt relevant, in dem die pfingstlichen Geschehnisse um die Geistherabkunft mit Hilfe des Joel-Zitats gedeutet werden (Vv.14b–21).63 Petrus beginnt seine Deutung des soeben geschehenen Sprachenwunders mit der Zurückweisung des aus der Menge erhobenen Vorwurfs (Apg 2,13), die in fremden Sprachen Redenden seien betrunken (V.15a).64 Diese Zurückweisung wird anschließend einerseits mit der Tatsache begründet, es sei noch früh am Tage (V.15b). Petrus führt dann andererseits das (entscheidende) Argument an, es handele sich um die Erfüllung der Worte des Propheten Joel (V.16). Der betreffende Text aus Jo 3,1–5a wird anschließend in den Vv.17– 21 zitiert. Der alttestamentliche Text Jo 3,1–5 kündigt die Ausgießung des Geistes durch Gott als Vorzeichen der letzten Tage an. Diese Geistausgießung werde alles Fleisch betreffen (V.1a). Dieser zusammenfassende Begriff „alles Fleisch“ wird in den folgenden Aussagen gleichsam ,aufgeschlüsselt‘ in Söhne und Töchter, Junge und Alte (V.1b). Die Folgen der Geistausgießung werden mit dem Erhalt prophetischer Fähigkeiten beschrieben: Bei den Geistbegabten treten prophetische Rede, Träume und Visionen auf (V.1b). Daran anschließend wird gesondert betont, dass der Geist auch über die Knechte und Mägde ausgegossen wird (V.2), wobei – anders als bei den zuvor Genannten – von keiner Wirkung des Geistes auf die Knechte und Mägde die Rede ist. Daraufhin werden apokalyptische Vorzeichen des Tages des Herrn angekündigt (Vv.3f.) und damit die Geistausgießung ebenfalls in diese unmittelbare Vorzeit eingeordnet. Zum Abschluss verspricht V.5 denjenigen die als Ausnahme anzusehende Rettung vor diesem unheilvollen Geschehen, die den Namen des Herrn anrufen, und kennzeichnet Jerusalem als Ort des Heils. Das in Apg 2,17–19 angeführte Joel-Zitat weist allerdings einige Unterschiede zum Septuaginta-Text auf. Für die Frage der bei Lukas geschilderten Wirkungen des Geistes und hier speziell der Ermöglichung der Verkündigung des Evangeliums ist der Vers Apg 2,18, in dem Jo 3,2 zitiert wird, besonders interessant.65 Der lukanische Wortlaut ist daher im Vergleich zu dem des Septuaginta-Textes zu betrachten:
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Zu den außerdem für die Bedeutung des Heiligen Geistes im lukanischen Doppelwerk relevanten Abschnitten drei und vier der Pfingstpredigt (Vv.29–36.38–40) s. I.2.2.1; I.3.3.1. 64 Insgesamt ist diese Predigt des Petrus durch die ersten Vv.14f. eng mit der vorangehenden Perikope verknüpft. 65 In Apg 2,17.19 finden sich folgende Abweichungen von Jo 3,1–5a: eine kontextbedingte Änderung (V.17a: ἐν ταῖς ἐσχάταις ἡµεραις, λέγει ὁ θεός statt µετὰ ταῦτα), eine Umstellung (in V.17c, der Jo 3,1c entspricht, erscheinen die beiden Teile in umgekehrter Reihenfolge (V.17cα = Jo 3,1cβ; V.17cβ = Jo 3,1cα)), eine Kasusänderung (ἐνυπνίοις statt ἐνύπνια) und kleinere Hinzufügungen (V.19: ἄνω, σηµεῖα und κάτω).
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Apg 2,18: καί γε ἐπὶ τοὺς δούλους µου καὶ ἐπὶ τὰς δούλας µου ἐν ταῖς ἡµέραις ἐκείναις ἐκχεῶ ἀπὸ τοῦ πνεύµατός µου, καὶ προφητεύσουσιν. Jo 3,2: καὶ ἐπὶ τοὺς δούλους καὶ ἐπὶ τὰς δούλας ἐν ταῖς ἡµέραις ἐκείναις ἐκχεῶ ἀπὸ τοῦ πνεύµατός µου. In dem von Lukas wiedergegebenen Joel-Vers ist gegenüber der Septuaginta-Version neben der Partikel γέ den Knechten und Mägden jeweils das Possessivpronomen µου hinzugefügt. Dadurch wird aus dem die Knechte und Mägde betreffenden Satz eine Aussage über Gottes Diener und Dienerinnen, so dass die Beschreibung eines sozialen Status in eine religiöse Metapher umgewandelt wird.66 Weiterhin ist das Versende in Apg 2,18 um καὶ προφητεύσουσιν ergänzt, womit eine Wirkung des Geistes auf Gottes Diener und Dienerinnen angegeben wird, die im Septuaginta-Text nicht enthalten ist. Die Tatsache, dass Lukas den Vers aus Jo 3,2 im Verhältnis zu dem Text der Septuaginta sichtlich verändert bietet, könnte darauf hindeuten, dass Lukas den Vers im Zuge seiner redaktionellen Tätigkeit um diese Hinzufügungen ergänzt hat. Denkbar wäre aber auch, dass Lukas für das Joel-Zitat eine vom Septuaginta-Text abweichende Text-Rezension vorliegen hatte. Für die letztgenannte Möglichkeit spricht die Tatsache, dass zu Beginn von Apg 2,18 die Wendung καίγε auftritt, die für die sogenannte καίγε-Rezension typisch ist. „Unter der καίγε-Rezension ist […] eine Rezension der Septuaginta zu verstehen, die eine Angleichung des Griechischen an das Hebräische verfolgt und deren Hauptmerkmal die Übersetzung der hebräischen Partikel ~G; durch καίγε ist.“67 Das vom Septuaginta-Text abweichende Auftreten des Ausdrucks καίγε lässt folglich auf die Zugehörigkeit des Lukas vorliegenden Joel-Textes zu dieser καίγε-Rezension bzw. zu einer von dem Sprachgebrauch dieser Rezension beeinflussten Textvariante schließen.68 Allerdings können die anderen bereits genannten Ergänzungen zum Septuaginta-Text in diesem Vers, zweimal µου sowie καὶ προφητεύσουσιν, nicht zur Textversion der καίγε-Rezension gehören. Denn dies würde voraussetzen, dass diese Ergänzungen eine wörtliche Angleichung an den hebräischen Text von Jo 3,2 darstellen. Da dies nicht der Fall ist, weil der hebräische Text diese Zusätze nicht aufweist, können µου und καὶ προφητεύσουσιν nicht auf die καίγεRezension zurückgehen. Daher ist eher anzunehmen, dass diese Ergänzungen von Lukas selbst stammen.69 Ein weiteres Argument für diese Annahme 66
Vgl. MENZIES, Pneumatology, S. 218. ALBRECHT, Septuaginta, S. 53. 68 Vgl. KIM, Textformen, S. 169. 69 Möglich wäre auch, dass zumindest καὶ προφητεύσουσιν aus Versehen aus dem vorangehenden Vers hinzugefügt wurde. Vgl. HOLTZ, Zitate bei Lukas, S. 11f. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Lukas die Wirkung des Geistes, die in Apg 2,17 für die Söhne und 67
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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ergibt sich bei der Betrachtung der Aussagen, die durch die Ergänzungen des Joel-Zitats bei der Deutung der pfingstlichen Geistausgießung überhaupt erst möglich werden70: Zunächst wird aus der aus Jo 3,2 stammenden Aussage durch die zweimalige Hinzufügung des Possessivpronomens µου („meiner“) eine Aussage über Gottes Diener und Dienerinnen. Dies muss sich im Kontext der Apostelgeschichte auf die Mitglieder der Gemeinde Jesu beziehen.71 Deshalb enthält dieser Vers die entscheidende Aussage über die pfingstliche Geistausgießung und deren Folgen, da diese Geistausgießung eben diese Gemeinde Jesu betrifft. Auch stellt die Wirkung, die der ausgegossene Geist auf diese Dienerinnen und Diener Gottes hat, eine Ergänzung zum Septuaginta-Text dar und wird erst durch diese Ergänzung mit καὶ προφητεύσουσιν („und sie redeten prophetisch“) beschrieben. Auf diese Weise wird das durch die pfingstliche Geistausgießung erfolgte Sprachenwunder in Apg 2,18 als προφητεύω, d.h. prophetische Rede interpretiert.72 Die geistbegabten Jesusanhänger werden somit als Propheten angesehen.73 Propheten zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen von Gott erhaltenen Auftrag ausführen, zumeist, indem sie eine göttliche Botschaft verkündigen.74 Wie die Erörterungen zu Apg 2,1–13 gezeigt haben, werden die Jesusanhänger durch die Gabe des Geistes zum Verkündigen des Evangeliums befähigt – nach Apg 2,18 sind sie als Träger der göttlichen Botschaft daher Propheten. Im Gegensatz zu Apg 2,1–13 betont diese Deutung des Pfingstgeschehens nicht so sehr die durch den Heiligen Geist bewirkte Befähigung zur Verkündigung, vielmehr steht in Apg 2,18 die Beauftragung zur Verkündigung, die durch den Geist von Gottvater und Jesus her ergeht, im Vordergrund. So wie in Israel Propheten beauftragt wurden75, die göttliche Botschaft zu verkündigen, so sind es jetzt die Mitglieder der christlichen Gemeinde, die Jesu Evangelium verkündigen sollen. Aus lukanischer Sicht sind sie dazu durch die Geistmitteilung beauftragt worden.76 Töchter angegeben ist, bewusst auch für Gottes Diener und Dienerinnen übernimmt, da sonst eine Auswirkung der Geistesgabe für diese fehlte. Vgl. ZEHNLE, Pentecost, S. 33. 70 Vgl. auch STEYN, Septuagint Quotations, S. 81f. 71 „Für Lukas sind die δοῦλοι die Christen“ (HOLTZ, Zitate bei Lukas, S. 10). 72 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 268; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 120. 73 Über diesen allen Jesusanhängern zukommenden Propheten-Status hinaus bewirkt der Geist an bestimmten Personen eine davon zu unterscheidende spezielle Prophetie. Dabei handelt es sich um eine plötzliche, situationsbezogene, aktuelle prophetische Eingabe des Heiligen Geistes zur Einsicht in die Zukunft. S. dazu I.3.4.3. 74 „In umfassendem Sinn kann man das Verbum [sc. προφητεύω] mit den Worten umschreiben: die dem Propheten zuteilgewordene Offenbarung, die Botschaft Gottes verkündigen“ (FRIEDRICH, προφήτης, S. 829). 75 Vgl. z.B. Jes 6; Jer 1,4–19; Ez 1–3; Jon 1,1. 76 Hervorzuheben ist diesbezüglich besonders, dass in Apg 2,18 auch Gottes Dienerinnen, also Frauen, als Empfänger des Gottesgeistes und damit als zur Verkündigung Beauftragte genannt werden.
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Weiterhin ist zu beachten, dass diese durch den Geist bewirkte Beauftragung der Jesusanhänger zur Zeugenschaft für das Evangelium durch den Bezug auf das zur Deutung verwendete Zitat aus Jo 3,1–5a als Erfüllungsgeschehen gekennzeichnet wird. Ebenso hatte die oben erörterte Verwendung des Ausdrucks ἐν τῷ συµπληροῦσθαι in Apg 2,1 bereits gezeigt, dass es sich bei der Ausgießung des Heiligen Geistes an die Gemeinde Jesu um ein heilsgeschichtlich bedeutendes Ereignis handelt, da die zentrale GeistVerheißung Jesu an seine Anhänger (Apg 1,5.8; vgl. Lk 24,49) Wirklichkeit wird. In Apg 2,17–21 wird darüber hinausgehend explizit ausgeführt, dass es sich nicht um eine erstmals durch Jesus ausgesprochene Verheißung handelt. Denn das Pfingstgeschehen stellt auch die Erfüllung einer alttestamentlichen Verheißung dar.77 Diese Geistausgießung ist somit ein lange vorherbestimmtes heilsrelevantes Ereignis für das Gottesvolk Israel, das sich nun in der Gemeinde Jesu realisiert. Das Heil wird innerhalb der Joel-Verheißung denen zugesagt, die den Namen des Herrn anrufen (V.5a). Auffällig ist, dass der Halbvers Jo 3,5b, der Jerusalem als Ort des Heils kennzeichnet, in Apg 2,21 nicht mehr zitiert wird, sondern das Zitat mit Jo 3,5a endet. Dadurch zeigt Lukas an, dass das Heil, von dem die Geistbegabten künden, nicht nur in Jerusalem zu finden sein wird. Dies entspricht dem mit der Geist-Verheißung Jesu ergangenen Auftrag an die Jesusanhänger, das Evangelium bis an das Ende der Erde zu bezeugen (Apg 1,8). 3.1.2 Die Ermutigung und Stärkung gegen Widerstände (Apg 4,31) Ein weiteres Mal wird die Rolle des Heiligen Geistes bei der Evangeliumsverkündigung in der Perikope Apg 4,23–31 über das Gebet der Gemeinde dargelegt. Diese Perikope wird eingeleitet mit der Schilderung der nach ihrer Entlassung aus der Gefangenschaft erfolgten Rückkehr von Petrus und Johannes zu ihren Glaubensgenossen (οἱ ἴδιοι) sowie deren Bericht über das seitens der Hohenpriester und Ältesten ausgesprochene Verkündigungsverbot und die für den Fall der Nichtbeachtung hinzugefügte Drohung (V.23). Dabei ist V.23 so stark verknüpft mit der vorherigen Perikope, dass, weil weder die handelnden Personen noch einmal namentlich genannt werden, noch erwähnt wird, was Hohepriester und Älteste zu Petrus und Johannes sagten, diese Informationen aus dem Kontext erschlossen werden müssen. Lediglich der Ortswechsel in V.23 zeigt an, dass es sich um eine neue Szene handelt. Direkt vor dem Gemeindegebet waren Petrus und Johannes wegen der Verkündigung der Auferstehung Jesu verhaftet worden (Apg 4,1–3) und mussten sich vor dem Hohen Rat wegen der Heilung eines Gelähmten (vgl. Apg 3) verant-
77 Wie die Ausführungen zur Identifikation der ἐπαγγελία in I.2.2.1 gezeigt haben, sind auch die weiteren alttestamentlichen Geist-Verheißungen (Jes 32,15; 44,3; 59,21; Ez 11,19; 36,26f.; 39,29) in diesem Sinne als an Pfingsten erfüllt anzusehen.
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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worten (Apg 4,5–22). Wichtig für das Verständnis der Perikope vom Gemeindegebet ist dabei die Tatsache, dass der Hohe Rat Petrus und Johannes in diesem Zuge verbot, weiterhin im Namen Jesu zu reden und zu lehren (Apg 4,17f.). Als Petrus und Johannes sich weigerten, dieses Verbot zu beachten und ihre Weigerung mit dem Hinweis begründeten, dass sie Gott mehr gehorchen müssten als ihrem menschlichen Gegenüber (Vv.19f.), verband der Hohe Rat dieses Verbot mit Drohungen (V.21a). Für den in diesem Kapitel behandelten Zusammenhang der Evangeliumsverkündigung ist dabei Folgendes relevant: Hätte die Gemeinde, zu der Petrus und Johannes anschließend zurückkehrten, aufgrund dieser Drohung das Verkündigungsverbot beachtet, wäre das, wozu der Geist die Gemeinde am Pfingsttag befähigt und beauftragt hatte (vgl. Apg 2,1–21), bereits nach den ersten erfolgten Evangeliumsverkündigungen gestoppt worden. Die durch die Gemeinde erfolgende Mission wäre damit schon an ihrem Anfangsort in Jerusalem zu ihrem Ende gekommen. Lukas berichtet in Apg 4,23–31, wie die Gemeinde stattdessen mit diesem Verbot umgegangen ist: Die Reaktion der Glaubensgenossen, die von der Bedrohung der Verkündigung hören, besteht darin, dass sie sich einmütig im Gebet an Gott wenden (V.24a).78 Damit wird das Widerfahrnis Einzelner an die Gemeinschaft zurückgebunden und über die in Form eines Gebets erfolgende Wendung zu Gott in die Gemeinschaft hineingeholt. Wie im Rahmen der Ausführungen zu dem laut Apg 4,25 geistgewirkten Schriftzitat dargestellt, beginnt dieses Gebet79 mit der Berufung auf die Schöpferkraft Gottes (V.24b). Der Hauptteil besteht aus einem alttestamentlichen Zitat aus Ps 2,1f. über die Drohung der Völker gegen den Herrn und seinen Gesalbten (V.25f.) sowie der Feststellung der Erfüllung (ἐπ’ ἀληθείας) dieser Bedrohung durch Herodes, Pontius Pilatus, die Heidenvölker und die Stämme Israels (V.27), wobei das Geschehen als Wille Gottes angesehen wird (V.28). Den Abschluss des Gebets bildet die Bitte an Gott um
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Es handelt sich an dieser Stelle nicht um das erste in der Apostelgeschichte erwähnte Gemeindegebet. Das Gebet wurde von Lukas bereits als etwas dargestellt, was zur Grundhaltung der Gemeinde gehört (Apg 1,14; 2,42.47). Darüber hinaus betet die Gemeinde nach lukanischer Darstellung in besonderen Situationen, wie z.B. der Nachwahl des zwölften Apostels (Apg 1,24f.) oder auch in der vorliegenden bedrohlichen Situation in Apg 4,24– 30. In solchen Fällen wird der Inhalt des Gebetes berichtet. Wie die Ausführungen zur Christologie gezeigt haben, hat Lukas dem Gebet auch für Jesus eine große Bedeutung zugeschrieben (s. I.2.1.2; I.2.1.5). Von dieser Gebetspraxis Jesu rührt – das verdeutlicht die Bitte der Jünger, die Jesus betend sahen, um Unterweisung (Lk 11,1) – auch die Gebetspraxis der Jünger her, da Jesus sie im Beten unterwies (Lk 11,1–13; 18,1–14). 79 Zu der Frage, inwieweit Lukas für dieses Gemeindegebet überliefertes Material aufgenommen hat, s. I.1.3.2.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
die Wahrnehmung der Bedrohung der Gemeinde80 sowie um die παρρησία zur Verkündigung des Gotteswortes (V.29) und um Wunder durch die Hand Gottes und den Namen Jesu (V.30). Die im Gebet genannte Bedrohung (V.29a) bezieht sich zurück auf die Ereignisse, die Anlass für das Gebet waren (vgl. V.23). Auffällig an dem Gebet ist, dass die von Petrus und Johannes erfahrene und der Gemeinde soeben berichtete Bedrohung durch den Hohen Rat zwar in das Gebet eingeschlossen, aber diese Bedrohung als Gottes Wille81 angenommen wird. Gott wird nicht – wie man erwarten könnte – um ein Vorgehen gegen die Feinde oder auch nur gegen das durch diese ergangene Verkündigungsverbot gebeten, sondern um die Möglichkeit, diesem Verbot zu widerstehen (Vv.29–30). Die von der Gemeinde erfahrene Bedrängnis wird im Gebet zudem als eine interpretiert, die sich nicht (nur) gegen die Gemeinde als solche, sondern letztlich gegen Gott und seinen Christus wendet (Vv.25–28)82, da sie in Analogie zu den Widerfahrnissen des Christus geschieht. Die Bedrohung der Gemeinde ist deshalb eine Fortsetzung des entsprechenden Vorgehens gegen Jesus. Dieser Zusammenhang bedeutet im Kontext des vom Hohen Rat ausgesprochenen Verkündigungsverbots: Ist die von Jesus aufgetragene und vom Heiligen Geist ermöglichte Evangeliumsverkündigung bedroht, ist damit letztlich das Heilsangebot Gottes selbst in Gefahr. Die Gemeinde bittet deshalb darum, trotz der Drohung weiterhin das Wort Gottes verkündigen zu können und den dazu nötigen Freimut (παρρησία) von Gott zu erhalten. Die in der Verkündigung bestehende Aufgabe der Gemeinde soll also weiterhin erfüllt werden, auch gegen Bedrohungen von außen und selbst bei bestehenden Verboten. Als dazu notwendige Unterstützung erbittet die Gemeinde von Gott die παρρησία. Dieser Begriff kommt aus dem politischen Bereich und bezeichnet in der griechischen Demokratie das Recht, in Freiheit öffentlich zu reden.83 In der Septuaginta kommt das Wort selten vor, geht aber – durch den alttestamentlichen Glauben beeinflusst – in mehrfacher Hinsicht über die griechische, aus dem politischen Bereich stammende Bedeutung hinaus.84 So wird die göttliche Weisheit selbst als diejenige beschrieben, die παρρησία hat (z.B. Prov 1,20f.). Außerdem wird die gegenüber Gott bestehende παρρησία thematisiert (z.B. Hi 22,27; 27,10), die nur der Gerechte hat und die sich im Gebet zeigt. Auch von der παρρησία Gottes selbst ist die Rede (z.B. Ps 93,1). Für den hier besprochenen Zusammenhang 80 Die Bezeichnung der Gemeinde als „deine Knechte“ (δούλοι σου) nimmt den Terminus aus der Deutung des Pfingstwunders in Apg 2,18 wieder auf, die Lukas mithilfe der redaktionellen Ergänzung des Joel-Zitats geschaffen hat. 81 Vgl. ebenso Jesu Gebet in Gethsemane (Lk 22,39–46). 82 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 360. 83 Vgl. dazu ausführlich SCHLIER, παρρησία, S. 869–872. Von hier aus hat der Begriff dann auch in den privaten Bereich und die Philosophie Eingang gefunden. 84 Vgl. dazu ausführlich ebd., S. 872–875.
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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ist besonders relevant, dass Gott in der Septuaginta als derjenige erscheint, der dem Volk παρρησία verleiht. Lukas verwendet den Begriff nur im Zusammenhang mit der durch die Gemeinde erfolgenden Verkündigung (als Substantiv wird der Begriff außerdem in Apg 2,29; 4,13; 28,31 verwendet, das verwandte Verb παρρησιάζοµαι findet sich in Apg 9,27f.; 13,46; 14,3; 18,26; 19,8; 26,26). Es geht ihm demnach zunächst um die Freiheit zum öffentlichen Reden, die an das oben genannte griechische, d.h. politische, Verständnis angelehnt ist. Hinzukommend wird in der vorliegenden Perikope durch die Angabe, dass die Gemeinde in Apg 4,29 παρρησία von Gott erbittet, der in der Septuaginta enthaltene Gedanke aufgenommen, dass diese παρρησία von Gott gegeben wird. An dieser Stelle bittet die Gemeinde Gott um παρρησία, um der ihr aufgetragenen Verkündigungstätigkeit auch gegen äußeren Widerstand nachkommen zu können (V.29). In diesem Kontext gewinnt der Begriff die Bedeutung der göttlichen Ermächtigung zum öffentlichen Reden, das auch gegen Widerstand von außen erfolgen kann. In dieser bedrohlichen Situation meint παρρησία dann außerdem den nötigen Mut, sich dem Widerstand zu stellen und ihn zu überwinden. Dass παρρησία in dieser Bedeutung für Lukas insgesamt ein sehr wichtiges Charakteristikum der Zeugen der Evangeliumsbotschaft ist, zeigt sich daran, dass sowohl Substantiv als auch Verb in der Apostelgeschichte immer wieder das mutige Verkündigen der Jesusanhänger beschreiben. Entsprechende Aussagen finden sich bis zum Schluss der Apostelgeschichte: Hier kann Paulus sogar in der Welthauptstadt Rom freimütig verkündigen (Apg 28,31), wodurch die Durchsetzung des geistgewirkten Evangeliumszeugnisses bis in das damalige Zentrum der Welt angezeigt wird. Den Abschluss der Perikope Apg 4,23–31 bildet der Hinweis in V.31, dass die im Gebet der Gemeinde geäußerte Bitte unverzüglich beantwortet wird. Die Antwort erfolgt in der Form, dass alle Versammelten mit dem Heiligen Geist erfüllt werden (V.31b). Diese Geistmitteilung wird durch das Phänomen begleitet, dass am Versammlungsort die Erde bebt (V.31a). Sowohl alttestamentlich als auch hellenistisch kann ein Erdbeben Element einer Theophanie sein (vgl. z.B. einerseits Ex 19,18; Mi 1,4; Am 9,5; Ps 18,7f., andererseits Ov. Met. XV,665–674; IX,782–784; Verg. Aen. III,88–91). Wie schon in Apg 2,2–3 betont Lukas auch an dieser Stelle unter der Verwendung von Theophanie-Elementen, dass es sich bei dem Heiligen Geist um etwas handelt, das von Gott kommt. Gleichzeitig zeigen die genannten Stellen aus Ovids Metamorphosen und Vergils Aeneis, dass das Erdbeben ein hellenistisches Motiv der Gebetserhörung ist.85 Damit wird deutlich, dass es sich bei der Geistherabkunft um die Antwort auf das zuvor erfolgte Gebet und speziell
85
Vgl. die Schilderung eines Erdbebens als Ausdruck der Gebetserhörung im lukanischen Doppelwerk auch Apg 16,26.
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auf die Bitte um Freimut handelt.86 Wird die Bitte der Gemeinde um παρρησία zur weiteren Ermöglichung der Verkündigung mit der Verleihung des Heiligen Geistes beantwortet, so bedeutet dies, dass der Heilige Geist nach Lukas die παρρησία zum Verkündigen auch in bedrohlichen Situationen schenkt. Gott gibt die erbetene παρρησία nicht direkt, sondern diese ist nur eine (Kraft-)Wirkung des Heiligen Geistes. „Freimut ist eine Bekundung der Kraft des Heiligen Geistes“.87 Der Geist ermächtigt und ermutigt die Zeugen Jesu, auch gegen Widerstand ihrem Auftrag zur Verkündigung nachzukommen, er gibt Kraft und Mut dazu. Die Apg 4,23–31 vorausgehenden Ereignisse setzen die seit Pfingsten88 mögliche geistgewirkte Zeugenschaft voraus.89 Mit der Ermutigung und Stärkung zur Verkündigung steht in dieser Episode aber ein neuer Aspekt der Ermöglichung der Verkündigung durch den Geist im Vordergrund, der über die bloße, zuvor in Apg 2,1–21 thematisierte Befähigung und Beauftragung zur Verkündigung hinausgeht. Die in Apg 4,31 geschilderte nochmalige Geistesgabe an die versammelte Gemeinde hat vielmehr die Funktion, zu betonen, dass die Begabung mit dem Heiligen Geist in besonderen Situationen für die Gemeinde bekräftigt und neu geschenkt werden muss90, so dass „sich Pfingsten aktualisiert“91. In Apg 4,31 wird somit der schon bestehende Missionsauftrag der Jesusanhänger noch einmal bekräftigt. Diese nochmalige Geistverleihung zur Bestärkung zeigt letztlich, dass es sich bei dem Geist um eine unverfügbare göttliche Gabe handelt. Dass die Wirkung des Heiligen Geistes sich unmittelbar zeigt, macht Lukas mit der die Perikope abschließenden Notiz, dass alle Versammelten mit Freimut das Wort Gottes verkündigen, klar (V.31c). Dabei steht das die Ver86 Da der Heilige Geist an dieser Stelle sowohl als Antwort auf ein Gebet als auch zur Unterstützung in bedrohter Situation verliehen wird, erfüllen sich in Apg 4,31 gleich die beiden einzigen Geist-Verheißungen Jesu, die dieser seinen Jüngern für spezielle Ereignisse gegeben hat (s. I.2.2.2). Die Gemeinde hat hier nach Lukas mit Recht auf diese Zusagen Jesu vertraut. 87 ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 123. 88 Die Tatsache, dass der Heilige Geist nach der bereits erfolgten pfingstlichen Geistausgießung erneut der Gemeinde Jesu geschenkt wird, hat dazu geführt, dass hinter Apg 4,23–31 der ursprüngliche Bericht des Pfingstereignisses vermutet wurde, weil die Darstellung in Apg 2 als störend empfunden wurde. „[Das], was hier geschehen ist, ist das wirkliche geschichtliche ,Pfingsten‘“ (HARNACK, Apostelgeschichte, S. 146). Wie die Ausführungen zu Apg 2,1–13 gezeigt haben, wird hier in der Abfolge der von Lukas dargestellten Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde jedoch von der für die Gemeinde initiatorischen Geistausgießung berichtet, die die Voraussetzungen der Zeugenschaft der Jesusanhänger schafft. 89 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 170. 90 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 87; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 134. 91 CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 44; vgl. auch MUSSNER, Apostelgeschichte, S. 34; ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 123.
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kündigung bezeichnende Prädikat ἐλάλουν im Imperfekt, wodurch angezeigt wird, dass es sich bei dieser mithilfe des Geistes ermöglichten freimütigen Verkündigung um keine einmalige Begebenheit handelt, sondern dass sich die Verkündigung durch die ,Ausrüstung‘ mit dem Geist ständig wiederholen kann. Von der weiterhin stattfindenden Verkündigung berichtet gleich im Anschluss das Summarium in Apg 4,33.92 3.1.3 Einzelfälle geistgewirkter Zeugenschaft (Apg 4,8; 5,32; 6,10; 9,31; 18,25) Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Heilige Geist nach lukanischer Darstellung auf verschiedene Weise der gesamten Gemeinde die Evangeliumsverkündigung ermöglichte. In der Apostelgeschichte gibt es vereinzelt weitere Stellen, die diesen Zusammenhang, nunmehr anhand einzelner Zeugen Jesu, verdeutlichen.93 So wird von Petrus berichtet, dass er voll des Heiligen Geistes (Apg 4,8) dem Hohen Rat beim Verhör Rechenschaft ablegte und das Evangelium von Jesus Christus verkündigte (Apg 4,8–12). Dabei beeindruckte und verwunderte er seine Zuhörer durch seine παρρησία, weil er ihnen als ungelehrte und einfache Person (ἄνθρωπος ἀγράµµατος καὶ ἰδιώτης) bekannt war (Apg 4,13). Der Geist bestimmt ebenfalls maßgebend das Streitgespräch, welches Stephanus direkt vor seiner Steinigung mit Mitgliedern der DiasporaSynagogen in Jerusalem führte: Seiner durch den Geist bewirkten Weisheit94, in der er redete, vermochten die Zuhörer nichts entgegenzusetzen (Apg 6,10).95 Auch von Apollos, der in Ephesus predigte, weiß Lukas zu berichten, dass er brennend im Geist redete (Apg 18,25). 92
An dieser Stelle wird die Wirkung des den Aposteln zur Verkündigung gegebenen Geistes als δύναµις bezeichnet. Zur ermächtigenden Wirkweise des Geistes s. II.1.1.5. 93 Es finden sich im Sinne dieses von Lukas verdeutlichten Zusammenhangs sogar einige sekundäre Erwähnungen des Heiligen Geistes: In Apg 15,7 ist in einigen wenigen Textzeugen ἐν πνεύµατι eingetragen. Nach dieser Lesart hält Petrus seine Predigt bei der Versammlung in Jerusalem im Geist; diese ist folglich durch den Geist in besonderer Weise ermöglicht. Auch in Apg 18,5 weisen einige Textzeugen statt dem wahrscheinlich ursprünglichen τῷ λόγῳ das hier interessante τῷ πνεύµατι auf. Paulus gab sich laut dieser Textvariante nicht dem Wort hin, sondern dem Geist. Er tat dies, indem er sich der Verkündigung widmete und damit das vom Geist Ermöglichte ausführte. 94 Zum Zusammenhang von Geist und Weisheit bei Stephanus als einem der Sieben s. I.3.4.2. Dabei bezieht sich die Weisheit in Apg 6,3 auf die Fähigkeit zur Wahrnehmung des Armenpfleger-Amtes, während sich die Weisheit des Stephanus in Apg 6,10 in seiner Redefähigkeit äußert. 95 Bereits in Apg 6,8 wurde dargestellt, dass Stephanus durch seine voll Gnade und Kraft (πλήρης χάριτος καὶ δυνάµεως) durchgeführte Wundertätigkeit das Volk beeindruckte. Weil dieser Hinweis auf Gnade und Kraft den Hinweisen auf die Geistbegabung
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Petrus, Stephanus und Apollos werden von Lukas allesamt als Zeugen Jesu dargestellt, die durch den Heiligen Geist der Aufgabe der Verkündigung nachkommen können, ob sie nun einfach zur Verkündigung befähigt sind wie Apollos oder wie Petrus und Stephanus in Situationen der Bedrängnis und des äußeren Widerstands vom Geist zu ihrer Zeugenschaft ermutigt und gestärkt werden. Es ist dieser Kontext, in dem auch Apg 5,32 zu verstehen ist: Petrus und die anderen Apostel stellen sich selbst gegenüber dem Hohen Rat (Apg 5,27) als Zeugen des mit Jesus gegebenen Heilsgeschehens (Apg 5,30f.) dar und ergänzen diese Aussage um den Hinweis, dass auch der Heilige Geist, der ihnen von Gott aufgrund ihres Gehorsams gegeben wurde, Zeuge des Evangeliums ist. Dies bedeutet, dass die Apostel den Heiligen Geist, der ihnen die Verkündigung ermöglicht, als ,Mitzeugen‘ für das Evangelium ansehen können. In demselben Sinn ist die Aussage in Apg 9,31 zu verstehen, dass sich die im Frieden befindende, sich auferbauende und in der Furcht des Herrn lebende Gemeinde in ganz Judäa, Galiläa und Samaria unter dem Zuspruch (παράκλησις) des Heiligen Geistes vermehrte. Der Heilige Geist hat durch die Tatsache, dass er die Verkündigung ermöglichte, zur Vermehrung der Gemeinde beigetragen und insbesondere auch gegen äußere Bedrohungen für Frieden gesorgt.96 Ergebnis Im Vorangehenden wurde gezeigt, dass der Heilige Geist innerhalb der Gemeinde Jesu die Verkündigung des Evangeliums in mehrfacher Hinsicht ermöglicht. Dabei ist deutlich geworden, dass es ohne den Geist nicht zur Evangeliumsverkündigung gekommen wäre. In Apg 2,1–13 kennzeichnet Lukas die an Pfingsten erfolgte initiatorische Geistausgießung an die Gemeinde als ein heilsgeschichtlich bedeutendes Ereignis, insofern sich mit ihm die Verheißung Jesu an die Seinen erfüllt und damit die Epoche der christlichen Gemeinde beginnen kann. Die erste Geistesgabe setzt nach lukanischer Darstellung die vollständige Anwesenheit der Gemeinschaft der Anhänger Jesu voraus. Dies verdeutlicht, dass es im Folgenden um die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Gemeinde Jesu als des Stephanus in Apg 6,5(.10) ähnelt, ist davon auszugehen, dass mit dem Begriff δύναµις an dieser Stelle der Geist bezeichnet wird. Damit ist auch die Wundertätigkeit des Stephanus auf den Geist zurückgeführt. Zum synonymen Gebrauch von πνεῦµα und δύναµις s. II.1.2.1. 96 Die παράκλησις τοῦ ἁγίου πνεύµατος meint an dieser Stelle jedoch zweierlei: Zum einen die in diesem Zusammenhang relevante Funktion des Geistes, die in der Ermutigung und Stärkung zur Evangeliumsverkündigung gegen äußere Bedrohung besteht, zum anderen die in I.3.3.5 beschriebene Rolle des Heiligen Geistes bei der Vermehrung der christlichen Gemeinde durch die Aufnahme neuer Glieder.
3.1 Die Ermöglichung der Evangeliumsverkündigung
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Ganze geht. Die lukanische Schilderung betont außerdem, dass diese Geistesgabe nicht nur einer Auswahl, sondern jedem Mitglied der Gemeinde Jesu gilt. Auch damit zeigt Lukas auf, dass der Geist in der gesamten christlichen Gemeinde wirkend und waltend ist. Der Geist gehört damit konstitutionell sowohl zur christlichen Gemeinde in ihrer Gesamtheit als auch zu jedem einzelnen ihrer Glieder. Hinsichtlich des Kommens des Geistes verdeutlicht Lukas mithilfe des Hinweises „vom Himmel“, dass der Heilige Geist von Gottvater und dem zu seiner Rechten sitzenden Jesus herkommt. Die die Geisterfüllung der versammelten Gemeinde begleitenden Theophanien des Windes und der Feuerzungen machen darüber hinaus offenbar, dass der Gemeinde durch den Geist die Gegenwart Gottvaters und des erhöhten Jesus gegeben ist. Bedeutend ist vor allem die von Lukas dargestellte Wirkung der Geisterfüllung auf die Jesusanhänger, die die Ausrüstung zum Zeugnis für das Evangelium betrifft: Er befähigt sie – deutlich als Wunder dargestellt – zum Reden in fremden, ihnen bisher nicht bekannten Sprachen, wodurch die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus an die fremdsprachigen Anwesenden ermöglicht wird. Diese Verkündigung der geistbegabten Jünger beginnt in Jerusalem und erfolgt zunächst ausschließlich an Juden. Darüber hinaus schließt die durch den Geist bewirkte Fähigkeit, in fremden Sprachen das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen, bereits die Möglichkeit ein, die Botschaft an die ganze Welt auf verständliche Weise zu verkündigen, auch wenn die Heidenmission am pfingstlichen Beginn ausdrücklich (noch) nicht Thema ist. Dies ist der Grund dafür, dass die Hauptfunktion des Heiligen Geistes im lukanischen Pfingstbericht mit der Ermöglichung der Verkündigung des Evangeliums, speziell mit der diesbezüglichen Befähigung der Verkündigungsträger, angegeben werden muss. Diese Befähigung bedeutet Initiation der Zeugenschaft für Jesus Christus, auf die die Ausbreitung sowohl der Evangeliumsbotschaft als auch die der christlichen Gemeinde folgt. Daran wird klar, dass es sich bei der ersten Geistesgabe an die Gemeinde um ein Anfangsereignis handelt, das für die weitere Geschichte der Gemeinde bestimmend bleibt. Direkt anschließend an den lukanischen Pfingstbericht folgt in Apg 2,14– 21, dem ersten Teil der ersten durch den Geist bewirkten Predigt des Petrus, die Deutung dieser Ereignisse mithilfe der alttestamentlichen Verheißung der endzeitlichen Geistausgießung aus Jo 3,1–5a. Entscheidend für das lukanische Verständnis der Wirkung des Heiligen Geistes ist der Vers Apg 2,18, der Jo 3,2 aufnimmt: Die durch den Geist zu Zeugen des Evangeliums gewordenen Jesusanhänger werden hier zu Propheten und ihre Verkündigung zu prophetischer Rede. Lukas stellt durch diese Deutung dar, dass die Jesusanhänger mittels der Gabe des Geistes zur Evangeliumsverkündigung beauftragt sind, so wie Propheten sich durch den Auftrag zum Verkündigen einer göttli-
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chen Botschaft auszeichnen. Außerdem wird die mit der Geistausgießung an Pfingsten beginnende Zeit der christlichen Gemeinde einschließlich der sie prägenden Verkündigung durch das Joel-Zitat heilsgeschichtlich als Erfüllungszeit gekennzeichnet, wobei das Heil allen auf der ganzen Welt zugesagt wird, die sich an die Botschaft der zum Zeugnis beauftragten Jesusanhänger halten. Ein weiterer entscheidender Aspekt in Bezug auf die Ermöglichung der Verkündigung durch den Geist wird in Apg 4,23–31 thematisiert: Als die Evangeliumsverkündigung durch ein vom Hohen Rat ausgesprochenes Verkündigungsverbot bedroht ist, bittet die Gemeinde Gott im Gebet darum, die zum Widerstand nötige bestärkende Kraft und den Mut in Form von παρρησία zu erhalten, um die Verkündigung trotz der Bedrohung nicht erlöschen zu lassen. Das Gebet wird – was durch das begleitende Erdbeben deutlich wird – von Gott beantwortet, indem er für die versammelte Gemeinde durch die bekräftigende Verleihung des Heiligen Geistes Voraussetzungen zum freimütigen Verkündigen schafft. An dieser Stelle hat der Heilige Geist vor allem eine ermutigende und stärkende Funktion. Ist die vollständige Anwesenheit der Gemeinschaft der Jesusanhänger zunächst die Voraussetzung der ersten Geistausgießung und auch die Verleihung des Geistes zum Widerstand gegen Verkündigungsverbote eine Kollektiverfahrung, so demonstriert Lukas die Funktion des Heiligen Geistes bei der Ermöglichung der Verkündigung auch anhand von einzelnen Zeugen wie Petrus, Stephanus und Apollos. Ohne die Gabe des Geistes wäre nach lukanischer Ansicht demnach eine Verkündigung des Evangeliums in mehrfacher Hinsicht nicht möglich gewesen. Denn der Heilige Geist bewirkt zunächst die Grundlagen der Verkündigung: Er befähigt und beauftragt die Anhänger Jesu zur Zeugenschaft für die Evangeliumsbotschaft. Doch auch in besonderen Situationen – wie der Bedrohung von außen – spielt der Geist nach Lukas die entscheidende Rolle: Er schenkt Widerstandskraft und Mut, trotz ergangener Verbote das Evangelium zu verkündigen. Der Heilige Geist hat nach Lukas demnach insgesamt eine transformierende Wirkung auf die Jesusanhänger: Er macht aus einfachen und ungebildeten Leuten (ἄνθρωποι ἀγράµµατοι καὶ ἰδιῶται) Propheten und mit παρρησία auftretende Verkündiger. Für die christliche Gemeinde ist der Heilige Geist nach lukanischer Darstellung damit die notwendige Voraussetzung, ohne die sich die Botschaft von Jesus Christus nicht ausgebreitet hätte und ohne die folglich die christliche Gemeinde in ihrer Gesamtheit nicht entstanden wäre. Deshalb kann Lukas im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte zeigen: Diese durch den Geist ermöglichte Verkündigungstätigkeit der Gemeinde bricht niemals ab, weder durch immer wiederkehrende an die Evangeliumszeugen gerichtete Verbote noch durch Bedrohungen oder Verfolgungen der Verkündenden (z.B. Apg 5,20f.28.42; 6,7; 8,4; 28,31).
3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
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3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission 3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
Nach Apg 2,1–13 war die erste durch die Geistausgießung ermöglichte Verkündigung in Jerusalem lokalisiert und bei den ersten Adressaten der Botschaft des Evangeliums handelte es sich um (aus der gesamten Welt stammende) Juden. Von diesem Beginn ausgehend entwickelt sich die Missionstätigkeit der Jesusanhänger jedoch weiter, weshalb die Frage nach weiteren konkreten Adressaten der Evangeliumsbotschaft bzw. anderen Lokalisierungen der Mission entsteht. Auch für diese Ausrichtung und Ausbreitung der durch die Gemeinde erfolgenden Mission spielt der Heilige Geist nach Lukas eine zentrale Rolle. Entsprechende Ausführungen bieten die Belege in Apg 8,29.39; 10,19; 11,12; 15,28; 16,6f.; 19,21; 20,22, die daher im Folgenden nach ihrer in der Apostelgeschichte gegebenen und damit die Entwicklung nachzeichnenden Reihenfolge analysiert werden. 3.2.1 Die beginnende Öffnung zur Heidenmission (Apg 8,29.39) Die erste relevante Perikope für die Frage, wie der Heilige Geist die Ausrichtung der durch die Gemeinde erfolgenden Missionstätigkeit lenkt, ist diejenige von der Mission des Philippus am Kämmerer aus Äthiopien (Apg 8,26– 40). Diese Erzählung steht in der Apostelgeschichte im Kontext der Zeugenschaft der Jesusanhänger in Judäa und Samaria (Apg 8,4–11,18).97 Der betreffende Abschnitt beginnt mit der summarischen Notiz in Apg 8,4, wo berichtet wird, dass die Verkündigung des Evangeliums in Judäa und Samaria einsetzte, als die Jerusalemer Gemeinde mit Ausnahme der Apostel in dieses Gebiet zerstreut worden war (vgl. Apg 8,1b). Laut dieser lukanischen Darstellung ergab sich die erste Erweiterung des Gebietes der Mission der Jesusanhänger über Jerusalem hinaus nach Judäa und Samaria aufgrund der Tatsache, dass die Jerusalemer Gemeinde verfolgt und zerstreut wurde98 und nur die Apostel in Jerusalem verblieben.99 Was an Pfingsten in Jerusalem durch die Ausgie97
Wie man Apg 1,8 entnehmen kann, bildet die – an die Verkündigungstätigkeit in Jerusalem anschließende – Mission in Judäa und Samaria den zweiten Abschnitt in der von Lukas dargestellten Missionsgeschichte. 98 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 272. 99 Es ist historisch wahrscheinlich, dass die genannte Verfolgung nicht die gesamte Gemeinde Jesu in Jerusalem betraf, sondern lediglich die hellenistische Gruppe bzw. Gemeinde, der das Siebenerkollegium vorstand. Diese zerstreuten Hellenisten begannen historisch daraufhin mit der Gebietserweiterung der Mission in Judäa und Samaria. Da der auctor ad Theophilum in seiner Darstellung bemüht ist, Auseinandersetzungen in der Jerusalemer Urgemeinde zu verharmlosen, fehlt bei ihm ein expliziter Hinweis auf die Existenz zweier selbstständiger christlicher Gemeinden in Jerusalem. Nur in Apg 6,1 weist er mit der Nennung von Ἑλληνισταί und Ἑβραῖοι („Hellenisten“ und „Hebräern“) auf zwei Gruppen in der Jerusalemer Urgemeinde hin. Durch die Erzählung von der Wahl der – eigentlich das Leitungsgremium der hellenistischen Gemeinde darstellenden – Sieben als
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ßung des Geistes, der die Verkündigung ermöglichte, begonnen hatte, zieht nun zwar gebietsmäßig weitere Kreise, dennoch bleiben die Adressaten der Verkündigung zunächst dezidiert Juden100, so wie es an Pfingsten begonnen hatte und angelegt war. Ab Apg 8,5 tritt Philippus, der in Apg 6,5 zum Mitglied der sieben Armenpfleger auserwählt worden war, als der erste Hauptakteur dieser in Judäa und Samaria durchgeführten Verkündigungstätigkeit auf. Seine Begegnung mit dem Kämmerer aus Äthiopien, die sich auf dem Weg von Jerusalem nach Gaza zuträgt, fügt sich in diese Missionstätigkeit des Philippus ein. Sie folgt auf die Erzählung von der Evangeliumsverkündigung des Philippus in Samaria samt der Begegnung mit dem Zauberer Simon (Apg 8,4–25).101 Den Kern dieser Perikope von Philippus und dem Kämmerer bildet die Verkündigung des Wirkens und der Botschaft Jesu durch Philippus an den Äthiopier, welche im Zusammenhang mit der von diesem erfragten Bedeutung des Jesaja-Zitats erfolgte (Vv.30b–35), zusammen mit der anschließenden spontanen Taufe des Kämmerers (Vv.36–38). Umschlossen wird dieser Kern von einem Rahmen, in dem davon berichtet wird, auf welche Weise die Wege von Philippus und dem Kämmerer sich treffen und sich anschließend nach erfolgter Verkündigung und Taufe wieder trennen (Vv.26–30a.39–40). Der Geist spielt sowohl für das Zusammentreffen der beiden Akteure als auch für deren anschließende Trennung eine entscheidende Rolle. Im vorderen Teil des Rahmens der Erzählung (Vv.26–30a) berichtet Lukas, wie Philippus in mehreren Schritten veranlasst wird, sich dem Äthiopier zuzuwenden und ihm das Evangelium zu verkündigen. Die Perikope wird eingeleitet mit dem Befehl eines Engels des Herrn (ἄγγελος κυρίου) an Philippus, sich auf die öde Straße zu begeben, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt (V.26). Diese Anweisung des Engels wird von Philippus sofort genauestens befolgt, Armenpfleger und ihre Unterstellung unter die Autorität der Apostel sucht Lukas die Einheit der Gemeinde in Jerusalem zu wahren. S. dazu I.3.4.2. Dass mit den nach Apg 8,1.4 Zerstreuten lediglich die Hellenisten im Blick sind und entgegen der Darstellung des Lukas nicht nur die Apostel, sondern die gesamte Gemeinde der Hebräer in Jerusalem verblieb, wird durch mehrere Beobachtungen bestätigt: Nach Apg 9,26–28 gibt es neben den Aposteln auch weitere Jesusanhänger (u.a. Barnabas) in Jerusalem. Bei der im Folgenden geschilderten Mission kommt Philippus die Hauptrolle zu, der nach Apg 6,5 aus dem Kollegium der Sieben stammt, das nach Lukas eigentlich nicht zur Mission, sondern zur Armenpflege eingesetzt worden war. Ein weiteres Indiz bildet der Hinweis in Apg 11,19, dass die Zerstreuten ihre Niederlassung in Antiochia finden, wo historisch die hellenistische Gemeinde nach ihrer Vertreibung aus Jerusalem ihren Ort hatte. Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 272; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 129; HENGEL, Hellenisten, S. 176. 100 Vgl. auch Apg 11,19, das sich auf Apg 8,1–4 zurück bezieht. Zu der von Lukas dargestellten gleichwertigen Stellung der Samaritaner als Juden hinsichtlich der Frage der mitgebrachten Voraussetzungen für die Aufnahme in die christliche Gemeinde als Gottesvolk s. I.3.3.2. 101 S. dazu I.3.3.2.
3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
167
ohne dass er zögert oder nach dem Zweck des Auftrags fragt (V.27a). Dies wird von Lukas dadurch verdeutlicht, dass das Handeln des Philippus mit Hilfe der Aufnahme der beiden Verben ausgedrückt wird, mit denen die Aufforderung des Engels formuliert war (V.27a), also durch „die Korrespondenz in der Formulierung von Auftrag und Ausführung“102. In den Vv.27b–28 schwenkt die Perspektive unvermittelt auf eine andere Szene: Ein äthiopischer königlicher Beamter und Verwalter des Schatzes (Kämmerer), der ausdrücklich als Kastrat (εὐνοῦχος) gekennzeichnet wird, befindet sich auf seinem Rückweg von Jerusalem, wohin er eine Wallfahrt unternommen hatte. Er sitzt auf seinem Wagen und liest in dem Buch des Propheten Jesaja (Jes 53,7f.). Gleichermaßen unvermittelt schwenkt die Perspektive wieder zurück zu Philippus: Lukas berichtet von einem zweiten Befehl an diesen, diesmal jedoch nicht von einem Engel, sondern von dem Geist (πνεῦµα). Philippus soll gehen und sich zu dem Wagen des Kämmerers halten (V.29). Das Verhalten des Philippus gegenüber dem Geist entspricht demjenigen gegenüber dem Engel. Wiederum gehorcht Philippus ohne Umschweife und begibt sich zu dem auf seinem Wagen fahrenden Kämmerer (V.30a). Damit sind die Wege des Philippus und des Kämmerers, der beiden Akteure dieser Erzählung, zusammengeführt und es folgt der schon erwähnte Kern der Perikope mit der Evangeliumsverkündigung des Philippus an den Kämmerer und dessen anschließender Taufe (Vv.30b–38).103 Im hinteren Teil des Rahmens der Erzählung (Vv.39–40) berichtet Lukas schließlich davon, wie sich die Wege von Philippus und dem Äthiopier nach der erfolgten Taufe wieder trennen. Als beide aus dem Wasser, das der Taufe diente (vgl. Vv.36.38), hinaufgestiegen waren, wird Philippus vom Geist des Herrn (πνεῦµα κυρίου) fortgerissen, d.h. er wird „leiblich-real an einen anderen Ort“104 entrückt105, so dass der Kämmerer ihn nicht mehr sehen kann und seinen Weg fröhlich fortsetzt (V.39). Wie der Geist Philippus zum Kämmerer gelenkt hat, so hat er die beiden auch wieder auseinander gebracht.106
102
PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 290. Die Formulierung mit Imperativ von ἀνίστηµι und einem weiteren Imperativ eines Verbes des Gehens samt der daran anschließenden Schilderung der Befolgung mit denselben Verben ist ein typischer Ausdruck der Septuaginta, der das hebräische ~wq mit weiterem Imperativ und anschließender Befolgung übersetzt (Gen 35,1–3; 43,13–15; 1. Kön 17,8–10; 19,5–6; Ez 3,22–23). Vgl. dazu auch VAN UNNIK, Befehl, S. 337f. 103 V.37 ist ein späterer Zusatz, der in einigen Textzeugen zu finden ist. Hier wurden ein vor der Taufe stattfindendes Taufgespräch sowie ein Taufbekenntnis eingetragen. 104 ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 142. 105 Bei dieser durch den Geist bewirkten Entrückung handelt es sich um ein prophetisches Element. S: dazu II.1.1.3; II.3.1.1. 106 Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 366.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Bei dieser Schilderung des Lukas ist auffällig, dass der Geist Philippus sofort und unmittelbar nach der erfolgten Taufe des Kämmerers fortreißt. Täufer und Täufling sind gerade noch aus dem Taufwasser emporgestiegen (V.39a). Durch die Notiz über die Freude des Kämmerers107 nach dieser abrupten Entrückung des Philippus wird jedoch deutlich, dass der Geist die Missionstätigkeit des Philippus nicht etwa unterbrochen hat, sondern dass die Aufgabe des Missionars mit der Taufe des Kämmerers erfolgreich abgeschlossen war. Diese lukanische Darstellung veranschaulicht, dass der Heilige Geist die beiden Akteure nicht aus einem beliebigen Grund, sondern „für einen entscheidenden Augenblick zusammengeführt [hat]“108. Der alleinige Zweck dessen, dass der Geist in die Tätigkeit des Philippus lenkend eingegriffen hat, war dessen auf die geschilderte Weise erfolgte Mission des Äthiopiers. Die Relevanz dieser lukanischen Beschreibung des Geistes als Lenker der Mission kann erschlossen werden, wenn berücksichtigt wird, welche neue Ausrichtung die missionarische Tätigkeit der Gemeinde mit der Evangeliumsverkündigung und Taufe des Äthiopiers durch die Anweisung des Geistes erhält. Der Kämmerer wird in den Vv.27–28 als mächtiger Mann am Hofe der äthiopischen Königin beschrieben. Dass er eine Wallfahrt nach Jerusalem unternimmt, bedeutet, dass er sich dem Judentum nahe verbunden fühlt. Der Kämmerer liest außerdem auf dem Weg zurück in sein Heimatland das Buch des Propheten Jesaja. Auch dieses Studium der Heiligen Schriften des Judentums deutet auf sein Interesse am jüdischen Glauben hin. Über seinen genauen Status erfährt der Leser allerdings nichts Definitives.109 Man kann jedoch aufgrund dieser vorhandenen Angaben über den Kastratenstatus und sein Interesse am Judentum annehmen110, dass es sich um einen Gottesfürchtigen handelte.111 Die sogenannten Gottesfürchtigen bildeten „[einen] freien Inte107
Als Grund dafür darf angenommen werden, dass der Äthiopier in dem ihm verkündigten und von ihm in der Taufe angenommenen Jesus sein Heil gefunden hat. Vgl. ähnlich Lk 19,6.9–10. 108 ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 142. 109 Der Grund für diese unkonkrete Darstellungsweise ist darin zu suchen, dass Lukas den entscheidenden Schritt zur Heidenmission dem Apostelvorsteher Petrus und nicht dem Philippus zuerkennt (Apg 10,1–11,18). S. dazu I.3.2.2. Vgl. auch HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 304f.; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 209.212. 110 Im Unterschied dazu reichen für Lindemann diese Hinweise nicht aus, um den Äthiopier als Gottesfürchtigen einzuordnen. Er versteht ihn als ersten einzelnen ,reinen‘ Heiden, der durch die Jesusanhänger missioniert wurde. Vgl. LINDEMANN, Eunuch, S. 127.131–133. 111 Vgl. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 63; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 140; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 498; TANNEHILL, Unity 2, S. 109f; SPENCER, Philip, S. 173. Anders sieht z.B. Fitzmyer ihn als Proselyten, also zum Judentum Konvertierten, weil die Heidenmission nach lukanischer Darstellung erst durch Petrus in Apg 10 einsetzt. Vgl. FITZMYER, Acts, S. 410. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob die Bezeich-
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ressenkreis um die jüdischen Gemeinden“112. Sie verehrten den jüdischen Gott und hielten gewisse Teile des Gesetzes ein, waren jedoch nicht beschnitten und gehörten damit nicht dem Judentum an.113 Da das Evangelium in der bisherigen Darstellung der Apostelgeschichte ausschließlich an Juden verkündigt worden war, ist dieser Äthiopier demnach der – gleichwohl als Gottesfürchtiger in enger Verbindung zum Judentum stehende – erste Nichtjude, dem das Evangelium von Jesus Christus verkündet und der getauft wird. Die Mission der Jesusanhänger erfährt damit auf Anweisung des Geistes eine Erweiterung des Adressatenkreises, die sich zunächst freilich auf einen Einzelnen beschränkt. Außerdem bleibt die für die Zugehörigkeit des Äthiopiers zum Gottesvolk entscheidende Geistverleihung an dieser Stelle aus, so dass dieser als noch nicht vollständig der Heilsgemeinschaft zugeeignet anzusehen ist. Dies hat – wie die Ausführungen zu I.3.3.2 zeigen werden – mit der in Bezug darauf mangelnden Autorität des Philippus zu tun, der in seiner Mission ohne apostolischen Auftrag handelt und daher Kontinuität und Einheit der als Gottesvolk anzusehenden christlichen Gemeinde nicht wahren kann. Der ausbleibende Geistempfang zeigt hier aber auch an, dass der Übergang zur Heidenmission noch nicht endgültig vollzogen ist. „[Mit] der Bekehrung des Äthiopiers schon in den Blick gerückt“114 ist die Heidenmission aber in jedem Fall. Der Weg für Evangeliumsverkündigung und Taufe von Nichtjuden ist nach lukanischer Darstellung dabei dadurch geebnet worden, dass der Geist den Missionar Philippus zu dieser Mission hingelenkt hat.115 Durch diese lenkende Intervention des Geisnung des Äthiopiers als εὐνοῦχος diesen lediglich als hohen Beamten oder auch als Kastraten kennzeichnet. Als Kastrat könnte er kein Jude oder Proselyt sein (Dtn 23,2). Jervell argumentiert dafür, dass der Äthiopier von Lukas als Proselyt gekennzeichnet wurde, indem er die Bezeichnung εὐνοῦχος durch die Hinzufügung von δυνάστης als bloße Bezeichnung seines Beamtenstatus ausweist, womit der Äthiopier kein Kastrat war und so Proselyt sein konnte. Den Grund für diese lukanische Umgestaltung der Philippus-Legende sieht Jervell darin, dass eine Erzählung der Proselyten-Bekehrung in der Apostelgeschichte ansonsten gefehlt hätte und Lukas durch die Umgestaltung die Zugehörigkeit von Proselyten zur Gemeinde unterstreichen will. Vgl. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 271.273. Gegen diese Argumentation Jervells ist zunächst einzuwenden, dass der Kastratenstatus des Äthiopiers durch die Bezeichnung als δυνάστης nicht aus-, sondern eingeschlossen wird (Vgl. z.B. PETZKE, εὐνοῦχος, Sp. 204; MATTHEWS, Philip, S. 79, Anm. 24). Der entscheidende Einwand gegen Jervells Argumentation aber ist die von Lukas dargestellte Ausbreitung der Mission selbst, nach der die Proselyten explizit schon im Pfingstereignis als Adressaten der Evangeliumsverkündigung mitgenannt sind (Apg 2,11; s. auch I.3.1.1), so dass es keines weiteren expliziten Schrittes der Mission in diese Richtung bedurfte. 112 SIEGERT, Gottesfürchtige, S. 109. 113 Vgl. LAKE, Proselytes and God-Fearers, S. 88. Die ersten Heiden, die historisch zum christlichen Glauben bekehrt wurden, kamen aus diesem Kreis der Gottesfürchtigen. 114 PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 295. 115 Vgl. ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 204; SHEPHERD, Holy Spirit, S. 186.
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tes kann diese Mission als göttlich legitimiert gelten. Ohne den Eingriff des Geistes und die damit verbundene göttliche Autorisierung hätte Philippus den Kämmerer nicht in der Evangeliumsbotschaft unterwiesen und ihn getauft, wäre also die Öffnung der Mission hin zu den Heiden nicht zustande gekommen. Dass der Geist in dieser Perikope von Lukas als die gesamte Mission des Philippus Lenkender dargestellt ist, zeigt sich auch an dem Abschlusssummarium116 in V.40: Durch die Entrückung bringt der Geist Philippus an einen anderen Ort, nämlich nach Aschdod, wo dieser umherziehend das Evangelium in allen Städten verkündet, bis er nach Caesarea117 kommt. Da Philippus seine missionarische Aufgabe hinsichtlich des äthiopischen Kämmerers erfüllt hatte, war es nicht nötig, dass er länger bei diesem verblieb, sondern er konnte vom Geist anderswo zur Evangeliumsverkündigung eingesetzt werden. Durch die Formulierung Philippus „fand sich“ (εὑρέθη) (V.40) kommt klar zum Ausdruck, dass dieser selbst keinen Einfluss darauf hat, wo er seine Missionstätigkeit nach der Begegnung mit dem Kämmerer fortsetzt, sondern dass dies allein von der Lenkung durch den Geist abhängt. Der Geist zeigt sich dabei offenbar so machtvoll, dass Philippus ihn gewähren lassen muss. Dies veranschaulicht, dass nach Lukas nicht der Missionar selbst bestimmt, wohin sich die Evangeliumsverkündigung ausrichtet, sondern der Heilige Geist dies tut. Wenn sich der Adressatenkreis der Mission erweitert, so ist dies demnach nicht die Entscheidung der Menschen, die die Mission betreiben, oder gar ein zufälliges Produkt der Missionstätigkeit, sondern vom Geist veranlasst. Dabei ist zu beachten, dass dieser Geist in Apg 8,39 als πνεῦµα κυρίου bezeichnet wird. Die Bezeichnung κύριος kann im lukanischen Doppelwerk sowohl Gottvater als auch Jesus meinen.118 Eindeutig kann das Attribut hier weder dem einen noch dem anderen zugeordnet werden119, stattdessen drückt die Offenheit der κύριος-Bezeichnung aus, dass der Heilige Geist zwar von Gottvater herkommt, aber von Jesus an seine Gemeinde vermittelt wird. Das Genitivattribut zeigt demnach an, dass die vom Geist bestimmte Ausrichtung der Evangeliumsverkündigung von Gottvater und Jesus selbst herkommt.120 Damit wird der Schritt zur Mission an Nichtjuden bzw. Heiden, den Philippus mit dem äthiopischen Kämmerer begonnen hat, nach lukanischer Darstellung durch den die Mission lenkenden Geist von göttlicher Seite angewiesen, legi-
116
Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 366. Nach Apg 21,8 kehren Paulus und seine Begleiter später in Philippus’ Haus in Caesarea ein. 118 Zur Entwicklung des Begriffs im Lukas-Evangelium s. I.1.1.2. 119 Anders jedoch meint SCHNEIDER, Gott und Christus, S. 216.220, κύριος beziehe sich hier eindeutig auf Gott. 120 Vgl. auch BONNAH, Holy Spirit, S. 332; SHEPHERD, Holy Spirit, S. 187. 117
3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
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timiert und autorisiert.121 Die Lenkung der Mission durch den Geist beinhaltet damit zugleich die göttliche Legitimierung der von den Beauftragten durchgeführten Schritte.122 Zum ersten Mal im lukanischen Doppelwerk ist dieser Heilige Geist in Apg 8,29.39, wo Lukas ihm die Rolle als Lenker der Mission des Philippus zuweist, als eigenständig handelndes Subjekt und personales Gegenüber gekennzeichnet. So spricht der Geist in V.29 zu Philippus und veranlasst ihn dadurch, sich dem Wagen des Kämmerers zuzuwenden und ihm die Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen (V.29). In V.39 reißt der Geist des Herrn dann Philippus vom Kämmerer fort und bringt ihn an einen anderen Ort, an dem dieser anschließend missionieren soll. An beiden Stellen ist der Geist eindeutig Subjekt des geschilderten Handelns und tritt Philippus gewissermaßen gegenüber. Dabei spricht der Geist in V.29 in gleicher Weise mit Philippus und beauftragt ihn, wie dies zuvor schon der Engel getan hatte, um Philippus auf die Straße zwischen Jerusalem und Gaza zu schicken (V.26). Auch die Reaktion des Philippus ist identisch: Er befolgt sowohl die Anweisungen des Engels als auch die des Geistes sofort und ohne diese in Frage zu stellen. Ein Unterschied im vom Lukas beschriebenen Wirken von Engel und Geist und in deren Wahrnehmung ist deshalb zunächst nicht festzustellen.123 Hinzu kommt, dass beide mit dem Genitivattribut κυρίου gekennzeichnet werden (Vv.26.39), das ihren Bezug zu Gottvater und Jesus anzeigt. Nach Lukas richten Engel und Geist beide die Botschaft Gottes aus und sind als solche handelnde Subjekte.124 Es stellt sich die Frage, warum Engel und Geist in dieser Erzählung beide als richtungsweisende göttliche Instanzen eine Rolle spielen, da eigentlich einer von beiden ausgereicht hätte. Dieses unerklärte Nebeneinander der unterschiedslosen, parallelen Darstellung von Engel und Geist in V.26 und V.29 ist eine Spannung im Text, da diese Angaben schlecht aufeinander abgestimmt scheinen. Diese Spannung weist möglicherweise auf eine Uneinheitlichkeit der Perikope Apg 8,26–40 hin.125 In dieser Hinsicht deutet zum einen einiges darauf hin, dass Lukas für die Erzählung von der Bekehrung des äthiopischen Kämmerers durch Philippus auf überliefertes Material zurückgegriffen hat.126 Zum anderen zeigen lukanische Vor121
Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 139; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 290. „As one who is divinely directed, Philip acts with authority“ (TANNEHILL, Unity 2, S. 108). 123 Vgl. auch CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 56; BONNAH, Holy Spirit, S. 333. Von Dobbeler bezeichnet Engel und Geist daher als „Wechselbegriffe mit ähnlichem Bedeutungsgehalt“ (VON DOBBELER, Philippus, S. 127). 124 Zum personalen Geist sowie dem Vergleich von Geist und Engel bei Lukas s. II.1.2.2. 125 Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 360. 126 Im Text auftretende neutestamentliche Hapaxlegomena (z.B. γάζα, περιοχή) und sonst weniger gebräuchliche Bezeichnungen sind Hinweise auf vorliegende Tradition. 122
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zugsworte (z.B. ὑποστρέφω, ἀνίστηµι, πορεύοµαι) und typisch lukanische Motive (z.B. Freude, Weg), dass Lukas die Erzählung bearbeitet hat, wobei der genaue Umfang der Bearbeitung schwer feststellbar ist, weil der Text keine Brüche oder weitere literarische Auffälligkeiten erkennen lässt und daher insgesamt eine große Kohärenz aufweist.127 Zu der oben genannten Spannung der parallelen Darstellung von Engel (V.26) und Geist (V.29) lässt sich sagen, dass die Formulierungen der relevanten Teilsätze V.26a (Ἄγγελος δὲ κυρίου ἐλάλησεν πρὸς Φίλιππον λέγων) und V.29a (εἶπεν δὲ τὸ πνεῦµα τῷ Φιλίππῳ) auf lukanische Redaktion hindeuten128 anstatt auf Tradition. Daher ist nach der Herkunft der Motive von Engel und Geist zu fragen. Dass der auctor ad Theophilum in seinem Doppelwerk ein Konzept vom Heiligen Geist darbietet, will diese Arbeit erweisen. Hinsichtlich des Engels ist die Frage schwieriger zu beantworten, da einerseits auch Engel im lukanischen Doppelwerk häufiger als in anderen neutestamentlichen Schriften auftreten und daher der Engel in Apg 8,26 als typisch lukanisch anzusehen wäre; andererseits handelt es sich um ein auch sonst im Alten wie im Neuen Testament stark verbreitetes Motiv, weshalb nicht auszuschließen ist, dass der Engel aus der Lukas vorliegenden Überlieferung stammt.129 Da davon auszugehen ist, dass das überlieferte Material von einer göttlichen Weisung an Philippus, den Kämmerer zu missionieren, berichtete, ist aufgrund der vorangehenden Überlegungen am ehesten anzunehmen, dass diese vom Engel ausging und also der Engel Bestandteil der Vorlage war.130 Diese Annahme kann durch eine weitere Beobachtung gestützt werden: In Apg 8,29 tritt der Geist in der von Lukas dargestellten Geschichte der entstehenden christlichen GeBesonders verweist die Konkurrenz dieser Perikope zur Kornelius-Erzählung (Apg 10,1– 11,18) darauf, dass es sich um eine Überlieferung handelt, die Philippus die erste Heidenbekehrung zuschreibt; deshalb muss sie aus Hellenisten-Kreisen stammen, wohingegen anzunehmen ist, dass die durch Petrus erfolgte Bekehrung des Heiden Kornelius von den Jerusalemern tradiert wurde. Lukas hat die Philippus-Erzählung so in den Verlauf der Apostelgeschichte eingefügt, dass sie den Übergang hin zur Heidenmission einleitet, die offizielle Anerkennung der Ausrichtung der Mission an die Heiden aber der PetrusKornelius-Geschichte überlässt. Vgl. u.a. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 63; DINKLER, Philippus, S. 88; HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 305; MUSSNER, Apostelgeschichte, S. 52; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 138f.; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 498. Anders hält Schmithals Lukas für „den ersten Erzähler“ der Geschichte von der Äthiopier-Bekehrung (SCHMITHALS, Apostelgeschichte, S. 84). 127 Ausführlichere Untersuchungen zu Tradition und Redaktion in Apg 8,26–40 bieten SCHREIBER, Beobachtungen, S. 49–53; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 208–211. 128 In V.26 ist das Verbum dicendi mit pleonastischem λέγων als „lukanische Vorzugswendung“ zu beurteilen (JEREMIAS, Sprache, S. 68), ebenso wie πρός mit Akkusativ nach Verbum dicendi, das die Angeredeten bezeichnet. Vgl. ebd., S. 33. Auch bei εἶπεν δέ in V.29 handelt es sich um einen „profilierten Lukanismus“ (ebd., S. 33). 129 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 209. 130 Vgl. auch BONNAH, Holy Spirit, S. 335.
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meinde zum ersten Mal als eigener Aktant auf. Auch im gesamten lukanischen Doppelwerk ist dies die erste Stelle, an der der Geist so deutlich personalisiert ist. Die erläuterte Parallelisierung des Geistes mit dem Engel könnte Lukas daher bewusst gewählt haben, um den Geist analog zum Engel als eigenständig handelndes Subjekt und personales Gegenüber einzuführen und plausibel zu machen. Denn die parallele Darstellungsweise von Engel und Geist hebt die Personalität des Geistes an dieser Stelle deutlich hervor. Deshalb ist anzunehmen, dass Lukas dem aus seiner Vorlage stammenden Engel den Geist zur Seite gestellt hat. So wirken Engel und Geist zwar zusammen, um Philippus zum Kämmerer zu führen, sie sind für Lukas jedoch nicht austauschbar. Denn wäre es Lukas nicht darauf angekommen, den Geist als Lenker der Mission darzustellen, hätte er auch in V.29 den Engel als Akteur schildern können. Stattdessen stellt er den Geist als denjenigen dar, der die Verkündigungstätigkeit des Philippus in entscheidender Weise lenkt. Der Engel wirkt demgegenüber eher vorbereitend und dem Geist untergeordnet. Der Geist als personales Gegenüber ist als Lenker der Mission also eine hervorragende göttliche Autoritätsinstanz. Dass der Geist als eigenständig handelndes Subjekt auftritt, gibt der von ihm gegebenen göttlichen Legitimierung eine besonders große Autorität. Denn der Geist handelt hier direkt und wirkt nicht durch andere(s) (wie z.B. Prediger oder Schriftworte). „Luke portrays the Spirit as a direct actor, in order to underscore the divine origin of Philip’s mission.“131 Dass Lukas den Geist als einen darstellt, der einerseits die Personalität vom Engel borgt und andererseits diesen hinsichtlich der göttlichen Legitimation überbietet, spricht dafür, dass der Engel bereits in der aufgenommenen Überlieferung vorhanden war und Lukas den Geist zu dem genannten Zweck seiner Einführung als personales Gegenüber eingefügt hat.132 Eine interessante textkritische Variante von V.39aβ zeigt auch, dass deutlich wahrgenommen wurde, dass es sich bei dem Heiligen Geist als personales Gegenüber um einen anderen Gedanken bzw. einen anderen Aspekt des Geistes handelt als bei der Vorstellung eines wie eine Kraft oder Substanz gedachten Geistes.133 In einigen Textzeugen (Ac, 323, 453, 945, 1739, 1891, 2818, l, (p, w, syh**), mae) wird zwischen die im ursprünglichen134 Text als
131
SHEPHERD, Holy Spirit, S. 186. Es ist deshalb auch davon auszugehen, dass die Parallelisierung von Engel und Geist nicht die Einheitlichkeit des Textes in Frage stellt, sondern dass Lukas sie bewusst so gestaltet hat. 133 S. dazu II.1.2. 134 Der vom NTG28 gebotene Text ist als der ursprüngliche anzusehen, weil er deutlich besser bezeugt ist. Darüber hinaus lässt sich die Einfügung der Passage damit begründen, dass im ursprünglichen Text der Empfang des Heiligen Geistes als Folge der Taufe des Kämmerers vermisst wurde. Der Text ohne die Einfügung ist also lectio difficilior probabilior, die hier als ursprünglich gelten kann, weil die sekundäre Einfügung eine Erleichte132
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Genitivverbindung zusammengehörigen Worte πνεῦµα κυρίου die Phrase ἅγιον ἐπέπεσεν ἐπὶ τὸν εὐνοῦχον, ἄγγελος δέ eingefügt.135 So wird dem Geist das Adjektiv heilig hinzugefügt und er wird in dieser Variante zu dem gemacht, was nach der Taufe auf den Kämmerer fällt. Gleichzeitig erhält der Engel, auf den sich nun das vorher dem Geist zugeschriebene Genitivattribut κυρίου bezieht, die Rolle, die dem Geist in dem von den meisten Zeugen gebotenen Text zugeschrieben ist. Der Engel ist nach dieser Textvariante nun derjenige, der Philippus vom Kämmerer fort entrückt. Diese Textvariante zeigt: Dass der Heilige Geist auf den getauften Kämmerer fiel, wurde offenbar im ursprünglichen Text vermisst und daher eingetragen. Diese Vorstellung eines substanzhaften Geistes konnte jedoch offenbar nicht zusammengebracht werden mit dem Gedanken, dass der Geist gleichzeitig als handelndes Subjekt auftritt. Deshalb wurde der personale Geist durch einen Engel ersetzt, mit dem er ja zuvor im vorderen Rahmenteil parallelisiert worden war. Auf diese Weise ist der Geist in der textkritischen Variante an dieser Stelle lediglich als Substanz oder Kraft vorgestellt und nicht gleichzeitig als Person, so dass die unterschiedlichen Aspekte des Geistes nicht konkurrieren. Lukas selbst hat den Geist jedoch in der Rolle des Lenkers der durch die Gemeinde erfolgenden Mission als eigenen Aktanten und personales Gegenüber dargestellt. An der textkritischen Variante wird die Andersartigkeit der Vorstellung deutlich. Der Schritt hin zu einem neuen Adressatenkreis der Mission braucht nach Lukas folglich die göttliche Legitimation durch den personalen Geist, weil ihm die entscheidende und insbesondere eine größere Autorität als einem Engel zukommt. 3.2.2 Die offizielle Durchsetzung der Heidenmission (Apg 10,19; 11,12) Die im Verlauf der Apostelgeschichte nächste Erzählung, in der der Heilige Geist die durch die Gemeinde erfolgende Mission lenkt, ist diejenige von der Bekehrung des Hauptmanns Kornelius (Apg 10,1–11,18). Sie folgt bald auf die soeben besprochene Perikope vom Kämmerer aus Äthiopien. Zwischen diesen beiden Erzählungen stehen in Apg 9 die Berichte von der Bekehrung des Paulus (Vv.1–31) und vom Aufenthalt des Petrus in Lydda und Joppe (Vv.32–43). Die letztgenannte Perikope endet mit der summarischen Notiz darüber, dass Petrus lange Zeit bei Simon, dem Gerber, blieb (V.43).136 rung des Textverständnisses bedeutet. Es wäre deshalb schwerlich denkbar, dass andersherum der Empfang des Heiligen Geistes aus dem Text gestrichen wurde. 135 So lautet dieser Teilvers πνεῦµα ἅγιον ἐπέπεσεν ἐπὶ τὸν εὐνοῦχον, ἄγγελος δὲ κυρίου ἥρπασεν τὸν Φίλιππον. 136 Möglicherweise hat Lukas hier „eine alte Lokaltradition“ aufgenommen (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 162), mit der er die folgende Kornelius-Erzählung vorbereiten konnte. Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 329. Dass Petrus bei einem Gerber zu Gast war, ist insofern auffällig, als dass die Gerberei bei Juden als unreines Handwerk galt (vgl. die
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Daran knüpft die Kornelius-Geschichte an, denn der in Joppe weilende Petrus wird darin zum Missionar des in Caesarea stationierten Hauptmanns Kornelius. Von der eigentlichen Verkündigung des Evangeliums an Kornelius sowie dessen anschließender Bekehrung samt Geistausgießung und Taufe wird in Apg 10,23b–48137, dem Zentrum dieser umfangreichen Erzählung, berichtet. Wie schon in der Erzählung vom äthiopischen Kämmerer ist das Wirken des Geistes aber zunächst entscheidend dafür, dass es überhaupt dazu kommt, dass Petrus dem Hauptmann die Botschaft von Jesus Christus verkündigt. Da dies in dem ersten Teil der Kornelius-Erzählung berichtet wird (Apg 10,1–23a), soll dieser im Folgenden betrachtet werden. Dieser erste Teil der Erzählung gliedert sich in drei Szenen: In den Vv.1–8 steht die Erscheinung eines Engels vor Kornelius im Vordergrund, anschließend wird in den Vv.9–16 eine Petrus zuteilwerdende Vision geschildert und schließlich berichten die Vv.17–23a, dass Kornelius’ Männer Petrus mit Hilfe des Geistes für einen Besuch bei dem Hauptmann gewinnen. Dabei werden die Geschehnisse der ersten beiden Szenen durch das in der dritten Szene folgende Ereignis, für das der Geist die entscheidende Rolle spielt, zu einem Handlungsstrang verbunden. In der ersten Szene (Vv.1–8) erscheint dem römischen Hauptmann Kornelius ein Engel Gottes (ἄγγελος τοῦ θεοῦ) (V.3). Dieser Engel überbringt dem Kornelius die Botschaft, dass seine Gebete und Almosen vor Gott gekommen sind und Gott ihrer gedacht hat (V.4b). Außerdem erhält Kornelius in diesem Zusammenhang von dem Engel den Befehl, seine Männer nach Joppe zu senden, um Simon Petrus zu holen (V.5), sowie eine genaue Angabe darüber, wo dieser Petrus zu finden ist: bei dem Gerber Simon, der ein Haus am Meer hat (V.6; vgl. Apg 9,43). Es fällt auf, dass der Engel an dieser Stelle keine explizite Auskunft darüber gibt, zu welchem Zweck Petrus geholt werden soll, auch wenn der zuvor erfolgte Hinweis des Engels auf das Gedenken Gottes an die frommen Bemühungen des Kornelius einen diesbezüglichen Zusammenhang nahelegt. Die unkonkrete Botschaft des Engels bleibt geheimnisvoll. Kornelius hinterfragt den Sinn des vom Engel erteilten Auftrags dennoch nicht und schickt umgehend seine Männer nach Joppe (Vv.7f.).
Texte bei STRACK / BILLERBECK, Kommentar 2, S. 695). Dieses Verhalten des Petrus wird jedoch nicht weiter thematisiert und spielt daher keine entscheidende Rolle im Erzählverlauf der Apostelgeschichte, auch wenn insbesondere jüdischen Lesern diese Grenzüberschreitung des Petrus bewusst sein dürfte, so dass für diese bereits hier die weitere Entwicklung des Geschehens um den Hauptmann Kornelius vorbereitet wird. 137 Da es in Apg 10,23b–48 um die Funktion der Geistverleihung in der Frage der Zugehörigkeit zum Gottesvolk geht, wird dieser Abschnitt der Perikope Apg 10,1–11,18 schwerpunktmäßig behandelt in I.3.3.3. Das Auftreten des Heiligen Geistes in mehreren unterschiedlichen Funktionen innerhalb dieser Perikope unterstreicht die Bedeutung der Erzählung für die Heidenmission.
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Die zweite Szene (Vv.9–16) wird zunächst mit einem deutlichen Bezug auf diese Gesandtschaft des Kornelius eingeleitet – seine Männer sind bereits in der Nähe von Joppe. Durch diesen Hinweis zwar entfernt mit der ersten Szene in Zusammenhang gebracht, ist der Schauplatz der zweiten Szene doch deutlich davon unterschieden. Sie zeigt Petrus beim Beten auf dem Dach zur sechsten Stunde (V.9). Während Petrus sodann, hungrig geworden, auf dem Dach auf seine Mahlzeit wartet (V.10a), gerät er in Verzückung und ihm wird eine Vision zuteil (Vv.10b–16): Er sieht so etwas wie ein großes Leinentuch auf die Erde herabkommen, das gefüllt ist mit unreinen Tieren. Eine Stimme befiehlt, diese Tiere zu schlachten und zu essen. Als Petrus sich weigert, etwas Verbotenes zu tun – widerspräche es doch den jüdischen Speisevorschriften, unreine Tiere zu essen – , erhält er den Auftrag, nichts verboten zu nennen, was Gott rein gemacht hat. Das Ganze geschieht dreimal. Schließlich wird das Tuch wieder hinaufgenommen gen Himmel. Die dritte Szene führt die Ereignisse der ersten beiden Szenen zusammen, so dass die jeweils betroffenen Akteure aufeinandertreffen. Während Petrus noch ratlos ist, was die soeben erhaltene Vision bedeute, klopfen die Männer des Kornelius bei dem Gerber Simon an der Tür und fragen nach Petrus (Vv.17f.). Derweil erhält Petrus, der weiterhin über die Bedeutung seiner Vision nachsinnt, vom Geist eine die Deutung der Vision weiterführende Erklärung in Form einer Aufforderung: Ἰδοὺ ἄνδρες τρεῖς ζητοῦντές σε· ἀλλʼ ἀναστὰς κατάβηθι καὶ πορεύου σὺν αὐτοῖς µηδὲν διακρινόµενος ὅτι ἐγὼ ἀπέσταλκα αὐτούς („Siehe, drei Männer suchen dich, so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt“) (Vv.19bf.). Petrus gehorcht dieser Anweisung des Geistes umgehend. Er steigt vom Dach herab, stellt sich den Männern des Kornelius als derjenige vor, den sie suchen, und fragt nach dem Grund für ihr Kommen (V.21). In der Antwort der Gesandten werden die geschilderten Geschehnisse der Engelerscheinung des Kornelius in Form einer knappen Zusammenfassung wiederholt (V.22): Der gottesfürchtige und bei den Juden in gutem Ruf stehende Hauptmann soll Petrus zu sich holen, um dessen Worte zu hören. Während in der in den Vv.4–6 erfolgten Schilderung der Engelsbotschaft an Kornelius der Zweck des Zusammentreffens mit Petrus noch nicht genannt worden war, wird an dieser Stelle dann aber explizit, dass es um die Verkündigung des Petrus an Kornelius geht. Zu diesem Zweck sind nun die Wege der Boten des Kornelius und des Petrus zusammengeführt worden (V.23a). Die anschließenden Vv.23b–48, die den bereits erwähnten Kern der Perikope bilden, berichten von der Erfüllung dieses Zwecks, indem es zu Mission und anschließender Aufnahme der Gruppe um Kornelius, bestehend aus seinen Verwandten und engsten Freunden (V.24), in die christliche Gemeinde mittels Geistverleihung und Taufe kommt. Bei Kornelius handelt es sich um einen römischen Hauptmann, der Heide war und sich durch seine Frömmigkeitswerke in Form von Almosen und
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Gebetspraxis als Gottesfürchtiger (φοβούµενος τὸν θεόν) erwies (Vv.2.22), also dem Judentum nahe verbunden war. Die Mission der christlichen Gemeinde erfährt nach den Berichten der Apostelgeschichte an dieser Stelle folglich eine Erweiterung des Adressatenkreises um eine Gruppe gottesfürchtiger Heiden. Bisher war die Evangeliumsverkündigung generell an Juden gerichtet gewesen, lediglich dadurch, dass Philippus den äthiopischen Kämmerer missioniert hatte, war es zu einer ersten, wenn auch nicht vollgültigen, Ausnahme, die einen einzelnen Gottesfürchtigen betraf, gekommen. In der Perikope vom Hauptmann Kornelius wird dargelegt, inwiefern ein Hindernis in Bezug darauf vorliegt, dass sich die Evangeliumsverkündigung auch den Heiden zuwendet: Das Problem besteht nach dem, was Petrus in Apg 10,28 und die Jerusalemer in Apg 11,3 aussagen, darin, dass Juden der Umgang138 mit Nichtjuden untersagt ist, weil Nichtjuden aufgrund ihrer Unbeschnittenheit139 als unrein gelten. Dies bedeutet, dass die sich auch als Christen an die jüdischen Gesetze haltenden Judenchristen nach Ansicht der Jerusalemer einschließlich Petrus keinen Kontakt zu gottesfürchtigen Heiden wie Kornelius pflegen dürfen.140 Dieser ist jedoch eine für die Evangeliumsverkündigung notwendige Voraussetzung.141 Petrus, für den ein derartiges Verhalten bis dahin unvorstellbar war, kann sich daher nach der lukanischen Darstellung in dieser Perikope nur deshalb den Heiden zuwenden und ihnen die frohe Botschaft verkündigen, weil er dieses Umgangsverbot durch göttliche Anweisung aufgehoben sieht (Vv.28f.). Der Adressatenkreis der Mission der Jesusanhänger erweitert sich demnach aufgrund göttlicher Legitimierung. Bereits dem Kämmerer aus Äthiopien war nur deshalb das Evangelium verkündigt worden, weil Philippus mittels göttlicher Befehle von Engel und Geist dazu beauftragt worden war. Hatte diese Begebenheit nach lukanischer Darstellung aber keine Folgen für die generelle Ausrichtung der Missionstätigkeit der Gemeinde gehabt142, so wird in mehrfacher Hinsicht deutlich, dass der auctor ad Theophilum die138
Dabei ist in Apg 11,3 von einem spezifischen Fall des Umgangs, nämlich von der Tischgemeinschaft (συνέφαγες αὐτοῖς) die Rede. 139 Deshalb werden die von Petrus besuchten Heiden in Apg 11,3 beschrieben mit ἀκροβυστίαν ἔχοντες. 140 In dieser Hinsicht „galt einem strengen Juden Palästinas ein Gottesfürchtiger für genauso unrein wie jeder Heide“ (SIEGERT, Gottesfürchtige, S. 125). Allerdings sind keine jüdischen Regelungen für den direkten Kontakt mit Gottesfürchtigen erhalten. Man kann annehmen, dass der Umgang der Juden mit den Gottesfürchtigen sehr unterschiedlich gehandhabt worden ist, von sehr streng bis sehr mild, wobei wahrscheinlich in Palästina tendenziell ein strengeres Verhalten herrschte als in der Diaspora. Vgl. ebd., S. 118.120.125f. 141 Vgl. WILK, Apg 10,1–11,18, S. 606f. 142 Zu der auf lukanischer Redaktion beruhenden einleitenden und vorbereitenden Funktion der Perikope Apg 8,26–40 in Bezug auf die Heidenmission s. I.3.2.1.
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ser Kornelius-Erzählung eine grundsätzliche Bedeutung für die Erweiterung des Adressatenkreises der Mission um die Heiden zumisst143: Der Perikope Apg 10,1–11,18 liegt sehr wahrscheinlich eine Überlieferung zugrunde, die von der Mission des Petrus und der Bekehrung des heidnischen Hauptmanns Kornelius berichtete; diese wurde von Lukas zur längsten Einzelerzählung innerhalb der Apostelgeschichte ausgestaltet.144 Dabei ist „[die] lukanische Redaktion […] von dem Anliegen gesteuert, den Vorgang als die entscheidende Begründung und Legitimation der Heidenmission durch Gott darzustellen“.145 Insbesondere heben die ständigen Wiederholungen des Geschehenen und die damit gegebene Ausführlichkeit der Erzählung die Außergewöhnlichkeit des Ereignisses hervor. Außerdem fällt auf, dass Kornelius im Unterschied zum äthiopischen Kämmerer in Apg 8,27f. ausdrücklich als φοβούµενος τὸν θεόν146 (Apg 10,2.22) bezeichnet wird, so dass der Status des neuen Adressatenkreises in dieser Erzählung explizit wird. Nicht zuletzt unterstreicht der letzte Teil der Erzählung Apg 11,1–18 ihre zentrale Wichtigkeit, da in diesem Abschnitt die offizielle Anerkennung der Heidenmission durch die Jerusalemer Gemeinde geschildert wird. Lukas berichtet, dass Petrus, als er nach der erfolgten Taufe des Kornelius und der Mitglieder seines Hauses nach Jerusalem kommt, von den Judenchristen (οἱ ἐκ περιτοµῆς) für sein Handeln angegriffen wird und sich rechtfertigen muss (Vv.1–3). In den Vv.4–17 erzählt Petrus zusammenfassend, was sich zuvor ereignet hat (vgl. Apg 10). Dabei wird deutlich, dass Petrus den Weg zur Bekehrung des Heiden Kornelius nicht aus eigenem Antrieb gegangen ist, sondern dass Engel, Vision und Geist diesen Weg als göttlichen Willen offenbart haben. „Die Handlungsinitiative lag allein bei Gott.“147 Die das Geschehene erläuternden Ausführungen des Petrus, die neben der legitimierenden Geistausgießung auf die Heiden auch die göttliche Führung in Bezug auf 143 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 164; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 252f.; BONNAH, Holy Spirit, S. 184. 144 Dies wird von den meisten Auslegern angenommen, wobei umstritten ist, wie Tradition und Redaktion im Einzelnen zuzuordnen sind. Vgl. u.a. BONNAH, Holy Spirit, S. 184; CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 69; FITZMYER, Acts, S. 448; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 164–168; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 333–335; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 253–262; ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 410. Schmithals hingegen will keine „Quellengrundlage“ annehmen (SCHMITHALS, Apostelgeschichte, S. 102). Umfassende Studien zur Frage nach Tradition und Redaktion in Apg 10,1–11,18 bieten DIBELIUS, Bekehrung; BOVON, Tradition et rédaction; LÖNING, Korneliustradition. Zur aktuelleren Diskussion vgl. ZMIJEWSKI, Aufnahme der ersten Heiden, S. 1561–1571. 145 ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 167. 146 Lukas kann einen Gottesfürchtigen – nach jüdischem Sprachgebrauch – entweder mit diesem Prädikat bezeichnen (Apg 13,16.26) oder mit σεβόµενος (τὸν θεόν) (Apg 13,50; 16,14; 17,4.17; 18,7). 147 ECKEY, Apostelgeschichte 1, S. 250.
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die neue Ausrichtung der Mission hervorheben, führen schließlich dazu, dass die Jerusalemer Gemeinde die Heidenmission als von Gott gewollt anerkennt (Apg 11,18). Mit dieser Bestätigung durch die Jerusalemer Gemeinde hat sich nach lukanischer Darstellung die Heidenmission in der entstehenden christlichen Gemeinde offiziell durchgesetzt und ist allgemein anerkannt. Dabei wird dem Apostelsprecher Petrus der kirchenrelevante Schritt hin zur Heidenmission zugeschrieben. Die Perikope Apg 10,1–11,18 ist also innerhalb des lukanischen Doppelwerks die entscheidende Legitimationsgeschichte für die Heidenmission.148 In dieser der offiziellen Durchsetzung der Heidenmission dienenden Erzählung stellt die göttliche Führung und Legitimierung einen wichtigen Faktor dar. Dabei kommt dem Heiligen Geist nach lukanischer Darstellung die ausschlaggebende Autorität zu. Denn nachdem zunächst ein Engel und sodann eine Vision auf die Hauptakteure eingewirkt haben, bringt letztlich erst der Geist durch seinen Befehl den Apostel Petrus zunächst mit den Männern des Kornelius, dann mit Kornelius selbst sowie mit dessen Verwandten und Freunden zusammen und lenkt dadurch Petrus zur Durchführung der Evangeliumsverkündigung an die gottesfürchtigen Heiden hin. Wie schon bei Philippus (Apg 8,29.39) ist es folglich auch an dieser Stelle in Apg 10,19 dieser Heilige Geist, dem die entscheidende Rolle des die Mission Lenkenden zukommt. Wie der Geist Philippus befohlen hatte, sich dem Äthiopier zuzuwenden, so hat er jetzt ebenso Petrus zum Haus des Kornelius gewiesen. Dabei deutet einiges darauf hin, dass das Auftreten des lenkenden Geistes in Apg 10,19f. von Lukas zu der ursprünglichen Erzählung hinzugefügt wurde.149 Auffällig ist vor allem, dass V.19a, der die Anweisung des Geistes einleitet, sinnmäßig eine Doppelung zu V.17a, mit dem die oben genannte dritte Szene beginnt, darstellt. Denn in beiden Teilversen wird ausgesagt, dass Petrus über die Bedeutung seiner zuvor erhaltenen Vision nachdenkt. Hinzu kommt, dass die Erzählung auch ohne die Vv.19–20 verständlich ist. Haben in den Vv.17–18 die Männer des Kornelius im Hause des Gerbers Simon nach Petrus gefragt, so stellt sich Petrus ab V.21 als derjenige vor, den sie suchen, und fragt nach ihrem Anliegen. Entscheidend ist, dass die für das weitere Geschehen ausschlaggebende Erkenntnis des Petrus, dass Gott ihm befohlen hat, keinen Menschen als unrein zu betrachten und zu meiden (Apg 10,28), durchaus aufgrund seiner Vision zustande gekommen sein kann und die Anweisung des Geistes nicht zwingend braucht. Zwar zielt die Petrus zuteilgewordene Vision explizit nur auf die Überwindung der Ansicht, bestimmte Speisen seien als unrein zu meiden. Dass während des Nachsinnens des Petrus über die Bedeutung dieser Vision jedoch die auf Befehl eines En148
Vgl. TANNEHILL, Unity 2, S. 137. Ohne Begründung bemerkt auch Conzelmann: „Das Eingreifen des Geistes ist an dieser Stelle künstlich“ (CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 71). 149
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gels gesandten Männer des heidnischen und damit für Petrus als unrein geltenden Hauptmanns Kornelius nach ihm und seiner Verkündigung verlangen, kann als ausreichender Grund dafür angesehen werden, dass Petrus den Gottesbefehl innerhalb der Vision ἃ ὁ θεὸς ἐκαθάρισεν, σὺ µὴ κοίνου („Was Gott rein gemacht hat, nenne du nicht unrein“) auf Menschen übertragen hat.150 Dafür sprechen außerdem die terminologischen Übereinstimmungen zwischen dem dialogischen Gottesbefehl der Vision in den Vv.14f. und der Erkenntnis des Petrus in V.28 (κοινόν, ἀκάθαρτον, θεός). Es kann also angenommen werden, dass die genannte Doppelung des Nachsinnens des Petrus über die Visionsbedeutung in den Vv.17a.19a dadurch zustande kam, dass dem Petrus der Sinn der Vision in der ursprünglichen Erzählung durch das Auftreten der Kornelius-Männer offenbar wurde, dass dies für Lukas jedoch keine ausreichende göttliche Legitimation darstellte und er deshalb das Wort des Geistes hinzugefügt hat, der Petrus erst zu den von Kornelius Gesandten schickt und so diese Deutung der Vision als von Gott gewollt anzeigt.151 Dafür spricht auch, dass im Folgenden die Evangeliumsverkündigung durch Petrus an Kornelius ihren Lauf nimmt, ohne dass auf die Anweisung des Geistes Bezug genommen wird. Erst in Apg 11,12 wird innerhalb der Rechtfertigung des Petrus vor der Jerusalemer Gemeinde (Apg 11,1–18) noch einmal auf diesen Geist-Befehl rekurriert. Die Hinzufügung des das Geschehen lenkenden Geistes in Apg 10,19 zeigt, dass es Lukas darauf ankam, den Heiligen Geist, und nicht Engel oder Vision, als ausschlaggebenden Lenker hin zur Heidenmission darzustellen. Lukas überlässt die Umdeutung der Vision von Speisen auf Menschen nicht dem Petrus selbst, wie es vermutlich die aufgenommene Tradition tat, sondern stellt klar, dass dies explizit der göttliche Wille ist, der vom Geist mitgeteilt wird. Genauso wie beim Eingreifen in die Missionstätigkeit des Philippus ist dieser lenkende Heilige Geist wiederum als eigenständig handelndes Subjekt und personales Gegenüber dargestellt. Denn wie der Geist zu Philippus ge150
„The point of this command must be understood in light of the following narrative, which directs attention not so much to the problem of unclean foods as to the problem of association with the Gentiles, who are unclean people. Peter states the problem clearly in 10:28 and then announces what he has learned through the vision” (TANNEHILL, Unity 2, S. 135). Für Weiser ist hingegen die im Text auftretende Spannung zwischen der Überwindung des Speiseverbots und des Umgangsverbots mit Menschen ein Zeichen dafür, dass einerseits die Petrusvision nicht aus derselben vorlukanischen Überlieferung stammt wie die Kornelius-Geschichte und dass andererseits der Geistbefehl in den Vv.19f. zusammen mit der Engelsbotschaft an Kornelius für die Erzählung konstitutiv ist und deshalb aus der Tradition stammen muss. Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 254–256. 151 Einige Ausleger bestreiten einen Bezug des Geist-Befehls zur Vision. Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 265; BONNAH, Holy Spirit, S. 342. Weitere Argumente für die Auslegung der Vision durch die Aussage des Geistes in den Vv.19f. bietet WILK, Apg 10,1–11,18, S. 608f., Anm. 18.
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sprochen hat, so redet er auch hier direkt mit Petrus und befiehlt ihm, welchen Weg die Missionstätigkeit nehmen soll. Betrachtet man den Inhalt der Anweisung des Geistes an Petrus eingehender, so lässt sich daraus etwas in Bezug auf die göttliche Autorität ableiten, die Lukas dem personalen Geist als Lenker der Missionstätigkeit der Gemeinde im Verhältnis zu Engel und Vision zumisst. Zunächst weist der Geist Petrus auf die drei Männer hin, die, von Kornelius gesandt, bei Simon dem Gerber vor der Tür stehen und ihn suchen, und teilt ihm mit, was er in Bezug auf diese tun soll (Vv.19b–20a). Petrus soll vom Dach hinabsteigen und mit den Männern mitgehen. Allerdings erfährt Petrus vom Geist nicht, welches Anliegen die Männer haben, sondern nur, dass er hinsichtlich der Erfüllung des Anliegens Zweifel haben könnte, denn der Geist fordert Petrus auf, nicht zu zweifeln. Diese vom Geist befürchteten Zweifel können sich im Kontext der Erzählung nur auf das oben genannte Problem beziehen, dass Petrus zu dem Heiden Kornelius gebeten wird und dieser Bitte entsprechen soll, obwohl ihm der Umgang mit Heiden nicht gestattet war (vgl. Apg 10,28). Da dieser Schritt für die Ausrichtung der Evangeliumsverkündigung insofern bedeutend ist, als er eine Grenzüberschreitung darstellt, ist es erklärbar, dass Petrus durch den Geist vor Zweifeln gewarnt wird. Schon die Vision hatte bei Petrus deutliche Zweifel hervorgerufen, wie seine Einwände gegen den göttlichen Befehl, (auch) unreine Tiere zu essen (Apg 10,14), zeigen. Die Reaktion der Jerusalemer Gemeinde stellt ebenso klar, dass generell bezüglich dieser Zuwendung zu den Heiden bei ihnen Bedenken bestanden (Apg 11,3). Der Zusammenhang wird dadurch unterstrichen, dass in Apg 11,2 das Streiten der Jerusalemer Gemeinde mit Petrus mithilfe desselben Verbs διακρίνοµαι ausgedrückt ist wie die Warnung des Geistes an Petrus in Apg 10,20.152 Durch die redaktionelle Tätigkeit des Lu-
152 Roloff hingegen versteht diese Anweisung des Geistes so, dass Petrus „auf weiteres Nachdenken über das Geschaute verzichten“ soll (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 170). Dies vertritt schon Löning mit der Begründung, dass „allein diese [Möglichkeit] einen klar angebbaren Bezugspunkt im unmittelbaren Kontext hat“ (LÖNING, Korneliustradition, S. 5). Hinzu kommt für Löning, dass διακρίνοµαι das Deuten von Visionen u.a. bezeichnet. Vgl. DAUTZENBERG, Hintergrund, S. 94–103. Gegen dieses Argument ist allerdings einzuwenden, dass Lukas dieses Wort an den übrigen Stellen Apg 11,2.12; 15,9 nicht in dem Sinne der Deutung von Visionen gebraucht und dass gerade Apg 11,2, wo διακρίνοµαι „im Streite sein“ bedeutet, eine wichtige Kontextstelle ist, die sich inhaltlich mit Apg 10,20 berührt, da der Geist Petrus auffordert, nicht im Streite mit sich selbst zu sein bzw. zu zweifeln. Gegenstand des Streites ist in beiden Fällen der Kontakt des Judenchristen Petrus mit Heiden. Interessanterweise wird in Apg 11,12 im Zuge des Referats, das Petrus den Jerusalemern über die Ereignisse hält, der Befehl des Geistes in der Weise verändert, dass διακρίνω nicht wie in Apg 10,20 im Medium, sondern im Aktiv verwendet wird (µηδὲν διακρίναντα). An dieser Stelle ist also bereits die Deutung des vom Geist geforderten Nicht-Zweifelns in Bezug auf die erfolgte Evangeliumsverkündigung an die
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kas führt nun erst der Befehl des Geistes an Petrus dazu, dass die die Heidenmission betreffenden Zweifel ausgeräumt werden. Dass allein dem als personales Gegenüber direkt agierenden Geist eine solch hervorragende Autorität zukommt, zeigt sich vor allem daran, dass Petrus die Anweisung des Geistes umgehend befolgt153 und im Folgenden nicht mehr zögert, den Heiden das Evangelium zu verkündigen. Der zuvor an Petrus ergangenen Vision misst Lukas diesen Erfolg und damit auch eine derartige Autorität nicht zu. Der Geist ist nach Lukas also – wie schon bei Philippus – auch an dieser Stelle die entscheidende göttliche Legitimierungsinstanz, wenn es um die Frage der Ausrichtung der Mission geht. Die sich mit der Evangeliumsverkündigung des Petrus an Kornelius ereignende grundsätzliche Durchsetzung der Mission an den Heiden bedarf dieser besonderen göttlichen Legitimierung durch den personalisierten Geist, der den Gotteswillen unmittelbar154 vertritt. Der Teilvers Apg 10,20b, der letzte Teil der Mitteilung des Geistes an Petrus, zeigt darüber hinaus den Zusammenhang, den Lukas zwischen Heiligem Geist, Engel und Vision sieht. Der Geist begründet die Aufforderung an Petrus, nicht zu zweifeln, mit dem Hinweis, dass er selbst die Männer des Kornelius gesandt hat (ὅτι ἐγὼ ἀπέσταλκα αὐτούς). Dabei wird das „Ich“ des Geistes durch die explizite Nennung des Pronomens ἐγώ betont und deutlich hervorgehoben. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, denn nach der bisherigen Erzählung war es nicht der Geist, der dem Kornelius erschienen ist, sondern ein Engel, der diesem befahl, Petrus holen zu lassen. Man kann diese Aussage des Geistes daher wohl nur so verstehen, dass der Geist von göttlicher Legitimierung insgesamt spricht und dass die Botschaft Gottes gleichermaßen durch den Engel vermittelt wurde, wie sie nun durch den Geist an Petrus ergeht.155 Engel, Vision und Geist zeigen folglich gemeinsam an, dass die Ausrichtung der Mission zu den gottesfürchtigen Heiden, die mit der Evangeliumsverkündigung und Taufe des Kornelius endgültig beginnt, von göttlicher Seite legitimiert ist. Der Entschluss zur Heidenmission beruhte nach dieser Darstellung des Lukas demnach nicht auf einer menschlichen Idee, sondern auf göttlichem Befehl. Nicht die christliche Gemeinde oder deren bedeutende Vertreter haben Petrus zu diesem Weg beauftragt, sondern göttliche Autorität. Obwohl alle drei genannten Optionen göttlicher Mitteilung der Legitimationen der Heidenmission dienen, kommt dem Geist diesbezüglich dennoch die entscheidende Rolle zu, weil erst durch die Anweisung
Heiden enthalten: Petrus soll keinen Unterschied machen. Vgl. das von Petrus konstatierte entsprechende Handeln Gottes in Apg 15,9. 153 Die gleiche Reaktion auf die Anweisung des Geistes hatte auch Philippus gezeigt (Apg 8,29f.). 154 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 340. 155 „Insofern die Boten des Kornelius […] auf Geheiß des Engels da sind, können sie als Gesandte des Geistes gelten“ (PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 340).
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des Geistes die bestehenden Zweifel ausgeräumt werden und damit ein Zusammentreffen von Petrus und Kornelius ermöglicht wird. Der Engel und auch die Vision hatten demgegenüber eher eine vorbereitende Funktion. Diese haben zu der Erweiterung der Mission hingeführt, jener hat es endgültig angewiesen. Ausschlaggebend dafür, dass das Evangelium nun eine größere Gruppe gottesfürchtiger Heiden erreicht hat, war folglich der als personales Gegenüber agierende Geist, der mit der ihm zukommenden unmittelbaren göttlichen Autorität die Mission in mehreren Schritten hin zu den Heiden gelenkt hat. Denn nachdem – ebenfalls aufgrund eines entscheidenden Eingriffs des Geistes – bereits mit der Mission des gottesfürchtigen Kämmerers aus Äthiopien der Anfang mit einem Einzelnen und – mangels Geistverleihung – in letztlich unvollständiger Weise gemacht worden war, ist die christliche Verkündigung und die Mission mit der Bekehrung des Hauptmanns Kornelius und seines Hauses endgültig bei den Heiden angekommen. 3.2.3 Die Konkretisierung der Heidenmission (Apg 15,28) Zu den bisherigen Ausführungen hinsichtlich der lenkenden und gleichzeitig legitimierenden Funktion des Heiligen Geistes in Bezug auf die Ausbreitung der durch die Gemeinde erfolgenden Mission hin zu den Heiden gehört die lukanische Darstellung des auf dem sogenannten Apostelkonzil156 in Jerusalem gefassten Beschlusses (Apg 15,22–29). Auf dieser Versammlung wurde darüber verhandelt, ob sich Nichtjuden als Zugehörige zur christlichen Gemeinde dem jüdischen Gesetz und der Beschneidung unterstellen sollten (vgl. Apg 15,1–21; Gal 2,1–10). Die Notwendigkeit zur Klärung dieser Frage ergab sich nach den Berichten der Apostelgeschichte dadurch, dass die von der Gemeinde in Antiochia und speziell von den dieser Gemeinde entstammenden Missionaren Paulus und Barnabas ausgeübte Praxis der auflagenfreien Heidenmission von einigen aus der Jerusalemer Gemeinde157, die auf 156
Dieser Begriff „Apostelkonzil“ zur Bezeichnung der Versammlung wichtiger Entscheidungsträger der christlichen Gemeinden ca. 48 n. Chr. in Jerusalem, die dem Zweck der Klärung von Bedingungen der Heidenmission diente, ist nicht unumstritten. Manche Forscher verwenden stattdessen beispielweise die Begriffe „Aposteltreffen“ (ZEIGAN, Aposteltreffen in Jerusalem, S. XV) oder „Missionskonvent“ (WEHNERT, Reinheit, S. 11). Da es sich bei dieser Versammlung um das erste derartige Ereignis in einer langen Reihe von weiteren, ebenfalls der Klärung von Sachfragen und Streitpunkten dienenden Zusammenkünften handelte, die in der Geschichte der christlichen Kirche(n) als Konzilien stattfanden, wird in dieser Arbeit der Begriff „Apostelkonzil“ verwendet. Damit wird vor allem der Tatsache Rechnung getragen, dass, auch wenn nicht Vertreter aller damals bereits bestehenden Gemeinden anwesend waren, die Beschlüsse des Apostelkonzils doch „gesamtkirchliche Verbindlichkeit“ hatten (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 222). 157 Dass Lukas es vermeidet, die Herkunft derer, die in Antiochia den Gemeindefrieden stören, mit Jerusalem anzugeben und stattdessen Judäa nennt, wird mit der harmonisierenden Tendenz des Lukas zusammenhängen. Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 228f.
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Beschneidung der Heiden bestanden, in Frage gestellt wurde. Zur Klärung dieses Streites war eine Gesandtschaft um Paulus und Barnabas nach Jerusalem geschickt worden (Apg 14,27–15,3). Auf dem Apostelkonzil wurde nach Lukas auf Vorschlag des Jakobus diesbezüglich beschlossen, den Heidenchristen zwar nicht die Einhaltung des gesamten Gesetzes, aber folgender vier Vorschriften aufzuerlegen: die Enthaltung von Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktem und Unzucht (Apg 15,19ff.).158 Dieser Beschluss wurde anschließend mittels einer Gesandtschaft (V.22, vgl. Vv.25–27) als Schreiben zur Gemeinde in Antiochia gesandt, um deren Anfrage zu beantworten. Bei dem Schreiben handelt es sich um das sogenannte Aposteldekret (Vv.23–29). Für die in diesem Zusammenhang die Mission lenkende Funktion des Heiligen Geistes sind die Vv.28–29a genauer zu betrachten, in denen sich die Formulierung des Beschlusses bezüglich der Auflagen für die Heidenchristen findet: „Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch auch nicht mehr Last aufzuerlegen außer diese Dinge notwendigerweise, sich zu enthalten von Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktem und Unzucht.“159 In V.28 werden – vor den Auflagen selbst – zunächst die Beschlussfassenden genannt. Unter diesen wird, den Verfassern des Schreibens („wir“) vorangestellt und damit als erster Beschlussfassender gekennzeichnet, der Heilige Geist genannt: ἔδοξεν γὰρ τῷ πνεύµατι τῷ ἁγίῳ καὶ ἡµῖν. Der Geist wird an dieser Stelle also mit zu denen gezählt, die das Aposteldekret beschlossen haben. Dabei stammt der Hinweis auf die Beteiligung des Heiligen Geistes an dem Beschluss – so stellt Lukas es jedenfalls dar – allein von den Verfassern des Aposteldekrets. Denn in dem Bericht über die auf dem Apostelkonzil geführten Diskussionen, die der Beschlussfassung vorangingen, ist nicht davon die Rede, dass der Geist sich an der Lösung der Frage nach den Auflagen für die zum christlichen Glauben bekehrten Heiden direkt beteiligt, etwa 158 Nach der Darstellung des Paulus wurde auf dem Apostelkonzil hingegen beschlossen, den Heiden keine Auflagen zu machen (Gal 2,6–10). Diese beiden sich widersprechenden Ausführungen zu den Beschlüssen des Apostelkonzils von Paulus und Lukas sind nicht miteinander zu vereinbaren. Die größere historische Zuverlässigkeit ist Paulus zuzuschreiben, da er am Apostelkonzil teilgenommen hat. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Paulus in Gal 2 die vier Vorschriften des Aposteldekrets unerwähnt gelassen hat, denn seine Argumentation beruht gerade fundamental darauf, dass den Heidenchristen keine Vorschriften gemacht wurden. Es gibt viele Versuche, die disparaten Angaben von Paulus und Lukas zueinander in Beziehung zu setzen. Eine umfassende neuere forschungsgeschichtliche Studie bietet ZEIGAN, Aposteltreffen in Jerusalem. Plausibel erscheint die Annahme, dass das Aposteldekret erst einige Zeit nach dem Apostelkonzil, wahrscheinlich ebenfalls in Jerusalem, den Heidenchristen (von Jakobus) auferlegt wurde, womöglich im Zusammenhang mit dem sogenannten Zwischenfall in Antiochia (Gal 2,11–21). Lukas hätte dann in seinem Bericht vom Apostelkonzil zwei voneinander getrennte Ereignisse vermischt. Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 226f. 159 Vgl. zu diesen Bestimmungen auch Apg 15,20; 21,25.
3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
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indem er den Versammelten die Auflagen anbefiehlt oder gar diktiert. Es stellt sich folglich die Frage, worauf diese Aussage, der Geist sei einer der Beschlussfassenden, Bezug nimmt bzw. wie sie für Lukas zustande kommt. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Formulierung von V.28 nicht bedeuten kann, dass der Geist als in den Beschlussfassenden wirkend gedacht ist160, etwa im Sinne einer Inspiration (hier würde man eine Formulierung erwarten wie: „Wir haben durch den Heiligen Geist beschlossen“). Der Heilige Geist ist hier von Lukas vielmehr als personales Gegenüber dargestellt, da er genauso wie die versammelten Apostel und Ältesten logisches Subjekt des Teilsatzes ist.161 Möglich wäre, dass sich der Hinweis auf eine im Vorfeld von Lukas berichtete Äußerung des Geistes bezieht. In Betracht kommen Ereignisse, bei denen der Geist im Zusammenhang mit der Heidenmission genannt wird, also die im Vorangehenden besprochenen Perikopen um Philippus und den Kämmerer einerseits sowie um Petrus und Kornelius andererseits. Wie oben dargestellt, hatte der Geist sowohl Philippus (Apg 8,29) als auch Petrus (Apg 10,19) zur Heidenmission aufgefordert und damit dazu hingelenkt und gleichzeitig legitimiert, dass der Adressatenkreis der Evangeliumsverkündigung erweitert wurde. Von einer Vorgabe des Geistes für die von den Heidenchristen einzuhaltenden Auflagen wird jedoch in diesen Erzählungen nicht berichtet. Der Geist hat also auch im Rahmen der durch ihn erfolgten Lenkung der Mission hin zu den Heiden die Auflagen für die Heidenmission nicht angewiesen. Gegenüber den ersten bekehrten Heiden, dem äthiopischen Kämmerer und dem römischen Hauptmann Kornelius, hat sich nach der Darstellung der Apostelgeschichte die Frage nach den Geboten, die diese als zum christlichen Glauben Bekehrte einhalten sollen, noch nicht gestellt. Vielmehr berichtet Lukas davon, dass die Frage nach den Auflagen erst im Nachhinein aufkam, weil die Gemeinde in Antiochia die Mission ohne Auflagen betrieben hat, die Jerusalemer aber auf Beschneidung der Heiden bestanden. Das Aposteldekret weist in V.28a demnach nicht aufgrund einer zuvor erfolgten konkreten Äußerung des Heiligen Geistes hinsichtlich der Auflagen für die Heidenmission auf dessen Beteiligung hin. Aber man kann annehmen, dass sich diese Geist-Beteiligung für die lukanische Konzeption aus der bisher aufgezeigten Funktion des Geistes in der Entwicklung der Mission ergibt162: Weil der als personales Gegenüber auftretende Geist die Ausrichtung der Mission auch an die Heiden veranlasst hat, muss er in der Folge auch für die in diesem Zusammenhang notwendigen Auflagen als zuständig angesehen werden. Der Heilige Geist hat die Auflagen für die Heidenmission also nicht 160
Anders JERVELL, Apostelgeschichte, S. 401. Zum Heiligen Geist als personales Gegenüber sowie zur Unterscheidung von der Wesensvorstellung des Geistes als Kraft s. II.1.2. 162 Vgl. BARRETT, Acts 2, S. 744. 161
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direkt angewiesen, sondern die Formulierung „der Heilige Geist und wir haben beschlossen“ drückt aus, dass der Geist, den die Gemeinde bisher als Lenker der Mission hin zu den Heiden erfahren hat, auch in Bezug auf die nötig gewordenen Auflagen für die Heidenmission als zu diesen hinlenkende göttliche Instanz begriffen wird, so dass sich die bereits bestehende Missionsrichtung hinsichtlich der Gebote für die Heidenchristen konkretisiert.163 Die dem Beschluss des Aposteldekrets vorangehenden Verhandlungen auf dem Apostelkonzil (Apg 15,6–21) zeigen, dass „die menschlichen Bemühungen fairer Meinungsbildung nicht überflüssig“164 werden, auch wenn der Heilige Geist nach Lukas hinsichtlich des Beschlusses eine lenkende Funktion hat. So treffen die Versammelten den Beschluss in dem Wissen, dass dies der Wille des Heiligen Geistes ist165, der sie bereits dazu geleitet hat, den Heiden das Evangelium zu verkündigen. Da das Aposteldekret insofern auch ein Beschluss des Heiligen Geistes ist, ist es göttlich legitimiert. Dass Lukas nicht Gottvater oder Jesus als den das Aposteldekret Mitbeschließenden und auf diese Weise Legitimierenden nennt, sondern den Heiligen Geist, unterstreicht die zentrale Rolle, die dem Heiligen Geist nach lukanischer Darstellung für die christliche Gemeinde zukommt. Er ist es, der der Gemeinde die Verbindung zu Gottvater und Jesus gewährt. Daher ist er auch, in diesem Fall als eigenständiges, personales Gegenüber, die göttliche Autoritätsinstanz, die die Apostelversammlung zu dem Beschluss des Aposteldekrets hingelenkt hat. 3.2.4 Der Weg nach Europa (Apg 16,6f.) Die bisher behandelten Passagen haben gezeigt, dass der Heilige Geist die Mission der christlichen Gemeinde zu den Heiden gelenkt und diese – eine Erweiterung des Adressatenkreises der Evangeliumsverkündigung darstellende – Ausrichtung legitimiert hat. In einer späteren Passage der Apostelgeschichte geht die durch den Geist gegebene Lenkung der Mission über diesen 163
Auch McIntosh interpretiert ἔδοξεν τῷ πνεύµατι τῷ ἁγίῳ vom weiteren und näheren Kontext her und kommt schließlich zu der Auffassung, dass sich die Offenbarungen des Heiligen Geistes hinsichtlich des Beschlusses des Aposteldekrets, die in Apg 10–14 zu finden sind, in den drei Reden des Apostelkonzils von Petrus (Apg 15,7b–11), Barnabas und Paulus (Apg 15,12) sowie Jakobus (Apg 15,13–21) wiederfinden. Vgl. MCINTOSH, For it seemed good to the Holy Spirit. Im Einzelnen interpretiert McIntoshs Argumentation jedoch viele Wirkungen des Geistes in die Kapitel Apg 10–14 hinein, wo von Lukas keine genannt werden (besonders in Bezug auf die Mission des Paulus und die in diesem Zuge sich ereignenden Zeichen und Wunder), so dass die sich darauf stützende Argumentation in Bezug auf die Reden in Apg 15 nicht schlüssig ist. Demgegenüber führt diese Arbeit den Hinweis auf den Heiligen Geist als Beschlussfassenden auf die lenkende Funktion des Heiligen Geistes zurück, die ihm in der Ausrichtung der Mission an die Heiden zukam. 164 WEISER, Apostelkonzil, S. 165. 165 Vgl. auch WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 234.
3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
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Kontext der Heiden als neuer Adressatenkreis noch hinaus. In Apg 16,6–10 berichtet Lukas von durch den Geist verursachten Beschränkungen auf der zweiten Missionsreise (Apg 15,36–18,22) des Paulus166 und seiner Begleiter, von denen Silas (Apg 15,40) und Timotheus (Apg 16,3) namentlich genannt sind. In zwei Fällen werden geplante Reisen167 dieser Missionare vom Geist verhindert. Zunächst ist die Gruppe um Paulus in Phrygien und Galatien unterwegs, ihnen wird aber vom Heiligen Geist (ἅγιον πνεῦµα) verwehrt, das Wort in der Provinz Asien zu reden (V.6). Der Geist gibt im Gegenzug aber nicht Auskunft darüber, wohin diese Evangeliumszeugen stattdessen reisen sollen, so wie er es bei Philippus (Apg 8,29) und Petrus (Apg 10,29) konkret getan hatte. Deshalb müssen Paulus und die anderen Missionare versuchen, den richtigen Weg selbst herauszufinden. Allerdings gelingt ihnen dies auch ein weiteres Mal nicht, so dass sie ihre Pläne erneut ändern müssen. Denn als sie nun zwar bis nach Mysien gekommen sind, lässt sie der Geist Jesu (πνεῦµα Ἰησοῦ)168 nicht weiter nach Bithynien reisen (V.7), so dass sie wieder umkehren müssen und hinab nach Troas kommen (V.8). Erneut hindert der Geist die Missionare also daran, einen angestrebten Zielort zu erreichen, und lenkt auf diese Weise den Weg der Evangeliumsverkündigung, wiederum ohne einen Hinweis auf die stattdessen von den Missionaren zu wählende Route zu geben. Der Geist erscheint in den Vv.6f. als göttliche Instanz, die etwas verhindern und verbieten kann und in diesem Sinne nach lukanischer Darstellung auch personalisiert gedacht wird, da der Geist (logisches) Subjekt der Verben κωλύω und ἐάω ist.169 Er legt fest, dass durch bestimmte Missionare zu einer 166
Schon die Berufung des Paulus zum Missionar wurde von Lukas auf den Geist zurückgeführt (Apg 13,2.4). S. dazu I.3.4.4. 167 Dass es sich in Apg 16,6–10 um einen Reisebericht handelt, wird vor allem durch die auffällig zahlreichen Verben des Weges und der Bewegung (διέρχοµαι, ἔρχοµαι, πορεύοµαι, παρέρχοµαι, καταβαίνω, ἐξέρχοµαι, διαβαίνω) deutlich. 168 Die Bezeichnung πνεῦµα Ἰησοῦ ist im lukanischen Doppelwerk und im gesamten Neuen Testament einmalig. Da im vorangehenden V.6 von πνεῦµα ἅγιον die Rede ist und die Aussagen in der Sache identisch sind, nämlich dass der Geist eine bestimmte eingeschlagene Missionsroute verhindert, ist davon auszugehen, dass πνεῦµα Ἰησοῦ lediglich eine andere Bezeichnung für πνεῦµα ἅγιον ist. Dass in dieser lukanischen Terminologie dem Geist das Genitivattribut „Jesu“ hinzugefügt werden kann, ist verständlich aufgrund der Tatsache, dass Jesus nach der Darstellung des Lukas als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wurde und daher der Geist von Gottvater über Jesus zu der Gemeinde gekommen ist (s. I.2.2). Durch den Ausdruck πνεῦµα Ἰησοῦ wird deshalb hervorgehoben, dass der erhöhte Jesus durch den Geist bei seiner Gemeinde ist und in ihr wirkt. In diesem konkreten Fall in Apg 16,7 ist es explizit Jesus, der durch den Geist die Mission der Gemeinde lenkt. Vgl. STÄHLIN, πνεῦµα Ἰησοῦ, S. 234. 169 Alle Versuche, hinter diesem Eingreifen des Geistes entweder natürliche, auf den Missionsreisen auftretende Schwierigkeiten wie Krankheiten, Naturkatastrophen, andere Missionarsgruppen o. Ä. zu sehen oder aber vermitteltes Wirken des Geistes durch Prophe-
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bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort keine Mission stattfindet und lenkt auf diese Weise ebenfalls die Mission in eine bestimmte Richtung. Dieses regelrechte ,Verwirrspiel‘ des Geistes mit den Missionaren wird nun nicht vom Geist selbst aufgelöst, sondern dadurch, dass dem Paulus eine nächtliche Vision zuteilwird (V.9). Darin bittet ihn ein Mann aus Mazedonien: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns“ (διαβὰς εἰς Μακεδονίαν βοήθησον ἡµῖν). Aufgrund dieser Vision bemüht sich die Gruppe um Paulus170 sofort, nach Mazedonien zu gelangen (V.10). Das von dem Mazedonier erbetene Helfen (βοηθέω) wird demnach auf ihre Missionstätigkeit bezogen, die mittels der Evangeliumsbotschaft Heil und Rettung bringt.171 So reisen die Missionare über Samothrake und Neapolis nach Philippi, das zur ersten Station der Evangeliumsverkündigung in Europa wird (Vv.11–12). Entscheidend ist, dass der damit erfolgte Übergang der Mission nach Europa laut dieser Darstellung in der Apostelgeschichte nicht auf einem menschlichen Entschluss beruhte, sondern geschah, weil ein göttlicher Befehl die Missionare gerufen hatte.172 So werden die auf die Vision folgenden Reisepläne der Missionarsgruppe begründet mit den Worten: συµβιβάζοντες ὅτι προσκέκληται ἡµᾶς ὁ θεὸς εὐαγγελίσασθαι αὐτούς („weil wir den Schluss zogen, dass Gott uns berufen hatte, ihnen das Evangelium zu verkündigen“) (V.10b). Die Missionare sind überzeugt, dass Gott sie nach Europa ten, Visionen oder Träume (vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 358f.; PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 101; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 241; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 205; ECKEY, Apostelgeschichte 2, S. 350), bleiben ohne Anhaltspunkt im Text. Diese Überlegungen sind m.E. auch nicht notwendig, da Lukas an dieser Stelle – wie die Ausführungen zu Apg 8,29.39 und Apg 10,19 zeigen – nicht zum ersten Mal davon spricht, dass der Geist unmittelbar in die Geschehnisse eingreift und so auch in Apg 16,6f. von seinem direkten Wirken auszugehen ist. Vgl. auch WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 405. 170 In Apg 16,10 berichtet der Erzähler der Apostelgeschichte zum ersten Mal in der 1. Person Plural (ἐζητήσαµεν). Weitere solcher Stellen finden sich in Apg 20,5.13; 21,1; 27,1. Die betreffenden Abschnitte werden deshalb als Wir-Stücke oder Wir-Passagen bezeichnet. Umstritten ist, worauf die Verwendung der 1. Person Plural an den oben genannten Stellen beruht. In der Forschung werden grundsätzlich drei Erklärungsmodelle vertreten: Einige nehmen als Grund für das „Wir“ an, dass diese Passagen auf die Quelle (Itinerar) zurückzuführen sind, die Lukas für seine Reiseberichte verwendete, dass er aus dieser Quelle also auch die 1. Person Plural übernahm. Vgl. u.a. DIBELIUS, Stilkritisches, S. 30f.; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 238f. Alternativ wird davon ausgegangen, dass es sich um ein Stilmittel handelt, mit dem der Autor Augenzeugenschaft fingieren wollte, um damit die Zuverlässigkeit des Geschilderten hervorzuheben. Vgl. WEHNERT, WirPassagen. Als weitere Erklärung wird geboten, dass der Autor des lukanischen Doppelwerks selbst bei diesen Missionswegen als Paulusbegleiter mitgereist sein könnte und an diesen Stellen als Augenzeuge von seinen eigenen Erlebnissen berichtet. Vgl. u.a. THORNTON, Zeuge; ECKEY, Apostelgeschichte 2, S. 352; WOLTER, Lukasevangelium, S. 7–9. 171 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 102. 172 Vgl. FITZMYER, Acts, S. 577; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 416.
3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
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gerufen hat. Diese göttliche Berufung zu der Mission erfolgte im Vorhinein explizit durch die Vision, in der Paulus nach Mazedonien gebeten wurde (V.9). Allerdings ging dieser Vision den Berichten des Lukas zufolge eine andere göttliche Führung voraus, denn der Heilige Geist hatte Paulus und seinen Begleitern das Reisen auf den von ihnen angestrebten Routen mehrfach verwehrt (Vv.6–8). Man muss daher den in V.10b genannten Ruf Gottes nicht nur auf die Vision, sondern auch auf diese lenkenden Eingriffe des Geistes beziehen. Dabei kann die durch den Geist erfolgende göttliche Weisung nach Europa als indirekt bezeichnet werden.173 Weil der Geist die Gruppe um Paulus davon abhielt, in andere, in entgegengesetzter Richtung liegende Gebiete zu reisen, sind sie nun frei für den Weg nach Europa, der ihnen von der Vision anempfohlen wird. Wie schon in Apg 8,26–40 und Apg 10,1–11,18 berichtet Lukas also auch an dieser Stelle von der göttlichen Lenkung der Mission durch den Heiligen Geist, hier in Verbindung mit einer Vision. Wiederum bedeutet diese durch Geist und Vision gegebene göttliche Lenkung, dass der Schritt der Evangeliumsverkündigung nach Europa von Gott legitimiert ist.174 Es wird also nicht nur die Ausrichtung der Mission hin zu den Heiden als neuen Empfängern der Verkündigung des Evangeliums vom Geist gelenkt, sondern auch die Erweiterung des Missionsgebietes175, wie in diesem Falle nach Europa. Anders als bei Philippus und Petrus gibt nicht der Geist den Missionaren konkrete Anweisungen, wohin sich ihre Evangeliumsverkündigung richten soll, sondern diese Anweisungen erfolgen in der Vision. Stattdessen schildert Lukas die Lenkung durch den Geist gleich zweimal so, dass dieser die Missionare daran hindert, auf den von ihnen geplanten Routen zu reisen. Im Vordergrund der Lenkung der Mission durch den Geist steht folglich nicht das Aufzeigen des richtigen, sondern das Verhindern des falschen Weges. So werden die in Apg 16,6–8 angestrebten Missionsreiseziele durch den Eingriff des Geistes als nicht den göttlichen Absichten entsprechend gekennzeichnet.176 Dieser Gedankengang führt letztlich weiter zu der Annahme, dass es nach Lukas einen göttlichen Plan für die Ausbreitung des Evangeliums gibt, dessen Einhaltung vom Geist gleichsam ,überwacht‘ wird. Da diejenigen, die aufgrund der Missionstätigkeit der christlichen Gemeinde das Evangelium 173
Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 241. Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 405. 175 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 204. 176 In diese Richtung weist auch eine textkritische Variante von Apg 19,1f. Dort ist in einigen Textzeugen ( 38vid, D, syhmg) belegt: „Als Paulus nach seinem eigenen Willen nach Jerusalem reisen wollte, sagte ihm der Geist, dass er nach Asien umkehre; er durchzog aber die höher gelegenen Teile und kam nach Ephesus.“ Diese Textvariante zeigt auf, wie der Geist die Pläne des Missionars Paulus durchkreuzt und ihm einen anderen Weg zeigt, durch den er zu den Jüngern nach Ephesus kommt und diese durch die ,richtige‘, christliche Taufe zu geistbegabten Christen macht. S. dazu I.3.3.4. 174
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annehmen, Heil empfangen177, kann dieser Missionsplan Gottes als Heilsplan bezeichnet werden. Der Heilige Geist ist für Lukas damit so etwas wie der ,Motor‘ des göttlichen Heilsplans. 3.2.5 Der Weg in die Welthauptstadt (Apg 19,21; 20,22) Weitere Hinweise auf die Rolle des Heiligen Geistes in Bezug auf die Ausbreitung der Mission finden sich im letzten Teil der Apostelgeschichte (Apg 19,21–28,31), in dem es um den Weg des Paulus nach Jerusalem und Rom geht. Dass die Mission des Paulus vom Geist gelenkt wird, war schon zuvor in Apg 16,6f. deutlich geworden; der Geist hatte Paulus außerdem in Apg 13,2.4 als Missionar auserwählt.178 Im Rahmen des oben genannten Schlussteils der Apostelgeschichte ist in Bezug auf diese paulinische Mission zweimal von einer die Richtung bestimmenden Wirkung des Geistes die Rede. Das erste Mal gleich in dem diesen Teil der Apostelgeschichte einleitenden Vers Apg 19,21. Dort wird berichtet, dass Paulus sich vornahm, zunächst (über Mazedonien und Achaja) nach Jerusalem und daran anschließend nach Rom zu reisen. Diesen Entschluss hat er nach lukanischer Darstellung im Geist (ἐν τῷ πνεύµατι) getroffen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie ἐν τῷ πνεύµατι hier zu verstehen ist: Ist damit der menschliche Geist des Paulus gemeint und bedeutet „im Geist“ deshalb „bei sich selbst“179 oder wird hier auf den Heiligen Geist verwiesen? Um die Frage beantworten zu können, muss die zweite Erwähnung des Geistes hinsichtlich derselben Reiseabsichten des Paulus betrachtet werden. Diese findet sich innerhalb der Abschiedsrede, die Paulus an die Ältesten von Ephesus richtet (Apg 20,17–38). In Bezug auf seine zukünftigen Reisepläne und den Geist sagt Paulus nach lukanischer Darstellung in dieser Rede Folgendes: „Und nun siehe, gebunden im Geist gehe ich nach Jerusalem, obwohl ich nicht weiß, was mir dort begegnet, außer dass der Heilige Geist mir in den einzelnen Städten bezeugt und sagt, dass Fesseln und Bedrängnisse mich erwarten“ (Vv.22f.). Paulus macht deutlich, dass er seine geplante Reise nach Jerusalem unternimmt, weil der Geist ihn daran bindet und er damit in Bezug auf seinen weiteren Missionsweg ein im Geist Gebundener (δεδεµένος τῷ πνεύµατι) ist. Das Verb δέω („fesseln“) kommt im lukanischen Doppelwerk nur an dieser Stelle im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist vor. Lukas verwendet das Verb im Folgenden allerdings häufig im Zusammenhang mit den die Gefangenschaft des Paulus betreffenden Fesseln (Apg 21,11.13.33; 22,29; 24,27), so dass die Wortwahl δεδεµένος in V.22 auf die Gefangen177
Zu diesem Zusammenhang s. I.2.2.2; I.3.3. S. dazu I.3.4.4. 179 HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 545; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 274; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 486. 178
3.2 Die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission
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schaft hindeutet und diese in Verbindung gebracht wird mit dem die Mission lenkenden Geist. Warum die Tatsache, dass der Geist den Weg des Paulus führt, an dieser Stelle als Bindung oder Fesselung beschrieben wird, erschließt sich von dem folgenden V.23 her. Hier wird ausgesagt, dass der Geist dem Paulus Fesseln und Bedrängnisse, die ihn in Jerusalem treffen werden, bereits vorher bezeugt hat.180 Das bedeutet, dass der Heilige Geist Paulus einerseits über die Gefahr, in die er sich in Jerusalem begibt, in Kenntnis setzt, ihn aber gleichzeitig trotz der Bedrohung an diese Reise bindet. Paulus kann also aufgrund des ihn leitenden Heiligen Geistes seinem Schicksal nicht entfliehen, selbst wenn er es wollte, was angesichts der angekündigten Bedrängnisse verständlich wäre. Der Grund dafür, dass der Geist Paulus an den Weg nach Jerusalem und Rom bindet, obwohl große Unannehmlichkeiten auf ihn warten, kann nur darin gesehen werden, dass diese Reise des Paulus einem höheren Zweck dient, der in der Erfüllung des göttlichen Missionsplans liegt. Dies wird zum einen durch die von Paulus selbst in dem anschließenden V.24 ausgeführte Einsicht nahe gelegt, dass sein Leben geringer zu achten ist als das Ziel, sein Verkündigungsamt auszuführen (vgl. auch Apg 21,13). Dafür spricht zum anderen, dass nach der Darstellung der Apostelgeschichte diese von Gefangenschaft geprägte Reise des Paulus in Rom damit endet, dass dieser in aller Freimut (παρρησία)181 das Evangelium in der damaligen Welthauptstadt verkündigen kann (Apg 28,31).182 Dies entspricht dem bereits in Apg 1,8 vorgegebenen Zweck der Mitteilung des Heiligen Geistes an die Gemeinde durch Jesus, wonach das Evangelium bis an das Ende der Erde verkündigt werden soll. Entscheidend ist in Gottes Missionsund Heilsplan also nicht das Einzelschicksal des Paulus, sondern die Ankunft der Mission der christlichen Gemeinde – allen Gefahren und Bedrängnissen zum Trotz – im Zentrum der damaligen Welt. Es ist nach Lukas der Heilige Geist, der dafür sorgt, dass die Mission, in diesem Fall in Form der Missionstätigkeit des Paulus, auch trotz äußerer Widerstände den von Gott bestimmten 180
An dieser Stelle ist Paulus ein durch den Geist prophetisch Begabter. Im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte wird deutlich, dass das Wissen um die Bedrängnisse, die Paulus auf seiner Reise nach Jerusalem und Rom erwarten, auch einigen anderen Personen (Jünger in Tyrus, Agabus), denen Paulus auf seinem Weg begegnet, vom Geist offenbart wird (Apg 21,4.11). Obwohl aber mehrfach vor diesem Unheil gewarnt wird, kann es als Teil des göttlichen Heilsplanes nicht abgewendet werden. S. dazu I.3.4.3. 181 Zu παρρησία als Wirkung des Heiligen Geistes s. I.3.1.2. 182 Das Ende der Apostelgeschichte verschweigt das nicht unwesentliche Detail, dass Paulus in Rom seinen Märtyrertod findet. Dieser bewusst gewählte Abschluss der Apostelgeschichte zeigt die „spezifische Perspektive der lukanischen Geschichtsdeutung“ (FELDMEIER, Gottes Volk, S. 213). Lukas stellt mit seiner Darstellung in den Vordergrund, dass auch Bedrängnisse und gar der Tod den Weg der Evangeliumsbotschaft in die gesamte Welt nicht aufhalten können. Die damalige Welthauptstadt Rom soll nicht als Ort des Todes des Paulus, sondern der erfolgreichen Evangeliumsverkündigung gelten.
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Weg findet. Wie schon in Apg 16,6f. lenkt der Geist also auch den Missionsweg des Paulus nach Rom als ,Motor‘ des göttlichen Heilsplans. Vor diesem Hintergrund ist nun auch die oben genannte erste Textstelle Apg 19,21 zu verstehen, an der Paulus von seiner geplanten Reise nach Jerusalem und Rom in Verbindung mit einem Geist spricht. Die Ausführungen zu Apg 20,22 zeigen183, dass Paulus seinen Beschluss, zuerst nach Jerusalem und anschließend nach Rom zu reisen, nur fassen kann, wenn er es sich „im Geist“ vornimmt.184 Da der Heilige Geist die Mission des Paulus lenkt, können seine Reisepläne lediglich im Einklang mit diesem Geist und nicht in Eigenmächtigkeit geschehen. Deshalb meint ἐν τῷ πνεύµατι in Apg 19,21 nicht den menschlichen Geist des Paulus, sondern den Heiligen Geist. „Im Geist“ bedeutet folglich „in der Übereinstimmung mit Gottes Ratschluss, der ihn dahin weist“185 und dem er sich fügt. Das in V.21b auftretende δεῖ186 zeigt in diesem Zusammenhang an, dass es im Rahmen des göttlichen Heilsplans notwendig ist, dass der Geist den Weg des Paulus nach Rom lenkt.187 In diesem Sinne hat der lenkende Geist hier auch legitimierende Funktion, da auch die Leiden, die Paulus in der Gefangenschaft bevorstehen, als zu Gottes Heilsplan gehörend gekennzeichnet werden. Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Heilige Geist nach Lukas in der Frage, an wen sich die Missionstätigkeit der christlichen Gemeinde richtet und wohin sie sich ausbreitet, die maßgebliche Instanz darstellt. Lukas misst dem Geist diese lenkende Funktion zum ersten Mal in der Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde zu, als sich der Kreis der Adressaten des Evangeliums Schritt für Schritt von den Juden hin auch zu den Heiden öffnet. So zeigen die Eingriffe des Geistes in die Missionstätigkeit des Philippus, die diesen zur Evangeliumsverkündigung an und zur Taufe des äthiopischen Kämmerers als erstem Gottesfürchtigen veranlassen (Apg 8,26–40), dass Lukas dem Geist die ausschlaggebende göttliche Autorität in Bezug auf die Ausrichtung der Mission zuweist. Dies wird besonders 183
Vgl. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 233. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Lukas konsequent verschweigt, dass nach den eigenen Angaben des Paulus die Kollekte für Jerusalem der ausschlaggebende Grund für diese Reise war (Röm 15,25–27): „Für ihn ist der wahre Grund des Entschlusses Gottes Wille und Plan“ (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 289). Ein einziges Mal erwähnt der lukanische Paulus die Kollekte in Apg 24,17. 185 ECKEY, Apostelgeschichte 2, S. 443. 186 In Apg 9,16; 23,11; 27,24 finden sich weitere Belege für δεῖ als Bezeichnung der Notwendigkeit des Leidens des Paulus für das Evangelium. 187 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 203; COSGROVE, ∆ΕΙ, S. 189. 184
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daran deutlich, dass der Geist in dieser Perikope, wohl um die Personalität des Geistes zu verdeutlichen, mit dem Engel parallelisiert wird, dass es aber nicht der Engel ist, welcher letztlich die entscheidende Initiative für die neue Adressatenorientierung des Philippus hat, sondern dass diese dem Geist zukommt. Die lenkende Funktion des Heiligen Geistes zeigt an, dass die mit dem Äthiopier beginnende Öffnung des Kreises der Verkündigungsempfänger keine menschliche Entscheidung war, sondern allein auf dem durch den Geist angezeigten Willen Gottes beruhte. In gleicher Weise ist der Heilige Geist der die Missionstätigkeit Lenkende in der Erzählung, dem Lukas grundsätzliche Bedeutung für die Ausrichtung der christlichen Mission zuweist, nämlich der Mission des Petrus an Kornelius (Apg 10,1–11,18). Dass es hier innerhalb der Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde zu der offiziellen Anerkennung der Evangeliumsverkündigung an die gottesfürchtigen Heiden kommt und damit die Ausrichtung der Mission generell in diesem Sinne bestimmt wird, ist für Lukas letztlich eine Folge des lenkenden Eingriffs des Heiligen Geistes. Denn erst die Anweisung des Geistes an Petrus überwindet das bestehende Problem des für Judenchristen wie Petrus untersagten Kontaktes mit Nichtjuden, jenes Kontaktes, der für die vorgesehene Verkündigungstätigkeit unabdingbar ist. Die herausgehobene göttliche Autorität, die Lukas dabei dem personalen Geist zumisst, wird deutlich im Vergleich mit Engel und Vision, die beide ebenfalls der göttlichen Führung des Geschehens dienen; die entsprechenden Interventionen können die Zuwendung des Petrus an Kornelius zwar vorbereiten, führen aber noch nicht zum Erfolg. Die Zweifel des Petrus werden erst vom Heiligen Geist überwunden. Außerdem legitimiert der Geist nach Lukas auf diese Weise gleichzeitig die Vorgehensweise des Petrus. Von dieser lenkenden Rolle des Geistes in der Frage der Durchsetzung der Heidenmission ausgehend ist es nachvollziehbar, dass Lukas den Heiligen Geist in Apg 15,28f. als an der Beschlussfassung des Aposteldekrets Beteiligten nennt. Hatte der Geist bisher schon die Evangeliumsverkündigung an die Heiden veranlasst, so ist er auch zuständig, wenn sich die Heidenmission hinsichtlich der von den Heidenchristen einzuhaltenden Gebote konkretisiert. Dabei hat der Geist die Gebote nicht direkt angewiesen, sondern die beschlussfassende Versammlung weiß sich in Einklang mit dem bisher die Geschicke der Heidenmission lenkenden Geist. Der Heilige Geist spielt nach lukanischer Darstellung aber nicht nur bei der Frage nach den Adressaten der Evangeliumsverkündigung eine Rolle, sondern er ist auch für die Ausbreitung des Missionsgebietes zuständig. In Apg 16,6–10 wird deutlich, dass die vom Geist vorgenommene Verhinderung des Beschreitens der von den Missionaren um Paulus geplanten Missionswege letztlich dem göttlichen Ruf der Missionare nach Europa diente. Die Tatsache, dass der Geist an dieser Stelle lediglich Wege verwehrt, wohingegen die konkrete Handlungsanweisung durch eine Vision gegeben wird, macht
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offenbar, dass der Heilige Geist nach Lukas für die Einhaltung des göttlichen Missions- und Heilsplan zuständig ist. Zuletzt wird in Apg 19,21; 20,22 deutlich, dass Paulus vom Geist über Jerusalem nach Rom geführt wird, indem er ihn an diese Reise bindet, obschon er ihm gleichzeitig das ihn erwartende Leid offenbart. Dass Paulus als Gebundener des Geistes diesen Weg gehen muss, dient der Erfüllung des göttlichen Missionsplans. Dieser soll sicherstellen, dass das Evangelium die Enden der Erde, zunächst jedoch die als bedeutende Zwischenstation anzusehende damalige Welthauptstadt Rom erreicht. Diesem Ziel wird das Einzelschicksal des Paulus untergeordnet; auch diese Entscheidung wird von dem Heiligen Geist legitimiert. Nur mithilfe des die Missionsgeschicke lenkenden und gleichzeitig legitimierenden Geistes ist die Botschaft des Evangeliums nach der Darstellung des Lukas zum einen (personell) bei den (gottesfürchtigen) Heiden und zum anderen (lokal) in der Welthauptstadt Rom angekommen. Dabei agiert der Geist an diesen Stellen auffällig häufig als personales Gegenüber, was dem dadurch ausgedrückten unmittelbaren Gotteswillen eine besondere Autorität verleiht. Mit der lenkenden Funktion des Geistes macht Lukas diese göttliche Autorisierung der wesentlichen Schritte der Ausrichtung und Ausbreitung der Mission deutlich und weist dem Geist diesbezüglich die entscheidende Rolle zu.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk 3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
Die in den beiden vorangehenden Abschnitten I.3.1 und I.3.2 erörterten Zusammenhänge betrafen die Bedeutung des Heiligen Geistes für die durch die Gemeinde Jesu erfolgende Verkündigung und Mission. Demgegenüber wird es in diesem Abschnitt hauptsächlich um die Konstitution der Gemeinde gehen. Diese schwerpunktmäßige Verschiebung der Perspektive auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Gemeinde ergibt sich bereits aus der zentralen Geist-Verheißung Jesu. Denn Jesus hatte den Geist einerseits für die Evangeliumsverkündigung in der gesamten Welt zugesagt (Apg 1,8; Lk 24,49) und andererseits für die Eingliederung in die Heilsgemeinschaft und in diesem Sinne als Alleinstellungsmerkmal versprochen (Apg 1,5). Im Anschluss an den letztgenannten Aspekt der Geist-Verheißung stellt Lukas an zahlreichen Stellen dar, dass dem Heiligen Geist eine wesentliche Rolle für die Aufnahme der Jesusanhänger in die Heilsgemeinschaft bzw. in das Gottesvolk zukommt. Im Folgenden sollen daher die für diesen Zusammenhang relevanten Perikopen Apg 2,37–41; 8,5–25; 10,1–11,18; 19,1–7 sowie die weiteren Belegstellen Apg 5,32; 9,17.31; 13,52 im Hinblick auf diese Frage erörtert werden.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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3.3.1. Die (Neu-)Definition des Gottesvolkes (Apg 2,38) Nach der Darstellung des Lukas in der Apostelgeschichte war es Petrus, der dem Auftrag zur Evangeliumsverkündigung als erster nachkam und direkt im Anschluss an die zu diesem Zweck erfolgte ,Ausrüstung‘ mit der initiatorischen Geistesgabe predigte (Apg 2,14–40). Diese sich gleich an Pfingsten ereignende erste Predigt erzielt sogleich die beabsichtigte bekehrende Wirkung, wie in Apg 2,37–41 geschildert wird. Bei dieser ersten Bekehrung erhält der Heilige Geist insofern eine besondere Bedeutung, als in Apg 2,38 den Bekehrten der Empfang des Geistes in Aussicht gestellt wird und der Geist damit als Geschenk für all diejenigen in den Blick kommt, die zum Glauben an Jesus gekommen sind. In den vorangehenden Abschnitten dieser Petrusrede (Apg 2,14b–36)188 wurde zum einen die zuvor erfolgte pfingstliche Ausgießung des Geistes gedeutet und erklärt (Vv.14–21.33) und zum anderen das Evangelium anhand von Ausführungen über Jesu Leben, Tod, Auferstehung und Erhöhung verkündigt (Vv.22–36).189 Daran anschließend wird in V.37 eine Reaktion der Hörer, bei denen es sich nach Apg 2,5.14.22.29 um Juden aus aller Welt handelt, auf die erfolgte Verkündigung des Petrus geschildert. Diese stellt gewissermaßen als „dialogisches Element“190 eine Unterbrechung der Petrusrede dar.191 Es wird berichtet, dass die Herzen der Anwesenden aufgrund ihres Hörens (ἀκούσαντες) des zuvor Gesagten „durchbohrt wurden“ (κατενύγησαν). Das verwendete Verb κατανύσσοµαι192 beschreibt in drastischer Weise die durchschlagende Wirkung der verkündigenden Worte des Petrus.193 Als Ort, an dem diese durchbohrende Predigt ihre Wirkung entfaltet, ist das Herz (καρδία) der Zuhörer genannt. Im Neuen Testament wird mit καρδία gemäß alttestamentlichem Menschenbild das „Innere des Menschen“194 bezeichnet. Daher bedeutet die Verwendung des Wortes zur Be188
Zu dieser Rede finden sich weitere Ausführungen in I.2.2.1; I.3.1.1. Die Zuteilung von Apg 2,33 zu beiden Thematiken zeigt, dass Christusverkündigung und Begründung der pfingstlichen Geistesgabe in der Petrusrede auch insofern zusammenhängen, als Jesus aufgrund seiner Erhöhung zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wurde. 190 SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 114. 191 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 125. Diese Unterbrechung stellt eine Besonderheit dar, da sie der einzige Fall einer Missionsrede in der Apostelgeschichte ist, in die eine Rückfrage der Zuhörer integriert ist. 192 Das Wort κατανύσσοµαι ist ein Hapaxlegomenon im Neuen Testament. An anderer Stelle, in Apg 7,54, drückt Lukas die im Herzen ankommende durchschlagende Wirkung der Verkündigung (hier derjenigen des Stephanus) mit dem bedeutungsverwandten Verb διαπρίω („durch und durch gehen“) aus. Vgl. auch Apg 5,33 ohne καρδία. 193 In Ps 108,16 LXX findet sich dieselbe Wortkombination von κατανύσσοµαι und καρδία. 194 SAND, καρδία, Sp. 616. 189
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zeichnung des Ankunftsortes der Predigt, dass diese ganz und gar in das Innere der zuhörenden Menschen eingeht und dieses so kräftig wie irgend vorstellbar bewegt. Darüber hinaus hat das Herz neutestamentlich die theologische Bedeutung des Bereichs, an dem sich die Frage der Annahme Gottes und seines Wortes entscheiden muss.195 Dies wird auch an zahlreichen Stellen im lukanischen Doppelwerk deutlich und tritt insbesondere innerhalb der lukanischen Version von Jesu Deutung des Sämann-Gleichnisses hervor. Wie der synoptische Vergleich zeigt, bezeichnen Lk 8,12 par. Mt 13,19 das Herz als Ort des gehinderten Glaubens. Nur Lukas weist zusätzlich in V.15 das Herz derjenigen, die das Wort hören und behalten, als den Ort des wachsenden Glaubens aus. Auch brannte nach Lukas den Jüngern, denen der Auferstandene auf dem Weg nach Emmaus die Schrift auslegte (Lk 24,32), das Herz. Im Gegensatz dazu haben diejenigen, die den Propheten nicht glauben, ein träges Herz (Lk 24,25); ebenso wirft Paulus dem seine Predigt ablehnenden Teil der römischen Judenschaft unter Verwendung von Jes 6,10 ein verstocktes Herz vor (Apg 28,27). Wenn der Satan das Herz erfüllt, führt dies zu völliger Abwendung von Gott (Apg 5,3).196 In Apg 2,37 drückt demnach die Nennung des Herzens als Ort, an dem die Petruspredigt ihre durchbohrende Wirkung entfaltet, aus, dass das verkündigte Evangelium dort Eingang gefunden hat, wo es ankommen muss, damit Glauben entsteht. Weil die zuhörenden Juden von seiner Predigt in derartiger Weise betroffen wurden, fragen sie Petrus und die übrigen Apostel197 danach, was sie tun sollen.198 Petrus setzt seine Predigt daraufhin mit folgender Antwort fort:199 „Kehrt um und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Μετανοήσατε, καὶ βαπτισθήτω ἕκαστος ὑµῶν ἐπὶ τῷ ὀνόµατι Ἰησοῦ Χριστοῦ εἰς ἄφεσιν τῶν ἁµαρτιῶν ὑµῶν καὶ λήµψεσθε τὴν δωρεὰν τοῦ ἁγίου πνεύµατος) (V.38). Dieser Vers besteht aus zwei Teilen: Zum einen werden die in Jerusalem versammelten Juden zu Umkehr
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Vgl. SAND, καρδία, Sp. 617. S. dazu I.3.5.2. 197 Schon in der Einleitung der Predigt in Apg 2,14 ist Petrus nur als Wortführer der zwölf Apostel genannt, weshalb sich die Frage nach dem notwendigen Handeln auch an alle Apostel richten kann. Vgl. SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 114. 198 Der Wortlaut dieser fragenden Reaktion (τί ποιήσωµεν) entspricht derjenigen der Hörer des Täufers Johannes (Lk 3,10.12.14). Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 125; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 61. 199 In I.2.1.4 wurde ausgeführt, dass die Reden nach einem bestimmten Schema konzipiert sind, bei dem auf die Anknüpfung an die Situation das Kerygma, der Schriftbeweis und die Bußmahnung folgen. Innerhalb der vorliegenden Petrusrede in Apg 2,14–40 stellen die Vv.38–40 die Bußmahnung dar und sind daher als Fortsetzung der Predigt des Petrus anzusehen. Vgl. auch SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 277. 196
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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(µετανοήσατε) und Taufe (βαπτισθήτω)200 aufgefordert. Zum anderen wird diesen der Empfang des Heiligen Geistes in Aussicht gestellt (λήµψεσθε τὴν δωρεὰν τοῦ ἁγίου πνεύµατος). Beide Versteile sind durch καί miteinander verbunden. Diese Zusammensetzung aus Imperativ + καί consecutivum201 + Futur stellt syntaktisch ein konditionales Satzgefüge dar202, wobei hier die Besonderheit einer zweiteiligen Protasis vorliegt. Petrus fordert seine Hörer also zu einem Handeln auf, das nach der Durchführung eine Folge nach sich ziehen soll, was andersherum bedeutet: „Umkehr und Taufe sind Bedingung des Geistempfangs.“203 Dass es sich bei dem letzten Teil der Antwort des Petrus allerdings keineswegs um eine gesicherte Zusage, sondern nur um eine mögliche Folge handelt, wird sich im Folgenden herausstellen. Für das Verständnis dieser Worte des Petrus ist zu beachten, dass der in V.38 vorliegende Inhalt eine auffallende Nähe zu Lk 24,47a (καὶ κηρυχθῆναι ἐπὶ τῷ ὀνόµατι αὐτοῦ µετάνοιαν εἰς ἄφεσιν ἁµαρτιῶν) aufweist, denn in diesem Teilvers ist genauso wie in Apg 2,38 von Umkehr, von dem Zweck der Sündenvergebung und von dem mithilfe der Präposition ἐπί ausgedrücktem Bezug zu Jesu Namen die Rede. Kurz vor seiner Himmelfahrt hat Jesus laut der Erzählung Lk 24,44–49 seine Jünger unter der Verheißung des Heiligen Geistes als zum Zeugnis Beauftragte eingesetzt, damit das in den Schriften über Jesus als den Christus Gesagte zur Erfüllung kommt.204 Nach Lk 24,46b–47a beinhaltet diese Erfüllung neben Passion und Auferstehung Jesu auch die (einen gleichrangigen Baustein darstellende) Verkündigung der Umkehr zur Vergebung der Sünden in Jesu Namen an alle Völker. Die mit dem Heiligen Geist ausgerüsteten Jünger Jesu sind Träger dieser Verkündigung (Lk 24,47b–49; vgl. Apg 1,8), indem sie die Umkehr zur Vergebung der Sünden predigen. Im Unterschied zum Umkehrruf des Täufers Johannes handelt es sich dabei nicht mehr um ein lediglich auf das Heil vorbereitendes Wirken, das dieses aber selbst nicht vermitteln kann, sondern der seitens der Jünger erfolgende Ruf zur Umkehr ist durch den Bezug auf das Christusgeschehen, der in dem Verweis auf den Namen Jesu erfolgt (ἐπὶ τῷ ὀνόµατι αὐτοῦ), unmittelbar das Angebot des in der Sündenvergebung bestehenden Heils. Während Petrus diesem Zeugenauftrag zum ersten Mal in seiner Pfingstpredigt nachkommt, ermahnt er (erst) in Apg 2,38 explizit – wie in Lk 24,47a befohlen – zur Umkehr. Es fällt jedoch auf, dass Petrus dem Verkündigungsauftrag des Auferstandenen aus Lk 24,47a nicht einfach wortgetreu – eine solche Aufforderung 200
Diese explizite Aufforderung zur Taufe ist innerhalb der Bußmahnungsteile der Missionsreden in der Apostelgeschichte einzigartig. 201 Vgl. B/D/R § 442,2. 202 Vgl. BEYER, Syntax 1, S. 238–255, 253. 203 PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 125. 204 S. dazu I.2.2.2.
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hätte lauten müssen: µετανοήσατε ἐπὶ τῷ ὀνόµατι Ἰησοῦ Χριστοῦ εἰς ἄφεσιν τῶν ἁµαρτιῶν („Kehrt um im Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden“) – nachkommt, sondern dass dieser Umkehrruf sogleich zu dem Zeitpunkt, als er zum ersten Mal aus dem Mund des Apostel-Wortführers ergeht, mit dem Appell zur Taufe eines jeden Hörers (βαπτισθήτω ἕκαστος ὑµῶν) verbunden wird. Der vom Auferstandenen ergangene Missionsbefehl (Lk 24,47f.; Apg 1,8) wird nach der Darstellung des Lukas vom Missionar als Taufbefehl ausgedeutet.205 Ein expliziter Taufbefehl Jesu an seine Gemeinde, wie er etwa in Mk 16,16; Mt 28,19 vorliegt, wird von Lukas in seinem Doppelwerk nicht überliefert. Die Taufe ist jedoch nicht die einzige Ergänzung in Apg 2,38 gegenüber Lk 24,47, sondern über den lukanischen Missionsbefehl aus Lk 24,47–49; Apg 1,8 geht auch die Zusage des Empfangs des Heiligen Geistes als die den Bekehrten in Aussicht gestellte Folge von Umkehr und Taufe hinaus. In beiden Versionen des Missionsbefehls wurde der Heilige Geist lediglich als eine die Zeugen bei ihrer Aufgabe stärkende Kraft genannt, nicht aber als etwas, dass durch die Mission an die neu gewonnenen Gläubigen weitergegeben werden soll. Diese Beobachtungen lassen nach dem Grund dafür fragen, dass in Apg 2,38 innerhalb des Missionsvollzugs den neuen Gläubigen das Geschenk des Heiligen Geistes angekündigt wird, obwohl der Auftrag an Jesu Zeugen lediglich die Predigt der Umkehr zur Vergebung der Sünden umfasste. Darüber hinaus stellt sich die Frage, in welcher Verbindung dies mit dem Taufritus steht, der innerhalb des konditionalen Satzgefüges in V.38 als eine neben der Umkehr bestehende weitere Voraussetzung für den Geistempfang genannt ist. Das in diesem Zusammenhang entscheidende Argument liefert der folgende V.39, der die Aufforderung zu Umkehr und Taufe samt der Ankündigung des Geistempfangs begründet (γάρ) mit Verweis auf die Verheißung (ἐπαγγελία). Dieser Begriff ἐπαγγελία verweist innerhalb des lukanischen Doppelwerks zurück auf die übrigen, allesamt vorangehenden Belege in Lk 24,49; Apg 1,4; 2,33, an denen die Rede von der ἐπαγγελία stets auf die von Jesus als dem Erhöhten vermittelte Gabe des Geistes bezogen ist. Die ἐπαγγελία der Geisttaufe (Apg 1,4f.) bedeutet für die Empfänger, dass sie durch die Geistesgabe als ,zu Jesus Gehörige‘ gekennzeichnet und ausgezeichnet sind und durch den Heiligen Geist Anteil an Jesu Gottesbeziehung haben, die Heil bedeutet. Diese verheißene Geisttaufe hat sich an Pfingsten für die erste versammelte Gemeinde erfüllt, weil Jesus den nach seiner Erhöhung vom Vater empfangenen Heiligen Geist an die Seinen vermittelt hat (Apg 2,4.33). Dass nun Petrus in V.39 als Begründung der Inaussichtstellung des Geistempfangs (Apg 2,38) auf die für die gläubig gewordenen Zuhörer geltende ἐπαγγελία verweist, ist in diesem Zusammenhang zu verstehen. 205
Vgl. AVEMARIE, Taufe, S. 56.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
199
Auch wenn Jesus zunächst vor seiner Himmelfahrt lediglich den ersten Jüngern den Heiligen Geist versprochen hat, so wird diese Verheißung nun ausgedehnt auf diejenigen, die durch die Evangeliumsverkündigung zum Glauben an Jesus gekommen sind und zu seiner Gemeinschaft gehören wollen.206 Da Jesus aber zum Himmel aufgefahren ist, kann die Verheißung der Geisttaufe nicht mehr durch ihn selbst an die Neubekehrten geschehen, sondern lediglich durch seine Zeugen. Deshalb spricht Petrus ihnen in Apg 2,38 zu: λήµψεσθε τὴν δωρεὰν τοῦ ἁγίου πνεύµατος. Allerdings kann Petrus das Geschenk des Heiligen Geistes zwar ankündigen, aber es obliegt ihm selbst nicht, diesen zugesagten Geist auch zu vermitteln und damit für die Erfüllung zu sorgen. Denn nach dem – im unmittelbaren Kontext dieser Stelle stehenden – Vers Apg 2,33 ist ausschließlich Jesus als der Erhöhte von Gottvater zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt worden. Lukas spricht an keiner Stelle davon, dass Jesus diese Vollmacht an seine Anhänger und Zeugen weitergegeben hat.207 Deshalb bleibt das Kommen des Heiligen Geistes stets von Jesus und Gottvater abhängig und daher unverfügbar. In Apg 2,38 wird dies durch die Kennzeichnung des Heiligen Geistes als δωρεά208 unterstrichen. Der Heilige Geist hat deshalb Geschenkcharakter, weil er unverfügbare Gabe Gottvaters und Jesu ist. Die Bezeichnung als δωρεά korrespondiert mit der Rede von der ἐπαγγελία209, die ebenfalls verdeutlicht, dass es sich bei der Geistverleihung um keinen Automatismus handeln kann. Dem Unvermögen der Jesusanhänger, den Geist selbst an die neuen Gläubigen zu vermitteln, wird nach Apg 2,38 damit begegnet, dass an den neuen Gläubigen der Taufritus vollzogen wird. Da dies nach den bisherigen Erörterungen nicht die von Jesus ausgehende Geisttaufe, die die Geistverleihung bezeichnet, ersetzen kann, stellt sich die Frage, welche Bedeutung diesem Taufritus nach Lukas zukommt. Der Taufritus der christlichen Gemeinde wird vom auctor ad Theophilum in Apg 2,38 unvermittelt als ein von Anfang an unverzichtbarer Bestandteil der Mission der Jesusanhänger dargelegt. Dabei finden wir an dieser Stelle keinen Hinweis, auf welche Weise (mit Wasser o. Ä.) das Ritual vollzogen wurde.210 Auch ohne Hinweis auf ihre 206
Vgl. KREMER, Pfingstbericht, S. 177. Dies geht damit einher, dass den Jüngern im lukanischen Doppelwerk – im Gegensatz zu den Ausführungen in den anderen Evangelien (Mt 16,19; 18,18; Joh 20,23) – auch ansonsten keine explizite Vollmacht übertragen wird. 208 Lukas verwendet den Begriff δωρεά nur in Apg 2,38; 8,20; 10,45; 11,17. Das Wort steht immer in Verbindung mit dem Heiligen Geist bzw. ist auf diesen bezogen. Damit wird deutlich, dass der Geist die wichtigste Gabe Gottes für die Menschen ist und dass er für die Menschen dennoch unverfügbar bleibt, da sie ausschließlich von Gottvater und Jesus geschenkt werden kann. 209 Vgl. auch KREMER, Voraussagen, S. 152. 210 Vgl. aber den Hinweis auf das zur Taufe dienende Wasser in Apg 8,36.38; 10,47. 207
200
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historischen Entwicklungsstufen wird die christliche Taufpraxis eingeführt.211 Da in dieser Arbeit die Frage nach der theologischen Bedeutung des Heiligen Geistes im Vordergrund steht, ist hier nicht der Ort für Überlegungen zur historischen Entwicklung der christlichen Taufe.212 Im Fokus muss stattdessen stehen, dass – wie Avemarie herausgestellt hat – im Kontext dieser ersten lukanischen Erwähnung des christlichen Taufritus in Apg 2,38 die Elemente der Taufe, die auch in den anderen relevanten Perikopen der Apostelgeschichte begegnen, so vollständig dargestellt sind213, dass man hier von einer „kleinen Belehrung über das Wesen dieses Initiationsrituals“214 durch Lukas sprechen kann.215 Für die lukanische Pneumatologie ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass die Verleihung des Heiligen Geistes an die Neubekehrten mittels der Aussage von Apg 2,38 von Anfang der christlichen Mission an mit dem Vollzug des Taufritus verbunden wird. Die Wichtigkeit dieses Taufritus wird in Apg 2,38 dadurch unterstrichen, dass die beiden in Lk 24,47a die Umkehr-Verkündigung ergänzenden Bestimmungen ἐπὶ τῷ ὀνόµατι Ἰησοῦ Χριστοῦ und εἰς ἄφεσιν τῶν ἁµαρτιῶν nun zu der Tauf-, und damit nicht mehr unmittelbar zur UmkehrAufforderung gehören, auch wenn die Umkehr weiterhin Voraussetzung bleibt. Die Verbindung der Namensformel mit der Sündenvergebung zeigt durch den Bezug auf das Christusgeschehen das Angebot des in der Sündenvergebung bestehenden Heils an. Dadurch, dass nun die Taufe nach V.38 ἐπὶ τῷ ὀνόµατι Ἰησοῦ Χριστοῦ geschieht, wird das in der Verkündigung der Umkehr eröffnete Heilsangebot im Taufritus manifestiert.216 Die Namensformel kann daher hier von dieser Übertragung vom Umkehr- auf den TaufAufruf her verstanden werden: Sie bringt zum Ausdruck, dass der Akt der Taufe dem Wirken Jesu unterstellt ist217 und verdeutlicht, dass es nur durch 211
Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 61. Eine aktuelle Untersuchung zu dieser Frage hat LABAHN, Kreative Erinnerung vorgelegt. Umfassende Studien bieten u.a. BARTH, Taufe in frühchristlicher Zeit; HARTMAN, Into the name of the Lord Jesus. 213 Vgl. AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 177f. „Die Taufe empfängt, wer die apostolische Botschaft annimmt (Apg 2,41), Buße tut (2,38) und den von Gott eingesetzten Kyrios und Messias Jesus anerkennt (2,36), in dessen Namen sie vollzogen wird (2,38). Sie geschieht mit dem Ziel der Sündenvergebung (2,38), und auch wenn es nicht heißt, dass sie diese unmittelbar bewirke – den Zuspruch der Vergebung sieht Lukas dem Messias persönlich vorbehalten –, verbürgt sie sie dem Täufling doch so zuverlässig, dass er schon jetzt als einer, ,der gerettet wird‘, bezeichnet werden kann (2,47). Außerdem empfängt der Täufling zusammen mit der Taufe auch heiligen Geist (2,38f.) und wird zu einem Vollmitglied der Gemeinde der Jünger und Jüngerinnen Jesu, das von nun an am Leben dieser Gemeinde in allen seinen Formen Anteil nimmt (2,41–47)“ (ebd., S. 177). 214 Ebd., S. 178. 215 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 162. 216 Vgl. auch PESCH, Umkehr, S. 7. 217 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 62. 212
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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Jesus zur Vergebung der Sünden und damit zur Zueignung des Heils kommen kann. Es besteht daher nicht nur ein Unterschied im Umkehrruf des Johannes einerseits und der Jesusanhänger andererseits, sondern auch in der jeweils dazugehörigen Taufe. Aus der durch die obigen Ausführungen dargelegten Tatsache, dass die Taufe zu der Zueignung der Getauften an Christus mit dem Zweck des in der Sündenvergebung bestehenden Heils führen soll, erschließt sich im von Lukas dargestellten Zusammenhang ihre Bedeutung für die Vermittlung des Heiligen Geistes an die Neubekehrten. Denn die Beziehung zu Jesus und Gottvater und das dadurch gegebene Heil werden durch den Heiligen Geist gewährt, wie in Bezug auf die von Jesus verheißene Geisttaufe (Apg 1,5) gezeigt wurde. Dass der Empfang des Heiligen Geistes als Folge von Umkehr und Taufe in Aussicht gestellt wird, hängt demnach mit der Übereignung der Getauften an Jesus und das von ihm geschenkte Heil zusammen.218 Die Taufe durch die christliche Gemeinde hat in diesem Sinne den Zweck, diese Übereignung in einem Ritual zu vollziehen und dadurch dem Kommen des Heiligen Geistes den Weg zu bereiten. Es ist jedoch zu betonen, dass die Geistherabkunft nicht von dem Taufritus der Gemeinde abhängig sein kann219, da Jesus selbst mittels der von ihm ausgehenden Geisttaufe der einzige vollmächtige Spender des Geistes ist. Die ihm als Vermittler und Verwalter von Gottvater erteilte Entscheidungsvollmacht kann nicht von menschlicher Seite eingeschränkt werden. Die Taufpraxis der christlichen Gemeinde bleibt bezogen auf die Geistverleihung daher (letztlich) ein rituelles Zeichen,220 das seitens des Getauften und seitens der Gemeinde die Aufnahme in eben diese Gemeinde ausdrückt und dokumentiert; insofern ist sie auch hinsichtlich der Gemeinschaftsbildung entscheidend221 und hat Konsequenzen.222 218
Dabei findet sich im lukanischen Doppelwerk an keiner Stelle eine Aussage darüber, inwiefern der Heilige Geist eine Entsühnung und Reinigung im Menschen bewirkt. Lediglich eine von (162), 700, (McionT), GrNy bezeugte sekundäre Ergänzung in der lukanischen Version des Vatergebets, das Jesus die Jünger lehrte, trägt in Lk 11,2 die Bitte um den Heiligen Geist zum Zweck der Reinigung an Stelle der zweiten Du-Bitte um das Reich Gottes ein (s. dazu I.2.2.2). 219 Deshalb ist Wilkens bei der Verneinung der These zuzustimmen, „daß bei Lukas Taufe und Geistempfang in einem Akt zusammenfallen“ (WILKENS, Wassertaufe, S. 30). 220 Vgl. ebd., S. 35. 221 Der gemeinschaftsstiftende Aspekt kommt innerhalb des geschilderten Bekehrungsvorgangs darin zum Ausdruck, dass sich die von Petrus ausgehende Anrede seiner Predigthörer im Laufe der hintereinander folgenden Redeabschnitte vom Formalen ins Vertraute verändert (ἄνδρες Ἰουδαῖοι καὶ οἱ κατοικοῦντες Ἰερουσαλὴµ πάντες (V.14) – ἄνδρες Ἰσραηλῖται (V.22) – ἄνδρες ἀδελφοί (V.29)). Auf diese Weise kommen die Zuhörer Petrus und mit ihm auch der ganzen Gemeinde der Jesusanhänger immer näher, so dass sie schließlich gleichsam einem Verwandtschaftsverhältnis mit dem Prädikat „Brüder“ angeredet werden. Diese von Petrus nun als immer vertrautere Personen angesprochenen Juden nennen Petrus und die Apostel ebenfalls ἄνδρες ἀδελφοί (V.37), was als Folge der
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Andersherum wird die durch die Gemeindetaufe intendierte Übereignung an Jesus und das Heil durch das Kommen des Heiligen Geistes, so er dann tatsächlich von Jesus vermittelt wird, bestätigt. Die Taufe der Gemeinde Jesu hebt sich deshalb von der Johannestaufe eben durch diese intendierte Folge der Geistesgabe ab.223 Denn nach der Darstellung des Lukas wird durch die Taufpraxis der Gemeinde gewährleistet und ausgedrückt, dass allen Bekehrten die von Jesus als dem Erhöhten ausgehende Geisttaufe gilt, die sich von der wegbereitenden Taufe des Johannes abhebt (Apg 1,5; vgl. Lk 3,16). Der durch Petrus erfolgende Verweis auf die ἐπαγγελία, die sich auf den von Jesus verheißenen Heiligen Geist bezieht, ist in Apg 2,39 mit richtungsweisenden Motiven verbunden und wird dadurch in ganz bestimmter Weise konnotiert: Zunächst werden als Adressaten der Verheißung ausdrücklich die von Petrus angesprochenen in Jerusalem lebenden Juden samt ihren Nachkommen genannt (ὑµιν […] καὶ τοῖς τέκνοις ὑµῶν). Das darauffolgende dritte Glied innerhalb der Benennung derer, denen die Verheißung gilt, lehnt sich mit πᾶσιν τοῖς εἰς µακράν („alle, die in der Ferne sind“) vor allem an Jes 57,19 an.224 Dort wird das von Gott verheißene Heil ausgedehnt auf alle, die nicht in der Nähe sind, sondern in der Ferne, d.h. außerhalb von Jerusalem und dem Land Israel, weilen. Damit kommen die in der Diaspora lebenden Juden in den Blick.225 Dies korrespondiert damit, dass die Hörer des Petrus schon im Zuge ihrer Zeugenfunktion des Pfingstereignisses in Apg 2,5.9–11 als Juden aus aller Welt charakterisiert wurden226, deren Verwandte und Bekannte noch in der Diaspora sein können. Wie schon in Bezug auf Apg 2,5.9– 11 deutlich wurde, dass sich die Evangeliumsverkündigung an alle Welt richtet, so kommt ähnlich mittels des Ausdrucks πᾶσιν τοῖς εἰς µακράν in
zuvor von Petrus im Zuge seiner Evangeliumsverkündigung vollzogenen Annäherung zu verstehen ist. In der Annahme der oben genannten Botschaft Jesu und durch den anschließenden Empfang des Heiligen Geistes werden sie also in die einer Familie gleichende Gemeinschaft der Jesusanhänger aufgenommen. 222 Zwar führt der Vollzug des Taufrituals nicht automatisch zur Geistverleihung an den Getauften, dies hat jedoch keine Einschränkungen für den gemeinschaftsbildenden Aspekt zur Folge: Der Getaufte wird Glied einer Gemeinschaft, die eine konkrete soziale Gestalt hat. Das äußert sich beispielsweise daran, dass innerhalb dieser Gemeinschaft konkrete Handlungen obligatorisch mit zu vollziehen sind, wie Gebet oder Brotbrechen, das Hören auf die Apostellehre oder die Beteiligung an der Gütergemeinschaft (Apg 2,42.44). Dass der menschliche Vollzug des Taufrituals für Lukas nicht hinfällig wird, wenn das göttliche Handeln der Geistmitteilung bereits ohne zuvor erfolgtes Ritual geschehen ist, zeigt der Fall des heidnischen Hauptmanns Kornelius und seines Hauses, den Petrus im Anschluss an die Geistherabkunft taufen lässt (s. I.3.3.3). 223 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 125. 224 Vgl. ähnlich Sir 24,32, wobei hier keine Heilsverheißung vorliegt. 225 Vgl. ZAPFF, Jesaja 56–66, S. 367. 226 S. dazu I.3.1.1.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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Apg 2,39 die universale Perspektive der ἐπαγγελία in den Blick.227 Es wird zumindest nicht ausgeschlossen, dass sich diese auch an Nichtjuden richten kann. Andererseits kann hier auch nicht von einem sicheren Hinweis auf die Ausweitung der Mission auf die Heiden gesprochen werden.228 Zu den oben genannten Gründen kommt hinzu, dass man den Hinweis auf „alle in der Ferne“ in erster Linie als Pendant einer Nennung der räumlich Getrennten zu der vorhergehenden Angabe der zeitlich Getrennten zu verstehen hat. Explizit werden in Apg 2,39 daher nur die anwesenden Juden, ihre Nachkommen und die zu ihnen gehörenden räumlich Getrennten als Adressaten genannt. Das bedeutet für die Tragweite der Geist-Verheißung, dass sie als eine angesehen wird, die für Israel gilt229 und daher an dieser Stelle zu Beginn der von Lukas geschilderten Missionstätigkeit der christlichen Gemeinde zunächst auf die Juden begrenzt wird. Damit ist der der hier relevanten Geist-Verheißung zugewiesene Geltungsbereich aber noch nicht ausreichend und vollständig umrissen, denn im letzten Teilvers von Apg 2,39 heißt es: ὅσους ἂν προσκαλέσηται κύριος ὁ θεὸς ἡµῶν („so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird“). Hier wird denen Rettung zugesagt, die der Herr berufen wird. Rettung geht demnach auf Auserwählung zurück.230 Diese Wendung in Apg 2,39 lehnt sich an Jo 3,5b (οὕς κύριος προσκέκληται) an, also an den Teilvers, der in der Aufnahme des Joel-Zitats im ersten Abschnitt der Petrusrede (Apg 2,17–21) fehlt. Durch diese Anlehnung verweist der Teilvers von Apg 2,39 auf die gerade durch Petrus zu Beginn seiner Rede (Vv.16–21) erfolgte Deutung des Pfingstereignisses als sich erfüllende Geist-Verheißung aus Jo 3,1–5a zurück. Damit wird die Ankündigung der Geistherabkunft, die Petrus den ersten von ihm Bekehrten in Apg 2,38b macht, als dasselbe Erfüllungsgeschehen gekennzeichnet.231 Das zeigt noch einmal, dass nicht nur das Pfingstereignis als Erfüllung der verheißenen Geistesgabe angesehen werden kann, sondern fortan auch jedes Geschenk des Geistes an die Glieder der christlichen Gemeinde. Mit Blick auf das Joel-Zitat ist allerdings – wie bereits in Bezug auf Apg 2,17–21 dargelegt – explizit hervorgehoben, dass die Verheißung des Geistes, die Jesus als die ἐπαγγελία seinen Jüngern zugesagt hat (Apg 1,5.8; vgl. Lk 24,49), schon zuvor als eine bestimmt ist, die an Israel gerichtet ist. 227
Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 159. Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 168. Anders jedoch PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 125; SCHRÖTER, Heil, S. 294; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 278. 229 In diesem Sinne finden sich auch im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte einige explizite Nennungen der exklusiv Israel geltenden Verheißung (Apg 7,17; 13,23.32; 26,6). An diesen Stellen steht ἐπαγγελία allerdings nicht für die Zusage der Geistverleihung. 230 Vgl. auch TURNER, Power, S. 349. 231 „Im Sinne dieser [sc. Joel-]Prophetie begriffen, wird der den Umkehrenden angekündigte Geistempfang dem Pfingstwunder zur Seite gestellt“ (AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 180). 228
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Zudem erfährt die Verheißung an dieser Stelle eine entscheidende einschränkende Zuspitzung: Da nur diejenigen den Rettung und Heil bedeutenden Heiligen Geist erhalten, die von Gott berufen werden, kommt das Geschenk des Geistes gleichzeitig einer Erwählung gleich.232 Wer aber erwählt ist, der gehört zum Gottesvolk. Dies wird nun hier auf die christliche Gemeinde umgedeutet. Denn es sind Anhänger Jesu, an denen die an Israel verheißene Geistausgießung zur Erfüllung kommt. Dies geschah zunächst an Pfingsten; nach Apg 2,38f. erfüllt sich diese ἐπαγγελία dann auch immer da, wo Neubekehrte nach Umkehr und Taufe den Heiligen Geist empfangen.233 Das bedeutet, dass die Jesusanhänger durch diese Begabung mit dem Heiligen Geist in Anspruch nehmen können, in der Kontinuität zu den Verheißungen Israels zu stehen und damit dem Gottesvolk zuzugehören. Die entstehende christliche Gemeinde wird damit als Gottesvolk ausgewiesen, dessen Kennzeichnung und Auszeichnung zugleich die Begabung mit dem Heiligen Geist ist. Nach Apg 1,5 bedeutet die von Jesus und Gottvater ausgehende Geistausgießung für den einzelnen Empfänger, dass er durch den Heiligen Geist mit Jesus verbunden ist, der ihm Heil gewährt. In Apg 2,38f. wird in der Konsequenz der gemeinschaftsbildende Aspekt dieses Zusammenhangs offenbar. Denn damit ist der Heilige Geist Zeichen einer neuen Exklusivität des Gottesvolkes; nur wer ihn empfängt, kann sich zur Heilsgemeinschaft zählen. Es ist daher auch der Heilige Geist, der die einzelnen Glieder zur Gemeinschaft des Gottesvolkes verbindet. Auf diese Weise konstituiert sich das Gottesvolk neu, insofern es über die Begabung mit dem Heiligen Geist neu definiert wird. Dabei wird die Kontinuität zu Israel und den Israel geltenden Verheißungen betont: „Die Gemeinde ist zwar etwas grundsätzlich Neues, insofern in ihr das neue Handeln Gottes in Jesus manifest wird; sie ist jedoch zugleich etwas ,Altes‘, insofern sich in ihrer Existenz die Heilsgeschichte Gottes mit Israel fortsetzt.“234 Nicht umsonst sind die sich hier zu Jesus bekehrenden Hörer der Evangeliumsverkündigung des Petrus dezidiert Juden. Es ist die ihnen als Gottesvolk geltende Verheißung, die sich durch ihre Geistbegabung erfüllt. Weil sich aber damit die Verheißung ausschließlich für diejenigen Juden erfüllt, die sich zum in Jesus geschenkten Heil bekehren und in die christliche Gemeinde aufgenommen werden, bedeutet dies gleichzeitig die Nichtberücksichtigung aller, auf die dies nicht zutrifft. Damit findet in Israel eine Unterscheidung statt, die in der Konsequenz bedeutet: Nicht mehr Israel als Ganzes bildet die Heilsgemeinschaft, sondern nur die Geistbegabten innerhalb Israels. Insofern kann an dieser Stelle von einem neu konstituierten 232 Mit demselben Verb προσκαλεῖσθαι wird in Apg 13,2 die Erwählung zum Missionar und in Apg 16,10 diejenige zur Verkündigung in Europa ausgedrückt. Vgl. CONZELMANN, Mitte, S. 145, Anm. 1. 233 Vgl. auch PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 125. 234 ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 64. Vgl. auch RADL, Rettung, S. 52.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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Gottesvolk gesprochen werden, wobei die Kontinuität zu Israel und den ihm geltenden Verheißungen nicht in Frage gestellt wird. Auf die Tatsache, dass sich durch die Bekehrungen ein Unterscheidungsprozess vollzieht, weist auch das in Apg 2,40 folgende Summarium hin. Dort wird im Anschluss an die die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Gottesvolk schildernden Aussagen die weitere Predigttätigkeit des Petrus zusammengefasst, indem berichtet wird, dass er noch mit vielen anderen Worten Zeugnis ablegte und eindringlich dazu aufforderte, sich aus dem verkehrten Geschlecht erretten zu lassen.235 Diese Ermahnung des Petrus macht noch einmal deutlich, was den Kern seiner vorausgehenden Predigt darstellte: Die Zuhörer werden gerettet werden, indem sie sich zu dem in Jesus geschenkten Heil bekennen, sich taufen lassen und den Heiligen Geist empfangen. Dabei ist der Empfang des Heiligen Geistes sowohl Ursache als auch Zeichen dafür, dass die neuen Gläubigen nicht mehr zum „verkehrten Geschlecht“ gehören. Der Ausdruck „verkehrtes Geschlecht“ findet sich auch in Dtn 32,5; Ps 78,8, wo er diejenigen beschreibt, die gegen Gott gesündigt haben und vom rechten Weg abgekommen sind.236 Im vorliegenden Zusammenhang der Petruspredigt muss er auf die Jerusalemer Juden als die Zuhörer bezogen werden237 und macht deshalb klar, dass nur diejenigen durch ihre Errettung nicht zum verkehrten Geschlecht gehören werden, die sich zu Jesus bekehren. Damit ist in V.40 die Unterscheidung beschrieben zwischen denen in Israel, die durch den Geistempfang zur christlichen Gemeinde als Gottesvolk gehören, und denen, die (noch) nicht aus dem verkehrten Geschlecht gerettet sind, weil sie das Heilsangebot (bisher) nicht angenommen haben und daher (noch) keine Geistbegabten sind. Das erste durch die Mission der Jesusanhänger erfolgte Bekehrungsgeschehen, von dem der auctor ad Theophilum in Apg 2,37–40 berichtet, zeigt demnach auf, wie den neuen Gläubigen das Heil zugeeignet wird und sie fortan zur Heilsgemeinschaft als neu konstituiertem Gottesvolk hinzugehören. Dabei kommt dem Heiligen Geist die entscheidende Funktion zu. Wie die Erläuterungen zu Apg 2,38f. gezeigt haben, erfolgt die Aufnahme in das Gottesvolk durch den Geistempfang. Dementsprechend zeigt die Gabe des Geistes die Zugehörigkeit zum Gottesvolk an. Den Abschluss der gesamten Pfingsterzählung bildet dann in Apg 2,41 die Notiz, dass eine große Menge von 3000238 Seelen derer, die das Wort annah-
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Vgl. zur Rettung im betreffenden Kontext den Jo 3,5a aufnehmenden Vers Apg 2,21: Wer den Namen des Herrn anruft, der soll gerettet werden. 236 Aufgenommen wird der Begriff auch in Phil 2,15. 237 Vgl. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 151. 238 Diese immense Zahl ist wohl kaum als historische Information aufzufassen. Vielmehr möchte Lukas betonen, dass eine sehr große Menschenmenge sich schon am Pfingsttag den Jesusanhängern angeschlossen hat, so dass das Wachstum der christlichen Ge-
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
men und sich taufen ließen, hinzugefügt wurde.239 Dabei zeigt das Passivum divinum240 προσετέθησαν an, dass es letztlich Gottvaters bzw. Jesu Handeln ist, wenn Neubekehrte in das Gottesvolk aufgenommen werden (vgl. die aktive Formulierung ὁ κύριος προσετίθει in Apg 2,47b). Dass so viele das Wort annahmen241 und sich taufen ließen (V.41a), manifestiert den großen Erfolg der Evangeliumsverkündigung des Petrus samt Umkehr- und TaufAufruf.242 Allerdings fällt mit Blick auf die bisherigen Ausführungen auf, dass mit keinem Wort die Mitteilung des Heiligen Geistes an die Getauften erwähnt wird. Dabei ist nach Lukas – wie die vorangehenden Ausführungen gezeigt haben – gerade diese Geistesgabe notwendig, damit sie Glieder des Gottesvolkes werden, das durch den Heiligen Geist als Heilsgemeinschaft ausgezeichnet ist. Es handelt sich allerdings nicht um die einzige Stelle, an der der Geistempfang der neuen Gläubigen im Zusammenhang mit einem Taufgeschehen nicht erwähnt oder thematisiert wird; ähnliches findet sich in Apg 16,15.33; 18,8 nach der Taufe der Lydia, der des Gefängnisaufsehers in Philippi oder vieler Menschen in Korinth. Hieraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass die Geistmitteilung unterblieben ist, vielmehr ist davon auszugehen, dass die Geistherabkunft in der vorgesehenen Form erfolgte.243 Auf dieses Phänomen der Nichterwähnung wird am Ende dieses Abschnittes unter Punkt I.3.3.5 noch näher eingegangen werden. Zunächst aber werden die Perikopen in der Apostelgeschichte besprochen, in denen über den Geistempfang für neue Gemeindeglieder in problematisierender Weise berichtet wird. 3.3.2 Die Wahrung von Kontinuität und Einheit (Apg 8,15.17–19) Nach Apg 2,38 müssen alle diejenigen, die durch die von den Zeugen Jesu geleistete Evangeliumsverkündigung erst später zum christlichen Glauben bekehrt werden, mit dem Taufritus auf den Empfang des Heiligen Geistes vorbereitet und diesen sodann durch Jesu Vermittlung empfangen, um dem von Jesus gewirkten Heilsgeschehen unterstellt und in das Gottesvolk aufgenommen zu werden. Im Verlauf der Apostelgeschichte finden sich als nächs-
meinde mithilfe des Heiligen Geistes verdeutlicht wird. Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 157f. 239 An dieser Stelle wird die christliche Gemeinde als Zielort der Hinzufügung nicht explizit genannt. Dieser ergibt sich aber aus dem Kontext, insbesondere auch Apg 2,47. 240 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 162. 241 Mit dem Hinweis darauf, dass diese vielen das Wort annahmen, wird das im Eingangsvers (V.37) dieses Teilabschnitts beschriebene ,das-Herz-Durchbohren‘ wiederaufgenommen und damit eine Inklusion geschaffen, die verdeutlicht, worum es Lukas in diesem Abschnitt geht. 242 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 278; SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 115. 243 Vgl. auch KREMER, Pfingstbericht, S. 177.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
207
tes in der Perikope von Philippus in Samaria und dem Zauberer Simon (Apg 8,5–25) Hinweise, die diesen Zusammenhang in mehrfacher Hinsicht differenzieren. Dieser Perikope voraus geht in Apg 8,4 die summarische Notiz, dass diejenigen, die bei der großen Verfolgung der Jerusalemer Gemeinde zerstreut worden waren244, umherzogen und das Wort verkündigten. In Apg 8,1 erhält der Leser zum einen bereits nähere Informationen darüber, wer die Zerstreuten nach der Darstellung des Lukas waren, nämlich πάντες πλὴν τών ἀποστόλων („alle außer den Aposteln“). Zum anderen wird mit Judäa und Samaria das Gebiet angegeben, in das diese Personen zerstreut worden waren. Der V.4 setzt diese Angaben voraus: Während die Apostel in Jerusalem verbleiben, bezeugt eine Gruppe von Zerstreuten in Judäa und Samaria die Evangeliumsbotschaft. Zu Beginn der relevanten Perikope verengt sich in V.5 die Perspektive auf Philippus, der zu dieser Gruppe umherziehender Missionare gehört.245 Die Perikope über das Wirken des Philippus in Samaria gliedert sich in zwei große Abschnitte (Vv.5–13 und Vv.14–25).246 Die Vv.5–13 bereiten die im zweiten Abschnitt (Vv.14–25) geschilderten Ereignisse gewissermaßen vor, indem sie zu den dort im Vordergrund stehenden Themen, die den Heiligen Geist betreffen, die Voraussetzungen liefern. Der erste Abschnitt in den Vv.5–13 handelt von dem Erfolg der Verkündigungs- und Wundertätigkeit des Philippus unter den Menschenmengen in der Stadt Samarias247 (πόλις τῆς Σαµαρείας) (Vv.6–8.12), sogar bei dem selbst großes Aufsehen erregenden Zauberer Simon (Vv.9–11.13). Der Erfolg äu244 Zur zweifelhaften Historizität der lukanischen Angaben hinsichtlich dieser Verfolgung, insbesondere der Betroffenen, s. I.3.2.1. 245 Die missionarische Tätigkeit des Philippus ist Thema sowohl in der hier relevanten als auch in der darauffolgenden Perikope Apg 8,26–40 über den Kämmerer aus Äthiopien (s. I.3.2.1). 246 Diese Perikope macht in vielerlei Hinsicht einen disparaten Eindruck. Zu nennen ist insbesondere das Nebeneinander der beiden Protagonisten Philippus und Petrus, die nicht in Beziehung gesetzt werden, obwohl sie beide mit Samaria und dem Zauberer Simon in Kontakt kommen. Daneben fallen die Einstreuungen zu Simon in die Missionserzählung auf („Schachteltechnik“ (ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 346)), die zu einem schnellen Sprung zwischen unterschiedlichen Themen führen. Solche und ähnliche Beobachtungen haben zu zahlreichen und ebenso unterschiedlichen Rekonstruktionen der Überlieferungsgeschichte dieser Perikope Anlass gegeben. Da für diese Arbeit zur theologischen Bedeutung des Heiligen Geistes im lukanischen Doppelwerk die Endgestalt des Textes ausschlaggebend ist, ist die Frage, wie evtl. vorlukanische Tradition und lukanische Redaktion zu trennen sind, an dieser Stelle nicht ausführlich zu diskutieren. Einen systematischen Überblick über vielfältige Erklärungsmodelle bietet VON DOBBELER, Philippus, S. 43–57. 247 Diese Angabe πόλις τῆς Σαµαρείας ist unkonkret und lässt sich auch im Kontext nicht näher bestimmen: „Ob Lukas dabei an Sichem oder (eher) an die hellenistische Stadt Samaria / Sebaste denkt, ist wohl nicht sicher zu entscheiden“ (SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 487).
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
ßert sich darin, dass sowohl die Menschenmengen, bestehend aus Männern und Frauen, als auch Simon zum Glauben kommen und sich taufen lassen (Vv.12–13). Die Mission des Philippus hat also die Aufnahme einer großen Menge Neubekehrter in die Gemeinschaft der Jesusanhänger zur Folge, wobei diese Aufnahme durch die auf den Glauben folgende Taufe geschieht (vgl. die zweimalige Abfolge von πιστεύω und βαπτίζοµαι in den Vv.12– 13). Wie in Bezug auf Apg 2,38 dargestellt, handelt es sich bei der Taufe durch die Zeugen Jesu um das Ritual, das von menschlicher Seite diese Aufnahme anzeigt und dem verheißenen Heiligen Geist den Weg bereitet. Der Zauberer Simon wird in Bezug auf sein Gläubigwerden und seine Taufe aus der Menschenmenge herausgehoben; denn nachdem die genannten Vorgänge bereits in V.12 in Bezug auf die übrige Menschenmenge berichtet wurden, erfolgt in V.13 die gleiche Schilderung für Simon.248 Diese Hervorhebung der Bekehrung des Simon ist damit zu erklären, dass er mit seiner Tätigkeit eine Konkurrenz249 zur christlichen Mission darstellte. Simon hatte das Volk mit seiner Zauberei in seinen Bann gezogen und wurde von diesem als „Kraft Gottes“, die die „Große“ genannt wurde, bezeichnet (Vv.9–11). Diese Konkurrenz wird in den Vv.6–13 auch anhand der Verben deutlich, die die Reaktion der Menschenmenge zum einen auf Philippus (Vv.6–8.12) und zum anderen auf Simon (Vv.9–11) beschreiben. Zunächst reagiert die Menschenmenge sowohl auf den schon länger (διὰ τὸ ἱκανῷ χρόνῳ) (V.11) auftretenden Simon als auch auf Philippus mit Aufmerksamkeit (προσεῖχον) (V.6 Philippus; Vv.10.11 Simon). Diese Aufmerksamkeit wandelt sich im Blick auf Simon und seine Zauberkünste in Erstaunen (ἐξίσταναι) (Vv.9.11). Im Blick auf die Missionstätigkeit des Philippus ist die Weiterentwicklung des Aufmerkens zunächst eine große Freude (V.8) und sodann der Glaube und das Getauftwerden (πιστεύω und βαπτίζοµαι) (V.12). Mit Glaube und Taufe erfolgt ein größeres Eingehen auf Philippusʼ Tätigkeit und die Besiegelung der Annahme seiner Botschaft, welche den Eintritt in eine Gemeinschaft 248
Die Verse Apg 8,5–13 weisen insgesamt eine eigentümliche Verschachtelung auf: Zunächst wird in den Vv.6–8 von der Freude über die Evangeliumsbotschaft und Wundertätigkeit des Philippus in der Stadt Samarias, sodann von dem Zauberer Simon und seinem Erfolg im ganzen Volk (Vv.9–11) berichtet. Die Akteure dieser beiden Abschnitte werden anschließend nacheinander wieder aufgegriffen, indem zuerst von der Taufe von Männern und Frauen berichtet (V.12) und separat auch die Taufe Simons konstatiert wird (V.13). Diese Verschränkung zeigt, dass Simon einerseits zu dem Volk gehört, weil ihm dieselbe Bekehrung wiederfährt und auch er getauft wird, aber er andererseits gleichzeitig insofern aus ihm herausragt, als seine Bekehrung im Hinblick auf seine Zauberer-Fähigkeiten gesondert betont wird. 249 Die Konkurrenz wird hinzukommend anhand dessen deutlich, dass die hier beschriebene Mission nicht nur als aus Verkündigung, sondern auch aus Wundertätigkeit (σηµεῖα, θεραπεύω) bestehend gekennzeichnet wird (Vv.6f.). Die Wundertätigkeit stellt ein Pendant zur Zauberei des Simon dar.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
209
bedeutet, der bleibende Bedeutung hat und für die Heilsfrage entscheidend ist. Die verwendeten Verben zeigen, dass der Zauberer Simon zunächst insofern eine Konkurrenz darstellt, als er genauso wie die christliche Evangeliumsverkündigung samt Wundertätigkeit große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Er unterliegt aber schließlich, weil er seine Zuhörer lediglich erstaunen kann und sie selbst nicht zum Glauben und zur Aufnahme in eine Gemeinschaft bringt. Diese Überlegenheit der Missionstätigkeit des Philippus kommt sodann in V.13 dadurch zum Ausdruck, dass Simon selbst gläubig wird und sich taufen lässt, also die zunächst konkurrierende Lehre annimmt. Anhand der Verben ist wiederum bezeichnend, dass Simon sich gegenüber Philippus mit Erstaunen (ἐξίσταναι) verhielt, so wie er es selbst vorher vom Volk erfahren hatte. Zudem wird die Unterlegenheit der Zauberei des Simon deutlich durch die Beschreibung von Philippus̕ Wundertätigkeit mit σηµεῖα καὶ δυνάµεις µεγάλαι, denn dies zeigt, dass das Prädikat Simons als δύναµις µεγάλη durch die pluralischen δυνάµεις µεγάλαι von Philippus überboten wird. Insgesamt wird die Unterlegenheit des Simon gegenüber Philippus in der lukanischen Darstellung also „durch eine kontrastive Charakterisierung“250 betont.251 Mit dem Erfolg von Philippus̕ Missionstätigkeit könnte die Erzählung bereits zu ihrem Ende gekommen sein, jedoch führt Lukas sie mit einem zweiten Teil fort, in dem der Heilige Geist relevant wird. Dieser zweite Abschnitt teilt sich noch einmal: In den Vv.14–17 wird die Notwendigkeit der Vermittlung des Heiligen Geistes an die Getauften aus der Stadt Samarias thematisiert, und in den Vv.18–25 steht der Wunsch des Zauberers Simons, den Heiligen Geist durch Handauflegung mitteilen zu können, im Zentrum. Der erste Teilabschnitt beginnt in V.14 mit der Notiz, dass die Apostel in Jerusalem252 davon hören, dass Samaria das Wort Gottes angenommen hat, wie es im ersten Abschnitt der Perikope (Vv.5–13) berichtet wurde. Die Apostel reagieren auf diesen Missionserfolg in der Weise, dass sie zwei aus ihren Reihen, Petrus und Johannes253, nach Samaria senden. Der Zweck dieser Sendung der zwei Apostel wird erst deutlich anhand dessen, was die beiden nach ihrer Ankunft tun: Sie sorgen nach den Vv.15.17 dafür, dass die neuen Gläubigen in Samaria den Heiligen Geist empfangen.
250
AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 216. Zu derartigen kompositorischen Beobachtungen s. auch SPENCER, Philip, S. 88f.; VON DOBBELER, Philippus, S. 51–53; BARRETT, Acts 1, S. 398; KIM, Geisttaufe, S. 179– 181. 252 Nach Apg 8,1 waren die Apostel als einzige nach Beginn der Verfolgung in Jerusalem geblieben. Historisch betraf dies wahrscheinlich die gesamte Gemeinde der Hebräer. Zur zweifelhaften Historizität der lukanischen Angaben hinsichtlich dieser Verfolgung s. I.3.2.1. 253 Diese beiden Apostel sind schon in Apg 3f. als federführende dargestellt. 251
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Der Grund für dieses Bemühen um die Geistmitteilung an die Samaritaner254 wird in V.16a – gekennzeichnet durch die Partikel γάρ („denn“) – genannt: ἦν ἐπʼ οὐδενὶ αὐτῶν ἐπιπεπτωκός („er [sc. der Geist] war auf keinen von ihnen gefallen“). Die Apostel begegnen demnach mit ihrem Handeln dem grundsätzlichen Mangel der Geistmitteilung bei denen, die von Philippus bekehrt worden waren. Eine Begründung für diesen Mangel wird von Lukas hier explizit nicht genannt.255 Von dem als Belehrung über den Zusammenhang von Taufe und Heiligem Geist herausgestellten Vers Apg 2,38 her erwartet der Leser des lukanischen Doppelwerks, dass die Geistherabkunft auf die Gläubigen in Samaria mit ihrer laut den Vv.12–13 bereits erfolgten Taufe in die Wege geleitet worden ist, denn das Ritual der Taufe soll von menschlicher Seite die Umkehr des Getauften und seine Aufnahme in die Gemeinde Jesu anzeigen, was von göttlicher Seite durch die Vermittlung des Heiligen Geistes bestätigt wird. Dass das anfängliche Ausbleiben des Geistes auf einer ,falschen‘ Taufe beruhen könnte256, wird durch den Hinweis in V.16b ausgeschlossen257, der betont, dass die Leute in Samaria εἰς τὸ ὄνοµα τοῦ κυρίου Ἰησοῦ („auf den Namen des Herrn Jesus“) getauft worden waren, wie es nach Apg 2,38 lukanischem Taufverständnis zur Unterstellung des Geschehens unter das in Jesu Wirken sich ereignende Heilsgeschehen entspricht.258 254
Vgl. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, S. 80. Vgl. DUNN, Baptism, S. 68. 256 Eine falsche Taufe ist nach Lukas in der Perikope Apg 19,1–7 der Grund für den auch dort auftretenden Geistmangel: Die Jünger in Ephesus waren nur auf die Taufe des Johannes getauft worden. S. dazu I.3.3.4. 257 Deshalb erscheint die Vermutung nicht plausibel, dass die Taufe des Philippus mangelhaft war und es deshalb einer Vervollständigung durch die Apostel bedurfte. So aber ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 135. 258 Gegenüber Apg 2,38 (ἐπὶ τῷ ὀνόµατι Ἰησοῦ Χριστοῦ) fällt jedoch auf, dass die in Apg 8,16; vgl. 19,5 verwendete Namensformel (εἰς τὸ ὄνοµα τοῦ κυρίου Ἰησοῦ) hinsichtlich der Präposition und des dem Namen Jesus hinzugefügten Attributs variiert. Eine dritte Variante findet sich in Apg 10,48 mit ἐν τῷ ὀνόµατι Ἰησοῦ Χριστοῦ. Über Herkunft und tauftheologische Bedeutung dieser Formeln sind umfangreiche Studien vorgelegt worden. Dazu s. den Forschungsüberblick bei RUCK-SCHRÖDER, Name, S. 11– 63. Entscheidend für den in der Apostelgeschichte auftretenden Befund ist, dass „die Ähnlichkeit der Wendungen sofort deren formelhaften Charakter erkennen [lässt]“ (AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 26). Das wird auch vom Auftreten ähnlicher Formeln in weiteren neutestamentlichen Schriften (Mt 28,19 mit sogenannter trinitarischer Formel durch den Bezug auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes; 1. Kor 1,13.15; 6,11; 10,2 als Anspielung) und darüber hinaus (z.B. Did 7,1.3; 9,5) belegt. Im Hinblick auf die Funktion des Heiligen Geistes stellt sich die Frage, ob die aufgezeigten unterschiedlichen Formulierungen, mit denen die Taufe auf den Namen Jesu bezogen wird, verschiedene Bedeutungen hinsichtlich der auf die Taufe folgenden Geistverleihung haben. In dieser Hinsicht zeigt sich, dass es in Apg 2,38; 8,16; 10,48; 19,5 jedes Mal darauf ankommt, dass der Bezug zu Jesu Namen bei der Taufe gegeben ist, damit es sich um die ,richtige‘, christliche Taufe handelt, die der Zueignung des in Jesus gegebenen Heils und der Sündenver255
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
211
Darauf, dass die von Philippus ausgeführte Taufe korrekt war, deutet auch hin, dass die von Jerusalem Gesandten nicht noch einmal taufen. Stattdessen berichtet Lukas, dass sie zum Zweck des Empfangs des Heiligen Geistes für die Getauften beteten (V.15b) und ihnen die Hände auflegten (V.17a). Dass die beiden Vorgänge des Gebets und der Handauflegung in unterschiedlichen Versen genannt werden, schließt nicht aus, dass sie zusammen gedacht werden müssen als das eine Ritual, das die Apostel hier anwenden (vgl. auch Vv.18f.).259 Dieses Ritual der Apostel zeigte den zwar letztlich unverfügbaren, aber gewünschten Erfolg und die Samaritaner erhielten tatsächlich den Heiligen Geist. Hier wird Geistherabkunft folglich nicht nur durch das Taufritual vorbereitet, sondern zusätzlich auch durch die durch das Gebet begleitete Handauflegung. Auch wenn das Taufritual keinesfalls fehlt, haben Gebet und Handauflegung hier eine engere Verbindung zur Geistausgießung.260 Lukas zeigt mit der Handauflegung demnach eine zusätzliche Möglichkeit auf261, die Aufnahme der neuen Gläubigen in die christliche Gemeinde als Gottesvolk von menschlicher Seite zu vollführen und damit der Geistverleihung den Weg zu bereiten. Die aus Jerusalem gekommenen Apostel haben durch ihr Bemühen um die Nachholung der Geistmitteilung an die von Philippus Getauften offensichtlich gemacht, dass es des Heiligen Geistes bedarf, um vollends zur christlichen Gemeinde und damit zur Heilsgemeinschaft zu gehören. Die vollzogene Taufe für sich genommen hat nicht die ausschlaggebende Relevanz für die
gebung den Weg bereitet. Welche Präposition die Namensformel einleitet (ἐν, εἰς, ἐπί) oder welcher Titel Jesus beigestellt ist (χριστός, κύριος), spielt diesbezüglich keine Rolle. Allein der Bezug auf den Namen Jesu ist dafür entscheidend, dass die christliche Taufe erfolgt ist und dass damit der Geistverleihung der Weg bereitet wird. Deshalb kann man sagen, dass dies für Lukas „sachlich gleichbedeutende Formel[n]“ sind (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 62). 259 Eine Verbindung von Gebet und Handauflegung findet sich auch in Apg 6,6; 13,3; 28,8. 260 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 175. 261 Es führt m.E. jedoch zu weit, von dieser lukanischen Darstellung darauf zu schließen, dass die Handauflegung nach Lukas eine notwendige Ergänzung zur Taufe darstellt, um die Geistmitteilung zu erwirken. Vgl. so VON BAER, Der Heilige Geist, S. 172; auch ADLER, Taufe, S. 97–100. Denn im lukanischen Doppelwerk steht die Taufe und die folgende Geistverleihung nicht in exklusivem Zusammenhang mit dem Ritual der Handauflegung. Vielmehr ist die Taufe nur noch in Apg 19,6 mit dem Auflegen der Hände verbunden. Ansonsten wird die Handauflegung bei der Übertragung von Ämtern verwendet (vgl. alttestamentlich Num 27,18–23; Dtn 34,9); an diesen Stellen war der Geist schon vorher vorhanden (Apg 6,6) bzw. hat die Amtsübertragung angewiesen (Apg 13,3). Handauflegung begegnet weiterhin bei den von Jesus und den Jesusanhängern durchgeführten Heilungen (Lk 4,40; 13,13; Apg 28,8).
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Zueignung des Heils, sondern allein der im Normalfall als Folge der Taufe auf den Gläubigen ruhende Heilige Geist. Es stellt sich die Frage, wie es kommt, dass nicht das von Philippus durchgeführte Taufritual, sondern erst die von den Aposteln vollführte Handauflegung die Herabkunft des Geistes auf die neuen Gläubigen zur Folge hatte. Man kann vermuten, dass Lukas mit dieser Darstellung zeigen will, dass die Geistmitteilung zu diesem Zeitpunkt in der von ihm geschilderten Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde (noch) von den Aposteln abhängig ist. Dies kann, da der einzige bevollmächtigte Vermittler und Verwalter Jesus ist, aber nicht dahingehend verstanden werden, dass die Apostel über eine Art Macht oder Vollmacht zur Austeilung des Geistes verfügen. Dieser Vorbehalt wird auch im zweiten Unterabschnitt (Vv.18–25) zum Thema. Dort wird – von dem geschilderten Handeln der Apostel Petrus und Johannes, durch Handlauflegung für die Verleihung des Heiligen Geistes zu sorgen, ausgehend – dargestellt, dass zum einen dieses Handeln nicht auf einer dem Menschen zukommenden, gleichsam ,magischen‘ Macht beruht und dass zum anderen die Gabe des Heiligen Geistes nicht mit Geld zu erwerben ist. In V.18 greift noch einmal der bereits im ersten Abschnitt der Perikope als bekehrter Konkurrent auftretende Zauberer Simon in das Geschehen ein. Offensichtlich beeindruckt durch die vermeintliche den Geist vermittelnde Fähigkeit der beiden Apostel (V.18a), bietet er diesen Geld (V.18b), damit sie ihm diese von ihm vermutete Vollmacht zur durch Handauflegung herbeigeführten Verleihung des Geistes geben (V.19). Die Bitte des Zauberers unterstellt den Aposteln eine Fähigkeit oder Macht und bezeichnet diese als ἐξουσία („Vollmacht“).262 Das Wort ἐξουσία aus dem Munde des Simon drückt die Annahme einer Vollmacht aus, die die Apostel selbst zu Vermittlern des Heiligen Geistes machen würde. Sie hätten dann eine Art ,magische‘ Macht263 zur Geistmitteilung. Petrus begegnet der dieses Missverständnis ausdrückenden Bitte des Simon mit einer deutlich schroffen Zurückweisung samt Verfluchung und begründet diese Reaktion damit, dass die Gabe Gottes nicht mit Geld erwerbbar ist (V.20). Dabei spricht Petrus nicht wie der Zauberer von einer den Aposteln eigenen ἐξουσία, sondern im Gegensatz dazu von der δωρεὰ τοῦ θεοῦ. Wird der Heilige Geist hier als eine geschenkte Gabe264 bezeichnet, die allein von Gott kommt und seiner Macht unterliegt, so wird seine Unverfügbarkeit für den Menschen betont.265 Deshalb ist es des Fluches würdig, sich wie Si-
262 Dies ist so zu verstehen, dass „die Vollmacht die Macht / Fähigkeit voraussetzt“ (BROER, ἐξουσία, Sp. 24). 263 Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 276. 264 Zur Bezeichnung des Heiligen Geistes als δωρεά s. I.3.3.1. 265 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 204.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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mon die Gott eigene Macht über den Heiligen Geist erkaufen zu wollen. Denn der Heilige Geist ist keine verkäufliche Zaubergabe.266 Hinzukommend wird deutlich, dass der Zweck der Verleihung des Heiligen Geistes nicht darin besteht, die Zuhörer durch diese Fähigkeit oder Macht beeindrucken zu können, indem man sie als ,Zauberkunststück‘ verwendet. Vielmehr dient das Handeln der Apostel einzig und allein dem Zweck, den Getauften den Empfang dieses Heiligen Geistes zu ermöglichen, damit ihnen die Zugehörigkeit zum in Jesus verbürgten Heil und zur Heilsgemeinschaft gewährt wird. Simon, der diesen Zusammenhang nicht erkennt und den Geist als Wundermacht missbrauchen wollte, wird daher von Petrus verflucht sowie zur Umkehr aufgerufen und muss die Apostel schließlich um Fürbitte bei Gott ersuchen, damit ihn kein Unheil trifft (Vv.21–24). Verrichteter Dinge können die Apostel sodann wieder nach Jerusalem umkehren, wobei sie den Rückweg nutzen, um das Evangelium in vielen Dörfern Samarias zu verkündigen (V.25). Die Auseinandersetzung mit dem Zauberer Simon veranschaulicht, dass auch die Apostel, die hier durch Handauflegung der Geistherabkunft den Weg bereiten, der Unverfügbarkeit des Geistes unterstellt sind und nur dann für die Geistesgabe sorgen können, wenn diese dem Zweck der Eingliederung der Geistempfänger in die christliche Gemeinde als Heilsgemeinschaft dient. „Simons Mißverständnis verdeutlich [sic!] freilich e contrario das Wesen apostolischer Vollmacht und den Auftrag der Apostel.“267 Wenn die Ausgießung des Heiligen Geistes aber letztlich der Souveränität Gottes obliegt und es sich um keine besondere, gar ,magische‘ Macht der Apostel handelt, dann muss es eine andere Ursache dafür geben, dass die Geistmitteilung der Samaritaner erst nach der rituellen apostolischen Handauflegung erfolgt. Eine Erklärung bieten die Funktionen, die Lukas in seinem Doppelwerk einerseits den Aposteln und andererseits der Lokalisation der ersten Gemeinde Jesu in Jerusalem zuweist. Nach lukanischer Darstellung sind die zwölf Apostel von Jesus selbst eingesetzt worden, um für die rechte Weitergabe der Evangeliumsbotschaft einzustehen.268 Dass mit Petrus und Johannes zwei Apostel aus Jerusalem nach Samaria zu den von Philippus Neubekehrten geschickt werden, hat in diesem Kontext den Sinn, die Missionstätigkeit des Philippus, der als einer der in der Verfolgung Zerstreuten und damit ohne konkreten apostolischen Auftrag Mission betreibt, über die Apostel an den
266
Das ,teuflische‘ an dieser Ansicht des Simon wird auch durch einen anderen Zusammenhang deutlich: In der lukanischen Version der Versuchungsgeschichte bietet der Teufel Jesus ἐξουσία an (Lk 4,6 diff. Mt 4,9), die Jesus mit dem Hinweis zurückweist, Gott allein sei anzubeten und zu dienen (Lk 4,8). Vgl. auch SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 491, Anm. 93. 267 PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 276. 268 S. dazu I.3.4.1.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
von Jesus ergangenen Auftrag zur Evangeliumsverkündigung anzubinden.269 Erst durch dieses Geschehen können auch die von Philippus vollführten Taufen als solche ihre Gültigkeit für die Zueignung zum von Jesus geschenkten Heil vollständig erfüllen und deshalb können erst die Apostel der Geistmitteilung den Weg bereiten.270 Weiterhin verbürgt die lokale Verortung der ersten Gemeinde Jesu in Jerusalem sowohl die Kontinuität von der Geschichte Jesu zu der seiner Gemeinde als auch die Kontinuität der Gemeinde als Gottesvolk zu den Verheißungen Israels.271 Aus diesem Grund muss auch die Aufnahme der gläubigen Samaritaner in die Gemeinde Jesu als Heilsgemeinschaft, die sich durch ihren Status als Gottesvolk auszeichnet, von Jerusalem ausgehen. Denn nur in der Bindung an die Jerusalemer Gemeinde werden auch sie in die genannten Kontinuitäten hinein gestellt. Es sind diese durch die Apostel aus Jerusalem verbürgten Verbindungen272, die die Geistherabkunft auf die in Samaria von Philippus Bekehrten zur Folge haben.273 Damit wird deren Aufnahme in das 269
Die Rückbindung an die Jerusalemer Gemeinde erfolgt nach Apg 11,19–24 auch für die Gemeinde und deren Mission in Antiochia (historisch als neuer Gemeinde-Standort der aus Jerusalem vertriebenen Hellenisten anzusehen) durch die Aussendung des Barnabas von Jerusalem nach Antiochia (V.22). Es handelt sich deshalb um einen typischen Zug der lukanischen Darstellung. Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 203.277. 270 Auch bei der durch Philippus erfolgenden Taufe des Kämmerers aus Äthiopien kommt dieser Zusammenhang zum Tragen, da hier ebenso die Geistmitteilung ausbleibt (Apg 8,38). Im Gegensatz zu dem Fall der Samaritaner wird für den Äthiopier jedoch keine apostolische Anbindung und damit auch keine Nachholung der Geistesgabe erzählt. Weil die Taufe des Kämmerers ohne Geistverleihung bleibt, gliedert sie ihn letztlich nicht (vollständig) in die als Gottesvolk anzusehende christliche Gemeinde ein. Vgl. auch SCHRÖTER, Taufe, S. 582. Zu dem Grund der ausbleibenden Geistverleihung und der diese nachtragenden textkritischen Variante in Apg 8,39 s. I.3.2.1. 271 S. dazu I.2.2.2; I.3.1.1. 272 Plausibel ist die weitgehende Übereinstimmung der meisten Ausleger, dass die Vv.14–17 der Verbindung der Philippus-Mission zu den Aposteln und Jerusalem dienen sollen, und dass aufgrund dieser genuin lukanischen Konzeption diese Verse (vorwiegend) lukanischer Redaktion zuzuschreiben sind. Vgl. u.a. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 61; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 200.204; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 133; HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 298f.; KOCH, Geistbesitz, S. 69f.; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 484; VON DOBBELER, Philippus, S. 192. 273 Es gibt in der Perikope demgegenüber keinen Hinweis darauf, dass die von Philippus bekehrten Gläubigen aus dem Grund nicht sofort durch Geistmitteilung dem Gottesvolk hinzugefügt würden, dass es sich um Samaritaner handelt, die innerhalb des Judentums eine „Sonderstellung“ einnahmen, weil „umstritten [war], ob sie überhaupt als Juden anzusehen seien“ (CONZELMANN / LINDEMANN, Arbeitsbuch, S. 200). So aber z.B. ASH, Disciples, S. 92f. Lukas nennt Samaria als Missionsstation in der Apostelgeschichte stets in Kombination mit Judäa (Apg 1,8; 9,31) „as a first point of departure beyond Jerusalem“ (SPENCER, Philip, S. 33), was auf eine gleichwertige Stellung hindeutet. Die Frage der rechten Voraussetzungen der Gläubigen wird erst in Bezug auf den heidnischen Haupt-
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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Gottesvolk durch den als die Gabe Gottes anzusehenden Heiligen Geist bestätigt.274 Lukas zeigt durch diese Perikope Apg 8,4–25 demnach deutlich, dass die Gabe des Heiligen Geistes für die neu zum Glauben Gekommenen ihrer Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft dient; es muss sich jedoch um die richtige, d.h. um die an Jerusalem und die Apostel gebundene Gemeinschaft handeln. In diesem Sinne steht der Heilige Geist auch der Aufspaltung des Gottesvolkes in viele unabhängige Gemeinden entgegen. Er schafft und bewahrt die Einheit der christlichen Gemeinde275 als Heilsgemeinschaft. Der Heilige Geist verbürgt nach der Darstellung des Lukas also sowohl die Kontinuität als auch die Einheit des Gottesvolkes. 3.3.3 Das exklusive Identitätsmerkmal (Apg 10,44f.47; 11,15f.; 15,8) Die im Vorangehenden thematisierte Aussage, dass die Gabe des Heiligen Geistes nach Lukas die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde als Heilsgemeinschaft anzeigt, gewinnt an einer weiteren zentralen Stelle in der Apostelgeschichte große Bedeutung, und zwar innerhalb der längsten Perikope der Apostelgeschichte, Apg 10,1–11,18, in der die Bekehrung des römischen Hauptmanns Kornelius durch den führenden Apostel Petrus erzählt wird. Diese Erzählung276 widmet sich der Frage277, ob und unter welchen Bedingungen auch Heiden der christlichen Gemeinde zugehören dürfen.278 Die Problematik dieser Frage ergibt sich daraus, dass – wie anhand von Apg 2,38f. deutlich wurde – die Aufnahme in die christliche Gemeinde nichts anderes als die Aufnahme in das Gottesvolk bedeutet. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Gemeinde Jesu als Gottesvolk in Kontinuität zu Israel und zu den an Israel ergangenen Verheißungen steht. Daher waren nach Lukas bisher alle, die durch die Evangeliumsverkündigung der Zeugen Jesu bekehrt, sodann durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen und in ihrer Zugehörig-
mann Kornelius zum Thema, während es in Apg 8,5–25 um die Frage der Einheit mit der Jerusalemer Gemeinde geht. Der Grund für die fehlende Geistmitteilung ist folglich im Status des Missionars Philippus zu suchen. 274 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 135. 275 Vgl. auch BONNAH, Holy Spirit, S. 179f.; GEORGE, Esprit, S. 508; KÄSEMANN, Johannesjünger, S. 151. 276 Es ist davon auszugehen, dass Lukas diese Perikope unter Aufnahme von Überlieferungsmaterial zu dieser für die Frage der Heidenmission entscheidenden Erzählung ausgestaltet hat. S. dazu I.3.2.2. 277 Diesbezüglich herrscht unter den Auslegern weitgehend Einigkeit. Vgl. u.a. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 251f.; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 167; BARRETT, Acts 1, S. 491.495; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 64; FITZMYER, Acts, S. 447f. 278 Deshalb kann man sagen, dass Lukas mit dieser Perikope eine „Ätiologie der Heidenmission“ bietet (WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 252).
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
keit mit der anschließenden Geistmitteilung von Seiten Gottes bestätigt worden waren, ursprünglich dem Judentum als Gottesvolk Israel Zugehörige. Für die Beantwortung der oben genannten Frage nach der Zulässigkeit der Aufnahme von Heiden in die christliche Gemeinde ist zu beachten, dass nach jüdischem Verständnis für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk bestimmte Kriterien erfüllt werden mussten. Zentrales Kriterium war der Glaube an den einen Gott, i.e. den Gott Israels. Im Rahmen dieses Glaubens war jeder Gläubige zur Einhaltung bestimmter Gebote (Reinheits- und Speisegebote, Heiligung des Sabbats etc.) verpflichtet279, für Männer bestand in diesem Rahmen zudem das Gebot der Beschneidung. Der Glaube und die Einhaltung der Gebote dieses Gottes stellten daher die sogenannten Identitätsmerkmale (,identity marker‘) für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk Israel dar.280 Wollten Außenstehende in das Gottesvolk aufgenommen werden, so mussten sie diese Voraussetzungen erfüllen und sich somit die genannten Identitätsmerkmale aneignen.281 Da im bisherigen Verlauf der in der Apostelgeschichte geschilderten Mission alle zu der – das neu konstituierte Gottesvolk bildenden – christlichen Gemeinde hinzugekommenen Neubekehrten ohnehin Juden waren, hatten alle die ,identity marker‘ des Gottesvolkes Israel per se erfüllt. In Apg 10,1–11,18 berichtet der Verfasser des lukanischen Doppelwerks dann aber davon, dass eine wesentliche Veränderung stattfindet, indem die erste größere Gruppe von gottesfürchtigen Heiden in die christliche Gemeinde aufgenommen wird. Dabei kommt dem Heiligen Geist eine zentrale Bedeutung für diese Aufnahme in das Gottesvolk zu. Die Rolle, die Lukas dem Geist hinsichtlich der Ausrichtung der Missionstätigkeit der Jesusanhänger auch zu den Heiden zuweist, wird zunächst in dem einleitenden ersten Teil der Erzählung Apg 10,1–23a offenbar.282 Im Hinblick auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk ist jedoch erst der anschließende Abschnitt in den Vv.23b– 48, der das Zentrum der Perikope bildet, relevant, weil er die eigentliche Bekehrung der Heidengruppe samt deren Aufnahme in die christliche Gemeinde als Gottesvolk schildert. Das gleich mehrfache Auftreten des Geistes und seine unterschiedlichen Funktionen in dieser für die Entwicklung der Heidenmission zentralen Geschichte zeigt deren besondere Bedeutung an. Der Perikopen-Kern lässt sich in drei Abschnitte gliedern: In den Vv.23b– 33 wird zunächst geschildert, dass Petrus im Haus des Kornelius ankommt und der vorgefundenen Versammlung, bestehend aus Kornelius, seinen Verwandten und engsten Freunden (V.24), erklärt, warum er den Gesandten des 279
Vgl. MAIER, Zwischen den Testamenten, S. 213f.221–225; CONZELMANN / LINDEArbeitsbuch, S. 184f. 280 Vgl. auch HORN, Verzicht, S. 479. 281 Vgl. auch LEIPOLDT / GRUNDMANN, Umwelt, S. 455. 282 S. dazu I.3.2.2.
MANN,
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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Kornelius auf ihre Bitte hin in dieses Haus gefolgt ist. Petrus verweist zunächst auf das für ihn als Juden geltende Umgangsverbot mit den Heiden und erläutert dann, dass er durch die im Rahmen der Vision und von dem Geist vermittelten Anweisungen Gottes, zu denen auch gehöre, keinen Menschen zu meiden und unrein zu nennen, dieses Umgangsverbot als aufgehoben ansieht (V.28). Daraufhin erfährt Petrus, dass auch Kornelius seine Gesandten zu ihm geschickt hat, weil der Engel Kornelius dazu beauftragt hat. Durch die göttlichen Botschafter auf beiden Seiten wurde folglich dafür gesorgt, dass das Treffen zwischen dem Apostel Petrus und der Gruppe um Kornelius überhaupt erst zustande kam. Die Aufhebung des genannten Umgangsverbots für die Juden hat nach dieser Darstellung somit erst die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Petrus den Heiden das Evangelium überhaupt verkündigen durfte. Die Predigt des Petrus vor Kornelius und den anderen anwesenden Heiden wird sogleich im zweiten Abschnitt (Vv.34–43) ausgeführt. Diese Predigt beginnt in den Vv.34f. noch einmal mit der für den Schritt hin zur Heidenmission entscheidenden Erkenntnis, dass Gott in jedem Volk diejenige Person angenehm ist, die ihn fürchtet und Recht tut (V.35). Auch legt Petrus dar, dass Israel zwar der erste Adressat der Christusbotschaft, Jesus Christus jedoch Herr aller Menschen ist (V.36). Aus diesem Grund kann das Evangelium von Israel ausgehend auch zu anderen Völkern gelangen und es können aus jedem Volk Menschen zu Jüngern Jesu werden. Auch Heiden steht damit der Weg in das Gottesvolk, das sich auf den Namen Jesu beruft, offen. Zu diesem Zweck verkündigt Petrus im weiteren Verlauf der Rede (Vv.37–43)283 von Jesu Leben, Tod und Auferstehung. Verwoben ist diese Thematik mit der Zeugenschaft der Apostel (Vv.39a.41.42a) und Propheten (V.43). Den Abschluss der Rede bildet in diesem die Zeugenschaft betreffenden Kontext ein indirekter Ruf zur Hinwendung zu Jesus als dem Richter, um durch seinen Namen Vergebung der Sünden zu erlangen (Vv.42f.). Da Petrus – wenn auch lediglich auf indirekte Weise – somit zur Buße und Umkehr ermahnt hat, wäre der nächste Schritt nach Apg 2,38 die Aufforderung zur Taufe. Aber die Ereignisse entwickelten sich, wie Lukas in dem dritten Abschnitt des Perikopen-Kerns (Apg 10,44–48) berichtet, anders. Denn wie sowohl das präsentische Partizip λαλοῦντος als auch die Partikel ἔτι in V.44 zeigen, war Petrus noch dabei zu verkündigen284, als der Heilige Geist unvermittelt auf alle Hörer des Wortes herabfiel. Es handelt sich dabei um den einzigen Fall in der Apostelgeschichte, in dem eine plötzliche Geistausgießung erzählt wird, die im Rahmen einer Evangeliumsverkündigung 283
Eine ausführlichere Darstellung des Inhalts dieser Petrusrede sowie die Besonderheit dieser Predigt vor Heiden gegenüber den Predigten vor anderen Adressaten findet sich in I.2.1.4. 284 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 193.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
erfolgt. Die Einzigartigkeit des Vorfalls wird noch dadurch gesteigert, dass die Geistherabkunft die Predigt des Petrus sogar unterbricht, bevor er zur Taufe auffordern kann. Die folgenden Vv.45–48 schildern, wie zunächst die mit Petrus zu Kornelius Gekommenen und sodann Petrus selbst auf dieses ungewöhnliche Ereignis reagieren, dass die Heiden um Kornelius den Heiligen Geist empfangen haben. Zunächst gerieten die Begleiter des Petrus außer sich (ἐξίστηµι) darüber, dass auch auf die Heiden (τὰ ἔθνη) die Gabe des Geistes ausgegossen wurde (V.45), was sie daran erkennen, dass diese Heiden in Zungen reden und Gott preisen (V.46a). Dabei ist hervorzuheben, dass die Begleitpersonen des Petrus hier nicht schlicht als Judenchristen bezeichnet werden, sondern ihr Status mit οἱ ἐκ περιτοµῆς πιστοί („Gläubige aus der Beschneidung“) angegeben wird.285 Diese Kennzeichnung betont den Unterschied zwischen ihnen und den Heiden, der in der Beschneidung als einem ,identity marker‘ des Gottesvolkes Israel besteht.286 Dieser war bis zu diesem Zeitpunkt auch für das in Kontinuität mit diesem Israel stehenden neu konstituierten Gottesvolk der christlichen Gemeinde selbstverständlich, da alle, die bisher der Gemeinde Jesu angehörten, sogenannte Judenchristen waren. Weiterhin fällt auf, dass die Bezeichnung des den Heiden soeben zuteilgewordenen Heiligen Geistes als δωρεὰ τοῦ ἁγίου πνεύµατος die Wendung aus Apg 2,38 wiederholt287, die den Geschenkcharakter des Geistes betont und mit deren Hilfe ausgeführt wurde, dass das Geschenk des Heiligen Geistes als göttliche Bestätigung allen zuteilwerden muss, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekehrt haben und deshalb in die christliche Gemeinde aufgenommen worden sind. Durch die Geistmitteilung als Folge der Evangeliumsverkündigung des Petrus werden demnach an dieser Stelle zum ersten Mal Heiden in die christliche Gemeinschaft aufgenommen. Dabei ist der Geist schon von Gottvater und dem dazu eingesetzten Vermittler und Verwalter Jesus auf die Heidenversammlung herab gesandt worden, bevor Petrus die Evangeliumsverkündigung durch Ermahnung zu den Schritten Umkehr und Taufe abschließen konnte. So griff nach der Darstellung des Lukas die göttliche Initiative der menschlichen voraus.288 In den die Kommentare der Petrus-Begleiter beschreibenden Vv.45–46a finden sich zudem einige Hinweise darauf, dass diese Geistherabkunft auf die Heiden einige markante Ähnlichkeiten aufwies zu derjenigen, die am Pfingst-
285
Diese Bezeichnung für Juden oder Judenchristen findet sich auch bei Paulus in Gal 2,12 und in den Deuteropaulinen Kol 4,11; Tit 1,10. 286 Im lukanischen Doppelwerk ist außer in dieser Perikope nur noch einmal in Apg 7,8 von der περιτοµή die Rede. Dies zeigt, dass die Thematik für die vorliegende Perikope Apg 10,1–11,18 entscheidend ist. 287 Vgl. auch WARREN, Water, S. 133. 288 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 174.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
219
tag geschehen war.289 Zunächst knüpft die Rede vom Ausgießen (ἐκχέω) des Geistes (V.45) an die Deutung der ersten pfingstlichen Geistmitteilung in Apg 2,17–21 mit Hilfe der alttestamentlichen Verheißung aus Jo 3,1–5 an, da die Verleihung des Heiligen Geistes auch hier mit ἐκχέω formuliert war (Apg 2,17f.). Nach Apg 2,33 war diese Geist-Verheißung dadurch zur Erfüllung gekommen, dass Jesus nach seiner Erhöhung zur Rechten Gottes als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wurde und den Geist an Pfingsten auf seine Anhänger ausgegossen hatte, was ebenfalls durch die Aufnahme des Ausdrucks ἐκχέω verdeutlicht wurde. Dass dasselbe Verb anschließend in der Apostelgeschichte nur noch ein einziges Mal für die Geistverleihung Verwendung findet, i.e. diejenige an die Heiden in Apg 10,45, zeigt an, dass es sich bei der Geistherabkunft auf die Heiden um ein äquivalentes Geschehen handelt. Wie Jesus als der Erhöhte der Gruppe der ersten Jünger an Pfingsten den Heiligen Geist verliehen hatte, so hat er es nun auch an den Heiden geschehen lassen. Das Passivum divinum ἐκκέχυται (V.45) hebt dabei deutlich hervor, dass es sich um einen göttlichen Akt handelt. Gegenüber dem in Apg 2,38f. dargestellten üblichen Weg des Geistempfangs neu getaufter Gläubiger, bei dem sich die von Jesus ergangene Geistverheißung realisiert, besteht die in Apg 10,44 geschilderte Besonderheit darin, dass es kein sonst übliches menschliches vorausgehendes Ritual (Taufe, Handauflegung) zur Aufnahme in die Gemeinde gibt, sondern dass – genauso wie am Pfingsttag – der Heilige Geist direkt und unmittelbar290 auf die Empfänger fällt. Eine weitere Gemeinsamkeit mit den pfingstlichen Ereignissen ist darin zu sehen, dass die geistbegabten Heiden nach Apg 10,46a als Folge der Geistausgießung in Zungen reden und Gott preisen. Die beiden Wendungen λαλεῖν γλώσσαις und µεγαλύνω treten im lukanischen Pfingstbericht zwar nicht wörtlich, aber in Anklängen auf. So redeten die ersten geistbegabten Jesusanhänger zwar nicht in Zungen, aber in anderen Sprachen (λαλεῖν ἑτέραις γλώσσαις) (Apg 2,4), und sie priesen Gott nicht hoch, sondern sprachen von den großen Taten Gottes (λαλεῖν τὰ µεγαλεῖα τοῦ θεοῦ) (Apg 2,11). Die Verwandtschaft der Wendungen291 deutet darauf hin, dass die beschriebenen Ereignisse, die an Pfingsten bzw. im Hause des Kornelius stattfanden, den gleichen Ursprung haben, der in der von Gott kommenden Gabe des Heiligen Geistes besteht. Nicht zuletzt entspricht auch die mit dem Verb ἐξίστηµι beschriebene Verwunderung als Reaktion auf die Geschehnisse, die die Petrus-Begleiter zeigen, wörtlich dem Verhalten des jüdischen Publikums an Pfingsten (Apg 2,6f.12), auch wenn die Verwunderung und Verwirrung der Betroffenen 289
Dies hat ausführlich z.B. KREMER, Pfingstbericht, S. 191–197 untersucht. Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 177. 291 Vgl. ähnlich auch Apg 19,6. 290
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
dort sehr viel umfangreicher und mit variierenden Verben (συγχέω, θαυµάζω, διαπορέω) ausgeführt wird. In beiden Fällen wird dadurch das Wunderbare der Geschehnisse verdeutlicht. Diese Anklänge in Apg 10,45–46a an die überhaupt erste Geistherabkunft auf die christliche Gemeinde zeigen, dass die erste Geistmitteilung an die Heiden an das pfingstliche Ereignis anknüpft. Diese Geistmitteilung an die Heiden stellt, auch wenn das Ereignis in der Beschreibung und Auswirkung sehr viel geringer ausfällt292, ein nochmaliges Anfangsgeschehen dar. Es verdeutlicht, dass von diesem Zeitpunkt an auch den Heiden der Heilige Geist geschenkt wird. Gleichzeitig zeigt sich, dass hinsichtlich der Bedeutung der Gabe des Geistes ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden geschilderten Ereignissen besteht: Kommt dem Heiligen Geist in Bezug auf die Heiden um Kornelius schwerpunktmäßig die Bedeutung zu, die Zugehörigkeit dieser Personen zur christlichen Gemeinde als neu konstituietem Gottesvolk anzuzeigen, so hatte bei der pfingstlichen Geistausgießung die Ermöglichung der Verkündigung des Evangeliums im Vordergrund gestanden. Da die Heiden durch die den Geist spendende Initiative Gottvaters und des Geist-Vermittlers Jesus als Zugehörige des Gottesvolkes ausgewiesen und legitimiert wurden, könnte Petrus als der federführende Missionar seine Tätigkeit als abgeschlossen ansehen. Denn mit der Gabe des Geistes erhielten die Heiden um Kornelius alles, was für sie zur Aufnahme in die Heilsgemeinschaft notwendig war. Der Taufritus, der dieser Geistesgabe eigentlich den Weg bereiten sollte, war von Gott selbst durch die die Petruspredigt unterbrechende Geistausgießung übersprungen worden. Dennoch sieht Petrus nach lukanischer Darstellung nicht einfach von diesem gemeindlichen Ritual ab, sondern für ihn ist diese Geistausgießung Anlass, den Geistempfängern die Taufe im Namen Jesu Christi zuteilwerden zu lassen (Vv.47–48a).293 Dabei begründet er dieses Handeln mit der folgenden rhetorischen Frage: Μήτι τὸ ὕδωρ δύναται κωλῦσαί τις τοῦ µὴ βαπτισθῆναι τούτους οἵτινες τὸ πνεῦµα τὸ ἅγιον ἔλαβον ὡς καὶ ἡµεῖς; („Kann etwa jemand das Wasser verwehren, dass diese nicht getauft werden, die den Heiligen Geist empfingen wie auch wir?“) (V.47). Entscheidendes Argument für den Vollzug des Taufakts, der hier ausdrücklich als ein mit Wasser zu vollziehendes Ritual gekennzeichnet ist294, ist demnach die Tatsache, dass die Heiden den Heiligen Geist genauso empfangen haben wie die Taufenden selbst. Dem Geistempfang wird somit auch in dieser Aussage die Priorität gegenüber dem Vollzug 292
Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 270. Neben der Petrusrede in Apg 2,14–40 ist dies die einzige Missionsrede in der Apostelgeschichte, auf die hin die Durchführung einer Taufe geschildert wird. 294 Dies ist innerhalb der Apostelgeschichte ansonsten nur noch in Apg 8,36.38 der Fall. Für die anderen Schilderungen des Taufrituals muss dies ebenfalls vorausgesetzt werden. Vgl. SCHRÖTER, Taufe, S. 561. 293
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
221
des Taufrituals gegeben. Dennoch wird die seitens der Gemeinde zu vollziehende Taufe nicht hinfällig. Der Grund dafür ist in ihrer Funktion zu sehen, die nach Apg 2,38 darin besteht, die Aufnahme des Täuflings in die christliche Gemeinde von menschlicher Seite zu bestätigen und dadurch für die Entstehung der Gemeinschaft ausschlaggebend zu sein. Auch wenn dieser Aufnahmeritus der Geistbegabung im Normalfall vorangeht, so darf er dennoch auch in dieser Ausnahmesituation nicht fehlen. Zwar ist von Seiten Gottvaters und Jesu die Zugehörigkeit der Heiden zur christlichen Gemeinde als Gottesvolk bereits legitimiert worden, aber auch von Seiten der Gemeinde muss diese Entscheidung angenommen werden. „The ritual of baptism is therefore a sign of the Church’s acceptance of God’s action.“295 Deshalb holt Petrus den Taufakt nach und damit das göttliche Handeln für die Gemeinschaft ein. Auf diese Weise ist von Seiten der Gemeinde Jesu, vertreten durch den Apostel Petrus und seine Begleiter, die Zugehörigkeit der Heiden bestätigt worden. Die neu gewonnene Gemeinschaft mit den Heiden wird von Petrus sogleich dadurch praktiziert, dass er auf ihre Einladung hin noch einige Tage bei den Heiden bleibt.296 Allerdings ist dies nach der Darstellung des Lukas noch nicht ausreichend, um aus diesem Ereignis eine für die entstehende christliche Gemeinde allgemeine Gültigkeit ableiten zu können, sondern Petrus muss laut Apg 11,1–18, dem Abschluss der Perikope von der Bekehrung des Hauptmanns Kornelius, sein Vorgehen zu diesem Zweck noch vor der Jerusalemer Gemeinde rechtfertigen.297 In Apg 11,1–3 schildert Lukas, wie es zu der Rechtfertigungsnot des Petrus kam. Die (sc. übrigen) Apostel und die Brüder in Judäa hörten davon, dass auch die Heiden das Wort Gottes angenommen haben (V.1). Als Petrus nach Jerusalem kam, stritten sich die Judenchristen mit ihm (V.2). Dabei wird – wie bereits in Apg 10,45 in Bezug auf die Begleiter des Petrus gesehen – wiederum durch ihre Benennung mit οἱ ἐκ περιτοµῆς („die aus der Beschneidung“) die Beschneidung als das Kennzeichen der aus dem Gottesvolk Israel stammenden Jesusanhänger betont. Diese Erwähnung hat in diesem Kontext eine besondere Brisanz, denn der ,identity marker‘ wird im anschließenden Vorwurf der Jerusalemer zum tragenden Streitpunkt: Die Anklage lautet, dass Petrus zu Männern mit Vorhaut (ἀκροβυστίαν ἔχοντες) gegangen ist und mit ihnen gegessen hat (V.3). Dieses Identitätsmerkmal des Gottesvolkes Israel steht somit im Vordergrund der Diskussion zu der Frage, ob Petrus, der sich als Judenchrist an die jüdischen Gesetze halten musste, 295
BONNAH, Holy Spirit, S. 197. Vgl. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 204; WILKENS, Wassertaufe, S. 28; JOHNSON, Acts, S. 194. 296 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 174. 297 Dass diese Rechtfertigung, die zur Anerkennung führt, in Jerusalem stattfindet, „entspricht der wichtigen heilsgeschichtlichen Stellung der Stadt im luk Doppelwerk“ (WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 270). Dazu s. auch I.2.2.2; I.3.1.1; I.3.3.2.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Kontakt zu Heiden hätte pflegen dürfen. Dieser Kontakt jedoch war die zwingende Voraussetzung dafür, dass Petrus den Heiden das Evangelium verkündigen konnte. Petrus verteidigt nach der Darstellung des Lukas sein Vorgehen, indem er die Geschehnisse, wie sie zuvor in Apg 10 geschildert worden waren, der Reihe nach berichtet. Dabei wird deutlich, dass der Heilige Geist gleich in zweifacher Weise, einerseits durch seine Lenkung der Ausrichtung der Mission und andererseits durch seine Herabkunft auf die Heiden, die Ereignisse göttlich legitimiert hat (Vv.12.15). In dem, was Petrus in den Vv.15–17 von der für diesen Zusammenhang relevanten Herabkunft des Geistes auf die Heiden im Haus des Kornelius berichtet, findet sich ergänzend zu den Ausführungen, die darüber zuvor in Apg 10,44–48 gegeben wurden, eine weitere Deutung dieser Geistausgießung: Laut V.16 wurde Petrus in Folge der Geistmitteilung an das Wort über die Wassertaufe des Johannes und die diese überbietende Geisttaufe, das er ausdrücklich als ῥήµα τοῦ κυρίου („Wort des Herrn“) bezeichnet, erinnert.298 Dieser Hinweis des Apostels bezieht sich auf Apg 1,5. Wie zu dieser Stelle in I.2.2.2 erörtert wurde, hatte Lukas in diesem Vers Jesus ein ursprüngliches Johannes-Wort (Lk 3,16) zugeschrieben. Der Auferstandene hatte dieses innerhalb der vor der Himmelfahrt erfolgten Geist-Verheißung an seine Jünger ausgesprochen. Die hier im Munde des Petrus erscheinende Erinnerung daran muss daher ebenfalls auf lukanische Redaktion zurückgehen. Dadurch lässt Lukas Petrus in Apg 11,16 feststellen, dass diese Verheißung der Geisttaufe, die in Apg 1,4f. explizit als ἐπαγγελία bezeichnet ist (vgl. Lk 24,49; Apg 2,33.39), angesichts der erfolgten Geistverleihung auch für die zum Glauben gekommenen Heiden gelten muss.299 Nach der nur im lukanischen Doppelwerk auftretenden Darstellung hat sich diese Verheißung der Geisttaufe im Pfingstereignis für die ersten Jesusanhänger erfüllt. In Apg 11,15b vergleicht Petrus die Geistausgießung auf die Heiden mit diesem für die Bedeutung des Heiligen Geistes in der Gemeinde initiatorischen Geschehen, indem er darauf verweist, dass der Geist auf die Heiden fiel wie auf sie selbst am Anfang (ὥσπερ καὶ ἐφ’ ἡµᾶς ἐν ἀρχῇ).300 Durch den sich in V.16 anschließenden Hinweis auf das Taufwort wird auch die Geistausgießung auf die Heiden analog zum ersten Pfingstereignis als von dem Vermittler und Verwalter Jesus ausgehende Geisttaufe gedeutet301, wobei die Analogie zum Pfingstereignis bereits durch die erörterte Schilderung in Apg 10,45– 46 nahegelegt wurde, jedoch erst an dieser Stelle die explizite Verknüpfung erfolgt, indem auf die Verheißung der Geisttaufe verwiesen wird.
298
Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 251. Vgl. auch CORNILS, Geist, S. 105. 300 Vgl. ähnlich in Apg 10,47. 301 Vgl. KREMER, Voraussagen, S. 158; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 175. 299
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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Zudem erläutert Petrus, dass Gott den Heiden auf diese Weise die gleiche Gabe (ἴση δωρεά) gegeben hat wie ihnen selbst. Diese Aussage ist im vorliegenden Kontext darauf zu beziehen, dass auch die Heiden mittels der Geisttaufe den Heiligen Geist empfangen haben. Wie die Ausführungen zu Lk 3,16; Apg 1,5 gezeigt haben, bedeutet der Empfang dieser Geisttaufe für den Einzelnen, dem Heil zugeeignet zu sein. Der exklusive Empfängerkreis des Heiligen Geistes bildet in der Folge die Heilsgemeinschaft. Weil sie dieselbe Gabe haben, gehören sie als diese Heilsgemeinschaft zusammen. Dementsprechend sind neben den Gläubigen jüdischer Provenienz nun auch Heiden Zugehörige zur Heilsgemeinschaft und sie sind in dieser Gemeinschaft den sogenannten Judenchristen gleichwertig.302 Das entscheidende Kriterium ist nach der Darstellung des Lukas in dieser Frage der Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft einzig und allein die Begabung mit dem Heiligen Geist303, alle anderen Kriterien wurden außer Kraft gesetzt. Da die Gemeinschaft auf die gemeinsame Gabe des Geistes gründet, steht das zuvor im Mittelpunkt des an Petrus ergangenen Vorwurfs anklingende Thema der Beschneidung, das hier auch als pars pro toto für die weiteren als Identitätsmerkmale des Gottesvolkes Israel geltenden Gebote anzusehen ist, nicht mehr im Weg. Die Gabe des Heiligen Geistes ersetzt nach der lukanischen Darstellung folglich die Beschneidung (sowie die anderen oben genannten Merkmale) als Zeichen der Zugehörigkeit zum Gottesvolk. Einzig und allein der Heilige Geist ist nun der entscheidende ,identity marker‘ der christlichen Gemeinde als Gottesvolk.304 Für die Neukonstituierung des Gottesvolkes gibt es ein neues Identitätsmerkmal. Abschließend betont Petrus in Apg 11,17b, dass er sich nicht in der Lage sieht, Gott zu wehren. Damit zeigt Petrus auf, dass er keine eigenmächtige Entscheidung über das Vorgehen getroffen hat, sondern dass die Geistausgießung gleichsam als ,Gottesurteil‘ bezüglich der Frage der Zugehörigkeit der Heiden zum Gottesvolk anzusehen ist. „Den gläubigen Heiden das Wasser der Taufe zu verweigern (10,47) und ihnen die Tischgemeinschaft zu versagen (11,3), wäre daher menschliche Eigenmächtigkeit“.305 Da Petrus den Jerusalemern darlegen kann, dass die Entscheidung über die Aufnahme der Heiden um Kornelius in das Gottesvolk und über den neuen ,identity marker‘ des Heiligen Geistes von Gott selbst ausging, schweigen die Jerusalemer, loben Gott (V.18a) und bringen dadurch ihr (Ein-)Verständnis zum Ausdruck, das sich in folgender Erkenntnis zeigt: „Also hat Gott auch den Heiden die Umkehr zum Leben gegeben“ (Ἄρα καὶ τοῖς ἔθνεσιν ὁ θεὸς τὴν µετάνοιαν εἰς ζωὴν ἔδωκεν) (V.18b). Die Jerusalemer stellen nach 302
Vgl. BRUNER, Spirit, S. 191. Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 270. 304 Vgl. auch ZWIEP, Christ, S. 110; JERVELL, Theology, S. 45. 305 PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 347. 303
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
lukanischer Darstellung fest, dass die zum Leben führende Umkehr, die nach Lk 24,47; vgl. Apg 2,38 das in Jesus geschenkte Heil306 bedeutet, auch den Heiden in grundsätzlicher Weise gilt. Denn nicht der Einzelfall der Mission des Heiden Kornelius samt seines Hauses wird hier abschließend genehmigt, sondern der Aufnahme der Heiden (τὰ ἔθνη) insgesamt307 zugestimmt, weil Gott dieses Vorgehen legitimiert hat.308 Damit ist in grundsätzlicher Weise erwiesen, dass das in Jesus geschenkte Heil auch den Heiden gilt.309 Lukas zeigt in dieser Perikope auf, dass es sich bei dieser Bestimmung des Heiligen Geistes als ,identity marker‘ des neu konstituierten Gottesvolkes nicht um einen menschlichen Beschluss handelt, der im Zuge der Missionstätigkeit der Gemeinde gefällt worden ist. Vielmehr handelte es sich um die Entscheidung Gottes, allen Menschen – ob Juden oder Heiden – den Zugang zum Gottesvolk zu ermöglichen. Deshalb wurde den ersten Heiden der Heilige Geist von Gottvater und dem erhöhten Jesus direkt verliehen, ohne dass die christliche Gemeinde sich vorher zum Vollzug der Taufe als Anerkennung der Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde von menschlicher Seite hätte entschließen müssen. Diese außergewöhnliche direkte Geistverleihung überspringt sowohl die Taufe als auch die von menschlicher Seite durchzuführende Klärung aller weiteren Fragen, die die von den Neubekehrten zu erfüllenden Voraussetzungen betreffen. Sie gibt der christlichen Gemeinde den diesbezüglichen göttlichen Willen bekannt und damit deren künftiges Verhalten vor. Auf diese Weise dient die Geistverleihung an die Heiden der Legitimation des Heiligen Geistes als neues exklusives Identitätsmerkmal des Gottesvolkes. Dieser Zusammenhang wird innerhalb der Rede, die Petrus auf dem Apostelkonzil zur Verteidigung der gesetzesfreien Heidenmission hält (Apg 15,7– 11), wieder aufgegriffen. Petrus stellt hier in Frage, dass verlangt werden kann, die aus dem Heidentum stammenden Christen zu beschneiden und zur Einhaltung der Gebote anzuhalten (Vv.5.10). Als ausschlaggebendes Argument führt er mittels eines Rekurses auf das Kornelius-Ereignis in V.8 an, dass Gott die Aufnahme von Heiden in die Gemeinde bezeugt hat, indem er
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Die Zuwendung des Heils an Kornelius und sein Haus wird auch in dem die Engelserscheinung berichtenden Vers Apg 11,14 explizit genannt: σωθήσῃ σὺ καὶ πᾶς ὁ οἶκός σου. 307 Vgl. AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 340. Auch die Nennung des allgemeinen τὰ ἔθνη in dem die Jerusalemer Szene einleitenden Vers Apg 11,1 hatte bereits darauf hingewiesen, dass es sich um eine grundsätzliche Fragestellung für die entstehende christliche Gemeinde handelte. 308 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 175. 309 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 251f.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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diesen den Heiligen Geist ebenso wie den hier Debattierenden gegeben hat.310 Auch hier liegt die Betonung darauf, dass die Heiden mit dem Heiligen Geist nun dieselbe Gabe besitzen wie auch sie selbst (καθὼς καὶ ἡµῖν), i.e. die aus dem Judentum stammenden Jesusanhänger, wodurch die Heiden zu gleichwertigen Gemeindegliedern werden. Denn dadurch hat Gott aufgezeigt, dass er keinen Unterschied macht zwischen den Judenchristen und denen, die aus dem Kreis der Heiden zur christlichen Gemeinde als Gottesvolk hinzukommen wollen (V.9a).311 Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass Gott diese Entscheidung zur Aufnahme der Heiden in das neu konstituierte Gottesvolk getroffen hat, indem er mit der Geistverleihung für sie Zeugnis abgelegt hat, „d.h. er zeigte seinen Heilsratschluß in bezug auf die Heiden an.“312 In der an die Predigt des Petrus anschließenden und im Kontext zu den obigen Ausführungen stehenden Jakobusrede gebraucht Lukas in einem der seltenen Fälle313 explizit zur Bezeichnung des sich neu konstituierenden Gottesvolkes das sonst (schon in der Septuaginta und von diesem Sprachgebrauch abhängig auch im lukanischen Doppelwerk) dem Gottesvolk Israel vorbehaltene Wort λαός für die christliche Gemeinde. Nach Apg 15,14 hat Gott die Heiden, exemplarisch Kornelius und sein Haus, gnädig heimgesucht, um sich aus ihnen ein λαός zu schaffen für seinen Namen. Zu diesem neu konstituierten Gottesvolk werden nach Lukas diejenigen gehören, die den Heiligen Geist empfangen.314 3.3.4 Das Differenzkriterium gegenüber alternativer Taufpraxis (Apg 19,2.6) In die bisher dargestellte Thematik, dass Lukas den Heiligen Geist als ,identity marker‘ und damit notwendiges Kennzeichen aller Glieder der Gemeinde Jesu darstellt, weil die Gabe des Heiligen Geistes die Zugehörigkeit zum Gottesvolk bzw. zu der Heilsgemeinschaft gewährleistet, fügen sich die Geschehnisse ein, die Lukas innerhalb der Perikope über Paulus in Ephesus (Apg 19,1–22) im ersten Abschnitt (Apg 19,1–7) berichtet. Dabei geht es um die Frage der ,richtigen‘, christlichen Taufe. Der V.1 stellt die Exposition dieses Abschnittes dar und beschreibt die Ausgangssituation der Erzählung: Paulus kommt, während Apollos315 gerade 310 Mitgedacht werden muss an dieser Stelle, dass Gott zwar der Ursprung der Geistesgabe ist, der Heilige Geist aber nach Lukas nur durch den zum Vermittler und Verwalter eingesetzten Jesus verliehen werden kann. 311 Vgl. auch HUR, Spirit, S. 255. 312 ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 566. 313 Vgl. nur noch Apg 18,10. 314 In diesem Sinn kann in dieser Arbeit vom sich in der christlichen Gemeinde neu konstituierenden Gottesvolk gesprochen werden. 315 Der Perikope voran geht in Apg 18,24–28 ein Bericht vom Wirken des Apollos. Dieser war zunächst in Ephesus tätig (Vv.24–26), reiste dann aber nach Achaja (Vv.27f.). Die
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
in Korinth weilt, über das Hochland nach Ephesus, wo er „irgendwelche Jünger“ (τινὲς µαθηταί) findet. Die Bezeichnung der Paulus begegnenden Gruppe von Jüngern mit dem Indefinitpronomen τινές weist darauf hin, dass der Status der µαθηταί unbekannt ist316 und daher Ungewissheit herrscht darüber, als wessen Jünger sie sich verstehen. Nach der Darstellung der Apostelgeschichte ist auch Paulus sich nicht im Klaren, wie deren Jüngerschaft beschaffen ist, denn das erste, was er bei dem Zusammentreffen mit ihnen tut, ist die Frage zu stellen, ob sie den Heiligen Geist empfangen haben, als sie gläubig geworden waren (V.2a). Wenn Paulus im Hinblick auf seine Missionstätigkeit klären möchte, ob es sich um Jünger Jesu bzw. um eine christliche Gemeinde handelt317, so entspricht diese Frage dem im Vorangehenden dargestellten Zusammenhang, dass die Begabung mit dem Heiligen Geist die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde als Gottesvolk ausmacht und anzeigt. Deshalb müssen alle, die zum Glauben kommen, diesen Geist empfangen. Diese Frage des Paulus an die Jünger in Ephesus verdeutlicht deshalb einmal mehr die Exklusivität, die nach Lukas mit der Geistesgabe für die Jesusanhänger gegeben ist. Nur diejenigen, die den Heiligen Geist empfangen haben, gehören zur Heilsgemeinschaft. Ohne die Geistbegabung fehlt ihnen etwas Entscheidendes und sie sind letztlich keine ,vollwertigen‘ Christen. Durch die Frage des Paulus in Apg 19,2a wird offensichtlich, dass der Heilige Geist als Kennzeichen der Jesusanhänger auch ein Differenzkriterium darstellt318, das sie von anderen „Jüngern“ oder Gruppen unterscheidet und das zur Klärung der Identität genutzt werden kann. Dass die Ephesusjünger Paulusʼ Frage mit dem Hinweis beantworten, dass sie noch nicht vom Heiligen Geist gehört hätten (V.2b)319, bedeutet also, dass sie das Identitätsmerkmal der Christen nicht vorweisen können und daher Notiz in Apg 19,1 knüpft hier an und zeigt auf, dass Paulus dem Apollos in Ephesus nicht mehr begegnet ist. Wolter hat in diesem Zusammenhang, indem er die Reisenotizen in Apg 18,22f.; 19,1 auf ihr Verhältnis von Tradition und Redaktion hin untersucht hat, aufgezeigt, dass es Lukas auf die „gezielte Schilderung einer Nicht-Begegnung“ zwischen Paulus und Apollos ankam (WOLTER, Apollos, S. 60). 316 Der Ausdruck µαθηταί wird im lukanischen Doppelwerk vorwiegend zur Bezeichnung der Jünger Jesu verwendet, sowohl als absoluter Begriff (Lk 9,18; 10,22; Apg 6,1f.; 9,19; 11,26 u. ö.) als auch mit einem die Jünger auf Jesus beziehenden Genitivus possessivus (Lk 6,1; 7,11; 8,9; 9,14; Apg 9,1 u. ö.). Der Ausdruck kann aber auch die Jünger des Johannes (Lk 5,33; 7,18; 11,1) oder des Paulus (Apg 9,25) bezeichnen. In diesem Spektrum von Zuordnungsmöglichkeiten muss die Verwendung des Indefinitpronomens so ausgedeutet werden, dass eine exakte Identifikation nicht gegeben ist. 317 Vgl. auch DUNN, Baptism, S. 86. 318 Vgl. auch PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 165. 319 Dass die von den Jüngern geäußerte Unkenntnis über die bloße Existenz (ἔστιν) des Geistes Unverständnis bei den Rezipienten erzeugen konnte, zeigt die sekundäre Änderung λαµβάνουσίν τινες in 38.41, D*, syhmg, sa, welche die Ephesusjünger sagen lässt, sie haben nicht gehört, dass einige den Heiligen Geist empfangen haben.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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nicht (im Vollsinn) zur christlichen Gemeinde als Heilsgemeinschaft gehören. Paulus reagiert auf diese Auskunft mit der Nachfrage, auf was sie getauft worden sind (V.3a). Diese Frage des Paulus ist darauf zurückzuführen320, dass die Geistverleihung an die Christen in der Regel auf den bereits vollzogenen Taufritus folgt (vgl. Apg 2,38), da dieser die Übereignung des Getauften an Jesus anzeigen und damit der Aufnahme in die Heilsgemeinschaft durch den Heiligen Geist den Weg bereiten soll. Darüber hinaus ist als weiterer möglicher Hintergrund dieser Frage anzunehmen, dass Paulus Taufriten anderer Gruppen bekannt sind, in deren Folge aber nicht die Geistverleihung an die Getauften erfolgt. Die Jünger antworten, dass sie auf die Taufe des Johannes321 getauft sind (V.3b). Diese Taufe des Johannes ist in Lk 3,16 von der Taufe Jesu als des Stärkeren unterschieden worden. Während Jesus mit Heiligem Geist (und Feuer) tauft, tauft Johannes nur mit Wasser.322 Daher hat Paulus mit der Antwort auf seine Frage nach der Taufe die Ursache des Geistmangels herausgefunden. Lukas bleibt in Apg 19,3 allerdings eine Erklärung dafür schuldig, warum diese Jünger nur auf die Taufe des Johannes getauft worden sind. Eine Möglichkeit besteht darin, dass hier von durch Paulus zum christlichen Glauben bekehrten Johannesjüngern berichtet wird.323 Vorstellbar ist jedoch auch, dass es sich um eine Gruppe von Jesusanhängern handelte, die nur die Johannestaufe empfangen hatte.324 Um zu erschließen, wie der auctor ad Theophilum die oben genannten µαθηταί mittels seiner redaktionellen Tätigkeit325 identi320 „Verständlich ist, daß die Auskunft über die Unkenntnis des Heiligen Geistes auch nach der luk Denkweise die Frage nach der Art der empfangenen Taufe hervorruft (V 3a)“ (WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 516). 321 Lukas vermeidet es hier offensichtlich bewusst, die Johannestaufe analog zur christlichen Taufe mit einer Namensformel zu versehen und spricht daher nicht von der Taufe „auf den Namen“ des Johannes. Vgl. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 119. 322 S. dazu I.1.1.2. 323 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 281; auch WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 515. 324 Vgl. VON DOBBELER, Philippus, S. 198.200. Avemarie macht deutlich, dass ein solches Phänomen wie die von Christen praktizierte Johannestaufe „aus der Entwicklungsgeschichte des christlichen Taufverständnisses“ erschlossen werden muss (AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 443). 325 Da der Abschnitt Apg 19,1–7 zahlreiche Fragen aufwirft (z.B.: Wie kann es sein, dass die Jüngergruppe trotz ihrer Kenntnis von Johannes, der ja auf die Geisttaufe hingewiesen hat, nichts von der Existenz des Geistes weiß? Gab es christliche Gruppen, die nur die Johannestaufe kannten? Haben sich Johannesjünger tatsächlich bis nach Ephesus ausgebreitet?), ist vielfach versucht worden, die Textschwierigkeiten als Resultat lukanischer Redaktion zu erklären, die eine überlieferte Erzählung mit einem bestimmten Interesse überarbeitet hat. Erwähnt sei an dieser Stelle vor allem der schon ältere, aber wirkmächtige Entwurf von KÄSEMANN, Johannnesjünger. Käsemann vertritt die Ansicht, dass es sich bei den Jüngern in Ephesus historisch um Johannesjünger handelte, was Lukas aber verschlei-
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
fizierte, ist der dieser Erzählung vorausgehende Kontext zu beachten: Der zuvor in Ephesus wirkende Apollos (vgl. Apg 18,24–26; 19,1), ausweislich seiner eigenen Geistbegabung Christ, kannte nur die Taufe des Johannes (Apg 18,25).326 Da er zuvor in Ephesus tätig war, ist impliziert, dass er es war, der diese Jünger auf die Johannestaufe getauft hat, auch wenn die „Verbindung […] nicht expressis verbis ausgedrückt [wird]“.327 Apollos und den Ephesusjüngern ist aber gemeinsam, dass sie lediglich die Taufe des Johannes kannten.328 Vor diesem Hintergrund sind die Paulus begegnenden Jünger in Ephesus, weil sie von Apollos getauft wurden, auf der Ebene des Endtextes nicht als Johannesjünger, sondern als Jesusanhänger, die noch nicht die korrekte Taufe empfangen haben, zu betrachten. Lukas berichtet in Apg 19,4, dass Paulus den Ephesusjüngern die Problematik der ihnen zuteilgewordenen Johannestaufe erklärt: „Johannes hat die Taufe der Umkehr getauft und dem Volk gesagt, dass sie glauben sollen an den, der nach ihm kommt, dies ist an Jesus.“ Somit ergibt sich die Differenz der von Johannes vollzogenen Taufe der Umkehr zu dem Taufritus der christlichen Gemeinde daraus329, dass Johannes selbst dem Volk gesagt hat, dass sie an den nach ihm Kommenden, d.h. an Jesus, glauben sollen. Dies bedeutet, dass nicht Johannes mit seiner Taufe, sondern erst Jesus der Heilsbringer ist, an den zu glauben ist und auf dessen Namen man getauft werden muss, um dem Heilsbereich zuzugehören. Die sich in der jeweiligen Wirksamkeit zeigende Überbietung des Johannes durch Jesus wurde insbesondere anhand der in Lk 3,16 (vgl. Apg 1,5; 11,16) beschriebenen Taufen der beiden offenbar. Da nur die von Jesus als dem Heilsbringer vermittelte Geisttaufe Heil bringt, ist es für alle in der christlichen Gemeinde unerlässlich, den Heiligen Geist zu empfangen. Dies führt zu der Notwendigkeit, dass die Neubekehrten bei ihrer Aufnahme in die christliche Gemeinde auf den Namen Jesu Christi getauft werden, um damit die Übereignung an Jesus zu vollziehen, so dass
ern wollte und sie durch den Bezug zu Apollos zu „nicht ausgereiften Christen“ machte (ebd., S. 154). Den Grund dafür sah Käsemann darin, dass Lukas „die kirchliche Anschauung von der Funktion des Täufers“ nicht durch die Annahme einer Täufergemeinde infrage stellen wollte (ebd., S. 149). Darüber hinaus konnte Lukas auf diese Weise dem Missionar Apollos wegen seiner ausschließlichen Kenntnis der Johannestaufe ein Defizit zuschreiben. Vgl. ebd., S. 153. Zu weiteren Vorschlägen hinsichtlich der Genese der Erzählung von den Ephesusjüngern s. den Überblick bei AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 414–425. 326 Hier liegt ebenfalls eine Merkwürdigkeit vor: Wie kommt es, dass Apollos brennend im Geist redet und gleichzeitig nicht von der christlichen Taufe weiß, die dem Geistempfang im Regelfall den Weg bereitet? 327 JERVELL, Apostelgeschichte, S. 475. 328 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 263; ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 680. 329 Zu der Differenz der Umkehrpredigt des Täufers Johannes und derjenigen, die den Jüngern von Jesus aufgetragen ist, s. I.2.2.2.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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dem Kommen des Heiligen Geistes der Weg bereitet wird. Deshalb lassen sich die Ephesusjünger nach Apg 19,5 noch einmal taufen, diesmal allerdings auf den Namen des Herrn Jesu. Es handelt sich dabei nicht um eine Wiedertaufe330, da die Taufe des Johannes von dem Taufritus, der auf den Namen Jesu geschieht, unterschieden ist. Die erneute Taufe der Jünger zeigt, dass erst die Taufe auf den Namen Jesu der Bekundung des Glaubens an diesen entspricht, nicht schon die Taufe des Johannes (Vv.4f.). Es wird darüber hinaus berichtet, dass Paulus331 den Jüngern in Ephesus die Hände auflegte (V.6a). Wie bereits in Apg 8,17 gesehen, stellt die Handauflegung ebenfalls ein Ritual der Jesusanhänger dar, dem Geistempfang der Neubekehrten den Weg zu bereiten. Dass an dieser Stelle in Apg 19,5f. Taufe und Handauflegung zusammen332 gebraucht werden, um den Jüngern in Ephesus den Geist zu verleihen, hat vermutlich den Sinn, die menschliche Wegbereitung für die Geistherabkunft durch eine massive Vorbereitung zu verstärken und dadurch den Unterschied zur Johannestaufe deutlich herauszustellen.333 Der Erfolg des Handelns des Paulus zeigt sich daran, dass die Geistbegabung der Epheser eine wahrnehmbare Folge nach sich zieht, denn sie reden in Zungen und weissagen (V.6b). Diese Vorgänge dienen der Demonstration der erfolgten Geistherabkunft334, wie dies ähnlich schon in Apg 10,46 der Fall war.335 Anders als in Apg 10,46 wird in Apg 19,6 nicht µεγαλύνω sondern 330
Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 282; PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 166. Anders jedoch KREMER, Pfingstbericht, S. 198, Anm. 68. 331 Nach Käsemann ist „der den Ephesusjüngern vermittelte Geist […] Bestätigung der Eingliederung in die verfaßte Kirche“ (KÄSEMANN, Johannnesjünger, S. 148); Käsemann stellt diesen Vorgang mit dem Fall der von Philippus in Samaria Bekehrten gleich (vgl. ebd., S. 151). Zwischen diesen beiden Fällen besteht jedoch ein erheblicher Unterschied: Während die Geistverleihung bei der Samaria-Mission des Philippus tatsächlich an der fehlenden Kontinuität zu den Jerusalemer Aposteln scheitert, ist das Scheitern in Bezug auf die Ephesusjünger nicht auf den Vollstrecker der Taufe (i.e. Apollos, der von dem als Ersatz für die Apostel agierenden Paulus autorisiert würde), sondern auf das Fehlen der ,richtigen‘, christlichen Taufe zurückzuführen. Vgl. SCHWEIZER, Apollos, S. 249; WILKENS, Wassertaufe, S. 38. 332 Es handelt sich hier um das einzige Mal im lukanischen Doppelwerk, dass unmittelbar im Anschluss an die Taufnotiz eine Handauflegung geschildert wird. Vgl. O’NEILL, Connection, S. 99. 333 Keinesfalls ist jedoch die Handauflegung nach Lukas – wie schon in Bezug auf Apg 8,17 gezeigt – ein Ritual, das zur Taufe hinzukommen muss, damit die Geistverleihung erfolgen kann. Das zeigen alle Taufen, bei denen keine Handauflegung geschildert wird. Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 205. 334 Vgl. SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 377; ASH, Disciples, S. 91. 335 Anders als im Kontext von Apg 10,46 finden sich in dieser Erzählung über die Ephesusjünger keine weiteren Vergleichspunkte mit dem Pfingstbericht in Apg 2,1–13. Es liegt daher kein Grund vor, die Geistverleihung in Ephesus als „neues Pfingsten“ zu bezeichnen (so ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 685). Der entscheidende Unterschied des EphesusEreignisses zum Pfingstereignis und dem sogenannten Heidenpfingsten besteht darin, dass
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
προφητεύω mit λαλεῖν γλώσσαις kombiniert. Alle diese Tätigkeiten sind Wirkungen des Heiligen Geistes. An dieser Stelle unterstreichen sie das Eintreten dessen, was in Bezug auf die Ephesusjünger zuvor fraglich war, i.e. die Begabung mit dem Heiligen Geist als Folge der ,richtigen‘, christlichen Taufe. In V.7 schließt Lukas den Abschnitt mit der Notiz ab, dass es sich ungefähr um zwölf Männer handelte. Es ist nicht zu ergründen, ob sich dahinter eine historische Notiz verbirgt.336 Es könnte sich um eine symbolische Angabe handeln, da für die genannten „ungefähr zwölf“ durch die Geistverleihung in das Gottesvolk Aufgenommenen die Zwölfzahl insofern von Bedeutung ist, als zunächst die zwölf Stämme Israels und analog dazu der Zwölferkreis der Apostel den Kern des Gottesvolkes bildeten.337 In diesem Abschnitt Apg 19,1–7 zeigt Lukas demnach auf, dass die christliche Gemeinde mittels ihrer Taufe auf den Namen Jesu Christi nach außen abgrenzbar ist, weil diese zur Geistverleihung führen sollte. Der im Heiligen Geist bestehende ,identity marker‘ der christlichen Gemeinde als Gottesvolk wird damit nach lukanischer Darstellung zum Differenzkriterium gegenüber anderen Gruppen und Gemeinschaften. „Wo ,Jünger‘-Gemeinden anzutreffen sind, die sich wie die Christen von der Synagoge unterscheiden und wie diese eine Taufe üben, droht – so möchte Lukas einschärfen – die Verwechslung und bedarf es der ,Unterscheidung‘, die durch den heiligen Geist getroffen wird.“338 Insbesondere verdeutlicht diese Episode um die Ephesusjünger, wie entscheidend es ist, dass überall in der christlichen Gemeinde die Taufe auf den Namen Jesu vollzogen wird, weil sonst der Heilige Geist nicht verliehen werden kann und die Neubekehrten nicht der Heilsgemeinschaft zugehören. Deshalb ist die Verleihung des Heiligen Geistes auch ein Differenzkriterium gegenüber anderweitiger Taufpraxis.339 Denn die Gabe des Heiligen Geistes ist das, was die Taufe auf den Namen Jesu auszeichnet und was sie von anderen möglichen Taufen unterscheidet. Als abweichende Taufe ist vor allem die Johannestaufe zu nennen, wobei es keinen Unterschied macht, ob diese nun von einer Gruppe Johannes- oder gar von Jesusanhängern ausgeführt wird. 3.3.5 Die Aufnahme als ,Regelfall‘ (Apg 5,32; 9,17.31; 13,52) Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass nur diejenigen Personen der als neu konstituiertes Gottesvolk anzusehenden christlichen Gemeinder Heilige Geist nach Apg 19,5f. nicht unmittelbar auf die Gläubigen fällt, sondern dass hier von menschlicher Seite Taufe und Handauflegung als Aufnahmeritus vorangehen. 336 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 518. 337 S. dazu I.1.3.1; I.3.4.1. 338 PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 164. 339 Auch Barrett spricht hier von dem „distinguishing feature of Christian baptism“ (BARRETT, Holy Spirit, S. 125).
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
231
de vollends zugehören können, die den Heiligen Geist empfangen haben. Der Heilige Geist ist damit der ,identity marker‘ der Christen und das Differenzkriterium gegenüber anderen Gruppierungen. Der auctor ad Theophilum berichtet in der Apostelgeschichte an einigen Stellen von weiteren Begebenheiten der durch die Verleihung des Geistes erfolgenden Aufnahme in die christliche Gemeinde (Apg 5,32; 9,17.31; 13,52), die jedoch anders als die zuvor erörterten Perikopen keinen Sonderfall darstellen. Der einzige Fall, in dem Taufe und Verleihung des Heiligen Geist in unproblematischer Weise zusammenfallen, ist die Taufe des Paulus in Apg 9,17f., der hier noch Saulus genannt wird. Nachdem Saulus als einem, der in Damaskus den Jesusanhängern nachstellen wollte, auf dem Weg dorthin eine Christuserscheinung zuteilgeworden ist, ist er mit Blindheit geschlagen worden und nach Damaskus gebracht worden (Apg 9,1–9). Anschließend erhält einer aus der christlichen Gemeinde in Damaskus mit Namen Hananias einen Befehl vom Herrn Jesus, dass er Saulus die Hände auflegen solle, damit dieser wieder sehen könne (Apg 9,10–16). Nach einigem Zögern (Vv.13f.) geht Hananias zu Saulus und legt ihm die Hände auf (V.17a). Neben dem aufgetragenen Zweck der Blindenheilung nennt Hananias in V.17b jedoch noch einen weiteren Grund seiner Sendung: Saulus soll erfüllt werden mit Heiligem Geist (πίµπλαµαι πνεύµατος ἁγίου). Das bedeutet, dass Paulus durch die Geistesgabe zur christlichen Gemeinde und Heilsgemeinschaft hinzufügt werden soll. Im folgenden V.18 wird nun berichtet, dass Saulus, nachdem er wieder sehen konnte, sich tatsächlich taufen lässt.340 Hier klingt der ,Regelfall‘ an: Durch die Taufe341 wird der Weg dafür bereitet, dass Saulus den Heiligen Geist erhält. Ein genauer Zusammenhang zur Geistmitteilung wird hier nicht thematisiert.342 Dies spricht aber eher dafür, dass alles dem üblichen Procedere entsprach, denn Lukas hat – wie die vorausgehenden Ausführungen gezeigt haben – nur dort, wo etwas Ungewöhnliches und von der ,Regel‘ Abweichendes geschehen ist, das Verhältnis des Heiligen Geistes zur Taufe und seine Bedeutung für die Aufnahme in das Gottesvolk problematisiert.343 Diese problematischen Fälle zeigen aber gerade, dass im Normalfall die Geistverleihung auf die Taufe folgt.344 340
Als Paulus sich nach seiner Gefangennahme in Jerusalem verteidigt, berichtet er auch von seiner Christuserscheinung und dem Besuch des Hananias (Apg 22,1–21). Dieser habe ihn, so V.16, aufgefordert, sich taufen zu lassen. Eine Geistverleihung wird an dieser Stelle jedoch nicht erwähnt. 341 Die in V.17 geschilderte Handauflegung dient nach V.12 ausschließlich dem Zweck der Heilung des blinden Saulus. 342 Erst in Apg 13,9 wird Saulus, der auch Paulus heißt, als einer, der πλησθεὶς πνεύµατος ἁγίου („erfüllt von Heiligem Geist“) ist, beschrieben. S. dazu I.3.4.4. 343 Die Erzählung von der Bekehrung des Kämmerers aus Äthiopien (Apg 8,36–39) bildet insofern eine Ausnahme, als sie in ihrer Ausführlichkeit von den knappen Notizen zu unterscheiden ist. Die Darstellung des Taufvollzugs ist so detailliert, dass das Fehlen der
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Wie der Fall des Paulus in Apg 9,18 sind auch die im Zusammenhang mit Apg 2,41 bereits erwähnten Fälle zu verstehen, in denen im Anschluss an die Taufe von keiner Geistverleihung berichtet wird. Dabei handelt es sich um Stellen, an denen in ähnlich summarischer Weise von nach der Bekehrung erfolgten Taufen berichtet wird. Nach Apg 16,15 wird die Purpurhändlerin Lydia, nach Apg 16,33 der Gefängnisaufseher in Philippi und nach Apg 18,8 werden viele Korinther getauft. In Apg 2,41; 16,15.33; 18,8 wird jedoch nicht erwähnt, dass die Getauften anschließend den Heiligen Geiste empfingen, obwohl dies – nach der bisherigen lukanischen Darstellung – für ihre Aufnahme in das Gottesvolk notwendig ist. Andererseits wird auch kein Mangel dieser Geistverleihung festgestellt, wie es in den zuvor behandelten Perikopen in Apg 8,5–25 und Apg 19,1–7 der Fall war. Daher ist davon auszugehen, dass hier der ,Regelfall‘ geschildert wird, bei dem die Geistverleihung an die genannten Taufempfänger e silentio vorausgesetzt ist, gibt es doch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Lukas in seinen Ausführungen einen Problemfall unerwähnt lässt. Darüber hinaus gibt es in der Apostelgeschichte weitere Stellen, die auf die entscheidende Rolle des Heiligen Geistes bei der Aufnahme von neuen Gläubigen in die christliche Gemeinde als Gottesvolk hinweisen. So wird in Apg 5,32 erwähnt, dass Gott den Heiligen Geist denen gegeben hat, die ihm gehorchen, d.h. denjenigen, die zum Glauben gekommen sind.345 Ebenfalls unter diese Rubrik fällt die summarische Notiz in Apg 9,31, dass sich die im Frieden befindende, sich auferbauende und in der Furcht des Herrn lebende Gemeinde in ganz Judäa, Galiläa und Samaria unter dem Zuspruch (παράκλησις) des Heiligen Geistes vermehrte. Denn es ist der Heilige Geist, durch den die letztgültige Aufnahme neuer Glieder erfolgt.346 Es handelt sich hier um die erste Stelle im lukanischen Doppelwerk, an der der Heilige Geist explizit mit dem die Gemeinde bezeichnenden Begriff der ἐκκλησία in Verbindung gebracht wird.347 Dieser Begriff steht hier für die
Geistherabkunft problematisch ist, wie auch deren sekundäre Einfügung in V.39 zeigt. Hier wird die nicht stattfindende Geistverleihung von Lukas nicht thematisiert, weil der Äthiopier noch nicht zur christlichen Gemeinde hinzugefügt wird, da der Schritt hin zur Heidenmission noch nicht vollzogen ist. S. dazu I.3.2.1. 344 Vgl. HAUFE, Taufe, S. 36; AVEMARIE, Tauferzählungen, S. 140; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 150. 345 Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 245. 346 Die παράκλησις τοῦ ἁγίου πνεύµατος meint an dieser Stelle jedoch zweierlei. S. dazu I.3.1.3. 347 Ein weiteres Mal findet sich diese Verbindung von Geist und ἐκκλησία nur noch in Apg 20,28. Auch dort ist mit ἐκκλησία τοῦ θεοῦ die „Gesamtkirche“ bezeichnet, in der die vom Heiligen Geist eingesetzten Ältesten als Aufseher fungieren sollen.
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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bereits über Judäa, Galiläa und Samaria ausgebreitete „Gesamtkirche“348. Auf diese Weise zeigt Lukas, dass der Heilige Geist „das eigentlich ,kirchenbildende‘ Element“349 darstellt. In gleicher Weise einzuordnen ist die Notiz in Apg 13,52, nach der die Jünger erfüllt werden mit Freude und Heiligem Geist (ἐπληροῦντο χαρᾶς καὶ πνεύµατος ἁγίου). Nach der Mission des Paulus und des Barnabas in Antiochia in Pisidien (Apg 13,13–52) nehmen viele ihre Verkündigung an (Vv.43.48f.). Obwohl Paulus und Barnabas aus Antiochia vertrieben werden, werden die Jünger mit Heiligen Geist erfüllt und dadurch zur Heilsgemeinschaft zugerechnet. Die Kombination des Heiligen Geistes mit der Freude (χαρά) kann so verstanden werden, dass die Zueignung des Heils durch den Empfang des Heiligen Geistes Grund ihrer Freude ist.350 Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass und inwiefern der Heilige Geist nach der Darstellung des Lukas für die christliche Gemeinde im Hinblick auf ihren Status als Gottesvolk und Heilsgemeinschaft ausschlaggebend ist. Anhand von Apg 2,38f. ist deutlich geworden, dass die von Jesus zunächst (nur) an die ersten Jünger ergangene Verheißung (ἐπαγγελία) der Geisttaufe auf alle diejenigen ausgedehnt wird, die durch die Evangeliumsverkündigung zum Glauben kommen und Mitglied der christlichen Gemeinde werden. Dies ist der Grund dafür, dass die Zeugen Jesu den Neubekehrten den Empfang des Heiligen Geistes zusagen, auch wenn sie ihn selbst nicht verleihen können, weil Jesus stets Vermittler und Verwalter des Geistes bleibt. Angesichts dieser Unverfügbarkeit der Geistverleihung kann die Gemeinde nach Lukas lediglich die den Gläubiggewordenen geltende Geist-Verheißung zum Ausdruck bringen, indem sie diese tauft, um dem letztlich unverfügbaren Kommen des Heiligen Geistes von menschlicher Seite den Weg zu bereiten. Das Taufritual manifestiert mittels der Namensformel die Zueignung des Getauften an das in Jesus geschenkte und in der Sündenvergebung bestehende Heil. Weil aber die Beziehung zu Jesus und Gottvater sowie zu dem dadurch geschenkten Heil durch den Heiligen Geist gewährt wird, ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Taufe im Namen Jesu und der Inaussichtstellung der Geistherabkunft. Letztlich muss die Taufe der Jesusanhänger jedoch ein 348
U.a. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 392; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 157. Meistens bezeichnet ἐκκλησία im lukanischen Doppelwerk jedoch die an einem bestimmten Ort bestehende Einzelgemeinde (z.B. Apg 8,1; 11,22; 13,1; 20,17). 349 STEICHELE, Geist und Amt, S. 188. 350 Vgl. auch die Verbindung von Geistbegabung und Freude bzw. Jubel (ἀγαλλιάσις und χαρά) innerhalb des lukanischen Doppelwerks in Lk 1,44; 10,21. Zur Freude als Reaktion auf Heilsgeschehen s. auch I.1.1.1.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
rituelles Zeichen bleiben, das vor allem die Aufnahme in die christliche Gemeinde von Seiten des Getauften und der Gemeindeglieder anzeigt und dabei auch Konsequenzen hinsichtlich der Gemeinschaftsentstehung hat. Darüber hinaus wird die ἐπαγγελία in Apg 2,39 als eine gekennzeichnet, die für Israel gilt und daher an dieser Stelle auf die Juden beschränkt ist. Bedeutend ist zudem die Aussage „so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird“ in V.39b, nach der die Verleihung des Heiligen Geistes die Erwählung und damit die Zugehörigkeit zum Gottesvolk ausdrückt und anzeigt. Da die an Israel ergangene Verheißung in der christlichen Gemeinde zu Erfüllung kommt, konstituiert sich auf diese Weise das Gottesvolk neu, wobei die Kontinuität zu Israel bzw. den Juden und den an Israel ergangenen Verheißungen betont wird. Der Heilige Geist wird auf diese Weise zum Zeichen einer neuen Exklusivität, er konstituiert die Heilsgemeinschaft. Zum Gottesvolk können fortan nur noch diejenigen gehören, die die Evangeliumsbotschaft annehmen und den Heiligen Geist empfangen. Dieser Zusammenhang wird in Apg 8,15.17–19 um verschiedene Aspekte erweitert: Es entsteht das Problem, dass die von Philippus durchgeführte Taufe in Samaria nicht die als von menschlicher Seite unverfügbar anzusehende Geistverleihung nach sich zieht, obwohl sie unter der Verwendung der Namensformel erfolgt und damit der Anforderung der Übereignung der Getauften an Jesus und das Heil gerecht wird. Nach Lukas erreichen aber erst die aus Jerusalem eigens zu diesem Zweck angereisten Apostel, dass die Getauften den Heiligen Geist empfangen und dadurch (vollends) der christlichen Gemeinde als Gottesvolk zugehören. Die Apostel bringen dabei mit der vom Gebet begleiteten Handauflegung ein weiteres mögliches menschliches Ritual zum Tragen, das der Geistmitteilung den Weg bereiten kann – allerdings nicht ohne zuvor erfolgte Taufe. Der Erfolg der Apostel, mittels der Handauflegung den Empfang des Geistes herbeigeführt zu haben, wird jedoch sogleich unter den Vorbehalt gestellt, dass die Apostel nicht über eine ihnen eigene Fähigkeit zur Geistverleihung verfügen, sondern dass der Heilige Geist stets geschenkte Gabe Gottvaters bleibt, die nur vom dazu eingesetzten Vermittler und Verwalter Jesus ausgegossen wird. Dies wird durch die Auseinandersetzung des Petrus mit dem Zauberer Simon deutlich, der diese Vollmacht zur Geistmitteilung käuflich erwerben möchte. Die Tatsache, dass sich nicht schon an die Taufe durch Philippus, sondern erst an die Handauflegung durch die Apostel die Gabe des Heiligen Geist angeschlossen hat, zeigt aber an, dass die christliche Gemeinde als Gottesvolk in der durch die Apostel und Jerusalem gewahrten Kontinuität steht und nur diejenigen durch den Heiligen Geist in das Gottesvolk eingegliedert werden, die unter Berücksichtigung dieser Kontinuität die Taufe empfangen haben. Da Philippus keinen expliziten Auftrag der Apostel aus Jerusalem hatte, konnten die von ihm Getauften die Geistmitteilung nicht erfahren. Der Heilige Geist sorgt damit
3.3 Die Zugehörigkeit zum Gottesvolk
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sowohl für die Kontinuität als auch für die Einheit der als neu konstituiertes Gottesvolk anzusehenden Gemeinde Jesu. Des Weiteren kommt dem Heiligen Geist nach lukanischer Darstellung eine entscheidende Funktion zu bei der Frage nach der Aufnahme der Heiden in das Gottesvolk (Apg 10,1–11,18). Denn als Petrus dem heidnischen Hauptmann Kornelius und seinem ganzen Haus das Evangelium verkündet, fällt – bevor Petrus überhaupt zur Taufe aufrufen kann – unvermittelt der Heilige Geist auf seine Zuhörer und gewährt so die Aufnahme dieser Personen in die christliche Gemeinde als Heilsgemeinschaft. Dabei weisen zahlreiche Ähnlichkeiten der Schilderung dieses Geschehens zum Pfingstbericht in Apg 2,1– 13, auch durch die Reaktionen der Petrus begleitenden Zeugen, daraufhin, dass es sich insofern in analoger Weise um ein Anfangsgeschehen handelt, als von nun an auch Heiden zum Gottesvolk gehören. Die Erzählung zeigt jedoch auch, dass durch die göttliche Initiative das Taufritual nicht hinfällig wird, sondern dass die Gemeinde durch den nachgeholten Vollzug der Taufe die Aufnahme der Heiden von menschlicher Seite aus bestätigt und so die Gemeinschaft entsteht. Die Allgemeingültigkeit dieser Erweiterung der möglichen Gottesvolkszugehörigkeit um die Heiden wird sodann im Rahmen der Rechtfertigung des Petrus in Jerusalem dargelegt. Durch Petri Schilderung der Ereignisse erkennen die Judenchristen in Jerusalem, dass die Heiden insgesamt durch die Gabe desselben Heiligen Geistes mit ihnen gleichgestellt sind und auch den Heiden das in Jesus von Gottvater geschenkte Heil gilt. Dies wird durch die seitens Petrus erfolgte Bezugnahme auf die Verheißung der Geisttaufe (Apg 11,16) unterstrichen. Insgesamt wird deutlich, dass die Begabung mit dem Heiligen Geist von nun an das exklusive Identitätsmerkmal (der ,identity marker‘) des neu konstituierten Gottesvolkes ist, nicht mehr die für die Juden als Gottesvolk Israel geltenden Merkmale samt der Beschneidung. Dieser Sachverhalt stellt das maßgebliche Argument dar, mit dem Petrus die gesetzesfreie Heidenmission auf dem Apostelkonzil rechtfertigt. Die Perikope Apg 19,1–7 von den mit Paulus in Ephesus zusammentreffenden Jüngern zeigt ebenfalls auf, dass der Heilige Geist die Zugehörigkeit zum Gottesvolk anzeigt. Denn die Ephesusjünger haben den Heiligen Geist nicht erhalten, weil sie (von Apollos) auf die Taufe des Johannes getauft wurden. Da die Geistverleihung aber für die Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft notwendig ist, tauft Paulus sie (unter Auflegung der Hände) auf den Namen Jesu, was den Empfang des (bislang fehlenden) Geistes zur Folge hat. Dies bedeutet, dass die Gabe des Heiligen Geistes auch das Differenzkriterium darstellt gegenüber anderen Jünger-Gemeinschaften und vor allem auch gegenüber anderweitigen Taufen. Anhand der Begabung mit dem Heiligen Geist kann gleichsam ,überprüft‘ werden, wer die ,richtige‘, christliche Taufe empfangen hat.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Lukas zeigt daneben noch weitere Male auf, dass der Heilige Geist in erfolgreichen Bekehrungssituationen die Aufnahme in das Gottesvolk gewährt und die Heilsgemeinschaft auf diese Weise vermehrt wird. Dabei schildert er solche ,Regelfälle‘ der Aufnahme nur summarisch oder redet sogar im Anschluss an manche kurze Taufnotiz gar nicht vom Geistempfang, wohl weil dieser als in unproblematischer Weise erfolgt vorauszusetzen ist.
3.4 Die Funktionsträger 3.4 Die Funktionsträger
Der auctor ad Theophilum zeigt in seinem Doppelwerk hinsichtlich des Innenlebens der Gemeinde Jesu einen weiteren thematischen Zusammenhang auf, in dem der Heilige Geist eine wesentliche Rolle spielt: Er gewinnt Bedeutung für verschiedene Funktionsträger bzw. Ämter (Lk 6,12; Apg 1,2; 6,3.5; 7,55; 11,24.28; 13,2.4; 20,23.28; 21,4.11). Die folgenden Ausführungen werden die Amtsinhaber bzw. besonders Gestellten nach der Reihenfolge ihres erstmaligen Auftretens in der Apostelgeschichte behandeln. Es wird sich zeigen, dass der Geist in Bezug auf die oben Genannten ganz unterschiedliche Funktionen haben kann. 3.4.1 Die Apostel (Lk 6,12; Apg 1,2) Die ersten, die in der Gemeinde Jesu als Funktionsträger bezeichnet werden können und für die der Heilige Geist eine Rolle spielt, sind die den Zwölferkreis bildenden Apostel. Dabei ist hervorzuheben, dass die Gleichsetzung des Apostelbegriffs mit den Zwölf ein Spezifikum des lukanischen Doppelwerks ist351, insofern nach Lukas nur die Mitglieder des Zwölferkreises zu den
351 Es handelt sich bei den beiden Begriffen „Zwölf“ und „Apostel“ um ursprünglich voneinander getrennte Konzeptionen. Vgl. dazu ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 34–36. Der Zwölferkreis geht wohl auf den irdischen Jesus und seine wahrscheinlich „kerygmatische Symbolhandlung“ (ebd., S. 35) zurück. Indem Jesus die Zwölf analog zu den zwölf Stämmen Israel erwählte, wurde klar, dass er den Anspruch erhebt, die Wiederherstellung Israels zu vollziehen. Dieser Kreis umfasste einen festen Personenstab, zu dem u.a. Petrus, Johannes und Jakobus gehörten. Anders jedoch bestimmt KLEIN, Apostel, S. 37 die Idee des Zwölferkreises als nachösterlich. Vgl. ebenso SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 81. Mit dem Begriff „Apostel“ bezeichneten sich dagegen all jene, die vom Auferstandenen zur Evangeliumsverkündigung beauftragt worden waren. Deshalb gehörten wesentlich mehr Jesusanhänger zu dieser Gruppe der Apostel, z.B. auch der Herrenbruder Jakobus (1. Kor 15,7) und Paulus (Gal 1,1), evtl. auch Barnabas. Später gab es einen weiteren Apostelbegriff, der als „Funktionsbegriff“ (SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 303) die von einer Gemeinde „Ausgesandten“, also Missionare bezeichnete. Lukas hat in seiner Konzeption der zwölf Apostel den bereits vorösterlichen Zwölferkreis mit dem erst durch Ostern entstehenden Apostelbegriff zu einer Konstruktion zusammengebracht, die dem oben erörterten
3.4 Die Funktionsträger
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Aposteln gezählt werden können.352 Diese Gleichsetzung wird bereits in der lukanischen Perikope der Erwählung der Zwölf durch ihre Benennung als ἀπόστολοι deutlich (Lk 6,13). Darüber hinaus begründet Lukas seine Definition des Apostelbegriffs im Rahmen seiner Schilderung der Nachwahl des zwölften Apostels (Apg 1,15–26), der den aus diesem Amt353 ausgeschiedenen Judas ersetzen soll. Als Voraussetzung zur Übernahme des Apostelamtes wird in Apg 1,21f. gesagt: „Also muss einer von diesen Männern, die mit uns waren in der ganzen Zeit, in der der Herr Jesus unter uns ein- und ausging, angefangen von der Taufe des Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns aufgenommen wurde354, Zeuge seiner Auferstehung werden.“ Zu den ἀπόστολοι kann demnach nur gehören, wer den irdischen Jesus kennt und ihn – von seiner Taufe durch Johannes bis zur Himmelfahrt – als Augenzeuge erlebt hat, auch wenn die eigentliche Rolle eines Apostels als „Zeuge der Auferstehung“ beschrieben wird.355 Die genannte Voraussetzung der Augenzeugenschaft für Leben und Lehre Jesu unterscheidet den lukanischen Apostelbegriff von dem allgemein geltenden, nach dem alle Auferstehungszeugen Apostel sind.356 Es ist nach Lukas nicht ausreichend, auf eine Erscheinung des auferstandenen Jesus verweisen zu können, sondern dies muss zusammenfallen mit dem authentischen Zeugnis der Worte und Taten des irdischen Ziel der Bewahrung von Lehre und Kontinuität dient. Vgl. SCHNEIDER, Apostel, S. 82; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 36. 352 Lukas hat die Konstruktion der zwölf Apostel dennoch nicht selbst erfunden. Darauf deutet vor allem hin, dass sie auch anderswo im Neuen Testament bezeugt ist (Mk 6,7.30; Mt 10,2; Apk 21,14). Aber es war Lukas, der sie in prägender Weise entfaltet hat, so dass diese Konzeption ihre Wirkungsgeschichte entwickeln konnte. Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 36; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 93f.; anders jedoch KLEIN, Apostel, S. 202–216. 353 Dieses Apostelamt wird in der Perikope von der Nachwahl des zwölften Apostels auf verschiedene Weise bezeichnet: In V.17 zunächst als διακονία, was in V.25 sodann mit dem Wort ἀποστολή im Hendiadyoin gleichgesetzt wird. Innerhalb des Schriftzitats aus Ps 108,8 LXX wird das Amt ἐπισκοπή genannt (V.20). 354 Das Verb ἀναλαµβάνοµαι bringt hier wie in Apg 1,11 die Himmelfahrt Jesu zum Ausdruck. Vgl. auch das Substantiv ἀνάληµψις in Lk 9,51. 355 Ein Apostel „muß Augenzeuge des gesamten Wirkens Jesu sein und als solcher Auferstehungszeuge werden“ (CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 29). 356 Diese lukanische Definition in Apg 1,21f. hat zur Folge, dass Paulus von Lukas nicht zu dem Kreis der zwölf Apostel gezählt werden kann. Allerdings wird in Apg 14,4.14 die Bezeichnung ἀπόστολοι für die Missionare Paulus und Barnabas verwendet. Wie die Ausführungen in I.3.4.4 zeigen werden, tritt diese Bezeichnung des Paulus und Barnabas als Apostel nur im Rahmen der ersten Missionsreise auf, für die die beiden direkt vom Heiligen Geist berufen und ausgesandt wurden (Apg 13,2.4). Es ist daher anzunehmen, dass Lukas diesen Apostelbegriff aus seiner Quelle, wo er als Begriff für von der Gemeinde Abgesandte oder Missionare diente, übernommen hat, weil er durch den Begriff zum Ausdruck bringen kann, dass Paulus und Barnabas vom Heiligen Geist selbst Ausgesandte und dadurch mit entsprechender göttlicher Legitimation Handelnde sind.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Jesus.357 Zudem ist – wie gesagt – nach Lukas nicht die gesamte Gruppe der Jünger des irdischen Jesus zu den Aposteln zu rechnen, sondern es handelt sich um einen aus der größeren Jüngerschar herausragenden Kern, den Jesus eigens berufen hatte. Diese Beschränkung des Apostelbegriffs auf den Zwölferkreis und die Betonung der Augenzeugenschaft hinsichtlich des irdischen Jesus dient Lukas dazu, den Irrlehren seiner Zeit im Hinblick auf die von ihm in seinem Evangelium bezeugte Überlieferung358 entgegen zu halten: „[Diese] Tradition ist von den ,Aposteln‘ – einem in sich geschlossenen, überschaubaren Kreis von Zeugen – in die Kirche eingebracht worden, und sie umfaßt als notwendiges Kriterium neben dem Auferstehungskerygma auch die Überlieferung vom irdischen Jesus.“359 Die auf Jesus zurückgehende Erwählung des Zwölferkreises und seine Benennung als Apostel ist Inhalt der Perikope Lk 6,12–16, in der der Begriff ἀπόστολοι im lukanischen Doppelwerk zum ersten Mal erwähnt wird (V.13).360 In Bezug auf den Vergleich mit den synoptischen Parallelen Mk 3,13–19; Mt 10,1–4 ist Folgendes besonders hervorzuheben: Im lukanischen Bericht wird die den Zwölferkreis in seine Funktion einsetzende Handlung Jesu nicht bloß mit ποιέω (Mk 3,14), sondern mit dem die konkrete Erwählung bezeichnenden ἐκλέγοµαι (Lk 6,13) benannt.361 Außerdem werden im Unterschied zu den Parallelen von Lukas keine konkreten Aufgaben der erwählten Zwölf genannt (diff. Mk 3,14f. par. Mt 10,1).362 Dies deutet an, dass nach lukanischer Darstellung für das Amt des Apostels zunächst einzig und allein die von Jesus ausgehende Erwählung ausschlaggebend ist, weil die eigentliche Aufgabe der Apostel erst in späterer Zeit, nämlich nach Jesu Himmelfahrt, beginnen soll. Hinzu kommt, dass Lukas die Einleitung der Perikope in Lk 6,12 um den Hinweis ergänzt, dass Jesus auf dem Berg betet, um anschließend seine Wahl der Zwölf aus dem größeren Jüngerkreis zu treffen. Jesus hat nach Lukas bei der Auswahl der Apostel demnach in der durch das Gebet ausgedrückten besonderen Beziehung zu Gottvater gehandelt. Diese Beziehung zu Gottvater kommt Jesus – wie in I.2.1 dargestellt – durch seine fundamentale Geistprägung zu. Deshalb deutet die betende Hal357
Vgl. SCHNEIDER, Apostel, S. 67; auch HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 167; STEIGeist und Amt, S. 197. 358 Dies wird bereits im Prolog des Evangeliums deutlich, wo in Lk 1,2 die Augenzeugenschaft derer betont wird, die vor Lukas die Jesus-Geschichte erzählt haben (V.1). 359 ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 36. 360 In dieser Perikope ist in den Vv.14–16 eine Namensliste der Apostel geboten, die in Apg 1,13 ohne die Nennung des Judas wiederholt wird. 361 Vgl. DÖMER, Heil Gottes, S. 128. 362 Allerdings berichtet Lukas an späterer Stelle in Lk 9,1f. von einem Aussendungsbefehl zur Verkündigung und zu Krankenheilungen. Diesem Befehl fällt, da er von der Erwählung des Zwölferkreises abgetrennt ist, für die Definition der Apostel keine unmittelbare Rolle zu. CHELE,
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tung Jesu darauf hin, dass der Heilige Geist insofern für das Amt der Apostel ausschlaggebend ist, als dass er bei ihrer Auswahl an dem einzigartigen Geistträger Jesus wirkt. Dieser Zusammenhang wird in Apg 1,2 bestätigt, in dem der an Jesus wirkende Geist nicht nur als an der Erwählung (ἐκλέγοµαι, vgl. Lk 6,13) oder Unterweisung der Apostel, sondern – wie anhand der Ausführungen zu dem nicht eindeutigen Bezug der Wendung διὰ πνεύµατος ἁγίου gezeigt wurde363 – am gesamten auf die Apostel bezogenen Wirken Jesu beteiligt dargestellt ist. Der Heilige Geist spielt demnach für das Amt der Apostel keine direkte Rolle, denn die Apostel haben das Mandat von Jesus selbst erhalten. Genau an dieser Stelle aber kommt der Geist auch indirekt zum Tragen, da Jesus selbst in seinem Wirken fundamental durch den Geist geprägt ist und Lukas eigens betont, dass Jesus im Akt der Erwählung der zwölf Apostel im Gebet und deshalb in der durch den Geist geprägten Beziehung zum Vater handelt. Hat der Geist für das die Apostel auserwählende und unterweisende Handeln Jesu Bedeutung, so ist diese Bedeutung mittelbar auch für die Apostel gegeben, weil sie durch Jesu Handeln in die Geistträgerschaft und die dadurch gegebene Beziehung Jesu zu Gottvater einbezogen werden. Der Grund für diese besondere Einbeziehung besteht darin, dass laut Apg 1,2.8 sie es sind, die nach Jesu Himmelfahrt seine Botschaft als seine Zeugen (µου µάρτυρες) weitertragen (V.8) und dabei eben die Kontinuität zum irdischen Jesus schaffen. Dadurch stehen die Apostel als Zeugen für die Überlieferung der rechten Tradition bezüglich Jesus und garantieren die göttlich legitimierte Weitergabe des Evangeliums. Dies wurde letztlich mittels des an Jesus wirkenden Heiligen Geistes gesichert. Das besondere Amt der Apostel besteht nach Lukas darin, dass sie von dem einzigartigen Geistträger auserwählt und beauftragt worden sind und daher aus der Beziehung zu Jesus heraus wirken, auch wenn sie den Geist noch nicht erhalten haben. Zu Geistbegabten werden die Apostel selbst am Pfingsttag, wenn zum ersten Mal der Heilige Geist auf die gesamte Gemeinschaft der Jesusanhänger ausgegossen wird. Jedes Mitglied dieser ersten christlichen Gemeinde ist durch seine Geistbegabung zur Evangeliumsverkündigung beauftragt364, die Apostel ragen jedoch aus der Gruppe als Garanten von Kontinuität und Jesustradition heraus und schaffen auf diese Weise gewissermaßen ein Bindeglied zwischen der Zeit Jesu und der Zeit der Gemeinde. Sie stehen der Gemeinde auch zunächst als Leitungsgremium vor. In dieser Funktion sind sie den Berichten in der Apostelgeschichte zufolge für die Belehrung der Gemeinde (Apg 2,42), für Verkündigung (Apg 2,14.37; 4,33) und Wundertaten (Apg 2,43; 5,12), für wichtige Entscheidungen wie 363
S. dazu I.2.1.5. S. dazu I.3.1.1. Außerdem richtet sich der Auftrag der Evangeliumsverkündigung nach Lk 24,33.44.47–49 anders als in der Parallele Apg 1,2.8 nicht ausschließlich an die Apostel, sondern an einen größeren Jüngerkreis. S. dazu I.2.2.2. 364
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
die Schaffung neuer Ämter (Apg 6,2.6) oder die Aufstellung von Regeln (Apg 15,6.22f; 16,4) sowie für die Wahrung der Einheit der Gemeinschaft der Jesusanhänger auch über die Grenzen Jerusalems hinaus (Apg 8,14; 9,27) verantwortlich. 3.4.2 Die Armenpfleger (Ap 6,3.5) Ragte von Beginn an die Gruppe der Apostel im Hinblick auf ihre Funktion als Leitungsgremium aus der Jerusalemer Gemeinde heraus, so tritt ab Apg 6,1–6 in der ersten christlichen Gemeinde eine Veränderung hinsichtlich der Ämterstrukturen ein. Die Situation, aus der heraus sich die Veränderung ergibt, wird in der Exposition Apg 6,1 geschildert: Die Gemeinde vermehrte sich so stark, dass die Versorgung und der Dienst an Witwen nicht mehr gewährleistet werden konnte. Besonders die Witwen aus der Gruppe der sogenannten „Hellenisten“ (Ἑλληνισταί) fielen diesem Missstand zum Opfer,365 so dass sich diese Hellenisten darüber bei den sogenannten „Hebräern“ (Ἑβραῖοι) beschwerten.366 Die Apostel waren als Leitungsgremium der Ge365 Dass die Witwenversorgung insbesondere bei den Hellenisten zu Schwierigkeiten führte, lag darin begründet, dass viele aus der Diaspora stammende Juden in Jerusalem ihren Lebensabend verbrachten, um dort begraben zu werden; ihre Witwen konnten deshalb in Jerusalem nicht von Verwandten versorgt werden. Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 255. 366 Lukas weist hier in Apg 6,1 zum ersten Mal auf zwei Gruppen in der christlichen Gemeinde in Jerusalem hin, auf die Hellenisten und die Hebräer. Die Begriffe bezeichnen griechisch sprechende Judenchristen bzw. aramäisch sprechende Judenchristen. Die griechisch sprechenden Judenchristen kommen von den griechisch sprechenden Juden her, die in Jerusalem eigene Synagogen hatten. Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 227; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 216. Der Bericht weist einige Unstimmigkeiten auf: Es stellt sich die Frage, wieso es plötzlich zum Konflikt kommt zwischen zwei Parteien, die vorher gar nicht erwähnt wurden bzw. vielmehr die Einheit der Gemeinde betont wurde. Da laut den Ausführungen des Lukas die Gemeinde in Gütergemeinschaft lebte, ist die mangelnde Versorgung der Witwen unverständlich. Auch erscheint es merkwürdig, dass die Sieben nach der Erzählung der Apostelgeschichte später nicht als Armenpfleger, sondern als „Diener des Wortes“ bzw. Missionare (vor allem auch außerhalb von Jerusalem) tätig sind. Diese Spannungen gehen darauf zurück, dass „Lk das Bild stark übermalt hat, um den Anschein einer inneren Krise in der Apostelzeit zu vermeiden“ (CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 49). Hinter der Erzählung in Apg 6,1–7 steht vermutlich „die einschneidendste Umwälzung in der frühen Geschichte des Urchristentums […]: die Entstehung einer eigenständigen hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem“ (ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 107). Vgl. zu den folgenden Ausführungen vor allem HENGEL, Hellenisten, S. 155–185; auch PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 231f; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 107–109. Es ist davon auszugehen, dass es sehr früh bereits die zwei Gruppen der Hellenisten und der Hebräer in der Jerusalemer Urgemeinde gab, die sich jeweils unterschiedlich ausrichteten. So waren die griechisch sprechenden Judenchristen thora- und tempelkritischer als die Apostel, was sich an der Anklage gegen Stephanus (Apg 6,11.13f.) und auch an dessen Rede (Apg 7,2–53) zeigt. Ausgelöst vor allem durch die unterschiedlichen Sprachen orga-
3.4 Die Funktionsträger
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meinde bei solchen Konflikten die zuständigen Autoritäten und beriefen daher eine Gemeindeversammlung ein (V.2a). Bevor sie einen konkreten Lösungsvorschlag machten, erläuterten die Apostel zunächst, dass sie selbst die Verkündigung nicht vernachlässigen wollen, um stattdessen an den Tischen zu dienen (διακονεῖν τραπέζαις) (V.2b; vgl. V.4), d.h. dem von den Hellenisten geforderten diakonischen Dienst an den zu deren Gruppe gehörenden Witwen nachzukommen.367 Die Apostel machten der Menge der Jünger aus diesem Grund den Vorschlag, ein neues Gremium zu diesem Dienst einzusetzen, wobei es sich um ein Kollegium von sieben Männern handeln soll (V.3).368 Es kommt demzufolge nach der Darstellung des Lukas durch den Vorschlag der Apostel in der entstehenden christlichen Gemeinde zu einem neuen Amt, das dem διακονεῖν τραπέζαις gewidmet sein soll, also als Armenpfleger bezeichnet werden kann. Allerdings beschreibt die lukanische Erzählung das Amt nur nach seinen Aufgaben und Funktionen, der Begriff „Diakon“ (διάκονος) fällt nicht.369 Von den Aposteln wird als Kriterien für die Auswahl der sieben Armenpfleger genannt, dass sie einen guten Ruf (µαρτυρουµένοι) haben und voll des Geistes und der Weisheit (πλήρεις πνεύµατος καὶ σοφίας) sein sollen. Ausschlaggebend für die Übertragung des Amtes ist demnach die (mit Weisheit verbundene) Geistbegabung. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nach Lukas alle Glieder der christlichen Gemeinde Geistbegabte sind, weil sie durch die pfingstliche Geistausgießung oder durch die auf ihre Taufe folgende Geistverleihung den Geist empfangen haben. Deshalb ist der Hinweis auf den für die Auswahl entscheidenden Heiligen Geist so zu verstehen, dass es sich um eine Geistesgabe handelt, die die zu Erwählenden aus den andern Geistbegabten hervorhebt. Darauf weist auch hin, dass an dieser Stelle zum ersten Mal innerhalb der Wirkungsepoche der christlichen Gemeinde das Vollsein mit dem Heiligen Geist mithilfe des Adjektivs πλήρης ausgedrückt
nisierten sich beide Gruppen immer selbstständiger in Gottesdiensten, was nach und nach (möglicherweise auch durch den geschilderten Konflikt hinsichtlich der Armenfürsorge) zur Bildung von zwei getrennten Gemeinden führte. Dazu gehörten auch je eigene Leitungsgremien: Wie die Apostel der Gemeinde der Hebräer vorstanden, so das an die Leitung jüdischer Ortsgemeinden angelehnte Gremium der Sieben derjenigen der Hellenisten. Darauf deutet auch hin, dass in der Liste der Sieben allesamt griechische Namen aufgeführt sind, es sich also um ein aus griechisch sprechenden Judenchristen bestehendes Gremium handelte. Lukas erzählt zur Aufrechterhaltung des Bildes der Einheit und Idealität der Jerusalemer Urgemeinde die Geschichte der Einsetzung der Sieben als Armenpfleger und ordnet damit dieses Kollegium dem Leitungsgremium der Apostel unter. 367 „Lukas setzt den ,Wortdienst‘ (4) und den ,Tischdienst‘ (4) zueinander in Spannung, um das Bild einer gegliederten Gemeinde mit verschiedenen Aufgaben zu zeichnen“ (PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 228). 368 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 164. 369 Vgl. STEICHELE, Geist und Amt, S. 193.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
wird. Zur Kennzeichnung des Erfülltseins mit dem Heiligen Geist wird ansonsten das Verb πίµπληµι370 verwendet.371 Dies gilt sowohl in Bezug auf die gesamte Gemeinde (Apg 2,4; 4,31) als auch in Bezug auf einzelne Gemeindeglieder (Apg 4,8; 9,17; 13,9). Für die Übertragung des ArmenpflegerAmtes wird folglich ein intensiveres Vollsein mit dem Heiligen Geist vorausgesetzt als jeder gewöhnliche Jesusanhänger es vorweisen kann. Die Personen, die diese Voraussetzung erfüllen, sind dadurch für die Ausübung des Amtes besonders geeignet.372 Der die Armenpfleger auszeichnende Heilige Geist wird zudem in Apg 6,3 mit Weisheit373 kombiniert, da die beiden Begriffe πνεῦµα und σοφία einen Genitivus obiectivus zu πλήρεις bilden. Dabei ist die Kombination der beiden Begriffe als Hendiadyoin so zu verstehen, dass der Geist die Weisheit gewährt. Von dem Wort σοφία ausgehend wird daher deutlich, weshalb für die Auswahl der Armenpfleger das Kriterium des Heiligen Geistes entscheidend sein soll. Durch den Heiligen Geist sind die Betroffenen weise und verständig. Er bewirkt die notwendige Fähigkeit und Fertigkeit, um den Dienst an den Tischen auszuführen. Der Heilige Geist wird wegen der von ihm bewirkten σοφία zum Kriterium der Eignung zur Ausübung einer bestimmten Aufgabe. Mit der geistgewirkten Fähigkeit zum Dienst oder Amt wird vom auctor ad Theophilum eine neue Dimension der Bedeutung des Heiligen Geistes für die Gemeinde gezeichnet. Nach Apg 6,5 fand die Menge an dem Vorschlag der Apostel Gefallen und sie wählte dementsprechend sieben Männer aus: Stephanus, Philippus, Proschoros, Nikanor, Timon, Parmenas und Nikolaus, einen antiochenischen Proselyten (V.5). Man muss – weil das „Gefallen“ explizit benannt wird – davon ausgehen, dass die Auswahl der Sieben durch die Gemeinde nach den genannten Kriterien erfolgte, jedoch wird nur in Bezug auf Stephanus explizit benannt, dass es sich um einen Mann voll des Glaubens und des Heiligen Geistes handelte. Wenn alle zu Armenpflegern erkorenen Sieben über eine zu ihrer Amtsausübung befähigende besondere Geistbegabung verfügen, dann muss diese Beschreibung des Stephanus so verstanden werden, dass dieser aufgrund seiner Geistbegabung und des dadurch bewirkten Glaubens noch einmal aus der Gruppe heraussticht. Stephanus wird damit als der dem Sie370 In Apg 13,52 verwendet Lukas das einzige Mal das bedeutungsidentische Verb πληρόω. 371 In Bezug auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Gemeinde Jesu haben πίµπληµι und πλήρης also eine andere Bedeutung als in Bezug auf die Repräsentanten des Gottesvolkes Israel und Jesus aufgezeigt wurde (s. I.1.2; I.2.1.3). Dies liegt darin begründet, dass per se sämtliche Jesusanhänger den Heiligen Geist dauerhaft empfangen haben (πίµπληµι) und in Abgrenzung dazu noch einmal eine herausragende Geistbegabung davon unterschieden wird (πλήρης) (vgl. auch Apg 6,5.8; 7,55; 11,24). 372 Vgl. auch JERVELL, Apostelgeschichte, S. 218. 373 Vom Heiligen Geist bewirkte Weisheit ist auch in Lk 2,40.52 in Bezug auf den heranwachsenden Jesus vorausgesetzt. S. dazu I.2.1.1.
3.4 Die Funktionsträger
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benergremium Vorstehende gekennzeichnet. Dies entspricht der Funktion, die Petrus innerhalb des Kreises der zwölf Apostel wahrnimmt.374 Dazu passt, dass es unmittelbar im Anschluss an diese Wahl der Armenpfleger dieser Stephanus ist, der den Protagonisten der Erzählungen in Apg 6,8–7,60 darstellt375, bevor dann in Apg 8,5–40 die Berichte von dem zweitgenannten Philippus handeln (vgl. auch Apg 21,8).376 Lukas schildert in Apg 6,6, dass sich die Auserwählten vor die Apostel stellten, diese beteten und den zukünftigen Armenpflegern die Hände auflegten. Das Ritual zur Einsetzung dieses Siebenerkreises wird also von den Aposteln vollzogen. Damit autorisieren sie das Armenpfleger-Amt377 und ordnen es ihnen selbst gleichzeitig unter. Mit dieser Darstellung gelingt es Lukas, das Bild der Einheit der Jerusalemer Urgemeinde zu wahren. Die zur Einsetzung dienenden Handlungen der Handauflegung und des Gebets geschehen hier nicht zur Wegbereitung der Geistverleihung378, da die Amtsträger bereits mit einer besonderen Geistesgabe ausgestattet sind, die sie erst als für diese Aufgabe geeignet auswies. Die Handlungen können die durch die Geistbegabung bestehende besondere Eignung der ausgewählten Männer nur noch bestätigen379 und sind daher schlicht als Übertragung des Dienstes und Amtes anzusehen. 3.4.3 Die Propheten und prophetisch Begabten (Apg 7,55; 11,28; 20,23; 21,4.11) Der Heilige Geist spielt nach Lukas weiterhin für die Propheten und prophetisch Begabten eine wichtige Rolle. Bezogen auf diese kann man im Gegensatz zu den anderen unter I.3.4 genannten Personengruppen nicht von einem Amt mit feststehenden, regelmäßig wiederkehrenden zu erfüllenden Aufgaben sprechen. Bei den Propheten und prophetisch Begabten steht stattdessen die Funktion, die sie zu bestimmten Zeiten und im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen zu erfüllen haben, im Vordergrund. So verstanden sind sie Funktionsträger in der christlichen Gemeinde. 374
Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 107. In dieser Erzählung wird er ebenfalls als geistbegabt gekennzeichnet, wobei sich unterschiedliche Auswirkungen des Heiligen Geistes zeigen: So ermöglicht der Geist dem Stephanus die in Weisheit erfolgte Evangeliumsverkündigung (Apg 6,10), die prophetische Himmelsschau (Apg 7,55) und die Wundertätigkeit (Apg 6,8). S. dazu I.3.1.3. Hingegen ist Apg 7,59 nicht zu den Aussagen über die Wirkung des Heiligen Geistes an Stephanus zu zählen. Genauso wie Lk 23,46 ist πνεῦµα hier eher als Seele zu verstehen. S. dazu I.2.1.5. 376 Vgl. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 219; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 229; FITZMYER, Acts, S. 350. Dass von den übrigen fünf Männern der Liste nichts weiter erzählt wird, spricht für überliefertes Material. 377 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 426. 378 Anders jedoch SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 171. 379 Vgl. auch FISCHER / HEIL, Geistbegabung, S. 85. 375
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Nach der Darstellung des auctor ad Theophilum in Apg 2,4.18380 sind grundsätzlich alle Glieder der Gemeinde Jesu wegen ihres geistgewirkten Auftrags zur Evangeliumsverkündigung als Propheten bzw. prophetisch Begabte381 anzusehen.382 An einigen wenigen Stellen schildert Lukas, dass der Heilige Geist darüber hinaus innerhalb der ersten christlichen Gemeinde prophetische Fähigkeiten bewirkt, die sich von der allen Jesusanhängern gegebenen prophetischen Begabung zur Evangeliumsverkündigung abhebt. In der Apostelgeschichte werden an mehreren Stellen den Titel προφήτης („Prophet“) Tragende erwähnt, unter denen zwischen umherziehenden Wanderpropheten (Apg 11,27f.; 21,11)383 und sesshaften Propheten (Apg 15,32; 13,1; 21,9) unterschieden werden kann. Die ihnen von Lukas zugedachten Handlungsfelder sind aus den wenigen Notizen der Apostelgeschichte nur rudimentär zu erschließen: Letztere übernehmen in der Gemeinde Aufgaben der Ermahnung, Stärkung (Apg 15,32), Lehre und des Gemeindevorstandes (Apg 13,1), während die Wanderpropheten eher für Weissagungen zuständig erscheinen (Apg 11,28; 21,11).384 Zu den Wanderpropheten gehört Agabus; er ist der einzige Prophet, dessen Wirken von Lukas mehrfach als durch den Geist bewirkt gekennzeichnet wird.385 In Apg 11,28 berichtet Lukas, dass der Prophet Agabus, der sich unter den von Jerusalem nach Antiochia gekommenen Propheten befindet, durch den Geist (διὰ τοῦ πνεύµατος) meldet, dass eine große Hungersnot bevorsteht, und zwar für den ganzen Erdkreis. In diesem Zusammenhang wird als Bestätigung der Weissagung vermerkt, dass diese unter dem (römischen) Kaiser Klaudius stattfand.386 Hier ist der Heilige
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S. dazu I.3.1.1. Vgl. auch die mit προφητεύω bezeichnete Wirkung des initiatorischen Geistempfangs der Ephesusjünger in Apg 19,6. 382 Vgl. SCHNIDER, προφήτης, Sp. 448. 383 Die Existenz urchristlicher Wanderpropheten wird auch in der Didache 11; 13 bezeugt. 384 Mehr erfahren wir über Herkunft, Aufgabe und Bedeutung dieser Propheten in der Zeit der entstehenden christlichen Gemeinde von Lukas nicht. Die urchristliche Prophetie hat Dautzenberg unter besonderer Berücksichtigung von 1. Kor 12–14 grundlegend untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass nicht die Form, sondern „gerade der Inhalt der prophetischen Erkenntnis und ihre Mitteilung an die Gemeinde das der prophetischen Verkündigung Eigentümliche war“ (DAUTZENBERG, Prophetie, S. 302). 385 An den anderen Stellen, die Propheten erwähnen, wird keine explizite Wirkung des Geistes genannt. Nur in Apg 15,32 hat D in Bezug auf den Propheten-Status von Judas und Silas πλήρεις πνεύµατος ἁγίου ergänzt. Laut diesem sekundären Zusatz ist es ihre Begabung mit dem Heiligen Geist, durch den die beiden die Gemeinde ermahnen und stärken können. 386 Eine weltweite Hungersnot ist allerdings für diese Zeit in keiner anderen Quelle belegt, weshalb nicht von ihrer Historizität ausgegangen werden kann. Es gibt jedoch bei Josephus Hinweise auf regionale Hungersnöte um diese Zeit (AJ XX,51.101); auf solche 381
3.4 Die Funktionsträger
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Geist also das Mittel387, durch das der Prophet Einsicht in zukünftige Geschehnisse mit weltumfassender Bedeutung hat und diese ankündigen kann. Dass Agabus zur Gruppe der ,Berufspropheten‘ gezählt werden muss, wird auch daran deutlich, dass er später noch ein weiteres Mal unter der Wirkung des Heiligen Geistes auftritt, i.e. im Kontext der Reise des Paulus nach Jerusalem (und Rom). In Caesarea trifft der sich auf Reisen befindende Paulus auf Agabus. Dieser hebt daraufhin zu einer Zeichenhandlung an: Er nimmt den Gürtel des Paulus, bindet sich damit selbst die Füße und Hände und sagt: „So spricht der Heilige Geist (τάδε λέγει τὸ πνεῦµα τὸ ἅγιον): Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem so binden und in die Hände der Heiden übergeben“ (Apg 21,11). Mithilfe der mittels des Gürtels durchgeführten Zeichenhandlung veranschaulicht Agabus, was der Heilige Geist über das dem Paulus in Jerusalem bevorstehende Schicksal sagt. Dabei entspricht die Einleitung dieser prophetischen Aussage der im Alten Testament im prophetischen Kontext verbreiteten Botenspruchformel, allerdings mit der Änderung, dass nicht wie im Alten Testament Gott, sondern der Heilige Geist als Auftraggeber genannt wird.388 Und auch mit der Zeichenhandlung knüpft Agabus an die alttestamentlichen Propheten an (z.B. Jes 8,1–4; 20,1f.; Jer 13,1–11389; 19,1–13; 27,1–22; Ez 4–5). Die Zeichenhandlung verbürgt das tatsächliche Eintreffen der Zukunftsvorhersage dadurch, dass sie sie „zeichenhaft vorweg[nimmt]“.390 Nicht nur der ,Berufsprophet‘ Agabus spricht gegenüber Paulus im Hinblick auf dessen geplante Reise Warnungen aus, sondern dies tun auch andere Jesusanhänger. Denn als Paulus auf dem Weg nach Jerusalem in Tyrus einige Jünger trifft, bei denen er mit seiner Reisegruppe sieben Tage bleibt, warnen diese Jünger Paulus durch den Geist (διὰ τοῦ πνεύµατος), nicht nach Jerusalem hinaufzusteigen (Apg 21,4). Auch diese Jünger haben durch den Heiligen Geist die prophetische Fähigkeit, vorauszusehen, wie es Paulus in Jerusalem ergehen wird. Ebenfalls berichtet der lukanische Paulus in Apg 20,23 selbst davon, dass er durch den Geist Einblick in die ihn erwartenden Fesseln und Bedrängnisse erhalten hat.391 Ereignisse könnte Apg 11,28 anspielen. Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 357; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 95; MUSSNER, Apostelgeschichte, S. 71. 387 Zu διά mit Genitiv als Ausdruck der Vermittlung vgl. B/D/R § 223,3. 388 Vgl. FRIEDRICH, προφήτης, S. 850. 389 In Jer 13,1–11 liegt eine nahe Parallele zu der Zeichenhandlung des Agabus vor, da die dort geschilderte Zeichenhandlung ebenfalls mittels eines Gürtels erfolgt. 390 ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 310. 391 Wie in Punkt I.3.2.5 in Bezug auf die Bedeutung des Heiligen Geistes für die Ausrichtung der Missionstätigkeit der Gemeinde dargestellt, haben diese durch den Geist bewirkten Vorhersagen des dem Paulus bevorstehenden unheilvollen Ergehens keine Folgen für die Reisepläne des Paulus. Es stellt keinen Widerspruch dar, dass die erörterten Warnungen dennoch vom Heiligen Geist eingegeben werden, weil vor bevorstehendem
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Der Heilige Geist bewirkt demnach auch an Jesusanhängern, die nicht eigens als Propheten bezeichnet werden, prophetische Gaben. Dies zeigt sich außer in den bereits genannten Fällen auch bei Stephanus, der voll des Heiligen Geistes kurz vor seinem durch Steinigung herbeigeführten Tod zum Himmel schaut und dabei – wohl in einer Vision392 – die Herrlichkeit Gottes und Jesus stehend zur Rechten Gottes sieht (Apg 7,55). Aufgrund seiner besonderen Geistbegabung (πλήρης πνεύµατος ἁγίου)393 sieht Stephanus den Himmel offen (Apg 7,56a), so dass sich ihm eine andere Dimension der Wirklichkeit öffnet394, etwas, was schon inthronisiert ist, aber noch nicht auf Erden realisiert. Der Geist bewirkt Einsicht in das himmlische Heilsgeschehen, das für die Zukunft gilt. Diese Himmelsschau bedeutet für Stephanus, der kurz vor seiner Steinigung steht, tröstendes Heil in bedrückender Situation. Die erörterten Stellen Apg 7,55; 11,28; 20,23; 21,4.11 zeigen, dass der Heilige Geist vereinzelt prophetische Fähigkeiten an Jesusanhänger verleihen kann, die in der Einsicht in zukünftiges bzw. himmlisches Geschehen bestehen und dass sie durch den Geist zur Mitteilung dieser Einsicht gedrängt werden. Die Verleihung kann sowohl an sogenannte Propheten wie Agabus, aber, wie die Beispiele des Stephanus und der Jünger in Tyrus zeigen, auch an alle anderen Gliedern aus der christlichen Gemeinde geschehen. Im Unterschied zu dem nach Apg 2,18 allen Gliedern der christlichen Gemeinde als Evangeliumszeugen zukommenden Propheten-Status bewirkt der Heilige Geist hier durch eine plötzliche, situationsbezogene, aktuelle Eingabe die Prophetie durch die Einsicht in die Zukunft. Dies kommt nicht allen Jesusanhängern zu, sondern stellt eine spezielle Geisteswirkung dar. Dass die prophetische Fähigkeit vom Heiligen Geist bewirkt wird, kann auf sehr unterschiedliche Weise ausgedrückt werden: Der Heilige Geist kann als Mittel erwähnt werden, als etwas, von dem der prophetisch Begabte voll ist, oder der Prophet redet im Namen des Heiligen Geistes. Außerdem zeigen die Beispiele, dass es sich um Heils- wie Unheilsprophetie handeln kann, um Himmelsschau wie um Zukunftsschau. 3.4.4 Die Missionare (Apg 11,24; 13,2.4.9) Das in der von Lukas erzählten Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde nächste Amt, für das der Heilige Geist eine Rolle spielt, ist dasjeUnheil nun einmal gewarnt werden muss. In diesem Fall kann das Unheil jedoch nicht abgewendet werden, weil es Teil des göttlichen Heilsplans ist. 392 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 192; PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 263; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 127. 393 Zur besonderen Geistbegabung des Stephanus, die unterschiedliche Auswirkungen haben kann, s. I.3.1.3; I.3.4.2. 394 Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 473.
3.4 Die Funktionsträger
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nige des Missionars. Dies wird deutlich im Rahmen der Schilderung des Beginns der Missionsreise des Paulus und des Barnabas in Apg 13,1–3. Diese Schilderung beginnt in V.1 mit der Lokalisierung des Geschehens in Antiochia und fährt fort mit der namentlichen Vorstellung der sich in der antiochenischen Gemeinde (ἐκκλησία) befindlichen Lehrer und Propheten395 (V.1)396, die vermutlich dieser Gemeinde vorstanden.397 Unter diesen Amtsträgern befinden sich auch Barnabas und Saulus, die als erst- bzw. letztgenannte Personen an den betonten Stellen der Liste stehen.398 Dies zeigt an, dass es im Folgenden um diese beiden Männer gehen wird. Zunächst wird ein sich im Rahmen des Üblichen haltender Vorgang geschildert: Sie dienten dem Herrn, indem sie Gottesdienst feierten, und fasteten (V.2a). Mitten in diese alltägliche Situation hinein geschieht etwas Ungewöhnliches: Der Heilige Geist spricht zu ihnen (εἶπεν τὸ πνεῦµα τὸ ἅγιον), d.h. er tritt ihnen als personales Gegenüber entgegen. Es ist erwogen worden, dass die oben genannte Formulierung zum Ausdruck bringen solle, der Heilige Geist spreche durch einen der genannten Propheten.399 Eine solche Interpretation wäre – wie auch die oben genannten Ausführungen zu dem Propheten Agabus gezeigt haben –, jedoch nur dann eindeutig zu begründen, wenn entweder die Formulierung mit διά (Apg 11,28) verwendet oder eine wörtliche Rede des Propheten, der auf den Geist als Urheber der Aussage verweist, geschildert worden wäre (Apg 21,11). In Apg 13,2 hingegen ist das Subjekt des Redens nach lukani-
395 Weil keine Aufteilung der Liste erkennbar ist, ist anzunehmen, dass beide Begriffe sich auf alle genannten Personen beziehen. Vgl. mit der Mehrzahl der Ausleger u.a. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 479; HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 379f.; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 113; anders jedoch PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 16. 396 Es handelt sich um eine Namensliste, die wahrscheinlich aus dem antiochenischen Überlieferungsgut stammt. Dafür spricht vor allem, dass weder die über Barnabas und Saulus hinausgehenden Personen irgendwo eine Rolle spielen, noch die Ämterbezeichnung „Lehrer und Propheten“ näher erläutert wird. Vgl. BERGER, Formen, S. 284; WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 304; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 111; CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 81; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 340; YSEBAERT, Amtsterminologie, S. 42. 397 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 345; auch KOCH, Ämter, S. 174. Als Funktionsträger sind Propheten und Lehrer auch außerhalb der Apostelgeschichte im Neuen Testament (z.B. 1. Kor 12,28; Eph 4,11) und in anderen frühchristlichen Schriften (Did 13,1f.; 15,1) bezeugt. 398 Vgl. SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 282. Diese Aufteilung entspricht der ,Rangfolge‘ der beiden: „Barnabas, der Jerusalemer Delegat (11,22), steht an erster, Saulus, der von ihm nach Antiochia Geholte (11,26), an letzter Stelle“ (PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 16). 399 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 307; BONNAH, Holy Spirit, S. 348; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 341.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
scher Darstellung allein der Heilige Geist.400 Dieses Phänomen tritt auch nicht zum ersten Mal in der Apostelgeschichte auf, sondern ist u.a. bereits zu Apg 8,29; 10,19; 11,12 behandelt worden. Wie an diesen Stellen erscheint der Geist auch in Apg 13,2 als gleichsam personal Handelnder. Als solcher teilt er der Gruppe in Antiochia Folgendes mit: Ἀφορίσατε δή µοι τὸν Βαρναβᾶν καὶ Σαῦλον εἰς τὸ ἔργον ὃ προσκέκληµαι αὐτούς („Sondert mir doch aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe“) (V.2b). Der Geist befiehlt demnach, Barnabas und Saulus auszusondern, i.e. abzutrennen von ihrer bisherigen Gruppe und damit auch von ihrem Propheten- und Lehrer-Dasein in Antiochia. Der Grund für diese Absonderung liegt darin, dass der Geist die beiden zu einem anderen Werk auserwählt hat.401 Der Geist spricht dabei sogar von sich in der Ich-Form als derjenige, der Barnabas und Saulus berufen hat (προσκαλέοµαι). Die Auswahl durch den Geist selbst gibt der neuen Aufgabe von Barnabas und Paulus göttliche Autorität. Allerdings führt der Geist an dieser Stelle nicht aus, um was für ein Werk (ἔργον) es sich handeln soll. Dies ergibt sich erst aus dem, was Barnabas und Saulus im Anschluss an dieses Ereignis tun: Sie ziehen auf ihrer Missionsreise umher (Apg 13,4–14,28). Die Identifikation dieses auszurichtenden Werks wird auch durch die Ausführungen in Apg 14,26 ermöglicht: An dieser Stelle wird am Ende der Missionsreise von der Rückkehr der beiden nach Antiochia erzählt und dabei noch einmal auf ihre Aussendung zu diesem – nun bereits ausgerichteten – ἔργον verwiesen. Die vom Geist Angesprochenen scheinen aber sogleich zu wissen, was Barnabas und Saulus in Zukunft tun sollen und führen unverzüglich ein Ritual durch: Denn daraufhin (τότε) fasteten und beteten sie und legten die Hände auf Barnabas und Saulus, bevor sie die beiden entließen (V.3). Damit vollzieht die Gemeinde den Befehl des Geistes in einem Einsetzungs- und Aussendungsritual nach und stimmt ihm dadurch auch zu.402 Es wird deutlich, dass die Bestimmung des Barnabas und des Saulus zu Missionaren nicht auf menschliche Überlegungen oder einen menschlichen Beschluss, sondern auf die durch den Geist vermittelte göttliche Initiative zurückgeht. In diesem Zusammenhang ist auch die ausschließlich im Rahmen der ersten Missionsreise auftretende Bezeichnung des Barnabas und des Paulus als ἀπόστολοι (Apg 14,4.14) zu verstehen. Lukas hat diesen Apostelbegriff vermutlich in der antiochenischen Quelle vorgefun-
400
Dies hat auch Haenchen erkannt, löst dieses Problem jedoch auf nicht überzeugende Weise: „Der Spruch des Geistes erklingt freilich aus dem Mund eines der Propheten. Aber Lukas schweigt von dieser menschlichen Vermittlung, um die Weisung des Geistes möglichst unmittelbar wirken zu lassen“ (HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 380). 401 Vgl. SCHILLE, Apostelgeschichte, S. 283. 402 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 194; WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 308; BONNAH, Holy Spirit, S. 351; FISCHER / HEIL, Geistbegabung, S. 85.
3.4 Die Funktionsträger
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den, in der sie als Bezeichnung für von der Gemeinde Abgesandte oder Missionare diente. Er hat die Bezeichnung Apostel, die Barnabas und Paulus im Sinne der dargestellten lukanischen Definition der zwölf Apostel nicht zukommt, dennoch nicht aus dem Text gestrichen403, weil er an dieser Stelle damit Folgendes ausdrücken kann: Die beiden können Apostel heißen, insofern sie vom Heiligen Geist selbst ausgesandt und dadurch mit entsprechender göttlicher Legitimation ausgestattet sind.404 Die Gemeinde hat lediglich noch die Aufgabe, die vom Geist ausgehende Bestimmung zu bestätigen.405 Wie bereits in Apg 6,6 dient das Ritual an dieser Stelle der Einsetzung neuer Amtsträger406, wobei genauso wie in Apg 6,6 auch hier keine Geistverleihung an die Träger des neuen Amtes intendiert ist.407 Der Unterschied zwischen den beiden durch ein Ritual erfolgenden Einsetzungen neuer Amtsträger besteht darin, dass die Armenpfleger aufgrund ihrer besonderen Geistbegabung von der Gemeinde für ihren Dienst auserwählt wurden, was bei den Missionaren Barnabas und Saulus nicht geschieht. Sie werden stattdessen von dem den Gemeindevertretern personal gegenübertretenden Geist selbst berufen. Dass auch Barnabas und Saulus Geistbegabte sind, wird an anderen Stellen im lukanischen Doppelwerk betont. So wird Barnabas einige Zeit vor seiner Bestimmung zum Missionar als Mann voll Heiligem Geist und Glauben (πλήρης πνεύµατος ἁγίου καὶ πίστεως) beschrieben (Apg 11,24). Das Adjektiv πλήρης bezeichnet dabei wiederum ein intensiveres und besonderes Vollsein mit dem Heiligen Geist. Auch Paulus, von dessen Taufe und Geistbegabung Lukas in Apg 9,17f. erzählt, wird gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als Missionar in Apg 13,9 noch einmal als vom Heiligen Geist erfüllt gekennzeichnet. Dennoch hat der Geist für das Amt der Missionare die primäre Bedeutung, dass er das Amt selbst schafft und Personen in dieses Amt einsetzt. Das wird noch ein zweites Mal deutlich im Vers Apg 13,4a, der direkt an die Einsetzungs- und Aussendungsszene anschließt und den Beginn der nun folgenden missionarischen Tätigkeit schildert. Obwohl die Gemeinde das Einsetzungs- und Aussendungsritual 403 Der oft erfolgende bloße Verweis auf die Quellenbenutzung (vgl. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 87; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 211) wäre „der implizierte Rückfall hinter die redaktionsgeschichtliche Methode“ (HAACKER, Verwendung, S. 11). 404 Vgl. auch PESCH, Apostelgeschichte 2, S. 18; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 115. 405 Ein ähnlicher Vorgang der Bestätigung und Einholung des göttlichen Handelns durch ein menschliches Ritual liegt in der Taufe vor, die Petrus für die Heiden um Kornelius vollziehen lässt, nachdem diesen bereits der Geist verliehen wurde (Apg 10,47f.). S. dazu I.3.3.3. 406 Vgl. STEICHELE, Geist und Amt, S. 195; FITZMYER, Acts, S. 497; auch SCHMITHALS, Apostelgeschichte, S. 120; anders jedoch CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 81; SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 115. 407 Vgl. KLEIN, Beauftragung, S. 224.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
vollzogen hat, heißt es hier, dass die beiden vom Heiligen Geist ausgesandt wurden (ἐκπεµφθέντες ὑπὸ τοῦ ἁγίου πνεύµατος). Nicht die menschliche, sondern die durch den Geist gegebene göttliche Autorität ist die entscheidende Legitimation für die Schaffung des Missionars-Amtes und die Einsetzung in dasselbe; dieser Akt bedeutet gleichzeitig die Lenkung der Mission der christlichen Gemeinde, da von diesem Zeitpunkt an, an dem der Geist Einsetzung und Aussendung zum Missionar befohlen hat, vor allem Paulus stets auf Reisen ist und durch seine Evangeliumsverkündigung zahlreiche Menschen zum christlichen Glauben bekehrt.408 3.4.5 Die Ältesten (Apg 20,28) Nach Apg 20,28 hat der Heilige Geist im lukanischen Doppelwerk noch eine weitere und gleichzeitig letzte Funktion bei der Einsetzung eines Amtes in der entstehenden christlichen Gemeinde inne. Dieser Vers steht im Kontext der Abschiedsrede des Paulus (Apg 20,17– 38), der sich auf dem Weg nach Jerusalem befindet und weiß, dass ihn dort „Fesseln und Bedrängnisse“ erwarten (V.23), so dass er nicht mehr wiederkommen wird (V.25). Paulus, der sich in Milet aufhält, richtet seine dem bevorstehenden endgültigen Abschied gewidmete Rede an die πρεσβύτεροι („Ältesten“) von Ephesus (V.17). Dieses Amt der πρεσβύτεροι ist im lukanischen Doppelwerk an mehreren Stellen bezeugt: Zum ersten Mal treten nach Apg 11,30 unvermittelt in der Jerusalemer Gemeinde Älteste auf, die insbesondere im Rahmen des Verlaufs und der Beschlüsse des Apostelkonzils zusammen mit den Aposteln (Apg 15,2.4.6.22f.; 16,4) und später dann zusammen mit Jakobus (Apg 21,18) genannt werden. Nicht nur die Jerusalemer Gemeinde verfügt über πρεσβύτεροι, sondern es wird in Apg 14,23 am Ende der ersten paulinischen Missionsreise berichtet, dass Paulus und Barnabas in jeder Gemeinde Älteste auswählten (χειροτονέω). Diese lukanische Darstellung ist so zu verstehen, dass in allen von Paulus gegründeten und betreuten Gemeinden Älteste vorhanden sind, was durch die im vorliegenden Zusammenhang erwähnten Ältesten in Ephesus (Apg 20,17) bestätigt wird. Diesen ephesinischen Ältesten legt Paulus dar, dass er fortan nicht mehr für die Gemeinde sorgen können wird; aus diesem Grund ermahnt er die πρεσβύτεροι mit folgenden Worten: „Achtet auf euch selbst und die ganze Herde, in der 408 Der die Mission lenkende Geist tritt bei weiteren Ereignissen zu Tage, die in I.3.2 geschildert werden. Der Unterschied zwischen diesen weiteren Ereignissen und dem Ereignis in Apg 13,2.4 besteht darin, dass der Geist hier explizit bestimmte Personen für eine Aufgabe auswählt und dies von der Gemeinde mit einem Einsetzungs- und Aussendungsritual nachvollzogen wird. Dieses Ritual weist darauf hin, dass es hier um Funktionsträger gehen muss. Anders fasst Bonnah Apg 13,2.4 mit den in I.3.2 behandelten Stellen in seinem Kapitel „The Holy Spirit and the Missionary Way oft the Church“ zusammen. Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 330–364.
3.4 Die Funktionsträger
251
euch der Heilige Geist eingesetzt hat als Aufseher um die Gemeinde Gottes zu weiden, die er erworben hat durch sein eigenes Blut“ (Apg 20,28). Für die bevorstehende Zeit nach dem Abschied des Paulus werden die Ältesten dazu angehalten, über die Gemeinde Gottes zu wachen.409 Sie sollen, nachdem Paulus fortgegangen ist, die für die Gemeinde Verantwortlichen sein und dabei nach seinem Vorbild handeln.410 Paulus sorgt selbst dafür, dass seine bisherigen Aufgaben von Nachfolgern übernommen werden, weil auf die Gemeinde Gefahren lauern. Diese begegnen nach den Vv.29f. insbesondere im Auftreten von ,Falschlehrern‘, die sowohl von innen als auch von außen auf die Gemeinde einwirken können. Die Aufgabe der Ältesten wird in V.28 mit verschiedenen Begriffen beschrieben: Zunächst spricht Paulus die Ältesten in V.28 hinsichtlich ihres Auftrags als ἐπίσκοποι („Aufseher“) an. Dieser Begriff bezeichnet hier nicht das Amt der Episkopen oder Bischöfe, sondern es charakterisiert lediglich die den Ältesten von Paulus zugewiesene Funktion als diejenigen, die über die Gemeinde wachen sollen (vgl. προσέχω).411 Dafür spricht zunächst die pluralische Anrede als ein Gemeindekollegium, da Bischöfe normalerweise nur einzeln in den Gemeinden auftreten.412 Als weiteres Argument ist die Tatsache zu nennen, dass Lukas an keiner anderen Stelle in der Apostelgeschichte von einem der Gemeinde vorstehenden Bischof berichtet. Nicht zuletzt ist diese Beschreibung der Ältesten als „Aufseher“ stark von Hirtenmetaphorik geprägt und wird von ihr her interpretiert.413 So wird die aufgetragene Handlung der Ältesten als ποιµαίνω („weiden“) und die zu bewachende Gemeinde als ποίµνιον („Herde“) bezeichnet. Die Hirtenmetaphorik bestimmt auch insofern die an V.28 anschließenden Verse, als die befürchteten ,Falschlehrer‘ als „reißende Wölfe“ vorgestellt werden, vor denen die Herde zu schützen ist. Wie im Alten Testament Gott als Hirte der Herde des Gottesvolkes genannt werden kann (Ez 34,11f.; Sach 10,3; vgl. Ps 23,1) und dieses Bild im Neuen
409
Als Voraussetzung dafür, auf andere achtzuhaben, nennt dieser Vers in einem Atemzug das Achthaben auf sich selbst (προσέχετε ἑαυτοῖς καὶ παντὶ τῷ ποιµνίῳ). 410 Vgl. BONNAH, Holy Spirit, S. 382; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 511; WAGNER, Anfänge, S. 115. 411 Vgl. STEICHELE, Geist und Amt, S. 195; WEISER, Apostelgeschichte 2, S. 85; KOCH, Ämter, S. 182; JERVELL, Apostelgeschichte, S. 512; HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 567; BARTLETT, Ministry, S. 132. Anders versteht Roloff die lukanische Zusammenführung des Ältestenkollegiums mit der Bezeichnung des Episkopenamtes als Zeichen dafür, dass die Gemeinde des Lukas „von der alten palästinischen Ältestenverfassung“ geprägt war und sich „durch Verbindung mit der in den paulinischen Gemeinden beheimateten Episkopen- und Diakonenverfassung“ wandelte (ROLOFF, Kirche, S. 220). 412 Vgl. die Nennung des Bischofs als Leiter der Gemeinde in den Pastoralbriefen (1. Tim 3,2; Tit 1,7). 413 Vgl. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 128; auch SCHNACKENBURG, Episkopos, S. 420–423.
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Testament auf Jesus und die Seinen angewendet wird (Joh 10,11–18; 1. Petr 2,25; 5,4; Mt 15,24; 26,31 par. Mk 14,27), so kann die Hirtenmetaphorik neutestamentlich dann auch für diejenigen, die für die Gemeinde Jesu verantwortlich sein sollen, gebraucht werden (Joh 21,15–17; Mt 10,6; 1. Petr 5,2–3). In diesem Kontext ist verständlich, dass die Ältesten von Paulus dazu bestimmt werden, für ihre jeweilige Gemeinde diese Hirten-Rolle fortzuführen. Die an die Ältesten ergehende Mahnung des Paulus weist ein interessantes Detail auf: Es war der Heilige Geist, der die Ältesten in die Gemeinde als Aufseher eingesetzt hat (τίθηµι). Obwohl es nach Apg 14,23 die Missionare Paulus und Barnabas waren, die die Ältesten in den Gemeinden auswählten, wird dieses menschliche Vorgehen hier von Lukas als Einsetzung durch den Heiligen Geist interpretiert, erfährt also eine „pneumatologische Deutung“414. Dabei fällt auf, dass kein menschlicher Mittler genannt wird, durch den der Geist gehandelt hätte, sondern der Geist direkt und gleichsam als personales Gegenüber gekennzeichnet wird. Wie eine solche Einsetzung durch den personal agierenden Geist sich ereignen kann, hat Lukas bereits in Apg 13,2 geschildert.415 Durch die Interpretation der von Paulus und Barnabas während ihres missionarischen Wirkens geschehenen Installation von Ältesten durch ein Wirken des personal agierenden Geistes macht Lukas in Apg 20,28 deutlich, dass die Ältesten mit direkter göttlicher Autorität beauftragt wurden und es keine menschliche Entscheidung war, die zu dieser Ämterstruktur führte.416 Der Wirkungsort der nach Apg 20,28 mit der vom Geist vermittelten göttlichen Autorität handelnden Ältesten wird „Gemeinde Gottes“ (ἐκκλησία τοῦ θεοῦ) genannt. Die Nennung der „Gemeinde Gottes“ anstelle der Ortsgemeinde von Ephesus weist daraufhin, dass diese göttliche Legitimation nicht nur die Ältesten von Ephesus betrifft, sondern in universaler Weise sämtliche Ältestenamtsträger in allen417 christlichen Gemeinden.418 Nach Apg 20,28 hat der Heilige Geist also überall Älteste als Aufseher und Hirten eingesetzt, damit sie in der nachpaulinischen Zeit über die Gemeinden wachen.419
414
FISCHER / HEIL, Geistbegabung, S. 86. Vgl. SHEPHERD, Holy Spirit, S. 234f. 416 Vgl. JERVELL, Apostelgeschichte, S. 512. 417 Zur im lukanischen Doppelwerk seltenen Bezeichnung der ,Gesamtkirche‘ durch das Wort ἐκκλησία s. I.3.3.5. 418 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 2, S. 297; auch BONNAH, Holy Spirit, S. 385. 419 Nach der Darstellung des Lukas fand ein der fortschreitenden Geschichte Rechnung tragender erneuter ,Generationenwechsel‘ statt. Hatten nach Jesu Himmelfahrt zunächst die Apostel und daran anschließend Paulus für die Weitergabe des Evangeliums und für die Erledigung der Gemeindeangelegenheiten gesorgt, wird nun für den Zeitraum nach der Wirksamkeit des Paulus eine neue Regelung getroffen. 415
3.4 Die Funktionsträger
253
Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Heilige Geist nach lukanischer Darstellung in Bezug auf Funktionsträger in der entstehenden christlichen Gemeinde zusehends an Bedeutung gewinnt. Bei den Aposteln als den ersten, die als Amtsträger bezeichnet werden können, spielt der Heilige Geist nur indirekt eine Rolle, weil er bei ihrer Erwählung und Einsetzung nicht an ihnen selbst, sondern an Jesus wirkt. Dieser wählt den Zwölferkreis durch den Geist aus und sichert auf diese Weise den Fortbestand seiner Botschaft auch nach seiner Himmelfahrt. Die Apostel, deren Aufgabe die Gewährung von Kontinuität zu Jesus und die Augenzeugenschaft von Lehre und Leben Jesu ist, werden in die Geistträgerschaft Jesu hineingenommen, den Geist selbst empfangen sie wie alle anderen Jesusanhänger aber erst an Pfingsten. Die leitende Funktion der Apostel zu Beginn der Zeit der Gemeinde wird auch deutlich bei der ersten Ausdifferenzierung der Ämterstruktur in Apg 6,1–7. Um die Versorgung der Witwen zu sichern, schlagen die Apostel die Einrichtung eines Siebenerkollegiums vor. Der Heilige Geist wird dabei insofern als Kriterium für die Auswahl entscheidend, als diejenigen zu diesem Amt berufen werden sollen, sich dadurch auszeichnen, dass sie in besonderer Weise „voll“ sind mit dem Geist und der Geist bei ihnen als die besondere Fähigkeit zum Dienst Weisheit bewirkt hat. Als Zeichen der Einsetzung von menschlicher Seite werden den Ausgewählten von den Aposteln die Hände aufgelegt. Das neue Amt der Armenpfleger untersteht der Vormachtstellung der Apostel. Weiterhin schildert Lukas die Bedeutung des Heiligen Geistes in Bezug auf die Propheten. Da aber alle Jesusanhänger durch ihre Geistbegabung Propheten genannt werden können, treten punktuelle durch den Geist bewirkte prophetische Fähigkeiten nicht nur bei ,Berufspropheten‘ wie Agabus, sondern auch bei anderen Jesusanhängern auf. Der Heilige Geist kann hier zur Einsicht in zukünftige bzw. himmlische Ereignisse führen. Die Propheten und prophetisch Begabten können zwar als Funktionsträger bezeichnet werden, unterscheiden sich jedoch deutlich von den anderen in diesem Abschnitt genannten Ämtern, da sie keine feststehenden, regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben zu erfüllen haben. Eine Erweiterung im Ämterkanon erfolgt außerdem in Apg 13,1–3 zu Beginn der sogenannten ersten Missionsreise. Dort werden Barnabas und Saulus vom Geist selbst für das Missionswerk ausgewählt; ihre Geistbegabung wird in anderen Kontexten genannt, aber in Bezug auf die Auswahl für das Amt des Missionars nicht eigens erwähnt. Die anderen Jesusanhänger vollziehen den Befehl des Geistes nach, indem sie die beiden unter Gebet und Handauflegung entsenden. Urheber der Entsendung aber bleibt der Heilige Geist. Das letzte Amt, von dem der auctor ad Theophilum die Relevanz des Heiligen Geistes bezeugt, ist das der Ältesten. Obwohl Paulus und Barnabas nach
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
der Auskunft des Lukas auf ihren Missionsreisen in allen Gemeinden Älteste bestimmt haben (Apg 14,23), wird dies in Apg 20,28 als durch den Heiligen Geist selbst erfolgte Einsetzung interpretiert. Damit wird dem Amt, in dessen Zentrum eine Hirten- und Aufseheraufgabe steht und das in der nachpaulinischen Zeit die Gesamtheit der Gemeinden Jesu leiten und schützen soll, eine große göttliche Legitimation verliehen. Insgesamt gewinnt der Heilige Geist nach Lukas in Bezug auf die Funktionsträger eine immer größere Eigenständigkeit. Hatte er bei den Aposteln lediglich indirekt gewirkt, weil sie ihr Mandat von Jesus selbst haben, so spielt er schon bei den nächsten Funktionsträgern eine größere Rolle. Die Armenpfleger werden zwar in Abhängigkeit von den Aposteln eingesetzt, aber sie sind aufgrund einer besonderen Geistbegabung auserwählt. Anschließend sind bei der Einsetzung neuer Funktionsträger weder Jesus noch die Apostel beteiligt, sondern nur noch der Heilige Geist, der nun den bei den Aposteln noch Jesus zukommenden Part übernimmt und dabei die Beziehung zu Jesus gewährt. Er ist für die Gemeinde diejenige göttliche Autorität, die für die Beauftragung zur Übernahme einer bestimmten Aufgabe maßgebend ist. Es ist dieser Heilige Geist, der die Propheten und prophetisch Begabte zu ihren Weissagungen führt. In Bezug auf die Missionare und Ältesten wird der Geist als personal handelndes Gegenüber dargestellt, das selbst die Funktionsträger auswählt und einsetzt. In der fortschreitenden Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde ist es nach Lukas der immer selbstständiger werdende Geist, der für die Auswahl sowie für die göttliche Legitimation der Funktionsträger zuständig ist. Durch sein Wirken werden dort, wo es nötig ist, neue Ämter geschaffen, so dass sich durch die Weisung des Geistes eine fortschreitende Ausdifferenzierung ergibt.
3.5 Die Verwerfung 3.5 Die Verwerfung
Lukas weist dem Heiligen Geist nicht zuletzt eine Funktion als entscheidende Instanz in der Frage zu, was mit den Menschen geschieht, die nicht (mehr) zur Gemeinschaft der Jesusanhänger gehören. Wenn der Heilige Geist Alleinstellungsmerkmal der christlichen Gemeinde ist, dann stellt sich letztlich auch die Frage, was mit denen passiert, die den Geist ablehnen oder gar wieder verlieren. Sowohl aufgrund von äußerem (Lk 12,10; Apg 7,51) als auch von innerem Widerstand (Apg 5,3.9) gegen den die Gemeinde konstituierenden Heiligen Geist kann es zu einer Verwerfung kommen. 3.5.1 Der äußere Widerstand (Lk 12,10; Apg 7,51) Lukas berichtet in seinem Doppelwerk nicht nur, dass durch die Evangeliumsverkündigung neue Gläubige gewonnen werden, sondern er kennt auch
3.5 Die Verwerfung
255
Fälle, in denen Menschen, die die Botschaft Jesu von seinen Zeugen hören, es ablehnen, das Evangelium anzunehmen. In diesem Sinne findet sich in Apg 7,51 innerhalb der Rede des Stephanus an den Hohen Rat der Vorwurf, die Angeredeten würden – wie es schon ihre Väter im Zuge deren Behandlung der Propheten (Apg 7,52) taten – allezeit dem Heiligen Geist widerstreben, weil sie der geistgewirkten Verkündigung des Stephanus (vgl. Apg 6,10) nicht zustimmen. Wer den Verkündigungsinhalt annimmt und sich bekehrt, der wird durch Taufe und Geistempfang in die christliche Gemeinde aufgenommen. Wer aber das Evangelium nicht annimmt und sich nicht taufen lässt, der widerstrebt demnach letztlich dem Geist. Deshalb findet er keine Aufnahme in die Heilsgemeinschaft. Deshalb werden die Annahmeverweigerer an dieser Stelle als „halsstarrig“ (σκληροτράχηλοι) und „unbeschnitten an Herzen und Ohren“ (ἀπερίτµητοι καρδίαις καὶ τοῖς ὠσίν) bezeichnet. Diese vorwurfsvolle Anrede zeigt, dass für die Adressaten der Rede des Stephanus „die leibliche Beschneidung keinerlei Funktion hat“420, weil diese Adressaten sich durch ihr den Heiligen Geist ablehnendes Verhalten als dem Gottesvolk nicht zugehörig erwiesen haben. Somit wird in Apg 7,51 deutlich, dass ein solcher im Widerstreben gegen den Heiligen Geist bestehender äußerer Widerstand zur Folge hat, dass die Betroffenen nicht zum Gottesvolk und damit zum Heil gehören können. In dieselbe Richtung weist der Ausspruch in Lk 12,10: „Jeder, der ein Wort gegen den Menschensohn sagen wird, dem wird es vergeben werden; dem aber, der gegen den Heiligen Geist lästert, wird es nicht vergeben werden.“ Der Vergleich zwischen dieser lukanischen und der markinischen Version des Logions (Mk 3,28–30) macht deutlich, dass die beiden Versionen stark voneinander abweichen.421 Insbesondere ist ersichtlich, dass sie in verschiedenen Kontexten stehen. Deshalb ist Lk 12,10 von seinem Kontext im
420
JESKA, Geschichte Israels, S. 186. Insgesamt ist das Logion im Lukas-Evangelium (Lk 12,10) sehr viel kürzer als im Markus-Evangelium (Mk 3,28–30). Während bei Markus die Lästerungen Teil der Sünden sind und die Lästerung gegen den Geist die ewige Sünde darstellt, bezeichnet das Logion bei Lukas die Lästerung nicht explizit als Sünde, jedoch als unvergebbar. Dagegen findet sich bei Lukas die explizite Gegenüberstellung des vergebbaren Wortes gegen den Menschensohn und der unvergebbaren Lästerung gegen den Geist, die bei Markus nur vom Kontext der ablehnenden Reaktion auf Jesu Wunderwirken her zu erschließen ist. Matthäus bietet sowohl die markinischen als auch die lukanischen Eigenheiten des Logions nebeneinander (Mt 12,31–32). Diese starke formale und auch sprachliche Unterschiedlichkeit deutet eher daraufhin, dass das Logion in zwei verschiedenen Versionen überliefert wurde, von denen Markus die eine und Lukas (dieses Logion in der Beelzebul-Perikope Lk 11,14– 23 bewusst auslassend) die andere bietet, als darauf, dass Lukas die Markusversion umgestaltet hat. Dafür spricht auch, dass Matthäus beide Versionen quasi ,gesammelt‘ nebeneinander gestellt hat. Vgl. BOVON, Lukas 2, S. 260f. 421
256
3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Lukas-Evangelium her zu interpretieren.422 Im Markus-Evangelium findet sich die Rede von der Lästerung wider den Heiligen Geist, die als ewige Sünde bezeichnet wird (Mk 3,29), innerhalb der Antwort Jesu (Mk 3,23–29) auf den Vorwurf hin, er würde die bösen Geister durch den Beelzebul austreiben (Mk 3,22.30). Diejenigen, die dies behaupten, lästern damit den Heiligen Geist, durch den Jesus seine Wunder tun kann. Ging es bei Markus also um die deutende Reaktion auf Jesus und sein Wunderwirken, so ändert sich der Zusammenhang im Lukas-Evangelium. Dort ist das Logion Teil einer sich in Lk 12,1–12 erstreckenden Spruchsammlung. Innerhalb dieser Spruchsammlung findet sich in den an das Logion anschließenden Vv.11–12 die Rede vom Heiligen Geist als einem, der die Jesusanhänger in einer bedrängenden Situation lehren wird, womit sie sich verantworten oder was sie sagen sollen. Es ist der Heilige Geist, der die Jesusanhänger bei ihrem Bekenntnis zu Jesus und damit letztlich beim Evangeliumszeugnis unterstützt.423 Die Stoßrichtung des Logions ist demnach bei Lukas nicht mehr christologisch, sondern ekklesiologisch,424 bezieht sich die Lästerung des Heiligen Geistes doch nicht mehr wie bei Markus auf Jesu Wirken, sondern auf das Wirken seiner Jünger, konkret auf die durch den Geist gewirkte Evangeliumsverkündigung. Sie zu lästern ist nicht vergebbar. Dabei handelt es sich bei ἀφεθήσεται („wird nicht vergeben werden“) um ein Passivum divinum, d.h. Gott ist derjenige, der die Lästerung des Geistes nicht vergibt. Ein solches Verhalten, das eine unvergebbare Sünde darstellt, legen all jene an den Tag, die die Evangeliumsverkündigung der Jünger hören und diese Botschaft nicht annehmen, sondern sich stattdessen, auch in gewaltsamer Weise, gegen die Zeugen stellen.425 Wer das geistgewirkte Evangeliumszeugnis lästert, lästert den Heiligen Geist zudem als denjenigen, der die Neubekehrten nach der Annahme der Evangeliumsbotschaft der Heilsgemeinschaft zueignet. Wie in Apg 7,51 ist auch hier von einer Ablehnung des die Heilsgemeinschaft kennzeichnenden Heiligen Geistes berichtet. Ein solches ablehnendes Verhalten wird als Sünde bezeichnet, die nicht vergeben werden kann. Denn wer das Evangelium nicht annimmt, kann „keine Vergebung finden, weil er ihre Möglichkeit von sich gewiesen hat“.426 Daraus ergibt sich: Mitglied der als Gottesvolk anzusehenden christlichen Gemeinde kann nicht werden, wer durch das oben genannte ablehnende Verhalten der Zeugen und der Verkündigung den Heiligen Geist lästert. 422 Fuchs hat es durch Aufweis zahlreicher Stichwortverbindungen von Lk 12,10 zu 12,8f.11f. (πᾶς ὅς, υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου, πνεῦµα ἅγιον etc.) plausibel gemacht, dass Lukas durch seine redaktionelle Tätigkeit das Logion in einen von Mk (und Mt) abweichenden Kontext gestellt hat. Vgl. FUCHS, Sünde, S. 116–120. 423 Vgl. VON BAER, Der Heilige Geist, S. 137. 424 Vgl. auch SCHNEIDER, Lukas 2, S. 280; SCHMITHALS, Lukas, S. 143. 425 Vgl. WOLTER, Lukasevangelium, S. 444; BONNAH, Holy Spirit, S. 83, Anm. 230. 426 GRUNDMANN, Lukas, S. 255. Vgl. auch KLEIN, Lukasevangelium, S. 441.
3.5 Die Verwerfung
257
3.5.2 Der innere Widerstand (Apg 5,3.9) Ein Widerstand gegen den Heiligen Geist kann sich nach der Darstellung des Lukas aber nicht nur von außerhalb der Gemeinde regen, sondern auch im Inneren der Gemeinde auftreten. Die relevante Perikope Apg 5,1–11 von Hananias und Saphira steht im Kontext der lukanischen Berichte von der Urgemeinde in Jerusalem (Apg 2,42–5,42). Lukas schildert in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte insbesondere innerhalb von Summarien (Apg 2,42–47; 4,32–35; 5,12–16) einen Idealzustand der ersten christlichen Gemeinde aus seiner Sicht.427 Zu diesem Ideal gehören als Grundpfeiler die Lehre der Apostel, die Gemeinschaft, das Brotbrechen und das Gebet (Apg 2,42) sowie daneben auch die gelebte Gütergemeinschaft (Apg 2,44b).428 Laut Apg 2,45 besteht diese darin, dass die Gemeindeglieder ihren Besitz verkaufen und den erzielten Erlös an alle in der Gemeinde nach dem Grad der Bedürftigkeit austeilten. Ab Apg 4,32 wird die Praxis der Gütergemeinschaft ausführlicher dargestellt. Unmittelbar vor der Erzählung über das Ehepaar Hananias und Saphira wird zunächst im Summarium (Vv.32–35) davon berichtet, dass diese Gütergemeinschaft gut funktionierte, weil alle ihren gesamten Besitz der Gemeinde zur Verfügung stellten, so dass kein Mitglied dieser Gemeinschaft Mangel leiden musste. An das Summarium schließt sich in den Vv.36f. die Notiz über einen konkreten Fall an: Der aus Zypern stammende Levit Josef, der von den Aposteln Barnabas429 genannt wird, verkauft seinen Acker und legt den Erlös den Aposteln zu Füßen. Anhand von Barnabas wird somit ein hinsichtlich der Gütergemeinschaft vorbildliches Handeln aufgezeigt. Dieses positive Beispiel des Barnabas wird im Folgenden zur Folie, auf die sich das als Gegenbeispiel anzusehende Handeln von Hananias und Saphira bezieht. In der anschließenden Perikope Apg 5,1– 11 kommt zutage, dass es auch in der Urgemeinde Probleme mit der Handhabung der Gütergemeinschaft gab. Die Exposition dieser Perikope in den Vv.1–2 beschreibt die Ausgangslage: Das – bis zu diesem Zeitpunkt unerwähnt gebliebene – Ehepaar namens Hananias und Saphira verkauft einen 427 Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 65.89. Öhler hat die von Lukas als ideal dargestellte Gemeinde „im Spiegel des antiken Vereinswesens“ betrachtet und kommt zu dem Schluss, dass in der Darstellung des Lukas zwar für einen Verein wesentliche Elemente auftreten (Wohltäterschaft, Egalität, Mahl, Amtsträger), grundsätzlich aber eine „neue Form von Gemeinschaft“ präsentiert wird (ÖHLER, Urgemeinde, S. 415), die als Vorbild dienen soll. 428 Lukas hat mit der Gütergemeinschaft eine häufig in hellenistischer Literatur als Ideal bezeugte Vorstellung aufgenommen, um „einen sozialethischen Anspruch für seine Kirche“ zu begründen (HORN, Gütergemeinschaft, S. 383). 429 Die ausführliche Einführung hat ihren Grund darin, dass Barnabas im Verlauf der von Lukas erzählten Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde noch an großer Bedeutung gewinnt (Apg 9,27; 11,22.25.30; 12,25; 13,1f. etc.). Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 183.
258
3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
Acker (κτῆµα430) in gleicher Weise, wie es zuvor gerade bezüglich Barnabas (Apg 4,37) und auch anderen Gemeindegliedern geschildert worden war (Apg 2,45). Anders als die zuvor Genannten behält Hananias – mit Wissen seiner Frau – jedoch einen Teil des Geldes zurück, als er es vor die Füße der Apostel legt, gibt aber an, dass es sich um den gesamten Erlös handele (vgl. V.8). In den Vv.3–11 wird daraufhin die Konsequenz dieses Fehlverhaltens erörtert, wobei sich diese Erörterung in zwei Abschnitte gliedern lässt, da zunächst Hananias (Vv.3–6) und erst im Anschluss daran seine Frau Saphira (Vv.7–11) die Folgen seines bzw. ihres Handelns zu spüren bekommt. Nachdem das Ehepaar der Gemeinde einen Teil des Veräußerungserlöses vorenthalten hat, tritt Petrus als Vertreter und gleichsam ,Anwalt‘ der Gemeinde nacheinander Hananias und Saphira gegenüber und stellt die beiden zur Rede.431 Die beiden Abschnitte ähneln sich insofern, als dass jeweils der Vorwurf des Petrus an das Gegenüber beschrieben wird (Vv.3f.9), dass Hananias und Saphira beide als Konsequenz ihres Handeln nach den Vorhaltungen des Petrus sogleich sterben (Vv.5a.10a), dass sie von jungen Männern begraben werden (Vv.6.10b) und dass sich deshalb große Furcht ausbreitet bei allen, die davon erfahren (Vv.5b.11). Ein Unterschied in der Behandlung der beiden Eheleute durch Petrus zeigt sich allerdings in V.4a in Bezug auf Hananias und in den Vv.7f. in Bezug auf Saphira. Nur gegenüber Hananias macht Petrus deutlich, dass doch die Möglichkeit bestanden hätte, den Acker nicht zu verkaufen; und auch nach dem Verkauf wäre es noch möglich gewesen, den Erlös zu behalten (V.4a).432 Erst das Vorenthalten eines Teiles des Erlöses (V.3b) ist der Grund für die Anklage des Petrus. In den Vv.7f. zeigt sich sodann in der Auseinandersetzung des Petrus mit Saphira ein zusätzliches Element: Während Petrus ohne zu Zögern den Vorwurf des Betrugs an Hananias richtete, erfragt er zunächst bei Saphira, die vom Schicksal ihres Mannes noch keine Kenntnis hatte, ob das Ehepaar den Acker für den den Aposteln zu Füßen gelegten Geldbetrag verkauft habe. Die Tatsache, dass Saphira dies wahrheitswidrig versichert, erweist ihre Mitschuld an dem Vergehen433, so dass sie das gleiche Schicksal wie ihren Mann ereilt. Dies zeigt, dass die Anklage des Petrus neben dem als Begründung dienenden bloßen Zurückhalten eines Teiles des Geldes auch im Zusammenhang mit der wahrheitswidri-
430
Der Begriff κτῆµα („Besitz“) in Apg 5,1 wird hier von χωρίον (Vv.3.8) her als Acker identifiziert. 431 Es fällt auf, dass Lukas nicht erläutert, auf welche Weise Petrus von dem Fehlverhalten erfahren hat. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass an anderen Stellen (z.B. in der Erzählung vom Hauptmann Kornelius) ausführlich geschildert wird, wie Petrus zu Erkenntnis gelangte und ihm ein Auftrag erteilt wurde (Apg 10,9–23a). 432 Dies zeigt, dass die Praxis der Gütergemeinschaft auf Freiwilligkeit beruht. Vgl. PESCH, Apostelgeschichte 1, S. 199; FITZMYER, Acts, S. 323. 433 Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 249.
3.5 Die Verwerfung
259
gen Behauptung steht, es handele sich um den vollen Veräußerungserlös. Die Verfehlung des Ehepaares besteht demnach auch in seiner Heuchelei.434 Der Ausgangspunkt ihres Fehlverhaltens ist zwar der mit der Heuchelei gepaarte Verstoß gegenüber der christlichen Gemeinde hinsichtlich der gelebten Gütergemeinschaft. Diese den Tatbestand beschreibende Anklage steht allerdings in der Argumentation des Petrus gegenüber Hananias (Vv.3b–4a) nicht für sich alleine, sondern Petrus bettet sie in einen Rahmen (Vv.3a.4b) ein, in dem deutlich wird, dass das Vergehen des Hananias eine fundamentale Bedeutung für dessen Verhältnis zum Heiligen Geist hat, hat Hananias doch laut Petrus damit den Heiligen Geist (V.3a) belogen. In analoger vorwurfsvoller Weise fragt Petrus später Saphira, warum sie in Übereinstimmung mit ihrem Mann den Geist des Herrn versucht hat (V.9). Das Verhalten der die in Gütergemeinschaft lebende Gemeinde Hintergehenden wird demnach in beiden Fällen als ein Handeln gegen den Heiligen Geist gekennzeichnet. Die Tatsache, dass das gegen die Gemeinde gerichtete Verhalten auf den Geist bezogen wird, zeigt, dass der Heilige Geist nach Lukas die entscheidende Instanz darstellt, wenn es innerhalb der christlichen Gemeinde zu Widerstand kommt. Dies kann in zweifacher Hinsicht präzisiert werden: Zum einen zeigt die Erzählung von Hananias und Saphira, dass der Heilige Geist für das Innenleben der Gemeinde insofern wesentlich ist, als er die in ihr geltenden Regeln trägt und über ihre Einhaltung wacht. Innerhalb des lukanischen Doppelwerkes findet sich keine explizite Aussage darüber, wer das Leben in der Gütergemeinschaft angewiesen hat. Da der Heilige Geist bei dem Vergehen gegen die Gütergemeinschaft als Betroffener genannt wird, liegt es nahe, von einer Involviertheit des Heiligen Geistes auszugehen. Diese muss nicht im Sinne einer vom Geist ergangenen Anweisung aufgefasst werden, sondern kann verständlich werden von dem bereits erörterten Zusammenhang aus, dass der Geist die als Heilsgemeinschaft anzusehende christliche Gemeinde konstituiert. Wenn in dieser Gemeinschaft des Heiligen Geistes das Leben in Gütergemeinschaft gelebte Praxis war, gewann durch immer größere Beteiligung das Faktische eine normative Kraft. Die Regel der Gütergemeinschaft wurde auf diese Weise als dem Leben im Geist angemessen erkannt. Der Heilige Geist kann als ,Stifter und Bewahrer‘ dieser Regel angesehen werden. Deshalb entspricht das Akzeptieren und Einhalten der geltenden Regeln dem richtigen Verhalten als Glied der Heilsgemeinschaft435; andererseits kommt ein Vergehen gegen die Gemeinschaftsregeln einem Vergehen 434
Vgl. ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 94. In diesem Sinne ist der in Apg 15,29 bei D, (l , Ir1739mg.lat) bezeugte Zusatz des Handelns „im Heiligen Geist“ (πράξατε φερόµενοι ἐν τῷ ἁγίῳ πνεύµατι) zur Angabe über die Einhaltung der im Rahmen des Apostelkonzils verabschiedeten Regeln zu verstehen. Spätere Abschreiber haben dies hinzugefügt, weil sie die vom Geist angewiesenen Regeln (Apg 15,28) auch als im Geist zu vollführen ansahen. 435
260
3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
gegen den Geist gleich.436 So zeigt die Widerfahrnis des Ehepaares, dass der Heilige Geist für die christliche Gemeinde Maßstab des Handelns ist. Insofern ist der die Gemeinde konstituierende Geist nach Lukas auch in ethischen Fragen relevant, wobei sich dies im Fall von Hananias und Saphira anhand der Thematik von Besitz und Reichtum konkretisiert.437 In grundsätzlicher Weise macht Lukas folglich deutlich: Verhalten sich Glieder der christlichen Gemeinde gegen die vom Geist aufgegebenen Regeln, so bedeutet dies nicht bloß ein Missachten der und ein Zuwiderhandeln gegen die die Gemeinde tragenden Maßstäbe, sondern, weil diese von dem die Heilsgemeinschaft konstituierenden Geist aufgegeben sind, letztlich, dass sie Widerstand gegen den Heiligen Geist leisten. Aus diesem Widerstand folgt der Ausschluss aus der Gemeinde: Denn wenn das Handeln der einzelnen Glieder nicht der vom Geist getragenen Gemeinschaft entspricht, stellen sie sich außerhalb dieser Gemeinschaft. Eine daraus sich ergebene dramatische weitere Folge erschließt sich vor dem Hintergrund dessen, dass der Heilige Geist für die Glieder der christlichen Gemeinde Identitätsmerkmal ihrer Zugehörigkeit zum Gottesvolk ist. Schließen sich Gemeindeglieder durch ihren Widerstand gegen den Geist aus der Gemeinde aus, so verlieren sie auch ihre Geistbegabung. Durch den Verlust des Heiligen Geistes als ,identity marker‘ scheiden sie aus der Heilsgemeinschaft aus. Für Hananias und Saphira hat dies die drastische Konsequenz, dass sie sterben müssen. Die Perikope Apg 5,1–11 zeigt aber nicht nur, dass der Heilige Geist bei Widerstand innerhalb der Gemeinde die entscheidende Instanz ist, weil er die Heilsgemeinschaft konstituiert, sondern dass ein – freilich damit zusammenhängender – Grund darin besteht, dass der Heilige Geist die Gegenwart Gottvaters bzw. Jesu bei der Gemeinde gewährleistet. Dies wird bereits deutlich anhand der Bezeichnung des Geistes als πνεῦµα κυρίου (V.9). Das Geni436 Anders will Büchsel diese lukanische Darstellung abschwächen: Das Ehepaar habe lediglich den in Petrus wirkenden Geist betrogen, „nicht den Geist als solchen“ (BÜCHSEL, Geist Gottes, S. 250). Auch ERLEMANN, Unfassbar, S. 78 meint, das Vergehen von Hananias und Saphira bestände lediglich darin, die Geistbegabung des Petrus zu gering einzuschätzen und daher davon auszugehen, dass die Einbehaltung eines Teils des Geldes nicht entdeckt wird. 437 Dass Lukas die ethische Relevanz des Heiligen Geistes mit Zuspitzung auf den Umgang mit Besitz und Reichtum verdeutlicht, passt dazu, dass das Thema „Besitz und Reichtum“ bei dem auctor ad Theophilum generell eine große Rolle spielt. So werden immer wieder gerade die Reichen zu Umkehr, zum Zurücklassen und zum Teilen aufgerufen (z.B. Lk 3,10–14; 12,13–15.16–21.33; 14,33; 19,1–10). Insofern kann die auf den Besitz bezogene Habsucht als „die lukanische Ursünde“ bezeichnet werden (BOVON, Lukas 1, S. 175), gegen die die Warnung aus Lk 12,34 zentral ist: „Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein“. Hananias zeigt durch sein Verhalten, dass sein Herz am Besitz als seinem Schatz hängt und damit dem irdischen Bereich, nicht dem – als Ort Gottes anzusehenden – himmlischen Bereich verhaftet ist. Vgl. HAYS, Ethics, S. 215.
3.5 Die Verwerfung
261
tivattribut κυρίου kann sich im lukanischen Doppelwerk sowohl auf Jesus als auch auf Gottvater beziehen.438 Da der Heilige Geist zwar von Gottvater herkommt, aber von Jesus an seine Gemeinde vermittelt wird, kann das Attribut hier weder dem einen noch dem anderen eindeutig zugeordnet werden439, vielmehr wird dadurch die Herkunft des Heiligen Geistes von Gottvater über den Vermittler und Verwalter Jesus zum Ausdruck gebracht. Daher zeigt es die durch den Geist gegebene Beziehung zu Gottvater und Jesus an. Außerdem wird das Handeln gegen den Geist in den gegen Hananias gerichteten Petrusworten mit einem Handeln bzw. Lügen (vgl. ψεύδω in den Vv.3a.4b) gegen Gott (V.4b) gleichgesetzt. Deshalb kann Petrus die Tat des Hananias auch als ein vom Satan – als dem Gegenspieler Gottes – motiviertes Handeln kennzeichnen, der auf diese Weise explizit zum Gegenspieler des Geistes wird.440 Die den Vorwurf ausdrückende rhetorische Frage „Warum hat der Satan dein Herz erfüllt?“ wird in V.3a mit der Aussage verknüpft, daraus folge ein Belügen des Heiligen Geistes. Die Einnahme des Herzens des Hananias durch den Satan ist der Grund für das erfolgte – sowohl das Zurückbehalten eines Teils des Veräußerungserlöses als auch die Heuchelei beinhaltende441 – Fehlverhalten, denn nur so konnte diese Tat in Hananias Herzen Raum finden (V.4a). Die Glieder der christlichen Gemeinde sind als dem Gottesvolk Zugehörige mit dem Heiligen Geist begabt worden. Dieser Heilige Geist erfüllt sie und soll sie in die Beziehung zu Gottvater und Jesus stellen. Das Herz ist als der Ort anzusehen, an dem zunächst die Botschaft des Evangeliums Annahme gefunden haben muss, damit Glauben entstehen kann442 und sodann auch das Begehren, zur Heilsgemeinschaft hinzuzugehören. Wenn stattdessen der Satan das Herz erfüllt und den Menschen beherrscht443, bedeutet dies, dass der Satan den Heiligen Geist aus dem Menschen verdrängt, so dass dieser den Geist verliert.444 Mit dem Heiligen Geist verliert der entsprechende Mensch aber auch seine Beziehung zu Gottvater 438
Zur Entwicklung des Begriffs im Lukas-Evangelium s. I.1.1.2. Anders jedoch SCHNEIDER, Gott und Christus, S. 220, der es aufgrund derselben Wendung in Lk 4,18; Apg 8,39 eindeutig Gott zuordnen will. Das im Munde Jesu auftretende πνεῦµα κυρίου in Lk 4,18 ist zwar auf Gottvater zu beziehen, aber in Apg 8,39 ist ebenso wie hier in Apg 5,9 eine eindeutige Zuordnung weder möglich noch notwendig. 440 Vgl. HAENCHEN, Apostelgeschichte, S. 232. 441 Vgl. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 1, S. 374. 442 S. dazu I.3.3.1. 443 Vgl. FITZMYER, Acts, S. 323. 444 Eine Parallele zu diesem Ergehen von Hananias und Saphira ist in der Schilderung von Lk 22,3 zu sehen, nach der Judas, der als einer der zwölf Apostel Jesus an seine Gegner verriet, vom Satan erfüllt wurde. Anders als im Fall von Hananias und Saphira hat Judas den Heiligen Geist dadurch nicht verloren; er hatte den Geist, der erst an Pfingsten an die ersten Jesusanhänger verliehen wurde, gar nicht erst empfangen können, weil er wegen seiner Okkupation durch den Satan aus dem Jüngerkreis ausgeschlossen wurde und auf grausame Weise zu Tode kam. 439
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3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
und Jesus.445 Es ist dieser Zusammenhang, in dem das Todesschicksal des Ehepaares Hananias und Saphira als ,Gottesurteil‘446 zu verstehen ist. Diese Perikope von Hananias und Saphira zeigt, welche Konsequenzen der Widerstand gegen den Heiligen Geist für Glieder der Gemeinde Jesu hat, d.h. wozu innerer Widerstand führt. Die Bedeutung des Heiligen Geistes ergibt sich in diesem Zusammenhang daraus, dass der Geist die Jesusanhänger in eine Beziehung zu ihrer als Gottesvolk anzusehenden Gemeinde sowie zu Gottvater und zu Jesus stellt.447 Diese Beziehung wird gestört, wenn die Gemeindeglieder sich den in der Gemeinde geltenden Regeln durch ihr Verhalten widersetzen. Ihr dementsprechendes ethisches Verhalten stört ihr Verhältnis zum Heiligen Geist, weil sie damit dem Satan nachgeben. Der Satan hat an Stelle des Heiligen Geistes Besitz von ihrem Herzen genommen. Deshalb gehören sie nicht mehr zu der durch den Heiligen Geist bestimmten Gemeinschaft und haben ihre Beziehung zu Gottvater und Jesus verloren. Der Verlust dieser Beziehungen einschließlich des daraus resultierenden Heils ist Folge des sich aus ihrer ethischen Entscheidung ergebenden Widerstands gegen den Heiligen Geist. In diesem Sinne sind Hananias und Saphira selbst für ihren Tod verantwortlich. Viele Ausleger bemerken, dass die Todesstrafe für das von Hananias und Saphira verübte Vergehen zu rigoros und unangemessen sei.448 Besonders wird das Defizit herausgestellt, dass das Ehepaar keinerlei Chance auf Umkehr und Vergebung erhält. Der zweimalige Verweis auf die sich in der Gemeinde und ihrer Umgebung ausbreitende Furcht (Apg 5,5.11) weist jedoch darauf hin, dass diese Erzählung als ernst zu nehmende Warnung zu verstehen ist.449 Sie warnt alle Glieder der christlichen Gemeinde davor, die empfangene Gabe des Heiligen Geistes aufs Spiel zu setzen, indem dem Satan als des Geistes Gegenspieler Raum im Herzen gegeben wird.450 Ein solcher Widerstand gegen den Heiligen Geist hat für die sich bereits innerhalb der Gemeinde befindenden Personen unheilvolle Konsequenzen. Er führt zum Verlust des Heiligen Geistes und damit zur Verwerfung aus der Heilsgemeinschaft.
445
„Satan hält das Feld besetzt, das vom heiligen Geist erfüllt sein müsste: das Herz des gläubigen Menschen“ (MARGUERAT, Lukas, S. 258). 446 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 147; ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 246. 447 Vgl. auch SHEPHERD, Holy Spirit, S. 171. 448 Vgl. u.a. CONZELMANN, Apostelgeschichte, S. 45; ROLOFF, Apostelgeschichte, S. 96; ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 248; SCHMITHALS, Apostelgeschichte, S. 55f. 449 Vgl. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, S. 248–250; WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 146; auch VARGHESE, Spirit, S. 260. 450 Vgl. WEISER, Apostelgeschichte 1, S. 146.
Fazit: Die Gemeinde in Bedeutung, Konstitution und Entwicklung
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Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass und inwiefern der Heilige Geist nach Lukas im Hinblick auf die Verwerfung von Menschen die ausschlaggebende Rolle spielt. Dies betrifft zum einen diejenigen, die sich gegen die Evangeliumsbotschaft und die Zeugen Jesu stellen, und dadurch das Heilsangebot nicht annehmen. Ein solcher Widerstand durch Annahmeverweigerung, der sich also von außerhalb der Gemeinde regt, trifft nach lukanischer Darstellung den Heiligen Geist. Denn er bedeutet ein Widerstreben oder Lästern gegen den Geist. Eine Lästerung des Heiligen Geistes aber ist eine unvergebbare Sünde und bedeutet, dass die Möglichkeit der Aufnahme in die das Gottesvolk bildende christliche Gemeinde und damit die Chance auf das Heil durch dieses Handeln gegen den Geist vertan wird. Zum anderen kann sich ein solcher Widerstand gegen den Heiligen Geist auch von innerhalb der Gemeinde regen. An dem Fall von Hananias und Saphira wird deutlich, dass ein – im konkreten Fall auf ethischem Verhalten beruhendes – Zuwiderhandeln gegen den Heiligen Geist die Beziehung der Jesusanhänger zu der Gemeinde und zu Gottvater bzw. Jesus stört. Denn diese Beziehungen werden durch den Heiligen Geist konstituiert und getragen. Lassen sich Gemeindeglieder statt vom Heiligen Geist vom Satan einnehmen, führt dieser Widerstand letztlich zum Verlust des Geistes und des durch ihn verbürgten Heils. Ein solches Verhalten zieht sogar den Tod dieser Gemeindeglieder nach sich. Lukas stellt den Heiligen Geist demnach als eine Instanz dar, an der sich die Frage einer Verwerfung entscheidet. Dies gilt sowohl für diejenigen, die die Evangeliumsbotschaft gar nicht erst annehmen, als auch für diejenigen, die als Zugehörige zum Gottesvolk aufgrund ihres Fehlverhaltens diesen Status der Zugehörigkeit verlieren.
Fazit: Die Gemeinde Jesu in ihrer Bedeutung, Konstitution und geschichtlichen Entwicklung Fazit: Die Gemeinde in Bedeutung, Konstitution und Entwicklung
Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Heilige Geist für die Gemeinde Jesu in mehrfacher Hinsicht große Bedeutung gewinnt und dabei verschiedene Funktionen und Auswirkungen hat. Von Jesus als dem Vermittler und Verwalter des Geistes am Pfingsttag auf die Gemeinschaft der Jesusanhänger ausgegossen, spielt er fortan bei zahlreichen Begebenheiten eine maßgebliche Rolle. Dabei kommt zunächst die von Jesus ergangene zentrale Geist-Verheißung nach Lukas in der Weise zur Erfüllung, dass der Geist die Gemeinde zur Evangeliumsverkündigung befähigt, beauftragt und – insbesondere in bedrohlichen Situationen – mit der
264
3 Die Gemeinde Jesu und der Heilige Geist
nötigen Widerstandskraft ausstattet (vgl. Apg 1,8). Auch die zweite dem Heiligen Geist im Rahmen der Verheißung zugedachte Funktion (vgl. Apg 1,5) wird von Lukas ausführlich dargestellt: Der Heilige Geist ist entscheidend für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk, weil sich über die auf der Geisttaufe Jesu beruhende Geistbegabung das Gottesvolk neu definiert. In diesem Zusammenhang wird von Lukas immer wieder hervorgehoben, dass jeder, der zur christlichen Gemeinde als Heilsgemeinschaft gehören will, den Heiligen Geist erhalten muss, denn nur dieser Geist schafft, so die die Kontinuität zu Israel gewährende Verheißung, die Beziehung zu Jesus und dem damit verbundenen Heil. Aber auch die anderen Zusammenhänge, in denen der Heilige Geist auftritt, sind als Teil der Erfüllung der Geist-Verheißung Jesu anzusehen: So fügt sich die Ausrichtung und Ausbreitung der Mission an die Ermöglichung der Verkündigung an. Die Funktionsträger dienen ebenfalls zumeist dem Erhalt und der Fortführung der Verkündigung. Andererseits kann der Abschnitt über die Verwerfung den Darstellungen über die Zugehörigkeit zum Gottesvolk zugerechnet werden. Insgesamt zeigt sich, dass der Geist der Gemeinde zu ihrer Bedeutung verhilft als diejenige, die das in Jesus gegebene Heilsangebot in die Welt bringt und dieses als Heilsgemeinschaft auch repräsentiert. Damit sorgt der Geist durch die Gemeinde für die Weiterführung der Botschaft Jesu. Gleichzeitig haben die Ausführungen gezeigt, dass die Bedeutung des Geistes über die zunächst in Apg 1,5.8 verheißenen Funktionen hinausgeht. Sie entwickelt sich im Laufe der von Lukas erzählten Geschichte der christlichen Gemeinde in eine zweifache Richtung: Einerseits wird immer wieder deutlich, dass der Geist die Geschichte der Gemeinde vorantreibt und bestimmt. Dies ist besonders auffällig in seinen Eingriffen in Bezug auf die Mission, die erst durch den Geist zu den Heiden gelenkt wird sowie auch auf den Weg nach Europa und hier insbesondere in die damalige Welthauptstadt Rom. Das Wirken des Geistes bestimmt die geschichtliche Entwicklung der Gemeinde aber auch da, wo er für die Ausdifferenzierung der Funktionsträger- bzw. Ämterstrukturen – von den Aposteln bis hin zu den Ältesten – zuständig ist und damit den fortschreitenden und komplexer werdenden Anforderungen an die Gemeinde Jesu Rechnung trägt. Daneben zeigt die Rolle, die der Geist in Bezug auf die Funktionsträger spielt, an, dass der Geist ebenfalls für die Konstitution der Gemeinde in ihrem Innenleben sorgt: Der Heilige Geist bewirkt, dass sich die christliche Gemeinde festigt und Bestand haben kann. In diese konstituierende Sorge des Geistes für die Gemeinde fügt sich ein, dass der Geist gegen einen sich sowohl von außen wie von innen regenden Widerstand vorgeht und die Widerständler verwirft. In dieser Hinsicht bewirkt der Geist den Zusammenhalt der Gemeinde und garantiert ihre Einheit. Nur wer die dem Leben im Geist entsprechenden Regeln einhält, kann zur Heilsgemeinschaft gehören.
Fazit: Die Gemeinde in Bedeutung, Konstitution und Entwicklung
265
Die sehr vielfältigen Auswirkungen des Heiligen Geistes in der Gemeinde Jesu zeigen also, dass der Geist die Gemeinde in ihrer Bedeutung, Konstitution und ihrer geschichtlichen Entwicklung bestimmt. Dabei hat sich der Heilige Geist zusehends zu einem eigenständigen personalen Gegenüber der Gemeinde Jesu entwickelt, der die göttliche Autorität in all diesen Fragen gewährt, repräsentiert er doch die Gegenwart Gottvaters und Jesu für dessen Anhänger, kümmert sich um deren Geschick und steht ihnen in allen Belangen bei. Lukas zeigt die herausragende Stellung des Geistes in der und für die Gemeinde an. In diesem Sinne kann man in Anlehnung an Pokorný sagen: Nicht die Gemeinde, sondern der von Jesus gesandte und seine Gegenwart gewährleistende Heilige Geist „ist der Hauptakteur“451 dieser Epoche.
451
POKORNÝ / HECKEL, Einleitung, S. 484.
Fazit des I. Teils:
Das Konzept der lukanischen Pneumatologie. Der Heilige Geist als Garant des göttlichen Heilsplans Fazit des I. Teils
Die vorangehende Untersuchung hatte das Ziel, die Bedeutungsspektren des Heiligen Geistes innerhalb der lukanischen Theologie zu erschließen. Die zu diesem Zweck gewählte Aufteilung des von Lukas geschilderten Geistwirkens in drei aufeinanderfolgende Wirkungsepochen führte dabei in mehrfacher Hinsicht zu aufschlussreichen Ergebnissen. Es konnte gezeigt werden, dass der Heilige Geist nach lukanischer Darstellung in den drei Wirkungsepochen jeweils spezifische Funktionen und Auswirkungen hat, so dass jede Epoche auf ihre eigene Art und Weise durch das Wirken des Geistes bestimmt wird. So waltet der Heilige Geist zuerst im Gottesvolk Israel. Einerseits bereitet er dieses auf das in Jesus kommende Heil vor, andererseits zeigt er eine Veränderung im Gottesvolk-Verständnis an. Lukas macht durch die Rolle des Heiligen Geistes damit die vorrangige Stellung Israels zum Heil deutlich. Damit geht einher, dass der Heilige Geist in seiner Funktion an Johannes und auch an den gerechten Repräsentanten stets auf Jesus und das in ihm kommende Heil verweist und diese dadurch auf den Heilsbringer ausgerichtet werden. Auf diese Weise schafft der Heilige Geist auch den verbindenden Übergang hin zur Wirkungsepoche des Geistes, die Jesus betrifft. Daneben zeigt der im Gottesvolk Israel wirkende Heilige Geist an, dass das Verständnis dessen, was Gottesvolk heißen wird, sich verändern wird. Der Geist legitimiert, dass sich die Heilsgemeinschaft nicht mehr über Israel, sondern über den Geistträger Jesus definieren wird, wenn auch durch den Erfüllungszusammenhang die Kontinuität zu Israel gewahrt wird. Auf diese Weise wird das Gottesvolk Israel durch das Wirken des Geistes über Jesus hinaus mit der Wirkungsepoche der Gemeinde Jesu verbunden. Zunächst aber folgt als zweite Wirkungsepoche der Zeitraum des außergewöhnlichen Geistwirkens in Bezug auf Jesus. Dieses zeigt sich zum einen darin, dass Jesus der einzigartige Geistträger und damit der Heilsbringer ist. Zum anderen besteht Jesu einzigartiger Status darin, dass er Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes ist. Dieses in zweifacher Weise einzigartige Verhältnis Jesu zum Heiligen Geist stellt den Höhepunkt des von Lukas geschilderten Geistwirkens dar. Das wird auch daran deutlich, dass die Jesus zukommende auf den Geist bezogene Vermittler- und Verwaltertätigkeit
Fazit des I. Teils
267
bereits hinüber weist zur nächsten Wirkungsepoche und anzeigt, dass die Geistbegabung der Jesusanhänger stets eine von Jesus abhängige und daher an ihn und sein Wirken gebundene ist. Gerade deshalb aber spielt der Heilige Geist in der Gemeinde Jesu, seiner dritten Wirkungsepoche, eine so maßgebliche Rolle. So bestimmt der Geist in zweifacher Hinsicht die Bedeutung der Gemeinde: Weil der Heilige Geist den Jesusanhängern die Evangeliumsverkündigung ermöglicht, können sie für die Weitergabe seiner Botschaft sorgen und weil der Heilige Geist für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk entscheidend ist, bildet die christliche Gemeinde, bestehend aus Juden wie Heiden, die Heilsgemeinschaft. Hier kommt nun jene vorherbestimmte Veränderung des Gottesvolks zur Erfüllung, die der Heilige Geist in den Schriften Israels angelegt hatte, dabei gleichzeitig aber die Kontinuität des neu konstituierten Gottesvolkes zum Gottesvolk Israel und zu den an Israel ergangenen Verheißungen gewährt. Darüber hinaus lenkt der Heilige Geist die geschichtliche Entwicklung der Gemeinde, wenn er Mission und Schaffung neuer Funktionsträger vorantreibt. Außerdem ist der Heilige Geist in diesem Sinne auch für die Konstitution der Gemeinde zuständig, wozu auch gehört, dass er auf inneren und äußeren Widerstand reagiert. Insgesamt sorgt der Heilige Geist somit für den rechten Weg und die Einheit der Gemeinde in immer komplexer werdenden Umständen. Dabei ist der Heilige Geist in dieser Wirkungsepoche zu einer absolut herausragenden göttlichen Autorität geworden, die auch als eigenständiges Subjekt der Gemeinde in personaler Weise gegenüber tritt. Diese Zusammenfassung der Funktionen und Auswirkungen des Heiligen Geistes in den drei Wirkungsepochen verdeutlicht, dass die drei Epochen einerseits anhand des jeweiligen Neueinsatzes des Geistwirkens und der jeweils spezifischen Bedeutungen des Heiligen Geistes klar voneinander trennbar sind; andererseits sind die drei Epochen durch den Heiligen Geist miteinander verwoben und verweisen aufeinander. Mithilfe des Heiligen Geistes kann Lukas somit die von ihm erzählte Geschichte als Heilsgeschichte qualifizieren, die sich in den drei aufeinander folgenden Epochen vollzieht. Gleichsam als Garanten für diesen göttlichen Heilsplan sieht Lukas zu jeder Zeit den Heiligen Geist am Werk, ohne den dieser Heilsplan nicht zur Ausführung gekommen wäre. Denn schon in Bezug auf den Angelpunkt der Heilsgeschichte, den Heilsbringer Jesus, ist der Heilige Geist nach Lukas für dessen Sein und Wirken als Gottessohn und Christus ausschlaggebend. Auf diese heilsgeschichtliche „Mitte“1 sind dann auch die Funktionen des Geistes in den beiden diese Mitte umschließenden Wirkungsepochen ausgerichtet, wenn einerseits im Gottesvolk Israel alles Geistwirken auf das in Jesus kommende Heil und auf die darauf gründende Heilsgemeinschaft hinweist und 1
Auch CONZELMANN, Mitte, S. 158 hat in seiner Gliederung der lukanischen Heilsgeschichte in drei Epochen Jesus als die „Mitte der Heilsgeschichte“ gekennzeichnet.
268
I Die theologische Bedeutung des Heiligen Geistes bei Lukas
andererseits der Heilige Geist der Gemeinde Jesu exklusiv von Jesus gegeben und sie auf diese Weise in ihrem Stand als Gottesvolk und in ihrem Auftrag als Träger der Evangeliumsbotschaft ausgezeichnet wird. In beiden Fällen ist die Begabung mit dem Geist Ausweis der Erwählung zum Heil. Die erste und dritte Wirkungsepoche des Heiligen Geistes unterscheiden sich aber dadurch, dass der Geist im Gottesvolk Israel noch nicht der von Jesus vermittelte Geist ist, weil der Heilsplan noch nicht bis zur Einsetzung Jesu in seine Vermittlerund Verwaltertätigkeit fortgeschritten war, und deshalb auch nur in wenigen Fällen und ausschließlich in über die Epoche hinausweisender Form auftritt. In der Gemeinde Jesu besteht eine ausnahmslose Abhängigkeit des Heiligen Geistes von Jesu Vermittler- und Verwaltertätigkeit, aber der Heilige Geist wirkt gerade aus diesem Grund im neu konstituierten Gottesvolk auch in viel umfangreicherer Weise als im Gottesvolk Israel. Die Folge dieses umfangreichen Geistwirkens ist, dass die Gemeinde sich immer weiter fortentwickeln kann und in ihrem Bestand gefestigt wird. So macht Lukas deutlich, dass diese dritte Wirkungsepoche diejenige ist, in der der Heilige Geist seine größtmögliche Bedeutung entfaltet, weil er sich in der Gemeinde als in zahlreichen Belangen maßgebliche Autorität etabliert. Diese Aussage wird noch dadurch unterstützt, dass der Heilige Geist sich erst in der dritten Wirkungsepoche auch zu einem personalen Gegenüber entwickelt, so dass er in besonders direkter Weise Jesus und Gottvater gegenüber der Gemeinde vertritt. Es kann daher gesagt werden, dass der Heilige Geist nach lukanischer Darstellung zu diesem Zeitpunkt seine endgültige Bestimmung erreicht hat und damit der oben genannte göttliche Heilsplan zum Ziel gekommen ist. Insgesamt hat die erfolgte Untersuchung zu der theologische Bedeutung des Heiligen Geistes im lukanischen Doppelwerk gezeigt, dass man hier von einer lukanischen Pneumatologie sprechen kann, insofern ein deutliches Gesamtkonzept hinsichtlich der Bedeutung vom Heiligen Geist vorliegt, das Lukas im Rahmen seiner Theologie und insbesondere innerhalb seiner Darstellung der Heilsgeschichte darbietet. Ein weiteres Argument für das Vorliegen eines pneumatologischen Konzepts ist die Tatsache, dass Lukas sich durch die unterschiedlichen Wirkungsepochen hindurch bestimmter Geistphänomene bedient. Das bedeutet, dass hinter den innerhalb der drei Wirkungsepochen auftretenden thematisch orientierten Funktionen und Auswirkungen des Geistes ähnliche Phänomene und Bedeutungsgehalte mit dem Heiligen Geist verbunden werden, die in Form von Wirkweisen und Wesensvorstellungen wiederkehren. Dies gilt beispielsweise in der Hinsicht, dass der Heilige Geist an verschiedenen Stellen eine prophetische Wirkung hat oder dass sich nicht nur einmal mit seinem Empfang ein auszuführender Auftrag verbindet. Ebenso wird der Heilige Geist an vielen Stellen als ein Kraftphänomen definiert, an anderen Stellen wird er als personales Subjekt des Geschehens dargestellt.
Fazit des I. Teils
269
Die Beobachtung eines lukanischen Gesamtkonzepts vom Heiligen Geist und insbesondere auch die in den verschiedenen Wirkungsepochen wiederkehrenden Geistphänomene lassen vermuten, dass Lukas aus einem bestimmten Grund und mit einer bestimmten Intention so umfangreich und ausdifferenziert vom Geist redet. Deshalb ist der folgende II. Teil dieser Arbeit der Erforschung dieses Grundes und der Intention der lukanischen Pneumatologie gewidmet.
Teil II
Profilierung, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie – von den Traditionen zum Konzept II Profilierung, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie
In Teil I dieser Arbeit sind mittels der durchgeführten Exegesen zu den GeistBelegstellen im Lukas-Evangelium und in der Apostelgeschichte die Bedeutungsspektren des Heiligen Geistes innerhalb der lukanischen Theologie untersucht worden. Es konnte gezeigt werden, dass der Heilige Geist nach Lukas eine zentrale Rolle für drei verschiedene Wirkungsepochen spielt: für die Zeit des Gottesvolkes Israel, Jesu und der Gemeinde Jesu. Innerhalb dieser Wirkungsepochen konnten jeweils spezifisch sehr unterschiedliche Funktionen und Auswirkungen des Heiligen Geistes herausgestellt werden, so dass deutlich wurde, wie vielfältig und umfangreich der auctor ad Theophilum das Wirken des Heiligen Geistes schildert. Insgesamt hat die in Teil I durchgeführte Untersuchung gezeigt, dass innerhalb der lukanischen Theologie und hierin vor allem innerhalb der Darstellung der Heilsgeschichte ein Gesamtkonzept vom Heiligen Geist erkennbar ist, das den Geist als Garanten des göttlichen Heilsplanes kennzeichnet. Deshalb kann von einer lukanischen Pneumatologie gesprochen werden. Ein solches umfassendes Konzept vom Heiligen Geist, wie Lukas es in seinem Doppelwerk bietet, stellt innerhalb der im Neuen Testament vorhandenen erzählenden Schriften eine besondere Auffälligkeit dar1, denn nirgendwo sonst spielt der Geist in diesen Schriften eine so große Rolle. Diese Beobachtungen führen weiter zu der Frage, wie es dazu gekommen ist, dass Lukas so umfangreich und ausdifferenziert vom Geist redet. Das bedeutet, es ist zu erkunden, welchen Grund er für seine ausführliche Pneumatologie hatte und welche Intention er mit ihr verfolgte. Auf diese Weise soll dem genannten auffälligen Interesse des auctor ad Theophilum am Heiligen Geist in diesem II. Teil der Arbeit nachgegangen werden. Für diese Untersuchung kann eine in Teil I gemachte Beobachtung fruchtbar gemacht werden: Zwar sind in der lukanischen Darstellung die Funktionen und Auswirkungen des Heiligen Geistes innerhalb der drei Wirkungsepochen je nach thematischer Orientierung verschieden, aber dahinter werden ähnliche mit dem Heiligen Geist verbundene Phänomene und Bedeutungsgehalte in Form von Wirkweisen und Wesensvorstellungen erkennbar. Die von 1
S. dazu die bereits in der Einleitung dieser Arbeit erfolgten Ausführungen.
272
II Profilierung, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie
Lukas beschriebenen Funktionen und Auswirkungen des Heiligen Geist scheinen oft systematisch bzw. sogar schematisch vorgestellt.2 Dies lässt vermuten, dass die Wirkweisen und Wesensvorstellungen in den Wirkungsepochen in unterschiedlicher Ausprägung, jedoch in vergleichbarer Form vorkommen. Diese Vermutung, dass die lukanische Darstellung auf eine systematisierte Vorstellungswelt schließen lässt, kann durch eine entsprechende Anordnung geprüft werden. Eine solche Phänomenologie kann sich dann als für die Ermittlung des Grundes und der Intention hilfreich erweisen, denn von hier aus stellt sich die Frage, inwiefern Lukas diese Phänomene des Geistes aus den Traditionen, die ihn beeinflusst haben, übernommen bzw. sich an diese angelehnt hat. Denn Lukas steht in einem Kontext, in dem verschiedene Anschauungen von Geist bzw. πνεῦµα präsent sind. Dementsprechend sind die Geistvorstellungen aus den Lukas prägenden Traditionen in die Betrachtung miteinzubeziehen und es ist zu prüfen, inwiefern sich diese in den Geist-Aussagen des Lukas widerspiegeln. Vor dem Hintergrund dessen, was der Geistbegriff in diesen Traditionen bedeuten kann und welche Phänomene sich mit ihm verbinden, ist zu erschließen, aus welchem Grund es zu der ausdifferenzierten lukanischen Pneumatologie gekommen ist. Durch das Verständnis dessen, was die auf den auctor ad Theophilum einwirkenden Vorstellungswelten mit dem Geist verbinden, kann deutlich werden, warum Lukas den Geist für die Plausibilisierung bestimmter Aussagen nutzen konnte. Dabei ist zu beachten, dass das lukanische Doppelwerk an jüdische wie hellenistische Leserkreise gerichtet ist; denn die Frage nach der Intention der lukanischen Pneumatologie steht mit derjenigen nach dem Grund in Zusammenhang.3 Aufgrund dieser Überlegungen wird folgende Vorgehensweise gewählt, um Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie vor dem Hintergrund der maßgeblichen Traditionen zu erschließen: Zunächst ist es notwendig, die in der lukanischen Pneumatologie auftretenden Phänomene in Form von Wirkweisen und Wesensvorstellungen des Heiligen Geistes zu systematisieren. Denn nur von dem Ergebnis einer solchen Systematisierung aus kann der Vergleich zu den anderen Traditionen, die ebenfalls jeweils unterschiedliche Phänomene und Bedeutungsgehalte mit dem Geist verbinden, in angemessener Weise durchgeführt werden. Diese Wirkweisen und Wesensvorstellungen des Geistes bieten deshalb einen adä-
2
An manchen Stellen kann man sogar sagen, dass die Verwendung des Geistphänomens konstruiert anmutet. Dies wird z.B. deutlich bei der von Lukas redaktionell gestalteten Antrittspredigt, die – bewusst an den Anfang des öffentlichen Wirkens vorverlegt – die Geistbegabung Jesu mit der Salbung verbindet (Lk 4,18; vgl. die Aufnahme in Apg 10,38). 3 Grund und der Intention der lukanischen Pneumatologie stehen in einem so engen Zusammenhang und beeinflussen sich gegenseitig, dass sie nicht gesondert, sondern gemeinsam betrachtet werden sollen.
II Profilierung, Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie
273
quaten Ausgangspunkt, um vorhandene Anknüpfungspunkte der lukanischen Pneumatologie zu den anderen Geistvorstellungen aufzuzeigen. Sodann müssen die Geistvorstellungen der für das lukanische Doppelwerk in Frage kommenden Traditionen ermittelt werden. Es ist (mithilfe eines Überblicks, d.h. ohne umfangreiche Untersuchungen) zu fragen, welche Phänomene sich in den jeweiligen Traditionsbereichen mit dem Begriff „Geist“ verbinden. Dabei ist die in der Einleitung dieser Arbeit aufgezeigte Ausrichtung des lukanischen Doppelwerks, die sich vom alttestamentlich-jüdischen bis zum hellenistischen Bereich erstreckt, für die Definition dieser Traditionen ausschlaggebend. Zusätzlich ist die frühchristliche Tradition, von der Lukas herkommt, zu berücksichtigen. Nach dieser separaten Beschreibung der Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen wird es schließlich möglich sein, die Wirkweisen und Wesensvorstellungen der lukanischen Pneumatologie mit denjenigen der genannten Traditionen zu vergleichen. Dabei wird herausgestellt, an welche Phänomene und Bedeutungsgehalte des Geistes sich der auctor ad Theophilum anlehnt und wie er diese für seine Pneumatologie aufnimmt und gegebenenfalls transformiert. Von der vergleichenden Betrachtung der lukanischen Pneumatologie mit den maßgeblichen Traditionen ausgehend können abschließend als Ergebnisse des Vergleichs zweierlei Aussagen getroffen werden: Zum einen kann erörtert werden, inwieweit von einem spezifischen, lukanisch-christlichen Profil der gebotenen Darstellung des Heiligen Geistes gesprochen werden kann. Zum anderen kann die Frage nach Grund und Intention des auffällig ausgeprägten Konzepts der lukanischen Pneumatologie, die Anlass für die in diesem II. Teil der Arbeit durchzuführenden Untersuchung ist, beantwortet werden.
1 Die Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie Im Rahmen der lukanischen Pneumatologie treten hinter den verschiedenen, innerhalb der drei Wirkungsepochen thematisch orientierten Funktionen und Auswirkungen des Geistes immer wieder bestimmte Phänomene und Bedeutungsgehalte des Geistes auf. Es wird daher davon ausgegangen, dass Lukas sich zur Entwicklung seiner Pneumatologie eines bestimmten Spektrums an Geistphänomenen bedient hat, das systematisierbar ist. Deshalb werden im Folgenden die in der lukanischen Pneumatologie vorhandenen Phänomene des Geistes unter Zugrundelegung einer Unterteilung erläutert1, die sich auf fünf verschiedene Wirkweisen und zwei verschiedene Wesensvorstellungen erstreckt.2 Dabei wird mit der Darstellung der Wirkweisen begonnen werden, weil von da ausgehend die Wesensvorstellungen besser verständlich werden. Eine derartige Systematisierung der lukanischen Geistvorstellungen führt unweigerlich zu der Frage, ob Lukas von verschiedenen Geistern oder Geistertypen spricht. Deshalb wird im Anschluss an die Darstellung der unterschiedlichen Wirkweisen und Wesensvorstellungen der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern trotz dieser unterschiedlichen Phänomene von einer Einheit des Heiligen Geistes bei Lukas gesprochen werden kann.
1
Die Erläuterung kann sich darauf beschränken, die relevanten Ergebnisse der im I. Teil der Arbeit erfolgten exegetischen Untersuchungen zu nennen, ohne jeweils noch einmal in ausführlicher Form deren Herleitung aufzuzeigen. 2 Eine solche Systematisierung steht stets vor der Schwierigkeit, dass die Begriffe Wirkweise bzw. Wesensvorstellung nur jeweils einen Teil des Gesamtkomplexes abbilden können und ein vollständiges Bild des Heiligen Geistes bei Lukas erst entsteht, wenn alle Wirkweisen und Wesensvorstellungen zusammen betrachtet werden. Die lukanische Pneumatologie wird an dieser Stelle mit der Absicht systematisiert, den Vergleich mit den Geistvorstellungen der Lukas prägenden Traditionen durchführen zu können. Diese Systematik dient demnach als Ordnungsprinzip und will keine dogmatischen Überlegungen vermuten lassen.
276
1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
1.1 Die Wirkweisen des Geistes 1.1 Die Wirkweisen des Geistes
In der lukanischen Pneumatologie lassen sich fünf Wirkweisen des Geistes unterscheiden: Der Geist bewirkt eine besondere Auszeichnung der Geistbegabten, er regelt die Indienstnahme und ist für die Prophetie zuständig, außerdem stellt er ein lenkendes und ermächtigendes Element dar. Die systematisierende Erläuterung dieser Wirkweisen folgt daher dieser Unterscheidung. 1.1.1 Der Geist als besondere Auszeichnung Eine zentrale Wirkweise, die im lukanischen Doppelwerk mit dem Heiligen Geist verbunden ist, ist in dem Phänomen zu sehen, dass die Geistbegabten mit dem Geist eine besondere Auszeichnung erhalten haben, welche einen heraushebenden Charakter hat. Die Empfänger besitzen im Geist ein spezifisches Merkmal, das sie von denjenigen, die keinen Geist haben, abhebt. Eine solche durch den Geist gegebene besondere Auszeichnung setzt voraus, dass die Betroffenen in dauerhafter Weise mit dem Heiligen Geist begabt sind. Nach lukanischer Darstellung sind von einer solchen dauerhaften Geistbegabung innerhalb des Gottesvolkes Israels nur wenige Auserwählte betroffen: Als erster ist Johannes gemäß der an seinen Vater Zacharias ergangenen Verheißung in einzigartiger Weise bereits im Mutterleib mit dem Geist erfüllt worden (πνεύµατος ἁγίου πλησθήσεται ἔτι ἐκ κοιλίας µητρὸς αὐτοῦ) (Lk 1,15)3, was zur Folge hatte, dass Johannes aufgrund dieser bis zu diesem Zeitpunkt einzigartigen Form der dauerhaften Geistbegabung aus seinem Volk Israel herausragte. Insbesondere ist er auch der einzige Prophet Israels, der durch den vom Mutterleib an gegebenen Geist ausgezeichnet wurde. Der zweite Repräsentant des Gottesvolkes Israel, an dem der Geist in auszeichnender Weise wirksam wird, ist Simeon. Dieser ist als exzellenter gottgefälliger Vertreter seines Volkes dauerhaft mit dem Heiligen Geist begabt und dadurch auf das sich erfüllende Heil ausgerichtet. Diese Aussage ist aus der von Lukas gewählten Formulierungsweise herzuleiten: Mithilfe des durativen Imperfekts wird der Geist als auf Simeon ruhend beschrieben (πνεῦµα ἦν ἅγιον ἐπ’ αὐτόν) (Lk 2,25).4 Die Wirksamkeit des Geistes an Simeon wird an zwei weiteren Stellen geschildert5, wodurch die bleibende Geistbegabung unterstrichen wird. In dieser Hinsicht unterscheidet Simeon sich von anderen geistbegabten Repräsentanten des Gottesvolkes Israel wie beispielsweise Elisabeth und Zacharias, die nur punktuell zu einem bestimmten Zweck mit dem Geist erfüllt werden. 3
S. dazu I.1.1.1. S. dazu I.1.2.2. 5 Hier der Geist an Simeon im Hinblick auf die Erkenntnis des in Jesus geschenkten Heils zunächst offenbarend (Lk 2,26) und sodann führend (Lk 2,27). 4
1.1 Die Wirkweisen des Geistes
277
Nach lukanischer Darstellung ist es sodann Jesus, der in einer alle anderen dauerhaft Geistbegabten überragenden Weise mit dem Heiligen Geist ausgezeichnet ist. Bereits durch die Beteiligung des Geistes an Jesu Entstehen (Lk 1,35)6 ist dieser in seinem Wesen als Gottessohn vom Heiligen Geist bestimmt. Denn dieser Geist verankert Jesu Beziehung zu Gott, seinem Vater, in identitätsprägender Weise in Jesu Wesen. Durch seine redaktionelle Tätigkeit hat Lukas zudem dieses Bild der Geistträgerschaft Jesu deutlicher als seine Vorlagen gezeichnet und die Geistprägung dadurch als Wesensmerkmal Jesu unterstrichen.7 Dies wird u.a. daran explizit, dass Jesus der erste ist, dessen intensiveres Vollsein mit dem Heiligen Geist mit dem einen Zustand beschreibenden Adjektiv πλήρης ausgedrückt wird (Lk 4,1)8, während bei den anderen Geistbegabten das Verb πίµπληµι Verwendung findet. Dieser wesensbestimmende Geistbesitz hebt Jesus aus allen anderen heraus, wie vor allem bei einer Gegenüberstellung mit seinem Vorläufer Johannes gezeigt werden kann. Zu dem Jesus vom Geist gegebenen einzigartigen Status gehört nach Lukas ebenso, dass Jesus im Anschluss an seine Erhöhung noch einmal den Heiligen Geist empfängt (Apg 2,33)9, diesmal jedoch mit dem Zweck, diesen exklusiv an diejenigen zu vermitteln, die als seine Anhänger zu ihm gehören. Als Vermittler und Verwalter des Geistes ist Jesus demnach mit dem Geist besonders ausgezeichnet, weil diese Eigenschaft nur ihm zukommt (vgl. Lk 3,16; Apg 1,5; 11,16). Aufgrund dieser Geist-Auszeichnung Jesu wird der Heilige Geist nach Jesu Himmelfahrt seinen Anhängern zuteil und bestimmt sie als diese. Dadurch wird der Heilige Geist nun zum besonderen Merkmal derer, die zu Jesus gehören und damit in die Heilsgemeinschaft aufgenommen sind (Apg 1,5; 11,16). Weil der Geist anzeigt, wer zur Gemeinde Jesu gehört, müssen alle Gemeindeglieder mit dem Geist erfüllt werden (πίµπληµι) (Apg 2,4; 9,17) oder den Geist empfangen (λαµβάνω) (Apg 2,38; 8,15.17.19; 10,47; 19,2) bzw. er muss ihnen gegeben werden (δίδοναι) (Apg 5,32; 8,18; 15,8), auf sie fallen (ἐπιπίπτω) (Apg 10,44; 11,15), ausgegossen werden (ἐκχέω) (Apg 2,17f.; 10,45) oder auf sie kommen (Apg 19,6). Lukas widmet der Darstellung dieser für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk notwendigen Geistbegabung einige Perikopen, so dass der Geist als Identitätsmerkmal und Gruppenzugehörigkeitszeichen der Gemeinde Jesu stark hervortritt.10
6
S. dazu I.2.1.1. Auf die redaktionelle Tätigkeit des Lukas gehen die Hinweise auf die Geistträgerschaft Jesu in Lk 1,35; 4,1a.14.18; 10,21; Apg 10,38 zurück. 8 S. dazu I.2.1.3. 9 S. dazu I.2.2.1. 10 S. dazu I.3.3; I.3.5. 7
278
1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
1.1.2 Die Indienstnahme durch den Geist Im lukanischen Doppelwerk verbindet sich mit dem Empfang des Heiligen Geistes in mehreren Fällen ein auszuführender Auftrag oder gar ein Amt. Deshalb stellt die Indienstnahme durch den Geist eine wichtige Wirkweise des Geistes dar. Besonders hervorzuheben ist in dieser Hinsicht die spezifisch lukanische Aussage von der Geistsalbung Jesu (Lk 4,18; Apg 10,38)11: Mithilfe des alttestamentlichen Zitats aus Jes 61,1 hat Lukas die Geistträgerschaft Jesu mit der Salbung (χρίω) und der damit ausgedrückten göttlichen Beauftragung als Gesalbter bzw. Christus (χριστός) verbunden. Deren Zweck besteht in den heilbringenden Taten, wobei sowohl Jesu Verkündigungstätigkeit (Lk 4,18f.) als auch seine Wundertätigkeit (Apg 10,38), also die gesamte Wirksamkeit des Christus, auf den Heiligen Geist zurückgeführt wird. Zudem hat Lukas auch die Perikope von der Taufe Jesu solchermaßen redaktionell bearbeitet, dass Jesus durch die bei diesem Ereignis erfolgende sichtbare Herabkunft des Geistes in sein Amt eingesetzt und sein heilbringendes Wirken ,aktiviert‘ wird (Lk 3,22)12, auch wenn ihm dieses Amt infolge seiner Geistprägung schon von Beginn seiner Existenz an zukommt. Mittels seiner ihn fundamental bestimmenden Geistbegabung ist Jesus von Gott in Dienst genommen worden, denn der Geist ist der Grund dafür, dass Jesus der verheißene Heilsbringer ist. Bedeutend wird das Phänomen der Indienstnahme durch den Geist vor allem in Bezug auf die Gemeinde Jesu. Es hat sich gezeigt, dass der Heilige Geist bei der Auswahl und Einsetzung verschiedener Funktionsträger13 eine Rolle spielt, wobei diese in Funktion setzende Wirkweise des Geistes sich verschieden äußern kann: So wirkt er an Jesus, als dieser die Apostel auswählt (Apg 1,2; vgl. Lk 6,12). Die Apostel setzen zur Ausübung des Tischdienstes bestimmte Personen als Armenpfleger ein, die der Geist mit der dazu notwendigen Fähigkeit ausgestattet hatte (Apg 6,3.5). Schließlich werden die Missionare und Ältesten direkt vom Heiligen Geist für ihre Aufgabe ausgewählt und in ihr Amt berufen (Apg 11,24; 13,2.4.9; 20,28). Sowohl bei den Armenpflegern als auch bei dem Missionar Barnabas wird die vom Geist gegebene besondere Befähigung dieser Funktionsträger durch das mithilfe des Adjektivs πλήρης ausgedrückte intensive Vollsein mit dem Geist offenbar; dieses stellt eine Steigerung gegenüber der allen Gemeindegliedern als besondere Auszeichnung zukommenden dauerhaften Geistesgabe (πίµπληµι) dar. In all diesen Fällen, in denen dem Geist eine indienstnehmende Wirkweise zukommt, dient dieses Geistwirken der Autorisierung der Funktionsträger.
11
S. dazu I.2.1.4. S. dazu I.2.1.2. 13 S. dazu I.3.4. 12
1.1 Die Wirkweisen des Geistes
279
1.1.3 Der prophetische Geist Eine weitere wichtige Wirkweise des Heiligen Geistes im lukanischen Doppelwerk ist die der Prophetie. Die prophetische Wirkweise umfasst einen weiten Bereich; dieser erstreckt sich von der Fähigkeit zur Weissagung14 über die Offenbarung bis hin zur Entrückung. Diese durch den Geist hervorgerufenen prophetischen Elemente treten zunächst stark hervor bei den geistbegabten Repräsentanten des Gottesvolks Israel.15 So werden Elisabeth und Zacharias punktuell vom Geist erfüllt (πίµπληµι), um einen prophetischen Lobpreis anzustimmen (Lk 1,41f.) oder um zu weissagen (προφητεύω) (Lk 1,67). Simeon erhält eine ihn betreffende geistgewirkte Offenbarung (Lk 2,26). Schließlich ist auch die Tatsache, dass der Heilige Geist in Apg 1,16; 4,25; 28,25 als Ursprung der Schriftworte gekennzeichnet ist, auf den prophetisch agierenden Geist zurückzuführen.16 Es ist auffällig, dass die prophetische Wirkweise des Geistes nach Lukas die auf das Gottesvolk Israel bezogene Wirkungsepoche in äußerst umfangreichem Maße bestimmt. Anschließend schildert Lukas die prophetische Wirkweise des Geistes erst wieder in Bezug auf die entstehende christliche Gemeinde.17 Bezüglich des ,Berufspropheten‘ Agabus wird explizit erwähnt, dass er durch den Geist in den Besitz seiner prophetischen Fähigkeiten gelangt ist. So weissagt er (Apg 11,28) oder verkündigt eine ihm durch den Geist gegebene Erkenntnis (Apg 21,11). Auch bei anderen Gliedern der ersten christlichen Gemeinde, die nicht explizit als Propheten bezeichnet werden, zeigen sich durch den Geist bewirkte prophetische Phänomene. So sieht Stephanus im Geist den Himmel offen (Apg 7,55). Die Jünger in Tyrus sprechen eine durch den Geist bewirkte Warnung an Paulus und seine Begleiter aus, nicht nach Jerusalem zu gehen (Apg 21,4), und der Geist offenbart Paulus die diesem bevorstehenden Fesseln und Bedrängnisse (Apg 20,23). Eine besondere Form der prophetischen Wirkweise stellt die durch den Geist erfolgte Entrückung des Philippus dar (Apg 8,39). 1.1.4 Der lenkende Geist Außerdem ist innerhalb der lukanischen Pneumatologie das Phänomen der Lenkung oder Führung durch den Geist zu finden. Schon im Gottesvolk Israel sorgt der Heilige Geist bei Simeon (Lk 2,27) dafür, dass dieser zum rechten Zeitpunkt in den Tempel kommt, so dass er 14 Der Aspekt der Fähigkeit zur Weissagung kann umgekehrt als Ausweis der Geistbegabung der Jünger angesehen werden (Apg 19,6). 15 S. dazu I.1.2. 16 S. dazu I.1.3. 17 S. dazu I.3.4.3; I.3.2.1.
280
1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
dort auf das Jesuskind und seine Eltern treffen kann, die in den Tempel gegangen waren, um das bei der Erstgeburt fällige Opfer darzubringen (V.27b; vgl. Vv.22-24.39). Durch die Führung des Geistes ist es Simeon möglich, in Jesus das von Gott verheißene Heil zu sehen.18 In lenkender Weise wirkt der Geist außerdem, wenn er Jesus während der Zeit der Versuchung in der Wüste führt (ἤγετο ἐν τῷ πνεύµατι ἐν τῇ ἐρήµῳ) (Lk 4,1). Jesus wird von ihm gelenkt, um gegen den Teufel Widerstand zu leisten und damit verbunden die ihm zukommende Gottessohnschaft zu bewähren.19 Sodann hat der Heilige Geist in starkem Maße innerhalb der Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde eine lenkende Wirkweise inne.20 Diese spielt eine große Rolle in den Begebenheiten, in denen sich die durch die Gemeinde erfolgende Missionstätigkeit in dem Sinne erweitert, dass auch die Heiden zu ihrem Adressatenkreis zählen. Sowohl in der Erzählung von der Evangeliumsverkündigung des Philippus an den äthiopischen Kämmerer als auch in der Perikope von der Bekehrung des heidnischen Hauptmanns Kornelius durch Petrus ist es die Lenkung durch den Geist (Apg 8,29.39; 10,19; 11,12), die diese neue Ausrichtung der Missionstätigkeit bewirkt. Anschließend agiert der Geist auch in lenkender Weise bei der Frage nach der gebietsmäßigen Ausbreitung der Mission nach Europa (Apg 16,6.7) und sogar in die Welthauptstadt Rom (Apg 20,22; vgl. 19,21). Dabei wird deutlich, dass diese führende Wirkung des Geistes im Zusammenhang mit einem dahinterstehenden göttlichen Heilsplan steht. Lukas kennzeichnet den Heiligen Geist als den, der für die Ausführung dieses Heilsplans verantwortlich ist. 1.1.5 Der ermächtigende Geist Die nach der hier zugrunde gelegten Systematik letzte häufig auftretende Wirkweise des Geistes in der lukanischen Pneumatologie ist die Ermächtigung oder Stärkung der Geistempfänger zum Vollbringen bestimmter Taten. Diese Wirkweise wird zunächst bei dem Täufer Johannes ersichtlich, der nach Lk 1,15.17 mit dem Heiligen Geist, der in V.17 durch die Parallelisierung mit δύναµις als Kraftphänomen beschrieben wird21, zur Wahrnehmung seiner prophetischen Aufgabe in der Nachfolge des Elia ausgestattet worden ist. Wird anhand der genannten Belege schon deutlich, dass der Geist für Johannes eine Art ,Ausrüstung‘ ist, so wird diese Aussage zur Geistbegabung anschließend in Lk 1,80 fortgeführt.22 Laut dieser summarischen Notiz mit 18
S. dazu I.1.2.2. S. dazu I.2.1.3. 20 S. dazu I.3.2. 21 S. dazu II.1.2.1. 22 S. dazu I.1.1.1. 19
1.1 Die Wirkweisen des Geistes
281
der einzigartigen Wendung ἐκραταιοῦτο πνεύµατι musste Johannes erst durch den Geist erstarken, bevor er seinen Auftrag für Israel ausführen konnte. Das ermächtigende Phänomen des Heiligen Geistes wird von Lukas auch in Bezug auf die Wirksamkeit Jesu ausdrücklich erwähnt: In dem an die lukanische Versuchungsgeschichte (Lk 4,1–13) anschließenden Summarium (Lk 4,14) wird durch einen redaktionellen Zusatz gegenüber der MarkusVorlage (Mk 1,14a) betont, dass Jesus nach bestandener Versuchung ἐν τῇ δυνάµει τοῦ πνεύµατος („in der Kraft des Geistes“) nach Galiläa zurückkehrt.23 Die vorliegende Genitivverbindung δύναµις τοῦ πνεύµατος weist den im Genitivus subiectivus stehenden Geist als Auslöser der Kraft Jesu bzw. die Kraft als eine Auswirkung des Jesus prägenden Geistes aus. Diese ermächtigende Wirkweise des Heiligen Geistes zeigt sich explizit in Bezug auf Jesu Handeln erst nach der bestandenen Versuchung, denn durch die Bewährung ist offenbar geworden, wie diese Macht des Geistes vom Gottessohn Jesus einzusetzen ist, da dieser in der Beziehung zu Gott, seinem Vater, verbleibt und seine Wunderkraft nicht um seiner selbst willen einsetzt. So ist Jesus nun bereit, seine öffentlichen Wirksamkeit zu beginnen und in seiner Antrittspredigt auszuführen, zu welchen heilend-wohltätigen Taten der Geist ihn ausstattet und ermächtigt (Lk 4,16–21). Auch für die Gemeinde Jesu wirkt sich der Geist in Bezug auf ihren von Jesus erhaltenen Auftrag zur Evangeliumsverkündigung kräftigend und stärkend aus. Dies ist bereits Inhalt der von Jesus ergehenden zentralen GeistVerheißung an die Seinen: λήµψεσθε δύναµιν ἐπελθόντος τοῦ ἁγίου πνεύµατος ἐφ’ ὑµᾶς („Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der über euch kommen wird“). Demnach wird die Zusage des Geistempfangs an die Jesusanhänger verbunden mit dem Versprechen, dass diese Mitteilung des Geistes, der hier den Genitivus subiectivus bildet, zur Ausstattung mit δύναµις führen wird (Apg 1,8; vgl. Lk 24,49).24 Der Geist wird ihnen also u.a. als Grundausstattung verheißen, damit er sie mit der zur Ausführung ihres Zeugenauftrags notwendigen Macht und Kraft ,ausrüstet‘. Am Pfingsttag erfüllt sich diese Verheißung, indem die versammelten Jesusanhänger durch die Herabkunft des Heiligen Geistes dazu ermächtigt werden, ihrem Auftrag zur Evangeliumsverkündigung auch in fremden Sprachen nachzukommen (Apg 2,4). Die Erfüllung der Verheißung zeigt sich darüber hinaus im Laufe der Apostelgeschichte anhand der Berichte von einzelnen Missionaren, die mit Hilfe des Heiligen Geistes (auch in schwierigen Situationen bzw. sogar gegen massiven Widerstand) zum Zeugnis für Jesus befähigt werden (Apg 4,8; 6,10; 18,25) oder auch dort, wo der Geist der Gemeinde den Frei-
23 24
S. dazu I.2.1.3. S. dazu I.2.2.2.
282
1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
mut (παρρησία) zum Verkündigen selbst gegen ein diesbezügliches Verbot schenkt (Apg 4,31).25
1.2 Die Wesensvorstellungen des Geistes 1.2 Die Wesensvorstellungen des Geistes
Im Zuge der im I. Teil dieser Arbeit durchgeführten Exegesen zum Heiligen Geist im lukanischen Doppelwerk ist erkennbar geworden, dass innerhalb der lukanischen Pneumatologie unterschiedliche Wesensvorstellungen hinsichtlich des Geistes bestehen. Der Geist ist entweder eine Kraft, die gelegentlich auch als materiell oder substanzhaft beschrieben wird, oder er kann als personales Gegenüber auftreten. 1.2.1 Der Geist als Kraft und Substanz In der Mehrzahl der Belege im lukanischen Doppelwerk wird der Heilige Geist als ein Kraftphänomen beschrieben. Dies wird an den Stellen am deutlichsten, an denen die Begriffe Geist (πνεῦµα) und Kraft (δύναµις) synonym gebraucht bzw. interpretierend zusammengestellt werden (Lk 1,17.35; 24,49 par. Apg 1,5.8; Apg 10,38). Daher wird zunächst exemplarisch auf die Stellen, an denen der Geist durch die Beschreibung als δύναµις eindeutig als Kraft identifiziert wird, eingegangen, bevor dann weitere Formen der Beschreibung des als Kraft vorgestellten Geistes dargelegt werden. Die häufige Parallelisierung mit δύναµις, die an den oben genannten und damit vor allem spezifisch lukanischen Stellen auftritt, erlaubt es zudem, für die hier erörterte Wesensvorstellung den deutschen Begriff „Kraft“ zu verwenden. Die erste Parallelisierung des Geistes mit dem Begriff δύναµις findet sich in Lk 1,17 innerhalb der Ankündigung der Wirksamkeit Johannes des Täufers durch den Engel Gabriel (Lk 1,15–17).26 In diesem Vers wird verheißen, dass Johannes seine Aufgabe, sein Volk durch den Ruf zur Umkehr auf das Kommen Gottes vorzubereiten, ἐν πνεύµατι καὶ δυνάµει Ἠλίου („im Geist und in der Kraft Elias“) wahrnehmen wird.27 In V.17 sind die Begriffe πνεῦµα und δύναµις durch καί derart aneinandergereiht, dass sie als gleichwertige Substantive verbunden sind. Sowohl das der Verbindung vorausgehende ἐν als auch das folgende Genitivattribut Ἠλίου müssen sich auf beide Begriffe beziehen. Somit bilden πνεῦµα und δύναµις ein Hendiadyoin, das man auch mit „Geisteskraft“ übersetzen kann. Dieser explizit als Kraft gekennzeichnete 25
Auf die durch den Geist erfolgende Kräftigung wird anschließend in Apg 4,33 mittels der Nennung der δύναµις, die die das Evangelium bezeugenden Jesusanhänger prägt, hingewiesen. 26 S. dazu I.1.1.1. 27 Der Geist wird hier in V.17 zwar als der Geist des Elias bezeichnet, ist aber durch den Bezug zu V.15 und 2. Kön 2,5.9 eindeutig als Heiliger Geist zu verstehen.
1.2 Die Wesensvorstellungen des Geistes
283
Heilige Geist wird von Lukas mithilfe des freieren Dativus sociativus / modi (ἐν πνεύµατι καὶ δυνάµει) als der Umstand oder die ,Begleitung‘ beschrieben, in dem Johannes seinen Auftrag als Wegbereiter des Herrn wahrnehmen wird. Die bereits in Lk 1,15 erfolgte Erwähnung des Heiligen Geistes, auf die V.17 bezogen ist und die diesen Geist als Johannes in besonderer Weise prägende Begabung darstellt, beinhaltet die Angabe πίµπλαµαι (ἐκ κοιλίας µητρός) („erfüllt sein (vom Mutterleib an)“), die zeigt, dass der Heilige Geist als Kraftphänomen dadurch charakterisiert wird, dass er Menschen wie Johannes erfüllen kann, so dass sie dann in diesem Geist ihre Wege gehen und ihre Taten vollbringen. Die in der Abfolge des Lukas-Evangeliums nächste Parallelisierung von πνεῦµα und δύναµις tritt in Lk 1,35 auf.28 Nachdem der Engel Gabriel der Maria die Geburt eines Sohnes angekündigt hat, beantwortet er ihre Frage, wie die Schwangerschaft ohne Mann und daher auf übernatürlichem Weg zustande kommen soll, mit den Worten: Πνεῦµα ἅγιον ἐπελεύσεται ἐπὶ σὲ καὶ δύναµις ὑψίστου ἐπισκιάσει σοι („Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“). Innerhalb des synonymen Parallelismus dieser ersten beiden Versteile entsprechen sich πνεῦµα ἅγιον und δύναµις ὑψίστου. Hier wird der als Kraft des Höchsten bezeichnete Heilige Geist als für die Schwangerschaft der Maria und damit für das Entstehen ihres Kindes ausschlaggebend beschrieben. Auch wenn die die Tätigkeit des Geistes beschreibenden Verben als unspezifisches „überkommen“ (ἐπέρχοµαι) und „überschatten“ (ἐπισκιάζω) den genauen Vorgang im Geheimnisvollen und Wunderbaren belassen, kann aufgrund des Sinnzusammenhangs mit V.34 kein Zweifel bestehen, dass Lk 1,35 einen die natürliche Zeugung ersetzenden göttlichen Vorgang unter der Beteiligung des Heiligen Geistes beschreibt. Allerdings macht Lukas in diesem Zuge gleichzeitig dadurch, dass er den Heiligen Geist mit δύναµις parallel setzt, deutlich, dass es sich bei dem Geist an dieser Stelle nicht um ein personales göttliches Wesen handelt, das in körperlichem Sinn in sexueller Vereinigung an dem Vorgang beteiligt ist. Die Unterscheidung zwischen dem Geist als Kraftphänomen und dem Geist als personalem Gegenüber ist an dieser Stelle für die Aussageabsicht des Autors des lukanischen Doppelwerks demnach besonders wichtig. Aufgrund dieser Beteiligung des Heiligen Geistes an Jesu Entstehen ist Jesus fortan sowohl in seinem Wesen als auch in seiner Wirksamkeit auf fundamentale Weise vom Heiligen Geist geprägt. In diesem Punkt ist besonders hervorzuheben, dass Lukas den an Jesus wirkenden Heiligen Geist stets als Kraft und nie als personales Gegenüber beschreibt. Dies kann vor allem anhand des Einleitungsverses der Versuchungsperikope Lk 4,129 verdeutlicht 28 29
S. dazu I.2.1.1. S. dazu I.2.1.3.
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1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
werden: Lukas hat an dieser Stelle zwar die Information, dass Jesus vom Geist in die Wüste gebracht wurde, aus der Markus-Vorlage (Mk 1,12) übernommen, er hat aber den Markustext so geändert, dass der Geist nicht wie bei Markus Subjekt des beschriebenen Vorgangs und damit ein Gegenüber Jesu ist, das ihn geradezu in die Wüste hinauswirft. Stattdessen betont Lukas durch die den freieren Dativus sociativus / modi gebrauchende Formulierung ἤγετο ἐν τῷ πνεύµατι („er wurde im Geist geführt“) (V.1b), dass der Geist als eine an Jesus wirkende Macht oder Kraft vorgestellt werden muss. Dieser Geist bestimmt ihn zwar, aber nicht so, dass er ihn beherrscht, sondern Jesus selbst bleibt Herr über das Geschehen und damit auch über den Geist. Im Übrigen fällt in dem auf die redaktionelle Tätigkeit des Lukas zurückgehenden 1. Teilvers von Lk 4,1 zum ersten Mal im lukanischen Doppelwerk die Wendung πλήρης πνεύµατος ἁγίου („voll des Heiligen Geistes“), die Jesu dauerhafte Geistbegabung beschreibt. Auch ein solches Vollsein vom Heiligen Geist setzt den Gedanken des Geistes als Kraft voraus. Explizit als Kraft bezeichnet wird der in Bezug auf Jesus wirkende Heilige Geist noch einmal in Apg 10,38.30 In diesem aus einer der die Apostelgeschichte prägenden Missionsreden stammenden Vers wird innerhalb des Jesus-Kerygmas hervorgehoben, dass Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft: ἔχρισεν αὐτὸν ὁ θεὸς πνεύµατι ἁγίῳ καὶ δυνάµει. Die Rede von der Salbung bringt in alttestamentlicher Begrifflichkeit die Beauftragung Jesu als Christus durch Gott zum Ausdruck und nach Lukas ist für diesen Auftrag Jesu – wie auch in Lk 4,18 deutlich wird – der Heilige Geist entscheidend, denn mit ihm ist Jesus zum Zweck der Wahrnehmung seiner Aufgabe begabt. In Bezug auf das in der genannten Formulierung verwendete Verb χρίω („salben“) stellt der den Dativus instrumentalis bildende Heilige Geist gewissermaßen das ,Material‘ bzw. die ,Materie‘ dar, mit dem Jesus gesalbt worden ist. Dies weist auf eine deutlich gegenständliche Vorstellung hin. Deshalb verwundert es nicht, dass dem Heiligen Geist an dieser Stelle durch καί das Substantiv Kraft beigeordnet ist, was im Hendiadyoin den Geist explizit als Kraftphänomen ausweist. Eine weitere ausdrückliche Kombination von πνεῦµα und δύναµις betrifft die Geistbegabung der Gemeinde Jesu. Die letzten Worte des auferstandenen Jesus unmittelbar vor seiner Himmelfahrt verheißen seinen Anhängern die Verleihung des Heiligen Geistes. Lukas schildert diese Verheißung zweimal, sowohl als Abschluss des Lukas-Evangeliums (Lk 24,47–49) als auch zu Beginn der Apostelgeschichte (Apg 1,3–8), und verwendet dabei zur Bezeichnung des Geistes in Apg 1,5.8 den Begriff πνεῦµα31, an der Parallelstel30
S. dazu I.2.1.4. Zu der die ermächtigende Wirkweise ausdrückenden Wendung δύναµις τοῦ ἁγίου πνεύµατος in Apg 1,8, die ebenfalls im δύναµις-Begriff in Lk 24,49 mitgemeint ist, s. II.1.1.5. 31
1.2 Die Wesensvorstellungen des Geistes
285
le Lk 24,49 jedoch den Begriff δύναµις.32 Diese parallele Verwendungsweise identifiziert den Geist als Kraftphänomen, das der Gemeinde Jesu nach seinem Abschied gegeben werden soll. Wenn in diesem Zusammenhang in Apg 1,5 von der Geisttaufe die Rede ist, so geschieht diese in bzw. mit (ἐν) dem Heiligen Geist als dasjenige ,Material‘, was durch die Taufe den Empfängern vermittelt wird (vgl. Lk 3,16; 11,16), wie es schon bei der Rede vom Salben der Fall war. Die in Apg 1,8 gewählten Formulierungen „empfangen“ (λαµβάνω) und „überkommen“ (ἐπέρχοµαι) unterstreichen, dass es sich bei diesem den Jüngern verheißenen Geist um ein Kraftphänomen handelt. Nach Lk 24,49 befiehlt der Auferstandene den versammelten Jüngern vor seiner Himmelfahrt, in der Stadt zu bleiben, bis sie mit der ἐξ ὕψους δύναµις („Kraft aus der Höhe“) eingekleidet werden. Der Zusatz „aus der Höhe“ kennzeichnet den Geist als ein Kraftphänomen, das aus dem Bereich Gottes kommt. Außerdem beschreibt in Lk 24,49 das nur an dieser Stelle metaphorisch gebrauchte Verb ἐνδύοµαι („einkleiden“) die Widerfahrnis der Jünger mit dem Geist als etwas Bekleidendes, Einnehmendes, Ausrüstendes, als ganz umfangende und prägende Hülle – eine Ausdrucksweise, die die Vorstellung des Geistes als Kraft unterstützt. Darüber hinaus gibt es zwei Stellen33, an denen der Geist mit δύναµις bezeichnet wird, ohne dass ein parallelisierender Gebrauch von πνεῦµα vorliegt. In Lk 5,17 wird dargestellt, dass die δύναµις κυρίου auf Jesus ruhte und diese ihm zu dem Zweck gegeben war, dass er heilen konnte. Dieser Hinweis kommt den in Lk 4,14.18; Apg 10,38 gemachten Aussagen sehr nahe, nach denen Jesus in seinem Wirken, das sowohl seine Verkündigungswie auch seine Wundertätigkeit umfasst, vom Heiligen Geist bestimmt ist. Aufgrund dessen kann der δύναµις-Beleg in Lk 5,17 als synonymer Ausdruck für den Geist angesehen werden. Der zweite Beleg findet sich in Apg 6,8, wonach Stephanus durch seine voll Gnade und Kraft (πλήρης χάριτος καὶ δυνάµεως) durchgeführte Wundertätigkeit das Volk beeindruckte. Dieser Hinweis auf das Vollsein des Stephanus mit Gnade und Kraft ist den in Apg 6,3.5 verwendeten Formulierungen sehr ähnlich: Hier wird die Eignung des Stephanus als Vorsteher der sieben Armenpfleger darauf zurückgeführt, dass er voll ist mit Weisheit bzw. Glaube und Heiligem Geist (vgl. auch ohne den Gebrauch von πλήρης in Apg 6,10). Deshalb ist davon auszugehen, dass mit dem Begriff δύναµις in Apg 6,8 ebenfalls der Geist bezeichnet wird, der Stephanus’ besonders herausragende Begabung bewirkt. Dabei zeigt sich an dieser Stelle ein Bedeutungswandel innerhalb der lukanischen Differenzierung zwischen πίµπληµι und πλήρης: Während in Bezug auf die Repräsentanten des Gottesvolkes 32
S. dazu I.2.2.2. Im Gegensatz dazu ist δύναµις in Lk 4,36; 9,1 von der mit ihr verbundenen ἐξουσία her zu verstehen, nicht von πνεῦµα. S. dazu I.2.1.4; I.2.2.2. 33
286
1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
Israel und auf Jesus πίµπληµι eine punktuelle und πλήρης eine dauerhafte Geistbegabung anzeigte, wandelt sich die differenzierende Verwendungsweise innerhalb der Gemeinde in der Weise, dass per se sämtliche Gemeindeglieder dauerhaft mit dem Heiligen Geist erfüllt werden (πίµπληµι) (Apg 2,4; 4,8.31; 9,17; 13,9)34 und die über das übliche Maß hinausragende Geistbegabung einiger weniger davon unterschieden wird (πλήρης) (Apg 6,3.5.8; 7,55; 11,24). Beide Begriffe bleiben jedoch dem Ausdruck des Heiligen Geistes als Kraftvorstellung verpflichtet. Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Lukas an verschiedenen Stellen eine enge Parallelisierung mit dem Begriff δύναµις herstellt und auf diese Weise den Heiligen Geist als Kraftphänomen definiert. Dabei wurden bestimmte Ausdrücke ersichtlich, mit denen dieser kraftmäßig gedachte Heilige Geist beschrieben wird: So kann man mit diesem Geist erfüllt werden oder voll sein, man kann in ihm wandeln bzw. tätig sein (vgl. auch Lk 2,27; 10,21; Apg 18,25; 20,22), man kann den Geist empfangen (vgl. Apg 2,33.38; 8,15.17.19; 10,47; 19,2) oder der Geist kann einen überkommen (vgl. Apg 19,6). An anderen Stellen heißt es deshalb auch, dass der Geist auf einem Menschen ruht (Lk 2,25; 4,18) oder dass er auf Menschen fällt (Apg 10,44; 11,15). Aber auch andere Formulierungen weisen auf diese Vorstellung des Geistes als Kraft hin: Besonders deutlich wird die Kraftvorstellung des Geistes an den Stellen, an denen der Geist als Gabe (δωρεά) bezeichnet wird (Apg 2,38; 8,20; 10,45; 11,17). Neben der bereits erwähnten Wendung, die den Geist als ,Material‘ ausweist, mit dem getauft oder gesalbt wird, berichtet Lukas wiederkehrend davon, dass der Heilige Geist ausgegossen werden kann (so in Anlehnung an Jo 3,1f. in Apg 2,17f.33; 10,45). Diese Redeweise deutet bereits an, dass für den auctor ad Theophilum der Gedanke des Kraftphänomens Heiliger Geist durchaus mit einer gewissen Materialität bzw. Substanzhaftigkeit verbunden werden kann. Diese materielle Vorstellung des Heiligen Geistes beschreibt Lukas in einem Fall ganz dezidiert, nämlich bei der Taufe Jesu in Lk 3,2235: In Bezug auf den Heiligen Geist erweitert er die aus Markus stammende Notiz, dass dieser wie eine Taube (ὡς περιστεράν) herabkommt, um den Hinweis σωµατικῷ εἴδει („in körperlicher Gestalt bzw. in körperlichem Aussehen“). Dieser Zusatz gibt der bei Markus durch den Vergleich mit der Taube schon gegebenen Anschaulichkeit des Heiligen Geistes eine materielle Komponente
34 In Apg 13,52 verwendet Lukas das einzige Mal das bedeutungsidentische Verb πληρόω. 35 S. dazu I.2.1.2.
1.2 Die Wesensvorstellungen des Geistes
287
und lässt die Geisteskraft gleichsam zu einem substanzhaften Wesen werden, das in seiner momentanen Gestalt der einer Taube gleicht.36 Obwohl der Heilige Geist von Lukas so umfangreich als Kraft und Substanz beschrieben wird, erschöpft sich die lukanische Pneumatologie nicht in der Kraftvorstellung. Sie stellt zwar den vorherrschenden Aspekt des Heiligen Geistes als göttliches Wesen dar, aber der Begriff „Geist“ geht noch darüber hinaus. Das werden die folgenden Erörterungen zu der personalen Wesensvorstellung zeigen. 1.2.2 Der Geist als Person Neben der vorherrschenden Vorstellung des Heiligen Geistes als Kraftphänomen gibt es im lukanischen Doppelwerk einige prägnante Stellen, an denen der Heilige Geist deutlich personenhafte Züge trägt und als personales Gegenüber auftritt.37 Der erste Beleg, in dem der Heilige Geist im lukanischen Doppelwerk sehr deutlich als personales Gegenüber gekennzeichnet ist, findet sich erst in Apg 8,29.39 innerhalb der Perikope von der Bekehrung des Kämmerers aus Äthiopien durch Philippus.38 Dieses plötzliche Auftreten des personalen Geistes als die die Mission des Philippus lenkende und legitimierende göttliche Autorität hat seinen Grund in der mit dieser Begebenheit beginnenden neuen Ausrichtung der durch die Jesusanhänger erfolgenden Missionstätigkeit über die Grenzen des Judentums hinaus, da mit dem äthiopischen Kämmerer das erste Mal einem einzelnen gottesfürchtigen Nichtjuden das Evangelium von Jesus Christus verkündet wird und dies nach Apg 8,29.39 ohne den personalen Geist nicht zustande gekommen wäre. Allerdings spielt in dieser Perikope nicht allein der Geist als richtungsweisende göttliche Instanz eine Rolle, denn in gleicher Weise wie der Geist hatte zuvor bereits der Engel als handelndes Subjekt mit Philippus gesprochen und ihm die göttliche Botschaft ausgerichtet (V.26). Diese ungewöhnliche ,Zusammenarbeit‘ von Engel und Geist geht auf die redaktionelle Tätigkeit des Lukas zurück, der in die ihm vorliegende, bereits von dem Agieren des Engels berichtende, Überlieferung den Geist als
36 Die Feuerzungen, die nach Apg 2,3 die erste Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Gemeinde als Theophanie-Elemente begleiten, können hingegen nicht als Ausweis der Materialität des Geistes angeführt werden, da sie nicht mit dem Geist gleichgesetzt werden, sondern diesen als von Gottvater und Jesus kommend qualifizieren. S. dazu I.3.1.1. 37 „Ansätze“ der Darstellung des Geistes als personales Gegenüber bei Lukas sieht auch FREY, Windbrausen, S. 145. Wucherpfennig sieht jedoch keinen Grund, in Bezug auf die lukanische Darstellung der subjekthaften Aktivitäten des Geistes vom Geist als Person zu sprechen. Er sieht darin „eher eine rhetorische Figur, mit der er [sc. Lukas] verschiedenen psychischen und sozialen Prozessen eine theologische Deutung gibt“ (WUCHERPFENNIG, Acta Spiritus Sancti, S. 201). 38 S. dazu I.3.2.1.
288
1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
die für die Mission ausschlaggebende göttliche Instanz in die Perikope eingetragen hat. Durch die Parallelität zum Engel wurde der Geist an der Stelle, an der er das erste Mal als eigener Aktant auftritt, als eigenständig handelndes Subjekt und personales Gegenüber eingeführt. Da die parallele Darstellungsweise die Personalität des Geistes deutlich hervorhebt, konnte auf diese Weise die personale Wesensvorstellung plausibel gemacht werden. Lukas sorgt durch diese Vorgehensweise dafür, dass die Vorstellung des Wesens des Engels als einer Person auf den Heiligen Geistes übertragen wird. Eine textkritische Variante von Apg 8,39aβ macht die Andersartigkeit des Geistes als personales Gegenüber und die damit gegebene Schwierigkeit, diesen Aspekt mit der Vorstellung eines substanzhaften Geistes zusammenzubringen, offenbar: Die im lukanischen Text fehlende Geistmitteilung, anhand der die ausbleibenden Zueignung des Kämmerers zur Heilsgemeinschaft abzulesen ist, wurde sekundär eingetragen. Diese Änderung machte es unmöglich, die gleichzeitig stattfindende Entrückung des Philippus dem als handelndes Subjekt auftretenden Heiligen Geist zuzuschreiben, sodass an dessen Stelle der Engel treten musste. Der Geist konnte von späteren Abschreibern also nicht im gleichen Augenblick als Substanz, die über den Täufling kommt, und als Person, die den Missionar entrückt, vorgestellt werden. Dies deutet auf eine Konkurrenz der unterschiedlichen Aspekte des Geistes hin. Einen zweiten Auftritt hat der personal agierende Geist in der Perikope, in der nach Lukas die Zielgruppe der durch die Gemeinde Jesu durchgeführten Mission offiziell um die Heiden erweitert wird.39 In der umfassenden Erzählung von der Bekehrung des heidnischen Hauptmanns Kornelius und seines Hauses durch den Apostelfürsten Petrus (Apg 10,1–11,18) spielt der Geist in einer Reihe von göttlichen Botschaften – wie schon in der zuvor besprochenen Perikope – die ausschlaggebende Rolle: Erst der zu Petrus sprechende Geist (Vv.19bf.; vgl. Apg 11,12) und damit das Gegenübertreten des personalen Geistes gibt Petrus die nötige Gewissheit, dass er mit der für gesetzesobservante Juden als unrein geltenden Gruppe gottesfürchtiger Heiden zusammentreffen soll, um ihnen das Evangelium zu verkündigen. Lukas hat die den Befehl des Geistes enthaltenden Vv.19–20 zu der ihm vorliegenden Überlieferung hinzugefügt, da nach seiner Ansicht Engel und Vision keine ausreichende göttliche Legitimation für den Schritt hin zur Heidenmission darstellten. Zu beachten ist der letzte Teilvers des Befehls des Geistes (Apg 10,20b), in dem der Geist seine Aufforderung an Petrus mit dem Hinweis begründet, er selbst habe die Männer des Kornelius gesandt, wobei das „Ich“ des Geistes durch ἐγώ besonders hervorgehoben wird. Mit diesem ἐγώ weist der Geist sich selbst als personales göttliches Wesen aus, das sich auf die durch Engel
39
S. dazu I.3.2.2.
1.2 Die Wesensvorstellungen des Geistes
289
und Vision bereits gegebene göttliche Legitimierung stützt, in der Hierarchie der Autorität jedoch über Engel und Vision steht. Der Heilige Geist wird in diesen ersten beiden beschriebenen Szenen vor allem an den Stellen, an denen er zu den Betroffenen spricht und ihnen göttliche Anweisungen erteilt, deutlich als personales Wesen gekennzeichnet. Die Feststellung, dass in beiden Perikopen ein Zusammenwirken des Geistes mit dem Engel geschildert wird, gibt Anlass, das von Lukas dargestellte Auftreten dieser beiden personalen göttlichen Wesen zu vergleichen, zumal auch in Apg 23,8f. deutlich wird, dass Geist- und Engelvorstellung bei Lukas eng beieinander liegen. Für einen Vergleich ist die lukanische Darstellung der Engel zu betrachten. Lukas berichtet in einigen Erzählungen ausführlich davon, dass Engel erscheinen und eine göttliche Botschaft verkündigen: vor Zacharias (Lk 1,11–20), vor Maria (Lk 1,26–38), vor den Hirten (Lk 2,9–15), vor Petrus (Apg 12,7–10) und vor Kornelius (Apg 10,3–7). Daneben finden sich vereinzelte und eher knappe Hinweise auf das Wirken von Engeln: So haben beispielsweise Engel den Frauen an Jesu Grab verkündet, dass Jesus lebe (Lk 24,23). Die Apostel werden von einem Engel aus dem Gefängnis befreit (Apg 5,19), der als Feind der Gemeinde anzusehende Herodes Agrippa wird von einem Engel mit dem Tod bestraft (Apg 12,23). Ein Engel kündigt Paulus an, dass er vor den Kaiser gestellt werden wird (Apg 27,23) und Philippus erhält – wie oben dargestellt – einen Befehl von einem Engel (Apg 8,26). Engel treten demnach im lukanischen Doppelwerk häufig auf, um Gottes Botschaft zu verkündigen oder um bestimmte Personen aus dem Gefängnis bzw. aus einer ähnlich gefährlichen Situation zu erretten. Dabei ist meistens davon die Rede, dass die Engel vor den Adressaten ihrer Botschaft erscheinen, also sichtbar sind, und die Betroffenen deswegen erschrecken. Auch wenn ein Engel die Türen eines Gefängnisses öffnet oder Petrus in die Seite stößt, ist das Engelwesen sehr handgreiflich real dargestellt. Im Vergleich mit den Engeln fällt auf, dass der personale Geist nicht erscheint oder für die Betroffenen sichtbar wird. Der Geist löst daher auch kein Erschrecken aus. Die Sichtbarkeit des Geistes ist nach Lukas offenbar ausschließlich für den als Kraft vorgestellten Heiligen Geist gegeben, wenn dieser ausnahmsweise substanzhafte Züge annimmt (Lk 3,22). Ein Vergleich der beiden göttlichen Botschafter im lukanischen Doppelwerk ergibt außerdem, dass die Verkündigung des Engels durchaus (z.B. von Zacharias oder Maria) hinterfragt, dem Geist aber immer umgehend gehorcht wird. Dies unterstreicht noch einmal die größere göttliche Autorität des Geistes gegenüber dem Engel. Im weiteren Verlauf der von Lukas geschilderten Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde tritt noch einige Male der personal agierende Heilige Geist in Aktion. Er weist die Gemeinde in Antiochia an, wen sie zur ersten Missionsreise auswählen soll und sendet diese Missionare dann auch
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1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
selbst aus (Apg 13,2.4).40 Es ist nach Lukas ebenfalls der Geist, der die Ältesten als Aufseher über die Gemeinde eingesetzt hat (Apg 20,28).41 Durch dieses Auftreten des personalen Geistes werden dort, wo es nötig ist, neue Ämter geschaffen, so dass sich durch göttliche, nicht durch menschliche Weisung eine fortschreitende Ausdifferenzierung ergibt. Während der Geist bei der zu einem früheren Zeitpunkt erfolgten Auswahl der Apostel nur eine weniger bedeutende Rolle spielte und hinsichtlich seiner Wirksamkeit an Jesus und – später noch einmal – an den Armenpflegern als Kraftphänomen vorgestellt war, zeigt sich hier, dass der Geist durch seine Personalität in der Frage der Auswahl und göttlichen Legitimation von Funktionsträgern eine immer selbstständigere göttliche Autorität wird. Weiterhin berichtet Lukas, dass der Geist zusammen mit den Aposteln und Ältesten als handelndes Subjekt die die Heidenmission betreffenden Bestimmungen des Apostelkonzils billigt (Apg 15,28). Auch tritt er Missionaren als Subjekt gegenüber, um diese an der Beschreitung der von ihnen geplanten Wege zu hindern und die Mission zu lenken (Apg 16,7f.). Außerdem kann der Geist prophetische Weissagungen (auch) direkt und ohne Vermittlung aussprechen (Apg 20,23).42 Etwas von der Personalität des Geistes wird auch an den Stellen spürbar, an denen dieser Geist von Lukas als Zeuge des Evangeliums (Apg 5,32) oder als Lehrer der Jünger (Lk 12,12) bezeichnet wird. Auf diese Weise stellt Lukas den Heiligen Geist als personales Gegenüber dar, das in der Geschichte der entstehenden christlichen Gemeinde in sehr verschiedenen Zusammenhängen die Aufgabe des Überbringens der göttlichen Weisung und der Vermittlung der göttlichen Legitimation hat. Hatte Lukas es – wie in Bezug auf den Einleitungsvers der Versuchungsgeschichte (Lk 4,1) dargestellt – durch die Änderung seiner Vorlagen vermieden, den Geist in Bezug auf Jesus als personales Gegenüber zu schildern, tritt die Wesensvorstellung des Heiligen Geistes als Person in der die christliche Gemeinde betreffenden Wirkungsepoche immer deutlicher zu Tage. Auch wenn die Anzahl der diesbezüglichen Belege hinter derjenigen für die Nennung des Heiligen Geistes als Kraftphänomen zurückbleibt, kann man im Hinblick auf die geschilderte Art der Verwendung der Wesensvorstellung des Heiligen Geistes als Person von einer systematischen Einführung sprechen. Dass der personale Geist erst in der Wirkungsepoche der Gemeinde systematisch eingeführt wird und immer eigenständiger agiert, erklärt sich daher, dass er hier nun den zum Himmel gefahrenen Jesus vertritt.43
40
S. dazu I.3.4.4. S. dazu I.3.4.5. 42 Dagegen sind die prophetischen Weissagungen in Apg 1,16; 4,25; 21,11; 28,25 menschlich vermittelt und gehen daher auf den als Kraft vorgestellten Geist zurück. 43 S. dazu II.3.2.2. 41
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1.3 Die Einheit der lukanischen Pneumatologie
1.3 Die Einheit der lukanischen Pneumatologie 1.3 Die Einheit der lukanischen Pneumatologie
Im Angesicht dieser Differenzierungen in verschiedene Wirkweisen und Wesensvorstellungen stellt sich abschließend die Frage, inwiefern dennoch von einer Einheit der lukanischen Vorstellung des Heiligen Geistes ausgegangen werden kann. Dazu ist der Zusammenhang der Wesensvorstellungen und Wirkweisen in der lukanischen Pneumatologie zu betrachten. Der Versuch, die beiden unterschiedlichen Wesensvorstellungen bestimmten Wirkweisen zuzuordnen, führt zu der Feststellung, dass es bestimmte Präferenzen gibt: Die besondere Auszeichnung durch den Heiligen Geist setzt die Wesensvorstellung des Geistes als Kraft voraus, ebenso wirkt der Geist nur als Kraft in ermächtigender Weise. Durch die Geisteskraft können bestimmte Personen gelenkt werden, jedoch ist es überwiegend der personal gedachte Geist, der lenkende Funktion hat. Deutlich nimmt der Geist sowohl als Kraft als auch als Person Menschen für eine bestimmte Aufgabe in Dienst. Prophetie ereignet sich entweder durch die Geisterfüllung bestimmter Menschen oder direkt als Wort des Heiligen Geistes bzw. als durch den Geist erfolgende Entrückung, so dass der Geist in diesem Zusammenhang einerseits als Kraft, andererseits als personales Gegenüber auftritt. Die nachstehende Tabelle macht diese Zusammenhänge deutlich: Der Geist Wirkweisen
als … Besondere Auszeichnung
Indienstnahme Prophetie Lenkung Ermächtigung
Wesensvorstellungen Kraft Lk 1,15.35; 2,25; 3,16; 4,1; 10,21; Apg 1,5; 2,4.17f.33.38; 8,15.17– 19; 9,17; 10,44f.47; 11,15f.; 15,8; 19,2.6 Lk 3,22; 4,18; Apg 1,2; 6,3.5; 10,38; 11,24; 13,9 Lk 1,41.67; 2,26; Apg 1,16; 4,25; 7,55; 11,28; 21,4.11; 28,25 Lk 2,27; 4,1; 19,21; 20,22
Person
Apg 13,2.4; 20,28 Apg 8,39; 20,23 Apg 8,29.39; 10,19; 11,12; 15,28; 16,6.7
Lk 1,17.80; 4,14; 24,49; Apg 1,8; 2,4; 4,8.31; 6,10; 18,25
Die enge Verwandtschaft von Wirkweisen und Wesensvorstellungen zeigt sich vor allem darin, dass der Geist sowohl in der Wesensvorstellung einer Kraft gedacht werden kann als auch eine Kraft gebende, ermächtigende Wirkweise hat. Innerhalb der lukanischen Ausführungen ist dies in der Weise differenziert, dass einerseits δύναµις mit πνεῦµα synonym verwendet wird
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1 Wirkweisen und Wesensvorstellungen in der lukanischen Pneumatologie
(Lk 1,17.35; Lk 24,49; Apg 10,38)44, andererseits in der Genitivverbindung δύναµις τοῦ πνεῦµατος die Kraft als Auswirkung des Geistes gekennzeichnet ist (Lk 4,14; Apg 1,8).45 Wird der Geist in seiner Wesensvorstellung als Kraft bezeichnet, kann dies gleichzeitig implizit bedeuten, dass er eine ermächtigende Wirkung hat. Dies wurde insbesondere in Bezug auf die auf Johannes wirkende Geisteskraft offenbar (Lk 1,17), die ihn kräftigt und später explizit erstarken lässt (Lk 1,80).46 Außerdem konnte anhand der zwei Versionen der zentralen Geist-Verheißung aufgezeigt werden, dass die in Apg 1,8 als Auswirkung des Geistes genannte δύναµις in Lk 24,4947 gleichsam zum Synonym für den Heiligen Geist wird, also nicht nur seine Wirkweise beschreibt, sondern auch sein Wesen. Dabei wird gleichzeitig deutlich, dass der Geist mehr ist als Kraft. Weiterhin zeigt sich der Zusammenhang der differenzierten Phänomene daran, dass der Heilige Geist nach Lukas an derselben Person mit verschiedenen Wirkweisen oder Wesensvorstellungen auftritt. So ist er für Jesus einerseits eine besondere Auszeichnung (Lk 1,35), ermächtigt ihn aber andererseits auch zur Wahrnehmung seiner Aufgabe (Lk 4,14) und nimmt ihn für diese in Dienst (Lk 3,22; 4,18; Apg 10,38).48 An Petrus wirkt der Geist sowohl als die die Evangeliumsverkündigung bewirkende Kraft (Apg 4,8), spricht aber auch als personales Gegenüber mit ihm, um ihn zur Mission an den Heiden anzuweisen (Apg 10,19; 11,12).49 Außerdem gibt es auch lukanische Nennungen des Heiligen Geistes, in denen sowohl Wirkweisen als auch Wesensvorstellungen vermischt sind. Zu nennen ist diesbezüglich insbesondere Apg 5,3250: καὶ ἡµεῖς ἐσµεν µάρτυρες τῶν ῥηµάτων τούτων καὶ τὸ πνεῦµα τὸ ἅγιον ὃ ἔδωκεν ὁ θεὸς τοῖς πειθαρχοῦσιν αὐτῷ. („Und wir sind Zeugen dieser Geschehnisse und der Heilige Geist, den Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen.“) In dieser Aussage ist der Geist sowohl eigenständiges personales Wesen, das mit den Jesusanhängern zusammen Zeuge ist, als auch Gabe in Form von Geisteskraft für die Gott Gehorchenden. Außerdem wird sowohl die Wirkweise der Ermächtigung (zum Zeugnis geben) wie auch die Wirkweise der besonderen Auszeichnung der Jesusanhänger angesprochen.51 Dies alles zeigt, dass die in Form von Wesensvorstellungen und Wirkweisen in der lukanischen Pneumatologie auftretenden Geistphänomene nicht 44
S. dazu I.1.1.1; I.2.2.2. S. dazu I.2.1.3; I.2.2.2. 46 S. dazu I.1.1.1. 47 S. dazu I.2.2.2. 48 S. dazu I.2.1.1 – I.2.1.4. 49 S. dazu I.3.1.3; I.3.2.2. 50 S. dazu I.3.1.3; I.3.3.5. 51 Deshalb ist es nicht möglich, den Vers Apg 5,32 in die oben dargestellte Tabelle eindeutig einzuordnen. 45
1.3 Die Einheit der lukanischen Pneumatologie
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voneinander trennbar oder klar abgrenzbar sind. Die beiden Wesensvorstellungen des Heiligen Geistes überlappen sich hinsichtlich mehrerer Wirkweisen. Ebenso haben die unterschiedlichen Wirkweisen keinen jeweils klar abgrenzbaren Bezug zu den Wesensvorstellungen. Der Heilige Geist ist insgesamt eine göttliche Instanz, die mal als Person, mal als Kraft akzentuiert wird und die sehr unterschiedliche Wirkweisen haben kann. All diese Phänomene können in der lukanischen Pneumatologie aber nebeneinander stehen bleiben, weil sie für Lukas in ihrer Gesamtheit ein Spektrum unterschiedlicher Aspekte desselben einen Heiligen Geistes darstellen.
2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen 2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditonen
Die folgende Darstellung der in den maßgeblichen Traditionen auftretenden verschiedenen Vorstellungen des Geistes soll dem Zweck dienen, im anschließenden Kapitel II.3 eine vergleichende Betrachtung zwischen den in den genannten Traditionen und den im lukanischen Doppelwerk mit dem Geist verbundenen Phänomenen durchzuführen. Daher steht bei den folgenden Darlegungen zu den maßgeblichen Traditionen die Frage im Vordergrund, welche Phänomene sich jeweils mit dem Begriff „Geist“ verbinden, denn dem Vergleich ist ein sowohl bei Lukas als auch in den Traditionen verwendeter Begriff mit demselben Bedeutungsgehalt zu Grunde zu legen. Der in den Traditionen vorhandene Geistbegriff wird nur insoweit herangezogen, als der Geist als πνεῦµα (bzw. hebräisch x:Wr) bezeichnet wird, das mit Gott oder dem Göttlichen in Verbindung steht. Anderweitige Begriffe wie z.B. δαιµόνιον oder δαίµων eignen sich nicht für den Vergleich, weil sie im Neuen Testament ausschließlich die bösen Geister (πνεύµατα ἀκάθαρτα bzw. πονηρά)1 bezeichnen, und bleiben daher unberücksichtigt. Die lukanische Darstellung des Heiligen Geistes operiert zudem mit Vorstellungen, die mit dem expliziten Begriff πνεῦµα verbunden sind. In der Einleitung der Arbeit wurde bereits dargestellt, dass von einer Beeinflussung des lukanischen Doppelwerks durch verschiedene Traditionen auszugehen ist. Zum einen wurde deutlich, dass hellenistische (griechischrömische) Vorstellungen auf ihn eingewirkt haben. Zum anderen verlässt Lukas innerhalb seines Doppelwerkes aber auch die alttestamentlichjüdischen Wurzeln nicht, sondern betont sie sogar. Soll das lukanische Konzept vom Heiligen Geist im Vergleich mit den maßgeblichen Traditionen betrachtet werden, so muss dabei diese doppelte Ausrichtung berücksichtigt werden. Deshalb werden diejenigen alttestamentlich-jüdischen und hellenistischen Geist-Aussagen zum Vergleich herangezogen, die als repräsentativ und aussagekräftig angesehen werden können. Hierbei spielt das hellenistische Judentum, in dessen Gedankengut die oben genannten Stränge bereits vor Lukas zusammenliefen, eine besondere Rolle. Zur Frage nach den Traditionen gehören aber nicht nur solche religionsgeschichtlichen Betrachtungen. Da 1
Vgl. z.B. Lk 4,33; 8,29; Mk 1,34.39; 3,15.22; Mt 8,31; 9,33.
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditonen
Lukas nicht der Erste ist, der im frühen Christentum vom Heiligen Geist spricht, muss auch die bereits vor Lukas bezeugte Darstellung des Geistes im frühchristlichen Schrifttum in den Überlegungen berücksichtigt werden. Insgesamt ergibt sich somit eine Übersicht über die maßgeblichen Traditionen und deren Einflussnahme auf Lukas, wie sie in der folgenden Skizze dargestellt ist. Diese Skizze zeigt auch auf, inwiefern die für die lukanische Pneumatologie maßgeblichen Traditionen hinsichtlich der Geistvorstellungen aufeinander Einfluss hatten. Die Einflüsse werden bei der Erörterung der verschiedenen Geistvorstellungen verdeutlicht werden.
Altes Testament
Antikes Judentum Palästinisches Judentum (Qumran)
Hellenistische Philosophie
Hellenistisches Judentum
(Stoa (Seneca), Mittelplatonismus (Pseudo-Platon, Plutarch))
(Weisheit Salomos, Psalmen Salomos, Philo)
Frühes Christentum (Paulus)
Lukas (Evangelium, Apostelgeschichte)
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
Die Skizze zeigt, dass sich die aus den genannten Bereichen stammenden zu betrachtenden Geistvorstellungen in vier Stränge gliedern lassen, die für den auctor ad Theophilum von ganz unterschiedlicher Bedeutung sind. Im Hinblick darauf, dass sich die zu betrachtenden Geistvorstellungen auch gegenseitig beeinflusst haben (können), werden die vier Stränge im Folgenden nicht nach dem Grad der Bedeutung, sondern – neue Vorstellungen können ältere nicht beeinflusst haben – in chronologischer Reihenfolge behandelt: Als erstes wird dargestellt, welche Geistvorstellungen sich im Alten Testament finden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Alte Testament im Unterschied zu den anderen an dieser Stelle behandelten Traditionen für Lukas den Charakter der autoritativen Schrift hat. Dies zeigt sich mit Blick auf den Heiligen Geist bereits daran, dass Lukas an zwei zentralen Stellen, die die Bedeutung des Geistes für Jesus sowie für die Gemeinde Jesu betreffen, explizit das Alte Testament zitiert (Jes 61,1f. / 58,6 in Lk 4,18f.; Jo 3,1f. in Apg 2,17f.) und damit die Ereignisse als Erfüllung dieser Verheißungen ausweist. Der Vergleich der lukanischen Pneumatologie mit den alttestamentlichen Vorstellungen wird darüber hinaus zeigen, dass Lukas in Bezug auf den Geist die alttestamentliche Grundlage nie verlässt, auch wenn er sie durch den Einfluss anderer Traditionen entsprechend weiterentwickelt. An zweiter Stelle werden repräsentative Geistvorstellungen aus der hellenistischen Philosophie erörtert werden. Die in seinem Doppelwerk unverkennbar vorhandenen griechisch-römischen Spuren zeigen auf, dass dieser Traditionsbereich ebenfalls als für Lukas maßgebend anzusehen ist. Dennoch hat diese Tradition nicht dieselbe Relevanz wie das Alte Testament; an die aus der hellenistischen Philosophie stammenden Geistvorstellungen ist Lukas nicht gebunden, er kann sich vielmehr nach Belieben an den hier vorhandenen Vorstellungen bedienen und diese übernehmen, soweit sie seiner Pneumatologie nützlich sind. Gleiches gilt für den dritten darzustellenden Bereich, die Tradition des Antiken Judentums, welches in palästinisches und in hellenistisches Judentum untergliedert werden kann. Im gesamten Antiken Judentum zeigen sich vom Alten Testament abhängige Vorstellungen, im hellenistischen Judentum treffen diese mit dem aus der hellenistischen Philosophie stammenden Gedankengut zusammen. Zum Abschluss folgt als Beispiel von frühchristlichen Geistvorstellungen eine Analyse der paulinischen Briefe. Aus zweierlei Gründen wird die paulinische Pneumatologie als geeignet angesehen, als für das frühe Christentum repräsentativ berücksichtigt zu werden.2 Zum einen spielt der Heilige Geist 2
Dabei wird nicht außer Acht gelassen, dass Lukas in seinem Evangelium zunächst Rezipient des Markus-Evangeliums und der Logienquelle Q ist. Da aber in diesen beiden Quellen nur äußerst wenige Belege für den Heiligen Geist zu finden sind und daher kein dem lukanischen vergleichbares Konzept vom Geist aufgezeigt werden kann, sind diese
2.1 Altes Testament
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bei Paulus in umfassender Weise eine Rolle. Zum anderen verstand sich Lukas als Schüler des Paulus3 und sah ihn – wie aus der Darstellung in der Apostelgeschichte zu schließen ist – als eine ausschlaggebende Figur des frühen Christentums an. Aus den genannten Gründen hat diese frühchristliche Tradition eine größere Wichtigkeit für die lukanische Pneumatologie als die beiden zuvor genannten Traditionen. Die Anknüpfung des Lukas an die bei Paulus aufgezeigte frühchristliche Geistvorstellung bei gleichzeitiger Weiterentwicklung wird bei der Frage nach der Profilierung der lukanischen Pneumatologie eine entscheidende Rolle spielen.
2.1 Altes Testament 2.1 Altes Testament
Der Geist Gottes spielt im Alten Testament4 in den älteren Schichten eine vergleichsweise geringe Rolle, tritt dann aber in späteren, nachexilischen Texten in größerem Umfang auf.5 In der für das lukanische Doppelwerk ausschlaggebenden Septuaginta wird die den Geist Gottes bezeichnende x:Wr mit πνεῦµα wiedergegeben.6 Hier sind verschiedene Themenkomplexe mit dem Geist verbunden: Der Geist wirkt im Schöpfungszusammenhang, er wird in starkem Maße relevant als Ausrüstung zu besonderen Fähigkeiten oder für Führungspositionen. Außerdem spielt er eine bedeutende Rolle in der Prophetie und für die Frage von Heil und Gehorsam. Dementsprechend wird die folgende Darstellung der Bedeutung der x:Wr bzw. des πνεῦµα im Alten Testament nach diesen verschiedenen Themenkomplexen gegliedert. 2.1.1 Schöpfung Das Alte Testament kennt die x:Wr als „die schöpferische, wunderbare Macht und Lebenskraft Gottes“7. In diesem Sinn gewinnt der Geist kosmologische und anthropologische Bedeutung.
Quellen für den an dieser Stelle angestrebten Vergleich nicht geeignet. Jedoch wurde – soweit dies zielführend war – bereits in Teil I dieser Arbeit an den entsprechenden Stellen in Form von synoptischen Vergleichen dargestellt, wie sich die Markus- oder MatthäusPassagen im Hinblick auf die Geistvorstellungen von den lukanischen Ausführungen unterscheiden. 3 Vermutlich war er historisch sogar (zumindest zeitweise) ein Begleiter des Paulus. Vgl. THORNTON, Zeuge; WOLTER, Lukasevangelium, S. 7–9. 4 Die alttestamentlichen Texte sind über einen langen Zeitraum entstanden, der sich mindestens von 600–200 v. Chr. erstreckt. 5 Vgl. FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 205. 6 Ist mit x:Wr der (von Gott kommende) Wind gemeint, so steht häufig auch ἄνεµος. Vgl. KAMLAH / KLAIBER, πνεῦµα, S. 699. 7 KREMER, Pfingstbericht, S. 65.
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
In Bezug auf die Weltschöpfung ist der Geist als das das Chaos beherrschende Moment beim Schöpfungsgeschehen zugegen (Gen 1,2). Er spielt nicht nur bei der Erschaffung (Ps 33,6), sondern auch bei der Erhaltung (Ps 104,30) der Welt eine Rolle. Darüber hinaus kommt der Mensch ins Leben, weil Gott ihm seine x:Wr gibt (Gen 6,3.17; 7,15; Koh 3,19; Sach 12,1).8 Dieser schöpferische Geist ist dabei ein Äquivalent zum älteren diesbezüglichen Begriff der hm'v'n> („Lebensatem“), der in der Septuaginta zumeist mit πνοή wiedergegeben wird. Laut dem nichtpriesterschriftlichen Schöpfungsbericht ist der Mensch unter den Geschöpfen Gottes das einzige, das die hm'v'n> von Gott erhält (Gen 2,7) und dadurch mit einer besonderen Gottesbeziehung ausgestattet wird.9 Daher sind die Termini hm'v'n> und x:Wr (LXX πνοή und πνεῦµα) besonders in jüngeren Textschichten „begriffliche Verdichtungen für die lebensstiftende Gottesbeziehung des Menschen“10. Nicht selten werden zur Bezeichnung des von Gott zur Lebenserweckung gegebenen Geistes hm'v'n> und x:Wr parallel verwendet (Jes 42,5; 57,16; Hi 27,3; 32,8; 33,4; 34,14f.11), wodurch ihre Gleichsetzung unterstrichen wird.12 Außerdem zeigt diese Parallelisierung, dass der Begriff x:Wr den älteren Begriff der hm'v'n nicht verdrängt.13 An mehreren Stellen wird die Abhängigkeit des menschlichen Lebens von Gott anhand der Aussage thematisiert, dass Gott seinen Geist geben oder entziehen kann; im Falle des Entzugs kehrt der Mensch zurück zu Erde und Staub (Hi 34,14f.; Ps 104,29; 146,4). Dabei wird Gott als der Ursprung und Geber des Geistes betont (Hi 12,10), zu Gott kehrt der Geist beim Tod des Menschen zurück (Koh 12,7). Dieser Geist ist in Ps 31,6 ganz zum Geist des Menschen (yxWr) geworden und rückt dann näher an den Begriff der Seele heran.14 Dennoch wird auch diese menschliche x:Wr in die Hände Gottes befohlen. In diesen Themenkomplex gehört auch die im Ezechielbuch bezeugte Heilsverheißung, die die singuläre Vorstellung enthält, dass Gott mittels seines Geistes Totengebeine wiederbelebt und auferweckt (Ez 37,5f.8–10.14). An dieser Stelle kommt die Vorstellung der lebensschaffenden x:Wr innerhalb 8
Laut Gen 6,3.17; 7,15; Koh 3,19 gehören nicht mehr nur die Menschen, sondern auch die Tiere zu dem Fleisch, in dem der von Gott gegebene Geist des Lebens ist. Nach Koh 3,19 hat (sogar) der Mensch dem Vieh in dieser Hinsicht nichts voraus. 9 Vgl. FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 209. 10 FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 209. 11 Im Septuaginta-Text von Hi 34,14 wurden die beiden verbundenen hebräischen Begriffe mit dem (Einzel-)Begriff πνεῦµα übertragen. 12 In Gen 7,22 findet sich unter Einbeziehung beider Begriff die eigentümliche Konstruktion ~yYIx; x:Wr-tm;v.nI, die in der Septuaginta vereinfacht als πνοὴ ζωῆς wiedergegeben wird. 13 Vgl. ALBERTZ / WESTERMANN, x:Wr, Sp. 736. 14 Zur Auslegungstradition dieses Psalmverses s. I.2.1.5.
2.1 Altes Testament
299
einer metaphorischen Beschreibung der Heimführung des Volkes Israels aus dem Exil zur Anwendung. 2.1.2 Besondere Fähigkeiten und Führungspositionen An vielen Stellen im Alten Testament bewirkt der Geist Gottes an ausgewählten Menschen Außergewöhnliches. Besondere Fähigkeiten und Taten von Menschen werden auf Gottes Geist zurückgeführt. Damit zusammenhängend ist der Geist auch die für die Ausübung einer Führungsposition die ausschlaggebende Begabung. Dass „Begabungen, die zu außerordentlichen Leistungen befähigen“15, auf den Geist zurückgeführt werden, zeigt sich an verschiedenen Stellen. In diesem Zusammenhang wird der Geist häufig in der Kombination mit Weisheit (hm'.k.x') genannt, um die hervorragende Fertigkeit und Geschicktheit des Geistbegabten zum Ausdruck zu bringen. Beispielsweise erklärt Gott Mose in Ex 28,3, dass er einige aus dem Volk mit dem Geist der Weisheit erfüllt hat, der sie dazu befähigt, Aarons Priestergewänder anzufertigen. Ebenso wird in Ex 31,3; 35,31 über Bezalel berichtet, dass dessen Geistbegabung samt Weisheit, Verstand, Erkenntnis und Geschicklichkeit zu seiner Berufung und Beauftragung als Kunsthandwerker für die Stiftshütte führt.16 Auch Serubbabel wird zu seiner Funktion als Tempelerbauer durch Gottes Geist legitimiert (Sach 4,6). Im Fall von Josef (Gen 41,38) und Daniel (Dan 4,5f.; 5,11.14)17 wird gesagt, dass sie sich durch eine hervorragende Geistbegabung auszeichnen, die als Grund für ihre sich in der Fähigkeit zur Traumdeutung äußernde besondere Weisheit angesehen wird. Der Zusammenhang von Geist und Weisheit wird auch in Hi 32,8 verdeutlicht, wo erörtert wird, dass nicht das Alter, sondern der Geist Gottes zu Weisheit führt, sodass auch junge Menschen weise Dinge sagen können. Die Folge der Geistbegabung ist im Richterbuch nicht Weisheit, sondern Kraft und Stärke zu ungewöhnlichen Heldentaten. So wird der Richter Simson durch den immer wieder über ihn kommenden Geist des Herrn herumgetrieben (Ri 13,25) und erhält durch ihn übermenschliche Kräfte (Ri 14,6.19; 15,14). Der eher plötzlich überkommende Geist Gottes macht mit Othniel (Ri 3,10), Gidion (Ri 6,34) und Jefta (Ri 11,29) auch weitere Richtergestalten zu Führern und Rettern des Volkes. Durch den Geist greift Gott somit in die Geschichte seines Volkes ein und führt es zur Rettung.18
15
FISCHER / HEIL, Geistbegabung, S. 57. Nach der Darstellung in den Chronikbüchern ist in ähnlicher Weise der Geist für den von David angefertigten Bauplan des Tempels ausschlaggebend (1. Chr 28,12). 17 An diesen Stellen aus dem Buch Daniel wird der Geist eigentümlicher Weise als der „Geist der heiligen Götter“ bezeichnet. 18 Vgl. ALBERTZ / WESTERMANN, x:Wr, Sp. 744. 16
300
2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
Im Kontext der Ämterübertragung hat der Geist alttestamentlich auch in einem anderen Zusammenhang zentrale Bedeutung, wobei er insbesondere der göttlichen Legitimation dieser Ämter dient: So erfolgt die Einsetzung der zur Unterstützung des Mose bestimmten siebzig Ältesten in der Weise, dass Gott von dem offenbar in sehr reicher Fülle auf Mose ruhendem Geist nimmt und auf diese Ältesten legt (Num 11,17.25). In Bezug auf Moses Nachfolger Josua werden zwei unterschiedliche Auskünfte über die Rolle des Geistes für die Führungsposition getroffen: Nach Num 27,18 hat Josua bereits den Geist, als Mose von Gott den Auftrag erhält, Josua die Führung des Volkes anzuvertrauen, so dass der Geist ein Auswahlkriterium für die Amtsübertragung darstellt. Anders wird der Zusammenhang in Dtn 34,9 geschildert: Josua erhält den Geist und die damit verbundene Weisheit, weil Mose ihm die Hände aufgelegt hat. Desgleichen wird auch das Königtum als eine Herrschaft betrachtet, die auf dem Geist Gottes beruht. Gott schenkt dem Auserwählten seinen Geist für die Ausübung des königlichen Amtes. So wird Sauls Führerschaft durch den Geist begründet (1. Sam 11,6; vgl. 10,6.10). Auch von David heißt es, dass nach seiner durch Samuel erfolgten Salbung der Geist Gottes über ihn kam (1. Sam 16,13) und dauerhaft auf ihm blieb. Unmittelbar nachdem David zum König gesalbt worden ist, wird Saul von Gott als König verworfen, was dadurch ersichtlich wird, dass der Geist von Saul weicht und Saul stattdessen einen bösen Geist erhält (1. Sam 16,14; vgl. 18,10; 19,9).19 Der Geist Gottes ist hier regelrecht zum „Amtscharisma“20 geworden, das nur einem Menschen zukommen kann.21 Von da aus wird die Vorstellung verständlich, dass auf dem erwarteten Heilsbringer der Geist ruhen wird (Jes 11,2). Dieser Davidide (bezeichnet als Reis aus der Wurzel Isais) wird aufgrund dieser ihn auszeichnenden Fülle der Geistbegabung als idealer König regieren (Jes 11,3–9). Genauso soll die Retterfigur des Gottesknechtes mit dem Geist ausgestattet werden, um seiner Aufgabe, Recht und Weisung Gottes unter die Völker zu bringen, nachkommen zu können (Jes 42,1).22 Und auch dem Sprecher von Jes 61,1, der gesalbt und beauftragt ist, die Umkehrung der Verhältnisse zu verkündigen, ist zur Ausführung dieser Aufgabe dieser Geist von Gott übertragen (Jes 61,1).
19
Von einem von Gott gesandten bösen Geist berichtet das Alte Testament z.B. auch in Num 5,14.30; Ri 9,23; 2. Kön 19,7; Jes 19,14; 29,10. 20 FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 216. 21 Von dem Davidsnachfolger Salomo an ist die Geistbegabung zur Legitimation nicht mehr notwendig, da es sich nun quasi um eine „Erbmonarchie“ handelt (KOCH, Geist und Messias, S. 46). 22 Als Gottesknecht wird im Septuaginta-Text nicht wie im masoretischen Text eine Einzelperson, sondern Israel als Ganzes bezeichnet. Nach der Septuaginta kommt demnach den Israeliten die durch den Geist unterstützte Aufgabe der Heilsverkündigung zu.
2.1 Altes Testament
301
2.1.3 Prophetie Eine der wichtigsten Geistwirkungen im Alten Testament ist die Prophetie. Eine selbstverständliche Verbindung von Prophetie und Geistbegabung ist z.B. in Num 11,29 vorausgesetzt.23 In alttestamentlichen Texten gibt es geistbegabte Prophetengruppen, bei denen ekstatische Erlebnisse auf den Geist zurückgeführt werden24 und die den Geist auf die in ihre Mitte Kommenden übertragen, wodurch bei diesen Personen Verzückung herbeigeführt wird; so ergeht es z.B. Saul sowie den von ihm ausgesandten Boten (1. Sam 10,6.10; 19,20.23). In prophetische Verzückung geraten auch die zu Moses Unterstützung bestimmten 70 Ältesten, als der Geist auf sie übertragen wird (Num 11,25–27). Auch gehen Weissagung und prophetische Rede auf den vorübergehend überkommenden Gottesgeist zurück, z.B. bei dem Israel segnenden Bileam (Num 24,2).25 Ebenso werden dem Geist Gottes Entrückungen der Propheten (1. Kön 18,12; 2. Kön 2,16) und Wundertaten (2. Kön 2,15) zugeschrieben. Dass das Prophetenamt wesentlich vom Geist bestimmt wird, verdeutlicht die Erzählung von der Nachfolge des Propheten Elia durch Elisa, die durch die Übertragung des Geistes geregelt wird (2. Kön 2,9.15). Bei den sogenannten Schriftpropheten ist auffällig, dass der Geist Gottes in vorexilisch-exilischer Zeit – sowohl für den prophetischen Auftrag als auch in der Schrift insgesamt – eine sehr geringe Rolle spielt.26 Allerdings findet sich hier schon die (wohl abfällig gemeinte) Propheten-Bezeichnung „Mann des Geistes“ (x:Wrh' vyai) in Hos 9,7. Ebenso ist es nach Mi 3,8 die Geistbegabung des Propheten, die ihn mit Recht und Kraft zur Ausführung seiner gegen Israel gerichteten Anklage ausstattet. Erst in der exilisch-nachexilischen Epoche sind Geist und Prophetentum in eine enge, geradezu exklusive Beziehung gesetzt worden. Immer wieder bewirkt der Geist prophetische Reden (2. Chr 15,1; 20,14; 24,20); diese werden zwar hauptsächlich von den Propheten selbst gehalten, es wird jedoch auch von prophetischen Reden durch Personen berichtet, die nicht den Propheten 23 Das Gegenteil des die Prophetie bewirkenden Geistes ist der Lügengeist (1. Kön 22,21–24 par. 2. Chr 18,20–23). 24 Vgl. MARBÖCK / KREMER, Geist, Sp. 1304. 25 Bileam hat von Balak, dem König der Moabiter, den Auftrag erhalten, Israel zu verfluchen. Im Zuge der folgenden Ereignisse kann Bileam Israel nicht verfluchen, sondern – im Gegenteil – nur segnen. In Num 23,7 LXX wurde die Rückführung des BileamSpruches zur Segnung Israels auf den Geist wohl in Anlehnung an Num 24,2 gegenüber dem masoretischen Text eingefügt. Dies zeigt eine in der Septuaginta vorhandene Tendenz an, die prophetische Wirkung des Geistes stärker herauszustellen. Vgl. ISAACS, Spirit, S. 13. 26 Dies fällt insbesondere bei Jeremia und Amos auf. Vgl. VOLZ, Geist, S. 62–69; TENGSTRÖM / FABRY, x:Wr, Sp. 393; auch KREMER, Pfingstbericht, S. 68; KAMLAH / KLAIBER, πνεῦµα, S. 700.
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
zuzurechnen sind (1. Chr 12,19). Auch werden die Worte der früheren Propheten auf den Geist zurückgeführt (Sach 7,12; Neh 9,30). Bei dem Propheten Ezechiel tritt die Bedeutung des Geistes am deutlichsten hervor, da der Geist in Bezug auf diesen ganz unterschiedliche Wirkungen zeigt. Der Geist, der über Ezechiel kommt, redet zu ihm und gibt ihm einen Befehl (Ez 3,24). Schließlich erhält Ezechiel vom Geist den Befehl zu einer Verkündigung, die wortwörtlich durch den Geist vorgegeben wird (Ez 11,5). Außerdem hat Ezechiel auch eine durch den Geist hervorgerufene Vision (Ez 11,24) und wird entrückt (Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.24; 37,1; 43,5). Stets ist der Geist Gottes an den genannten Stellen derjenige, der den Auftrag des Propheten mit göttlicher Legitimation versieht und ihn zum Verkünder des göttlichen Wortes autorisiert. 2.1.4 Heil und Gehorsam Darüber hinaus macht das Alte Testament deutlich, dass durch die Anwesenheit des Gottesgeistes das Mitsein und die Nähe Gottes gewährt wird, was für die Betroffenen Heil bedeutet (Ez 39,29; Hag 2,5; Sach 12,10; Jes 63,1127.14). So ist in vorwiegend nachexilischen Heilsverheißungen das Kommen des Geistes Gottes mit der angekündigten Heilszeit verbunden: Nach Jo 3,1f. führt der ausgegossene Geist bei den Betroffenen zu prophetischen Fähigkeiten und zur Rettung vor dem drohenden Gericht. Jes 32,15 verbindet mit der Gabe des Geistes den Anbruch einer Zeit voll fruchtbarem Land, Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit, d.h. „Umwandlung von Land und Leuten“28. In Jes 44,3 wird dem kollektiv verstandenen Knecht Israel durch die Gabe des Geistes der Segen des nun wieder nahen Gottes und neues Leben zugesagt. Dieser Geist wird in Ez 36,26f. dann zu dem der sittlichen Erneuerung dienenden Geschenk Gottes, weil es den Gehorsam der Menschen gegenüber Gottes Geboten bewirkt. Gottes Geist im Inneren jedes Menschen befähigt diesen zur Einhaltung des Gesetzes des Bundes (Ez 11,19). Schließlich hat Gott den Menschen den Geist gegeben, um sie zu unterweisen (Neh 9,20; vgl. Prov 1,2329). Und Gottes Bund mit seinem Volk beruht auf der Gabe des Geistes und der Worte, die nicht von den Mündern weichen sollen (Jes 59,21). In diesem Kontext wird verständlich, weshalb Gottes guter Geist als Führer auf rechter Bahn erbeten werden kann, damit Rettung eintritt (Ps 143,10). Andersherum ist es auch Inhalt des Gebets, dass Gott seinen Heiligen Geist als Hilfe für den rechten Weg zur Vergebung der Sünden nicht von dem Men27
In Jes 63,11 wird die Gabe des Geistes auf Mose als Heil für das Volk Israel angese-
hen.
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KOCH, Geist Gottes, S. 112. In der Septuaginta wird x:Wr hier mit πνοή wiedergegeben.
2.2 Hellenistische Philosophie
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schen nehmen möge, so dass dieser einen beständigen Geist erhält (Ps 51,12– 14). Entsprechend kann Widerstand gegen Gott als ein Betrüben des Heiligen Geistes ausgedrückt werden (Jes 63,10). Nicht von ungefähr wird der Geist Gottes im Alten Testament ausschließlich in den beiden letztgenannten Stellen Ps 51,13; Jes 63,10f. als „heilig“ bezeichnet (MT vd,qo x:Wr; LXX πνεῦµα ἅγιον). Er bewirkt die Heiligung der Menschen als gegenüber Gott Gehorsamen.30 Ein Nichthören auf den in den Propheten wirkenden Geist wird in diesem Sinne von Gott bestraft (Neh 9,30): Die Schuldigen werden in die Hand der Völker in den Ländern, i.e. in die Hand ihrer Feinde, gegeben.
2.2 Hellenistische Philosophie 2.2 Hellenistische Philosophie
In der hellenistischen Tradition treten Anschauungen von einem göttlichen Geist insbesondere in der Stoa auf. Das prominente stoische Gedankengut hat sodann innerhalb der hellenistischen Philosophie in mittelplatonischen Schriften Einfluss31 gewonnen: Dies zeigt zum einen der pseudo-platonische Dialog Axiochos, zum anderen wird dies anhand der Werke des Plutarch erkennbar. Die Darlegungen zu den griechisch-römischen Geistvorstellungen beginnen daher mit der Stoa, die genannten mittelplatonischen Schriften werden im Anschluss erörtert. 2.2.1 Stoa Die späte Stoa war eine der vorherrschenden32 Philosophenschulen der frühen römischen Kaiserzeit.33 In der Stoa „hat […] die Pneumalehre in der Philosophie ihre konsequenteste [und] auch geschichtlich mächtigste systematische Ausprägung erfahren.“34 Die folgende Darstellung dieser stoischen Lehre wird auf verschiedene Vertreter der Stoa, vor allem aber auf Seneca, zurück-
30
Vgl. KREMER, Pfingstbericht, S. 71. Im Zusammenhang mit den unter II.2.3.2–II.2.3.4 zu präsentierenden Geistvorstellungen des hellenistischen Judentums wird erkennbar werden, dass das den Geist betreffende stoische Gedankengut nicht nur innerhalb der hellenistischen Philosophie Einfluss nahm. 32 Auch Lukas sieht die stoische Philosophie allem Anschein nach als einen der wichtigsten ,Gesprächspartner‘ für seine christliche Lehre an, denn nach seiner Darstellung reagieren Vertreter der Stoa auf die Begegnung mit Paulus auf dem Areopag in Athen offener als die Epikureer (Apg 17,18). Vgl. KLAUCK, Umwelt, S. 75f. 33 Insbesondere Cicero hat durch seine philosophischen Schriften dazu beigetragen, „daß seine Römer und das ganze Abendland die hellenistische Philosophie und speziell die stoische Weltanschauung in lateinischer Sprache kennenlernten“ (POHLENZ, Stoa, S. 274). 34 KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 352. 31
304
2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
greifen. Sie wird zunächst die Rolle des πνεῦµα als Weltvernunft und sodann die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Menschen erörtern.35 2.2.1.1 Göttliche Weltvernunft In der Stoa ist das πνεῦµα eine göttliche, kosmisch-universale Kraft oder Macht, die – wenn auch von sehr feiner Stofflichkeit – materiell verstanden wird. Weil es sich bei der Stoa um eine monistische Philosophie handelt, ist das πνεῦµα ein Bestandteil der Welt, wird also als ein zwar göttliches, aber dennoch innerweltliches Prinzip verstanden (Pantheismus). Das πνεῦµα durchzieht als Weltvernunft (λόγος) alle Materie. So durchwaltet, bewegt und lenkt es die Welt36, ist ihr ἡγεµονικόν („leitendes Prinzip“). Die Kraft wirkt nach fester Gesetzmäßigkeit, und weil es nichts gibt, was ihr in den Weg treten könnte, wird alles mit der gleichen Notwendigkeit von ihr bewirkt. Es durchdringt die gesamte – organische wie unorganische – Welt in allen ihren Teilen, hält sie zusammen und macht sie zu einem „einheitlichen, sympathetischen Organismus“37. Auch alle Einzelbewegung hat im πνεῦµα ihren Ursprung und wird durch sie bestimmt. Zudem ist das πνεῦµα verantwortlich für die individuell unterschiedliche qualitative Beschaffenheit alles einzelnen Seienden38, denn es ist in unterschiedlichen Ausprägungen in den leblosen Dingen, in Pflanzen und Tieren und in Menschen zu finden39, was zu einer gestuften Ansicht des Seins führt.40 In seiner allerfeinsten Ausprägung kann es Gott genannt werden und wird auch mit Gott selbst gleichgesetzt. Es scheint der Stoiker Kleanthes gewesen zu sein, der zum ersten Mal die Gottheit als πνεῦµα aufgefasst hat (SVF 1,121 Fr. 533).41 Auch laut einer Poseidonios zugeschriebenen Aussage ist Gott seinem Wesen nach das geistig wahrnehmbare und feuerähnliche (νοερὸν καὶ πυρῶδες) πνεῦµα, das zwar keine Form hat, sich aber in alles, was es will, verwandeln kann und sich allem angleicht (SVF 2,299 Fr. 1009). Diese stoische Sichtweise ist auch in 35 Die Stoiker sahen eine Analogie zwischen Makro- und Mikrokosmos: Wie der aus Körper und Seele bestehende Mensch einen Verstand hat, so auch die Welt. Vgl. TIELEMAN, Spirit, S. 43. 36 Dies ist beispielsweise bezeugt im 4. / 3. Jh. v. Chr. beim Schulgründer Zenon (SVF 1,25 Fr. 88) sowie bei Chrysipp (SVF 2,112 Fr. 310) oder auch im 1. Jh. v. Chr. bei Cicero (nat. deor. 2,18f.) sowie im 1. Jh. n. Chr. bei Seneca (nat. 2,45,1). 37 KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 352; vgl. auch CROUZEL, Geist, Sp. 498; WILDBERGER, Stoa 1, S. 75f. 38 Vgl. POHLENZ, Stoa, S. 74. 39 Diese unterschiedlichen Ausprägungen erhalten spezifische Namen: ἑκτικὸν πνεῦµα, φυσικὸν πνεῦµα, ψυχικὸν πνεῦµα. Vgl. CROUZEL, Geist, Sp. 498; KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 352. 40 Vgl. WILDBERGER, Stoa 1, S. 217.228. 41 Den Weltenlenker Zeus beschreibt er in seinem auf diesen Gott bezogenen Hymnus in diesem Sinne als „allmächtig“ (παγκρατές) (SVF 1,121 Fr. 537).
2.2 Hellenistische Philosophie
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Origenes’ apologetischer Schrift Contra Celsum bezeugt: ὁ θεὸς πνεῦµά ἐστι διὰ πάντων διεληλυθὸς καὶ πάντʼ ἐν ἑαυτῷ περιέχον („Gott ist Geist, der alle Dinge durchzieht und alle Dinge in sich selbst enthält“) (Cels. VI, 71). 2.2.1.2 Menschliche Vernunft und Ethik Der Mensch hat Anteil an dieser in der Welt waltenden göttlichen Kraft und Macht dadurch, dass die Vernunft (νοῦς) des Menschen ein Teil dieses göttlichen πνεῦµα ist.42 Diese Vorstellung wird bei Seneca, dem wichtigsten Vertreter der Stoa in der frühen römischen Kaiserzeit, in seinen Epistulae morales ad Lucilium beschrieben: „Die Vernunft aber ist nichts anderes als ein in den menschlichen Körper eingesenkter Teil des göttlichen Geistes“ (ep. 66,12).43 Es ist dieser dem Menschen an sich innewohnende göttliche Geist (divinus spiritus), der alle Menschen als Vernunftwesen auszeichnet, ihn also zum animal rationale macht. Für die Menschen ist dieses in ihnen vorhandene πνεῦµα nach Seneca außerdem noch in einer anderen Hinsicht relevant: „Ein Heiliger Geist wohnt in uns, Beobachter und Wächter unserer schlechten und guten (Taten). Wie er von uns behandelt wird, so behandelt er selbst uns. Ein wahrhaft guter Mensch aber ist niemand ohne Gott“ (ep. 41,2).44 Durch den Geist45 wird dem Menschen demnach eine gute Lebensweise ermöglicht, weil auf diese Weise Gott im Menschen wirkt. Alle Entschlüsse der Menschen werden von dem Geist überwacht und ihm verdanken die Menschen daher auch ihr tugendhaftes Handeln. Das πνεῦµα, das in kosmologischer Perspektive die Welt durchwaltet und lenkt, gewinnt als anthropologische Disposition somit unter zwei Gesichtspunkten an Bedeutung: Zum einen stellt der Geist eine Auszeichnung des Menschen als Vernunftwesen dar, zum anderen ist er für die ethische Ausrichtung der Menschen ausschlaggebend. 2.2.2 Pseudo-Platon In dem wahrscheinlich aus dem 1. Jh. v. Chr. stammenden pseudo-platonischen Dialog Axiochos46 ist bezeugt, wie die dargestellte stoische Geist42
Der Stoiker Mark Aurel hob seine Sichtweise allerdings davon ab, indem er πνεῦµα auf psychische Funktionen beschränkte und es dem νοῦς und dem Körper entgegensetzte. Vgl. CROUZEL, Geist, Sp. 499; POHLENZ, Stoa, S. 342f. 43 Ratio autem nihil aliud est quam in corpus humanum pars divini spiritus mersa. 44 Sacer intra nos spiritus sedet, malorum bonorumque nostrorum observator et custos. Hic prout a nobis tractatus est, ita nos ipse tractat. Bonus vero vir sine deo nemo est. 45 Der Geist (spiritus) wird an dieser Stelle von Seneca als heilig (sacer) bezeichnet. Dieses Attribut verweist darauf, dass dieser Geist von dem göttlichen Prinzip der Weltvernunft herkommt. 46 Vgl. MÄNNLEIN-ROBERT, Einführung, S. 6f.
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vorstellung im Mittelplatonismus aufgenommen und hinein in das platonische Denksystem transformiert wurde. In dieser Schrift tritt Sokrates mit dem im Sterben liegenden Axiochos ins Gespräch und versucht, dessen Todesfurcht argumentativ Herr zu werden. Die ersten drei Argumentationsgänge, die die platonische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, das Leid des Lebens und die epikureische Auffassung des Nicht-Tangiertseins des Lebens vom Tod angeführt haben, können dem Sterbenden keinen Trost spenden und erzeugen stattdessen seine Gegenwehr (Ax. 365a–369d). Erst im vierten Argumentationsgang gelingt es Sokrates, dem Sterbenden seine Todesfurcht zu nehmen. Grund dafür ist seine „anthropologische Begründung der Unsterblichkeit durch die ,immanente Transzendenz‘ eines in der menschlichen Seele vorhandenen göttlichen Geistes.“47 Es handelt sich um die Vorstellung, dass der göttliche Geist (πνεῦµα θεῖον) der Seele des Menschen innewohnt und als natürliche Ausstattung zum Wesen des Menschen gehört (Ax. 370c). Diese Vorstellung ist wahrscheinlich von der stoischen Lehre des πνεῦµα als des Göttlichen in der Welt und im Menschen48 beeinflusst. Sie ist im Mittelplatonismus aufgrund der Annahme der Transzendenz des Göttlichen allerdings anders ausgerichtet. Hier stammt das πνεῦµα aus dem transzendenten Bereich und lässt den Menschen daher an der göttlichen Transzendenz teilhaben.49 Auf diese Weise begründet das πνεῦµα die – der platonischen Lehre entsprechende – Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Zudem äußert es sich als ständiger Antrieb des Menschen zu außergewöhnlichen Werken und der Bemächtigung der Welt, insbesondere durch die Schaffung von Kultur (Ax. 370b–c). Neu gegenüber dem stoischen Gedanken des dem Menschen innewohnenden Geistes ist somit an der pseudo-platonischen Sichtweise die sich für den Menschen ergebende Konsequenz, dass er an der göttlichen Transzendenz und damit an der Ewigkeit teilhat. 2.2.3 Plutarch Ein bedeutender paganer Mittelplatoniker im 1.–2. Jh. (ca. 45–125) n. Chr. war Plutarch von Chaironeia, dessen umfangreiches literarisches Werk philosophische und biographische Schriften umfasst. Für die hier vorzunehmende Betrachtung ist die Tatsache, dass er Priester am Orakelheiligtum in Delphi war und ein ausgeprägtes Interesse an Ägypten und ägyptischer Religion hatte, zu berücksichtigen.50 Denn der Begriff πνεῦµα spielt einerseits in Plutarchs die delphische Pythia betreffendem Inspirationsverständnis und
47
FELDMEIER, Geist, S. 149f. S. dazu II.2.2.1. 49 Vgl. FELDMEIER, Geist, S. 149. 50 Vgl. BRENK, Plutarch, S. 250.254; ZIEGLER, Einleitung, S. 7.11–13. 48
2.2 Hellenistische Philosophie
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andererseits bei seiner (aus Ägypten stammenden) Ansicht zur Möglichkeit der Zeugung von Nachkommen zwischen Göttern und Menschen eine Rolle. 2.2.3.1 Inspiration Plutarch spricht ausführlich vom πνεῦµα im Zusammenhang mit der Inspiration der Pythia in Delphi. Dabei knüpft Plutarch in seinem Inspirationsverständnis an dasjenige des Platon an.51 Dies wird deutlich, wenn er sich in seinem Werk Amatorius ausdrücklich auf diese platonische Inspirationsauffassung bezieht: Weissagung ist der ἐνθουσιασµός („Verzückung“), der von der ἐπίπνοια („Anhauch“) des Gottes Apollon kommt (Amat. 16 [758 D–E]). In seinen Werken zum delphischen Orakel kommt Plutarch dann in hohem Maße auf die Inspiration zu sprechen, vor allem in De Defectu Oraculorum. Bei diesen Ausführungen des Plutarch gewinnt der Begriff πνεῦµα gegenüber dem bei Platon üblichen Begriff ἐπίπνοια stärkere Bedeutung. Plutarch spricht dezidiert vom prophetischen Geist, vom πνεῦµα µαντικόν (z.B. def. orac. 40 [432 D]). Dieses πνεῦµα µαντικόν ruft Prophetie hervor, allerdings nur bei Personen wie der Pythia, die dafür geschaffen sind, Eindrücke zu empfangen und Wandlungen zu erleben (def. orac. 51 [438 C]). Auf welche Weise durch das πνεῦµα die Prophezeiungen der Pythia hervorgerufen werden, wird von Plutarch in def. orac. 40 [432 D–F] konkret beschrieben: Die Seele wird durch den aufsteigenden Geist in eine ungewohnte und seltsame Verfassung versetzt (def. orac. 40 [432 D]). Dabei wird die Vorsicht der menschlichen Vernünftigkeit abgelegt, die oft zur Unterdrückung des Enthusiasmus führt (def. orac. 40 [432 F]). Prophetie kann nach Plutarch dadurch zustande kommen, dass die Seele mit dem πνεῦµα µαντικόν eine Verbindung und Verschmelzung von der Art eingehen kann wie die Sehkraft mit dem ihr wesensverwandten Licht. Denn wie das Auge ohne Licht nicht sehen kann, bedarf die prophetische Kraft der Seele etwas Verwandtes, das sie entzündet und schärft (def. orac. 42 [433 D]); dies ist im πνεῦµα gegeben (def. orac. 41 [433 A]).
51 Vgl. CROUZEL, Geist, Sp. 497. Auf Platon geht die griechische Inspirationsauffassung zurück. Er systematisierte die ursprünglich der kultischen Religion zugehörige Inspirationsmantik (vgl. Phaidr. 244aff.265aff.): Die ἐπίπνοια („Anhauch“) erfüllt den Menschen mit Göttlichem (Men. 99d) und nimmt ihm dabei den Verstand (Ion 534a–d). Die so entstehenden Wahrsagungen kommen nicht von dem Menschen, sondern der Gott spricht durch diesen Menschen, der dem Gott als Organ dient (Ion 534 b–e). Laut Platon begründet diese Beteiligung einer göttlichen ἐπίπνοια die Autorität der Orakelaussagen, beispielsweise derjenigen aus Delphi oder Dodona (Leg. V 738c). Vgl. KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 341.345.347. Platon verwendet auffälliger Weise als Ausdruck „für göttliche Einwirkung nicht πνεῦµα, das für ihn ein rein naturwissenschaftlicher Begriff ist, sondern den älteren Terminus ἐπίπνοια“ (ebd., S. 341).
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
Die durch das πνεῦµα ausgelöste Prophetie hat demnach die vorherige Ausstattung der Seele mit prophetischen Fähigkeiten zur Voraussetzung. Darüber hinaus muss sich die prophetische Kraft in rechter Verfassung befinden, um sich mit dem πνεῦµα zu mischen und Enthusiasmus hervorzurufen (def. orac. 51 [438 A]). Ist die Verfassung der Pythia nicht recht, so wird das πνεῦµα ein πνεῦµα κακόν und erzeugt Störungen.52 Plutarch schildert das Schicksal einer Pythia, die, als sie zur Orakelgebung gezwungen wurde, von einem bösen und schlechten Geist (ἀλάλον καὶ κακὸν πνεῦµα) befallen und getötet wurde (def. orac. 51 [438 B]). Um sich vor schlechten Einflüssen zu schützen, lebt die Pythia generell in Keuschheit und Abgeschiedenheit (def. orac. 51 [438 C]). Plutarch kann die Seele aufgrund dieser Tatsachen als ὄργανον θεοῦ (Instrument Gottes) bezeichnen, dessen Aufgabe es ist, sich ihrem ,Bediener‘, eben einem Gott, anzupassen und das Werk zustande zu bringen (Pyth. orac. 21 [404 B]; vgl. def. orac. 50 [437 D]). Der Gott bringt dieses Instrument oder Material mit dem πνεῦµα zum Erklingen, das daher wie ein πλῆκτρον53 wirkt (def. orac. 48 [436 E–F]). Aus verschiedenen Hinweisen ergibt sich, dass Plutarch sich das zur Prophetie führende πνεῦµα stofflich vorstellt. Dies geht auf stoischen Einfluss zurück.54 Z. B. gibt er an, dass das πνεῦµα µαντικόν (ebenso) wie viele andere Kräfte (δυνάµεις) aus der Erde aufsteigt (def. orac. 40 [432 D]).55 Das πνεῦµα der Prophetie wird von Plutarch in Abgrenzung zu anderen aus der Erde herausgesandten Kräften dabei als das „göttlichste und heiligste“ (θειότατον καὶ ὁσιώτατον) (def. orac. 40 [432 D]), die τοῦ πνεύµατος δύναµις als „äußerst göttlich“ (θεία καὶ δαιµόνιος56) (def. orac. 51 [438 C– D]) beschrieben. Das Aufsteigen aus der Erde geschieht wie aus einer Quelle (def. orac. 50 [437 C]). So wird das πνεῦµα in def. orac. 46 [435 A] mit dem Dampf (µαντικὴ ἀναθυµίασις oder ἀτµίς) gleichgesetzt (vgl. def. orac. 41 [433 A]). Es gibt noch weitere Hinweise auf die stoffliche Vorstellung des πνεῦµα bei Plutarch: Er erwägt die Möglichkeit, dass das πνεῦµα außer als Dampf auch als Gas (in Luftform statt in feuchter Form) aufsteigt 52
Auch erfährt die Pythia in der Seele zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Stimmungen oder Eindrücke und bewahrt nicht immer die gleiche Harmonie (def. orac. 50 [437 D]), sodass es zu unterschiedlichen Orakeln oder gar zum Ausbleiben oder Fehlen kommen kann. 53 An dieser Stelle ist das verwendete Bild und damit die Terminologie Plutarchs nicht einheitlich: Während an den oben genannten Stellen Pyth. orac. 21 [404 B]; vgl. def. orac. 50 [437 D] die Seele der Pythia als ὄργανον bezeichnet wird, so wird diese in def. orac. 48 [436 E–F] als ὕλη („Material“) beschrieben und stattdessen das πνεῦµα als ὄργανον oder πλῆκτρον. 54 Vgl. KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 347. 55 Vgl. CROUZEL, Geist, Sp. 497. 56 Diese Wortkombination θειότατον καὶ ὁσιώτατον ist als Hendiadyoin aufzufassen.
2.2 Hellenistische Philosophie
309
(def. orac. 40 [432 D]). Außerdem gibt es die Vorstellung, dass durch die Wärme des Geistes in der Seele Öffnungen für das Eindringen von Zukunftsvorstellungen geschaffen werden, so dass das πνεῦµα wie Wein wirkt (def. orac. 40 [432 E]).57 Diese stoffliche, auf physikalischem Verständnis beruhende Vorstellung der Prophetie führt schon in Plutarchs Dialog De Defectu Oraculorum zu der Frage, was unter Zugrundelegung dieser Annahme die Götter noch mit der Weissagung zu tun haben und warum man ihnen noch opfern sollte (def. orac. 46 [435 A–D]). Dieser Einwand wird dann aber entkräftet: Die gebotene Auffassung von der Weissagung ist nicht ohne Gott (ἄθεον) und ohne Vernunft (ἄλογον), führt also nicht in die „Irreligiösität“58 (def. orac. 48 [436 E–437 A]): Denn Erde und Sonne, die die Dünste erzeugen, gelten nach den Vätern auch als Gott. Die Sonne wird von Plutarch mit dem griechischen Sonnengott Apollon, der auch als der Orakelgott von Delphi galt, in eine enge Verbindung gebracht (def. orac. 42 [433 E]).59 Zudem haben die Orakel δαίµονες („Gottwesen“) als Vorsteher und Wächter; diese sorgen bei der Inspiration dafür, dass der Vorgang gelingen kann. Trotz der stofflichen Vorstellung des die Inspiration hervorrufenden πνεῦµα bleibt für Plutarch demnach der dahinterstehende Gott Auslöser und Geber des prophetischen Orakels. 2.2.3.2 Zeugung Neben der dargestellten Bedeutung des πνεῦµα in Bezug auf die Inspiration findet sich bei Plutarch auch die Vorstellung, dass πνεῦµα als „zeugerisches Entstehungsprinzip“60 eine Rolle spielen kann. Plutarch macht seine Ansicht zu der Frage deutlich, auf welche Weise es zwischen Göttern und Menschen zur Zeugung neuen Lebens kommen kann. So sei zwar die Liebe eines Gottes zu einem guten Menschen vorstellbar, nicht aber eine sexuelle Gemeinschaft der beiden. Jedoch ist für Plutarch die ägyptische Vorstellung plausibel, nach der der Geist eines Gottes (πνεῦµα θεοῦ) in menschlichen Frauen zur Zeugung führen kann (Numa 4,6 [I 62]). Dabei nimmt Plutarch Bezug auf den
57 Es können noch weitere Hinweise auf die stoffliche Vorstellung des πνεῦµα bei Plutarch angeführt werden. Plutarch hält es für wahrscheinlich, dass das πνεῦµα infolge von Wärme oder irgendeiner anderen wirksam werdenden Kraft aufsteigt (def. orac. 50 [437 C]). Darüber hinaus wird im Sinne einer stofflichen Vorstellung diskutiert, ob die in Verbindung mit der Wärme entstehende Trockenheit das πνεῦµα verdünnt und ätherartig sowie rein macht und ob andererseits durch Abkühlung und Verdichtung des Hauches der prophetische Teil der Seele wie Eisen durch das Eintauchen in Wasser gestärkt und gestählt wird (def. orac. 41 [432 F–433 A]). 58 KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 348. 59 Vgl. dazu ZIEGLER, Einleitung, S. 16. 60 KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 340.
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
altägyptischen Mythos von der Zeugung des Pharao, dessen göttlichmenschliche Natur durch die Geistwirkung begründet wird.61 Plutarchs griechische Vorstellungswelt kennt ebenso göttlich-menschliche Geburten großer Persönlichkeiten. Darauf ist Plutarchs oben genannte Äußerung zur Plausibilität der Vorstellung der Geistzeugung gerade innerhalb des die NumaBiographie beinhaltenden Gesamtwerkes der Parallelbiographien, die der Lebensbeschreibung großer Persönlichkeiten gewidmet sind, zu beziehen.
2.3 Antikes Judentum 2.3 Antikes Judentum
Bezüglich der Frage nach den in jüdischen Schriften vorhandenen Geistvorstellungen finden sich in den Schriftengruppen oder Werken62 des Antiken Judentums, die ein dichtes Vorkommen an Geistvorstellungen aufweisen, repräsentative Aussagen. Deshalb wird zunächst anhand der QumranSchriften das hinsichtlich des Geistes vorhandene Gedankengut im palästinischen Judentum aufgezeigt. Zum Zweck der Erschließung der Geistvorstellungen in der für Lukas besonders bedeutenden Verbindung der jüdischen und der griechisch-römischen Tradition im hellenistischen Judentum werden die Weisheit sowie die Psalmen Salomos und Philo herangezogen.63 61
Vgl. RADL, Ursprung, S. 357f. Da der als πνεῦµα bezeichnete Geist in den Testamenten der zwölf Patriarchen häufig genannt wird, wäre es naheliegend, diese Schrift in die Erörterungen zu den im Antiken Judentum vorhandenen Geistvorstellungen einzubeziehen. Allerdings ist in der Forschung sowohl die genaue Herkunft als auch die Datierung der Schrift unklar. Es ist fraglich, ob es sich um ein jüdisches Werk handelt, dessen Grundschrift mehrfach und zuletzt im 2. Jh. n. Chr. christlich bearbeitet wurde (vgl. z.B. BECKER, Einleitung, S. 25), oder um eine judenchristliche Schrift, die die neutestamentlichen Texte bereits voraussetzt (vgl. z.B. KUROWSKI, Testamente, S. 179–184). Eine Untersuchung zu den in den Testamenten der zwölf Patriarchen enthaltenen unterschiedlichen Geistvorstellungen findet sich bei ULRICHSEN, Grundschrift, S. 220–234. Seine Erwägungen verdeutlichen, dass der Versuch einer Zuordnung der Geist-Belege zu den von ihm angenommenen unterschiedlichen Bearbeitungsschichten nur unter bestimmten Prämissen und angenommenen Klassifizierungen möglich wäre. Bei Ulrichsen führt dies dazu, in den evtl. frühen jüdischen Schichten den Geist in der Terminologie Ulrichsens in „psychologische[m] Gebrauch“ zu verstehen, hingegen erst in späteren Schichten von einem „dämonologische[n]“ Gebrauch auszugehen (ebd., S. 234). Von diesen beiden Verwendungsweisen unterscheidet Ulrichsen einige wenige Hinweise auf den Geist Gottes, die er als christlich identifiziert. Vgl. ebd., S. 225. Aufgrund dieser Unsicherheiten erscheint ein Einbeziehen dieser Schrift in die für Lukas maßgeblichen Traditionen nicht ratsam. 63 Als Zeugnisse des hellenistischen Judentums haben die Werke des Flavius Josephus (ca. 37 / 38–100 n. Chr.) große Bedeutung. Für das lukanische Doppelwerk sind Josephus und sein Werk vor allem aus dem Grund interessant, dass sowohl bei Josephus als auch bei Lukas ein hellenistisch geprägtes historiographisches Interesse mit einem jüdischen Traditionshintergrund verbunden wird. Vgl. MASON, Josephus, S. 272. Allerdings ist bei Jo62
2.3 Antikes Judentum
311
2.3.1 Qumran Die im palästinischen Judentum vorherrschenden Geistvorstellungen können anhand der Qumran-Schriften64 paradigmatisch erörtert werden, weil in diesen die Rede von einem zu Gott gehörenden Geist in vielfältiger Weise vorhanden ist.65 Die besondere Rolle des Geistes kann in die Themenkomplexe der Erwählung und Reinigung sowie der prophetischen Gestalten gegliedert werden. 2.3.1.1 Erwählung und Reinigung Immer wieder ist in den Qumran-Texten die Rede davon, dass Gott seine (vd,qo) x:Wr in den Menschen gegeben hat. Durch diesen (Heiligen) Geist wird
sephus keine ausgeprägte Vorstellung des Geistes Gottes zu finden. Josephus’ Erwähnungen des πνεῦµα betreffen vorwiegend Stellen, an denen auch die von ihm nacherzählten alttestamentlichen Erzählungen den Geist Gottes nennen. Alttestamentlichen Ursprungs sind die Erzählungen von dem aufgrund seiner Geisterfüllung Israel segnenden Bileam (AJ IV,118f. / Num 24,2), dem Geist-Übergang von Saul auf David (AJ VI,166 / 1. Sam 16,13), den durch den Geist in Verzückung geratenen Saul und seiner Boten (AJ VI,222 / 1. Sam 19,20.23), der Auseinandersetzung Micha Ben Jimlas mit den Falschpropheten anhand des Geistes (AJ VIII,408 / 1. Kön 22,21–24) sowie von Daniels Weisheit und Geist (AJ X,239 / Dan 5,14). Dennoch lässt sich an drei Stellen erkennen, dass der Geist – wie es in diesem Abschnitt als allgemeine in jüdischen Schriften vorhandene Tendenz sichtbar wird – durchaus auch bei Josephus ein etwas größeres Gewicht bekommt: So interpretiert Josephus in Bezug auf die Menschenschöpfung aus Gen 2,7 die von Gott dem Menschen eingehauchte hm'v'n> (LXX πνοή) als πνεῦµα (AJ I,34), das er durch den mit καί angeschlossenen Begriff der ψυχή („Seele“) erklärt (vgl. die Zusammenstellung von ψυχή und πνεῦµα in AJ III,260). Vgl. BÜCHSEL, Geist Gottes, 95. Die Interpretation der nach Gen 2,7 an der Menschenschöpfung beteiligten πνοή als πνεῦµα ist ebenfalls bei Philo und in der Weisheit Salomos zu finden. Eine weitere von Josephus berichtete Begebenheit, in die er den Geist einträgt, ist das Gebet des Salomo nach dem Tempelbau. Hier erbittet Salomo, dass Gott den Geist in den Tempel sendet, damit Gott gegenwärtig ist (AJ VIII,114). Interessant ist bei Josephus außerdem, dass der Bileam und seiner Eselin in den Weg tretende Engel Gottes (Num 22,22–27) als θεῖον πνεῦµα („göttlicher Geist“) interpretiert wird (AJ IV,108). Dies zeigt, wie Engel und Geist als göttliche Wesen verbunden werden und auf diese Weise ineinander übergehen konnten, so dass sie austauschbar wurden. Vgl. LEVISON, Spirit, S. 29. 64 Mit dem Begriff „Qumran“ wird hier der Teil der Textfunde vom Toten Meer bezeichnet, der eine spezifische Gruppe und ihr Gemeinschaftsleben betrifft. Daneben wurden in den Höhlen am Toten Meer Handschriften mit alttestamentlichen Texten sowie mit Pseudepigraphen gefunden. Die gefundenen Schriftrollen werden in den Zeitraum vom 1. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr. datiert. Vgl. VANDERKAM, Einführung, S. 40. 65 Dabei finden sich viele auch im Alten Testament bezeugte Phänomene. Neu gegenüber dem Alten Testament ist aber der Gebrauch des maskulinen Plurals ~yxiWr (z.B. 1QS 3,24; 4,23) neben dem pluralen Femininum. Vgl. NÖTSCHER, Geist, S. 175.
312
2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
der Mensch gestärkt gegen Plage und Frevel (1QH 7,6f.; vgl. 1,32)66 und ihm wird Gotteserkenntnis und die Fähigkeit, in Gottes Wegen zu gehen, geschenkt (1QH 1,8f.15; 4,31; 9,32; 12,11f.; 13,19; 14,13.25; 15,22; 17,26). Ohne diesen von Gott gegebenen Geist ist der Mensch nicht in der Lage, Gottes Gebote einzuhalten und den mit ihm geschlossenen Bund zu bewahren, Gott zu dienen und ihm wohlgefällig zu leben (1QH 16,6–12). So ist die Zusage des Geistes Teil des Segensspruches (1QSb 2,24). Immer wieder ist in diesem Kontext davon die Rede, dass der Mensch mithilfe des Geistes sich und seine Seele reinigen muss (1QH 16,12), um den Werken des Frevels zu widerstehen. Der Geist ist hier folglich als „moralische Kraft im Menschen“67 anzusehen. Deshalb spielt der Geist auch bei der Aufnahme in die QumranGemeinschaft (Yahad) eine entscheidende Rolle, weil er für den Erwählten Reinigung und Entsühnung und „dadurch den Wandel des Aufgenommenen in Vollkommenheit ermöglicht“68 (1QS 3,6–9).69 Ein jeder, der in die Gemeinschaft aufgenommen wird, wird nach diesem Geist beurteilt und entsprechend in die Gemeinschaft eingestuft (1QS 5,21.24; 6,17; 9,15.18). Deshalb werden die Mitglieder der Gemeinschaft gewarnt, den Heiligen Geist nicht zu verunreinigen (CD 5,11; 7,3f.). In diesem Sinne wird auch der Geist, der zu ewiger Wahrheit führt, als Grundlage der Gemeinschaft angesehen (1QS 9,3). Innerhalb der Gemeinderegel findet sich außerdem ein grundsätzlicher Abschnitt zur sogenannten Zwei-Geister-Lehre70 (1QS 3,13–4,26).71 Sie geht von einer Grundaufteilung der Welt in Gut und Böse aus, die von Gott planmäßig festgelegt wurde. Die beiden von Gott kommenden Geister, der Geist der Wahrheit und der Geist des Frevels, sind diejenigen, die diese Aufteilung 66
In 1QH 7,6f. wird der Rede von der Stärkung durch den Geist die Aussage vorangestellt, dass Gott den Menschen durch seine Kraft (z[o) stützt. Somit sind Heiliger Geist und Kraft Gottes an dieser Stelle als parallele Begriffe anzusehen. 67 TENGSTRÖM / FABRY, x:Wr, Sp. 422. 68 FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 224. 69 Besonders anhand der in der Gemeinderegel vorhandenen Belege wird deutlich, dass die Vorstellung des den Menschen auf seinem Weg zu Vollkommenheit und Heil unterstützenden Geistes an Ps 51,12–14 angelehnt ist. Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied: Nach 1QS beruht die Möglichkeit zur Erlangung des Heils auf göttlicher Vorsehung und Erwählung. Vgl. KLEIN, Spirit, S. 187. 70 Möglicherweise ist diese Lehre unter altiranischem Einfluss entstanden. Vgl. TENGSTRÖM / FABRY, x:Wr, Sp. 420; CROUZEL, Geist, Sp. 503. Sie ist aber auch aus der jüdischen Lehre heraus verständlich. Vgl. KRATZ, Gottes Geheimnisse, S. 144. 71 Diese Zwei-Geister-Lehre ist eine jüngere Weiterentwicklung der zuvor erörterten Vorstellung von dem einen dem Menschen zu moralisch gutem Handeln gegebenen Geist, die auf stärker eschatologischen samt anthropologischen Überlegungen ruhte. Vgl. KRATZ, Gottes Geheimnisse, S. 141. Mit der in 1QS 3,6–9 beschriebenen Aufnahmezeremonie hat diese Lehre gemeinsam, dass Heiliger Geist mit dem Prozess der Reinigung in Verbindung gebracht wird. Vgl. TIGCHELAAR, Historical Origins, S. 181.
2.3 Antikes Judentum
313
aufrechterhalten. Auch das Leben der Menschen ist durch die Geister nach Gottes Plan festgesetzt. Das Schicksal jedes Einzelnen ist damit vorherbestimmt und gelenkt, ohne dass eine Änderung des Lebensplanes vorgesehen ist.72 Dennoch müssen die Söhne des Lichts, die mit dem Geist der Wahrheit begabt sind, gegen die Anfeindungen der vom Geist des Frevels bestimmten Söhne der Finsternis standhalten. Auch im Herzen der Menschen kämpfen die Geister gegeneinander. Erst das Endgericht wird den Sieg der Wahrheit bringen und den Geist des Frevels aus den erwählten Menschen verdrängen, indem das Innere des Menschen durch den Heiligen Geist gereinigt werden wird.73 In diesem Zusammenhang können die Geister sowohl als Kraft, in der die Menschen wandeln (1QS 3,18; 4,6.11.15), als auch als personale Gegenüber74 des Menschen verstanden werden, die um die Menschen kämpfen (1QS 4,23; vgl. 3,24). Dies gilt in ähnlicher Weise in Bezug auf den oben genannten Erkenntnis schenkenden Geist: Soweit ausgeführt wird, dass der Geist auf den Menschen gesprengt werden kann (1QH 17,26) oder dass der Mensch im Geist wandelt (1QH 4,31), ist der Geist ein Kraftphänomen; jedoch treten die Geister der Erkenntnis (im Plural) dem Menschen auch als eigenständiges Subjekt gegenüber (1QH 3,22f.).75 2.3.1.2 Prophetische Gestalten Ein weiteres Phänomen verbindet sich in Qumran dort mit dem Geist, wo er zu einer besonderen Begabung Einzelner wird: Auch in den Qumran-Schriften sind Propheten als Offenbarungsempfänger diejenigen, die die Gemeinde durch den Heiligen Geist über Gottes Wort belehren (1QS 8,16). Der Geist ist daher eine „Berufsbegabung“76. Darüber hinaus können diese Prophetengestalten auch als „Gesalbte des Geistes“ bezeichnet werden (CD 2,12f.; 5,21–6,1; 1QM 11,7; 4Q270, Frgm. 2,II,14).77
72 Man kann hier von Prädestination sprechen. Vgl. TENGSTRÖM / FABRY, x:Wr, Sp. 420; CROUZEL, Geist, Sp. 503. 73 Diese „Lehre stellt die Gemeinschaft und ihre Ordnung unter einen eschatologischen Vorbehalt“ (KRATZ, Gottes Geheimnisse, S. 144). 74 Solche „Geister als Untertanen Gottes stehen […] mit anderen persönlichen Wesen in einer Reihe“ (NÖTSCHER, Geist, S. 181). Dazu zählen vor allem Engel, Dämonen und auch Belial. 75 Vgl. NÖTSCHER, Geist, S. 177.180f. 76 Ebd., S. 178. 77 „Interestingly, the connection in the Hebrew Bible between anointing, spirit, and prophecy (1 Sam 16:13; Isa 61:1) has developed into a metaphor and set phrase“ (TIGCHELAAR, Historical Origins, S. 198).
314
2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
Mithilfe dieses Terminus wird die besondere Nähe dieser Personen zu Gott betont.78 Davon unterschieden wird im Melchisedek-Midrasch ein „Gesalbter des Geistes“ ([x:]Wrh' x:yvim.) (11QMelch 2,18f.) genannt, dessen Auftreten an Jes 61,1–3 erinnert. Das zentrale Thema des Midraschs ist die Figur des Melchisedeks als Priester, König und Richter samt der Aussage, dass dieser den Anbruch der Heilszeit herbeiführen wird. Bei dem Gesalbten des Geistes handelt es sich in diesem Kontext um eine prophetische Gestalt, die dem himmlischen Melchisedek „assistiert“79, indem sie den Bezug zu den Menschen herstellt und den Anbruch der Heilszeit ansagt. Seine Verkündigung soll Trost für die Trauernden Zions bringen, weshalb er auch als Freudenbote bezeichnet wird. Es fällt auf, dass die besondere Begabung Einzelner mit dem Geist in Qumran stets prophetische Gestalten betrifft, denen eine offenbarende Funktion zugeschrieben wird und die in verschiedenen Zusammenhängen als Gesalbte des Geistes benannt werden. 2.3.2 Weisheit Salomos Wahrscheinlich um die Zeitenwende ist in Alexandria die Schrift „Weisheit Salomos“ (Sapientia Salomonis) entstanden.80 In ihren Ausführungen treffen jüdisches und hellenistisches Gedankengut zum Geist aufeinander. Die in der Weisheit Salomos vorhandenen Geistvorstellungen lassen sich in den Geist als Lebensprinzip und den mit der kosmischen Weisheit verbundenen Geist unterteilen. 2.3.2.1 Lebensprinzip Die Weisheit Salomos enthält die Vorstellung eines Leben schaffenden Geistes (πνεῦµα ζωτικόν), der allen Menschen gegeben ist (SapSal 15,11). Diesen Geist (πνεῦµα) hat Gott den Menschen bei der Erschaffung eingehaucht und ihnen damit eine Seele (ψυχή) gegeben. Insofern hat der Mensch den Geist nur geborgt (SapSal 15,16).81 Deshalb wird der Geist des Menschen bei dessen Tod vergehen (SapSal 2,3). Den Geist, der entwichen ist, kann der Mensch nicht zurückbringen und die Seele, die bereits von der Unterwelt aufgenommen wurde, nicht wieder frei machen (SapSal 16,14).
78 Ähnlich wurde auch der Terminus „heiliger Gesalbter“ gebraucht. Vgl. KARRER, Der Gesalbte, S. 220f. 79 FABRY / SCHOLTISSEK, Messias, S. 50; vgl. auch KARRER, Der Gesalbte, S. 354. 80 Vgl. NEHER, Weisheit, S. 240; BIEDER, πνεῦµα, S. 369. 81 Vgl. synonym die Rede von der geborgten Seele in SapSal 15,8.
2.3 Antikes Judentum
315
Dieses Verständnis des πνεῦµα als „Lebensprinzip“82 lehnt sich an Gen 2,7 an83, wobei anders als im Septuaginta-Text dieser Stelle hm'v'n> nicht mit πνοή, sondern mit πνεῦµα wiedergegeben wird. 2.3.2.2 Kosmische Weisheit Daneben wird der Geist in der Weisheit Salomos mit dem kosmischen Prinzip der Weisheit (σοφία) verbunden. Der Geist des Herrn (πνεῦµα κυρίου) erfüllt den ganzen Erdkreis (οἰκουµένη), ist allumfassend (SapSal 1,7) und in allen Dingen (SapSal 12,1). In dieser Aussage hat sich die stoische Lehre niedergeschlagen84, wobei anders als in der Stoa die Transzendenz Gottes trotz seines Wirkens in der Welt betont wird.85 Der Geist schenkt Zugang zu Gott und repräsentiert das allgegenwärtige Wirken Gottes in der Welt.86 Den Ausführungen der Weisheit Salomos zufolge ist der mit vielen Adjektiven geschmückte Geist im Besonderen in der Weisheit (SapSal 7,22), wo er den Bezug zwischen Gott und Weisheit schafft.87 Deshalb kann der Geist auch als Geist der Weisheit (πνεῦµα σοφίας)88 bezeichnet (SapSal 7,7) oder als Synonym89 zur Weisheit gebraucht werden (SapSal 1,6; 9,17). Auch in der Verbindung mit der Weisheit ist der Geist Gabe für den Menschen: Mit dieser Weisheit und diesem Geist werden allerdings nicht alle Menschen, sondern ausschließlich die Gottesfreunde, Frommen und Propheten ausgerüstet (SapSal 7,23.27). Dies unterscheidet den Geist der Weisheit von dem lebensschaffenden und die Seele bildenden Geist, der allen Menschen zukommt.90 Der Mensch erhält den Geist der Weisheit auf das Gebet hin und wird so mit φρόνησις („Einsicht“) beschenkt (SapSal 7,7). Dieser Geist wird als etwas dargestellt, was allem anderen vorzuziehen ist, sei es Zepter und Thron, Reichtum oder Gesundheit und Wohlgestalt (Vv.8f.). Nur wer Weisheit bzw. den heiligen Geist von Gott bekommen hat, kann den Plan Gottes erkennen (SapSal 9,17). Insofern gewährt dieser Geist bzw. die Weis-
82
BIEDER, πνεῦµα, S. 369. Vgl. auch CROUZEL, Geist, Sp. 501. Vgl. GEORGI, Weisheit, S. 456. 84 Vgl. EDWARDS, Pneuma, S. 68. 85 Vgl. BIEDER, πνεῦµα, S. 370; CROUZEL, Geist, Sp. 501. 86 Vgl. FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 226. 87 Vgl. NEHER, Weisheit, S. 114. Dabei wird die Verbundenheit von Geist und Weisheit in SapSal 7,22–24 durch sowohl dem Geist wie auch der Weisheit zugemessene sachlich entsprechende Eigenschaften (wie vor allem „beweglich“, „durchziehend“) herausgestellt. 88 Hier handelt es sich um einen Genitivus appositivus, der sinngemäß übersetzt wird mit „der Geist, der Weisheit ist“. 89 Vgl. GEORGI, Weisheit, S. 403; auch FISCHER / HEIL, Geistbegabung, S. 68; MARBÖCK / KREMER, Geist, Sp. 1305. 90 Vgl. BIEDER, πνεῦµα, S. 370. 83
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
heit die Bildung91 im Menschen (SapSal 1,5f.). Der menschenfreundliche Geist führt ihn zu verständigen Gedanken und bestraft andererseits Ungerechtigkeit, weil er durch ein solches Verhalten geschändet wird. In diesem Vorstellungskomplex kann der Geist mitunter als personales Gegenüber verstanden werden, wenn er den Ungerechten strafend gegenübertritt (SapSal 1,5f.) oder Gott über geschehenes Unrecht mit dem Ziel der Bestrafung der Übeltäter unterrichtet (SapSal 1,9).92 Denn Gott ist Aufseher von Herz, Nieren und Zunge und überführt die Sünder und verwarnt sie. Daneben heißt es auch, dass die Gottlosen und Frevler durch den „Geist der Kraft“ (πνεῦµα δυνάµεως) (SapSal 5,23; 11,20), welcher auch nur als δύναµις bezeichnet werden kann (SapSal 1,3; 12,15.17), ihre verdiente richtende Bestrafung erfahren.93 2.3.3 Psalmen Salomos Zur Darstellung der im hellenistischen Judentum bestehenden Geistvorstellungen94 kann auch auf einige wenige Hinweise zurückgegriffen werden, die in den wahrscheinlich aus dem 1. Jh. v. Chr.95 stammenden Psalmen Salomos enthalten sind. PsSal 17 und 18,1–9 gewähren einen guten Einblick in die unmittelbar vor der Entstehung des Urchristentums bestehenden jüdischen Erwartungen eines Gesalbten, denn die beiden Psalmen Salomos haben den eschatologischdavidischen Messias96 zum zentralen Thema (PsSal 17,21).97 Die beiden Psalmen geben eine eingehende und ausführliche Schilderung der Aufgaben und Eigenschaften des verheißenen Sohnes Davids, des Königs, der kommen wird. Dieser wird ausdrücklich als χριστὸς κυρίου („Gesalbter des Herrn“) bezeichnet (PsSal 17,32; 18,7). Innerhalb dieser Schilderungen wird deutlich, 91
An dieser Stelle kann der Geist deshalb auch als πνεῦµα παιδείας („Geist der Bildung“) bezeichnet werden. 92 Vgl. NEHER, Weisheit, S. 93–97. 93 Vgl. ebd., S. 91–93. 94 Die Psalmen sind wahrscheinlich in Palästina (Jerusalem) entstanden, fanden aber entscheidende Verwendung in Alexandria. Vgl. HOLM-NIELSEN, Einleitung, S. 59. 95 Ausschlaggebend für die Datierung der Psalmen Salomos sind die historischen Anspielungen der Psalmen 2; 8; 17. Es ist anzunehmen, dass hier die Eroberung Jerusalems durch Pompeius (63 v. Chr.) und dessen Tod in Ägypten 48 v. Chr. geschildert werden. Die Psalmen Salomos sind deshalb wahrscheinlich um die Mitte des 1. Jhs. v. Chr. verfasst worden. Vgl. HOLM-NIELSEN , Einleitung, S. 51. 96 Vgl. auch SHIN, Ausrufung, S. 143–145. 97 In den übrigen Psalmen Salomos kommt der Messias nicht vor, obwohl einige von ihnen von eschatologischen Erwartungen in mehr allgemeiner Form geprägt sind (z.B. 11). Laut Waschke stechen PsSal 17f. mit ihrem starken Bezug zum davidischen Königtum und der damit verbundenen Hoffnung aus der Psalmengruppe hervor, da diese Thematik in den vorausgehenden Psalmen noch nicht anklingt. Vgl. WASCHKE, Gesalbte, S. 132.
2.3 Antikes Judentum
317
dass dieser Gesalbte seine Taten verrichten kann, weil Gott ihn stark gemacht hat mit Heiligem Geist (ἐν πνεύµατι ἁγίῳ) (PsSal 17,37). So kann er seine Herrschaft ausüben und auch gegen ungerechte Fürsten (PsSal 17,22) und gesetzlose Völkerschaften (PsSal 17,24) vorgehen. Diese durch den Heiligen Geist gegebene Ermächtigung wird außerdem direkt verbunden mit Weisheit, Stärke und Gerechtigkeit, die die Herrschaft des Gesalbten prägen sollen. Noch einmal wird in PsSal 18,7 auf ähnliche Weise dargestellt, dass der Gesalbte sein Volk in der vom Geist gegebenen Weisheit (σοφία πνεύµατος) – verbunden mit Gerechtigkeit und Stärke – führen wird. In PsSal 17 und 18,1–9 erfährt der Gesalbte des Herrn folglich die Hilfe Gottes durch den Weisheit, Stärke und Gerechtigkeit schenkenden Heiligen Geist. Er kann voll des Geistes wirken, den Gott ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe verliehen hat. 2.3.4 Philo Des Weiteren ist für diese Arbeit wichtig, welche πνεῦµα-Vorstellungen der um die Zeitenwende (20 v. Chr.–45 n. Chr.) lebende98 jüdische Religionsphilosoph Philo von Alexandrien hatte, denn bei ihm treffen sich die griechische Philosophie (Stoa und Platonismus) und jüdisches Gedankengut. Philo widmete sich der Aufgabe, die Thora mit Hilfe der Allegorese und der antiken Philosophie zu deuten. Dieses Vorhaben stand unter dem Anspruch, seinem jüdischen Glauben treu zu bleiben und ihn gleichzeitig in die hellenistische Vorstellungswelt zu übersetzen. Gemäß dieser generellen Ausrichtung begegnen sich auch in Philos Vorstellungen von πνεῦµα beide Bereiche, umfassen also sowohl jüdische wie griechische Aspekte. Deshalb sind die πνεῦµα-Vorstellungen bei Philo vielschichtig und weisen Ungereimtheiten auf99: Philo kennt das πνεῦµα als kosmisches Prinzip, als besondere Gabe des Menschen und als für die Prophetie relevantes Element. Diese drei Aspekte werden im Folgenden erörtert. 2.3.4.1 Kosmisches Prinzip Für Philo ist πνεῦµα als kosmisches Prinzip zum einen dasjenige, was jede Materie, so auch alle Lebewesen wie den Menschen (fug. 182), durchzieht und zusammenhält (opif. 131). Hier sind seine Vorstellungen abhängig von der Stoa, was vor allem in der Angleichung des πνεῦµα100 an νοῦς und λόγoς zum Ausdruck kommt (vgl. z.B. fug. 133–134).101 Zwar ist πνεῦµα 98
LEISEGANG, Philon, Sp. 1. Vgl. CROUZEL, Geist, Sp. 501. 100 Das πνεῦµα wird an dieser Stelle ausdrücklich als ein heißes und feuriges (ἔνθερµον καὶ πεπυρωµένον) beschrieben. 101 Vgl. DILLON, Middle Platonists, S. 159, Anm. 1. 99
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2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
laut Philo die göttliche Kraft, aber Philo identifiziert πνεῦµα nie mit Gott, da für ihn die göttliche Transzendenz feststeht (vgl. conf. 136f.; migr. 181102). Hier sind alttestamentlich-jüdische und griechische Aspekte zusammengebracht worden. Der transzendente Gott ist durch das πνεῦµα mit der von ihm geschaffenen Welt verbunden, er ist in ihr gegenwärtig und handelt mittels des πνεῦµα in dieser Welt.103 2.3.4.2 Unsterblichkeit, Gotteserkenntnis und Ethik des Menschen Außerdem findet sich bei Philo die Vorstellung, dass der göttliche Geist (πνεῦµα θεῖον) dem Menschen von Gott eingehaucht wurde (opif. 135; vgl. leg. all. I,38) oder in den Menschen eingeflossen ist (opif. 144). Dieser göttliche Geist stellt die Seele (ψυχή) des Menschen dar, die im Gegensatz zum sterblichen Körper den unsterblichen Teil des Menschen bildet (opif. 135). Für diese Aussage hat Philo die alttestamentliche Darstellung der Menschenschöpfung aus Gen 2,7 so gedeutet, dass Gott dem Menschen bei dessen Erschaffung die ψυχή als πνεῦµα eingehaucht hat. Die Septuaginta hatte an dieser Stelle das hebräische Wort hm'v'n> mit πνοή übersetzt, was Philo zunächst aufnimmt (opif. 134), im Folgenden aber als πνεῦµα θεῖον interpretiert (opif. 135). An anderer Stelle macht Philo deutlich, dass der Geist vor allem in den vernünftigen Teil der Seele, den menschlichen νοῦς, eingegeben wurde (leg. all. I,34–39).104 Der Zweck dieser Gabe des πνεῦµα θεῖον besteht nach Philo darin, dass der Mensch Gott erkennen kann. Außerdem kann der Mensch das Gute erkennen, weil ihm Weisheit und Erkenntnis gegeben wird (gig. 20–28).105 So kann er an der Tugend teilhaben und nach ihr streben. Dieser Geist ist demnach ethisch bestimmt und daher für das ethische Verhal-
102 Hier ist als synonymer Ausdruck für πνεῦµα von durch Gott gegebenen Kräften (δυνάµεις) die Rede, die die Welt zusammen halten. Die Synonymität wird dadurch bestätigt, dass in opif. 131 von der die Welt zusammenhaltenden „Kraft des Geistes“ (δύναµις πνεύµατος) gesprochen wird. 103 Vgl. CROUZEL, Geist, Sp. 502. 104 Die Vernunft wird in diesem Zusammenhang in leg. all. I,39 von Philo als lenkender Teil der Seele definiert: ψυχῆς ἡγεµονικόν ἐστιν ὁ νοῦς. An anderer Stelle erklärt Philo, dass das Wort Seele (ψυχή) in doppeltem Sinn gebraucht werden kann, und zwar sowohl für die gesamte Seele als auch nur für den lenkenden Teil. Dazu gehört die Vorstellung, dass der führende und wichtigste Teil der Seele aus dem πνεῦµα θεῖον besteht, wohingegen die ganze Seele aus Blut ist (her. 55). Vgl. DILLON, Middle Platonists, S. 175f. 105 Dies macht Philo am Beispiel der Geistbegabung des Kunsthandwerkers Bezalels (Ex 31,2f.) und dem von Mose an die 70 Ältesten verteilten Geist (Num 11,17) deutlich (gig. 23f.). In Bezug auf das zweitgenannte Beispiel erläutert Philo, dass der dem Mose gegebene Geist sich nicht verringert, weil Erkenntnis sich durch Weitergabe in keinem Teil mindert, sondern oftmals sogar noch einen Zuwachs zum Besseren erfährt (gig. 25–27).
2.3 Antikes Judentum
319
ten der Menschen wichtig.106 So zeigt sich der Geistträger durch sein gutes Verhalten und bildet einen Gegensatz zu der Sorte von Menschen, die nach dem Blut dahinvegetieren (her. 57). 2.3.4.3 Prophetie Weiterhin hat das πνεῦµα für Philo in der Prophetie eine besondere Bedeutung: Der zur Prophetie berufene Mensch, beispielsweise jeder der 70 Ältesten aus Num 11,16 (fug. 186), empfängt das πνεῦµα προφητικόν. Dass dieser Geist von Gott kommt und als göttlich ausgewiesen wird, wird an gleicher Stelle deutlich (θεῖον […] καὶ προφητικὸν πνεῦµα). Inbegriff des Propheten ist Mose, der alles in den fünf Büchern Mose Aufgeschriebene im Wege der vom πνεῦµα eingegebenen Prophetie kundtat (vit. Mos. II,265). In diesem Sinn sieht Philo auch sich selbst in seiner Funktion als Allegorese betreibender Ausleger mit dem πνεῦµα begabt (somn. II,252).107 Philo hat bei seiner Prophetie-Vorstellung die Inspirationsauffassung von Platon übernommen, so dass der prophetische Geist auch bei ihm in Gegensatz zum νοῦς tritt (her. 265; vgl. spec. leg. IV,49).108 Der νοῦς entfernt sich demnach bei der Ankunft des πνεῦµα und kommt erst nach dessen Entfernung wieder zurück.109 Auf diese Weise bewirkt das πνεῦµα προφητικόν für Philo die prophetische Erkenntnis und in der Folge die dazugehörige Aussage. Dies kann auch so vorgestellt werden, dass das personal gedachte πνεῦµα dem Propheten die Aussage vorsagt (spec. leg. IV,49).110 Im Vergleich mit der oben geschilderten Wirkung des πνεῦµα θεῖον in der menschlichen Seele bzw. Vernunft fällt auf, dass nach diesen Erläuterungen der νοῦς mittels des πνεῦµα zur Erkenntnis gelangen kann, im Zusammenhang mit der Prophetie aber der νοῦς die Erkenntnis nicht vollziehen kann und deshalb dem πνεῦµα προφητικόν weichen muss.111 Das πνεῦµα wirkt laut Philo also im Verhältnis zum νοῦς in doppelter Weise. Diese Unstimmigkeit in der πνεῦµα-Wirkung, die Philo nicht ausgleicht, resultiert aus dem Aufeinandertreffen der Vorstellung des Menschen als mit πνεῦµα ausgestattetes Vernunftwesen und der vom πνεῦµα bewirkten prophetischen Ekstase als höherer Erkenntnisform.112 Dennoch gibt es immerhin bezüglich der genannten πνεῦµα-Vorstellungen eine einende Gemeinsamkeit: Der Geist 106
Vgl. BIEDER, πνεῦµα, S. 371. Vgl. ebd., S. 372. 108 Vgl. KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 345. Diese Vorstellung, dass das θεῖον πνεῦµα den νοῦς zeitweilig verdrängt, findet sich in ähnlicher Weise schon bei Platon, laut dem die ἐπίπνοια diese Wirkung entfaltet (Phaidr. 265b). Vgl. auch ebd., S. 342, Anm. 43. 109 Vgl. LEISEGANG, Philon, Sp. 38. 110 Vgl. TENGSTRÖM / FABRY, x:Wr, Sp. 424. 111 Vgl. BIEDER, πνεῦµα, S. 372. 112 Vgl. ebd., S. 372f. 107
320
2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
ist in seiner Herkunft Gott zuzuordnen und „immer Ausdruck der Tätigkeit Gottes in der Welt“113.
2.4 Frühchristentum (Paulus) 2.4 Frühchristentum (Paulus)
Der lukanischen Pneumatologie gehen in der frühchristlichen Tradition bereits Geistvorstellungen voraus. Bei Paulus treten diese in ausgeprägtem Maße zu Tage.114 Der Geist Gottes115 spielt in den paulinischen Briefen116 für Jesus, für den einzelnen Christen und für die christliche Gemeinde als ganzer eine Rolle. 2.4.1 Jesus Durch den Heiligen Geist ist Jesus durch die Auferstehung als Sohn Gottes eingesetzt worden (Röm 1,4). Jesus und der Geist gehören fest zusammen, was bis hin zu ihrer Gleichsetzung reicht117: Denn der als Herr bezeichnete Jesus ist das πνεῦµα (2. Kor 3,17–18), womit einhergeht, dass „die Hinwendung zu ihm die Einfügung in den Bereich des πνεῦµα bedeutet“118 (vgl. 1. Kor 6,17). Gleichzeitig wird durch die Verknüpfung in der Genitivverbindung „Geist des Herrn“ (πνεῦµα κυρίου) (2. Kor 3,17) die „Differenz beider Größen“119 betont. So kann der Heilige Geist auch „Geist (Jesu) Christi“ (πνεῦµα (Ἰησοῦ) Χριστοῦ) (Phil 1,19; Röm 8,9) und „Geist des Sohnes“ (πνεῦµα τοῦ υἱοῦ) (Gal 4,6) heißen. Die Beziehung zu Gottvater wird durch die Aussage unterstrichen, dass Gott diesen Geist gesandt hat (Gal 4,6); in den triadischen Formeln in 1. Kor 12,4–6; 2. Kor 13,13 wird betont, dass der Geist mit Gottvater und Jesus verbunden ist. Unbeschadet dieser Verbundenheit schildert Paulus den Geist als handelndes Subjekt und personales Gegenüber, wenn er sagt, der Geist gebe Zeugnis (Röm 8,16), teile die Gaben zu 113
CROUZEL, Geist, Sp. 502. Vgl. auch BIEDER, πνεῦµα, S. 373. Auch für die paulinischen Geistvorstellungen muss, ohne dass die Bezüge in dieser Arbeit im Einzelnen untersucht werden können, angenommen werden, dass sie von den hier aufgeführten (sonstigen) Traditionen beeinflusst worden sind. Zur Einordnung der paulinischen Pneumatologie in diese Traditionsbereiche s. z.B. die Arbeiten von VOS, Pneumatologie; ENGBERG-PEDERSEN, Cosmology; HAFEMANN, Spirit; auch HORN, Angeld; CEGLAREK, Gegenwart. 115 Paulus verwendet zur Bezeichnung des Geistes Gottes in synonymer Weise sowohl den Begriff πνεῦµα als auch die Syntagmen πνεῦµα θεοῦ und πνεῦµα ἅγιον. Das zeigt sich in Variationen wie z.B. in 1. Kor 12,3, wo Paulus zunächst vom πνεῦµα θεοῦ spricht, dann vom πνεῦµα ἅγιον. 116 Die paulinischen Briefe sind im Zeitraum von ca. 50–60 n. Chr. entstanden. 117 Vgl. auch KREMER, πνεῦµα, S. 287. 118 SCHWEIZER, πνεῦµα, S. 416. 119 HORN, Angeld, S. 328. 114
2.4 Frühchristentum (Paulus)
321
(1. Kor 12,11)120, lehre (1. Kor 2,13) treibe an (Röm 8,14), leite (Gal 5,18) etc.121 Durch den (auch personal vorgestellten) Heiligen Geist ist der erhöhte Jesus mit den an ihn Glaubenden verbunden und bei ihnen gegenwärtig.122 Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Glaubenden, die im Folgenden aufgezeigt werden. 2.4.2 Ewiges Leben und ethisches Verhalten Der Geist ist den Gläubigen nach der Bekehrung als bleibende Gabe zu eigen (vgl. 1. Kor 3,16; 6,19; Röm 5,5; 8,9; 2. Kor 4,13; 1. Thess 4,8), so dass alle Christen mit dem Geist „als eine ihr Dasein prägende Kraft dauerhaft“123 begabt sind. Durch das πνεῦµα kann der Gläubige Jesus Christus als den Herrn bekennen (1. Kor 12,3) und Gott als Vater anrufen (Röm 8,15; Gal 4,6) als Ausdruck des Anteils an Christi Sohnschaft. Diese Personen, die der Geist Gottes treibt, sind Gottes Kinder (Röm 8,14). Davon legt der Geist selbst Zeugnis ab (Röm 8,16). Denn der Geist befreit den Gläubigen in Christus von der Macht der Sünde, indem er rechtfertigt, heiligt (1. Kor 6,11; Röm 15,16) und verwandelt (2. Kor 3,18). Der Geist ist daher das „Unterpfand“ (ἀρραβών) (2. Kor 1,22; 5,5) der „Gesalbten“ (2. Kor 1,21) oder auch die „Erstlingsgabe“ (ἀπαρχή) (Röm 8,23) sowie der Grund der Hoffnung auf die Verwirklichung der Herrschaft Gottes durch den zukünftig Kommenden (vgl. Röm 15,13). Durch die Anteilgabe an Christus wird der Geist lebendig machen, wie auch Christus von den Toten auferweckt wurde (Röm 8,10f.; vgl. Gal 6,8; 1. Kor 15,44f.). Der Geist ist für Paulus „Charakteristikum des Neuen Bundes“124, welcher durch die Beschneidung im Geist (Röm 2,29), durch die Freiheit vom Leben im Fleisch samt fixiertem Buchstaben des Gesetzes sowie durch das Leben im Geist (Röm 7,6; 8,2.4–6; 2. Kor 3,6; Gal 3,3; 5,16–18; Phil 3,3) mit dem in diesem Geist geschenkten (rechtfertigendem) Glauben (Gal 3,14; 5,5) gekennzeichnet ist. Die Christen sind aufgefordert, dem Geist zu folgen (Gal 5,25), weil er „Richtschnur“125 ihres Verhaltens sein soll. So kennt Paulus Früchte des Geistes: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit (Gal 5,22). All diese „Verhaltensweisen“126 gehen auf den Heiligen Geist zurück. Auch die Liebe Gottes ist durch den 120
Auch Wolter erkennt hier „personale Züge“ des Geistes (WOLTER, Geist, S. 117). In massiver Weise wird diese personale Geistvorstellung des Paulus deutlich, wenn der Geist sich der Schwachheit der Glaubenden annimmt und sie mit unaussprechlichem Seufzen (im Gebet) vertritt (Röm 8,26). 122 Vgl. FELDMEIER / SPIECKERMANN, Gott der Lebendigen, S. 229. 123 Ebd., S. 228. 124 KREMER, πνεῦµα, S. 286. 125 CROUZEL, Geist, Sp. 507. 126 KAMLAH / KLAIBER, πνεῦµα, S. 707. 121
322
2 Geistvorstellungen in den maßgeblichen Traditionen
Geist in die Herzen der Christen ausgegossen (Röm 5,5).127 Der Geist hilft den Gläubigen, in der richtigen Weise zu beten (Röm 8,26). Der Geist Gottes offenbart den Christen Erkenntnis hinsichtlich des Heilshandelns Gottes (1. Kor 2,10–12), wodurch sie sich von den anderen Menschen unterscheiden (1. Kor 2,14). So wird der Geist auch zum Unterscheidungskriterium zwischen den Christen und Empfängern anderer Heilsbotschaften (2. Kor 11,4). 2.4.3 Auferbauung der Gemeinde Der Empfang des πνεῦµα durch die Gläubigen ist an äußeren Phänomenen erkennbar (vgl. 1. Kor 12; 14), und zwar an ihren durch den Geist hervorgerufenen und daher unverfügbaren vielfältigen Gaben (1. Kor 12,7–11): Weisheitsrede128, Erkenntnisrede, Glaube, Heilungsgabe, Wundertätigkeit, prophetische Rede, Unterscheidung von Geistern, Zungenrede (vgl. 1. Kor 14,2), Auslegung der Zungenrede.129 Dabei betont Paulus, dass all diese unterschiedlichen Gaben auf ein und denselben Geist zurückgehen (1. Kor 12,4.11). Der Zweck dieser Gaben und ihres Gebrauchs muss laut Paulus einzig und allein die Auferbauung (οἰκοδοµή) der Gemeinde (1. Kor 14,2–4.12) bzw. der „Nutzen“ (συµφέρον) aller sein (1. Kor 12,7).130 Deshalb besteht auch die Notwendigkeit, brennend im Geist zu sein (Röm 12,11) und den Geist nicht zu dämpfen (1. Thess 5,19). In diesem Zusammenhang nimmt Paulus für sich selbst in Anspruch, den Geist Gottes erfahren (1. Kor 7,40)131 und sich als Diener Gottes im Heiligen Geist bewährt zu haben (2. Kor 6,6). Im Rahmen seiner Missionstätigkeit als Apostel erweisen sich an ihm der Geist und die Kraft (δύναµις) Gottes (Röm 15,19; 1. Kor 2,4; vgl. 1. Thess 1,5132; Röm 15,30); im Geist bezeugt man die Wahrheit (Röm 9,1). So spricht Paulus auch davon, dass er in diesem Dienst mit Hilfe des Geistes die Gläubigen als „Brief Christi“ (ἐπιστολή 127 Wie im lukanischen Doppelwerk zeigt auch hier die Rede vom Ausgießen einen substanzhaften Aspekt des Geistes an. 128 Wenn die Christen mit Worten reden, die der Geist lehrt, unterscheiden sich diese von Worten der menschlichen Weisheit (1. Kor 2,13). 129 In 1. Kor 14,15 wird deutlich, dass die Geistesgaben nicht in Widerspruch zum Verstand (νοῦς) gebraucht werden sollen; sowohl Geistesgaben als auch Verstand sollen der Erbauung der Gemeinde dienen. 130 „Gegenüber einer Überschätzung der ekstatischen Geistwirkungen […] betont Pls den Wert der unauffälligeren Geistesgaben“ (KREMER, πνεῦµα, S. 285). 131 So erfuhr er in Situationen der Bedrängnis und Gefahr Beistand vom Heiligen Geist (Phil 1,19). 132 Hier können unterschiedliche Kombinationen von πνεῦµα und δύναµις auftreten: So werden sie als Hendiadyoin (1. Kor 2,4; 1. Thess 1,5) oder auch als Genitivverbindung δύναµις πνεύµατος (Röm 15,19) gebraucht. Diese Verbindungen zeigen an, dass der Heilige Geist als Kraft Gottes zu bestimmen ist und dass gleichzeitig eine wesentliche Wirkung des Geistes in Stärkung und Ermächtigung besteht.
2.4 Frühchristentum (Paulus)
323
Χριστοῦ), der in die Herzen der Gläubigen geschrieben wurde (2. Kor 3,3), zubereitet hat.133 Diese entscheidende Rolle des Geistes bei der Missionstätigkeit wird ebenfalls dort deutlich, wo Paulus davon spricht, dass die Gläubigen den Geist durch die Predigt des Evangeliums empfangen haben (Gal 3,2.5) oder das Wort mit der Freude des Heiligen Geistes annehmen (1. Thess 1,6).134 Deshalb kann Paulus sein Apostelamt auch als διακονία τοῦ πνεύµατος (2. Kor 3,8) bezeichnen. Es ist der Heilige Geist, der den vorrangig in der Verkündigung des Evangeliums bestehenden Dienst des Paulus autorisiert.135 Der Geist wird von Paulus außerdem (besonders in den Korintherbriefen) in seiner einheitsstiftenden Funktion beschrieben: In der Taufe begründet der Geist die Einheit der Gemeinde unabhängig von Herkunft oder sozialem Stand der Getauften (1. Kor 12,13). Deshalb ist es für Paulus notwendig, in einem Geist zu stehen und zu handeln (2. Kor 12,18; Phil 1,27; vgl. 2,1). Im Heiligen Geist gibt es Frieden, Gerechtigkeit und Freude in der Gemeinde (Röm 14,17). Paulus kann deshalb in seinem Briefschlussgruß (Eschatokoll)136 des 2. Korintherbriefes den Wunsch äußern: Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen (2. Kor 13,13).137
133
Diese Aussage dient der Darstellung der erfolgreichen Missionstätigkeit des Paulus. Diese bei Mission und Glaubensannahme erfolgenden Geschehnisse gehen laut Paulus in die Irre, wenn die Korinther durch eine falsche Predigt einen anderen Geist empfangen (2. Kor 11,4). 135 Vgl. auch HORN, Angeld, S. 313. 136 Vgl. SCHNELLE, Einleitung, S. 60. 137 Dies stellt eine Besonderheit dieses Briefschlusses im Gegensatz zu anderen paulinischen Briefschlüssen dar (vgl. z.B. 1. Kor 16,23; Phil 4,23). 134
3 Die lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der maßgeblichen Traditionen Auf der Grundlage der erfolgten Systematisierung der Wirkweisen und Wesensvorstellungen des Geistes in der lukanischen Pneumatologie sowie der Darstellung der in den maßgeblichen Traditionen vorhandenen Geistvorstellungen kann nun der Frage nachgegangen werden, inwiefern Lukas von diesen Traditionen beeinflusst worden ist. Zu diesem Zweck wird in einem ersten Schritt die lukanische Pneumatologie mit den anderen Geistvorstellungen verglichen. Im Anschluss an den Vergleich wird aufgezeigt, inwiefern Lukas das von ihm gebotene Gesamtkonzept vom Heiligen Geist profiliert. Schließlich werden Aussagen zu Grund und Intention für die ausführliche lukanische Pneumatologie getroffen.
3.1 Der Vergleich 3.1 Der Vergleich
Im Folgenden wird durch eine vergleichende Darstellung aufgezeigt, welche in den verschiedenen Traditionen vorhandenen Geistvorstellungen sich in den Wirkweisen und Wesensvorstellungen der lukanischen Pneumatologie widerspiegeln. Ziel ist es, herauszustellen, an welche Phänomene und Bedeutungsgehalte der auctor ad Theophilum anknüpft und wie er sie gegebenenfalls transformiert. 3.1.1 Die lukanischen Wirkweisen des Geistes vor dem Hintergrund der maßgeblichen Traditionen In der lukanischen Pneumatologie konnten fünf verschiedene Wirkweisen ermittelt werden: die besondere Auszeichnung, die Indienstnahme, die Prophetie, die Lenkung und die Ermächtigung. Es stellt sich die Frage, inwiefern in den aufgezeigten Traditionen mit diesen lukanischen Wirkweisen vergleichbare Geistphänomene vorhanden sind, deren Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit auf Beeinflussung bzw. Abgrenzung hindeutet. Zur besseren Orientierung wird der jeweiligen Abhandlung der einzelnen Wirkweisen eine Tabelle vorangestellt, die den vollständigen Überblick bietet. Die folgenden Ausführungen stellen dann das Wesentliche heraus.
325
3.1 Der Vergleich Wirkweise:
Lukas
maßgebliche Traditionen 1 Altes Testament
2.1 Stoa 2.2 PseudoPlaton 2.3 Plutarch 3.1 Qumran
3.2 Weisheit Salomos
Besondere Auszeichnung Geistempfänger Gottesvolk Israel: Johannes (Lk 1,15)
Phänomene herausragendes Prophetentum;
Simeon (Lk 2,25) Jesus: Wesensmerkmal (Lk 1,35; 4,1; 10,21)
Zueignung zum Heil
Vermittlung / Verwaltung (Apg 2,33) Gemeinde Jesu: Alle Gemeindeglieder (Apg 1,5; 2,4.38; 8,15.17.19; 9,17; 10,44f.47; 11,15f.; 15,8; 19,2.6)
exklusives Zuteilungsrecht
Geistempfänger
Phänomene
Menschen(-geschlecht) (Gen 6,3.17; 7,15; Hi 12,10; Ps 104,29; 146,4; Koh 3,19; 12,7; Sach 12,1)
Leben; besondere Gottesbeziehung
Hervorragende Menschen (Gen 41,38; Dan 4,5f.; 5,11.14)
Weisheit
Volk (Jes 32,15; 44,3; 59,21; 63,11.14; Ez 11,19; 36,26f; 39,29; Jo 3,1f.; Hag 2,5; Sach 12,10) Alle Menschen (Seneca, ep. 41,2; 66,12) Alle Menschen (Ax. 370c) Große Persönlichkeiten (Numa 4,6 [I 62]) Erwählte (1QH 1,8f.15; 4,31; 7,6f.; 9,32; 12,11f.; 13,19; 14,13.25; 15,22; 16,6f.12; 17,26; 1QS 3,6–9; 4,18–23; 5,21.24; 6,17; 9,15.18) Mensch an sich (SapSal 2,3; 15,11.16; 16,14)
Heil; Gottes Gegenwart; Gehorsam
Gottesfreunde, Fromme, Propheten (SapSal 1,5f.; 7,7.23.27; 9,17)
Bildung und Weisheit; Gotteserkenntnis
Gottessohnschaft; identitätsprägende Beziehung zu Gottvater
Identitätsmerkmal der Heilsgemeinschaft; Zugehörigkeit zu Jesus und Gottvater sowie zum Heil
Vernunft; Tugendhaftes Handeln Transzendenzbezug; Unsterblichkeit Doppelnatur Gott–Mensch Gotteserkenntnis; Reinigung; Entsühnung; Wandel in Vollkommenheit
Leben; Seele
326
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
3.3 Psalmen Salomos 3.4 Philo
4 Paulus
–
–
Alle Menschen (opif. 135; 144; leg. all. I,34– 39; gig. 20–28; her. 57) Jesus (Röm 1,4)
unsterbliche Seele; Gotteserkenntnis; Streben nach Tugend Gottessohnschaft (bei Auferstehung)
Gemeinde Jesu (Röm 2,29; 5,5; 7,6; 8,2.4– 6.9–11.14f.23.26; 15,16; 1. Kor 2,10–12.14; 3,16; 6,11.19; 12,3.13; 2. Kor 1,21f.; 3,6.18; 4,13; 5,5; 11,4; 12,18; 13,13; Gal 3,3.14; 4,6; 5,5.16– 18.22.25; Phil 1,27; 3,3; 1. Thess 4,8)
Zugehörigkeit zu Jesus und Gottvater; Auferstehung; Erkenntnis des Heilshandeln Gottes; Ethisches Verhalten; Einheit
Bei einem Vergleich der Darstellungen des Lukas mit den oben aufgeführten Traditionen ist zunächst anzumerken, dass der Geist, wie die Ausführungen zu Paulus zeigten, im frühen Christentum bereits als eine besondere Auszeichnung Jesu und seiner Gemeinde angesehen wurde. Es wird jedoch deutlich, dass und inwiefern Lukas – von dieser Grundlage ausgehend – die Rede vom Heiligen Geist in Bezug auf das Gottesvolk Israel, Jesus und die Gemeinde Jesu mithilfe der alttestamentlich-jüdischen wie hellenistischen Vorstellungen vom Geist transformiert hat: Nach Lukas sind auserwählte Repräsentanten des Gottesvolkes Israel in besonderer Weise ausgezeichnet, so Johannes als ein aus allen anderen herausragender Prophet (Lk 1,15) sowie Simeon als ein der Erfüllung der Heilserwartung Zugeeigneter (Lk 2,25). Innerhalb der aufgeführten Traditionen lassen sich zunächst Anknüpfungspunkte im Alten Testament finden: Hier werden einzelne Personen genannt, die sich durch die Gabe des Geistes hervorheben. So ruht der Geist auf Joseph (Gen 41,38) und Daniel (Dan 4,5f.; 5,11.14), wodurch diese in einer besonderen Beziehung zu Gott stehen und sich deshalb durch eine in der Fähigkeit zur Traumdeutung manifestierten Weisheit auszeichnen. Auch in den Qumran-Schriften ist an zahlreichen Stellen die Vorstellung bezeugt, dass der Geist die Erwählten in besonderer Weise auszeichnet, weil ihnen durch den Geist Gotteserkenntnis sowie Reinigung und Entsühnung ermöglicht wird (1QH 1,8f.15; 4,31; 7,6f.; 9,32; 12,11f.; 13,19; 14,13.25; 15,22; 16,6f.12; 17,26; 1QS 3,6–9; 4,18–23; 5,21.24; 6,17; 9,15.18). Durch den Geist können die Erwählten Gottes Gebote halten und in Vollkommenheit wandeln. Zudem gibt es in der Weisheit Salomos (anders als z.B. bei Philo) neben dem allen Menschen zukommenden Geist noch den Geist der Weisheit, der nur den Gottesfreunden, Frommen und Propheten zu eigen ist
3.1 Der Vergleich
327
(SapSal 1,5f.; 7,7.23.27; 9,17): Als Folge dieser Geistbegabung zeichnen sich die Genannten durch Gotteserkenntnis sowie durch Bildung und Weisheit aus. Man kann daher sagen, dass die lukanische Darstellung der durch den Geist erfolgenden Auszeichnung einzelner Repräsentanten Israels an das alttestamentlich-jüdische Gedankengut von der besonderen Geistbegabung einzelner Auserwählter, das im genannten Rahmen bezeugt ist, anknüpft. Anders als im Alten Testament und in der Weisheit Salomos verbindet sich nach Lukas die besondere Geistbegabung an dieser Stelle jedoch nicht mit der Weisheit, sondern – hier nähert sich das Verständnis im Prinzip dem in den Qumran-Schriften genannten Zweck des Geistes an – mit der Zuordnung zum Heil. Auffällig ist, dass eine derartige Vorstellung nicht im griechischen, sondern nur im alttestamentlich-jüdischen Bereich vorkommt; diesem ist schließlich auch das Gottesvolk Israel zuzurechnen. Für Jesus stellt die Gabe des Geistes laut Lukas gleich in zweifacher Weise ein spezifisches Merkmal dar: Der Geist begründet zum einen als Wesensmerkmal Jesu dessen einzigartige Gottessohnschaft (Lk 1,35; vgl. 4,1; 10,21). Zum anderen wird der Geist auch insofern zu einer besonderen Auszeichnung Jesu, als Jesus von Gottvater zum Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes eingesetzt wird (Apg 2,33) und damit das exklusive Zuteilungsrecht des Geistes innehat. Im Hinblick auf die bei Lukas auftretende besondere Auszeichnung Jesu durch den Heiligen Geist findet sich bei Paulus in Röm 1,4 ebenfalls die Aussage, dass der Geist bei der Einsetzung Jesu zum Gottessohn eine entscheidende Rolle spielt, wobei diese Einsetzung nach den paulinischen Ausführungen bei Jesu Auferstehung geschieht. Ist Jesus nach Paulusʼ frühchristlichem Zeugnis erst hier als Sohn Gottes eingesetzt worden, so verlegt Lukas den Zeitpunkt der auf dem Geist beruhenden Begründung der Gottessohnschaft Jesu1 vor: Jesus wird bereits bei seinem Entstehen wesenhaft vom Geist geprägt und ist daher der Gottessohn, weil der Geist Jesu Beziehung zu Gottvater als identitätsprägend verankert. Lukas hat hier eine auch bei Mt 1,18.20 bezeugte frühchristliche Tradition2 aufgenommen. Weiterhin findet sich bei dem Mittelplatoniker Plutarch die aus Ägypten stammende Vorstellung, dass der Geist Gottes bei der Zeugung neuen Lebens zwischen menschlicher Frau und Gott beteiligt sein kann (Numa 4,6 [I 62]). Auf diese Weise sind bedeutende Persönlichkeiten gezeugt worden, denen eine göttlich1
Nach dem Markus-Evangelium erfolgt die Einsetzung Jesu in die Gottessohnschaft im Rahmen der Taufe Jesu durch Johannes (Mk 1,10f.), d.h. wiederum zu einem anderen Zeitpunkt. Auch hier spielt der Geist insofern eine Rolle, als er im Zuge dieses Erwählungshandelns Gottes auf Jesus herabkommt. Vgl. auch BERGER, Geist, S. 182. 2 S. dazu I.2.1.1. Matthäus verbindet die Zeugung durch den Geist jedoch nicht wie Lukas explizit mit Jesu Gottessohnschaft.
328
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
menschliche Doppelnatur innewohnt. Die lukanische Darstellung lehnt sich auch an diese Idee vom Geist als zeugerisches Entstehungsprinzip, wie sie bei Plutarch bezeugt ist, an. Zwar kommt dem Geist auch bereits alttestamentlich eine schöpferische Wirkung zu, jedoch besteht der Unterschied der Aussagen darin, dass bei der Geistzeugung das Involviertsein und das Eingehen des Göttlichen in die Entstehung neuen Lebens noch expliziter ausgesagt werden.3 Das hellenistische Judentum hat die Einhauchung des Lebensgeistes in den Menschen vor griechisch-philosophischem Hintergrund als Schaffung der menschlichen Seele interpretiert. Diese Sichtweise bleibt jedoch insofern hinter der Vorstellung des Lukas zurück, als nach Lukas Jesu Entstehen unter Beteiligung des Heiligen Geistes in der Weise geschieht, dass Jesu gesamtes Wesen (und nicht nur seine Seele) göttlich geprägt ist.4 Besonders hervorzuheben ist, dass es hinsichtlich der besonderen Auszeichnung Jesu als Vermittler und Verwalter des Heiligen Geistes, die von Lukas besonders betont wird, in den beschriebenen Traditionen keine Parallele gibt.5 Hier kommt das Zuteilungsrecht des Geistes stets Gott zu. In Einzelfällen wird der Geist im Alten Testament von im göttlichen Auftrag handelnden Menschen durch Handauflegung (Dtn 34,9) oder Salbung (1. Sam 16,13) vermittelt. In der Folge dieser Vermittler- und Verwaltertätigkeit Jesu wird der Geist nach lukanischer Darstellung schließlich zum Identitätsmerkmal der die Heilsgemeinschaft bildenden Gemeinde Jesu, in der die Geistesgabe die Zugehörigkeit zu Jesus und Gottvater und damit auch zum Heil bewirkt (Apg 1,5; 2,4.38; 8,15.17.19; 9,17; 10,44f.47; 11,15f.; 15,8; 19,2.6). In Bezug auf die Gemeinde Jesu erklärt auch Paulus, dass die Christen sich aufgrund ihrer Geistesgabe durch eine besondere Beziehung zu Gottvater und Jesus auszeichnen (Röm 2,29; 5,5; 8,9.26; 1. Kor 3,16; 6,19; 12,3; 2. Kor 4,13; 1. Thess 4,8), weshalb sie u.a. Kinder Gottes (Röm 8,14f.; Gal 4,6) oder Gesalbte (2. Kor 1,21f.) genannt werden. Die Geistesgabe hat für die Gemeindeglieder zum einen soteriologische Bedeutung, insofern sie deren Rechtfertigung und auch Auferstehung gewährt (Röm 8,9–11.23; 15,16; 1. Kor 6,11; 2. Kor 3,18; 5,5). Zum anderen sollen die Geistbegabten 3 Auf einen Unterschied zwischen der alttestamentlichen Schöpfungsvorstellung und der Aussage der Zeugung durch den Geist weist auch LEISEGANG, Pneuma hagion, S. 95, hin. 4 Auch alttestamentlich kann x:Wr den Geist des Menschen bezeichnen und hat sich der Bezeichnung der Seele angenähert (Ps 31,6). Deshalb ist das an Ps 31,6 (30,6 LXX) angelehnte Kreuzeswort aus Lk 23,46 so zu verstehen, dass Jesus seine mit Geist bezeichnete Seele, nicht etwa den Heiligen Geist, in die Hände des Vaters befiehlt. S. dazu I.2.1.1. 5 Die Ausführungen in II.2.4.1 haben gezeigt, dass Jesus und der Geist auch von Paulus eng zusammengestellt werden, was durch Bezeichnungen wie „Geist des Sohnes“ oder „Geist (Jesu) Christi“ zum Ausdruck kommt. Von einer expliziten Einsetzung als GeistVermittler ist jedoch nicht die Rede.
3.1 Der Vergleich
329
ihr ethisches Verhalten nicht mehr nach dem Buchstaben des Gesetzes ausrichten, sondern im neuen Wesen des Geistes dienen (Röm 7,6; 8,2.4–6; 2. Kor 3,6; Gal 3,3.14; 5,5.16–18.22.25; Phil 3,3), denn die Christen zeichnen sich aufgrund des Geistes (2. Kor 11,4) auch dadurch aus, dass ihnen Erkenntnis von Gottes Heilshandeln zukommt (1. Kor 2,10–12.14). Die Gemeinde Jesu als ganze wird durch den Geist in ihrer Einheit getragen (1. Kor 12,13; 2. Kor 12,18; 13,13; Phil 1,27). Bei einem Vergleich zwischen Paulus und Lukas fällt auf, dass Lukas die Anhänger Jesu im Zusammenhang mit der Geistbegabung nie Kinder Gottes6 oder Gesalbte nennt. Nur in Bezug auf Jesus selbst stellt Lukas einen diesbezüglichen Zusammenhang her und hebt Jesu Stellung auf diese Weise hervor. Die Gemeinde Jesu erhält sowohl nach Paulus als auch nach Lukas durch den Heiligen Geist eine besondere Beziehung zu Jesus und Gottvater und der Geist ist Unterscheidungskriterium und Kennzeichen für die Aufnahme in die Heilsgemeinschaft, Lukas verbindet ihn jedoch anders als Paulus nicht explizit mit der Auferstehungshoffnung.7 Im Unterschied zu der in den paulinischen Briefen vorkommenden starken Betonung der ethischen Relevanz der Geistbegabung macht Lukas nur in zwei Fällen (Apg 5,3.9; 15,28) Ausführungen zu den sich aus der Geistesgabe für die Glieder der Gemeinde Jesu ergebenden ethischen Konsequenzen.8 Dies verdeutlicht, dass es Lukas in Bezug auf die Geistbegabung der Christen vor allem darauf ankommt, zu betonen, dass diese durch den Heiligen Geist mit Gottvater und Jesus verbunden, Gottvater und Jesus also in der Gemeinde Jesu gegenwärtig sind. Dass der Geist die Gegenwart Gottes anzeigt, weiß bereits das Alte Testament. Der Geist ist dem Menschen(-geschlecht) von Gott gegeben. Es ist der Geist, der den Menschen zum lebendigen Wesen macht und ihm gleichzeitig eine besondere Gottesbeziehung verleiht (Gen 6,3.17; 7,15; Hi 12,10; Ps 104,29; 146,4; Koh 3,19; 12,7; Sach 12,1). In diesem Zusammenhang sind als Hintergrund für die lukanische Darstellung vor allem die alttestamentlichen Verheißungen relevant, die dem Gottesvolk als Ganzem die Gabe des Geistes, der die Gegenwart Gottes gewährt und Heil bedeutet, zusagen (Jes 32,15; 44,3; 63,11.14; Ez 39,29; Jo 3,1f.; Hag 2,5; Sach 12,10). Außerdem ist der Geist diesem Volk gegeben, damit es im Gehorsam nach Gottes Geboten leben kann (Ez 11,19; 36,26f.; vgl. Jes 59,21) – wobei Lukas sich
6 Lukas bezeichnet zwar die Glaubenden als „Kinder des Höchsten“ (υἱοὶ ὑψίστου) (Lk 6,35), dies steht jedoch nicht in expliziter Verbindung mit dem ihnen geschenkten Heiligen Geist. Vgl. auch Lk 20,36. 7 Vgl. SCHWEIZER, πνεῦµα, S. 421. 8 S. dazu I.3.2.3; I.3.5.2.
330
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
bei der Erläuterung der an die Gemeinde erfolgenden initiatorischen Geistmitteilung explizit auf Jo 3,1f. bezieht (Apg 2,17f.).9 Dass Lukas diese durch den Geist repräsentierte Gegenwart Gottes für die christliche Gemeinde besonders stark macht, deutet aber noch auf einen zusätzlichen Einfluss hin: Nach stoischer Vorstellung, die auch in den Mittelplatonismus und in das hellenistische Judentum10 Eingang gefunden hat, beschreibt der Geistbegriff die Anwesenheit des Göttlichen im Menschen in geläufiger Weise. Laut der monistischen Philosophie der Stoa ist der göttliche Geist dem Menschen in seiner Vernunft (νοῦς) zu eigen (Seneca, ep. 41,2; 66,12). Dieses Innewohnen des Geistes, das die Anwesenheit des Göttlichen bedeutet, zeichnet den Menschen als Vernunftwesen aus und leitet ihn zu tugendhaftem Handeln an. An diese stoische Vorstellung anknüpfend, gleichzeitig aber im Sinne einer angenommenen göttlichen Transzendenz ausgerichtet, findet sich mittelplatonisch im Dialog Axiochos die Aussage, dass der sich in der Seele befindende göttliche Geist als natürliche Ausstattung zum Wesen des Menschen gehört. Das Vorhandensein dieses göttlichen Geistes bewirkt, dass der Mensch auf die Transzendenz bezogen ist und begründet die menschliche Unsterblichkeit (Ax. 370c). Die griechische Vorstellung des πνεῦµα im Menschen findet sich auch im hellenistischen Judentum in der Weisheit Salomos und bei Philo11, wobei dieser Gedanke jeweils mit der alttestamentlichen Vorstellung der Menschenschöpfung aus Gen 2,7 begründet wird: Nach SapSal 15,11.16 hat Gott dem Menschen bei dessen Erschaffung mit der Einpflanzung des Geistes die Seele eingehaucht, was den Menschen als lebendiges Wesen auszeichnet (vgl. SapSal 2,3; 16,14). Auch nach Philo hat Gott dem Menschen bei der Schöpfung den Geist als Seele eingegeben (opif. 135; 144). Deshalb ist die Seele der unsterbliche Teil des Menschen. Außerdem ermöglicht der Geist dem Menschen Gotteserkenntnis und das Streben nach der Tugend (leg. all. I,34–39; gig. 20–28; her. 57). Die obigen Ausführungen zeigen auf, dass trotz aller Unterschiedlichkeit die Vorstellung von der durch das πνεῦµα gegebenen göttliche Anwesenheit für Lukas von besonderer Wichtigkeit war. Diese Vorstellung konnte er für seine Darstellung des Geistes als besondere Auszeichnung nutzbar machen. Im Gegensatz zu diesen Vorstellungen betrifft die Geistbegabung bei Lukas jedoch nicht alle Menschen, sondern lediglich diejenigen, die der Heilsge9
In dieser Hinsicht ist in Teil I dieser Arbeit aufgezeigt worden, dass Lukas zwar in Apg 2,17f. explizit Jo 3,1f. zitiert, dass er aber mit der Ausgießung des Geistes an die christliche Gemeinde auch alle anderen alttestamentlichen Geist-Verheißungen samt der Verheißung der Geisttaufe als erfüllt ansah. S. dazu I.2.2.2; I.3.1.1. 10 Bei dem hellenistisch-jüdischen Geschichtsschreiber Josephus findet sich die Aufnahme dieses Geistphänomens in seinen Ausführungen zum Gebet des Salomo, der um die Sendung des Geistes in den Tempel bittet, um die Anwesenheit Gottes zu gewährleisten (AJ VIII,114). 11 Derselbe Gedanke ist auch bei Josephus bezeugt (AJ I,34).
331
3.1 Der Vergleich
meinschaft angehören. Während der Geist in der griechischen Vorstellung den Menschen innewohnt, bleibt er bei Lukas – wie schon im alttestamentlich-jüdischen Bereich – eine unverfügbare Gottesgabe. Deshalb ist der Geist auch nicht wie in der Stoa Kennzeichen des animal rationale oder wie bei Pseudo-Plato ein zum Menschen gehörender Transzendenzbezug der Seele zu Gott, sondern statt menschlicher Grundausstattung ein – nur bestimmten Personenkreisen zukommendes – Heilsgeschenk Gottes, das für diese eine besondere Auszeichnung darstellt. Wirkweise:
Lukas
Indienstnahme Geistempfänger Gottesvolk Israel: – Jesus (Lk 3,22; 4,18; Apg 10,38) Gemeinde Jesu: Funktionsträger (Apg 1,2; 6,3.5; 11,24; 13,2.4.9; 20,28)
maßgebliche Traditionen 1 Altes Testament
3.1 Qumran 3.2 Weisheit Salomos 3.3 Psalmen Salomos 3.4 Philo 4 Paulus
Christus-Sein (Geistsalbung); Beauftragung und Einsetzung als Heilsbringer Autorisierung oder Befähigung zu Gemeindeleitung, Armenpflege, Mission
Geistempfänger
Phänomene
Dienstleister (Ex 28,3; 31,3; 35,31)
Befähigung
Amtsträger (Num 11,17.25; 27,18; Dtn 34,9; Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25; 1. Sam 11,6; 16,13; 2. Kön 2,9.15)
2.1 Stoa 2.2 PseudoPlaton 2.3 Plutarch
Phänomene –
und
verheißene Retter (Jes 11,2; 42,1; 61,1) – –
Autorisierung
Pythia (Pyth. orac. 21 [404 B]; def. orac. 48 [436 E–F]; 50 [437 D]). Gesalbter (11QMelch 2,18f.) –
Infunktionssetzung; Autorisierung
Gesalbter (PsSal 17,37; 18,7) – Apostel; Missionar (2. Kor 3,8;6,6)
Befähigung zur Herrschaftsausübung – Autorisierung
– –
Befähigung und Autorisierung zur Heilsverkündigung –
332
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Eine weitere Wirkweise des Geistes in der lukanischen Pneumatologie stellt die Indienstnahme dar. Diese Wirkweise ist frühchristlich durchaus bereits vorhanden, jedoch kommt sie bei Lukas sehr viel häufiger zum Tragen als bei Paulus. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich insbesondere in Bezug auf Jesus. Laut Lukas ist dieser mittels seiner Geistprägung als Heilsbringer eingesetzt und beauftragt worden (Lk 3,22). Diese spezifisch lukanische Darstellung kulminiert in der Bezeichnung Jesu als dem Geistgesalbten, die Jesu Christus-Titel auf den Geist zurückführt (Lk 4,18; Apg 10,38). Eine entsprechende Aussage über den Jesus indienstnehmenden Geist findet sich bei Paulus nicht. Dabei hat Lukas sich sehr stark an die alttestamentlichen Vorstellungen angelehnt, denn für verschiedene verheißene Retterfiguren stellt deren Geistbegabung dasjenige Element dar, welches sie als zur Rettung Berufene ausweist: für den Davididen (Jes 11,2), den Gottesknecht (Jes 42,1) und den zur Umkehrung der Verhältnisse Berufenen (Jes 61,1). Die lukanische Aussage, dass der Geist für Jesu Christus-Sein ausschlaggebend ist, nimmt daher einerseits Bezug auf die alttestamentlichen Verheißungen der geistbegabten Rettergestalten, explizit auf Jes 61,1 in Lk 4,18, geht aber andererseits insofern noch darüber hinaus, als die Geistbegabung mit der Salbung bzw. dem Titel des Gesalbten verbunden wird. Während es in der alttestamentlichen Tradition bei den Retterfiguren noch keine konkrete Verbindung des Christus-Titels mit dem Geist gibt, ist diese in verschiedenen Texten des Antiken Judentums bereits vorhanden: So erweisen die Qumran-Schriften eine in den Vorstellungen des palästinischen Judentums vorhandene Beziehung zwischen dem die Heilszeit ankündigenden Gesalbten und dem Geist (11QMelch 2,18f.). Auch wird in den Psalmen Salomos von dem für die Heilszeit erwarteten Gesalbten ausgesagt, dass dieser mit dem Geist ausgestattet sei, um seine Herrschaft ausüben zu können (PsSal 17,37; 18,7). Die Verbindungen von Geist und Gesalbtem in Qumran und in den Psalmen Salomos zeigen, dass diese Kombination bei Lukas nicht erstmalig auftritt, sondern dass er auf eine diesbezügliche Tradition in jüdischen Schriften zurückgreifen konnte. Lukas verstärkt diese Verbindung aber sodann dadurch, dass er darstellt, dass Jesus „mit dem Geist gesalbt“ ist, eine Formulierung, die sich nur bei ihm findet. Der Geist ist hier gleichsam das ,Material‘ und damit das entscheidende Element für die Salbung. In diesem Punkt geht Lukas deutlich über die alttestamentlich-jüdische Tradition hinaus. Es ist daher zu fragen, ob und inwiefern die griechische Philosophie an dieser Stelle auf Lukas eingewirkt hat: Innerhalb der griechisch-philosophischen Tradition gibt es eine indienstnehmende Wirkweise des Geistes zwar nicht für Amtsträger, aber doch für die Ausübung einer bestimmten Funktion. Bei Plutarch findet sich innerhalb seiner die Inspiration der Pythia des delphischen Orakels betreffenden Erörterungen mehrfach die Notiz, dass der Gott mittels des πνεῦµα die Seele der Pythia, das ὄργανον, zum Erklingen und zum Weissagen bringt (Pyth. orac. 21 [404 B]; def. orac. 48 [436 E–F]; 50 [437 D]).
3.1 Der Vergleich
333
Durch das πνεῦµα wird demnach die Pythia gleichsam in Funktion gesetzt und kann ihrer Orakelaufgabe nachkommen. In dieser bei Plutarch bezeugten griechisch-philosophischen Vorstellung setzt das πνεῦµα die Pythia gleichsam in Funktion. Ähnlich kann man sagen, dass nach Lukas die ,Funktion‘ Jesu als Christus durch den Geist begründet ist, da Jesus durch Gottes Gabe des Geistes wirkt. Das πνεῦµα verleiht demnach sowohl den Aussagen Jesu sowie dem Orakelspruch der Pythia die Autorität des hinter dem Geist stehenden Gottes. Aufgrund dieser Ausführungen lässt sich sagen, dass die hellenistischen πνεῦµα-Vorstellungen neben den oben genannten alttestamentlich-jüdischen Motiven insofern in die lukanische Rede von der Geistsalbung Jesu eingeflossen sind, als der Geistbesitz das ausschlaggebende Element für das χριστός-Sein Jesu ist. Ähnlich stellt sich die Situation hinsichtlich der Funktionsträger in der Gemeinde Jesu dar: Nach Lukas spielt der Geist in der Gemeinde Jesu eine Rolle, wenn er hinsichtlich der Autorisierung oder Befähigung der Funktionsträger für Gemeindeleitung, Armenpflege oder Mission tätig wird (Apg 1,2; 6,3.5; 11,24; 13,2.4.9; 20,28). Frühchristlich ist eine vergleichbare Aussage nur vereinzelt vorhanden; nur an wenigen Stellen schildert Paulus, dass sein eigener Dienst als Apostel bzw. Missionar durch den Geist autorisiert wird und er sich bei der Ausübung dieses Dienstes im Geist bewähren muss (2. Kor 3,8; 6,6). Hingegen finden sich im Alten Testament hinsichtlich dieser Wirkweise des Geistes zahlreiche parallele Vorstellungen. So werden bestimmte Dienste wie die Anfertigung von Aarons Priestergewand oder der Bau der Stiftshütte nach der für die Erbringung der entsprechenden Dienstleistung empfangenen Geistbegabung vergeben, wobei die durch den Geist gewirkte Befähigung zu diesen Diensten als Weisheit beschrieben wird (Ex 28,3; 31,3; 35,31). Außerdem spielt der Geist als regelrechtes ‚Amtscharisma‘ für die Legitimation bei zahlreichen Ämtern und Ämterübertragungen eine Rolle: Die Richter werden durch den sie plötzlich überkommenden Geist zu Führern des Volkes (Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25). Die Könige erhalten aufgrund ihrer Salbung den Geist Gottes (1. Sam 11,6; 16,13). Auch wird die Übertragung von Ämtern durch Geistübergabe geregelt. Als Beispiele zu nennen sind die Berufung der 70 Ältesten zur Unterstützung des Moses (Num 11,17.25) sowie der Übergang des Prophetenamtes des Elia auf Elisa (2. Kön 2,9.15). Bei Josuas Amtsübernahme in der Nachfolge des Moses stellt einerseits die Begabung mit dem Geist das Auswahlkriterium dar (Num 27,18), andererseits erfolgt bei der Indienstnahme die Befähigung mit Weisheit (Dtn 34,9). Man kann daher sagen, dass Lukas sich sehr stark an das Alte Testament angelehnt hat, indem er die Funktion des Geistes im Hinblick auf die Legitimation und die – mit Weisheit ausgedrückte – Befähigung zur
334
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Ausübung dieser Ämter betont.12 Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede: Zunächst erfolgt nach Lukas nie eine Geistmitteilung an ein Gemeindeglied zum Zweck der Amtsausführung. Dies liegt darin begründet, dass jeder in die Heilsgemeinschaft Aufgenommene nach Lukas per se den Heiligen Geist empfangen hat. Die Amtsträger können sich lediglich durch ein besonders intensives Vollsein mit dem Geist und durch die vom Geist erhaltene Weisheit auszeichnen. In diesem Kontext fällt auch auf, dass Lukas nie davon berichtet, dass bei der Übergabe des Amtes an einen Nachfolger der Geist (bzw. das Vollsein mit dem Geist oder der Weisheit) weitergegeben wird. Neu gegenüber dem Alten Testament ist schließlich die Vorstellung, dass der Geist sowohl neue Ämter ins Leben ruft als auch die ausgewählten Personen selbst in die Ämter einsetzt, wie es im Fall der Missionare und Ältesten geschieht. Diese lukanische Aussage kommt jedoch der oben genannten Vorstellung Plutarchs sehr nahe, nach der der Geist die Pythia in Funktion setzt. Insgesamt kann man also sagen, dass Lukas sich im Falle der Wirkweise der Indienstnahme durch den Geist sehr deutlich an die alttestamentlichen Vorstellungskomplexe anlehnt, dass er aber sowohl in Bezug auf Jesus als auch auf die Gemeindeämter den Gedanken der Infunktionssetzung durch den Geist insgesamt verstärkt, was auf Einflüsse hinweist, die auf die in den griechisch-philosophischen Traditionen vorhandenen Vorstellungen zurückzuführen sind. Wirkweise:
Prophetie Geistempfänger Gottesvolk Israel: Repräsentanten (Lk 1,41.67; 2,26)
Phänomene
Weissagungen; Offenbarungen Sprecher der Schriftworte (Apg 1,16; 4,25; 28,25) Lukas Jesus Gemeinde Jesu: Propheten; prophetisch Begabte (Apg 7,55; 8,39; 11,28; 20,23; 21,4.11)
12
– Weissagungen; Himmelsschau; Entrückung
Vgl. zum Bezug von Apg 6,1–7 zu alttestamentlicher Tradition FISCHER / HEIL, Geistbegabung, S. 84.
335
3.1 Der Vergleich maßgebliche Traditionen 1 Altes Testament
2.1 Stoa 2.2 PseudoPlaton 2.3 Plutarch
3.1 Qumran
3.2 Weisheit Salomos 3.3 Psalmen Salomos 3.4 Philo
4 Paulus
Geistempfänger
Phänomene
Propheten (Num 11,25–27; 24,2; 1. Sam 10,6.10; 19,20.23; 1. Kön 18,12; 2. Kön 2,16; 2. Chr 15,1; 20,14; 24,20; Neh 9,30; Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.5.24; 37,1; 43,5; Mi 3,8; Sach 7,12)
Eingabe des Gottesworts; Visionen; Verzückungen; Entrückungen
Prophetisch Begabte (1. Chr 12,19) – – Besonders Disponierte wie Pythia (def. orac. 40 [432 D–F]; 41– 42 [433 A–D]; 50 [437 C]; 51 [438 A–C] ) Berufspropheten (1QS 8,16; CD 2,12f.; 5,21– 6,1; 1QM 11,7; 4Q270, Frgm. 2,II,14) – – Propheten; Ausleger (wie Philo selbst) (fug. 186; vit. Mos. II,265; somn. II,252; her. 265; spec. leg. IV,49) Gemeinde Jesu (1. Kor 12,10; 14,1–4)
– – Inspiration zur Weissagung
Offenbarung; Fähigkeit zur Belehrung – – Inspiration zur Weissagung und höheren Erkenntnis
prophetische Rede
Die Wirkweise der Prophetie kommt bei Lukas sowohl im Gottesvolk Israel (Lk 1,41.67; 2,26; Apg 1,16; 4,25; 28,25) als auch in der Gemeinde Jesu (Apg 7,55; 8,39; 11,28; 20,23; 21,4.11) zum Tragen.13 Unter Prophetie ist dabei ein weites Spektrum an Phänomenen zu verstehen, das von der Fähigkeit zur Weissagung über die Offenbarung bis hin zur Entrückung reicht.
13
Die von Jesus aufgrund seiner Geistsalbung bewirkten Wunder und Verkündigungen stehen zwar auch in einem prophetischen Kontext, worauf besonders das Zitat aus Jes 61,1f. in Lk 4,18f. hinweist, jedoch gehört das Wirken des Geistes an dieser Stelle nicht in das im folgenden Satz definierte Spektrum an Phänomenen der prophetischen Wirkweise des Geistes. Vielmehr wurde die Geistsalbung der indienstnehmenden Wirkweise des Geistes zugeordnet.
336
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Die im lukanischen Doppelwerk vorhandene enge Verbindung von Prophetie und Geistbegabung stellt sich im Vergleich mit den maßgeblichen Traditionen folgendermaßen dar: Es gehörte zur frühchristlichen Anschauung, dass der Heilige Geist Prophetie bewirken kann, denn bei Paulus findet sich der Hinweis darauf, dass Prophetie eine der Geistesgaben ist (1. Kor 12,10). Diese prophetische Gabe ist die am meisten zu erstrebende, denn prophetische Rede zeichnet sich – im Gegensatz zur Zungenrede – dadurch aus, dass sie der Erbauung der Gemeinde dient (1. Kor 14,1–4). Der Blick auf die sonstigen Traditionen macht deutlich, dass in allen Fällen, in denen in den oben genannten Traditionsbereichen das Phänomen der durch den Geist gegebenen Prophetie vorhanden ist, Prophetie die Eingebung besonderer Erkenntnis oder die Offenbarung durch einen Gott meint. Im Alten Testament sind der Geist Gottes und das Prophetentum in starkem Maße verbunden, wobei diese Verbindung in exilisch-nachexilischer Zeit an Intensität gewinnt. Auch alttestamentlich werden sehr verschiedene prophetische Elemente auf den Geist zurückgeführt: So findet sich die Vorstellung, dass der Geist den Propheten und prophetisch Begabten Gottes Wort eingegeben hat (Num 24,2; Neh 9,30; 1. Chr 12,19; 2. Chr 15,1; 20,14; 24,20; Ez 11,5; Mi 3,8; Sach 7,12). Weiterhin können im Alten Testament Propheten vom Geist entrückt werden (1. Kön 18,12; 2. Kön 2,16; Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.24; 37,1; 43,5). Ebenfalls werden Visionen (Ez 11,24) und Verzückungen (Num 11,25–27; 1. Sam 10,6.10; 19,20.23) als vom Geist verursacht angesehen. In den Qumran-Schriften sind einzelne Personen gleichsam ,berufsmäßig‘ mit Gottes Geist prophetisch begabt, um die Offenbarung zu empfangen und die Gemeindeglieder über Gottes Wort zu belehren (1QS 8,16; CD 2,12f.; 5,21–6,1; 1QM 11,7; 4Q270, Frgm. 2,II,14). In Philos ProphetieAuffassung spielt der Geist ebenfalls eine entscheidende Rolle: Propheten empfangen von Gott das πνεῦµα προφήτικον, wobei auch Mose als Offenbarer des Gesetzes oder Philo selbst als allegorischer Schriftausleger zu den in dieser Weise Geistbegabten gehören (fug.186; vit. Mos. II,265; somn. II,252). Dabei ist die Prophetie an keinerlei menschliche Voraussetzungen gebunden, vielmehr entfernt sich der menschliche νοῦς bei der Ankunft des πνεῦµα sogar und kommt erst nach der Ekstase wieder zurück (her. 265 vgl. spec. leg. IV,49). Prophetie ist daher für Philo eine höhere Form der Erkenntnis als die dem menschlichen νοῦς selbst mögliche Form. So wird deutlich, dass hinter der durch den Geist eingegebenen Prophetie ein Gott steht. Diese Tatsache gibt sowohl den im Alten Testament, in Qumran, bei Philo und bei Paulus als auch den bei Lukas genannten Propheten die entscheidende göttliche Legitimation. Diese Vorstellungen sind daher ähnlich und vergleichbar. In der griechischen Philosophie ist zum einen auch eine ähnliche Vorstellung vorhanden. Denn auch bei dem von Plutarch geschilderten Orakelspruch der Pythia erzeugt das πνεῦµα die göttliche Aussage. Plutarch kennt das πνεῦµα als Auslöser der Prophetie oder prophetischen
3.1 Der Vergleich
337
Inspiration (z.B. def. orac. 40 [432 D–F]). Das Zustandekommen der Inspiration ist jedoch an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen gebunden: Zunächst muss in der menschlichen Seele selbst eine Anlage, eine sogenannte prophetische Kraft, vorhanden sein, die durch das πνεῦµα zur Inspiration geführt wird (def. orac. 41–42 [433 A–D]), wobei die Wirkung derjenigen von Wein ähnlich ist (def. orac. 40 [432 E]). Allerdings gelingt die Inspiration nicht bei allen Menschen, sondern nur bei besonders Disponierten wie der Pythia (def. orac. 51 [438 C]). Diese muss jedoch nicht nur dafür geeignet sein, sondern sie muss sich auch in rechter Verfassung befinden, damit es nicht zu Störungen durch das πνεῦµα kommt. Um die rechte Verfassung zu gewährleisten, muss die Pythia in Keuschheit und Abgeschiedenheit leben (def. orac. 51 [438 A–C]). Eine weitere Voraussetzung ist dem stofflichphysikalischen Verständnis des Inspirationsvorgangs geschuldet: Die Inspiration kommt nur an dem Ort zustande, an dem das πνεῦµα aus der Erde aufsteigt (def. orac. 50 [437 C]). Dieser Physikalität und Stofflichkeit unbeschadet ist die Inspiration nach Plutarch ein von Gott durch das πνεῦµα gegebener Vorgang. Dass sich außerdem hinsichtlich der Geistwirkung „dieselbe Wirklichkeitserfahrung“14 widerspiegelt, zeigen Hinweise, die einerseits bei Plutarch, andererseits bei Lukas in Bezug auf die prophetische Wirkung des πνεῦµα auftreten: Bei beiden findet sich der Vergleich mit der Wirkung von Wein, wobei Lukas diese von den in Jerusalem wohnenden Juden im Rahmen des Pfingstereignisses ausgesprochene Deutung durch die Rede des Petrus als eine Fehlinterpretation der Wirkung des Geistes kennzeichnen lässt (Apg 2,13.15). Darüber hinaus zeigt sich allerdings ein gewichtiger Unterschied zwischen Lukas und Plutarch. Nach Plutarchs Inspirationsvorstellung bedarf es einer ganzen Reihe von Voraussetzungen, ehe die Weissagung der Pythia zustande kommen kann: Während die Weissagung aufgrund der stofflich-physikalischen Vorstellung bei Plutarch nur an einem bestimmten Ort, i.e. über der Erdspalte, stattfinden kann, gibt es für Lukas eine solche Einschränkung nicht, denn der Heilige Geist wirkt da, wo er eben gerade die Anhänger Jesu überkommt. Während nach Plutarch menschliche Anlage oder gar besondere Disposition, wie im Falle der Pythia, entscheidende Bedingung für das Zustandekommen der Inspiration darstellt, ist für Lukas allein der Geist als eine unverfügbare Gabe Gottes notwendig und Prophetie hängt (deshalb) nicht von menschlichen Gegebenheiten ab. Diese Loslösung von der prophetischen Kraft der menschlichen Seele als Voraussetzung der Inspiration ist schon im hellenistischen Judentum bei Philo zu beobachten, der zwar die platonische Inspirationsauffassung vertritt, bei dem sich aber der menschliche νοῦς entfernt, wenn das πνεῦµα herannaht, so dass allein der von Gott gegebene und damit unverfügbare Geist zur Prophetie führt.
14
KLEINKNECHT, πνεῦµα, S. 348, Anm. 65.
338
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Hinsichtlich der prophetischen Wirkweise des Geistes bleibt Lukas besonders wegen dieser menschlichen Voraussetzungslosigkeit und der Unverfügbarkeit der göttlichen Gabe des Geistes in starkem Maße in dem – auch bei Paulus zu findenden – alttestamentlich-jüdischen Vorstellungskomplex. Diese Einordnung wird auch dadurch unterstrichen, dass Lukas bei der Schilderung prophetischer Erscheinungen genau diejenigen Elemente (Weissagung, Offenbarung und Entrückung) aufweist, die schon das Alte Testament als vom Geist gewirkte Prophetie beschreibt. Wirkweise:
Lukas
maßgebliche Traditionen 1 Altes Testament
2.1 Stoa
2.2 PseudoPlaton 2.3 Plutarch 3.1 Qumran
Lenkung Geistempfänger Gottesvolk Israel: Simeon (Lk 2,27) Jesus (Lk 4,1) Gemeinde Jesu: Missionare (Apg 8,29.39; 10,19; 11,12; 15,28; 16,6f.; 19,21; 20,22)
Bewährung als Gottessohn
Geistempfänger
Phänomene
Richtergestalten (Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25)
Rettungstaten
Propheten (1. Kön 18,12; 2. Kön 2,16; Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.24; 37,1; 43,5)
(Entrückung zum) Auftragsort
Mensch (Ps 143,10) Alle Materie; Welt (SVF 1,25 Fr. 88; 2,112 Fr. 310; Cic. nat. deor. 2,18f.; Sen. nat. 2,45,1)
gottgefälliges Leben; Rettung feste Gesetzmäßigkeit aller Bewegung und Beschaffenheit
Mensch (Sen. ep. 41,2; 66,12) –
tugendhaftes Handeln; gute Lebensweise –
– Jeder Einzelne (in einer grundaufgeteilten Welt wirken zwei Geister) (1QS 3,13–4,26)
– vorherbestimmtes Ziel (Schicksal)
Phänomene Heil
Ausrichtung der Mission
339
3.1 Der Vergleich 3.2 Weisheit Salomos 3.3 Psalmen Salomos 3.4 Philo
4 Paulus
Welt (SapSal 1,6f.; 7,7.22; 9,17; 12,1) –
Weisheit
Welt (fug. 133–134; 182; conf. 136f.; migr. 181)
Zusammenhalt
Mensch (gig. 20–28; her. 57) Gemeinde Jesu (Röm 8,14; Gal 5,18)
Erkenntnis des Guten; tugendhaftes Verhalten Gotteskindschaft; gottgefälliges Leben
–
Die Wirkweise der Lenkung konnte bei Lukas in deutlicher Form ausgewiesen werden: Der Geist leitet Simeon zum in Jesus gegebenen Heil (Lk 2,27), führt Jesus bei dessen Versuchungen durch den Teufel, so dass Jesus sich als Gottessohn bewährt (Lk 4,1), und greift vor allem in die Missionstätigkeit der Gemeinde in der Weise lenkend ein (Apg 8,29.39; 10,19; 11,12; 15,28; 16,6f.; 19,21; 20,22), dass diese sich zu den Heiden ausrichtet und bis nach Rom ausbreitet. Im Zusammenhang mit dieser lenkenden Wirkweise zeigt sich der Geist als für die Verwirklichung des göttlichen Heilsplans verantwortlich. Das innerhalb der lukanischen Pneumatologie starke Vorkommen der lenkenden Wirkweise des Geistes stellt eine Besonderheit in den frühchristlichen Geistvorstellungen dar. Bei Paulus findet sich die Vorstellung eines lenkenden Geistes nur am Rande, denn er spricht lediglich davon, dass die Christen als Kinder Gottes vom Heiligen Geist „getrieben“ werden (Röm 8,14) oder dass der Geist sie in einem gottgefälligen Lebenswandel führt (Gal 5,18).15 Lukas kann bei dieser Vorstellung zwar auch auf alttestamentliche Ansätze zurückgreifen, jedoch gibt es im Alten Testament hinsichtlich einer durch den Geist erfolgenden planvollen Lenkung nur einige wenige Hinweise aus verschiedenen Bereichen des Geistauftretens. Zunächst kann auf die Vorstellung verwiesen werden, dass der Geist die charismatischen Richtergestalten zu ihrer jeweiligen Rettungstat veranlasst (Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25). An diesen Stellen bedeutet der Geist heilsames Eingreifen Gottes in die Geschichte seines Volkes, durch welches Gott die Rettung des Volkes erwirkt. Außerdem stellt die Entrückung der Propheten eine Führung zu ihrem Auftragsort dar (1. Kön 18,12; 2. Kön 2,16; Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.24; 37,1; 43,5). Daneben ist in Ps 143,10 die Vorstellung bezeugt, dass der Geist Gottes den Menschen zur Rettung und zu einem gottgefälligen Leben hinführt. So handelt es sich bei der durch Gott erfolgenden Lenkung der Heilsgeschichte um eine alttestamentliche Aussage, die aber nur in den oben genannten Einzelfällen mit 15
Wie in Lk 4,1 wird an diesen Stellen ἄγω („führen“) mit dem Geist verbunden.
340
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
dem Geist verbunden wird. Mit der ausführlichen Darstellung der Steuerung des Heilsplans durch den Geist geht Lukas jedoch deutlich über diese alttestamentliche Grundlage hinaus. Unter den maßgeblichen Traditionen gibt es allerdings eine, in der die Vorstellung eines lenkenden Geistes ein zentrales Element bildet. Nach der stoischen Vorstellung ist es das πνεῦµα, das als Weltvernunft (λόγος) alle Materie durchzieht und als ἡγεµονικόν („leitendes Prinzip“) die Welt bewegt und lenkt (SVF 1,25 Fr. 88; 2,112 Fr. 310; Cic. nat. deor. 2,18f.; Sen. nat. 2,45,1). Dabei wirkt es nach fester Gesetzmäßigkeit und bewirkt notwendigerweise alle Einzelbewegung und Beschaffenheit. Dem Menschen ist das πνεῦµα als Vernunft gegeben, damit es ihn zu tugendhaftem Handeln anleitet (ep. 41,2; 66,12).16 Es ist anzunehmen, dass Lukas den Gedanken eines planvoll lenkenden Geistes an die stoische πνεῦµα-Vorstellung angelehnt hat. Allerdings handelt es sich bei dieser stoischen Vorstellung um eine monistische Philosophie, die Gott als innerweltliches Prinzip versteht. Diesbezüglich ist aufschlussreich, dass sich der Einfluss der stoischen Vorstellung bereits im hellenistischen Judentum, und zwar sowohl in der Weisheit Salomos als auch bei Philo zeigt: Das πνεῦµα ist in der Weisheit Salomos ein kosmisches Prinzip, wobei es hier insbesondere als Geist der Weisheit bezeichnet wird (SapSal 1,6f.; 7,7.22; 9,17; 12,1). Anders als in der Stoa ist aber das πνεῦµα nicht selbst Gott, sondern der transzendente Gott greift durch das πνεῦµα in die Welt ein. Dieselbe Vorstellung findet sich bei Philo, nach dem das πνεῦµα als göttliche Kraft die Welt zusammenhält (fug. 133–134; 182; conf. 136f.; migr. 181). Der Mensch wird nach Philo insofern durch das πνεῦµα gelenkt, als dieses ihn zur Erkenntnis des Guten und in der Folge zu tugendhaftem Verhalten führen kann (gig. 20–28). Im Hinblick darauf verdeutlicht Philo aber auch, dass nicht alle Menschen sich von dem ihnen gegebenen Geist leiten lassen (her. 57). Die Tatsache, dass diese stoische Vorstellung schon im hellenistischen Judentum in der Weisheit Salomos und bei Philo Eingang gefunden hat, zeigt, wie verbreitet und attraktiv diese Vorstellung trotz des ihr zu Grunde liegenden Monismus war. Die für Juden problematische monistische Vorstellung wurde im hellenistischen Judentum in der Form modifiziert, dass das in der Welt wirkende πνεῦµα nicht als, sondern neben dem transzendenten Gott gedacht wurde. Wahrscheinlich durch diesen hellenistisch-jüdischen Einfluss vermittelt, hat Lukas die ursprünglich aus der
16
Mit Blick auf das Phänomen der göttlichen Lenkung ist auch auf das „Daimonion“ (δαιµόνιον) des Sokrates hinzuweisen, dass diesen als sein persönlicher Schutzgeist auf rechter Bahn führt. Die Prominenz dieser Vorstellung im 1. / 2. Jh. n. Chr. zeigt sich daran, dass dieses Thema innerhalb des genannten Zeitraumes von mehreren Autoren (z.B. Plutarch, Seneca, Apuleius) in ihren Schriften besprochen wird. Begrifflich ist das δαιµόνιον allerdings mit dem von Lukas beschriebenen πνεῦµα nicht vergleichbar. S. dazu II.3.1.2.
341
3.1 Der Vergleich
Stoa stammende Wirkweise des lenkenden Geistes unter Aufnahme einer wesentlichen Veränderung in sein Doppelwerk transformiert: Im Gegensatz zur monistischen Ansicht ist es der transzendente christliche Gott, der durch den Geist lenkend in die Welt eingreift. Dabei wird nach Lukas jedoch nicht die ganze Welt bzw. werden nicht alle Menschen vom Geist gelenkt, sondern – neben den Einzelpersonen Simeon und Jesus – lediglich die durch die Verbindung zu Gott ausgezeichnete Gemeinde Christi. Sie wird durch den Geist auf ihr Heil zugeführt. Bei der konkreten Darstellung der lenkenden Wirkweise des Geistes kann Lukas dann wieder u.a. an das alttestamentliche Motiv der Entrückung durch den Geist anknüpfen. Lukas unterstreicht, dass Gott mittels des Heiligen Geistes die Heilsgeschichte lenkt, und nimmt dabei hauptsächlich die aus der Stoa stammende und bereits ins hellenistische Judentum vermittelte Vorstellung auf, dass das Phänomen des lenkenden Geistes massiv mit der Vorherbestimmung bzw. Vorsehung verbunden ist. In dieser Hinsicht finden sich auch in den QumranSchriften Hinweise, die für den Vergleich zu berücksichtigen sind: Diese Schriften weisen zwar im Blick auf das mit dem Geist verbundene lenkende Phänomen keine Verbindung zu einem einzelnen Geist auf, aber in der ZweiGeister-Lehre (1QS 3,13–4,26) verbindet sich mit der Grundaufteilung der Welt und den beiden Geistern eine planmäßige Festlegung des Schicksals jedes Einzelnen, das nach dieser Ansicht durch die Geister vorherbestimmt wird. Dies zeigt noch einmal, dass die Vorstellung, der lenkende Geist habe mit der Vorherbestimmung der Heilsgeschichte zu tun, bei Lukas nicht neu ist, sondern er sie aus verschiedenen Traditionen aufnehmen konnte. Wirkweise:
Lukas
maßgebliche Traditionen 1 Altes Testament 2.1 Stoa 2.2 Pseudo-
Ermächtigung Geistempfänger Gottesvolk Israel: Johannes (Lk 1,17.80) Jesus (Lk 4,14) Gemeinde Jesu: alle Gemeindeglieder (Lk 24,49; Apg 1,8; 2,4; 4,8.31; 6,10; 18,25)
Phänomene Aufgabenspektrum (Vorbereitung des Gottesvolkes Israel auf das Heil) Aufgabenspektrum (heilend-wohltätige Taten) Evangeliumsverkündigung
Geistempfänger
Phänomene
Richtergestalten (Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25; 14,6.19; 15,14) – –
ungewöhnliche Heldentaten – –
342
3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Platon 2.3 Plutarch 3.1 Qumran 3.2 Weisheit Salomos 3.3 Psalmen Salomos 3.4 Philo 4 Paulus
– Erwählte (1QH 1,32; 7,6f.) –
– Vorgehen gegen Frevel und Plage –
Gesalbter (PsSal 17,37; 18,7) – Gemeinde Jesu (Röm 15,13.19; 1. Kor 2,4.13; Phil 1,19; 1. Thess 1,5)
Herrschaft; Vorgehen gegen Feinde – Verkündigung des Evangeliums; Widerstand gegen Bedrängnis; Hoffnung
Die im lukanischen Doppelwerk vorhandene Wirkweise der Ermächtigung durch den Geist zeigt sich einerseits sowohl an Johannes (Lk 1,17.80) als auch an Jesus (Lk 4,14) bei dem gesamten jeweiligen Aufgabenspektrum (bei Johannes die Vorbereitung des Gottesvolkes Israel auf das Heil, bei Jesus die heilend-wohltätigen Taten) sowie andererseits an der Gemeinde Jesu im Hinblick auf die durchzuführende Evangeliumsverkündigung (Lk 24,49; Apg 1,8; 2,4; 4,8; 6,10; 18,25). Lukas hat hinsichtlich der Aussagen zur Gemeinde Jesu sehr deutlich an die bei Paulus bezeugte ermächtigende Wirkweise angeknüpft. Nach Paulus ist der Geist die die Begabten in der Evangeliumsverkündigung stärkende Kraft (Röm 15,19; 1. Thess 1,5), die die Aussagen der Zeugen des Evangeliums von der Ebene der menschlichen Weisheit auf eine Ebene hebt, auf der diese Zeugen mit vom Geist gelehrten Worten reden (1. Kor 2,4.13). Zudem ist der Geist Beistand in Bedrängnis (Phil 1,19) und stärkt die Hoffnung auf die Verwirklichung der Herrschaft Gottes durch den zukünftig Kommenden (Röm 15,13). Wie schon bei Paulus, so werden auch nach Lukas die als Zeugen fungierenden Glieder der Gemeinde Jesu bei der Evangeliumsverkündigung als vom Geist unterstützt und gegen Widerstände gestärkt angesehen. Allerdings findet sich nur bei Lukas die Aussage, dass diese ermächtigende Wirkweise des Geistes den Jesusanhängern παρρησία („Freimut“) schenkt (Apg 4,31). In den anderen maßgeblichen Traditionen findet sich diese ermächtigende Wirkweise des Geistes nur vereinzelt: Im Alten Testament sind es vor allem die Richtergestalten, denen der Geist die Kraft für ungewöhnliche Heldentaten verleiht (Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25; 14,6.19; 15,14). In den QumranSchriften ist die Vorstellung bezeugt, dass der den Erwählten gegebene Geist eine Stärkung im Vorgehen gegen Frevel und Plage darstellt (1QH 1,32; 7,6f.). In den Psalmen Salomos erhält der Gesalbte durch den Geist die zur Ausübung der Herrschaft und vor allem zum Vorgehen gegen Feinde notwendige Kraft (PsSal 17,37; 18,7). Diese Belege für die ermächtigende Wirkweise stammen auffälliger Weise ausschließlich aus dem alttestamentlich-jüdischen Bereich, in der hellenistischen Philosophie sind entsprechende Belege nicht vorhanden. Während es in der frühchristlichen Tradition bei
3.1 Der Vergleich
343
Paulus die Vorstellung von der Ermächtigung der Anhänger Jesu gab, so haben die Geistphänomene aus den anderen maßgeblichen Traditionen, nach denen die Ermächtigung jeweils einzelnen herausragenden Gestalten gilt, vermutlich dazu beigetragen, dass Lukas auch in Bezug auf Jesus und Johannes eine ermächtigende Wirkweise schildert. 3.1.2 Die lukanischen Wesensvorstellungen des Geistes vor dem Hintergrund der maßgeblichen Traditionen Im Rahmen einer systematisierenden Darstellungsweise wurde aufgezeigt, inwiefern in der lukanischen Pneumatologie die Wesensvorstellungen des Heiligen Geistes als (zum Teil substanzhafte Züge annehmende) Kraft und als Person vorhanden sind. Diese Wesensvorstellungen sollen im Folgenden mit den in den maßgeblichen Traditionen vorhandenen Geistvorstellungen verglichen werden, um zu erschließen, von welchen Traditionen Lukas beeinflusst wurde und von welchen er sich abgrenzte. Lukas beschreibt den Heiligen Geist überwiegend als eine Kraft oder Substanz. Diese Wesensvorstellung tritt insbesondere durch die parallele Verwendung der Begriffe Geist (πνεῦµα) und Kraft (δύναµις) hervor (Lk 1,17.35; 24,49 par. Apg 1,5.8; Apg 10,38), wird aber auch bei der Verwendung von bestimmten Formulierungen (z.B. erfüllt werden, voll sein, ruhen auf, Gabe) ersichtlich. Die substanzhafte Komponente dieser „Geisteskraft“ wird vor allem in Lk 3,22 durch den Verweis auf die körperliche Gestalt bzw. das körperliche Aussehen des Geistes explizit von Lukas beschrieben und klingt darüber hinaus durch von Lukas gebrauchte Ausdrücke wie ausgießen, salben und taufen an. Die Vorstellung des Geistes als Kraftphänomen ist nicht nur in allen genannten Traditionen geläufig, sondern in der überwiegenden Zahl der Belege gegeben. Lukas konnte zunächst an die frühchristlichen Anschauungen anknüpfen, denn auch bei Paulus wird der Geist parallel zur Kraft (δύναµις), in der man etwas tun kann (1. Kor 2,4; 1. Thess 1,5; Röm 15,19), dargestellt. Zudem impliziert die Rede vom Geist als Unterpfand (2. Kor 1,22; 5,5) oder Erstlingsgabe (Röm 8,23) eine Kraft; dies gilt ebenso für die Rede vom Empfang des Geistes (2. Kor 11,4; Gal 3,14) oder vom Reden, Handeln, Leben und Dienen im Geist (1. Kor 14,16; Gal 3,3.5; 5,16; Phil 3,3). Die lukanische Darstellung weist darüber hinaus auf Einflüsse aus den anderen maßgeblichen Traditionen hin. Die o.g. Wesensvorstellung wird alttestamentlich an den Stellen deutlich, an denen der Geist als besondere Begabung beschrieben wird, also Personen mit dem Geist erfüllt werden (Ri 6,34; Ex 31,3; 35,31), der Geist auf oder über sie kommt (Ri 3,10; 11,29; 1. Sam 16,13; vgl. Jes 32,15 LXX), auf ihnen ruht (Jes 11,2; 61,1) oder ihnen gegeben wird (Jes 42,1; Ez 36,26f.). Eine mit dem oben genannten Vorgang verbundene Materialität des Geistes wird nicht ausdrücklich genannt; es kann
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3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
lediglich darauf verwiesen werden, dass der in Num 11,17.25 geschilderte Vorgang, bei dem etwas vom Geist des Mose genommen und auf die 70 Ältesten gelegt wird, substanzhafte Züge voraussetzt. Dies gilt auch für die Rede vom Ausgießen des Geistes (Jo 3,1f.; Ez 39,29; Jes 32,15 MT). Das bedeutet, dass sich sehr viele der bei Lukas bezeugten Formulierungen, die das Kraftphänomen voraussetzen, wie z.B. erfüllen, überkommen, ausgießen, ruhen auf, bereits im Alten Testament finden. Hier lehnt Lukas sich in der Beschreibung des Geistes sehr stark an die alttestamentliche Begrifflichkeit an, was nicht zuletzt daran erkennbar ist, dass er mit Jes 61,1f. und Jo 3,1f. zwei alttestamentliche Geist-Verheißungen zur Grundlage seiner Darstellung des Geistwirkens macht.17 Anders verhält es sich im Hinblick auf die von Lukas an einigen Textstellen geschilderte Substanzhaftigkeit des Geistes. Diese kommt im alttestamentlichen Bereich und, wie sich im Folgenden zeigen wird, auch im Antiken Judentum in dieser Ausdrücklichkeit nicht vor. In den Qumran-Schriften wird der Geist als eine Kraft beschrieben, in der die Menschen wandeln (1QS 3,18; 4,6.11.15; 1QH 4,31). Außerdem wird die fast schon zum Hendiadyoin werdende Parallelisierung des Geistes mit Kraft (z[o) in 1QH 7,6f. herausgestellt. In Richtung des materiellen Gedankens weist lediglich die Aussage, dass der Geist auf den Menschen gesprengt werden kann (1QH 17,26). In der Weisheit Salomos ist der „Geist der Kraft“ (πνεῦµα δυνάµεως) (SapSal 5,23; 11,20) bezeugt, welcher auch nur als δύναµις bezeichnet werden kann (SapSal 1,3; 12,15.17). Auch die Psalmen Salomos fassen den Geist als eine Kraft auf, wenn sie davon sprechen, dass der Gesalbte im Geist seine Taten vollbringen und seine Herrschaft ausüben soll. In Philos Schriften ist der Geist ebenfalls meist als Kraftphänomen vorgestellt, mit dem der Mensch zum Zwecke der Prophetie begabt wird bzw. ihn empfängt. Besonders deutlich wird die Kraftvorstellung an den Stellen, an denen im synonymen Gebrauch zu πνεῦµα von „Kraft des Geistes“ (δύναµις πνεύµατος) oder „Kräften“ (δυνάµεις), mit Hilfe derer Gott die Welt zusammenhält (opif. 131; migr. 181), gesprochen wird. Dennoch liegt hier kein stofflicher Gedanke vor. Dieser besteht jedoch in der hellenistischen Philosophie: In der Stoa ist πνεῦµα eine Kraft, die den Kosmos durchzieht und die stofflich verstanden wird. Dieses πνεῦµα wohnt nach stoischem Gedankengut auch dem Menschen inne, eine Vorstellung, die auch im pseudoplatonischen Dialog Axiochos vorhanden ist. Durch die Rede vom Innewohnen des Geistes wird jedoch in beiden Fällen deutlich, dass es sich um kein dem Menschen gegenübertretendes Wesen handelt, sondern der Geist als Kraftphänomen gedacht ist. Stoischer Einfluss zeigt sich außerdem bei der von Plutarch zur Beschreibung des Inspirationsvorgangs verwendeten πνεῦµα-Vorstellung. Dieses πνεῦµα gehört zu den aus der Erde aufsteigen17
Die Rede vom „Ausgießen“ des Geistes, die in Apg 2,17f. aus Jo 3,1f. aufgenommen wurde, wird von Lukas anschließend an weiteren Stellen verwendet (Apg 2,33; 10,45).
3.1 Der Vergleich
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den Kräften (δυνάµεις) (def. orac. 40 [432 D]), so dass es auch als τοῦ πνεύµατος δύναµις beschrieben werden kann (def. orac. 51 [438 C–D]), wobei trotz dieser physikalischen Vorstellung die Göttlichkeit des πνεῦµα betont wird. Die Stofflichkeit zeigt sich besonders auch da, wo das πνεῦµα als Dampf angesehen wird (def. orac. 46 [435 A]) und von seinem Aufsteigen aus der Erde (def. orac. 50 [437 C]) die Rede ist. Dies zeigt, dass die lukanische Betonung der Stofflichkeit des Geistes auf die stoische Denkweise zurückzuführen ist, die auch den Mittelplatonismus beeinflusst hat.18 Die Wesensvorstellung des Geistes als Person oder personales Gegenüber tritt in der lukanischen Pneumatologie an einigen wenigen, aber markanten Stellen auf. Diesen Persongedanken hat Lukas innerhalb der die Gemeinde Jesu betreffenden Wirkungsepoche, in der der Geist zum ersten Mal ausdrücklich als eigenständiges Subjekt agiert, vor allem durch die Parallelisierung mit dem Engel systematisch eingeführt und plausibel gemacht (Apg 8,29.39), zugleich aber betont, dass dem Geist eine größere göttliche Autorität zukommt. Der Geist trägt vor allem dann personhafte Züge, wenn er spricht, Befehle erteilt, entrückt, Funktionsträger auswählt und einsetzt oder als (Teil eines) Entscheidungsträger(s) fungiert. Den stärksten Anknüpfungspunkt für die lukanische Darstellung bietet die frühchristliche Tradition, denn Paulus erwähnt den personalen Geist an vielen Stellen und lässt ihn in unterschiedlicher Weise handeln. Auch bei Paulus kann der Geist als personales Gegenüber vorgestellt werden, wenn der Geist als derjenige angesehen wird, der Zeugnis ablegt (Röm 8,16), die Gaben zuteilt (1. Kor 12,11), lehrt (1. Kor 2,13), antreibt (Röm 8,14) und leitet (Gal 5,18). Besonders deutlich wird diese personale Geistvorstellung bei Paulus, wenn es heißt, dass der Geist sich der Schwachheit der Glaubenden annimmt und sie mit unaussprechlichem Seufzen (im Gebet) vertritt (Röm 8,26). Lukas konnte hinsichtlich des personalen Geistes außerdem an alttestamentliche und an aus dem palästinischen wie dem hellenistischen Judentum stammende Wesensvorstellungen des Geistes anknüpfen: Im Alten Testament werden personale Züge des Geistes einige Male im Ezechielbuch hervorgehoben: Hier redet der Geist zu Ezechiel, gibt ihm einen Befehl (Ez 3,24) und schreibt Ezechiel wortwörtlich den Inhalt der von diesem vorzunehmenden Verkündigung vor (Ez 11,5). Ebenso tritt der Geist Ezechiel (Ez 3,12.14; 8,3; 11,1.24; 37,1; 43,5) wie auch dem Elia (1. Kön 18,12; 2. Kön 2,16) bei deren Entrückung gegenüber. Personhafte Züge treten zudem zu Tage, wenn der Geist als Führer auf rechter Bahn (Ps 143,10) angesehen wird. In Qumran sind Geister (der Auftritt erfolgt stets in der Mehrzahl) personal geschildert, wenn sie um die Menschen kämpfen (1QS 4,23; vgl. 3,24) oder als Geister der Erkenntnis bezeichnet werden (1QH 3,22f.). Diese Geister stehen dabei auf derselben Ebene mit Engeln, Dämonen und auch mit 18
Vgl. auch – allerdings gleichzeitig relativierend – SCHWEIZER, πνεῦµα, S. 404.407.
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3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Belial. In der Weisheit Salomos tritt der Geist als eigenständiges Subjekt den Menschen strafend gegenüber (SapSal 1,5f.) oder unterrichtet Gott über geschehenes Unrecht (SapSal 1,9). Bei Philo findet sich – wie schon im Alten Testament – die Aussage, dass der personale Geist dem Propheten vorspricht, was dieser sagen soll (spec. leg. IV,49). Im Bereich der griechischen Philosophie liegt keine äquivalente Vorstellung vor. Dies ist wahrscheinlich auf den in der – diesen Bereich prägenden – stoischen Vorstellung vorhandenen Gedanken der Immanenz und Stofflichkeit des πνεῦµα zurückzuführen.19 Lukas konnte auch hinsichtlich der Wesensvorstellung des Geistes als Person oder personales Gegenüber auf aus verschiedenen Traditionen stammende Aussagen zurückgreifen. In der lukanischen Pneumatologie ist jedoch folgende wesentliche Abweichung von den Traditionen zu beobachten: In den genannten Traditionsbereichen ist hinsichtlich des Auftretens des personalen Geistes keine Systematik erkennbar, es wirkt daher eher zufällig und kann auch mehrere Geister umfassen. Lukas bietet im Unterschied dazu eine systematische Einführung20 des als (eine) Person auftretenden Heiligen Geistes, wobei dies auffälliger Weise erst in der auf die Gemeinde Jesu bezogenen Wirkungsepoche des Geistes geschieht.
3.2 Ergebnisse des Vergleichs 3.2 Ergebnisse des Vergleichs
Im vorangehenden Vergleich konnte aufgezeigt werden, dass die Phänomene der lukanischen Pneumatologie deutliche Bezüge zu bei Paulus bezeugten frühchristlichen Geistvorstellungen sowie zu den Geist-Aussagen der alttestamentlich-jüdischen und der hellenistischen Tradition aufweisen, wenn auch die erfolgten Anknüpfungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die Bezugnahmen erweisen sich nicht etwa in der Weise, dass von einer inhaltsglei19
Es gibt zwar auch in der griechischen Philosophie personale numinose Wesen, diese werden aber nie mit πνεῦµα bezeichnet. Am nächsten kommt der lukanischen Darstellung des personalen Geistes das „Daimonion“ (δαιµόνιον) des Sokrates. „Es handelt sich um eine übernatürliche, göttliche oder dämonische Stimme, die allein Sokrates eigen war und die er von Zeit zu Zeit vernahm, wenn sie ihm von Dingen, die er zu tun vorhatte, abriet“ (LAKMANN, Einführung, S. 15). Jedoch wird dieses Daimonion nie mit πνεῦµα in Verbindung gebracht und kann daher für den lukanischen Geist-Begriff nicht als maßgebliche Tradition herangezogen werden, denn die lukanische Darstellung operiert mit dem expliziten Begriff πνεῦµα und nutzt die mit diesem verbundenen Vorstellungen. 20 Für diese systematische Einführung parallelisiert Lukas den Geist mit dem Engel. Eine solche Vergleichbarkeit des personalen Geistes mit dem Engel zeigt sich in den Qumran-Schriften und ist auch bei Josephus zu finden, der den Engel als θεῖον πνεῦµα interpretiert (AJ IV,108). Im Unterschied zu diesen Darstellungen macht Lukas aber deutlich, dass dem personalen Geist eine größere göttliche Autorität zukommt als dem Engel.
3.2 Ergebnisse des Vergleichs
347
chen oder gar wortwörtlichen Übernahme von Formulierungen oder Textpassagen in die lukanische Pneumatologie gesprochen werden kann, sondern der Einfluss der beschriebenen Traditionen stellt sich so dar, dass die lukanischen Aussagen sich an die in diesen Traditionen mit dem Begriff „Geist“ verbundenen Phänomene und Bedeutungsgehalte anlehnen bzw. sich diese in Lukasʼ Ausführungen wiederspiegeln. Aus dieser Beobachtung ergeben sich zwei Fragestellungen, deren Beantwortung die Ergebnisse des Vergleichs liefern soll: Zum einen stellt sich die Frage, inwiefern trotz dieser in Bezug auf die Geistphänomene erwiesenen Entsprechungen ein eigenes Profil der lukanischen Pneumatologie erkennbar ist. Zum zweiten ist zu fragen, aus welchem Grund und mit welcher Intention Lukas sich bei der Entwicklung seines umfassenden Konzeptes vom Heiligen Geist auf die in den Traditionen vorhandenen Geistvorstellungen gestützt hat und welche Rolle der Leserkreis dabei spielte. 3.2.1 Die Profilierung der lukanischen Pneumatologie Die Ermittlung der Anknüpfungspunkte der in der lukanischen Pneumatologie vorhandenen Wirkweisen und Wesensvorstellungen an die maßgeblichen Traditionen hat ergeben, dass Lukas zahlreiche Phänomene aus den verschiedenen Traditionen für seine Darstellung des Heiligen Geistes verwendet. Dabei hat sich gezeigt, dass Lukas einige Gedanken zwar zunächst aufgreift, dann aber auch in wesentlichen Punkten transformiert. Wie Lukas auf diese Weise insgesamt seinem Konzept vom Heiligen Geist ein Profil gibt, zeigt der folgende Überblick; dabei wird auf die in Teil I der Arbeit vorgenommene Einteilung der Geistempfänger in Wirkungspochen zurückgegriffen, da Lukas die in den drei Wirkungsepochen vorkommenden Phänomene und Bedeutungsgehalte des Geistes zu jeweils verschiedenen Aussagen nutzt. Ein spezifisches Profil gewinnen die Geist-Aussagen des Lukas vor dem Hintergrund der aufgezeigten Traditionen zunächst im Blick auf die Repräsentanten des Gottesvolkes Israel. Es ist bezeichnend, dass eine durch die Geistbegabung erfolgende besondere Auszeichnung innerhalb des Gottesvolkes Israel nach lukanischer Darstellung nur einzelnen Repräsentanten (Johannes und Simeon) zukommt, die deshalb als hervorgehoben anzusehen sind. Dieser Gedanke der Geistbegabung einiger weniger Hervorgehobener ist ausschließlich an alttestamentlich-jüdisches Gedankengut angelehnt und grenzt sich somit von den griechischen Vorstellungen ab, nach denen die durch den Geist bewirkte besondere Auszeichnung stets ein Kollektiv (den Menschen an sich) betrifft. Auch hinsichtlich der sich an Vertretern des Gottesvolkes Israel zeigenden prophetischen Wirkweise hat Lukas stärker auf die alttestamentlich-jüdische Sichtweise der allein vom Geist abhängigen Prophetie zurückgegriffen als auf die auch in griechischer Tradition mit dem Geist verbundene Prophetie, da diese an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.
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3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Auch für die an Johannes im Blick auf seine Wegbereiter-Aufgabe erfolgende Ermächtigung durch den Geist gilt der jüdische Hintergrund. Innerhalb des Gottesvolkes Israel greift Lukas nur ein einziges Mal, i.e. bei der sich an Simeon zeigenden lenkenden Wirkweise, auf ein deutlich von griechischer Tradition geprägtes Geistphänomen zurück. Durch diese stark jüdisch geprägte Darstellungsweise kann Lukas insgesamt das Wirken des Geistes im Gottesvolk Israel von dem später in der Gemeinde Jesu an allen Gliedern erfolgenden Wirken abheben. Zudem werden die Repräsentanten des Gottesvolkes von Lukas durch die Zuweisung der Geist-Phänomene in der jüdischen Tradition verankert, von der sie herkommen. In Bezug auf Jesus profiliert Lukas den Bedeutungsgehalt des Geistes in mehrfacher Hinsicht. Durch Rückgriff auf die Vorstellung der Beteiligung des Geistes an der Zeugung neuen Lebens, die aus Ägypten stammt und auch bei Plutarch bezeugt ist, hat Lukas den Geist als Jesu schon von dessen Entstehen an prägendes Wesensmerkmal ausgewiesen und damit Jesu Gottessohnschaft auf den Heiligen Geist begründet. Im Unterschied zu der oben genannten Vorstellung beschränkt sich die Wirkung des Geistes bei Jesus nicht auf die Zeugung, sondern Lukas weist Jesus eine durch seine wesenhafte Geistprägung gekennzeichnete Gottesbeziehung zu. Auf diese Weise hebt Lukas Jesus aus allen anderen Menschen hervor. Diese Heraushebung eines Einzelnen steht in deutlichem Gegensatz zu den hellenistischen Vorstellungen der durch das πνεῦµα bewirkten Anwesenheit des Göttlichen in jedem Menschen. Darüber hinaus unterscheidet Jesus sich nach Lukas von allen anderen, weil er das exklusive Zuteilungsrecht des Geistes erhält, ein Recht, das in allen betrachteten Traditionen ausschließlich Gott zukommt. Jesu Prägung vom Geist wird weitergeführt in den lukanischen Aussagen, die die Wirksamkeit Jesu als vom Heiligen Geist bestimmt ansehen und Jesus als den „Geistgesalbten“ bezeichnen. Hier knüpft Lukas explizit an die alttestamentlich durch den Terminus der Salbung ausgesagte Beauftragung und deren Verbindung mit der zur Ausführung der Aufgaben erhaltenen Geistbegabung an, die in jüdischen Texten (Psalmen Salomos und Qumran) noch deutlicher hervortritt. Allerdings ist die Ausdeutung dieses Zusammenhangs mittels der starken Betonung des Geistes als entscheidendes indienstnehmendes Element, auf das sich auch Jesu Christus-Titel zurückführen lässt, zusätzlich vom Bedeutungsgehalt der in der hellenistischen Tradition vorhandenen Geistvorstellung beeinflusst, in der das πνεῦµα z.B. die Pythia in Funktion setzt. Hier hat Lukas die alttestamentlich-jüdische Grundlage unter dem Einfluss hellenistischer πνεῦµα-Vorstellung weitergeführt. Neben diesen zwei zentralen Aufnahmen der Geist-Wirkweisen der besonderen Auszeichnung und der Indienstnahme für die Darstellung Jesu als Gottessohn und Christus hat Lukas den Geist auch als Jesus lenkendes und ermächtigendes Phänomen dargestellt. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass das Phänomen der lenkenden Wirkweise maßgebend von hellenistischer Geistvorstellung beein-
3.2 Ergebnisse des Vergleichs
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flusst ist, die Ermächtigung durch den Geist jedoch nur in alttestamentlichjüdischem Bereich vorhanden ist. Durch die Anknüpfung an Geistphänomene verschiedener Bereiche konnte Lukas die fundamentale Geistprägung Jesu unterstreichen. In Bezug auf die Gemeinde Jesu hat Lukas zwar an Paulus angelehnt den Geist als die besondere Beziehung zu Jesus und Gottvater kennzeichnend aufgenommen, hat aber die Ausführung ethischer Konsequenzen vernachlässigt. Ebenso wird bei Lukas anders als bei Paulus die Geistbegabung nicht mit der Auferstehung verbunden. Auf der anderen Seite betont Lukas in sehr viel ausführlicherer Weise, dass der Geist das Identitätsmerkmal der Gemeinde Jesu ist, das diese Gemeinde als Heilsgemeinschaft auszeichnet, weil durch den Geist Jesus und Gottvater in der Gemeinde gegenwärtig sind. Dies nimmt zunächst alttestamentliche Heilsverheißungen auf, die im Geist die Nähe Gottes zusagen. Es ist aber wahrscheinlich, dass die lukanische Betonung von der griechischen Vorstellung der durch den Geist gegebenen göttlichen Anwesenheit noch verstärkt wurde. Lukas macht jedoch – an dieser Stelle stehen seine Ausführungen im Gegensatz zur griechischen Vorstellung – deutlich, dass der Geist nicht allen Menschen, sondern nur der Heilsgemeinschaft gegeben ist, und dass er stets unverfügbare Gabe Gottes bleibt. Anders als Paulus gründet Lukas nur in Bezug auf Jesus selbst die Eigenschaft als Gottessohn und Gesalbter auf den Geist, nicht jedoch in Bezug auf die Glieder der christlichen Gemeinde. Dies ist darin begründet, dass Lukas die Einsetzung des Gottessohnes Jesus zum Vermittler und Verwalter des Geistes betonen will, nach Paulus jedoch die durch Jesus erfolgende Vermittlung der Gotteskindschaft an die Glaubenden im Fokus steht. Auch berichtet Lukas in Bezug auf die Gemeinde Jesu von der indienstnehmenden Wirkweise des Geistes, wenn er die verschiedenen Funktionsträger als durch den Geist legitimiert ansieht. Dabei nimmt er starken Bezug auf die im Alten Testament mit dem Geist verbundenen Bedeutungsgehalte, die hinsichtlich der Befähigung für und Einsetzung in bestimmte Ämter vorhanden sind; er geht aber noch darüber hinaus, indem er den Geist bei Schaffung und Einsetzung neuer Ämter selbstständig auftreten lässt, was von griechischen Vorstellungen der Infunktionssetzung durch den Geist, wie sie nach Plutarchs Schilderung bei der Pythia vorliegen, beeinflusst ist. Die verschiedenen auftretenden prophetischen Phänomene, die Lukas auf den Geist zurückführt, weisen starke Entsprechungen zu den alttestamentlichen prophetischen Geistphänomenen auf, allerdings ist anzumerken, dass daneben auch die griechische Inspirationsvorstellung im Hintergrund steht. Die in diesem Bereich bestehende Vorstellung von dem Erfordernis des Vorliegens menschlicher Voraussetzungen wird aber von Lukas deutlich negiert. Die häufig auftretende lenkende Wirkweise des Geistes in der Gemeinde Jesu hat Lukas vor allem von der stoischen πνεῦµα-Vorstellung her entwickelt; hierbei hat er die bei Paulus und auch im Alten Testament vorhandenen Ansätze verstärkt, insbesonde-
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re auch – in Anlehnung an das hellenistische Judentum – den stoischen Monismus mit der göttlichen Transzendenz und einem göttlichen Willen, der in der Geschichte wirksam ist, verbunden. Diesen lenkenden Geist macht Lukas zum Garanten der Umsetzung des der Gemeinde Jesu vorherbestimmten göttlichen Heilsplanes, was sich insbesondere in Bezug auf die Mission zeigt. Aus alttestamentlich-jüdischem Bereich stammt hingegen die Aussage, dass die Glieder der Gemeinde vom Heiligen Geist ermächtigt werden, was Lukas – an die paulinische Darstellung anknüpfend – besonders auf die Evangeliumsverkündigung bezieht. Hinsichtlich der Wesensvorstellungen zeigt sich ebenfalls ein besonderes Profil der lukanischen Darstellung des Heiligen Geistes: Lukas beschreibt den Geist sehr häufig als Kraftphänomen, wofür er sich schwerpunktmäßig alttestamentliche Begrifflichkeit zu eigen macht; im Hinblick auf die an einigen Stellen hervorgehobene substanzhafte Vorstellung dieser Geisteskraft nimmt Lukas dann aber auch deutlich auf griechisches Gedankengut Bezug. Andererseits hebt Lukas insbesondere in der die Gemeinde Jesu betreffenden Wirkungsepoche des Heiligen Geistes die personale Wesensvorstellung hervor; hier schließt er an alttestamentlich-jüdische Phänomene an. Durch die systematische Einführung einerseits und das wiederholte und bedeutungsvolle Vorkommen der personalen Wesensvorstellung des Geistes andererseits hebt er sich von allen Traditionen ab. Der stark personal gedachte Geist wird zu einem besonderen Merkmal der lukanischen Pneumatologie. Im Vergleich mit den in den Traditionen auftretenden Phänomenen (besonders in Qumran) fällt auch auf, dass Lukas nur von einem einzigen personalen Heiligen Geist spricht.21 Die herausragende Bedeutung des Heiligen Geistes für die Gemeinde Jesu wird somit (auch) durch die seitens Lukas erfolgte deutlich verstärkte Verwendung der Wesensvorstellung des Geistes als Person betont. Die besondere Profilierung als personales Gegenüber liegt darin begründet, dass der irdische bzw. später dann der auferstandene Jesus selbst bis zu seiner Himmelfahrt die seine Jünger leitende und lehrende alleinige Autorität war. Nach Jesu Aufnahme in den Himmel entstehen im Laufe der Zeit jedoch neue Fragen für die christliche Gemeinde, die insbesondere die Heidenmission, aber auch innergemeindliche Strukturen wie Ämter etc. betreffen. Zur Lösung dieser Probleme bedarf die Gemeinde nach Lukas wiederum eines (einzigen) personalen göttlichen Gegenübers, das sie im von Jesus gesandten Heiligen Geist erkennt, dem Heiligen Geist, der ihnen nach Lukas zunächst eindeutig als
21 Im Unterschied dazu können im lukanischen Doppelwerk so wie auch in den sonstigen Teilen des Neuen Testaments böse Geister im Plural auftreten, auch durchaus in personaler Weise. Vgl. Lk 4,36; 6,18; 7,21; 8,2; Apg 19,12f.15f.; Mk 6,7; Mt 10,1.
3.2 Ergebnisse des Vergleichs
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Kraft verheißen war (Apg 1,8; Lk 24,49).22 Der personal gedachte Geist steht der Gemeinde nun insbesondere bei Fragen zur Mission oder zum inneren Gemeindeleben bei und vertritt dabei Gottvater und Jesus in der christlichen Gemeinde. Die erörterten Zusammenhänge verdeutlichen, dass Lukas die verschiedenen aus den maßgeblichen Traditionen stammenden Bedeutungsgehalte des Geistes für sein umfassendes Konzept vom Heiligen Geist genutzt hat, seine Pneumatologie gleichzeitig aber in der Weise profiliert, dass das spezifisch Christliche dieses Heiligen Geistes hervortritt. Er hat – auf die frühchristlichen Geist-Aussagen aufbauend – aus allen Bereichen der genannten Traditionen Darstellungen von Phänomenen übernommen, wenn diese der Profilierung dienten. Manche Darstellung ist stark vom griechischen Einfluss geprägt, nie aber verlässt Lukas den Boden der alttestamentlich-jüdischen Grundanschauung eines transzendenten, der Welt gegenüberstehenden persönlichen Gottes, der durch seinen Geist bei den Menschen wirkt und auf diese Weise die Heilsgeschichte lenkt. Die Kombination der frühchristlichen sowie alttestamentlich-jüdischen Grundlage mit griechischen Aspekten wird so transformiert, dass die eigene lukanische Pneumatologie entsteht. 3.2.2 Der Grund und die Intention der lukanischen Pneumatologie Der Vergleich und die aufgezeigte Profilierung lassen evident werden, welche Rahmenbedingungen für das im lukanischen Doppelwerk erwiesene Gesamtkonzept bestanden: Lukas konnte für seine Darstellung des Heiligen Geistes auf vielfältige Phänomene und Bedeutungsgehalte des Begriffs „Geist“ (πνεῦµα) innerhalb der ihn prägenden Traditionen zurückgreifen. Die Entwicklung der lukanischen Pneumatologie wurde durch die Tatsache begünstigt, dass – wie aus den in Kapitel II.2 gemachten Aussagen ersichtlich wird – der Geist sich zur Zeit des Lukas sowohl im alttestamentlich-jüdischen als auch im hellenistisch-paganen Bereich zu einem bedeutenden Begriff entwickelt hatte, dessen Verwendung demnach auf der Höhe der Zeit (,up to date‘) geschah, also ,in‘ war. Denn der Geist Gottes findet sich in den älteren Schichten des Alten Testaments nur selten, in jüngeren Texten aber immer häufiger. Auch in den die Inspiration betreffenden Darstellungen des Plutarch löst der Begriff πνεῦµα die bei Platon auftretende Rede von der ἐπίπνοια („Anhauch“) ab, das stoische πνεῦµα-Verständnis findet Eingang in andere griechische Philosophien wie den Mittelplatonismus, aber auch in hellenistisch-jüdische Texte. An diese alle Einflussbereiche betreffende auffällige Prominenz konnte Lukas unter Aufnahme der frühchristlich vorhandenen 22
Allerdings klingt in einer der Geist-Verheißungen für besondere Situationen, die sich in die zentrale Geist-Verheißung einfügen (s. dazu I.2.2.2), an, dass der Geist auch personal agieren kann: Für bedrohliche Situationen wird ihnen zugesagt, dass der Geist ihr Lehrer sein wird (Lk 12,12).
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3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Anschauungen vom Heiligen Geist mit seiner Pneumatologie anschließen. Dabei hat er die verschiedenen in den Traditionen vorhandenen Wirkweisen und Wesensvorstellungen in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlicher Ausprägung aufgenommen und zu seinem Konzept vom Geist zusammengeführt. Deshalb ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Grund für die ausführliche Pneumatologie sich in den durch die Nutzung verschiedener aus den maßgeblichen Traditionen stammender Bedeutungsgehalte des Geistes für Lukas möglich gewordenen Aussagen findet, jenen Aussagen, die auf die von Lukas verfolgte Intention seiner Pneumatologie schließen lassen. Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie gehören demnach untrennbar zusammen. Denn mit den unter Punkt II.3.2.1 profilierten Bedeutungsgehalten des Heiligen Geistes verbindet Lukas jeweils eine bestimmte Aussage, die sowohl dem jüdischen wie dem griechischen Leserkreis verständlich sein soll. Es zeigt sich, dass Lukas, um die Erkenntnismöglichkeit seiner Darstellung zu steigern und seine Aussagen plausibel zu machen, dabei auch stärker auf den einen oder anderen Leserkreis gemünzte Aussagen trifft. Auf diese Weise berücksichtigt er die unterschiedlichen Verständnishorizonte seiner Rezipienten. Lukas hat die innerhalb des Gottesvolkes Israel vorkommenden Geistphänomene insgesamt so gestaltet, dass sie mit Ausnahme der lenkenden Wirkweise vorwiegend auf alttestamentlich-jüdischen Geistvorstellungen basieren. Auf diese Weise können die jüdisch geprägten Leser die einzelnen geistbegabten Personen als zu ihrem Volk gehörend erkennen und die griechischen Leser lernen bei Betrachtung der ihnen eher fremden Vorstellung, dass es sich bei den Geistbegabten um herausragende Personen handelt. Beide Leserkreise verstehen die prophetische Wirkweise, wobei die jüdischen Leser der bei Lukas gebotenen Vorstellung näher stehen, weil die griechische Inspirationsvorstellung sich davon unterscheidet. Für den griechischen Leser wird das Verständnis auch durch die Schilderung der bei Simeon auftretenden Führung durch den Geist erleichtert, für die jüdischen Leser vor allem durch die Darstellung der ermächtigenden Auswirkungen des Geistes. Lukas kann durch die besondere Auszeichnung, die Jesus durch den ihm als Wesensmerkmal gegebenen Geist erfährt, auch griechisch geprägten Lesern verdeutlichen, was es heißt und worauf sich die Aussage gründet, dass Jesus der Gottessohn ist: Zum einen ist Jesus – wie große Persönlichkeiten – mithilfe des Geistes entstanden, zum anderen weist die fundamentale Prägung durch den Geist Jesus als jemanden aus, in dessen Wesen die Anwesenheit des Göttlichen geradezu ,verankert‘ ist. Die Funktion als Vermittler und Verwalter des Geistes stellt Jesus für Leser aller Traditionsbereiche an die Seite Gottes. Auch die spezifisch lukanische Aussage der Geistsalbung dient dazu, den Griechen den mit dem Terminus χριστός beschriebenen Status Jesu verständlich zu machen. Diese alttestamentlich-jüdische Bezeichnung ist
3.2 Ergebnisse des Vergleichs
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zwar für Griechen im Hinblick auf Jesu Heilsbedeutung unverständlich23, aber sie können doch durch die lukanische Darstellung des geistgeprägten Wirkens Jesu verstehen, dass Jesus von Gott kommt. In ihm ist in einzigartiger Weise Gott in der Welt wirksam und in Jesu Wirken ist Gott und damit das Heil gegenwärtig. Dies zeigt sehr prägnant, wie Lukas die Botschaft von Jesus auch in die Vorstellungswelt der Griechen überträgt, wobei er alttestamentlich-jüdische Aussagen zu Gottessohn und Messias aufgreift und mithilfe des griechischen πνεῦµα-Begriffs ausdeutet. In diesem Zusammenhang kann man von Inkulturation sprechen. Die Geistträgerschaft Jesu wird darüber hinaus für griechische Leser durch die Darstellung anschaulich, dass Jesus im Geist geführt wird; für den jüdisch geprägten Leser hingegen ist die Erkenntnismöglichkeit eher durch die Schilderung des Jesus in seinem Wirken ermächtigenden Geistes gegeben. Bemerkenswert ist, dass Lukas es vermochte, beide Aussagen im Rahmen einer einzigen Erzählung unterzubringen (Lk 4,1.14). In Bezug auf die Gemeinde Jesu kann Lukas mit seinen Ausführungen zum Geist Folgendes erreichen: Stellt die durch den Geist verbürgte permanente Gegenwart Jesu und Gottvaters für Menschen mit alttestamentlich-jüdischem Hintergrund klar, dass sich in der Gemeinde Jesu die mit dem Geist verbundenen Heilsverheißungen erfüllen, so kann (auch) der griechische Rezipient verstehen, dass nur in dieser Gemeinschaft, nicht jedoch in allen Menschen, die Anwesenheit des Göttlichen gegeben ist, dass diese Anwesenheit aber auch ein göttliches Geschenk ist. Dass die Funktionsträger der Gemeinde durch den Geist eingesetzt oder befähigt werden, verstehen Juden wie Griechen als göttliche Legitimation. Dies gilt auch in Bezug auf die prophetischen Wirkungen: Wenn jemand ein vom πνεῦµα eingegebenes Wort spricht, steht ein Gott dahinter. Bei den von Lukas dargestellten prophetischen Wirkungen muss einem griechisch geprägten Leser jedoch auch der Unterschied zu dem von Plutarch beschriebenen Inspirationsmechanismus deutlich werden, deshalb hebt Lukas die im Gegensatz zu den bei einer Inspiration gegebenen menschlichen Bedingungen stehende Voraussetzungslosigkeit hervor. Mittels des Phänomens des die Gemeinde Jesu lenkenden Geistes wird den griechischen Lesern besonders an den Stellen, an denen die Ausrichtung der 23
Bei den paganen Griechen scheint χριστός als Substantiv nicht aufgetaucht zu sein (es ist erst in der Septuaginta belegt). Möglicherweise hätte ein im 1. Jh. n. Chr. lebender Grieche unter „Gesalbter“ so etwas wie „der gepflegte Mann“ im Sinne von einem Hinweis auf dessen regelmäßige Hautpflege mit Öl verstanden. Dass es hinsichtlich des Begriffs „Christus“ in der paganen hellenistischen Welt zu Missverständnissen kommen konnte, zeigt auch die Notiz bei Sueton, der deshalb von „Chrestus“ spricht (Suet. Claud. 25,4), weil er mit dem Christus-Prädikat nichts anfangen konnte und dieses mit dem geläufigen Sklavennamen (der „Gebrauchte“) identifiziert hat. Vgl. hinsichtlich dieser Überlegungen auch die Ausführungen zu den Verständnisschwierigkeiten eines Heiden, der das MarkusEvangelium liest, bei ZUNTZ, Heide, S. 205.
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3 Lukanische Pneumatologie vor dem Hintergrund der Traditionen
Mission zu den Heiden erfolgt, deutlich, dass es – wie es bereits alttestamentliches Gedankengut ist – einen Heilsplan Gottes gibt und dass der Geist für die Verwirklichung des Heilsplans und damit für den der Gemeinde vorherbestimmten Weg zum Heil verantwortlich ist. Es wird dabei kein Zufall sein, dass das Phänomen des lenkenden Heiligen Geistes im lukanischen Doppelwerk besonders deutlich ausgerechnet dort auftritt, wo Lukas den Übergang der Mission zu den Heiden bzw. nach Europa, also hin zu denen, die in jedem Fall griechisch geprägt sind und denen der stoische Gedanke des weltlenkenden Geistes geläufig ist, plausibel machen will. Diesen Menschen kann Lukas durch die Schilderung der mithilfe des Geistes erfolgten Lenkung verständlich machen, dass (der transzendente) Gott selbst durch den Heiligen Geist seine Botschaft zu ihnen gebracht hat. Den jüdischen Lesern dürfte eher verständlich sein, dass der Geist die Gemeindeglieder zur Evangeliumsverkündigung ermächtigt. Da die in der lukanischen Pneumatologie auftretenden Wirkweisen und Wesensvorstellungen insgesamt an die im Bereich der maßgeblichen Traditionen vorhandenen Phänomene anknüpfen, sind diese für die intendierte Leserschaft verständlich; allerdings gibt es Unterschiede bezüglich der Verständnismöglichkeit: Während in allen Traditionen der Geist als Kraft bekannt ist, wird das Substanzhafte des Geistes eher den griechischen Lesern einleuchten. Den jüdischen Lesern wiederum liegt das Verständnis eines personal agierenden Geistes näher. Insgesamt jedoch kann Lukas, indem er an die in den verschiedenen Traditionen vorhandenen Vorstellungen anknüpft, seine Intention realisieren, den Geist als – und dies gilt besonders hinsichtlich der auf die christliche Gemeinde bezogenen Wirkungsepoche – relevante göttliche Instanz zu etablieren und plausibel zu machen. Der entstehenden christlichen Gemeinde wird nach dem Fortgang Jesu mit dem als Person vorgestellten Heiligen Geist wieder eine göttliche Autorität als Gegenüber gegeben, die bei aufkommenden Fragen als Entscheidungs- und Beratungsinstanz dient. Lukas schafft mit dem Heiligen Geist eine göttliche Instanz, die sowohl jüdischen wie griechischen Lesern plausibel erscheinen muss; dadurch, dass er deren für die christliche Gemeinde bestehende Exklusivität beschreibt, ermöglicht er den Lesern mittels der Pneumatologie das Verstehen der christlichen Heilsbotschaft. Das von Lukas geschilderte Wirken des Heiligen Geistes dient auf diese Weise in vielerlei Hinsicht dazu, Inhalte der christlichen Botschaft zu vermitteln. So konnte Lukas mithilfe des Phänomens des Geistes als besonderer Auszeichnung erläutern, warum Jesus der Gottessohn ist und dass Gott und Christus in der Gemeinde anwesend sind, warum also die Gemeinde Jesu als heilsrelevant anzusehen ist. Hinter der von Lukas in seinem Doppelwerk ausgeführten umfassenden Pneumatologie steht folglich eine bestimmte Intention, nämlich diejenige, die christliche Botschaft dem gesamten aus verschiedenen Traditionen stammenden Leserkreis plausibel erscheinen zu las-
3.2 Ergebnisse des Vergleichs
355
sen und sie damit in verschiedene Gesellschaftsgruppen zu inkulturieren. Dabei bleibt er der alttestamentlichen und frühchristlichen Tradition treu und schafft dennoch etwas Neues. Der Vergleich der lukanischen Geistphänomene mit den in den Traditionen vorhandenen hat somit gezeigt, dass der Geist als Teil einer hermeneutischen Strategie des Lukas angesehen werden kann, die darin besteht, seine Botschaft Juden wie Griechen gleichermaßen verständlich zu machen und sie auf diese Weise möglichst weit zu verbreiten.
Fazit des II. Teils:
Die lukanische Pneumatologie als ein wesentlicher Baustein der hermeneutischen Strategie Fazit des II. Teils
Die vorangehenden Ausführungen dienten der Beantwortung der Frage, aus welchem Grund Lukas in seinem Doppelwerk ein Gesamtkonzept vom Heiligen Geist bietet und mit welcher Intention er dies tut. Zu diesem Zweck wurden zunächst die Geistvorstellungen aus den maßgeblichen Traditionen, die sich vom alttestamentlich-jüdischen hin zum hellenistischen Bereich erstrecken und besonders auch das hellenistische Judentum und das frühe Christentum umfassen, betrachtet. Hierbei konnte erwiesen werden, dass der Geistbzw. πνεῦµα-Begriff zur Zeit des Lukas in allen genannten Traditionen eine prominente Rolle spielte. Innerhalb dieser für die lukanische Pneumatologie bestehenden Rahmenbedingungen war es Lukas möglich, den Geist als eine göttliche Instanz darzustellen, die sowohl den jüdischen als auch den griechischen Leserkreisen plausibel erscheinen musste, weil sie ihnen aus anderen Zusammenhängen bekannt war. In diesem Sinne hat Lukas in seiner Pneumatologie zwar an die frühchristlichen Anschauungen vom Heiligen Geist angeknüpft, aber darüber hinaus vor allem auch auf die verschiedenen und vielfältigen mit dem Begriff Geist bzw. πνεῦµα verbundenen Phänomene und Bedeutungsgehalte aus den maßgeblichen Traditionen zurückgegriffen, wobei er die dort vorhandenen Wirkweisen und Wesensvorstellungen in unterschiedlicher Weise, insgesamt jedoch umfangreich und ausgeprägt genutzt hat. Durch diese Aufnahme, Kombination und Transformation von Geist-Aspekten hat Lukas die von ihm gebotene Pneumatologie als eine spezifisch christliche profiliert. Lukas baut dabei stets auf der vom alttestamentlich-jüdischen Bereich herkommenden Grundlage eines neben dem transzendenten Gott wirkenden Geistes auf, lässt dann aber an der einen oder anderen Stelle griechische Phänomene stärker zum Tragen kommen. Durch diese Vorgehensweise schafft Lukas etwas Neues. Besonders hervorzuheben ist im Vergleich mit den Traditionen die systematische Einführung des personalen Geistes. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Grund für die im lukanischen Doppelwerk auftretende ausführliche Pneumatologie darin zu sehen ist, dass die Aufnahme verschiedener Bedeutungsgehalte dem auctor ad Theophilum Aussagen ermöglichte, die sowohl jüdischen wie griechischen Lesern plausibel erschienen, auch wenn die Darstellung teilweise stärker auf den ein oder anderen Leserkreis zugeschnitten war. Lukas verfolgte mit seinem Konzept
Fazit des II. Teils
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vom Heiligen Geist demnach die Intention, seinen Lesern das Verstehen verschiedener Inhalte der christlichen Heilsbotschaft möglich zu machen. Insofern ist die lukanische Darstellung des Heiligen Geistes, die eine Synthese zwischen den Traditionen und den Horizonten der Leserkreise erkennen lässt, als Teil der hermeneutischen Strategie des Lukas anzusehen. Die geschilderte Vorgehensweise des Lukas sollte der Verbreitung der christlichen Botschaft dienen.
Schluss Schluss
Die vorliegende Arbeit hat das besondere Interesse des Lukas am Heiligen Geist untersucht. In diesem Rahmen wurde zunächst das theologische Profil, sodann wurden Grund und Intention der lukanischen Pneumatologie erörtert. Das in Teil I der Arbeit ermittelte theologische Profil des Geistes bei Lukas erwies sich in der Form, dass der Geist innerhalb von drei Wirkungsepochen jeweils eine spezifische Rolle spielt und für jede Epoche ganz bestimmte Funktionen und Auswirkungen hat. Der Geist qualifiziert die Ereignisse der drei Wirkungsepochen als Heilsgeschichte und wird auf diese Weise zum Garanten des göttlichen Heilsplans. Dabei stellt das Wirken des Geistes an Jesus den Angelpunkt dieser Heilsgeschichte dar, auf den hin die beiden anderen Epochen ausgerichtet sind. Der Geist begründet Jesu Status als Gottessohn und Christus. Nach seiner Erhöhung zur Rechten Gottes wird Jesus dann zum Vermittler und Verwalter des Geistes eingesetzt. Das Gottesvolk Israel erhält zuvor in der ersten Wirkungsepoche durch den Geist die exklusive Möglichkeit, sich auf das in Jesus kommende Heil vorzubereiten und auszurichten. Deshalb zeigt der Geist die vorrangige Stellung Israels zum Heil an. In der auf die Gemeinde Jesu bezogenen Wirkungsepoche etabliert Lukas den von Jesus vermittelten Geist als in allen Belangen herausragende göttliche Autorität. Nach Jesu Himmelfahrt vertritt der Geist Gottvater und Jesus in der christlichen Gemeinde. Dies geht so weit, dass Lukas den Geist dort zunehmend als eigenständig handelndes personales Gegenüber kennzeichnen kann. Im II. Teil der Arbeit wurde anhand der Systematisierung der Wirkweisen und Wesensvorstellungen des Geistes plausibel gemacht, dass Lukas zur Entwicklung seiner Pneumatologie auf vielfältige Geistvorstellungen in den für ihn maßgeblichen Traditionen, die vom alttestamentlich-jüdischen bis hin zum hellenistischen Bereich reichen, zurückgegriffen hat. Dort vorhandene Phänomene und Bedeutungsgehalte hat er in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlicher Ausprägung in seine Darstellung des Heiligen Geistes aufgenommen. Auf diese Weise konnte er seine eigene christliche Pneumatologie profilieren und dabei gleichzeitig durch die angewandte hermeneutische Strategie seinen unterschiedlichen Leserkreisen, die den oben genannten Traditionsbereichen zuzuordnen sind, den Heiligen Geist als diejenige Autorität, die sowohl die einzelnen Gemeindeglieder als auch die Gemeinde in ihrer Gesamtheit prägt und leitet, verständlich machen.
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Schluss
In beiden Arbeitsschritten wurde gezeigt, dass der auctor ad Theophilum, auch wenn er zunächst an bereits bestehende frühchristliche Geistvorstellungen anknüpft, ein eigenes Profil des Heiligen Geistes bietet. Hervorgehoben werden soll am Schluss dieser Arbeit noch einmal das Verhältnis, das Lukas dem Heiligen Geist in Bezug auf die christliche Gemeinde zuweist. Von diesem wichtigen Aspekt der lukanischen Pneumatologie ausgehend kann in zweifacher Hinsicht ein Ausblick getätigt werden, der über den Rahmen des Neuen Testamentes hinausgeht: Zum einen betrifft dies die von Lukas dargestellte systematische Einführung des Heiligen Geistes als personales Gegenüber.1 Weil bei der Erwähnung dieser Personalität unweigerlich eine Assoziation mit der göttlichen Trinität, zu der der Geist als dritte Person gehört, entsteht, soll ein Blick darauf geworfen werden: Der Trinitätslehre geht es bei der Beschreibung von Gottvater, Sohn und Heiligem Geist als drei Personen darum, die Einheit der einen göttlichen Wesenheit zu bewahren. Die theologischen Diskussionen, die letztlich im 4. Jh. n. Chr. zu dieser Definition führten, begannen erst nachneutestamentlich; zur Lösung trugen insbesondere die aus der griechischen Philosophie stammenden Begriffe λόγος, ὑπόστασις und οὐσία2 bei, die für den Autor des lukanischen Doppelwerks noch keine Rolle spielten. Dennoch können die in dieser Arbeit erfolgten Erörterungen deutlich machen, dass bereits im Neuen Testament eine Entwicklung einsetzte, die später in die Lehre vom Heiligen Geist als dritter Person der Trinität mündete. Lukas hat verdeutlicht, warum der Heilige Geist für die Gemeinde Jesu von enormer Wichtigkeit ist: Durch den Geist wirkt das Göttliche in der Gemeinde. Dabei bleibt der Geist immer auf Gottvater und Jesus bezogen3, selbst dort, wo er als eigenständiges Subjekt handelt. Die lukanische Pneumatologie liefert demnach durchaus Ansatzpunkte für die späteren trinitätstheologischen Überlegungen. Man kann daher die lukanische Pneumatologie als Station auf dem Weg hin zur Trinitätslehre begreifen.4
1 Wie die Ausführungen in II.3.1.2 gezeigt haben, ist die Vorstellung des Heiligen Geistes als Person auch frühchristlich in den paulinischen Briefen bereits vorhanden. Allerdings stellt die durch Lukas in der Apostelgeschichte erfolgende systematische Einführung des personalen Geistes eine besondere Auffälligkeit dar. 2 Vgl. dazu im Einzelnen THÜMMEL, Logos und Hypostasis. 3 Die Beschaffenheit dieses Bezugs wird von Lukas ausdrücklich in Apg 2,33 thematisiert: Gott ist Ursprung der Geistes, Jesus aber der Vermittler und Verwalter, dem die Entscheidung obliegt, wer den Geist erhalten soll. S. dazu I.2.2.1. 4 Diese Sichtweise ist durchaus damit zu vereinbaren, dass „die johanneischen Aussagen die klarste biblische Basis dafür [bilden], dass später vom Heiligen Geist als einer göttlichen Person in spezifischer Unterscheidung von und Zuordnung zu dem Sohn und dem Vater die Rede sein kann“ (FREY, Windbrausen, S 151), zumal das JohannesEvangelium später als das lukanische Doppelwerk entstanden ist.
Schluss
361
Ein zweiter Aspekt, der sich aus der starken Betonung der Bedeutung des Heiligen Geistes für die christliche Gemeinde ergibt, betrifft die in der Einleitung dieser Arbeit genannte „Geistvergessenheit“. Die Ergebnisse der Beschäftigung mit der lukanischen Pneumatologie haben gezeigt, dass der Heilige Geist kein Thema ist, das einfach in Vergessenheit geraten darf. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Theologie, in der der Geist oft nur am Rande abgehandelt wird, als auch in Bezug auf die kirchliche Praxis. In dieser Hinsicht hat die als hermeneutische Strategie dargestellte Vorgehensweise des Lukas eine besondere Relevanz: Er hat gezeigt, wie notwendig es ist, Inhalte der christlichen Botschaft so in die Vorstellungswelten der Rezipienten zu übertragen, dass dabei zugleich die Zuwendung und prägende Nähe Gottes wie seine Souveränität und Unverfügbarkeit ersichtlich werden. Wäre Lukas nicht auf diese Weise vorgegangen, hätte die in seinem Doppelwerk verkündigte christliche Botschaft nicht die von Lukas angestrebte weite Verbreitung, die in der Folge ihren Beitrag zur Etablierung der christlichen Gemeinde als Weltkirche lieferte, finden können. Von dieser Beobachtung ausgehend müssen sich Theologie und Kirche heute fragen lassen, auf welche Weise der Geist als Inhalt des christlichen Glaubens in die heutigen Vorstellungswelten der Menschen eingetragen werden kann. Die „Geisterinnerung“ bedarf bestimmter Formen, damit der zu beobachtenden Reserviertheit gegenüber dem Geist entgegengewirkt wird und folgende bei Lukas zu findende Aussagen zum Heiligen Geist vermittelt werden können: Der Heilige Geist ist in der christlichen Gemeinde gegenwärtig als die Größe, die sie mit Gottvater und Jesus verbindet. Durch den Geist werden die Gemeindeglieder gelenkt, zur Evangeliumsverkündigung ermächtigt oder für besondere Aufgaben in Dienst genommen. Die durch den Geist bewirkte göttliche Gegenwart zeichnet die Gemeinde als Gottesvolk und Heilsgemeinschaft aus. Es ist der Heilige Geist, der den Gliedern der christlichen Gemeinde die Zugehörigkeit zum Heil gewährt und garantiert.
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Stellenregister Hochgestellte Zahlen geben Belege in Fußnoten an. Diese ist eingeklammert, wenn der Beleg sowohl im Haupttext als auch in der Fußnote zu finden ist.
Altes Testament Genesis 1,2 2,7 6,3 6,17 7,1 7,15 7,22 15 15,17 16,7–12 17,15–22 8,8–12 18,9–15 18,11 18,24f. 20,4 21,1–7 21,8 21,20 22,2 22,12 22,16 25,22 25,27 30,22–24 35,1–3 39,21 41,38f. 41,38
58
70 , 298 298, 31163, 315, 318, 330 298(8), 325, 329 298(8), 325, 329 35100 298(8), 325, 329 29812 39126 14432 1714 1714f., 36 7058, 1714f., 36 1713 35 35 17, 36 2669 2669 71 71 71 38118 2669 36 167102 100199 2030 299, 325f.
43,13–15
167102
Exodus 3,2–4 8,15 13,21f. 14,20 14,24 15,6 15,8 15,10 15,12 15,26 19,16 19,18 23,20 28,2 28,3 28,41 29,2 30,30 31,2f. 31,3 32,32f. 34,22 35,31 40 40,35
144 99195 144 144 144 113 14433 14433 113 35100 14535 14535, 159 21 299 331, 333 91 91158 91 318105 299, 331, 333, 343 103211 1394 299, 331, 333, 343 91158 6325
Levitikus 2,4
91158
382 8,11 10,9 23,15–22 25,10–17 26,3f. Numeri 5,14 5,30 6,3 11,16 11,17 11,25–27 11,25 11,29 14,14 22,22–27 23,7 LXX 24,2 24,16 27,18–23 27,18 Deuteronomium 4,12 4,40 5,26 7,11–14 8,2 11,2 16,9–12 23,2 32,5 32,8 34,9
Richter 3,10 6,34 9,8 9,15 9,23
Stellenregister 91158 19 1394 89 35 6325, 30019 6325, 30019 19 319 2030, 300, 318105, 331, 333, 344 20, 301, 335f. 2030, 300, 331, 333, 344 301 144 31163 30125 20, 301(25), 31163, 335f. 6116 211261 300, 331, 333 14432 35 14432 35 79106 15054 1394 169111 205 6116 211261, 300, 328, 331, 333 2030, 299, 331, 333, 338f., 341f., 343 2030, 299, 331, 333, 338f., 341f., 343 91158 91158 30019
11,29 13 13,2–20 13,2 13,4 13,7 13,14 13,24 13,25 14,6 14,19 15,14 16,17 1. Samuel 1 1,5 1,9–17 1,11 (1. Kön LXX) 1,19f. 2,1–10 2,21 2,26 3,19 9,16 10,1 10,6 10,10-13 10,10 11,6 15,1 15,17 16,12f. 16,13 16,14 18,10 19,9 19,20 19,23 24,7 24,11 26,9 26,11 26,16 26,23
2030, 299, 331, 333, 338f., 341f., 343 36 1714 17 1925 1925 1925 17, 2669 2030, 299, 331, 333, 338f., 341f. 2030, 299, 341f. 2030, 299, 341f. 2030, 299, 341f. 19
36 17 1714 19(25) 17 146 2669 2669 2669 91159 91159 20(30), 91, 300, 301, 335f. 91 20(30), 300, 301, 335f. 2030, 300, 331, 333 91159 91159 91159 2030, 91, 300, 31163, 328, 331, 333, 343 300 300 300 20, 301, 31163, 335f. 20, 301, 31163, 335f. 91 91 91 91 91 91
383
Stellenregister 2. Samuel 1,4 1,16 1,21 2,4 4,11 5,3 7,4 (2. Kön LXX) 7,12f. 7,16 19,8 (2. Kön LXX) 19,22 21,1 (2. Kön LXX) 22,3 22,14
91 91 91158 91159 35 91159 27 66 66 6325 91 147 39126 6116
1. Könige 1,34 91159 91159 1,39 12,22 (3. Kön LXX) 27 17,8–10 167102 18,12 301, 335f., 338f., 345 19,5f. 167102 19,11f. 144 19,15f. 91159 19,16 91(159) 22,21–24 30123, 31163 2. Könige 2 2,5 2,9
23 28227 91, 28227, 301, 331, 333 2,11 14432 2,15 91, 301, 331, 333 2,16 301, 335f., 338f., 345 4,18 2669 9,3 91159 9,6 91159 9,12 91159 15,29 (4. Kön LXX) 147 19,7 30019 19,15–19 49160 20,5 1612 23,30 91159 1. Chronik 4,41 11,3
147 91159
12,19 16,22 22,8 24,10 28,12 29,22
302, 335f. 92162 2776 1611 29916 91159
2. Chronik 15,1 15,10–15 18,20–23 20,14 22,7 23,11 24,20 32,26
20, 301, 335f. 14535 30123 20, 301, 335f. 91159 91159 20, 301, 335f. 6325
Nehemia 9,20 9,30
302 20, 302, 303, 335f.
Hiob 2,11 4,15 5,21 12,10 20,22 20,28 21,17 22,27 27,3 27,10 32,1f. 32,8 33,4 34,14f. 35,2 38,1
6325 6325 6325 298, 325, 329 6325 6325 6325 158 298 158 35100 298, 299 298 298(11) 35100 144
Psalmen 2,1f. 2,7 18,1 18,7f. 18,9 23,1 31,6 (30,6 LXX) 33,6 41,10 (40,9 LXX)
49f., 157 70f. 14433 159 14432 251 101206, 298, 3284 298 47151
384
Stellenregister
44,4 113 50,3 14432 303, 31269 51,12–14 51,13 303 66,19 1612 69,1 (68,1 LXX) 47 69,26 (68,26 LXX) 45f. 69,29 103211 15054 70,19 74,11 113 78,8 205 89,14 113 89,21 91159 91,4 (90,4 LXX) 6325 158 93,1 98,1 113 104,29 298, 325, 329 104,30 298 105,15 92162 109,8 (108,8 LXX) 45f., 237353 109,16 (108,16 LXX) 195193 110,1 (109,1LXX) 112241, 113243 138,7 113 143,10 302, 338f., 345 146,4 298, 325, 329 Sprüche (Proverbien) 1,20f. 158 1,23 302 3,25 6325 15,29 1612 Prediger (Kohelet) 3,19 298(8), 325, 329 12,7 298, 325, 329 Jesaja 2,2f. 6 6,9f. 6,9 LXX 6,10 7,14 8,1–4 9,6 11,1f. 11,1 11,2 11,3–9
123275 15579 51 51174 196 65, 100199 245 66 71 39126 300, 331f., 343 300
19,14 20,1f. 21,5 27,13 29,10 32,15 (LXX) 37,15–20 38,4 40,1 40,3–5 40,3 42,1 42,5 42,6 45,1 46,13 44,2 44,3 44,24 48,13 49,1 49,5 49,13 51,3 52,9 52,10 52,13–53,12 53,7f. 57,16 57,19 58,1–12 58,6 (LXX) 59,21 60,1 61,1–3 61,1f. (LXX) 61,1
61,2 63,4 63,10f. 63,10 63,11 63,14 63,19
30019 245 91158 123275 30019 6325, 111, 15677, 302, 325, 329, 343f. 49160 27 40 28 22 70f., 91, 300, 331f., 343 298 14 92162 14 20 111, 302, 325, 329 20 113 20 20 40 40 40 14 36104 167 298 202 88146 49162, 85–87, 88146, 108, 296 111, 302, 325, 329 123275 314 85–88, 296, 344 49162, 88146, 90–92, 94, 98, 108, 278, 300, 331f., 343 87145, 88146, 89149 6325 303 303 302(27), 325, 329 325, 329 70
385
Stellenregister 66,13 66,15
Jeremia 1,1 1,4–19 1,4 1,5 13,1–11 23,5f. 31,13 33,16
40 14432
2776 15575 27 20 245(389) 39126 40 123275
Klagelieder (Threni) 2,3f. 113 Ezechiel 1–3 1,1 1,3 3,12 3,14 3,22f. 3,24 4f. 8,3 11,1 11,5 11,19 11,20 11,24 34,11f. 36,26f. 37,1 37,5f. 37,8–10 37,14 39,29 40–44
15575 70 27 20, 302, 335f., 338f., 345 20, 302, 335f., 338f., 345 167102 302, 345 245 20, 302, 335f., 338f., 345 20, 302, 335f., 338f., 345 20, 302, 335f., 345 111, 156, 302, 325, 329 35 20, 302, 335f., 338f., 345 251 111, 156, 302, 325, 329, 343 20, 302, 335f., 338f., 345 298 298 298 111, 156, 302, 325, 329, 344 123275
43,5
20, 302, 335f., 338f.
Daniel 4,5f. 5,11 5,14 12,1
299, 325f. 2030, 299, 325f. 2030, 299, 31163, 325f. 103211
Hosea 9,7
20, 301
Joel 3,1–5
3,1 3,2 3,5 4,17
110f., 152f., 156, 163, 203, 219 110, 286, 296, 302, 325, 329f., 344(17) 15365 153–155, 163 156, 203, 205235 123175
Amos 6,6 9,5
91157 159
Jona 1,1
27, 15575
Micha 1,1 1,4 3,8 3,11
27 159 20, 301, 335f. 6325
Zephanja 2,2
6325
Haggai 2,5
302, 325, 329
Sacharja 1,17 4,6 4,14 7,12 10,3 11,13 12,1 12,10
40, 123275 299 92162 20, 302, 335f. 251 46147 298, 325, 329 302, 325, 329
3,1f.
386
Stellenregister
Maleachi 3,1
3,20 3,23f.
40
21 , 22
38118 22
Septuaginta und Pseudepigraphen des Alten Testaments Baruch 4,25 4,26
6325 6325
Jubiläenbuch 6,17–22
14535
1. Makkabäer 15,22f.
148
2. Makkabäer 12,32
1394
3. Makkabäer 7,22
15054
Psalmen Salomos 6,5 17f. 17 17,21 17,22 17,24 17,32 17,37 18,1–9 18,7
1612 31697 316f. 316 317 317 316 317, 331f., 342 316f. 316f., 331f., 342
Sapientia Salomonis (Weisheit Salomos) 1,3 316, 344 1,5f. 316, 325, 327, 346 1,6f. 339f.
1,6 1,7 1,9 2,3 5,23 7,7 7,22–24 7,22 7,23 7,27 9,17 11,20 12,1 12,15 12,17 15,8 15,11 15,16 16,14
315 315 316, 346 314, 325, 330 316, 344 315, 325, 327, 339f. 31587 315, 339f. 315, 325, 327 315, 325, 327 315, 325, 327, 339f. 316, 344 315, 339f. 316, 344 316, 344 31481 314, 325, 330 314, 325, 330 314, 325, 330
Sirach 3,8 18,4 24,32 48,10 48,12 49,7 51,11
6325 15054 202224 22 2352 20 1612
Tobit 2,1
1394
Qumran Gemeinderegel (1QS) 1,8–2,18 14535 3,6–9 312(71), 325f. 3,13–4,26 312, 338, 341 3,18 313, 344
3,24 4,6 4,11 4,15 4,18–23
31165, 313 313, 344 313, 344 313, 344 325f.
387
Stellenregister 4,23 5,21 5,24 6,17 8,16 9,3 9,15 9,18
31165, 313, 345 312, 325f. 312, 325f. 312, 325f. 313, 335f. 312 312, 325f. 312, 325f.
Segensprüche (1QSb) 2,24 312 Kriegsrolle (1QM) 11,7 313, 335f. Hodayot (1QH) 1,8f. 1,15 1,32 3,22f. 4,31
312, 325f. 312, 325f. 312, 342 313, 345 312f., 325f., 344
7,6f. 9,32 12,11f. 13,19 14,13 14,25 15,22 16,6–12 16,6f. 16,12 17,26
312(66), 325f., 342, 344 312, 325f. 312, 325f. 312, 325f. 312, 325f. 312, 325f. 312, 325f. 312 325f. 312, 325f. 312f., 325f., 344
Damaskusschrift (CD) 2,12f. 313, 335f. 5,11 312 5,21–6,1 313, 335f. 7,3f. 312 Melchisedek-Midrasch (11QMelch) 2,18f. 314, 331f.
Neues Testament Matthäus-Evangelium 1,1–17 7694 1,16f. 6536 1,18 143, 6010, 65(36), 327 1,20 143, 6010, 65(36), 327 1,21 65 1,22f. 65 1,23 100199 2,1 143, 6536 2,23 85131 3,11f. 3084, 31 3,11 124 3,14f. 3393 3,16 7267, 92165 3,17 7586 4,1 78100 4,9 213266 4,13 85131 7,11 131 8,31 2941 10,1–4 238 10,1 238, 35021 10,2 237352
10,6 10,19f. 11,5 11,9 11,11 11,14 11,25–27 11,25 11,27 12,18 12,28 12,31f. 13,19 13,53–58 13,54 14,5 15,24 16,7 16,19 17,1–13 17,5 18,18 21,11
252 132 88 2666 1822 24 102 102207 102207 99195 99195 99195, 255421 196 83121 84 2666 252 123275 199207 24 63 199207 85131
388 21,26 22,34 27,9 28,7 28,19
Stellenregister 2666 14118 46147 123275 198, 210258
Markus-Evangelium 1,1–8 7267 7164 1,1 1,4 28 1,7–8 31 1,8 3084, 124, 126289 69, 71 1,9–11 1,9 85131 1,10f. 3271 1,10 76 1,12f. 70 1,12 77f., 284 1,14f. 70 1,14 80(112), 281 90 1,15 1,34 294 1,39 294 3,13–19 238 3,14f. 238 3,14 238 3,22 256 3,23–29 256 3,28–30 255(421) 3,29 256 3,30 256 5,7 6116 6,1–6 83 6,1 83122 6,2 84, 86137 6,4 84128 6,5 84128 6,7 237352, 35021 6,30 237352 9,7 63 9,9–13 24 11,32 2666 12,36 44 13,11 132f. 14,18 47151 14,27 252 16,7 123275 16,16 198
Lukas-Evangelium 1,1–4 1,2 1,3 1,5–2,52 1,5–25 1,5f. 1,5 1,6 1,7 1,8f. 1,8 1,9 1,11–20 1,11 1,12 1,13–17 1,13 1,14 1,15–17 1,15
1,17
1,18 1,19f. 1,19 1,21f. 1,23 1,26–38 1,26f. 1,26 1,27 1,28 1,32–35 1,32f. 1,32 1,34f. 1,35–4,18 1,35
3 238358 4 13, 158 15, 16, 33, 35 35 4, 14(7), 1611, 19, 2773 1821, 40 3291 14 3596 14(5), 122271 16, 1714, 39, 289 1714, 581 1714 1714, 2244 2561 3391 25f., 28, 33, 282 13, 1925, 28, 3391, 37f., 43141, 67, 79, 276, 280, 283, 291, 325f. 13, 23, 27f., 38, 44, 61, 99195, 129, 280, 282, 291f., 341f., 343 1714 1714 581 14, 122271 1409 37, 58, 592, 6743, 289 6536 36, 85131 3391, 6639 100199 2666, 7480 6640, 90 3391, 61, 67 6011 101 11, 143, 2349, 58, 60, 6115, 62f., 6533.36, 6848, 7060, 71, 73, 75, 7795, 80, 87, 89, 90, 93f., 98, 99195, 107, 113, 121(267), 128f.,
Stellenregister
1,36 1,39–45 1,41f. 1,41 1,43 1,44 1,46–55 1,46f. 1,47 1,49 1,67–79 1,67f. 1,67 1,68–79 1,69 1,70 1,71 1,76f. 1,76 1,78 1,80
2,1f. 2,1 2,3–7 2,4 2,9–15 2,10 2,11 2,21f. 2,22–40 2,22–39 2,22–24 2,25–35 2,25–27 2,25 2,26 2,27 2,29–32 2,29 2,31f. 2,37
277(7), 282f., 291f., 325, 327, 343 17, 36 36 103209, 279 13, 20, 35, 79, 291, 334f. 2565, 32, 37111 38118, 104213, 233350 14, 6115 132 132 6431, 15054 36 103209 13, 20, 35, 38, 79, 279, 291, 334f. 14 66 6431 6431 25, 28 2565, 2666, 32, 38, 61, 67 120267 13, 15, 25, 27(74), 28, 33f., 38115, 68, 280, 291f., 341f. 2773 159, 14, 6536 85131 289 18, 3391 3288, 66, 86, 94 1409 145 68 14 40 27, 13 276, 286, 291, 325f. 20, 94, 2765, 279, 291 14(5), 2765, 279, 286, 291, 338f. 14 49160 14 14
2,38 2,39 2,40 2,41–52 2,41–51 2,41 2,46–49 2,46 2,49 2,51 2,52 3,1–20 3,1–2 3,2 3,3 3,4 3,7–18 3,8 3,9 3,10–14 3,10 3,12 3,14 3,15–17 3,15f. 3,16f. 3,16
3,20 3,21f. 3,21 3,22
3,23–38 4,1–13 4,1
4,2–13 4,3–12 4,6 4,8 4,12
389 102 85131 2563, 68f., 242373 413, 7372, 7691 69 14 145 14 75 85131 2563, 69, 242373 413, 27, 33 27(73) 2036 21, 79, 119(261) 32 28 119261 3082 260437 196198 196198 196198 16, 28, 31f., 33f., 6744, 114, 125 94 3084, 33 13(1), 33, 124(279), 126, 202, 222f., 227f., 277, 285, 291 6955, 80112 3393, 69, 72, 77, 131305, 143 33(94), 72f., 79 58, 6533, 7060, 73, 80, 89, 92–94, 98, 113, 278, 286, 289, 291f., 331f., 343 6639, 76 77, 83, 281 27, 58, 77f., 80f., 90, 92f., 98, 108, 277(7), 280, 283f., 290, 291, 325, 327, 338f., 353 81 82 213266 3289, 213266 3289
390 4,14–9,50 4,14f. 4,14
4,16–30 4,16–21 4,16 4,18f.
4,18
4,19 4,21 4,22 4,23 4,24 4,25–30 4,33 4,34 4,36 4,40 4,43 5,8 5,12 5,17 5,32 5,33 6,1 6,12–16 6,12 6,13 6,18 6,23 6,35 7,11 7,13 7,18 7,19 7,21
Stellenregister 84 77, 83, 84124, 92 3394, 58, 80–82, 90, 93, 98, 108, 2777, 281, 285, 292, 341f., 353 83 83, 86, 88f., 90, 108, 281 85131 3289, 6115, 82, 88146, 89, 100, 108, 278, 296, 33513 27, 31f., 41133, 49162, 58, 83, 89, 92f., 98, 100, 101, 113f., 125, 129, 261439, 2722, 2777, 278, 284–286, 291f., 331f. 87145, 88146 86 86137 84124, 128 84128 84128 2941 6431 99195, 121268, 28533, 35021 211261 85133, 90153 3289 3289 3289, 99195, 285 119261 1924, 226316 226316 45, 105, 238 91, 105, 137, 236, 238, 278 237–239 35021 38, 143 61, 3296 226316 3289 226316 3289 35021
7,22 7,26 7,27 7,28 7,33 8,2 8,9 8,12 8,23 8,27 8,28 8,29 9,1f. 9,1 9,12–17 9,14 9,16 9,18 9,22 9,24 9,26 9,31 9,34 9,51ff. 9,51 10,1 10,20 10,21f. 10,21
11,1–13 11,1–3 11,1 11,2 11,13 11,14–23 11,16 11,20 11,22 11,29f. 12,1–12 12,10 12,11f.
88 2140, 2666 2140 1822 1924 35021 226316 196 1397 120266 6116 2941 238362 99195, 121268, 28533 82 226316 143 226316 118256 6324 6431 140 63 140 105218, 123275, 139f., 237354 3289 103, 143 7371, 102 3289, 38, 58, 73, 101206, 102–104, 108, 109, 115, 286, 291, 325, 327 15778 130 15778 104214, 130302, 201218, 226316 58, 109, 115, 123276, 130f., 143 255421 82, 143 82, 99195 63(24), 102207 82 132, 256 137, 254f., 256422 132
391
Stellenregister 12,12
12,13–15 12,16–21 12,33 12,34 13,1 13,5 13,23 13,31 14,33 15,7 16,16 17,35 17,37 18,1–14 19,1–10 19,6 19,8 19,9f. 19,9 19,21 19,45–48 20,4f. 20,6 20,19 20,22 20,28 20,36 20,42 21,14f. 21,26 21,35 22,3 22,25 22,39–46 22,59 23,1–25 23,6 23,12 23,43 23,46 23,47 24 24,3 24,13 24,19 24,23
58, 102, 115, 130, 132308, 133, 290, 35122 260437 260437 260437 260437 102 3289 59 102 260437 119261 103 14118 59 15778 260437 168107 3289 168107 86 291 145 143 2666 102 291 44 3296 44 133 63(24) 63(24) 82119, 261444 99 15881 151 48160 151 102 86 101206, 243375, 3284 413, 101206 128 3289 102 35100 289
24,25 24,32 24,33 24,44–53 24,44–49 24,44 24,46f. 24,46 24,47–49 24,47f. 24,47 24,48f. 24,49
24,50–53 24,51 24,52f. 24,53
196 196 102, 118, 142, 239364 413, 104, 116f., 122, 142 118, 197 118255, 142, 239364 197 119 197f., 239364, 284 198 119(261), 128, 148, 197f., 200, 224 128 91, 58, 61, 6217, 99195, 106224, 111238, 115, 120f., 123(276), 127, 129, 133(310), 137f., 140, 14329, 146, 148, 156, 194, 198, 203, 222, 281, 28431, 285, 292, 341f., 351 105219, 118 112 122, 138, 140 145
Johannes-Evangelium 1,21 2666 1,24–28 31 1,25 2666 1,46f. 85131 10,11–18 252 12,6 1821 13,18 47151 14–16 38, 125285 14,26 132310 18,38 66 20,22 112242 20,23 199207 21,15–17 252 Apostelgeschichte 1,1–14 1,1–11 1,1f: 1,2
104(215), 116f., 142 413 3, 105220, 122(272) 91, 58, 100198, 102206, 104f., 108, 109, 115,
392
1,3–14 1,3–8 1,4–8 1,4f.
1,4 1,5
1,8
1,9–11 1,11 1,12–26 1,13f. 1,13 1,14 1,15–26 1,15 1,16–22 1,16
1,19 1,20 1,21f. 1,21 1,22 1,24f. 1,26 2,1ff.
Stellenregister 137, 236, 239(364), 278, 291, 331, 333 122 127, 284 123 111(237), 115, 120, 123, 125, 131, 133310, 134, 198, 222 111238, 123f., 126, 138, 140, 148, 198 91, 2349, 3084, 58, 61, 6217, 99195, 109, 115, 124–126, 128–130, 133, 137f., 140, 146, 156, 194, 201–204, 222f., 228, 264, 277, 282, 284f., 291, 325, 328, 343 91, 2349, 41133, 58, 61, 6217, 63, 99195, 106224, 109, 115, 128f., 130, 133, 137f., 140, 146, 148f., 156, 16597, 191, 194, 197f., 203, 214273, 239(364), 264, 281, 282, 284f., 291f., 341f., 343, 351 112, 143 3084,105218, 151, 237354 138, 140 141, 142 141, 238360 15778 47, 139, 237 14118, 142 45 13, 15, 3084,44, 45, 49(163), 52, 54, 279, 29042, 291, 334f. 149 45147, 46149, 47, 49164, 118255 96180, 237(356) 46148 105218 15778 142 140
2,1–21 2,1–13
2,1–4 2,1 2,2–4 2,2–3 2,2 2,3 2,4–8,3 2,4
2,5–13 2,5 2,6f. 2,6 2,7 2,8 2,9–11 2,11 2,12 2,13 2,14–40 2,14–39 2,14–36 2,14–21 2,14 2,15 2,16 2,17–40 2,17–21 2,17–19 2,17f.
2,17 2,18 2,21 2,22 2,25–28 2,25 2,29
157, 160 110, 115249, 138, 139(3), 141, 14535, 15055, 155, 16088, 162, 165, 229335, 235 110233 139–142, 14535, 156 14224 159 143 3083, 28736 129 27, 125, 137, 146(38), 152, 198, 219, 242, 244, 277, 281, 286, 291, 325, 328, 341f. 147 40, 14535, 152, 195, 202 219 149 151 149 202 15260, 169111, 219 219 153, 337 195, 196199, 220293 96181 195 138, 163 142, 14638, 152, 195, 196197, 239 1408, 337 44 109 156, 203, 219 153(65) 26, 110, 137, 219, 277, 286, 291, 296, 330(9), 34417 15469 153–155, 15880, 163, 244, 246 156, 205235 100, 195 118255 44 159, 195
Stellenregister 2,33
2,34f. 2,34 2,37–41 2,37–40 2,37 2,38f. 2,38
2,39 2,40 2,41 2,42–5,42 2,42–47 2,42 2,43 2,44 2,45 2,47 3,12–26 3,14 3,21 3,22f. 4,1–3 4,5–22 4,5–7 4,8–21 4,8–12 4,8 4,9 4,13 4,17f. 4,23–31 4,24–30 4,25f.
11, 31, 58, 6115, 102206, 109–111, 113f., 115, 124f., 130, 134, 137, 14328, 195189, 198f., 219, 222, 277, 286, 291, 325, 327, 34417, 3603 44 112241, 113243 194, 195 205 196, 239 205, 215, 219, 233 125281, 137, 195, 197–200, 203f., 206, 208, 210258, 217f., 221, 224, 227, 277, 286, 291, 325, 328 202f., 222, 234 205 200213, 205, 232 257 257 202222, 239, 257 239 14118, 15778, 202222, 257 257f. 14118, 15778, 206(239) 96181 6431 6431 44 156 157 132 48 96181, 161 132308, 137, 161, 242, 281, 286, 291f., 341f. 99 151, 159, 161 157 48159, 50, 133313, 139, 156f., 159f., 164 48, 15778 49161
4,25
4,26 4,27 4,29 4,30 4,31 4,32–35 4,32 4,33 4,37 5,1–11 5,1 5,3 5,5 5,9 5,11 5,12–16 5,12 5,15 5,19 5,20f. 5,27 5,28 5,29–32 5,30f. 5,31 5,32
5,33 5,42 6,1–7 6,1–6 6,1f. 6,1 6,2 6,3
6,5
393 13, 15, 42139, 44, 48, 54, 118255, 157, 279, 29042, 291, 334f. 49162, 14118 42139, 49162, 51, 6431, 94 159 6431 132, 137, 160(86), 242, 282, 286, 291, 341f. 257 257 161, 239, 28225 258 257, 260 258430 27, 137, 196, 254, 329 262 27, 137, 254, 261439, 329 262 257 239 63(24) 289 164 162 164 96181 162 119261 114247, 137(1), 162, 194, 231f., 277, 290, 292(51) 195192 164 240366, 253, 33412 240 226316 16599, 240(366) 240 80111, 137, 16194, 236, 242, 278, 285f., 291, 331, 333 80111, 137, 16296, 166(99), 236, 242(371), 278, 285f., 291, 331, 333
394 6,6 6,7 6,8–7,60 6,8 6,9 6,10
6,11 6,12–15 6,13f. 6,13 7,2–53 7,8 7,17 7,33 7,37 7,48 7,51f. 7,51 7,52 7,54 7,55f. 7,55
7,56 7,59 8,1–4 8,1 8,2 8,4–11,18 8,4–25 8,4 8,5–40 8,5–25 8,5–13 8,5 8,14 8,15 8,16 8,17–19 8,17 8,18
Stellenregister 132, 211259, 261, 240, 243, 249 164 243 99195, 16195, 242371, 243375, 285f. 132 137, 161(94), 16296, 243375, 255, 281, 285, 291, 341f. 240366 132 240366 6431 240366 218286 203229 6431 44 61, 6216 44145 137, 254–256 255 195192 143 20, 80111, 137, 236, 242371, 243375, 246, 279, 286, 291, 334f. 246 243375 166100 102, 165f., 207, 209252, 233348 40 129, 165 166, 215 164, 165, 207 243 194, 207, 215273, 232 208248 166 240 132, 137, 234, 277, 286, 291, 325, 328 210258 137, 234, 291 229(333), 277, 286, 325, 328 129, 165, 277
8,19 8,20 8,24 8,26–40
8,26 8,27f. 8,29f. 8,29
8,34 8,36–39 8,36 8,38 8,39
9,1–9 9,1 9,3 9,10–16 9,13 9,16 9,17f. 9,17
9,18 9,23 9,25 9,26–28 9,27f. 9,27 9,31 9,32 9,41 9,43 10,1–11,18
277, 286, 325, 328 286 63(24) 165, 171, 172127, 177142, 189, 192, 207245 172, 289 178 182153 47152, 53, 137, 165, 171f., 179, 185, 187, 188169, 248, 280, 287, 291, 338f., 345 59 231343 199210, 220294 199210, 214270 20, 53, 137, 165, 170f., 179, 188169, 214270, 220294, 261439, 279, 280, 287f., 291, 334f., 338f., 345 231 226316 143 231 6431 192186 231, 249 137, 194, 231, 242, 277, 286, 291, 325, 328 232 1409 226316 16699 159 240, 257429 102, 137(1), 162, 194, 214273, 231f. 6431 6431 175 94, 100197, 1371, 168109, 172126, 174, 175137, 177141, 178f., 180151, 189, 193, 194, 215f., 218286, 235, 288
Stellenregister 10,1–23 10,2 10,3–7 10,3–6 10,9–23 10,9–16 10,11 10,14 10,19f. 10,19
10,20 10,22 10,23–48 10,28f. 10,28 10,29 10,34–43 10,36 10,37–39 10,38
10,40 10,44–48 10,44f. 10,44 10,45f. 10,45 10,46 10,47f. 10,47
10,48 11,1–18 11,1–3 11,1 11,2 11,3 11,9
175, 216 178 289 94173 258431 94173 143 181 94173, 179 47152, 53, 137, 165, 179f., 185, 188169, 248, 280, 291, 338f. 181f., 288 6431, 178 175137 95 177, 179, 181 187 94, 96181 97189 7693 27, 31f., 49162, 58, 61(15), 82, 85131, 133, 88146, 94, 97–101, 108, 109231, 113f., 125, 129, 2722, 2777, 278, 282, 284, 291f., 295, 331f., 343 97189 217, 222 137, 291, 325, 328 41133, 219, 277, 286 210, 222 41133, 219, 221, 277, 286, 34417 14639, 219, 226, 229335 249405 137, 199210, 222300, 277, 286, 291, 325, 328 210258 124277, 178–180, 221 221 224307 181(152) 177(138f.), 181 143
11,12
11,14 11,15f. 11,15 11,16 11,17 11,18 11,19–28,31 11,19–24 11,19 11,22 11,24
11,25 11,27f. 11,28
11,30 12,7–10 12,21 12,23 12,25 13,1 13,2
13,3 13,4–14,28 13,4
13,9 13,13–52 13,16–41 13,16 13,23 13,24 13,26
395 47152, 53, 137, 165, 180, 181152, 248, 280, 288, 291, 338f. 224306 137, 291, 325, 328 41133, 14015, 222, 277, 286 124277, 222, 228, 235, 277 223, 286 119261 129 214269 16699f. 102, 233348, 257429 80111, 137, 236, 242371, 249, 278, 286, 291, 331, 333 257429 244 20, 137, 236, 244, 245386, 247, 279, 291, 334f. 250, 257429 289 120266 289 257429 102, 233348, 244, 247, 253, 257429 47152, 137, 187166, 190, 204232, 236, 237356, 247f., 250408, 252, 278, 290, 291, 331, 333 132, 211259, 261 248 137, 187166, 190, 236, 237356, 249, 250408, 278, 290, 291, 331, 333 231342, 242, 249, 278, 286, 291, 331, 333 233 96181 178146 203229 119261 178146
396 13,32 13,33 13,35 13,40 13,46 13,50 13,52 14,3 14,4 14,14 14,19 14,23 14,26 14,27–15,3 15,1–21 15,2 15,4 15,6–21 15,6 15,7–11 15,7 15,8f. 15,8 15,9 15,12 15,13–21 15,14 15,19ff. 15,20 15,22–29 15,22f. 15,28f. 15,28 15,29 15,32 15,36–18,22 15,40 16,3 16,4 16,6–10 16,6–8 16,6f.
16,6 16,7f.
Stellenregister 203229 118255 118255 63(24) 53177, 159 178146 104213, 137, 194, 231, 233, 242370, 28634 159 237356, 248 237356, 248 63(24) 250, 252, 254 248 184 183 250 250 186 240, 250 186, 224 16193 130302 114247, 137, 277, 291, 325, 328 181152, 182152 186163 186163 225 184 184158 183 240, 250 193 53, 137, 165, 259435, 290, 291, 329, 338f. 259435 244(385) 187 187 187 240, 250 187(167), 193 189 27, 53, 137, 165, 188169, 190, 192, 338f. 280, 291 290
16,7 16,10 16,14 16,15 16,17 16,18 16,26 16,30 16,33 17,3 17,4 17,7 17,16–34 17,18 17,22–31 17,24ff. 18,5 18,6 18,7 18,8 18,10 18,12f. 18,22f. 18,24–28 18,24–26 18,25 18,26 19,1–22 19,1–7 19,1f. 19,1 19,2 19,3 19,4 19,5f. 19,5 19,6
19,8 19,12f. 19,15f. 19,21–28,31
114247, 187168, 280, 291 188179, 204232 178146 206, 232 6116 102 15985 59 206, 232 118256 178146 178146 413 30332 96181 97 16193 53177 178146 206, 232 225313 132 226315 225315 228 137, 161, 228, 281, 286, 291, 341f. 159 225 194, 210256, 225, 227325, 230, 232, 235 189176 226315, 228 137, 226, 277, 286, 291, 325, 328 227 119261, 228 229, 230335 210258, 229 41133, 137, 14639, 211261, 219291, 229, 244381, 277, 27914, 286, 291, 325, 328 159 35021 35021 190
Stellenregister 19,21 20,5 20,13 20,16 20,17–38 20,17 20,21 20,22 20,23 20,28
21,1 21,4 21,8 21,9 21,11
21,13 21,18 21,25 21,26 21,33 21,28 21,40 22,1–21 22,2 22,6 22,12 22,13 22,29 23,8f. 23,11 24,1–9 24,17 24,27 26,6 26,10 26,14 26,20 26,25 26,26 27,1 27,23
53, 137, 165, 190, 192, 194, 280, 338f. 188170 188170 1394 190, 250 102, 233348, 250 119261 53, 137, 165, 192, 194, 280, 286, 338f. 20, 137, 236, 245, 279, 290, 291, 334f. 102, 137, 232347, 236, 250–252, 254, 278, 290, 291, 331, 333 188170 20, 137, 191180, 236, 245, 279, 291, 334f. 170117, 243 244 20, 137, 190, 191180, 236, 244f., 247, 279, 29042, 291, 334f. 190f. 250 184158 145 190 6431 149 231340 149 143 40 102 190 289 192186 132 192184 1409, 190 203229 6431 149 119261 14638 159 188170 289
27,24 28,8 28,17–31 28,25–28 28,25
28,26f. 28,26 28,27 28,28 28,31 Römerbrief 1,4 2,29 4,13f. 4,16 5,5 6,16 7,6 8,2 8,4–6 8,9–11 8,9 8,10f. 8,14f. 8,14 8,15 8,16 8,23 8,26
397 192186 211259 51 53177 13, 15, 44, 49163, 51– 53, 54, 279, 29042, 291, 334f. 53178 52174 52174, 196 53178 159, 164, 191
9,1 9,8 12,11 14,17 15,13 15,16 15,19 15,25–27 15,30
320, 326f. 321, 326, 328 120265 120265 321f., 326, 328 95174 321, 326, 329 321, 326, 329 321, 326, 329 326, 328 320, 321, 328 321 326, 328 321, 339, 345 321 320, 321, 345 321, 326, 328, 343 321121, 322, 326, 328, 345 322 120265 322 323 321, 342 321, 326, 328 322(132), 342f. 192184 322
1. Korintherbrief 1,13 1,15 2,4 2,10–12 2,13
210258 210258 322(132), 342f. 322, 326, 329 321, 322128, 342, 345
398
Stellenregister
2,14 3,16 5,6 6,11 6,17 6,19 7,5 7,40 10,2 11,20 12–14 12 12,3 12,4–6 12,4 12,7–11 12,7 12,10 12,11 12,13 12,28 14 14,1–4 14,2–4 14,2 14,9 14,12 14,13f. 14,15 14,16 14,27f. 15,7 15,44f. 16,23
322, 326, 329 321, 326, 328 95174 210258, 321, 326, 328 320 321, 326, 328 14118 322 210258 14118 244384 322 320115, 321, 326, 328 320 322 322 322 335f. 321f., 345 323, 326, 329 247397 14639, 322 335f. 322 150, 322 150 322 150 322129 343 150 236351 321 323137
2. Korintherbrief 1,21f. 1,21 1,22 3,3 3,6 3,8 3,17–18 3,17 3,18 4,13 5,5 6,6
326, 328 93, 94170, 321 321, 343 323 321, 326, 329 323, 331, 333 320 320 321, 326, 328 321, 326, 328 321, 326, 328, 343 322, 331, 333
11,4 12,18 13,13 Galaterbrief 1,1 2 2,1–10 2,6–10 2,11–21 2,12 3,2 3,3 3,5 3,14
322, 323134, 326, 329, 343 323, 326, 329 320, 323, 326, 329
3,17f. 4,6 4,28 5,5 5,16–18 5,16 5,18 5,22 5,25 6,8
236351 184158 183 184158 184158 218285 323 321, 326, 329, 343 323, 343 120265, 321, 326, 329, 343 120265 320, 321, 326, 328 120265 321, 326, 329 321, 326, 329 343 321, 339, 345 321, 326, 329 321, 326, 329 321
Epheserbrief 2,7 4,11
63 247397
Philipperbrief 1,19 1,27 2,15 3,3 4,3 4,23
320, 322131, 342 323, 326, 329 205236 321, 326, 329, 343 103211 323137
Kolosserbrief 4,11
218285
1. Thessalonicherbrief 1,5 95174, 322(132), 342, 343 1,6 323 4,8 321, 326, 328 5,19 322
399
Stellenregister 1. Timotheusbrief 3,2 4,9
251412 99
Titusbrief 1,7 1,10
251412 218285
Hebräerbrief 1,9 7,1
94170 6116
Jakobusbrief 5,1
63(24)
1. Petrusbrief 2,25 5,2–3 5,4
252 252 252
Offenbarung des Johannes 3,5 103211 70 4,1 19,11 70 21,14 237352
Apostolische Väter und Altkirchliche Autoren Didache 7,1 7,3 9,5 13,1f.
258
210 210258 210258 247397
15,1
247397
Origenes Contra Celsum VI,71
305
Jüdisch-hellenistische Autoren Josephus Antiquitates Judaicae I,34 31163, 33011 III,252 1394 III,260 31163 IV,108 31163, 34620 IV,118f. 31163 VI,166 31163 VI,222 31163 VIII,114 31163, 33010 VIII,408 31163 X,239 31163 XIV,337 1394 XX,51 244386 XX,101 244386 De bello Judaico I,253 II,42
1394 1394
Philo von Alexandrien De confusione linguarum 136f. 318, 339f. De fuga et inventione 133f. 317, 339f. 182 317 186 319, 335f. De gigantibus 20–28 318, 326, 330, 339f. 23f. 318105 25–27 318105 De migratione Abrahami 181 318, 339f., 344 De opificio mundi 131 134 135 144
317, 318102, 344 318 318, 326, 330 318, 330
400 De somniis II,252
Stellenregister
319, 335f.
De specialibus legibus IV,49 319, 335f., 346 De vita Mosis II,265
319, 335f.
Legum allegoriae I,34–39 I,38 I,39
318, 326, 330 318 318104
Quis rerum divinarum heres sit 55 318104 57 326, 330, 339f. 265 319, 335f.
Legatio ad Gaium 281f. 148
Griechisch-Römische Autoren Chrysipp Stoicorum Veterum Fragmenta ed. H. v. Arnim 2,112 Fr. 310 30436, 338, 340 Cicero De natura deorum 2,18f. 30436, 338, 340 De re publica 2,4
2669
Homer Ilias I 571–611 XVIII 390ff.
14434 14434
Odyssea V 291-296
14434
Kleanthes Stoicorum Veterum Fragmenta ed. H. v. Arnim 1,121 Fr. 533 304 1,121 Fr. 537 30441 Livius Ab urbe condita 1,4,8,2
2669
Ovid Metamorphosen XV,665–674
159
Platon Ion 534a–d 534b–e
30751 30751
Leges V 738c Meno 99d
30751 30751
Phaidros 244aff. 265aff. 265b
30751 30751 319108
Pseudo-Platon Axiochos 365a–369d 370b–c 370c
306 306 306, 325, 330
Plutarch Amatorius 16 [758 D–E]
307
De defectu oraculorum 40 [432 D–F] 307, 335, 337 40 [432 D] 307–309, 345
401
Stellenregister 40 [432 E] 40 [432 F] 41–42 [433 A–D] 41 [432 F–433 A] 41 [433 A] 42 [433 D] 42 [433 E] 46 [435 A–D] 46 [435 A] 48 [436 E–437 A] 48 [436 E–F] 50 [437 C] 50 [437 D] 51 [438 A–C] 51 [438 A] 51 [438 B] 51 [438 C–D] 51 [438 C]
309, 337 307 335, 337 30957 307f. 307 309 309 308, 345 309 308(53), 331f. 308, 30957, 335, 337, 345 308(52f.), 331f. 335, 337 308 308 308, 345 307f., 337
De Pythiae oraculis 21 [404 B] 308(53), 331f. Numa 4,6 [I 62]
309, 325, 327
Romulus 6,2
2669
Poseidonios Stoicorum Veterum Fragmenta ed. H. v. Arnim 2,299 Fr. 1009 304
Sallust De bello Iugurthino 6,1,1 2669 Seneca Epistulae morales 41,2 305, 325, 330, 338, 34066,12 305, 325, 330, 338, 340 Naturales Quaestiones 2,45,1 30436, 338, 340 Sueton Divus Claudius 25,4
35323
Vergil Aeneis III,88–91
159
Georgica III 267–283
14434
Zenon Stoicorum Veterum Fragmenta ed. H. v. Arnim 1,25 Fr. 88 30436, 338, 340
Sachregister Hochgestellte Zahlen geben Belege in Fußnoten an. Diese ist eingeklammert, wenn der Beleg sowohl im Haupttext als auch in der Fußnote zu finden ist.
Aarons (Priester-)Geschlecht 19, 35 Aarons Priestergewand 299, 333 Abendland 303 Abias → Ordnung des Abias, Priesterklasse des Abias Abraham 1713, 15, 36 Abrahamsbund 39126 Abschiedsgespräch Jesu 118, 120, 123, 127 Abschiedsrede – Jesus 38, 125285 – Paulus 190, 250 Achaja 190, 225315 Acker → Blutacker 45, 257f. Adam 7795 Admiration 86137 Admirationsmotiv 151 Adoption 7060, 76 Agabus 191180, 244–247, 253, 279 Ägypten 144, 14535, 306f., 31695, 327, 348 Alexandria 314, 31694, 317 Allegorese 317, 319 Alleinstellungsmerkmal 127, 134, 138, 194, 254 Almosen 175f. Altar 91158 Älteste – der Juden 156 – in den christlichen Gemeinden 185, 190, 232347, 250–252, 253–254, 264, 278, 290, 334 – 70 in Moses Zeit 300f., 318105, 319, 333, 344 Ältestenkollegium 251411
Ältestenverfassung 251411 altiranisch 31270 Amatorius 307 ambivalence sémantique 413 Amos 30126 Amt → Apostelamt, Armenpfleger-Amt, Prophetenamt, Verkündigungsamt 331, 333–334, 349f. Ämterstruktur 240, 252, 253, 264 Amtscharisma 300, 333 Anemoi 14434 Anfangsgeschehen 6217, 220, 235 Animal rationale 305, 331 anthropologisch 297, 305, 306, 31271 antikes Judentum 295 Antiochia – in Pisidien 233 – in Syrien 16699, 183–185, 214269, 244, 247f., 289 Antrittspredigt (Jesu) 83, 87–90, 92–94, 100, 101, 108, 119, 2722, 281 ἄφεσις 28, 89, 118f., 129, 196–198, 200 Apokalyptik 70f., 153 Apollon 307, 309 Apollos 161f., 164, 225(315), 228 (325f.), 229(331), 235 Apostel → Zwölf, Zwölferkreis 45–48, 96180, 97187, 102206, 105–107, 108, 109, 118253, 120, 122f., 138, 139, 142f., 15778, 16192, 162, 165, 16699, 179, 185, 196(197), 201(221), 207, 209–215, 217, 221f., 229331, 230, 234–236, 236–240, 240–243, 248f., 250, 252419, 253f., 257f., 261444, 264, 278, 289f., 322, 331, 333
Sachregister Apostelamt 45146, 46(149), 47151, 48, 237(353), 239, 250, 323 Apostelbegriff 236–238, 248 Aposteldekret 184–186, 193 Apostelfürst 288 Apostelkonzil 102, 183f., 186(163f.), 224, 235, 259435, 290 Apostellehre 202(222) Apostelvorsteher 168109, 179, 198, 288 Apostelwahl 46(148), 105, 238 Apuleius 34016 aramäisch 240366 – Quelle 147 Areopag 413, 30332 Armer 41, 85, 89 Armenfürsorge 241366 Armenpfleger 166(99), 240–243, 249, 254, 278, 285, 290, 331, 333 Armenpfleger-Amt 16194, 242f., 253 Aschdod 170 Asien (Provinz) 187, 189(176) Askese 19 Athen 413, 30332 Äthiopien 165f., 174, 177, 183, 207, 214270, 231343, 287 Äthiopier 166–169, 172126, 179, 193, 214270, 232343 Auferbauung 162, 232, 322 Auferstandener 32, 112(242), 115, 118f., 121–123, 125, 127, 130, 133310, 143, 148, 196–198, 222, 236351, 237, 284f., 350 Auferstehung 96, 106226, 112, 113243, 118f., 156, 195, 197, 217, 237355, 320, 326–328, 349 Auferstehungshoffnung 329 Auferstehungskerygma 238 Auferstehungszeuge 237 Auferweckung 109, 152 Aufgang aus des Höhe 39, 120267 Aufnahmeritus → Taufritus 221, 230335, 31271 Aufseher → Gefängnisaufseher 232347, 251f., 254, 290, 316 Auge 41, 86, 307 – Gottes 18 Augenlicht 85 Augenzeuge 96180, 188170, 237f., 253 Augustus, Kaiser 159
403
Auserwählter 105f., 114, 166, 190, 239, 243, 248f., 254, 276, 300, 326f. Auserwählung 203, 239 Ausgießung des Geistes 10f., 102206, 109– 112, 113246, 114f., 124f., 134, 14015, 145f., 148, 150, 153, 155f., 16088, 162–164, 165, 175, 178, 195, 204, 211, 213, 217, 219f., 222f., 241, 322127, 3309, 343f. Ausrüstung 24, 27, 34, 79, 98, 128, 135, 161, 163, 195, 280, 297 Axiochos 303, 305f., 330, 344 Balak 30125 Barmherzigkeit Gottes 2561 Barnabas 16699, 183f., 186163, 214269, 233, 236351, 237356, 247–249, 250, 252, 253, 257f., 278 Bedrängnis 48–51, 130, 132f., 158, 162, 190f., 245, 250, 279, 322131, 342 Beelzebul → Satan, Teufel 255421, 256 Begräbnis 240365, 258 Bekehrung → Heidenbekehrung 94, 95175, 178 , 169, 171, 174f., 178, 183, 195, 201221, 205, 208(248), 215f., 221, 231343, 232, 236, 280, 287, 288, 321 Bekenntnis 1, 53, 54, 167103, 256 Belial 31374, 346 Benediktus 2562, 39(122) Berufsbegabung 313 Berufsprophet 245, 253, 279, 335 Berufssalbung 92, 94168 Berufung → Prophetenberufung 20f., 2036, 77, 84, 187166, 189, 299, 333 Beter 132, 6325, 131 Bethlehem 143, 6536 Betrunkenheit → Trunkenheit 110, 151(58), 153 Beschneidung 169, 183–185, 216, 218, 221, 223, 235, 255, 321 Besitz 257, 258430, 260437 Bezalel 299, 318105 Bildung 316(91), 325, 327 Bileam 301(25), 31163 Bischof 251(412) Bithynien 187 Bittgebet 131 Blindenheilung 231 Blindheit 85, 89, 231(341)
404
Sachregister
Blut 184, 251, 318104, 319 Blutacker 45 Bote Gottes 2140, 22, 24, 86, 314 Botenspruchformel 245 Brausen 143f., 14535, 149 Brief → Pastoralbrief – Christi 322 – paulinisch 296, 320(116), 323, 329, 3601 Brot 81 Brotbrechen 202222, 257 Brotfladen 91158 Brotvermehrung 82 Brüder Jesu 142, 236351 Buch des Lebens 103211 Buchstabe des Gesetzes 321, 329 Bund → Abrahamsbund 6431, 14535, 302, 312, 321 Bundeserneuerungsfest 14535 Bundesschluss 14535 Buße 119(258), 200213, 217 Bußmahnung 96f., 196199 Bußpredigt 28 Caesarea 170(117), 175, 245 Chaironeia 306 Chaos 298 Chiasmus 46, 7482, 85 Christentum 47154 – Frühes → Väter 7, 295–297, 320–323, 326, 356 – Urchristentum 240366, 244383f., 316 Christologie 31, 101f., 107, 112, 115, 127, 133, 135f., 137, 15778 Christus → Gesalbter, Messias 1, 17, 2244, 26, 28, 3084, 31–33, 34, 41, 49f., 52f., 54, 55, 56183, 6115, 71f., 78103, 94f., 98, 101, 107, 113f., 118, 125f., 127292, 133310, 134f., 158, 161, 163f., 169, 171, 175, 197, 201, 217f., 267, 278, 284, 287, 321, 331–333, 348, 35323, 354, 359 Christusbotschaft 28, 95, 195189, 217 Christuserscheinung 231(340) Christusfest 1 Christusgeschehen 119(259), 120, 128, 134, 197, 200 Christus-Prädikat 31, 94, 35323 Christus-Sein 29, 108, 332
Christus-Titel 30–32, 49162, 94(171), 108, 114, 125, 135, 332, 348 Chrysipp 30436 Cicero 30333, 30436 Damaskus 231 Dämon 62, 99195, 103, 31062, 31374, 34619 δαιµόνιον 294, 34016, 34619 δαίµων 194, 309 Dämonenaustreibung 99195, 100 dämonologisch 31062 Dampf 308, 345 Daniel 2030, 299(17), 31163, 326 David → Haus Davids 2030, 45, 47(154), 49f., 52, 54181, 66(39), 7795, 109, 112241, 113243, 152, 29916, 300, 31163 Davidide 70f., 300(21), 316, 332 δεῖ 46(148), 118, 119260, 192(186) Delphi 306–309, 332 Demokratie 158 deuteromarkinisch 7267 Deuteronomium 79106 Deuteropaulinen 218285 diachron 7, 9 Diakon 241 Diakonenverfassung 251411 Diaspora 14741, 177140, 202, 240365 Diaspora-Synagoge 161 Diener 154f., 240366, 322 Dienst, diakonisch 241 Dienstleister 331 Differenzkriterium 226, 230, 231, 235 δίκαιος 35(97), 40, 43, 101206 Dodona 30751 Donner 14535 Doppelkodierung 413 Doppelnatur 325, 328 δωρεά 196f., 199208, 212(264), 218, 223, 286 Dornbusch 144 Du-Bitte 130302, 201218 Dunst 309 Egalität 257427 Einheit 16699, 169, 215(273), 235, 240(366), 243, 264, 267, 323, 326, 329 Einkleiden 120, 285 ἐκκλησία 102, 232(347), 233348, 247, 252(417)
Sachregister Ekstase 14638, 301, 319, 322130, 336 ἐκχέω 110, 154, 219, 277 Elf 118, 122, 141, 152 Elia (Elija) 18, 22–24, 2348, 54, 2455, 57, 34, 55, 144, 280, 282(27), 301, 333, 345 Eliaprädikat 31 Elisa 23, 301, 333 Elisabeth 15, 16f., 2565, 35–40, 36105, 108f., 38114, 40, 42, 43f., 55, 56183, 6743, 79, 103209, 276, 279 Elkana 36 Emmaus 196 Emmaus-Jünger 118, 122 Empfängnis (Jesu) 143, 59, 6010, 61f., 6429, 6536, 66 Endgericht 29, 3084, 313 Endzeit 29, 3084, 6324f., 163 Endzeitrede 133 Engel → Gabriel 166f., 171123, 172–174, 175, 177–183, 193, 217, 282f., 287– 289, 31163, 31374, 345, 34620 Engelsbotschaft 608, 176, 180150 Engelserscheinung 16, 1714, 94173, 175f., 224306 Engelwesen 289 Enthusiasmus 307f. Entrückung 279, 291, 302, 334–336, 338f., 341, 345 – Elia 23, 345 – Jesus 112(241), 127 – Philippus 167105, 168, 170, 174, 279, 288 Entsühnung 201218, 312, 325f. ἐπαγγελία 111(237), 117253, 120, 123f., 15677, 198f., 202–204, 222, 233f. ἐπέρχοµαι 6010, 63(24f.), 128, 283, 285 Ephesus 161, 189176, 190, 225315, 226(315), 227325, 228, 229335, 235 Ephesus-Jünger 210256, 226(319), 228–230, 235, 244381, 250, 252 Epikureer 30332 Epikureismus 306 Epiphanie 74 Erbe 4 Erbmonarchie 30021 Erdbeben 159(85), 164 Erde 42139, 117, 127293, 128f., 147–149, 156, 159, 176, 191, 194, 298, 308f., 337, 344f.
405
Erdkreis 244, 315 Erdspalte 337 Erfüllung (von Verheißung) 22, 41f., 49, 52, 53178, 86(137), 90, 108, 110f., 118, 121, 123275, 124, 132308, 134, 138, 140, 153, 157, 164, 191, 194, 197, 203f., 219, 234, 263, 266f., 281, 296, 326 Erfüllungsgehilfe 159 Erfüllungsgeschehen 41, 119259, 156 Erhöhter 113, 125, 187168, 199, 219, 321 Erhöhung 413, 11, 102206, 109231, 111– 114, 115f., 121268, 130, 134, 135, 137f., 195(189), 198, 219, 277, 359 Erkenntnis → Heilserkenntnis 26, 37, 39f., 42, 53, 103, 179f., 217, 223, 244384, 258431, 2765, 279, 299, 312f., 318f., 322, 325–327, 329f., 336, 339f., 345 Erkennungsmerkmal 127 Erlassjahr 89 Erlös 257–259, 261 Ernte 29(80), 14535 Erscheinung (göttlich) → Engelserscheinung 1714, 592, 80, 112, 122, 123275, 144, 14535, 231(340), 237 Erscheinungsbericht 123275 Erstgeburt 41, 280 Ersticktes 184 Erstlingsgabe 14535, 321, 343 Erwählter 44, 48, 70f., 105, 236351, 238, 276, 300, 312, 313, 325, 326f., 342 Erwählung 36(107), 6433, 91f., 203f., 237– 239, 253, 268, 311, 31269, 3271 Eschatokoll 323 Eschatologisch 22, 40, 86, 123275, 31271, 31373, 316(97) Eselin 31163 Ethik → Sozialethik 260(437), 262, 263, 305, 318, 326, 329, 349 Europa 188f., 193, 204232, 264, 280, 354 Evangeliumsverkündigung 44145, 49, 51– 54, 56, 85133, 95175, 96, 119f., 121268, 127–129, 132308, 135, 136f., 138–164, 165–170, 173, 175–183, 185, 186– 189, 191182, 192f., 194, 195(192), 197, 199f., 202, 204(232), 206, 207, 208249, 209, 214f., 217f., 220, 233, 236351, 239, 241, 243375, 244, 250, 254–256,
406
Sachregister
263f., 267, 278, 280f., 285, 292, 323, 33513, 341f., 350, 354, 361 Exegese 3, 271, 282 Exodus 79106 Exorzismus 100 ἐξουσία 99195, 121268, 212, 213266, 28533 Ezechiel 298, 302, 345 Falschlehrer 251 Falschprophet 31163 Feind 6324, 158, 289, 303, 313, 342 Fessel 190f., 245, 250, 279 Fest der Gesetzgebung 14535 Festus 14638 Feuer 28–30, 143–146, 227, 304 Feuer-Götter 14434 Feuersäule 144 Feuertaufe → Taufe 28–30, 32, 114, 126(289) Feuertäufer 30 Feuerzunge 3083, 110233, 143f., 146, 163, 28736 Finger Gottes 99195 Flavius Josephus → Josephus Fleisch → Götzenopferfleisch 153, 298, 321 Fluch 212f., 30125 Frau 17, 1822, 19, 32, 37, 141, 15576, 208(248), 289, 309, 327 Freimut 49, 51, 151, 158–161, 164, 191, 342 Fremdherrschaft 88 Freude 18, 2142, 3391, 38(118), 102f., 104213, 168, 172, 208(248), 233(350), 321, 323 Freudenbote 314 Freund → Gottesfreund 130, 176, 179, 216 Freundlichkeit 321 Frevel 312f., 342 Frieden 41, 162, 183157, 232, 302, 321, 323 fromm 35f., 40, 43, 147, 175, 315, 325f. Frömmigkeit 1, 43f., 176 Frucht des Geistes 321 frühchristlich → Christentum 7, 96181, 200212, 247397, 273, 295–297, 320, 327, 332f., 336, 339, 342, 343, 345, 346, 351, 355, 356, 360(1)
Führungsposition 297, 299f. Fürbitte 213 Furcht → gottesfürchtig, Todesfurcht 1714, 95, 121, 132, 162, 217, 232, 258, 262 Gabriel (Engel) 16–18, 21, 39f., 58–62, 64–66, 6743, 75, 282f. Galatien 187 Galiläa 7268, 77, 80, 83f., 90, 95, 110, 123275, 162, 232f., 281 Galiläer 151 Garant 44, 57, 106f., 118253, 122, 131, 133, 137, 142, 239, 264, 267, 271, 350, 359, 361 Gas 308 Gaza 166, 171 Gebet → Beter, Fürbitte, Lobpreis 16(12), 48(160), 50f., 72f., 7479, 75, 81, 101206, 102f., 104214, 105, 107, 117, 130–134, 138, 141, 14326, 15155, 156–159, 16086, 164, 175f., 201218, 202222, 211(259), 213266, 234, 238f., 243, 248, 257, 302, 31163, 315, 321121, 322, 33010, 345 Gebetserhörung 1612, 159(85) Gebetspraxis 132, 15778, 177 Gebot (Gottes) 35, 40, 95, 185f., 193, 216, 223f., 302, 312, 326, 329 Geburt → Erstgeburt 9, 14f., 16f., 21, 25(61), 33, 34, 35f., 38, 58f., 64–67, 73(80), 75, 92, 103209, 107, 14847, 283, 310 Geburtsankündigung 17(14), 2244, 36108, 592, 6743, 80 Geburtsgeschichte → Kindheitsgeschichte 25(63), 27, 32, 6536, 6743, 68 Geduld 321 Gefangener 85, 89 Gefangenschaft – Johannes der Täufer 28, 33, 6955, 80112 – Paulus 51, 190–192, 231340 – Petrus und Johannes 156 Gefängnis 3393, 289 Gefängnisaufseher 206, 232 Gegenwart, göttlich 6325, 86, 90, 127, 144f., 163, 260, 265, 31163, 315, 318, 321, 325, 329f., 349, 353, 361 Gehorsam → Ungehorsam 79106, 162, 297, 302f., 325, 329
Sachregister gehorchen 157, 232, 292 Geist → Messiasgeist, Pfingstgeist, Prophetengeist, Schöpfergeist – böser 300(19), 308 – Elias 18, 23f., 282(27) – des Frevels 312 – menschlicher 132, 2772, 101206, 190, 192, 298 – systematisch-theologisch 1f. – der Wahrheit 312 Geister → Zwei-Geister-Lehre 275, 312f., 322, 338, 341, 345f. – böse 256, 294, 35021 Geisterinnerung 2, 361 Geisteskraft 62f., 282, 287, 291f., 343, 350 Geistsalbung 94171, 98, 100f., 108, 135, 278, 331, 333, 33513, 352 Geistspender 33, 125, 201 Geisttaufe → Taufe Geisttäufer 30–33, 34 Geistvergessenheit 1, 361 Geistwesen 62 Geistzeugung 310, 328 Gelähmter 156 Geld 212, 258, 260436 Gemeindegebet 156f. Gemeindekollegium 251 Gemeindeleitung 331, 333 Gemeindeversammlung 241 Gemeindevorstand 244 Gemeinschaft → Gütergemeinschaft, Heilsgemeinschaft, QumranGemeinschaft, Tischgemeinschaft 102, 36104, 122, 127292, 138, 141, 157, 162, 164, 199, 201221f., 204, 208f., 215, 218, 221, 223, 230, 235, 239, 240, 254, 257427, 259f., 262, 264, 31164, 323, 353 – sexuell 306 Gemeinschaftsbildung 201(221f.), 204, 234f. Gemeinschaftsregeln 259 Genealogie 6639, 76, 7795, 79 Gerber 174–176, 179, 181 Gerberei 174136 gerecht →leidender Gerechter, ungerecht 18, 35–44, 55–57, 101206, 158, 234, 266
407
Gerechtigkeit → Rechtfertigung, Ungerechtigkeit 35f., 43142, 302, 317, 323 Gericht → Endgericht 29f., 126, 132f., 134, 302 Gesalbter → Christus, Messias 85f., 90– 94, 96, 98–101, 108, 119, 157, 278, 284, 286, 300, 313f., 316f., 321, 328f., 331f., 342, 344, 348f., 35323 Gesalbter des Geistes 314 Gesamtkirche 102, 232347, 233, 252417 Geschichtsschreibung 104216 Geschicklichkeit 299 Geschöpf 298 Gesetz → Nasiräergesetz, Thora 103, 25, 41136, 118(255), 14535, 169, 177, 183f., 221, 224, 235, 288, 302, 317, 321, 329, 336 gesetzesfrei 224, 235 gesetzesobservant 288 Gewalt 77, 132, 256 Gidion 299 Glanz Israels 42 Glaube → Bekenntnis 2, 51, 52175, 96, 127292, 130302, 156–158, 168, 169113, 184f., 195f., 199, 206, 208f., 215, 216, 218, 222, 226–229, 232, 233, 242, 249f., 261, 285, 317, 321(121), 322, 323134, 3296, 345, 349, 361 Gläubige 198f., 205f., 209–212, 214(273), 216, 218f., 223, 230335, 232, 254, 262, 321f., 322f. Gleichnis 84, 130, 196 γλώσσαι 143, 14431, 146f., 149(52), 219, 230 Glossolalie 146(39), 150(55), 15158 Gnadenjahr 85, 87145 Götter 1714, 14434, 29917, 307, 309 Gottesbeziehung 36, 40, 56, 127, 132, 198, 298, 325, 348 Gottesepitheton 2666, 61 Gotteserkenntnis 312, 325–327, 330 Gotteserscheinung → Theophanie 144 Gottesfreund 315, 325f. gottesfürchtig 4, 40, 95, 97, 168f., 176f., 178146, 179, 182f., 192–194, 216, 287f. Gottesherrschaft 82 Gottesknecht 6431, 70f., 91, 153f., 15880, 300(22), 302, 332 Gotteslob 117
408
Sachregister
Gottesprädikat → Vaterprädikat 48160, 6116 Gottessohn → Sohn des Höchsten 58, 60, 64–68, 69, 7060, 71–77, 79–86, 87, 89f., 92–94, 101, 103f., 107f., 112– 114, 134f., 267, 277, 280f., 320f., 325–327, 338f., 348f., 352f., 359 Gottesurteil 223, 262 Gottesvolk 6, 18, 22(44), 28f., 3391, 7481, 137(1), 204, 251, 266 – Israel 10f., 13–57, 123275, 127293, 156, 204, 216, 218, 221, 223, 225, 235, 242371, 266–268, 271, 276, 279, 285f., 299f., 302, 325–327, 331, 334f., 339, 347f., 352, 359 – Kern 48, 138 – neues / neu definiertes / sich neu konstituierendes 3084, 44145, 45, 48(157f.), 51, 53, 54, 56f., 14535, 166100, 169, 175137, 194–236, 255f., 260–262, 263, 264, 266–268, 277, 329, 338, 341f., 361 Gotteswort 27, 49f., 7795, 158, 160, 209, 221, 313, 336 Gottwesen 309 Götzenopferfleisch 184 Grab → Begräbnis 289 Grenzgestalt 34f. Grieche 4f., 352f., 355 griechisch-römisch 3f., 6, 1714, 2669, 104216, 14434, 294, 296, 303, 310 Güte 321 Gütergemeinschaft 202222, 240366, 257– 259 Gürtel 245(389) ἡγεµονικόν 304, 318104, 340 Haarescheren 1925 Habsucht 260437 Hananias – von Damaskus 231(341) – Ehemann von Saphira 257–263 Hand 211261, 229, 231, 235, 245, 248, 253, 200 – Gottes 101206, 158, 298 Handauflegung 209, 211–213, 219, 229332f., 230335, 231341, 234, 243, 253, 328 Handschrift 68, 79106, 95178, 14431, 31164
Hanna – Mutter des Samuel 146, 17, 36 – Prophetin am Tempel 114, 41136, 68 Hauptakteur 166, 179, 265 Hauptmann – Kornelius 94f., 174–183, 185, 202222, 215, 221, 235, 258431, 280, 288 – unter dem Kreuz 413 Haus Davids 39126, 6536, 31697 Hebräer 165, 16699, 209252, 240(366) Heide 6, 51–53, 54, 56, 95, 97, 130302, 168–170, 172126, 176–179, 181–183, 183–186, 186f., 189, 192–194, 203, 215–225, 235, 264, 267, 280, 288, 292, 339, 353f. Heidenbekehrung 172126 Heidenchrist 184–186, 193 Heidenmission 97, 124277, 149, 163, 165– 174, 174–183, 183–190, 193, 215– 217, 224, 232343, 235, 245, 249405, 288, 290, 350 Heidenpfingsten 229335 Heidenpredigt 97 Heidenvölker 42, 56, 157 Heil 131, 145, 1612, 17, 2142, 26, 28, 30– 33, 34f., 36–40, 41, 43f., 48160, 52f., 55–57, 79, 86, 89, 108, 114, 117, 119f., 126f., 131, 133–135, 153, 156, 164, 168107, 188, 197f., 200–202, 204f., 209, 210258, 212–214, 223f., 228, 233, 234f., 246, 255, 262, 263, 264, 266–268, 276(5), 280, 297, 302, 325, 327–329, 331, 338f., 341f., 353f., 359, 361 Heiland 38, 7481 Heilige Geräte 91158 Heilige Schriften 14 Heiligtum → Orakelheiligtum Heiligung 64(31), 91, 100, 216, 303, 31478, 321 Heilsangebot 158, 200, 205, 263, 264 Heilsbote 86 Heilsbotschaft 54, 322, 331, 354, 357 Heilsbringer 2565, 31f., 34, 56, 83, 86f., 89f., 91160, 92, 99f., 108, 114, 119, 125, 135, 228, 266f., 278, 300, 331f. Heilsempfänger 126 Heilserkenntnis 39, 42f. Heilserwartung 40, 326
Sachregister Heilsgemeinschaft → Gottesvolk 3084, 57, 126, 127293, 130f., 134, 136, 138, 169, 194, 204–206, 211, 213–215, 220, 223, 225–227, 230f., 233, 234–236, 255f., 259–262, 264, 266f., 277, 288, 325, 328–330, 334, 349, 361 Heilsgeschehen 29, 38118, 44, 55f., 6325, 119, 121,1 136, 162, 206, 210, 233350, 246 Heilsgeschichte 103, 131, 16–19, 22, 27f., 33, 53178, 57, 6955, 7693, 88, 96181, 123275, 140f., 146, 148, 162, 164, 204, 267f., 271, 339, 341, 351, 359 heilsgeschichtlicher Wendepunkt 140 Heilshandeln 18, 2142, 22, 56, 83, 89, 129, 135, 278, 322, 326, 329 Heilshoffnung 34, 88146, 123275, 326 Heilsplan 159, 22, 34, 42f., 190–192, 194, 246391, 267f., 271, 280, 339f., 350, 354 Heils– und Unheilsprophetie 246 Heilsratschluss 225 Heilsverheißung 22, 39, 42, 88146, 202224, 298, 302, 349, 353 Heilsvermittler 33 Heilszeit 40, 302, 314, 332 Heilszugehörigkeit 30 Heilung 52, 88146, 89, 96, 98, 99195, 121268, 156, 231(341), 285, 322 Heimsuchung 100 Heldentat 299, 341f. Hellenisten 16599, 172126, 214269, 240f. Hellenistische Philosophie → Epikureismus, Platonismus, Stoa 295f., 303– 310, 332-334, 336, 342, 344, 346(19), 351, 360 Hephaistos 14434 Herde 250, 251 Hermeneutik 355, 357, 359, 361 Herodes – Agrippa 289 – Antipas 28, 48160, 51, 6955, 157 Herrlichkeit Gottes 246 Herrschaft → Fremdherrschaft, Gottesherrschaft 66, 112f., 143, 300, 317, 321, 331f., 342, 344 Herrschaftsbereich 143 Herz 18, 28, 37, 88146, 195f., 206, 255, 260437, 261f., 313, 316, 322f. Heuchelei 259, 261
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Himmel 47, 69f., 103, 105219, 107, 112(241), 116, 120f., 143(26), 147, 163, 176, 199, 246, 279, 290, 350 Himmelfahrt 413, 31, 7267f., 96180, 102206, 105f., 109231, 112f., 115–120, 122, 127, 129f., 134, 137f., 140, 197, 199, 222, 237–239, 252419, 253, 277, 284f., 350, 359 Himmelfahrt-Mythem 129298 Himmelsschau 243375, 246, 334 Himmelsstimme 70–75 Hirte 251f., 254, 289 Hirtenmetaphorik 251f. Hiskia 49160 historiographisch 31063 Hochland 226 Höchster → Kraft, Kinder, Prophet, Sohn des Höchsten 61, 6216 Hoffnung → Auferstehungshoffnung, Heilshoffnung 39, 40f., 51, 53178, 127293, 31697, 321, 329, 342 Höhe – Kraft aus der 115251, 120f., 129, 14329, 285, – Aufgang aus der 120267, Hohepriester 91, 156 Hoher Rat 132308, 151, 156–158, 161f., 164, 255 Höhle 31164 Horn des Heils 39126 Hunger 81 Hungersnot 244(386) Hüpfen 37f., 56183 Hymnus → Benediktus, Zeushymnus 39122, 6640 Identitätsmerkmal 216, 221, 223f., 226, 235, 260, 277, 325, 328, 349 identity marker 216, 218, 221, 223f., 225, 230, 231, 235, 260 ἱερὸς γάµος 6220 immanent 306 Immanuel 100199 Indienstnahme 98, 276, 278, 291, 324, 331–334, 348 Initiationsritual → Taufritus 200 Inkulturation 353, 355 Inkulturations- und Missionsstrategie 413 Inneres des Menschen 195f., 302, 313
410
Sachregister
Inspiration 6115, 185, 306, 307-309, 319, 332, 335, 337, 344, 349, 351–353 Inspirationsmantik 30751 Inspirationsverständnis 306, 307 irdischer Jesus 32, 37111, 6115, 115, 125, 130, 132, 236351, 237–239, 350 Irrlehre 238 Isaak 1714f., 71 Isaaktypologie 71 Isai 300 Ismael 1714 Israel → Gottesvolk Itinerar 188170 Jakob 36, 70 – Haus Jakob 66 Jakobus – Herrenbruder 184(158), 186163, 225, 236351, 250 – Sohn des Zebedäus 236351 Jakobusrede 225 Jefta 299 Jeremia 46147, 30126 Jerusalem 4(13), 41136, 81114, 117, 121, 123(275), 127293, 129, 133313, 134, 14535, 147–149, 152f., 156, 157, 161(93), 163, 165–168, 171, 178, 183156f., 184, 189176, 190–192, 196, 202, 207, 209, 211, 213–215, 221(297), 31694, 231340, 234f., 240, 240365f., 244f., 250, 279, 316, 337 Jerusalemer (Gemeinde) 165(99), 172126, 177–181, 183, 185, 207, 214(269, 273), 221, 223, 229331, 240, 241366, 243, 247398, 250, 257 Jerusalemer Jude 110, 202, 205, 337 Jerusalemer Tempel 4(13), 9, 14, 1611, 41(136), 68f., 117, 122271, 14535, 279f., 299, 31163, 3309 Jesaja 52 – Buch 40, 85f., 167f. – Zitat 52, 86–90, 93f., 166 Jesuskerygma 95–97, 119258 Jesuskind 36108, 37, 41(136), 56, 280 Jesus-Rede 130 Jesus-Wort 125f., 222 Jobeljahr 88146 Joel 153, 203231 – Zitat 153–156, 15880, 164, 203
Johannes (Jünger Jesu) 151, 156–158, 209, 212f. Johannes der Täufer 413, 103, 143, 15, 15– 35, 35, 43f., 55f., 6954, 119, 124–126, 196198, 197, 228(329), 280, 282 Johannestaufe 202, 227–230 Johannes-Wort 125f., 222 Joppe 174–176 Jordan 7268, 77, 79, 92164 Jordangegend 2979 Josef – Levit Barnabas 257 – Sohn Jakobs 299 – Vater Jesu 59, 65(36), 6639, 7795 Josephus 1394, 244386, 31063, 33010f., 34620 Josua 300, 333 Jubel 38118, 103f., 233350 Jubelruf 38, 7371 Judäa 117, 127293, 129, 14743, 162, 165f., 183157, 207, 214273, 221, 232f. Judas – Iskarioth 45f., 47151, 48, 82119, 237, 238360, 261 – Prophet(Missionar) 244385 Judenchrist 177f., 181152, 193, 218(285), 221, 223, 225, 235, 240366, 31062 Judenland 96 Judentum 4, 620, 97, 99195, 148, 168f., 177, 214273, 216, 225, 287, 294f., 296, 30331, 310(62), 311, 316, 328, 330, 332, 337, 340, 341, 344, 345, 350, 357 – hellenistisch 4, 240366, 294–296, 30331, 310(63), 316, 328, 330, 337, 340, 341, 345, 350, 351, 356 – palästinisch 177140, 251411, 295f., 310, 311, 332, 345 Jünger → Emmaus-Jünger, EphesusJünger 126f., 148, 197, 226(316) Jungfrau 59, 6010, 65(36) Jungfräulichkeit 3291, 59 καίγε-Rezension 154 Kaiser → Augustus, Klaudius 289 Kaiserzeit 303, 305, 159 Kämmerer 165–168, 170–174, 174f., 177f., 185, 192, 207245, 214270, 231343, 280, 287f. Kapernaum 84124 Kastrat 167f., 169111
Sachregister Kerygma → Auferstehungskerygma, Jesuskerygma 96f., 196199, 236251, 284 Kettenreaktion 37, 38114 Ketubim 118255 Keuschheit 308, 321, 337 Kinder 18, 130 Kinder Gottes 321, 328f., 339 Kinder des Höchsten 3296 Kinderlosigkeit 1612, 36(105,107) Kindheitsgeschichte → Geburtsgeschichte 25, 27, 32, 6744, 68f. Kirche 1, 102f., 114, 107, 14948, 179, 183156, 229331, 232347, 233, 238, 252417, 361 Kirchengeschichte 1 Kirchenjahr 1 Kirchenväter 7060 Klaudius, Kaiser 244 Kleanthes 304 Knecht → Gottesknecht, David 6431, 70f., 153f., 15880, 302 Kollekte 192184 Königsname 147 König – alttestamentlich 91(159), 94, 104, 300, 316, 333 – Balak 30125 – Melchisedek 314 – Perser Kyros 92 Königin, äthiopisch 168 königlich – Amt 300 – Beamter 167 – Gottessohnschaft 66 – Messianologie 66(40), 70 – Messias 90, 107 Königtum → David 300, 31697 Korinth 206, 226, 232 Korinther 323134 Korintherbrief 323 Kornelius 94f., 97, 172126, 174–183, 185, 193, 202222, 215–225, 235, 249405, 258431, 280, 288f. kosmisch 304, 314f., 317, 340 kosmologisch 297, 305 Kosmos 30435, 344 Kraft 62–64, 78–80, 82, 91, 95, 98–100, 108, 117, 120f., 128f., 133, 160, 16195, 164, 173f., 185161, 198, 208, 264, 281–
411
287, 289, 29042, 291–293, 299, 301, 304, 305, 31266, 313, 316, 318(102), 321, 322(132), 340, 342, 343f., 350f., 354 – Elias 18, 282 – Erdkraft 308, 30957, 345 – aus der Höhe 6217, 115251, 120, 129, 14329, 285 – des Höchsten 60f., 121, 283 – moralische Kraft 312 – prophetische Seelenkraft 307f., 337 – Schöpferkraft 48, 157, 297 – Wunderkraft 82, 281, 297 Kraftphänomen 22–24, 27, 98, 268, 280, 282–286, 287, 290, 313, 343f., 350 Kranke 100 Krankenheilung 238362 Krankheit 187169 Kreuz 413 Kreuzeswort 101206, 3284 Kreuzigung 118(257) Kult – jüdisch 4, 145, 91(158) – griechisch 30751 Kultur 306 Kunsthandwerker 299, 318105 Kyrios 200213 κύριος 2244, 2565, 32(89), 37(111), 170(119), 203, 206, 211258 Kyros, Perserkönig 92162 Land → Abendland, Hochland, Judenland, Volkssprache 45, 84, 14743, 168, 202, 302f. Lästerung 255f., 263 Leben → Buch des Lebens 10(2), 35f., 41, 56, 64, 6954, 122, 132, 152, 162, 191, 195, 200213, 202, 223, 224, 232, 236, 237, 253, 259, 264, 298(8), 302, 306, 309f., 31164, 312f., 314f., 317, 321, 325, 327–330, 334, 337–339, 343, 348, 351, 353 Lebensabend 14741, 240365 Lebensatem 298 Lebensgeist 328 Lebenskraft 297 Lebensprinzip 314f. Lebensstil 19, 43, 305, 338f.
412
Sachregister
Lehre → Irrlehre, Trinitätslehre, Zwei-Geister-Lehre 132–134, 157, 237351, 244, 256, 313, 321, 336 – der Apostel 202222, 209, 257 – christlich 30332 – Jesu 145, 83128, 104214, 105, 106226, 237, 253, 350 – platonisch 306 – stoisch 303, 306, 315 Lehrer → Falschlehrer 69, 247f., 290, 35122 Leid → Passion 36104, 56, 82119, 118, 192(186), 194, 257, 306 Leidender Gerechter 36104 Leinentuch 176 Leitmotiv 5 Leitungsgremium 16599, 239, 240, 241366 Leser 5f., 14, 2565, 35, 598, 7163, 7480, 84, 101206, 121, 124, 149, 152, 168, 175136, 207, 210, 352–354, 356f. Leserkreis 3f., 6f., 272, 347, 352, 354, 356f., 359 Leserschaft 3, 354 Levit 2666, 257 Liebe 309, 321 Lied der Hanna 146 Licht → Augenlicht, Söhne 307 – für Heidenvölker 42 liminal 34 Lob → Gotteslob 31, 42, 56, 103, 122, 138, 223 Loblied 25, 6115 Lobpreis 25, 37, 39, 42, 102(207), 103209, 104, 15155, 279 Logienquelle Q → Q-Version 2980, 7267, 102, 124, 2962 Los 1611 Lüge 261 Lügengeist 30123 Lydda 174 Lydia, Purpurhändlerin 206, 232 Macht → Wundermacht – göttlich → Kraft 2349, 24, 33, 55, 6220, 78, 80–82, 90f., 100195, 108, 112f., 129, 134, 212f., 281, 284, 297, 304, 305 – der Sünde 321 – weltlich 54, 81
Magd 153f. magisch 81, 212f. Magnifikat 146 Mahl → Passamahl 257427 Mahlzeit 176 Manoach 36 – Frau des 17, 36 Maria, Mutter Jesu 132, 36f., 39, 58–66, 75, 283, 289 Mark Aurel 30542 Markus 38, 157, 2980, 31, 69, 7164, 72–74, 7586, 76, 77–79, 83121, 84(128), 86137, 107, 255421, 256, 284, 286, 2972 Markus-Evangelium 3, 69(56), 7164, 75f., 78, 83, 255421, 256, 2962, 3271, 35323 Markus-Parallele 3084, 77, 126289 Markus-Vorlage 71, 281, 284 Märtyrertod 191182 Materie 98, 282, 284, 286, 304, 317, 338, 340, 344 Matthäus 38, 133, 2980, 31, 65(36), 7267, 7586, 7694, 78100, 81114, 84(128), 100195, 102(207), 132, 255421, 2972, 3272 Matthäus-Evangelium 3, 133, 6536, 7694 Matthias 46(149), 138 Mazedonien 188f., 190 Meer → Totes Meer 175 Melchisedek 314 Melchisedek-Midrasch 314 Mensch → Geist 101206, 132–134, 151, 157, 170, 180150, 182, 186, 188, 193, 195f., 199208, 201(218), 202222, 206, 208, 210f., 212f., 217–219, 221, 223f., 229, 230335, 233–235, 248(400), 249405, 250, 252, 253, 254, 255, 261, 262445, 263, 283, 286, 290(42), 291, 298(8), 299f., 302f., 304(35), 305, 306f., 309f., 311– 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 322(128), 325f., 328–331, 336–342, 344, 345, 346, 347–349, 351, 353f., 361 Menschenbild 195 Menschengeschlecht 329 Menschenmenge 205238, 207f. Menschenschöpfung 31163, 318, 330 Menschensohn 255(421) Menschheitsgeschichte 77 Messianität 75, 77, 93, 101, 112f.
Sachregister Messianologie 66(40), 70 Messias → Christus, Gesalbter 28, 6115, 66(42), 70f., 75, 77, 88, 90, 93f.., 101, 107, 112f., 200213, 30021, 316(97), 353 Messiaserwartung 28, 316(97) Messiasgeist 114 µετάνοια 28, 118f., 197, 223 Micha Ben Jimla 31163 Milet 250 Mission → Heidenmission, Weltmission 52f., 95, 116f., 127293, 128f., 133, 135, 137(1), 157, 165–194, 198–200, 203, 205, 207246, 208f., 213, 214269, 272, 216, 222, 224, 229331, 233, 250408, 253, 264, 267, 280, 287f., 290, 292, 323134, 331, 333, 338, 350f., 354 Missionar 168–170, 175, 183, 187–189, 190, 193, 198, 204232, 207, 215273, 220, 228325, 236351, 237356, 240366, 246–250, 252, 253f., 278, 281, 288f., 331, 333f., 338 Missionsauftrag 118257, 128, 129298, 160 Missionsbefehl 198 Missionsgebiet 189, 193 Missionsgeschichte 16597 Missionskonvent 183156 Missionsplan 190f., 194 Missionspredigt 94, 95175 Missionsrede 96181, 97, 119258, 195191, 197200, 220293, 284 Missionsreise 187(169), 189, 237356, 247f., 250, 253f., 289 Missionsstrategie → Inkulturationsstrategie 413 Missionstätigkeit 53, 128, 165f., 168, 170, 177, 180f., 188f., 191, 192f., 203, 207245, 208f., 213, 216, 224, 226, 245391, 280, 287, 292, 323(133), 339 Missionsweg 187168, 188170, 190, 192f., 214273, 250408 Mittelplatonismus 295, 303, 306, 327, 330, 345, 351 Moabiter 30125 Monismus 304, 330, 340f., 350 Moral 312(71) Mose 2030, 118(255), 144, 14535, 299f., 301, 30227, 318105, 319, 333, 336, 344 Mutterleib 19f., 23, 26, 33f., 37f., 55, 56183, 67, 276, 283
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Muttersprache 150f. Mysien 187 Mystik 6 Mythos 1714, 14434, 310 nachexilisch 14535, 297, 301, 302, 336 Nachwahl (des 12. Apostels) 45f., 48, 138, 139, 142f., 15778, 237351 Name Jesu 65f., 119, 157f., 196–198, 210258, 217, 220, 228–230, 233, 235 Namensformel 200, 210258, 227321, 233f. Namensliste 238360, 247396 narrativ 39, 9, 15, 92164, 180150 narrative factor 515 Nasiräer 19 Nasiräergesetz 19(25) Naturkatastrophe 187169 naturwissenschaftlich 30751 Nazareth 41136, 7268, 83–85, 87f., 90, 92(164), 95f., 100, 284 Nazareth-Perikope 83f., 85130, 86137, 142, 87, 88147 Nazareth-Synagoge 83–86, 108 Neapolis 188 Nichtjude → Heide 53, 169f., 177, 183, 193, 203, 287 Nikanor 242 Nikolaus 242 Noah 7058 Numa 309f., 325, 327 Obergemach 117, 141 Obrigkeit 132 Öl 91157 Offenbarung → Selbstoffenbarung Jesu, Sinaioffenbarung 69–83, 89, 93167, 103, 104, 15574, 168163, 279, 313, 334– 336, 338 Offenbarungsempfänger 313 Offenbarungsvollmacht 104 Offenbarungswort 7586 Opfer → Räucheropfer 41, 240, 280, 309 Orakel 307–309, 332f. Orakelgott 309 Orakelheiligtum 306 Orakelspruch 333, 336 Ordnung des Abias 1611, 35 Origenes 305 Ortsgemeinde 102, 241366, 252
414
Sachregister
Ostererzählung 123 Ostern 119, 136351 Othniel 299 Ovid 159 Palästina 4, 177140, 31694 Pantheismus 304 Paradies 103211 παρρησία 48160, 158–160, 161, 164, 191(181), 282, 342 Parmenas 242 Parallelbiographie 310 Passahfest 14, 14535 Passahmahl 14535 Passion → Leid 54, 81114, 82119, 118f., 197 Passivum divinum 126, 206, 219, 256 Pastoralbrief 251412 Paulus 413, 951, 52f., 54, 94170, 95174, 97187, 120265, 14638f., 150(55), 159, 16193, 170117, 174, 183f., 186163, 187– 189, 190, 191f., 193f., 196, 218285, 225–229, 231–233, 235, 236351, 237356, 245(391), 247–250, 251–253, 279, 289, 295, 297(3), 30332, 320–323, 326–328, 331f., 335f., 338, 339, 342f., 345, 346, 349 Petrus 45f., 94–97, 109f., 124277, 132308, 1408, 142, 151–153, 156f., 161–164, 168109, 111, 172126, 174–183, 185, 186163, 187, 189, 193, 195–197, 199, 201221, 202f., 205f., 209, 212f., 215– 225, 234f., 236351, 243, 249405, 258– 261, 288f., 292, 337 Pfingsten → Heidenpfingsten 1, 10f., 3084, 47158, 102206, 109f., 114, 122, 124f., 130, 137, 138, 139(3), 141–143, 14535, 146–153, 155f., 15880, 160(88), 162–164, 165f., 169111, 195, 198, 202– 205, 219f., 222, 229335, 235, 239, 253, 261444, 263, 281, 337 Pfingstgeist 11(4), 3083, 110, 112, 125, 14015, 14535, 148, 150, 152, 155, 16088, 195(189), 219f., 241 Pfingstpredigt 152, 15363, 197 Pfingsttag 3083, 47, 112, 113246, 140(8, 12), 142, 157, 205238, 218, 281 Pfingstwunder 139, 142, 15880, 203231 Pflanze 304
Pilger 14741 πίµπληµι bzw. πληρόω (πνεύµατος ἁγίου) 20, 37, 43141, 79, 1409, 143, 231, 233, 242(370f.), 277f., 279, 283, 285f. Pharao 310 Pharisäer 26 Philippi 188, 206, 232 Philippus 165–174, 177, 179f., 182(153), 185, 187, 189, 192f., 207–214, 229331, 234, 242f., 279, 280, 287f. Philo 295, 310, 31163, 317–319, 326, 330, 331, 335–337, 339f., 342, 344, 346 Philosophenschule 303 Philosophie → Hellenistische Philosophie 15883, 317, 328, 330, 340 φοβούµενος τὸν θεόν 177f. Phrygien 187 Plage 312, 342 πλήρης (πνεύµατος ἁγίου) 43141, 79f., 16195, 241f., 244385, 246, 249, 277f., 284–286 Platon → Pseudo-Platon 307, 319(108), 351 Platonismus → Mittelplatonismus 306, 317, 337 Plutarch 295, 303, 306–310, 325, 327f., 331–334, 335–337, 338, 34016, 342, 344, 348f., 351, 353 Pneumalehre 303 Pompeius 31695 Pontius Pilatus 48160, 157 Posaune 14535 Poseidonios 304 Priester → Hohepriester, Melchisedek – in Delphi 306 – in Israel 14, 1611, 19(27), 2143, 2666, 91 Priesterdienst 16(11), 2143, 3596 Priestergeschlecht 1611, 19, 35 Priestergewand 299, 333 Priesterklasse des Abias 1611 Priesterschaft, israelitisch 1611 Priesterschrift – nichtpriesterschriftlich 298 Prolog (des Lukas-Evangeliums) 3f., 238358 Proömium (des Lukas-Evangeliums) 158, 122
Sachregister Prophet → Berufsprophet, Falschprophet, Schriftprophet, Wanderprophet 103, 20–24, 26(66), 28, 31, 34, 38f., 44145, 52, 55f., 6115, 6431, 67f., 84128, 91159, 94, 97, 104, 107, 118(255), 119262, 144, 153, 155(73f.), 163f., 167f., 191180, 196, 217, 243–246, 247f., 253f., 255, 276, 280, 301f., 303, 311, 313f., 315, 319, 325f., 334–336, 338f. Prophet des Höchsten 25f., 67 Prophetenamt 21, 23f., 55, 301, 333 Prophetenberufung 20 Prophetenbuch 27 Prophetengeist → Geist Elias 5, 114, 20(37), 23, 67, 6851, 99195, 279, 306, 319 Prophetengruppe 301 Prophetie 20, 37–39, 42, 96, 99195, 119262, 14638, 15055, 153, 155(73), 163, 167105, 203231, 243375, 244–246, 247, 253, 268, 276, 279, 290(42), 291, 297, 301(23, 25), 302, 307–309, 317, 319, 322, 324, 334–338, 344, 346, 347, 349, 352f. Proschoros 242 Proselyt 14743, 168111, 242 Protasis 197 Psalm → Benediktus, Magnifikat 14, 46f., 49–51, 70, 101206, 118(255), 29814 Psalmen Salomos 295, 310, 316f., 326, 331f., 335, 339, 342, 344, 348 Psalter 49 Pseudepigraph 31164 Pseudo-Platon 295, 303, 305f., 325, 331, 335, 338, 341, 344 ψυχή 132, 31163, 314, 318(104) psychisch 28737, 30542 psychologisch 31062 Pythia 306–308, 331–333, 335–337 Quirinius, Statthalter 159 Qumran 14535, 295, 310, 311–314, 325– 327, 331f., 335f., 338, 341, 342, 344f., 34620, 348, 350 Qumran-Gemeinschaft (Yahad) 312, 31373 Q-Version 3084, 100195 Rahel 36 Räucheropfer 1611
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Rauschtrank 18f. Rechte Gottes 110, 112f., 134, 135, 143, 152, 163, 219, 246, 359 Rechtfertigung 51, 132f., 178, 180, 221297, 235, 321, 328 Redefähigkeit 16194 Reflexionszitat 65 Reich Gottes 1822, 82, 86, 90, 94, 120, 121268, 122, 127293, 201218 Reich-Gottes-Predigt 103 Reich für Israel 127 Reicher 260437 Reichtum 260(437), 315 Reinheitsgebot 216 Reinigung 130302, 201218, 311, 312(71), 325f. Reisebericht, lukanisch 123275, 187167, 188170 Rekapitulationsgedanke 101206 religionsgeschichtliche Verortung 6, 294 Repräsentant – der Apostel 96 – des Gottesvolkes 15 – Israels 131, 15, 35–44, 79, 242371, 266, 276, 279, 285, 326f., 334, 347f. Retter 299f., 331f. Rettung 25, 39, 41, 56, 153, 188, 203f., 205, 299, 302, 332, 338f. Rettungstat 338f. rhetorisch 14743, 220, 261, 28737 Richter – alttestamentlich → Simson 2030, 299, 314, 333, 338f., 341f. – Jesus 96, 217 Richterbuch 29 Ritual 199, 201, 202222, 208, 210f., 213, 219f., 229(333), 234, 243, 248f., 250408 Ritus → Aufnahmeritus, Salbritus, Taufritus 14434, 201, 221, 230335 Rom 413, 9, 51–53, 159, 190–192, 194, 245, 264, 280, 339 römisch 27(73), 14743, 175f., 185, 196, 215, 244, 303(33), 305 Sabbat 1611, 84f., 216 Salbritus 91 Salbung → Berufssalbung, Geistsalbung 85133, 88, 90–94, 98, 101, 108, 2722, 278, 284, 300, 328, 332f., 348
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Sachregister
Salbvorgang 98 Salomo → Psalmen Salomos, Weisheit Salomos 30021, 31163, 33010 Sämann-Gleichnis 196 Samaria 117, 127293, 128f., 162, 165f., 207(246), 209f., 213f., 229331, 232–234 – Stadt Samarias 207(247), 208248, 209 Samaritaner 166100, 210f., 213f. Samothrake 188 Samuel 1714, 19(25), 300 Sandalenriemen 28f. Sanftmut 321 Saphira 257–263 Sarah 17(13), 36 Satan → Beelzebul, Teufel 196, 261– 263 satansfreie Zeit 82119 Saul 2030, 300, 301, 31163 Saulus → Paulus 231(342), 247–249 Schauwunder 81 Schifffahrt 1397 Schicksal 45f., 191, 194, 245, 258, 262, 308, 313, 338, 341 Schicksalsgemeinschaft 50 Schild (zum Kampf) 91158 Schöpfergeist 114, 298, 328 Schöpfergott 49, 97 Schöpferkraft (Gottes) 48, 62(20), 157, 297f. Schöpfung 62f., 7058, 7795, 297, 298, 31163, 318, 3283, 330 Schöpfungsbericht 298 Schrift(en), Heilige 14, 44–54, 57, 61, 86, 97, 118(255), 125, 168, 172, 196, 206, 210, 267, 271, 295, 296, 301 Schriftausleger 336 Schriftbeweis 47f., 49, 96f., 152, 196199 Schrifterfüllung 118257, 119 Schriftprophet 301 Schriftwort 15, 44–47, 48, 50, 51–53, 54, 55f., 118, 120, 173, 279, 334 Schriftzitat 50(166), 54, 85, 97, 112241, 157, 237353 Schwachheit 321121, 345 Schwangerschaft 1714 – Elisabeths 36, 6743 – Marias 36, 59–61, 65f., 283 Sebaste 207247 σεβόµενος (τὸν θεόν) 178146
Seele 70, 101206, 243375, 298, 30435, 306– 309, 31163, 312, 314f., 318f., 325f., 328(4), 330f., 332, 337 Segen 6325, 117253, 302 Segensspruch 312 Sehkraft 307 Selbstoffenbarung Jesu 145 Selbstproklamation 83, 86, 90, 94, 108 semitisch 4, 157 Seneca 295, 303, 30436, 305(45), 325, 330, 340 Septuaginta 4, 147, 35100, 45147, 46149, 49161, 51174, 6116, 6325, 7061, 7996, 87145f., 15054, 153–155, 158f., 167102, 225, 297, 298(11f.), 30022, 30125, 30229, 315, 318, 35323 Serubbabel 299 Seufzen 321121, 345 Sichem 207247 Sieben → Armenpfleger 16194, 166(99), 240–242, 285 Siebenerkollegium 165, 241, 243, 253 Silas 187, 244385 Simeon 114, 15, 35, 40–42, 43f., 55–57, 68, 276(5), 279, 280, 325f., 338f., 341, 347f., 352 Simon – der Gerber 174–176, 179, 181 – → Petrus 175 – der Zauberer 166, 207–209, 213(266), 234 Simson 1714, 19(25), 299 Sinai 14535 Sinaioffenbarung 14535 sittlich 36, 302 Sohn des Höchsten 2666, 66f. Söhne – des Lichts 313 – der Finsternis 313 Sokrates 306, 34016, 34619 Sonne 309 Sonnengott → Appollon 309 Sorglosigkeit 133 soteriologisch 6, 6216, 328 Sozialethik 257428 Sprache → Muttersprache 4, 110, 115249, 146, 14741, 43, 148–151, 153f., 163, 178146, 219, 225, 240366, 281, 30333 Sprachenvielfalt 3083, 151
Sachregister Sprachrohr 47, 49 Sprachstil – alttestamentlich 4, 14 – des Lukas 4, 147, 48160 Sprachenwunder 14639, 14741, 15055, 15158, 152f., 155 Speise 179f. Speisegebot 216 Speiseverbot 180150 Speisevorschrift 176 Streitgespräch 84, 161 Stärkere 28–31, 34, 55, 125–127 Stammbaum Jesu 76f. Stämme Israels 42139, 48, 51, 56, 157, 230, 236351 Standespredigt 28 Staub 298 Stein 81 Steinigung 161, 246 Stellvertreter-Funktion 134 Stephanus 44145, 161f., 164, 195192, 240366, 242f., 246(393), 255, 279, 285 Stiftshütte 6325, 299, 333 Stoa 295, 303–305, 315, 317, 325, 330f., 335, 338, 340f., 344 Stofflichkeit 304, 308f., 337, 343, 345f. stoisch 303f., 305f., 308, 315, 330, 340, 344–346, 349–351, 354 Substanz 173f., 282, 286–289, 322127, 343f., 350, 354 Sueton 35323 Sünde 65, 255421, 256, 263, 321 – lukanische Ursünde 260437 Sünder 316 Sündenvergebung → Heil 25f., 28–30, 56183, 96, 117–121, 128, 134, 196–198, 200f., 217, 233, 302 Synagoge → Nazareth 83, 132, 161, 230, 240366 synchron 7, 9 Synchronismus 27(73) Taube 7058, 73, 286f. Taufe – der Ephesusjünger / des Apollos 189176, 225, 227–229 – Geist- (und Feuer)taufe des Stärkeren Jesus → Feuertaufe 29–34, 55, 6744,
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114, 124–127, 198f., 201f., 221, 223, 227f., 233, 235, 264, 285f., 3309, 343 – Jesu eigene 6115, 6433, 69–76, 79f., 92f., 95, 96180, 103, 107, 135, 278, 286 – der Jesusanhänger / Christen 93, 94170, 124, 127292, 134, 152, 166–170, 173134, 174–176, 178, 182, 189176, 192, 196f., 199210, 200–202, 204–206, 208–212, 214f., 217f., 220f., 224, 225, 228–230, 231–236, 241, 249(405), 255, 323 – Wassertaufe des Johannes 28–30, 32– 34, 55, 56183, 6744, 7481, 119, 124–126, 201f., 210256, 221, 227–229, 235, 237 Taufbefehl 198, 200 Taufbekenntnis 176103 Taufbericht – lukanisch → Taufe , Jesu eigene 77, 92 – markinisch 69, 76, 107, 3271 – matthäisch 7267 – Logienquelle 7267 Taufbewegung 74(82) Täufer → Feuertäufer, Geisttäufer, Johannes der Täufer 168, 220 Täuferkreis 143, 228325 Taufgespräch 176103 Täufling 168, 200213, 201, 202222, 206, 209–211, 213, 219, 221, 227, 232– 234, 288, 323 Taufritus 199–201, 202222, 206, 210–212, 219–221, 227–229, 233, 235 Tauftätigkeit 28 Taufwasser 168, 223 Taufwort 31, 124f., 126289, 222 Tempel → Jerusalemer Tempel 145 Tempelbau 31163 Tempelerbauer 299 Testamente der zwölf Patriarchen 31062 Teufel → Beelzebul, Satan 79–82, 96, 100(186), 108, 213266, 280, 339 Theophanie 110233, 14434, 145(35), 163 Theophanie-Element 3083, 14535, 159, 28736 Theophanie-Motiv 144(32–34), 146 Thora → Gesetz 118255, 317 thorakritisch 240366 Thoratreue 14 Thron 66, 315
418
Sachregister
Tier 176, 181, 298, 304 Timon 242 Timotheus 187 Tischdienst 241f., 278 Tischgemeinschaft 177138, 223 Tod 298, 306, 314 – Hananias und Saphira 262f. – Herodes Agrippa 289 – Jesus 96f., 102206, 116, 152, 195 – Judas 46(147f.), 48, 261444 – Paulus 191182 – Pompeius 31695 – Pythia 308 – Stephanus 246 Todesfurcht 306 Todesstrafe 262 Totengebeine 298 Totengedenktage 1 Totes Meer 31164 Transzendenz 63, 306, 315, 318, 325, 330f., 340f., 350f., 354, 356 Traum 153, 188169, Traumdeutung 299, 326 Treue 321 triadische Formel 320 trinitarische Formel 210258 Trinität 1, 115250, 360 Trinitätslehre 360 Troas 187 Trost 6325, 88146, 132, 246, 306, 314 – Israels 40f. Tröster (Paraklet) 38, 125285 Trunkenheit → Betrunkenheit 1408, 15158 Tugend 305, 318, 325f., 330, 338–340 Tun-Ergehen-Zusammenhang 43142 Tyrus 191180, 245f., 279 Übergangsgestalt → liminal 17 Übergangszeit 131, 35, 56, 112, 116f., 136, 138, 266 Umgangsverbot 177, 180150, 181, 217 Umkehr 21f., 26, 28–30, 33, 34, 55, 56183, 7481, 117–121, 128, 134, 196–198, 200f., 203231, 204, 210, 213, 217f., 223f., 228, 260437, 262, 282 Umkehrpredigt 228329 Umkehrruf 21(42), 24, 29, 32, 44, 55, 97, 119(262), 152, 197f., 200f., 206 unfassbar 2, 143
unfruchtbar 17, 19, 3291, 6743 Unfruchtbarkeit 36105 ungehorsam 18, 44143 ungerecht 43142, 316f. Ungerechtigkeit 316 Unheil 30(83f.), 45147, 46, 47151, 6324f., 89, 100, 126, 153, 191180, 213, 245391, 262 Universalität 88, 95, 148, 15155, 203, 252, 304 unrein 95, 174136, 176f., 179–181, 217, 288 Unsterblichkeit 306, 318, 325f., 330 Unterdrückter 96, 100, 196 Unterdrückung 307 Unterpfand 321, 343 Unterwelt 314 Unzucht 184 ὕψιστος 26(66), 60f., 6430, 66f., 121(267), 283, 3296 Urgemeinde 133313, 15055, 16599, 240366, 243, 257 Väter → Kirchenväter 130, 131304, 255, 309 – frühchristliche 96181 Vater – Gott 73f., 81–83, 89f., 101206, 103– 105, 107f., 109, 110f., 113–115, 116f., 120f., 123f., 126–128, 131–133, 134– 137, 143(26, 28), 145, 155, 163, 170f., 186, 187168, 198f., 201, 204, 206, 210258, 218, 220f., 224, 233, 235, 238f., 260–263, 265, 268, 277, 281, 28736, 320, 321, 325–329, 349, 351, 353, 359–361 – irdisch 130, 131304 Vateranrede 103, 104214 Vater-Prädikat 113 Vaterunser 130(302), 201218 Verein 257(427) Vereinswesen, antikes 257 Verfolgung 132310, 134, 164, 16599, 207(244), 209252, 213 Vergeltung 88146 Vergeltungstag 89149 Vergil 159 Verheißung → Heilsverheißung 16–18, 21, 28, 581, 59, 61, 6430, 66, 6743, 75, 112, 276, 282
Sachregister – an Israel 14, 21f., 24, 39–42, 48157, 66, 71, 7795, 86, 89, 108–111, 113243, 123275, 156(77), 163, 202–205, 214f., 219, 234, 264, 267, 278, 280, 296, 302, 316, 329, 3309, 331f., 344, 349 – an die christliche Gemeinde 145, 109– 111, 115–117, 119–131, 132310, 133f., 137f., 140, 146, 156, 16086, 162, 194, 197–199, 201–204, 208, 219, 222, 233, 235, 263f., 281, 284f., 292, 3309, 351(22), 353 Verheißungswort 128 verkehrtes Geschlecht 205 Verkündigung → Evangeliumsverkündigung 87145, 97, 100, 108, 116f., 152, 195189, 244384, 289, 30022, 302, 314, 331, 345 Verkündigungsamt 191 Verkündigungsauftrag 117253, 123, 197, 238362, 239364 Verkündigungsverbot 48, 156–158, 164 Verkündigungstätigkeit 51, 53, 108, 127f., 159, 163f., 16597, 166, 173, 193, 278 Vermittler und Verwalter, Jesus als 11, 31, 55, 58, 109–135, 135–138, 14328, 187168, 195189, 199, 201, 212, 218–220, 222, 225310, 233f., 261, 263, 266, 268, 277, 327f., 349, 352, 359, 3603 Vernunft → Weltvernunft 14638, 305, 307, 309, 318f., 325, 330, 340 Vernunftwesen 305, 319, 330 Versammlungsort 117, 141, 159 Verstand 69, 299, 30435, 322129 Verstockung 52, 53178, 136, 196 Verstockungswort 52 Versuchung 77–83, 90, 100196, 108, 135, 259, 280f., 339 Versuchungsgeschichte 77, 78100, 79106, 80, 82(119), 92, 108, 213266, 281, 283, 290 Verwerfung 83, 137, 254–263, 264, 300 Verzückung 176, 301, 307, 31163, 335f. Vision 71(63), 74, 94173, 153, 175f., 178–183, 188f., 193, 217, 246, 288f., 302, 335f. Volk → Gottesvolk
419
Völker 42, 56, 95, 117–120, 128, 147– 150, 157, 16195, 197, 208f., 217, 285, 300, 303, 317 Völkerliste 147f. Volkssprache 149 Vollkommenheit 312(69), 325f. Vollmacht → Offenbarungsvollmacht 121268, 128, 199(207), 201, 212f., 234 vorexilisch-exilisch 301 Vorgeschichte → Geburts- und Kindheitsgeschichte Vorhaut 221 Vorherbestimmung 44–54, 57, 140, 156, 267, 313, 338, 341, 350, 354 Vorläufer → Johannes der Täufer, Wegbereiter 2244, 67, 6955, 277 Vorsehung 31269, 341 Vulcanus 14434 Wachstumsnotiz 26(69), 68f. Wahl der Sieben / Armenpfleger 16599, 243 Wahrsagung 30751 Wallfahrt 167f. Wanderprophet 244(383) Warten 40f., 121f., 138, 140, 148 Wassertaufe → Taufe Wegbereiter → Vorläufer, Johannes der Täufer 27–29, 38, 283, 348 Weise 103 Weisheit 68f., 53, 158, 161(94), 241f., 243375, 253, 285, 299f., 310, 31163, 314f., 317f., 322(128), 325–327, 333f., 342 Weisheit Salomos 295, 31163, 314–316, 325–327, 330f., 335, 339f., 342, 344, 346 Wein 18f., 151, 309, 337 Weissagung 15, 25, 39, 45, 54, 229, 244, 254, 279(14), 290(42), 301, 307, 309, 332, 334f., 337f. Weltmission 127293, 14948 Weltschöpfung 298 Weltvernunft 304f., 340 Wettersturm 144 Widerstand 44145, 51, 56, 100, 159f., 162, 164, 199, 254, 255, 257, 259f., 262, 263, 264, 267, 280f., 303, 342 Widerständler 264
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Sachregister
Widerstandskraft 164, 264 Wiedertaufe 229 Wille (göttlich) 157, 180, 186, 192(184) Wind 1397, 143–146, 163, 2976 Windbrausen 110233 Wind-Götter 14434 Wir-Passage 188170 Witwe 240f., 253 Witwenversorgung 240365f., 253 Wochenabteilung 1611 Wochenfest 139(4), 14535, 14741 Wohlgefallen 69f., 104 Wohlgestalt 315 Wohltäter 99 Wohltäterschaft 257427 Wolke 6325 Worfschaufel 28f. Wort → Gotteswort, Jesus-Wort, Johannes-Wort etc. – des Geistes 180, 291 Wortereignisformel 27 Wortführer 196197, 198 Wunder → Pfingstwunder, Schauwunder, Sprachenwunder 49, 82, 99195, 151, 158, 163, 186163, 255421, 256, 33513 – Elias 2348 Wunderbericht 152 Wunderkraft 82, 281 Wundermacht 81, 213 Wundertätigkeit 88146, 99(195), 108, 16195, 207, 208248f., 209, 239, 243375, 278, 285, 301, 322 Wüste 25, 27, 76–80, 100196, 280, 284 Wüstenwanderung 79106 χαρά 18, 104213, 233(350) χρίω 10, 48160, 49162, 93f., 98, 278, 284 Zacharias 9, 15, 16, 1713, 2561f., 35–40, 42, 43, 44, 55, 581, 79, 103209, 276, 279, 289
Zauberei 208 Zauberer 166, 207–209, 212f., 234 Zaubergabe 213 Zauberkunst 208, 213 Zeichenhandlung 245(389) Zeitgeschichte 27(73) Zenon 30436 Zepter 315 Zeuge → Augenzeuge 47, 74, 117, 120, 122, 128f. , 130302, 14535, 147–149, 152, 159f., 161–164, 174, 187, 198f., 202, 206, 208, 215, 233, 235, 237– 239, 246, 255f., 263, 290, 292, 342 Zeugenauftrag 120, 128, 133, 142, 197, 281 Zeugenschaft 96, 122, 129299, 136, 140, 142, 146, 148f., 152, 156, 160(88), 162– 164, 165, 217 Zeugnis 38, 56, 75, 156, 28225 Zeugung 1714, 60, 62–65, 70(60), 307, 309f., 327f., 348 Zeus 30441 Zeushymnus 30441 Zion 88146, 314 Zorn 6325 Zukunftsschau 246 Zukunftsvorhersage 245 Zukunftsvorstellung 309 Zunge → Feuerzunge 143, 146, 229, 316 Zungenreden 150, 218f., 229, 322, 336 Zwei-Geister-Lehre 312(70f.), 31373, 341 Zwölf → Testamente der Patriarchen – → Apostel 48, 56, 105, 121268, 138, 139, 142f., 15778, 196197, 213, 230, 236–239, 243, 261444 – Epheser 230 – Stämme Israels 48, 56, 230, 236351 Zwölferkreis 45–48, 54, 56, 230, 236351, 253 Zypern 257